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Konstruktionsgrundlagen für Stahlbeton-Oachdecken auf tragendem Mauerwerk w. Pfeflerkorn, Stuttgart

Kurzfassung In dCI11 Aufsa tz wird zunachst die in neuercr Zeit verbreitcrc Behauptung angesprochen. man konne Mauerwerk unter Stahlbeton-Dachdecken nur unter Zwischcnschaltung von Gleitlagcrn riB­frei hersteIlen . Das ist nicht richtig. N orwendig isr dagegcn hei g roI3eren Dachflachen dic rechncri sche Unter­suchung der gcgenseitigcn Becinflus­sung von Stahlbccon-Dachdeckcn und tragendem Maucrwerk. D iese kalln cr­fahrun gsgcmaB allf dic Behalldlung folgender dtei Fali r beschrankt werdcn: 1. Uingellandcrungen der Dachdecke gegenübcr der Deckc darunter. 2. Unterschiedliche D chnungcn vou D ccken und W anden . 3. V crdrehungcll der Dachdeckc auf deu Wanden. Ausgehend von dem Ergcbnis der rcch­nerischen Untersuchung ist dann liber evtl. notwendigc konstfllktive MaBnah­men zu entscheiden, wclche kurz darge­legt wcrden. SchlicB1ich cnthalt der Aufsatz cinigc Hinweise iiber Anfor­derullgen an die Bauausfi.ihrung, durch deren Beachtung bei richtigcr Planung schadcnfrcie Tragkonstruktionen erhal­ten wcrden.

Design principIes for reinforced concrete roof decks on loadbearing brickwork First of ali the paper considers rhe widespread proposition in recent years that cracking in brickwork supporting reüúorced concrere roofs can be avoidcd only by ascertaining frce horizontal movemcnt of the roof SllpportS. Th is is not correct. lustead, a structural analysis is needed of the reciprocal influences of the reinforced concrete roof decks and of the supporting brickwork respecti­vely. This may be confined to the con­siderarion of the fo llowing duee cases: 1. Length changcs of the roof deck co mpared with those of the slab beneath. 2. Difference5 in the elongations of slabs and \Va lls. 3. Torsion of the roof deck at the wa lI suppores. Proceeding fro m the rcsulr of the srruc­tural analysis, rhe reqllired dcsign measu­res are then tO bc selected from the possible alternativcs, which are briefly cxpounded. Finally, the paper contains so me remarks on the necessary prccau­riom to be observed dur ing construc­tion, in order to obtain structures wh ich are free fro m dcfects.

Bases de construction pour dalles de toits plats en béton armé sur maçonnerie porteusc

L'auteur effleure [Qut d'abord l'affir ma­tion qu'on rrouve ces derrucrs temps, selon laque1le il est lluiqllemem possible de réaliser une maçonnerie sous une daUe de toit cn béton armé sans fi ssures, en intercalam des appllis à glisscment. Cc n'est pas exact. Ce qui est par comre néccssaire, c'est l'exa mcn, par voie de calcul , de l'interaction de dalles en béton armé ct de maçonlleri es portell­scs. Cet examen peut se limi ter allX trois cas SUlvants: 1. va riation de la longlleur de la dallc de toit par rapport au plancher posé un étage plus bas, 2. dilatations différentcs des planchcrs ct des parois, 3. rorsions du pIancher de to it sur les parOls. A partir du résllltat de l'examcn par voie de calcul, il faut cnsuitc décider des mesures const ructives à prendre éven­tucllemcnc; celles-ci sont illustrécs so 111-

mairement. Enfin I' cxposé contienr quclqlles indications sur les CXigCllCCS rela[ives à l'exécurion des travallX, dom l'observarion pcrmet d 'obtenir des constructions portcllscs sans dérériora­[lons.

Tragkonstruktioncn aus Stahlbeton-Dachdecken allf tragen­dem Mauerwerk stellen offensichdich auch heute noch für vi ele Planer ein so lIndllrchsichtiges Problem dar, da3 sie sich von vornherein gar nicht damit auseillalldersetzen. Diese bequeme Auffassung spiegel t sich allch in der neuen "DIN 1045" wider. Dore heifi t es im Abschnitt 14. 4. 1: " Licgt cin Stahlbetondach auf gemaucrren W anden ... , so 50llcn unter seinen AufJagern Gleitschichten ... angcordnct wcrden, um Risse in den W anden ll10glichst zu vermeiden." So cinfach lasscn sich also Probleme in ciner Vorschri ft umgehen. Dabei wei3 jeder im Mallerwerksbau tatigc lngellicur, da3 mit Glcit­schichtcn allein brallchbare und wirtschaftliche Stah lbeton­Dachcr auf [ragendem Mauerwerk in vielell FãIlen nicht crreichbar Silld.

I. Gegenseitige Beeinflussung von Stahlbeton-Dach­decken und tragendem Mauerwerk

In diescm Referat sol1 andeutungsweise vcrsucht wcrdell, zu­nachst die Grundlagen des Z usammcnw irkens von Srahlbeton­Dachdcckel1 und Mauerwerk - ohne Gleitschid u cn - darzu­lcgcn, und anschlieBend daralls Folgerungen für dic konstruk­tive Ausbildung Zl1 ziehcn. Es kann sich dabci nur um Dach­deckcn mit oberer W armedamll1ung halldcln, da Sperrbcton­dacher in jedel11 FalIe speziclle konstruktive MaBnah men und Gleidagcr iiber dcm Mauerwerk cefordem .

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Dccken. und T ragwalldc crleiden Verformungcn durch auBere Krãftc llnd dl1fch Volulllenandefllngcn infoIge von FCllchtig­kei rs- und T emperaturwechscln. Bci fester Vcrbindung beider Ilementc Illi.i sscn Verformungen des Stahlbetons und des Mauerwerks im Auflagcrbcreich glcich groB sein, was neben dcn Lastspannungen zusaczliche Zwangungsspannungcn be­dingt. Im wescmJichcn lassen sich die Z wangungsspalUlungen auf drci Ursachen zuri.ickführcn, jcweils ausgehend vom zwang llngsfreicn Hcrstell ungsZl1stand.

I. I Langenveranderungen der Dachdecke gegenüber der darunterliegenden Decke

Anderr sich die Lange der Dachdeckc gegeni.ibcr der darunter­liegendcl1 Deckc, so erleidet die Tragwand zwischcll beiden Elementen (ntsprechende Verforillullgen. Wird ilúolgc einer Verlangerung der Dachdecke die Zllgfestigkeit dcs Maller­werks i.iberschrittcn, so trcten typische DiagonaIrisse in den am weitesten vom Kernbereich entfcrntcn W anden auf. Erfolgr dagegen eine Verkiirzung der Dachdecke, so erhalt das Maller-

wcrk Drllck. welcher prakrisch stcts schadlos von diesem allf­genomll1cn wCl den kalU1. Durch die Krahcinlcinmg am Maucrwerksrand entstehcn jcdoch gleichzeitig Spannungs­konzentrationen lInd Schubbcanspruchungen in der Wand. wclchc zu eincm Abschcrcn dcs Mauerwerks unteIhalb der Dachdccke fí.ihren konncn. Solchc Langenanderungs-Differenzen entstchen dadurch, daR dic Dachdccke eine andere Tempcratur oder einen anderen Austrocknungszustand aIs die daruntcr licgcnde Dcckc erfahrt. Dieser FaU tritt auch bei anderen GeschoBdecken allf, wobei die T emperaturdifferenzen allerdings i. a. etwas geringer sind. Der Hauptumerschied zwischen dem obersten GeschoR llnd dcn Gcschossen darulltcr liegt aber in der geringcn Bclastung des Mauerwerks durch die Dachdeckc. Da die Schubfestigkeit des Mallerwerks mit der Normalspannung wachst, sind die Wande in den ticferen GCScho55cn somit weniger riRgcfahrdet ais im obcrsten GeschoB.

1. 2 Unterschiedliche Debnungen von Decken und Wanden In Dccken und Wanden konncn umcrschicdlichc Dchnungen auS zwei Grlindcn auÍtreten. Bei Mauerwerk mit gleichem SchwindmaB und gleichcr Warmcdehnzahl wic beim Stahl­beton der Dccken entstehen unterschiedliche Dehnl1ngen nur infolge verschiedener Tempcraturen und Austrocknungsver­laufe in Decken lmd Wanden. Meistens unterschciden sich jedoch die BaustoffeigenschaÍten von Wanden und Decken. 111 di esem Falle verformt sich das Mauerwerk auch dann anders ais der Stahlbeton, wenn beide die gleichen Tempcracur- oder Fellchtigkcitsvedinderungen erlciden. Wi ll sich das Mauerwerk verkürzen, so entstehcn darin iIúoIge der Dehnungsbehinderung dllCch die Dccken Zugspannungen, welche bei geschlossencll Wandcn in deren Mitte ihren GroBt­wcrt crreichen. Wird dic Zugfestigkcit dcs Mallcrwerks übcr­schrirren, so bilden sich bcvorzugt lotrechte Risse i m mittleren Drirrcl geschlossencr Wandscheibcn. und zwar l1nablüingig von deren Lage i m GrundriB. V crkürzen sich dagegen dic Dccken gegcnliber dem Mallcrwerk. so erhalt dieses entsprcchende Druckspannungen. Wird dabei die Schcrfestigkeit der Fugcn übcrschritcen, so koml1lt cs ZlI hOIizontalen Risscn l1nd damit zu einem Abscheren des Mauerwerks gegenüber den Decken.

1. 3 Verdrehungen der Dachdecke auf den Wãnden lcdc Stahlbetoll-Dachdcckc cdcidet Durchbiegungcll infolge von Lascspannungen. Kriechcl1 und Schwinden. Die Decken­durchbiegung bewirkt an den Wandauflagern cine Dccken­verdrchllng. Die Dcckcnlast vcrlagert sich dadurch aus der Wandmitte, \vas eine Wandverdrehllng infolge der cxzentri­schcn Lasteinleicung zur Folgc hat. Au13erdem drückt sich die Wand itúolgc der ungleichmaBigen LastspatUlungen innen starker zusammen aIs auBen. Die GroRc der Wandverdrehung ZllSalll l11en mit der lUlgleichen ZlIsammenpressung ist jedoch bei AlIBenwandcn hãufig geringcr ais dic Deckenverdrehung. Dadurch emsteht ein auBerer SpaIt zwischen Dachdcckc und Mauerwerk, welcher sich je nach der Zugfestigkeit der Mauer­wcrksfugcn allch in tidere Mauerwerksschichten verlagern kann. Bei massiven Dachdecken handc1t es sich haufig um zweiachsig gcspannte Platten. welche aIso liber Eck auiliegen. Die von der Plattenmitte ausgehende Durchbiegllng wirkt sich hier an den auBenliegenden Ecken besonders stark aus, so daR sich eine schlan.ke Dachccke bei geniigend starren Wãndcn ganz ab­hcbcn kann. Die itúolge der drei genanntCl1 Ursachen allftretenden Verfor­lllllngen lasscn sich rechnerisch naherl1ngsweise ermittcln. Ver­gleicht man sie mit den maximal moglichen Verformllngen dcs Mallcrwerks vor dem Bruch, so konncn hicraus die not­wendigcn Folgerungen Hir die zu ergreifenden konsrruktiven MaBnah mcn gezogcn werdcn.

2. Konstruktive Ma8nahmen hei Stahlbeton-Dachdecken auf tragendem Mauerwerk Für Tragwcrke mit Stahlbeton-Dachdeckcn auf rragendem Mauerwerk steht eine ganze Reihe von konstruktiven MaBnah­meu zur Verfiigung. mit deren Hilfc sich schadcnsfreie Gebaude ausftihren lassen. Haben die vorgcnannten rcclU1erischcn Unter­sllchlmgen gezeigt. daf3 aus Zwallgungcn keine RiBschãden im Mauerwerk und aus der Deckendurchbiegung keine Abrisse zu erwarren sind, so gcnügt dic BauausHihrung ohne jeglichc zu­satzliche MaBnahme. Zahllose einwandfrei so ausgeführte Hau­ser bestatigen dies. Zeigen dic Untersllchungcn dagegen die Gefahr von RiR­schaden, 50 sind Planungsanderungen erforderlich. Die cin­fachste MaBnahmc ist eine Erhohl1ng der oberen Warme­dãmmung auf der Dachdecke. Diesc bedcuter keinerlei zusatz­lichen winschaftlichen Aufwand, da sich die mínimal hoheren Herstellungskosten sehr bald durch geringerc Hcizkosten amortisieren. Reicht das nicht aus, so kann durch einc andcre Kombination von Dccken- und Wandbal1stoffen in vielen Fallen Abhilfe geschaffen werdcn. 1st auch dies nicht moglich odcr nicht erwünscht. so kOllll11t ais weiterc MaBnahme dic Ausbildnng von gecigneten Lagem zwischen Dachdecke lInd Tragwandcn auBerhalb eincr festcn Kernzone in Betracht. Dic cinschneidcnsre Planungsanderung bildet schlieI31ich die Al1s­bildung von klcincren Bauabschnitten durch Anordnl1ng zu­satzlichcr DelUlungsfllgen.

Hãufig ist zwar das Maucrwerk nicht dllrch Schub- odcr Dchnungsrisse gefahrdet, jcdoch ein etwa horizontaler AbriB zwischcn Dachdecke und AuBcnwandcn zu erwarten. In die­sem Falle cmpfichIt sich cine Auflagerung der Decke derart, daB sic ihre Lastcn nur im mittlercn Drittel der AlIBcnwand abgibt, und der zu crwartende auBerc Spalt durch einc vorgc­hangtc Verblcndung oder evencuelI auch eine clastische Ober­deckl1ng von vornherein beriicksicht igt wird. Schon diesc kurzc Aufzahlung zeigt die Unhaltbarkeit des eingangs genalUlten Abschnittes der neuen DIN 1045.

3. Fordcrungen an die Bauausführung Die Tatsache, daB dic beste Pla11lmg zu keincl11 befriedigendcn Ergcbnis fiihrenkalill, welUl bei der Bausaufi.ihrung kcine H.ück­sicht darauf gen0111111cn wird, gilt im besondcren MaBe fiir Tragkonstruktionen mit Dachdccken. Kann auf Grund der vorgenOI11lllcncn Umersllchungen auf bewegliche Lager unterhalb der Dachdecke verzichtcc wcrdcn, was beim W ohnungsbau meistcns der Fall isto so hat dics illl wesentlichcn seinc Ursache in dcm verhaltnismaBig geringen EinfluB der AuBentemperatur auf Dachdccken mit guter obcrcr WarmcdaI11I11ung. Eine erhartccc Dachdeckc 11111B dahcr auch wãhrend der Bauzeit davor geschürzt werden, daB sie wcsent­Iich andcre Tcmperaturen aIs die daruntcr liegenden GcschoB­deckcn alUlimmt. Dies setzt im Sommer bei starkcr Sonnen­einstrahl l1ng eine Abdeckung mie Schilfrohrmatten odcr ahn­lichem voraus. Gerat der Rohbau in den Winter, so mu13 ober­seitig eine Warmedaml11ung aufgebracht werden, wclchc zu­mindest provisorisch gegen eindringendes Wasser geschützt isto Sie trenm eventuellcn SChllCC von der Dachdeckc und ermog­licht ihr dadurch. den AuBelltcmperaturen nahczlI ebcnso schnell zu folgcn \Vic dic übrige Tragkonstruktion. Sind bewcgliche Lager unter der Dachdecke vorgesehcn. so sind an deren Einbau hochste Anforderungen zu stcllen. Ins­bcsondcre ist darallf zu achten. daB auch zwischen den nicht­tragenden Wanden und der Dachdecke keine fcsten V crbin­dungen cntstehen, da solche spatcr zu RiBschaden führcn. Kann eine sehr steife Dachdeckc vol1flachig auf die AllBen­wande betonicrt werden, so muB daHir gesorgt werden, daB keine iibermaBige Deckendurchbiegung enrsteht. Dies bedingt bei ungünst igcr Witterung den Einb:l.ll von NotsprieRen. bis dic Dachdccke den Austrocknllngszustand nach ctwa vier Wochcn hci norma ler Witterllng erreicht hat.

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Gcncrcll gilc für Tragkol1Strukcioncn mit Stahlbeton-Dach­deckcn dic Fordcrung, moglichst schwindarme Wcrkstoffc zu vcrwenden. Dies betrifft allch das Mallerwerk, bei welchcm abgeschcn von Zicgcln l1ur moglichsc gut luftcrockcne Stcine cingcbaut wcrden sollen. Grundsãtzlich kann gesagt wcrden, daB hcute genligend Kon­srruktionsgrundlagen zur Verfiigung stehen, mie dcrcn Hilfc Stahlbeton-Dachdecken, die auf tragendem Maucrwerk auf­licgen, einwandfrci ausgefiihrc werden konnen. Dabei sind entsprechend den jeweiligcn Verhaltnissen verschiedene kon­struktive MaBnahmen zweckmaBig oder notwendig. Einge­hende Ausfühnmgcn zu deu Grundlagen, Berechnungsmetho-

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deu und Konstruktiol1Smoglichkeitcn cnthaltcn die Vcroffcm­lichungen [IJ und [2J.

L1TERATUR: llJ Pfeffcrkorn, W.: D5.chcr mit Ill;lssi\'cn Deckcnkonstruktionen.

Grundlagcn Hir die Ausbildung und BClllcssung der Tragkon­struktion. Das Baugcwerbc Heft 1 und 2/ 1970 Deutsches Dachdcckcrhalldwerk Hcft 3 und 7/ 1970.

[21 Pfeffcrkorn, W.: Konsrruktivc MaBnahlllcll hei Dachdcckcn und ihrcll Unterkonstruktiollcn. Das B:lUgewcrbe Hcft 18, 19, 20 und 21 /1 973.


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