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Fritz KleinGuido Palazzo

Kulturgeschichtedes Geldflusses

Die Entwicklungdes Zahlungsverkehrsmit Fokus Schweiz

Kulturgeschichte des Geldflusses –Die Entwicklung des Zahlungsverkehrs mit Fokus Schweiz.

Für Personen, die eine Ausbildung im Finanzbereich absolvierenoder bereits in diesem Bereich tätig sind, und für alle am gesell-schaftlichen Phänomen Geld Interessierten.

Fritz Klein, lic. oec. publ., ist bei SIS SegaInterSettle im Rahmen derGeschäftsleitung zuständig für strategische Projekte. Er wirkte u. a.bei der Entwicklung und Einführung einer Vielzahl von nationalenund internationalen Interbankprojekten mit.

Guido Palazzo, Dr. phil., ist Assistenzprofessor für Unternehmungs-ethik an der Ecole des Hautes Etudes Commerciales der UniversitätLausanne. Er ist Mitgründer und Gesellschafter der Unternehmens-beratung Management Manufaktur AG in Sarnen.

Eine Zeitreise durch die Entwicklung der Geldwirtschaft: Anschau-lich und spannend zeigen die Autoren den Weg von der Schatztruhedes Fürsten im Mittelalter bis hin zu den modernen Zahlungsver-kehrssystemen. Sie machen verständlich, wie die Organisation desZahlungsverkehrs in jeder Epoche mit ökonomischen, kulturellen,politischen und technologischen Gegebenheiten verbunden ist.Im Zentrum steht die Entwicklung des Zahlungsverkehrs in derSchweiz. Europäische und US-amerikanische Entwicklungenwerden ergänzend aufgezeigt. Das Buch erläutert alle wichtigenSchlüsselbegriffe rund um den Zahlungsverkehr und gibt einenÜberblick über die Funktionsweise der verschiedenen Systeme imLaufe der Zeit.

Kulturgeschichtedes Geldflusses

Fritz KleinGuido Palazzo

Kulturgeschichtedes GeldflussesDie Entwicklungdes Zahlungsverkehrsmit Fokus Schweiz

VERLAG SKV

Fritz Klein Lic. oec. publ., war bei Credit Suisse First Boston als Ma-naging Director verantwor tlich für Settlement Systemesowie Global Operational Banking. Seit Juni 2000 ist erbei SIS SegaInterSettle im Rahmen der Geschäftsleitungzuständig für strategische Projekte.

Guido Palazzo Dr. phil., ist Mitbegründer und Gesellschafter der Unter-nehmungsberatung Management Manufaktur AG inSarnen. Per März 2003 wurde er zum Assistenzpro-fessor für Unter nehmensethik an die Ecole des HautesEtudes Commerciales der Universität Lausanne berufen.

1.Auflage 2003 ISBN 3-286-51231-1

© Verlag SKV, Zürichwww.verlagskv.ch

In Zusammenarbeit mit Swiss Interbank Clearing AGanlässlich des 15-jährigen Bestehens von Swiss Inter-bank Clearing (SIC) sowie des 25. Jubiläums derDienstleistungen Datenträgeraustausch (DTA) und Lastschriftenverfahren (LSV).

Alle Rechte vorbehalten.Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet,das Buch oder Teile daraus in irgendeiner Form zu re-produzieren.

Gestaltung: Peter HeimUmschlag: Brandl & Schärer AG

Vorwort

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Das vorliegende Buch erscheint anlässlichdes 15-jährigen Bestehens von Swiss Inter-bank Clearing SIC, das am 10. Juni 1987 sei-nen Betrieb aufnahm, sowie des 25. Jubi-läums der Dienstleistungen Datenträgeraus-tausch (DTA) und Lastschriftverfahren (LSV).DTA und LSV leiten den Abschied vom Papierauftrag im Verhältnis des Kunden zuseiner Bank ein. SIC bringt bereits zum Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme den Zah-lungsverkehr zwischen Banken in derSchweiz einen grossen Schritt vorwärts. SICbedeutet den Abschied vom Papier, vonmanuellen Sortiervorgängen und Kurier-diensten, und den direkten Eintritt ins Zeit-alter von Online- und Real-Time-Systemen.Im internationalen Vergleich ist SIC bereitsdamals absolut führend. Es ist ein echtesReal-Time-Gross-Settlement(RTGS)-System– somit ein besonders sicheres System undheute ein unverzichtbares Modell für jedeentwickelte Volkswirtschaft. Dabei gibt eszur Zeit der Entwicklung und Einführungvon SIC den Begriff «RTGS» noch gar nicht!Ein heute in der Theorie von Zahlungsver-kehrssystemen zentraler Begriff wie «Fina-lität» wird im so genannten Spiezer Papierder Schweizer Grossbanken, das die Lancie-rung des SIC-Projekts (damals neuer Ban-kenclearing) einleitet, mit «keine Gutschriftvon Zahlungen unter Vorbehalt» umschrie-ben. Heute ist SIC zum zentralen Kern desgesamten Zahlungsverkehrs in der Schweizgeworden. Nicht bloss die Einzelzahlungen,die seit Beginn online/realtime vollständigüber SIC abgewickelt werden, laufen heuteüber SIC, sondern auch die Summentotalealler anderen Anwendungen des Zahlungs-verkehrs in der Schweiz (so genannteDienstleistungen). Das Buch soll sich aber nicht bloss mit derEntwicklung von SIC befassen, sondern

diese in einen grösseren Zusammenhangstellen. Denn wer verstehen will, wie Wirt-schaftsabläufe in einer Gesellschaft funktio-nieren, der muss darauf schauen, wie sieihre finanziellen Transaktionen organisiert.Die effiziente Bearbeitung von Zahlungenist eine entscheidende Grundbedingungwirtschaftlichen Fortschritts.Zahlungsverkehr findet in erster Linie dortstatt, wo Waren und Wertschriften gehan-delt werden. Es ist ein weiter Weg von derSchatztruhe der mittelalterlichen Fürstenzu den ersten Ansätzen vollständig elektro-nisierten Geldes, von den Medici zur mo-dernen Internetbank, vom mittelalterlichenWechsel zum modernen Zahlungsverkehrs-system. Die Organisation des Zahlungsver-kehrs ist eng mit den ökonomischen, kultu-rellen, politischen und technologischen Pa-rametern der jeweiligen Zeit verzahnt. Die-se Parameter müssen berücksichtigt wer-den, um ein vertieftes Verständnis für dieBedeutung von Zahlungsverkehr und Zah-lungsverkehrssystemen zu entwickeln unddie Konsequenzen der gegenwärtigen, tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzungenfür die zukünftige Gestaltung monetärerTransaktionen zu begreifen.In dem vorliegenden Buch sind zwei Ent-wicklungslinien miteinander verknüpft:Zunächst geht es darum, die wirtschaft-liche, politische und kulturelle Basis zu beschreiben, auf der sich seit Beginn desletzten Jahrhunderts die modernen Formendes Zahlungsverkehrs entwickelt haben.Diese Basis ist das Ergebnis einer histori-schen Entwicklung, die im späten Mittelal-ter einsetzt und die besondere Rolle desGeldes sowie die Entwicklung des Banken-sektors in unserer Gesellschaft festlegt. Ka-pitel 1 des Buches beschreibt diese Entwick-lung.

Die zweite Entwicklungslinie beschreibt dieEntstehung moderner Zahlungsverkehrs-systeme. Einen entsprechenden Überblickgeben die Kapitel 2 bis 4. Der Schwerpunktliegt dabei auf dem schweizerischen Zah-lungsverkehr. Europäische und US-ameri-kanische Entwicklungen werden überalldort in die Untersuchung einbezogen, wo diebestehenden internationalen Unterschiedeerläutert und die immer wichtiger werden-de grenzüberschreitende Vernetzung natio-naler Systeme dargestellt werden soll. Esgeht dabei nicht darum, frühere und aktu-elle Zahlungsverkehrssysteme bis ins letzteDetail zu beschreiben. Ziel ist es vielmehr,einen Überblick über die grundsätzlicheFunktionsweise der Systeme zu geben undihren historischen Entwicklungsgang zu rekonstruieren – den Weg vom Korrespondenz-bankensystem bis zum Swiss Interbank Clearing und auf globaler Ebene zum Con-tinuous Linked Settlement aufzuzeigen.Kapitel 5 schliesslich greift die historischeEntwicklungslinie des Kapitels 1 wieder aufund wagt einen Ausblick auf die Konse-

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quenzen von Globalisierung und Elektroni-sierung unserer Wissensgesellschaft und ih-res Zahlungsverkehrs. Die modernen infor-mationstechnologischen Möglichkeiten wur-den zunächst als ein geeignetes Instrumentzur Optimierung der bestehenden Abläufeim Zahlungsverkehr wahrgenommen. Es gibtheute allerdings gute Gründe anzunehmen,dass die tief greifenden Veränderungen derWelt nicht ohne Konsequenzen für die Or-ganisation unserer Geldwirtschaft bleibenkönnen.Die Autoren danken dem Redaktionskomi-tee mit André Bamat (Swiss Interbank Clea-ring AG), Andreas Galle (Swiss InterbankClearing AG) und Jörg Weber (JWS AG) fürdie tatkräftige und fachkundige Unterstüt-zung sowie Daniel Heller (SchweizerischeNationalbank) und Willy Furrer (ehemalsTelekurs AG) für ihre Anregungen zu ein-zelnen Kapiteln des Buches. Christian Hehlwar den Autoren durch seine umfangrei-chen Recherchen und professionellen Mate-rialaufbereitungen eine wertvolle Unter-stützung.

Winter 2002/2003

Fritz KleinGuido Palazzo

Inhaltsverzeichnis

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1 Die Entstehung der marktwirtschaftlichen Ordnung und der Banken 91.1 Anfänge der Geldwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.2 Das dunkle Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121.3 Stadtluft macht frei – Das Entstehen der Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.4 Der Aufstieg der Kaufleute. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161.5 Der neue «kapitalistische» Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181.6 Vom Warenhandel zum Geldhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191.7 Entstehung der Nationalökonomien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231.8 Entwicklung des Papiergeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251.9 Entstehung des modernen Bankensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

2 Das institutionalisierte Zahlungsverkehrssystem in seiner Frühphase 372.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382.2 Die besondere Rolle der PTT im schweizerischen Zahlungsverkehr . . . 412.3 Internationalisierung des Warenhandels und Reduktion von Risiken . . . 422.4 Das Problem der Sicherheit im Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

3 Der Beginn der Automatisierung des Zahlungsverkehrs 473.1 Anfänge des Bankenclearings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483.2 Anfänge des Effektenclearings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523.3 Automatisierung im Inter- und Intrabankverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

4 Zahlungsverkehrssysteme heute 734.1 Risiken im Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744.2 Zahlungsverkehrssysteme und ihre Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . 764.3 Der Zahlungsverkehr ausserhalb der Schweiz und seine Vernetzung

mit SIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894.4 Die Einführung der Zug-um-Zug-Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1004.5 Die Abwicklung von Devisengeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1024.6 Das Settlement im Wertschriftengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

5 Die Zukunft des Geldes und des Zahlungsverkehrs 1135.1 Geldtrends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1145.2 Electronic Bill Presentment and Payment: EBPP-Systeme . . . . . . . . . . . 1165.3 E-Money. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1205.4 Anforderungen an E-Payment-Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1215.5 Geldpolitische Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1255.6 Ausblick: Zukunft der Banken und Zukunft des Banking . . . . . . . . . . . 127

6 Statistischer Anhang 129Abbildungs- und Quellenverzeichnis 134Stichwortverzeichnis 135

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Als Gemeinschaftswesen hat Aristoteleseinst den Menschen charakterisiert. Nichtim sozialen Vakuum als atomisierte Einzel-kämpfer leben wir, sondern als Teil eineskomplexen sozialen Geflechtes aus Hand-lungen, Kommunikationen, Traditionen,Werten und gemeinsamen Erinnerungen.Die Geschichte menschlichen Zusammenle-bens umfasst mehrere ineinandergreifendeAspekte: Die Kultur, die politische Organi-sation des Zusammenlebens und die wirt-schaftlichen Abläufe. Alle drei Perspektivenbeeinflussen einander wechselseitig undsind nur in der Gesamtschau wirklich zuverstehen. Ein tieferes Verständnis für poli-tische Machtkämpfe kann nur dann gewon-nen werden, wenn man sich den Zustandder jeweiligen Wirtschaft und die zu dieserZeit geltenden Werte, Formen der Kommu-nikation und Traditionen anschaut. Die Ent-wicklung der Geldwirtschaft, die im Fol-genden geschildert wird (welche Geldfor-men entwickeln sich, was tun Menschen mitGeld, wer besitzt das Geld, wie wird derGeldfluss organisiert?), läuft entsprechendparallel zur sonstigen kulturellen, politi-schen und wirtschaftlichen Dynamik derGesellschaft. Geld wird durch den Gesamt-zustand der Gesellschaft beeinflusst und istzugleich Ausgangspunkt gesellschaftlicherVeränderungsprozesse.

1Die Entstehung

der marktwirtschaftlichen Ordnung und der Banken

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Die Notwendigkeit des Geldgebrauches er-gibt sich aus der Art und Weise, wie wir un-sere wirtschaftlichen Aktivitäten organisie-ren. Produktion und Konsumtion von Gü-tern sind das Ergebnis kooperativer Prozes-se. Hier erzwingen vor allem ungleich ver-teilte Kompetenzen und limitierte zeitlicheRessourcen ein arbeitsteiliges Vorgehen.Dies mag zwar für unsere moderne Ökono-mie in besonderem Masse gelten. Aber auchin früheren Jahrhunderten und Jahrtausen-den müssen Menschen miteinander arbei-ten, für einander produzieren und schliess-lich den Austausch der Waren organisieren,um die eigene Überlebensfähigkeit sicher-zustellen.Der reine Naturaltausch von Waren gegenWaren stösst dabei schnell an die Grenzeder Übersichtlichkeit und Organisierbar-keit. Man muss erst einmal einen Tausch-partner finden, der an den eigenen Wareninteressiert ist. Man muss sich mit ihm aufein für beide Seiten akzeptables Austausch-verhältnis einigen. Beim Tausch von sehrgrossen gegen sehr kleine Güter stellt sichzusätzlich das Problem der Teilbarkeit vonGütern. (Ich habe ein Pferd zu tauschen undbenötige Brot.) Im Laufe der Zeit schiebtsich daher zwischen den reinen Natural-tausch Ware gegen Ware eine Art vermit-telndes und übersetzendes Medium, dessenGebrauch uns heute so selbstverständlichscheint wie Lesen, Schreiben und Rechnen.Die Rede ist vom Geld.So wenig wir heute die Zeit und den Ort definieren können, um die Erfindung desRades historisch festzumachen, so wenigkönnen wir eine gesicherte Auskunft überdie Erfindung des Geldes geben. Vielmehrverfangen wir uns im Mythischen und ver-lassen den Boden gesicherter, auf schrift-lichen Zeugnissen beruhender Forschung.

Anfänge derGeldwirtschaft

1.1

10

Es scheint so zu sein, dass Erfindungen wiedas Rad oder das Geld zu sehr verschiede-nen historischen Epochen an sehr verschie-denen geografischen Punkten immer wie-der gemacht werden, weil sie weniger demGeist eines grossen Denkers entspringen,sondern eher in einem bestimmten Ent-wicklungsstadium einer sozialen Gemein-schaft zu einer unabdingbaren Notwendig-keit werden.Geld löst das Problem der fehlenden Teil-barkeit und Vergleichbarkeit von Gütern.Geld ermöglicht eine zeitliche Streckungvon Tauschvorgängen. Geld ist ein – zumin-dest in einem bestimmten regionalen Raum– universalisierbares Tauschgut. Mit ande-ren Worten: Mit Geld kann man einen Wa-rentausch durchführen, man kann damitden Wert der Güter kalkulieren und mankann es für spätere Zahlungen aufheben.Geld ist Tauschmittel, Recheneinheit undWertspeicher.

Waren- oder Sachgeld

Vorläufer des heutigen Geldes ist das Wa-ren- oder Sachgeld. Man vermeidet das Problem, jede Ware mit jeder anderen in einindividuelles Tauschverhältnis setzen zumüssen, indem man einfach alle Waren miteiner besonders wertvollen, seltenen undbegehrten Ware vergleicht. Zur Zeit Ho-mers sind es beispielsweise Rinder. Glaubtman den Erzählungen des grossen Dichters,so beträgt der Wert der Rüstung des Glaukos hundert Rinder. In anderen Kultu-ren und zu anderen Zeiten werden Öl,Schmuck, Salz, Muscheln usw. als universa-lisierbares Tauschgut zum Erwerb dritterGüter eingesetzt. Als besonders wertvollund knapp erweisen sich im Laufe der Zeitallerdings die Edelmetalle, sodass das Wa-

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rengeld immer stärker vor allem von Goldund Silber abgelöst wird; freilich nicht inder heute bekannten Geldform, sondern zu-nächst in Form von Barren, dem so genann-ten Barrengeld. Dieses erweist sich aus zweiGründen als unpraktisch: Zum einen ist derTransport beschwerlich und zum anderenkann man damit keine kleineren Markt-transaktionen tätigen. Man geht dazu über,kleinere Stücke von den Barren abzuschnei-den und deren Authentizität durch einePrägung zu verdeutlichen. Die Lyder (etwa2000 vor Christus) prägen auf diese Weisedie ersten Münzen, ovale Klumpen, die auseinem Barren in normierter Grösse heraus-geschnitten und mit dem Emblem eines Lö-wenkopfes gestempelt werden. So erhältder ovale Klumpen die Münzenform. DieseNormierung erspart dem Händler das Wä-gen des Goldes. Die Münzen dienen derleichteren Handhabung beim Warenhandel,der Wertnormierung und der Wertaufbe-wahrung. Sie sind praktischer als alle Alter-nativen. Der Aufwand, den Wert von Warengegeneinander abzuwägen, wird über denEinsatz von Gold- und Silbermünzen erheb-lich vereinfacht.

Antike Geldwirtschaft

In der griechischen und römischen Antikeist der Einsatz dieser goldenen und silber-nen Münzen zur Bezahlung von Waren undDienstleistungen bereits in Form einerfunktionierenden Geldwirtschaft etabliert.Dabei kommt das Geld nicht nur im Waren-handel zum Einsatz. Die Bezahlung von Le-gionären, die Bestechung von Politikern,der Erwerb von Status und Macht werdenüber Geld abgewickelt. Diese antiken Geld-wirtschaften haben darüber hinaus mit ähn-lichen Steuerungsproblemen zu kämpfen

wie ihre moderneren Nachfolger. Auch dieAntike kennt bereits das Handelsbilanzde-fizit und die Inflation: So beklagt Kaiser Tiberius im antiken Rom seinerzeit, dassder Import teurer Güter in die Hauptstadtden Reichtum an fremde und feindliche Nationen transferiere. Was die ersten Erfah-rungen mit der Inflation betrifft, so ist es Kaiser Nero, der die Menge an verfügbarenMünzen dadurch zu erhöhen trachtet, dasser ihren Silbergehalt verringert. Die ihm folgenden Kaiser führen diese «Verwässe-rung» fleissig fort, und so sinkt der Silber-gehalt in den römischen Denaren im Laufevon 200 Jahren von fast 100 Prozent unterfünf Prozent. Im selben Zeitraum verteuertsich der Weizenpreis von einem halben De-nar auf hundert. Was wir heute als simplenInflationsmechanismus erkennen, lastet manzu dieser Zeit den Händlern an, die man desWuchers bezichtigt.Die Ersetzung des Naturaltausches durchdie Geldwirtschaft bringt nicht nur die er-wähnten Vorteile, sie schafft andere Abhän-gigkeiten, vernetzt eine Vielzahl von Hand-lungen, die im Krisenfall einander in eben-so rascher wie überraschender Abfolge wieDominosteine umstossen. Dies zeigt sichsehr deutlich bei dem Versuch, die moder-ne Geldwirtschaft als historischen Entwick-lungsprozess zu rekonstruieren. Die mo-derne Geschichte des Geldes baut ohneZweifel auf die geschilderten historischenErfahrungen auf. Dennoch sind die heutigeBedeutung des Geldes und die moderneForm der Organisation von Geldkreislaufund Zahlungsverkehr ein Phänomen, des-sen Rekonstruktion nicht bei diesen sehrfrühen Formen des Geldgebrauchs begin-nen kann. Unsere marktwirtschaftlicheOrdnung ist der vorläufige Endpunkt einerEntwicklung, deren Anfänge im späten Mit-

telalter liegen. Die Ursachen für diesenBruch zwischen den sehr frühen und denmodernen Formen des Geldgebrauchs lie-gen im Zusammenbruch des RömischenReiches. Mit dem Ende dieses Imperiumsbricht die hoch entwickelte Geldwirtschaftim europäischen Raum abrupt zusammen,und die Überlieferungen und Erfahrungenim Gebrauch des Geldes verschwinden zu-nächst in der Dunkelheit des frühen Mittel-alters.

1.2

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Das dunkle Mittelalter

Mit der zweiten Plünderung Roms durchdie Barbaren Germaniens im Jahre 476bricht das bereits angeschlagene römischeImperium endgültig zusammen. Mit demReich endet auch die Geldwirtschaft. DasGebiet der heutigen Schweiz wird von denrömischen Legionen um 400 nach Christusaufgegeben. Die römischen Münzfundebrechen mit dieser Zeit völlig ab, der Ge-brauch des Geldes scheint binnen kurzerFrist zum vollständigen Erliegen gekom-men zu sein. Der Gütertausch hört auf unddie Märkte verschwinden weit gehend. Esbricht die Zeit des dunklen oder finsterenMittelalters an, welches erst im 13. Jahrhun-dert endet. Die Zeit dazwischen ist geprägtvon wirtschaftlichem, kulturellem und po-litischem Stillstand. Allgemein werden der Übergang von derSpätantike zum Mittelalter und die erstenJahrhunderte des Mittelalters selbst alsdunkel und morbide charakterisiert. DieLandschaften dieser Zeit sind als schmut-zig, stumm und finster beschrieben. Amrechten Rheinufer werden die römischenStädte im 4. Jahrhundert weit gehend zer-stört. Mainz und Worms werden bereits imJahre 406 gebrandschatzt und noch im 11.Jahrhundert ist erst wieder ein Teil vonMainz bewohnbar! Ähnliches gilt für dieStrassburger Altstadt, in der im Jahre 845das Kloster St.Stephan inmitten von Schuttund Trümmern steht. Während das Römi-sche Reich ein weit verzweigtes Handels-netz kannte, tritt in dieser Phase des Mittel-alters die Selbstversorgung wieder in denMittelpunkt wirtschaftlicher Aktivitäten.Der Gebrauch von Geld wird eingestellt, je-des Rittergut versucht so selbstständig wiemöglich zu wirtschaften, jedes Dorf ver-sorgt sich selbst mit den lebensnotwendi-gen Gütern. Die Münzen, die im Zuge der

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grossen Völkerwanderung in die undurch-dringliche Tiefe der germanischen Wäldervordringen, treffen dort auf eine stark aus-geprägte und lokal sehr eng gezirkelte Sub-sistenzwirtschaft. Das Leben der Bauern or-ganisiert sich in weit gehend autarken undisolierten Gemeinden. Die Isolation der Ge-meinden beruht darauf, dass die europäi-schen Länder zu jener Zeit nur dünn besie-delt sind. Zudem trennt sehr viel Wald undMorast die Gemeinden voneinander. DerAusbau der Siedlungen ist stets ein Kampfgegen die riesigen Waldmassen. Wege zwi-schen den einzelnen Dörfern gibt es so gutwie gar nicht. Das gesamte Dasein ist einge-schlossen in den engen Radius der eigenenGemeinschaft und des gemeinschaftlichenAckerlandes. Alles produzieren diese Ge-meinschaften selbst. Dabei sind die domi-nierenden Arbeitsgeräte des Bauern Sichel,Sense und Pflug. Man schätzt, dass zu die-ser Zeit rund 90 Prozent der Bevölkerung inder Landwirtschaft tätig sind. Auch das,was von den Städten noch übrig gebliebenist, wird in die bäuerliche Lebensweiseintegriert. Hinter den Stadtmauern sitzendieselben Menschen wie vor den Stadtmau-ern: Ackerbauern.Drei entscheidende Faktoren fördern einWiedererwachen des Tauschhandels undeinen Rückgang der autarken Bedarfsde-ckung:

1. Die Umwandlung der fronwirtschaft-lichen Abgaben von Natural- in Geld-zinsenWo die geistlichen und weltlichen Lehns-herren die Waren der fahrenden Händlererwerben wollen, brauchen sie Geld. Siesichern sich diese Einnahmen, indem sieeinem Teil der Bauern statt der üblichenNaturalabgaben regelmässige Geldzah-

lungen aufzwingen. Die Bauern wieder-um müssen danach trachten, sich durchden Verkauf ihrer Erzeugnisse entspre-chende finanzielle Einnahmen zu si-chern. Es scheint dabei einen Zusam-menhang zwischen der Existenz vonMärkten und dem Erheben von Geldzin-sen zu geben. Eine Karte aus dem KlosterWerden scheint diese These für die Jahr-tausendwende zu belegen. Im Umkreisvon 30 bis 40 km eines Marktes mitMünzstätte vermerkt sie die Erhebungvon Geldzinsen, ausserhalb dieses Um-kreises wird der Naturalzins entrichtet.Die zunehmende Bedeutung des Geldes,des Tauschhandels und damit des Mark-tes erhöht den Einfluss der Siedlungen.Der städtische Markt gibt seit dem11./12. Jahrhundert der Tauschwirtschafteinen mächtigen Auftrieb und der ge-waltige Anstieg des Münzumlaufs, derin dieser Zeit stattfindet, fördert dieKommunikation zwischen Stadt undLand. Dass man Gold und Silber nichthorten, sondern zirkulieren lassen muss,ist eine Vorstellung, die sich langsamwieder durchsetzt.

2. Die wachsende Notwendigkeit arbeits-teiliger ProduktionAusgangspunkt der Arbeitsteiligkeit inden Dörfern und Grundherrschaften istdas Erblühen des Handwerks. Anhandeines Planes des Klosters St.Gallen ausdem Jahre 820 lässt sich die damalige Differenzierungsbreite nachvollziehen.Es gibt Räumlichkeiten für Nahrungs-handwerker (Müller, Bäcker, Fleischer),Kleidungshandwerker (Spinner, Weber,Schneider, Walker, Gerber, Schuhmacher),Holz- und Metallhandwerker (Stellma-cher, Schmiede, Schwertfeger, Schildma-

cher) und Bauhandwerker (Zimmerleute,Maurer, Steinmetze). Die in den Klos-terplänen genannten Handwerker kön-nen auch als die typischen Handwerkerder weltlichen Herrenhöfe angenommenwerden. Quellen aus dem 13. Jahrhundertbezeugen die zunehmende Bedeutungder dörflichen Handwerker, der Bäcker,Schmiede, Fleischhauer und Zimmer-leute.

3. Das Bevölkerungswachstum in den StädtenMit dem Wachstum der Städte werdenauf engem Raum immer mehr Menschenzusammengedrängt. Die Möglichkeitendes Stadtbewohners, Nahrungsmittelselbst zu produzieren, nehmen ab. IhreAktivitäten verschieben sich in RichtungHandel und Handwerk. Die mittelalter-liche Stadt unterscheidet sich so in zweiwichtigen Punkten von den dörflichenGemeinschaften. Zum einen wird siezum Ort permanenter geldgesteuerterMarkttransaktionen, und zum anderenwird das autarke Wirtschaften abgelöstvon arbeitsteiligen Prozessen. Dabei ge-rät die Stadt in neue Abhängigkeiten.Nun sitzen hinter den Stadtmauern kei-ne Ackerbauern mehr, die ihre Felderausserhalb der Stadt bearbeiten, sondernHandwerker und Händler.

1.3

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Stadtluft macht frei – Das Entstehender Märkte

So sehr die Wirtschaftsform auch markt-wirtschaftlichere Züge annimmt (Markt-transaktionen, zunehmende Geldwirtschaft,Berufsspaltung und Arbeitsteiligkeit), dieIdee der Bedarfsdeckung und nicht das Er-werbsstreben dominiert im frühen Mittelal-ter immer noch das Handeln. Wie ist dies zuerklären? Turbulente Konjunkturschwan-kungen mit starken Preisanstiegen, die all-gegenwärtige Pest und die im späten Mit-telalter wieder zunehmenden kriegerischenKonflikte sorgen dafür, dass der Nahrungs-spielraum der Menschen trotz steigendemWohlstand prekär bleibt. Dies gilt zu dieserZeit für alle Menschen, unabhängig vonhierarchischen Positionen.Mit dem Ende der Völkerwanderung führtdie Verbesserung der Ernährungs- undExistenzbedingungen zwischen dem 11.und dem 13. Jahrhundert zu einem Auf-schwung, der sich vor allem an der Renais-sance der Städte beobachten lässt. Sie wer-den zu Knotenpunkten der Ökonomie, lie-gen oft fern von den feudalistischen Zent-ren als Ziel- oder Etappenorte an Handels-routen, Flüssen, Meeren und Seen. Nord-deutschland und Oberitalien sind Wegbe-reiter dieser Entwicklung. Man muss sichdie mittelalterlichen Städte wesentlich klei-ner vorstellen als die Städte des 19. und 20. Jahrhunderts. Eine mittelalterliche Gross-stadt umfasst 20 000 Einwohner. Noch im16. Jahrhundert beträgt die Grösse der meisten Städte nicht mehr als 1 000 Einwoh-ner. Die Stadtentwicklung erfolgt umMarktplätze mit Händleransiedlungen her-um. Diese locken Handwerker an und ent-wickeln sich von reinen Handelsniederlas-sungen für den – schon damals regen –Fernhandel nach und nach zu Orten desKleinhandels für Krämer, Fleischer, Obst-händler.

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Die Entwicklung der Stadt beeinflusstmassgeblich den abendländischen Auf-schwung. Die Stadt rückt den Markt – unddamit auch das Geld – in den Mittelpunktder wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Stadtschafft relative Sicherheit in einem Umfeldfeudaler Zwänge, rechtlicher Willkür, desRaubrittertums und der Wegelagerei. Mandarf nicht vergessen, dass der Kaufmann zudieser Zeit ein Handelsreisender ist, der vonWegelagerern und Zöllen aller Art traktiertwird und sich an vielen Punkten seiner Reise (Brücken, Landesgrenzen usw.) seinWegerecht zu erkaufen hat. Noch im 13.Jahrhundert gilt der Überfall auf einen rei-senden Kaufmann als ehrbare ritterliche Tä-tigkeit. Klaus Störtebecker etwa, der be-rühmte Seeräuber und Plagegeist der Han-se, protestiert gegen seine Festnahme nochmit dem Argument, er habe doch nur imehrlichen Kampf erstanden, was die ande-ren «mit Krämergeist errafft» hätten. DasFaustrecht ist über die Moral der Zeit abge-sichert. Dagegen bildet die Stadt mit ihrerRechtsordnung, ihrer Verwaltung, ihrerWehrbereitschaft und ihrer Gerichtsbarkeiteine Insel der Ruhe und Verlässlichkeit.Stadtluft macht frei und garantiert diejeni-ge Rechtssicherheit, die das Florieren derMärkte in den folgenden Jahrhunderten erstermöglicht. Die von den führenden Bürgerneingesetzten Gerichte geben den Kaufleu-ten und Handwerkern die notwendigenSpielräume, die Möglichkeit der Standardi-sierung von Massen und Gewichten, derReglementierung von Marktzugängen. Andie Stelle der privaten Autorität der feuda-len Landlords tritt die öffentliche Autoritätdes Rechts. Die strenge Hierarchie von Rit-tern, Mönchen und Bauern wird nicht zu-letzt durch den Markt und das Geld aufge-sprengt. Der rechtlich abgesicherte Umgang

mit Geld ist zu Beginn der Befreiung aus derFeudalherrschaft einer der ersten und wich-tigsten Schritte auf dem Weg zu modernenFreiheitsrechten. Die erste Freiheit, welchedie Stadt garantiert, ist die Freiheit des pri-vaten Besitzes.Wir sehen in diesem Erblühen der Städtedie ersten vorsichtigen Schritte hin auf einegewinnorientierte marktwirtschaftliche Wirt-schaftsordnung moderner Prägung. Dassallerdings auch in den Städten noch langedie Idee der Bedarfsdeckung vorherrscht,zeigt sich deutlich am Wirken der Zünfte,die im 8. und 9. Jahrhundert entstehen. Da-bei handelt es sich um berufsspezifische Zu-sammenschlüsse von Handwerkern, die ei-nerseits die rechtliche und wirtschaftlicheSicherheit der Mitglieder erhöhen, anderer-seits aber streng die Zahl der tätigen Hand-werker zu begrenzen suchen. Wo sich derBauer um eine hinreichende Grösse seinerAckerflächen sorgt, richtet sich das Interes-se der Handwerker und Händler auf dieGrösse ihres Absatzgebietes. Die Funktionder Zünfte lässt sich entsprechend mit denDorfgemeinschaften der Bauern verglei-chen. Sie sichern den einzelnen Handwer-kern genügend grosse Tätigkeits- und Ab-satzgebiete. Zünfte sind Zwangsvereini-gungen. Handwerkliche Tätigkeit ausser-halb dieses Verbundes ist nicht möglich undwird streng bestraft. Das moderne, gewinn-orientierte Wirtschaften kann auf diesemBoden noch keine Wurzeln schlagen, son-dern bedarf einer Revolution des Denkensund der Arbeitsethik, die schliesslich vonden grossen Kaufleuten des Mittelalters ein-geleitet wird.

Die Welt des frühen Mittelalters ist wohl ge-ordnet. Jeder Mensch wird in eine Positionhineingeboren, in der er seine gottgewollteAufgabe zu erfüllen hat. Der Adel hat seinepolitischen Aktivitäten, dem Bauer obliegtdie Erfüllung seiner alttestamentlichen For-derung nach der fruchtbringenden Bearbei-tung der Erde, und der Klerus liefert die allumfassenden Weltdeutungen und mora-lische Werte. Diese Ordnung ist statisch, ein Wechsel der Positionen kaum möglich.Die drei Stände sind scharf gegeneinanderabgegrenzt. Der eigene Status wird sorg-sam gehütet und Verhaltensweisen werden zwischen den einzelnen Ständen, aber auchinnerhalb derselben bis ins kleinste Detailvorgeschrieben: So regelt beispielsweise inFrankreich ein Gesetz von 1363, dass Dienernicht mehr als einmal pro Tag Fisch oderFleisch essen dürfen und ihre Kleidung nuraus den billigsten Stoffen zu bestehen habe.In einer solchen statischen Atmosphäremuss der finanzielle Aufschwung, den ein-zelne Kaufmannsfamilien im Mittelalter er-reichen, höchst irritierend wirken. DerKaufmann passt nicht in die göttliche Ord-nung des Mittelalters, seine Rolle ist im so-zialen Gefüge der Stände gar nicht vorgese-hen. Im frühen Mittelalter bleibt er zunächstein zweitrangiges Mitglied der landwirt-schaftlich geprägten Gesellschaft, obwohler eine wichtige Rolle in der Güterversor-gung spielt. Überall trifft er auf das Miss-trauen der Bauern, den Hochmut des Adels,dem der Erwerb und die berufliche Tätig-keit als ehrenrührig gelten, und die Verach-tung der Kirche, die das Gewinnstreben fürein schlimmes Übel hält, das geradewegs indie Hölle führt.Die moralische Ordnung dieser Zeit, aus derheraus die Verachtung für den Kaufmann zuerklären ist, schöpft aus zwei Quellen:

Der Aufstieg der Kaufleute

1.4

16

1. Die antike Verachtung der ArbeitWirtschaftliche Aktivität, so ist die Über-zeugung der griechischen Antike, hatder Bedarfsdeckung zu dienen. Aristote-les beispielsweise ist überzeugt, dass einreines Erwerbsstreben ebenso verächt-lich ist wie die Arbeit der Sklaven. Erschreibt dazu: «Und daher glauben dennmanche, das sei die Aufgabe der Haus-haltskunst, und bleiben dabei, dass mandas vorhandene bare Geld entwedermindestens zu erhalten oder richtigernoch bis ins Endlose zu vermehren su-che. (…) Jene Art von Leuten aber macht(…) alles zum Mittel des Gelderwerbs,als wäre dies der Zweck (von allem) undals gälte es hier, dass doch auf seinenZweck alles bezogen werden müsse»(Aristoteles, Politik, Buch 1, 1263 a). DemHandel haftet seiner Meinung nach et-was Ausbeuterisches an und der Händ-ler selbst ist entsprechend bar jeder Tu-gend. Am verächtlichsten ist für Aristo-teles der Handel mit Geld, d.h. das Geld-verdienen durch Geldverleih. Handelund Tugend schliessen einander aus. Dertugendhafte Mensch widmet sich der Politik, den Künsten, der Jagd, aber er ar-beitet nicht. Arbeit beschmutzt die Seele.Der mittelalterliche Adel teilt diese Auf-fassung. Er lässt arbeiten und presst ausden Bauern die Mittel heraus, die er fürseinen aufwändigen Lebensstil benötigt.

2. Das kirchlichen Misstrauen gegenüberHandelsgeschäftenDer kirchliche Bannstrahl trifft den Kauf-mann aus einer anderen Motivation her-aus. Aus der Sicht der Kirchenväter ist esnämlich kaum zu vermeiden, dass sich indie Marktaktivitäten des Händlers dieSünde drängt. Avaritia, die Todsünde der

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Habsucht, schwebt über allen Geschäf-ten. Der Gewinn, der bei einem Handels-geschäft abfällt, wird dort zum Wuchererklärt, wo er nach kirchlicher Auffas-sung auf einem ungerechten Preis be-ruht. Diese Auffassung wird mit demZinsverbot des Alten Testamentes ge-rechtfertigt. Im fünften Buch Mosesheisst es : «Du sollst (…) von deinen Brü-dern keinen Zins nehmen, weder Zinsfür Geld, noch für Speise, noch Zins fürirgend etwas Leihbares! Vom Ausländerdarfst du Zins nehmen, aber von deinenBrüdern nicht fordern.» Die Verurteilung des Wuchers findet sichin zahlreichen kirchlichen Quellen. Sie istbereits belegt bei Hieronymus (340–420)und Ambrosius von Mailand (340–397).Papst Leo der Grosse schreibt im 5. Jahr-hundert an den Bischof von Narbonne,die Vermeidung der Sünde beim Kaufenund Verkaufen sei schwer. Das ZweiteLaterankonzil von 1139 beschliesst, demWucherer die kirchlichen Sakramenteund ein Begräbnis in geweihter Erde zuverweigern. Die Ächtung des Wucherszieht sich wie ein roter Faden durch dietheologischen Schriften des Mittelalters.Die kirchliche Position lässt sich in eineFormel fassen, die von Fra Bernardinostammt und seit dem Konzil von Trient1563 immer wieder aufgegriffen wird:«Pecunia pecuniam non parit», was manfrei übersetzen kann mit «Das Geld er-zeugt kein Geld».Dieser soziale und moralische Druckkann den Aufschwung des Kaufmannsund damit die Grundlegung unseresheutigen marktwirtschaftlichen Systemsallenfalls bremsen, aufzuhalten ist derUmsturz der wirtschaftlichen, politi-schen und kulturellen Verhältnisse des

Mittelalters nicht mehr. Der Erfolg desKaufmanns wird bedingt durch seineGewinnorientierung, seinen Erwerbs-sinn, einen eigenen Arbeitsethos, undhat nichts mehr gemein mit der natürli-chen Befriedigung der Lebensnotdurftder Bauern und Handwerker oder mitder gedankenlosen Verschwendungs-sucht des Adels. Der Kaufmann mussseinen Umgang mit Geld, seine Arbeitund die seiner Angestellten rationaldurchdenken und systematisieren.

Die ersten erfolgreichen Kaufleute des Mit-telalters sind Parvenüs. Emporkömmlinge,die ihr Geld wie die Adeligen mit demonst-rativem Konsum verprassen. Schliesslichstreben sie danach, zu diesen aufzuschlies-sen und sich vom Stand der Bauern zu dis-tanzieren. Ihr finanzieller Absturz gestaltetsich – es vermag kaum zu überraschen –ebenso spektakulär wie ihr Aufstieg. DieseBeispiele schrecken unter den eigenen Be-rufskollegen nicht nur ab, sie beschleunigeneinen Gesinnungswandel unter den Händ-lern, der schliesslich zu einem Arbeitsethosder Händler, einer kaufmännischen Ethikreift. Als einer der ersten veröffentlicht derFlorentiner Kaufmann Paolo Certaldo inden sechziger Jahren des 14. Jahrhundertseine Sammlung frommer Lehren und prak-tischer Anweisungen. Die verschiedenenAspekte kaufmännischer Ethik sind darindeutlich hervorgehoben: Er betont dieWichtigkeit des Gelderwerbs und des klu-gen Haushaltens mit dem Erworbenen. DieSchlüsselworte seines Werkes sind «arbeit-sam», «beharrlich» und «eifrig». Neben Certaldo ist Leon Battista Alberti(1404–1472) ein weiterer Zeuge für die Geis-teshaltung der mittelalterlichen Kaufleute.In seinen Libri della Famiglia finden sich eineReihe von Ratschlägen, die das geistige Klima seiner Zeit gut belegen. Geld ist fürAlberti «die Wurzel aller Dinge». Bei derMehrung des Besitzes gilt es, die Vergeu-dung von Zeit tunlichst zu vermeiden. Sparsamkeit ist für Alberti eine der wichtigs-ten Tugenden. Er mahnt seine Söhne, dieAusgaben niemals über die Einnahmen an-wachsen zu lassen. Damit wird eine deut-liche Abgrenzung zum Prunk und zur kost-spieligen Repräsentationspflicht des Adelsvorgenommen. Die Redensart «Der Mensch

Der neue «kapitalistische» Geist

1.5

18

ist so und so viel Gulden wert» wird in Italien und Frankreich bereits während des15. Jahrhunderts gebräuchlich. Das Geldunterhöhlt die Grundlagen der Feudalherr-schaft, stösst Handwerker und Bauern inArmut und führt zur Konzentration vonProduktion und Handel in den Händenmächtiger Kaufleute. In Augsburg vertei-digt der Stadtsyndikus Konrad Peutinger,Sohn eines Kaufmanns, um 1507 in seinenSchriften die kaufmännischen Handelsge-sellschaften gegen den Monopol- und Wu-chervorwurf. Er unterstreicht die Verbin-dung von Risiko und Unternehmertum undinterpretiert dies als Rechtfertigung fürPreisaufschläge. Darüber hinaus betont er,dass die Verfolgung des Eigeninteresses dasmoralische Recht des Einzelnen sei. DieHöchstgewinn suchende Privatinitiative istunentbehrliche Treibkraft der Wirtschaft.Eine Behinderung des freien Erwerbstriebsist für ihn ein Eingriff in die gottgewollteOrdnung der Dinge. Geld wird zur mächti-gen gesellschaftlichen Kraft, zum Vorboteneiner neuen Ordnung und eines neuen Den-kens.

1.6 Vom Warenhandelzum Geldhandel

19

Der Kaufmann tritt zwischen dem 11. und13. Jahrhundert auf. In dieser Zeit wird derHandel zwischen den verschiedenen euro-päischen Ländern aufgrund eines relativstabilen Friedens intensiviert. Der florieren-de internationale Handel und der bereitsbeschriebene Aufschwung der Städte unddes Handwerks führen zu einem wirt-schaftlichen Aufschwung der europäischenLänder, von dem vor allem die Kaufleuteprofitieren. Zunächst handelt es sich dabeinoch um fahrende Kaufleute, die zu gros-sen Messeplätzen ziehen, um ihre Geschäf-te zu tätigen. Im 13. Jahrhundert sind es die grossen Handelsmessen in der Cham-pagne, zu denen die Händler aus ganz Europa anreisen. Mit der Zeit werden dieKaufleute sesshaft und leiten ihre Geschäf-te von festen Niederlassungen aus. Im15. Jahrhundert besitzt beispielsweise dieFamilie der Medici Filialen in London,Brügge, Genf, Lyon, Avignon, Mailand, Ve-nedig und Rom. An deren Spitze stehen Di-rektoren, die als Teilhaber an den Erfolgender Handelsgeschäfte beteiligt sind. Die in-ternationalen Konzerne sind mithin keineErfindung der Moderne. Familien wie dieMedici oder die Fugger stehen für eine alteTradition erfolgreicher «Global Players».Allerdings muss man sich das Geschäft die-ser internationalen Konzerne zu dieser Zeiterheblich mühsamer vorstellen als heute.Der Historiker Jacques Le Goff beschreibtdie Zeitdimensionen einer typischen Kauf-mannsreise in dieser Zeit. Der Händlerkommt mit Gewürzen aus Ägypten an, lädtsie in Florenz um nach England, verkauft sie dort und investiert in eine Ladung Zinn,die er wiederum nach Alexandria zurück-bringt, um neu beladen mit Gewürzen nachVenedig zu reisen. Für diesen Prozessbraucht er zwei Jahre.

Während dieser Reise hat er darüber hinausmit erheblichen Währungsproblemen zukämpfen. Das Prägen von Münzen ist zudieser Zeit das Privileg lokaler Territorial-herren, was zu einer unübersichtlichenMenge an Sorten führt. Ein Kaufmann kannam Ende eines Handelstages Münzen un-terschiedlichster Herkunft in seiner Kassehaben. Um eine Vorstellung von der Kom-plexität der verschiedenen Währungen zubekommen, sei einmal der Wert des Floren-tiner Gulden um 1308/09 mit anderen Mün-zen verglichen: 1 Florentiner Goldguldenentsprach 40 päpstlichen Solidi, 212/3 Solidivon Vienne, 20 Solidi von Avignon, 12 petitstournois, 10 venezianischen Grossi, 3 3/4

Gros tournois, 22/3 Solidi provisini des Se-nats von Rom, 5/6 Goldmaravedi, 10/13 Gold-dublonen, 1/5 Mark Sterling Silber usw. DieAddition der Tageseinnahmen gestaltet sichunter diesen Bedingungen zu einem müh-samen Unterfangen. Überhaupt ist dieKunst des Rechnens, die wir heute – zu-mindest was die Grundrechenarten betrifft– als Selbstverständlichkeit betrachten, zudieser Zeit noch eine schwierige Hürde aufdem Weg zur erfolgreichen kaufmänni-schen Tätigkeit. Erst 1202 veröffentlichtLeonardo von Pisa (genannt Fibonacci) seinBuch Liber abaci, womit er in Europa das arabische Ziffernsystem einführt. Dies er-leichtert die Grundrechenarten gegenüberdem römischen System beträchtlich. Um1400 schicken die deutschen Kaufmannsfa-milien ihre Söhne noch nach Italien, damitsie Multiplizieren und Dividieren erlernen!Diese Rechenarten sind nur einer kleinenGruppe von Gelehrten zugänglich.Die Standespyramide des Mittelalters wird,wie bereits betont, durch den Aufstieg derKaufleute erheblich durcheinander ge-bracht. Dies beruht einerseits auf der Form

der Tätigkeit, die im Ständesystem schwerzu verordnen ist. Was andererseits erstauntund verstört, ist der ungeheure Reichtumund politische Einfluss, die einige der Kauf-mannsfamilien in kurzer Zeit erringen.Francesco di Marco Dantini, der Sohn einesarmen Schankwirts aus dem toskanischenPrato, schwingt sich zu einem der reichstenKaufleute des 14. Jahrhunderts auf. Im Ge-biet der heutigen Schweiz wird 1420 ausdem einfachen Goldschmied Nikolaus vonDiesbach einer der reichsten Kaufleute undmächtigsten Bürger Berns. Ähnliches lässtsich belegen für die Florentiner Familie Al-berti, den Franzosen Jacques Cœur und diebereits genannten Fugger aus Augsburgund für die Medici aus Florenz. Letzteresind es auch, die etwa ab dem 15. Jahrhun-dert die rigide Ständeordnung erstmalsdurchbrechen und für eine Durchmischungvon Kaufmannschaft und Adel sorgen.Die Renaissance des Münzwesens ermög-licht die hier beschriebene Entwicklung,wird aber mit dem immer stärkeren An-schwellen der internationalen Handelstä-tigkeit langsam zur Wachstumsbremse:Grössere Mengen an Münzen sind schwerzu transportieren und auf den Wegen im-mer noch allerlei Risiken ausgesetzt. Jegrösser das Handelsvolumen, desto grösserdie Nachfrage nach neuen Münzen. Der Zu-fluss neuen Geldes ist aber an neue Gold-funde gebunden, die zu dieser Zeit in deneuropäischen Minen immer seltener wer-den. Mit der Erfindung des Wechsels führtdies in mehrfacher Hinsicht zu erheblichenErleichterungen: Der Wechsel ist leichter zutransportieren als eine Kassette voller Gold.Für einen Dieb ist der Wechsel wertlos. Mankann mit einem Wechsel die Währungsviel-falt meistern und – was für das ökonomi-sche Wachstum besonders wichtig ist – die

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Geldmenge unabhängig von bestehendenGoldbeständen und neuen Goldfunden er-höhen. Der Wechsel stellt ein Versprechendar, eine Geldsumme in einer bestimmtenWährung als Kredit zu erhalten, den man ineiner bestimmten Frist an einem anderenOrt in einer anderen Währung einzulösenhat. Kredit und Geldwechsel sind auf dieseWeise zwei eng verbundene Operationen.Der Wechsel ist ein Zahlungsmittel für einenHandel, eine Überweisungsform für Geldzwischen verschiedenen Orten, ein Kreditund eine Quelle von Gewinn für den Aus-steller des Wechsels (im Rahmen von Devi-senschwankungen und -spekulationen). Inseiner Doppelfunktion von Konvertierungund Darlehen ist er eine erste Form des bar-geldlosen Zahlungsverkehrs.

Abbildung 1: Der W echsel – erste For m des bargeld-losen Zahlungsverkehrs

Wer den Wechsel erfunden hat, ist durchausumstritten. Es sind in Europa jedenfallszwei Gruppen zu identifizieren, die im Mit-telalter als erste mit Wechseln arbeiten: dieeuropäischen Kaufleute und die englischenGoldschmiede. Die Kaufleute erkennen ei-

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nerseits die beschriebenen Vorteile desWechsels für ihre Warengeschäfte. Auf gros-sen Märkten und Messen nutzen sie denWechsel zum gegenseitigen Aufrechnen ih-rer Warengeschäfte, um so die Notwendig-keit zu reduzieren, bei Geschäften über-haupt Bargeld fliessen zu lassen. Anderer-seits stellen sie fest, dass der Handel mitGeld lukrativer sein kann als der Handelmit Waren. Der Händler wird zum Bankier.Genauer gesagt sind Waren- und Geldhandelbei Unternehmern wie den Medici und denFugger noch sehr eng verquickt. Erst imLaufe des 18. Jahrhunderts löst sich dieseVerbindung durch zunehmende Speziali-sierung allmählich auf. In der hier beschrie-benen Zeit ist der Bankier immer zugleichauch noch Händler.

Das Netzwerk italienischer Wechselhändler

In den norditalienischen Stadtstaaten Pisa,Florenz, Venedig, Verona und Genua schaf-fen die herrschenden Familien ein Systemprivater Banken ausserhalb der kirchlichenund politischen Kontrolle. Mit der Ausgabevon Wechseln umgehen sie das nach wie vorherrschende Zinsverbot. Statt Zinsenstreicht der Bankier eine Wechselgebührein, die zwischen acht und zwölf Prozentliegt. Der Wechsel kann in jeder gewünsch-ten Währung ausgestellt werden. Die italie-nischen Kaufleute bauen europaweit einNetz an Niederlassungen auf, mit denen siegemeinsam auch grössere Summen finan-zieren können. Um den Überblick zu behalten, werdenneue Formen der Buchführung notwendig,welche die Geldbewegungen in verschiede-nen Gegenden und verschiedenen Währun-gen nachvollziehbar machen. Um 1478 be-

schreibt der Franziskanermönch Luca Pa-cioli die doppelte Buchführung, die es denKaufleuten ermöglicht, mit zwei Konten zuarbeiten: conto nostro und conto vostro. Letz-teres stellt das Konto des Geschäftspartnersdar. Freilich sind nicht alle GeldhändlerWechselhändler. Frühe Formen des Han-dels mit Geld tauchen bereits vor der Erfin-dung des Wechsels auf. Überregional tätigeHändler stellen bei ihren Geschäften fest,wie mühsam es ist, ständig die unterschied-lichsten Währungen parat haben zu müs-sen. Der Geldwechsler erleichtert ihre Ar-beit daher erheblich. Er verrichtet sein Ge-schäft an Tischen im Freien (banco). Der Wechselhändler, der mit ungleich grös-seren Summen hantiert, steht allerdingsganz oben in der Hierarchie der Geldhänd-ler. Im Gegensatz zu den Geldwechslernwickeln die Wechselmakler ihre Geschäftemeist in Häusern ab. Die Medici sind einBeispiel für einen Wechselmakler, der gros-se Geldgeschäfte mithilfe der Wechsel be-treibt. Cosimo de Medici macht sein Fami-lienunternehmen zur mächtigsten Privat-bank Europas. Um 1422 gibt es in Florenz 72 europaweit tätige Familienbanken, dieihr Geld an Könige, Adelige und hohe geist-liche Würdenträger für deren Kriege oderverschwenderischen Lebenswandel verlei-hen. Die italienischen Handelshäuser be-herrschen die Finanzplätze Europas. An al-len Punkten, wo mächtige Handelsströmezusammenlaufen, haben sie Korresponden-ten sitzen, sodass sie das handelnde Europamit ihren Filialen überziehen können. Inner-halb dieses Netzwerkes erfolgt die Einlö-sung von Wechseln binnen Tagen. Ausser-halb dieses Netzwerkes dauert es zum Teilbeträchtlich länger. Handelsplätze, dienicht an das italienische System angeschlos-sen sind, haben bei ihren Zahlungen mit

deutlich längeren Fristen zu rechnen. So be-nötigt zum Beispiel eine Zahlung von Kra-kau nach Avignon bis zu einem Jahr. Sie er-folgt in zwei Schritten, wobei der Transfervon Krakau nach Brügge fast dieses eineJahr beansprucht, während der Wechsel vondort, in das italienische System einge-speist, in wenigen Tagen den Empfänger inAvignon erreicht. Diese straffe und effizien-te Organisation wird erst durch die grosseBankenkrise Mitte des 14. Jahrhunderts inFlorenz wieder erschüttert. Mehrere Floren-tiner Familienbanken stürzen in den Ruin,als ihr Grosskunde, König Edward III. vonEngland, 1343 seine Darlehen nicht mehrzurückzahlen kann. Die Kette der Zusam-menbrüche reisst nicht ab. Für das Jahr 1430vermelden die Chronisten massenweiseNamen grosser Kaufleute, die sich verspe-kulieren und in tiefe Armut stürzen. Dieverschiedenen Krisen nutzen die überle-benden Familienbanken, um ihre Struktu-ren zu dezentralisieren. Die Leiter der Nie-derlassungen sind nun eher selbstständigePartner als abhängige Filialleiter (FrancescoDantini im Hause der Medici ist dafür einBeispiel). Diese Dezentralisierung bietet ei-nen grösseren Schutz vor Konkursen, dienun nicht mehr das gesamte Netzwerk be-treffen, sondern nur noch wenige Partner.Die italienischen Wechselhändler verfügenüber diebstahlsichere und feuerfeste Häu-ser, in denen sie das private Vermögen Drit-ter gegen Gebühr sicher verwahren. Bestehtdas Geschäft zunächst darin, diesen Schatzgegen Gebühr einzulagern, so geht manspäter dazu über, dem Besitzer nur nochden Gegenwert zu garantieren, das Vermö-gen selbst aber für Bankgeschäfte zu nut-zen. Es sind nicht mehr dieselben Gold-münzen, die der Besitzer zurückbekommt,sondern lediglich Goldmünzen im quittier-

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ten Wert. So steigt die Geldsumme, die denBankhäusern für ihre Wechselgeschäfte zurVerfügung steht. Neben dem eigenen Geldkönnen sie nun auch die Einlagen ihrerKunden einsetzen. Verspekuliert sich derBankier, so sind diese Einlagen allerdingsverloren (banca rotta). Neben den Kaufleuten gibt es, wie bereitsbetont, eine zweite Gruppe von Personen,die den Wechsel für ihre Geschäfte bereitsfrüh nutzen. Auch die Londoner Gold-schmiede entdecken die lukrative Neben-tätigkeit der Goldaufbewahrung für ihreMitbürger. Auch sie verfügen über sichereKeller und stabile Kassetten. Man gibt ih-nen das eigene Gold zur Aufbewahrungund erhält dafür eine Quittung, die Gold-smith’s Notes. Hierbei handelt es sich umEmpfangsbescheinigungen für die Hinter-legung von Gold oder Silber. Im Laufe derZeit gehen die Goldschmiede dazu über,das anvertraute Gut gegen Zins zu verlei-hen. Schliesslich ist es unwahrscheinlich,dass alle Bürger ihr Gold gleichzeitig wie-der abholen wollen. Die Kunden ihrerseitsgeben zur Begleichung persönlicher Schul-den diese Scheine oft an Dritte weiter. Dieneuen Besitzer können die Bescheinigungauf Wunsch beim Goldschmied wieder inGold umtauschen. Aus manchem Gold-schmied wird so ein Bankier. Die Aktivitä-ten der Goldschmiede und Handelshäuservermehrt die Geldmenge durch frühe For-men von Giralgeld: Das umlaufende Geldübersteigt die Menge tatsächlich vorhande-ner Goldmünzen.

Entstehung der National-ökonomien

1.7

23

Der wachsende internationale Handel, dieauf Erwerb ausgerichtete Arbeitsethik derKaufleute und die Erosion der rigiden Stän-deordnung sind die Vorboten einer neuensozio-ökonomischen Ordnung. Der Menschist nicht länger eine Figur auf dem gött-lichen Schachbrett. Er ist in der Lage, seineSterne neu zu ordnen. Die Ergebnisse natur-wissenschaftlicher Forschung verstärken die-se Überzeugung. Galileo Galilei stellt fest,dass sich nicht alle Planeten um die Erdedrehen, sondern dass die Erde nur einer vonunendlich vielen Planeten ist. Gott wird ausdem Zentrum der Welterklärung gedrängt,an seine Stelle tritt der Mensch. Die Verbür-gerlichung der Welt und die wachsende Be-deutung des Marktes im ausklingendenMittelalter verdrängen die theologischen zuGunsten der kontraktualistischen Deutun-gen von Mensch und Gesellschaft.In der politischen Philosophie sind es vor allem Thomas Hobbes (1588–1679) und JohnLocke (1632–1704), die für einen deutlichenIndividualisierungsschub in der europäi-schen Renaissance sorgen. Gesellschaft wirdals Miteinander egoistischer Individuen gedeutet, die sich nur deshalb zusammen-schliessen, weil die Alternative im perma-nenten Überlebenskampf aller gegen allebestünde. Menschen schliessen daher einenGesellschaftsvertrag ab, durch den sie ein-ander wechselseitig bestimmter Rechte undPflichten versichern. Gesellschaft ist nichtmehr das Ergebnis göttlicher Planung, diesich in der Hierarchie der Standespyramidemanifestiert, sondern eine selbstgegebeneOrdnung prinzipiell gleicher Menschen. Be-freit von den Fesseln der feudalistischenDenktradition kann sich die marktwirt-schaftliche Dynamik entfalten.Auch mit der beginnenden Industrialisie-rung bleibt die Stadt im Zentrum wirt-

schaftlicher Aktivitäten. Sie wird zum Ortdes zentralisierten Massenbedarfs. Die wach-sende Bedeutung von Produktion und Han-del geht einher mit einer zunehmenden Ver-elendung der Landbevölkerung, deren pro-duktive Tätigkeit an Bedeutung verliert.Auf dem Land fristen die – inzwischen«freien» – Bauern ein klägliches Dasein. DerBauer kann sich und seine Familie zumeistnur dadurch über Wasser halten, weil dieweiblichen Familienmitglieder für einenstädtischen Grosshändler Spinn-, Strick-und Webarbeiten in Heimarbeit verrichten.Der Grosshändler bzw. Verleger kauft dieproduzierte Ware auf und verkauft sie aufdem lokalen Markt bzw. auf dem Export-markt. In England sorgen eine Reihe von Er-findungen für eine Konzentration der Tex-tilherstellung in städtischen Manufakturbe-trieben. 1733 erfindet John Kays das «flie-gende Weberschiffchen», mit dem ein We-ber mehr zu leisten vermag als vorher zwei.Die Erfindung der Jenny-Spinnmaschinedurch den Weber James Hargreaves vermagzunächst acht bis zehn, später bis zu 100Spindeln in Bewegung zu setzen. 1804 stelltder Landpfarrer William Cartwright denersten mechanischen Webstuhl her und seit1785 dringt die von James Watt erfundeneDampfmaschine in die Textilindustrie ein. Eine Erfindung jagt die andere. Die früherals Verleger tätigen Grosshändler richtennun – zunächst mit Wasserkraft, später mitDampfmaschinen arbeitende – Manufak-turbetriebe ein. Aus den früheren Händlernund Verlegern werden Manufakturbetrei-ber, aus den Bauern Manufakturarbeiter.Man erkennt, dass in den Manufakturen be-trächtliche Produktionsfortschritte erzieltwerden können. Adam Smith beschreibt inseinem berühmten Beispiel, wie zehn unge-lernte Arbeitskräfte in einer arbeitsteiligen,

mechanisierten Stecknadelproduktion ge-meinsam 48 000 Stecknadeln an einem Tagherstellen, während sie bei grösster An-strengung jeder für sich höchstens zwanzigpro Tag hätten herstellen können. Die arbeitsteilige Organisation der Manu-fakturen führt zu enormen Produktivitäts-steigerungen. Im Jahre 1701 sind bereitszwischen einem Viertel und einem Drittelder männlichen Bevölkerung Englands inManufakturen und Bergwerken beschäf-tigt. Sind die Unternehmen bis dato typi-scherweise als Familienbetriebe geführtworden, so wird nun die Rechtsform derKapitalgesellschaft immer wichtiger. Be-reits Anfang des 16. Jahrhunderts schafftman in England und den Niederlanden dierechtlichen Voraussetzungen zur Übertra-gung von Eigentumsrechten. Dies ermög-licht die Bildung von Aktiengesellschaften.Damit ist die Verteilung von Risiko auf vie-le Schultern möglich, was zu grösseren In-vestitionen in Produktionsmaschinen führt.Der Mensch des Mittelalters fühlte sichnoch als Teil eines Systems, der Kapitalistgeht nun dazu über, sich sein System selbstzu schaffen.

Merkantilismus – die erste systematischeWirtschaftspolitik

Der Erfolg dieses Systems, so zeigt sich inder Rückschau, ist eng verkoppelt mit derEntwicklung einer effizienten Geldwirt-schaft. Die Bedeutung des Geldflusses fürden Wohlstand erkennt in Frankreich JeanBodin bereits um 1577. Das Geld, so stelltBodin fest, ist «das Blut der Volkswirt-schaft». Die Beobachtung, dass mit der Ein-fuhr ausländischer Güter eine Ausfuhr eige-ner Goldreserven verbunden ist, beunru-higt die Regierungen. Dass die Gestaltung

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der eigenen wirtschaftlichen Rahmenbe-dingungen eine höchst politische Aufgabeist, zeigt die Arbeit des französischen Fi-nanzministers Jean Baptist Colbert, der1661 mit der schwierigen Aufgabe konfron-tiert wird, die auf Jahre hinaus verschulde-te Staatskasse zu sanieren. Seine Arbeitwird von der Überzeugung geleitet, dassdie Einnahmen einer Volkswirtschaft derenAusgaben übersteigen müssen. Zwischenden Staaten, so seine Überzeugung, herrschtein Nullsummenspiel, die Vorteile einesStaates sind gleichzeitig die Nachteile einesanderen: Der eine Staat verliert Goldreser-ven durch den Konsum fremdländischerGüter, der andere Staat vergrössert seineReserven. Protektionismus ist die Konse-quenz. Zölle und Steuern auf importierteWaren sollen den Warenimport drosseln,eine erhöhte Warenproduktion, die Förde-rung einheimischer Manufakturen und einAusbau der verkehrstechnischen Infrastruk-tur sollen den Warenexport beschleunigen.Als Merkantilismus bezeichnet man dieseerste systematische Wirtschaftspolitik, diesehr rasch auch von anderen europäischenLändern übernommen wird bzw. über-haupt erst einmal das Entstehen einheit-licher nationaler Zoll- und Marktgebiete beschleunigt. Im Rahmen von Volkswirt-schaften entwickeln sich Nationalökono-mien, die eine Vereinheitlichung und Stan-dardisierung von Produktion und Handelermöglichen und gleichzeitig einen Schutz-wall gegenüber anderen Wirtschaftsräumenaufrichten. Der merkantilistische Schutz dereigenen Wirtschaft wird mitunter sehr rigo-ros gehandhabt. Friedrich I. von Preussenbestraft das Tragen ausländischer Tuche –zum Wohle der heimischen Webereien – mitdem Tode. Da in Deutschland die Bildungeines grossräumigen Nationalstaates nicht

1.8 Entwicklung des Papiergeldes

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gelungen ist, bilden sich zahlreiche Klein-staaten, die einander – wie im Mittelalter –mit Aus- und Einfuhrverboten oder Zöllentraktieren. Die Schweiz beginnt bereits im 14. Jahrhun-dert eine ausgeprägte Handelsbeziehungzum Ausland. Leder aus Freiburg, Leinen-stoffe aus St.Gallen oder Seidenstoffe ausZürich sind ausserhalb der Schweiz begehrt.Mit Beginn des 16. Jahrhunderts nimmt derinternationale Handel grössere Dimensio-nen an. Zwar ist die Schweiz abhängig vomAusland und es fehlt eine starke politischeZentralgewalt ; dafür besticht sie durch einesystematische protektionistische Wirtschafts-politik. Das Problem der handelshemmen-den Zölle hat allerdings auch die Schweizals Erinnerung an das Mittelalter bewahrt :Eine Untersuchung des eidgenössischenZollrevisors aus dem Jahre 1823 dokumen-tiert für das Gebiet der Eidgenossenschaftüber 400 Zölle, Weg- und Brückengelder.Erst die Verfassungsrevision von 1848, diedas Zollwesen zur Sache des Bundes erhebt,macht dem langsam ein Ende.

Der Boden für ein modernes Wirtschaftssys-tem ist vorbereitet : Eine veränderte Einstel-lung zu Geld und wirtschaftlichen Aktivitä-ten setzt sich durch. Zahlreiche Erfindun-gen und die Systematisierung der arbeits-teiligen Prozesse lassen die Produktivitätexplodieren. Die Entwicklung einheitlicher,geschützter und standardisierter National-ökonomien schafft den notwendigen Raumzur wirtschaftlichen Entfaltung. Auch dieGeldwirtschaft durchläuft einen Prozessder Modernisierung. Das mittelalterlicheSystem der mit Wechseln handelnden Kauf-leute stösst aus verschiedenen Gründen anseine Grenzen: Durch die Bankrotte ihrer –oft königlichen und kaiserlichen – Kundenwerden die Familienbanken immer wiedermit in den Untergang gerissen. Die gleich-zeitige Zahlungsunfähigkeit der Königs-häuser von Spanien, Frankreich und Portu-gal führt beispielsweise im Jahr 1557 zu ei-nem grossen Bankencrash. Die immer wie-derkehrende Zahlungseinstellung der herr-schenden Königshäuser erhöht den Druck,neue Formen des Bankwesens zu schaffen,die das Risiko anders verteilen. Ein weiteresProblem: Die zur Verfügung stehende Geld-menge wird zwar durch den Gebrauch desWechsels erhöht, bleibt aber eng verkoppeltmit den jeweiligen Vorräten an Gold. Zwarkursieren mehr Wechsel als die Edelmetall-vorräte hergeben, die Akzeptanz dieser Pa-piere beruht aber auf dem Glauben, jeder-zeit die eigenen Papiere in Gold zurücktau-schen zu können.Zwei frühe Experimente mit Papiergeldscheitern in Frankreich. Als 1715 der Son-nenkönig Ludwig XIV stirbt, sind in Frank-reich die Zinsaufwendungen für die Staats-schulden bereits grösser als die laufendenStaatseinnahmen. Der Schotte John Law er-hält die Erlaubnis zur Errichtung einer Pri-

vatbank. Diese Bank gibt Papiere aus, die gemäss Law ebenso wie Metallgeld für Zah-lungen eingesetzt werden und statt überEdelmetallvorräte über den Bestand anGrund und Boden in ihrem Wert abgesi-chert werden sollen. Dieses Vorhaben wirdallerdings rasch aufgegeben. Die PrivatbankLaws wird 1718 verstaatlicht und die staat-liche Geldpresse wird angeworfen. Schät-zungsweise 3,7 Milliarden Livres werdengedruckt, die Preise steigen. Je mehr mandas Geld vermehrt, desto teurer werden dieWaren. Als deutlich wird, dass hinter demPapier nicht mehr der garantierte Um-tausch in die bezeichnete Goldmenge steht,bricht die Bank zusammen. Law kann sei-nen Kopf nur durch Flucht aus Frankreichretten. Ein zweiter Versuch in der Französi-schen Revolution scheitert nach demselbenMuster. 1789 werden so genannte Assignateals Kassenscheine ohne offiziellen Kurs inUmlauf gebracht. Im April 1790 werden siezu einem offiziellen Kurs an den öffent-lichen Kassen angenommen und so in denRang echten Geldes erhoben. Ab Septemberkommt es unter der Parole «on démocratiseles assignats» zu einer starken Emission vonAssignaten, was bis zum Juni 1793 einenKursverfall von 64 Prozent zur Folge hat.Die Unsicherheit einer unter dem Direkto-rium sich zum Teil stündlich änderndenNotierung von Wechselkursen führt zurVerlagerung des Wechselgeschäfts von Pa-ris nach Hamburg und Basel. Zwar schei-tern diese Experimente, das Papiergeld selbstbleibt aber als Idee erhalten und setzt sichschliesslich in den amerikanischen Kolo-nien durch. Benjamin Franklin wird in denKolonien mit der Herausgabe des Papiergel-des beauftragt. Mit seinem Buch von 1729 AModest Enquiry into the Nature and Necessityof a Paper Currency legte er das Fundament

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für die Verbreitung des Papiergeldes in denamerikanischen Kolonien.Während zunächst die Emission von Bank-noten in der Verantwortung der privatenBanken liegt, führen mehrere Gründe imLaufe der Zeit zur Vereinheitlichung undZentralisierung der Geldemission:

• VertrauenskriseDie immer wiederkehrenden Bankzu-sammenbrüche führen zu einer Vertrau-enskrise in das bestehende System derPrivatbankiers. Bis 1647 gibt es allein inSpanien fünf Staatsbankrotte. Das Hausder Welser geht in Konkurs und die Fug-ger müssen ihr Bank- und Handelsge-schäft liquidieren. Fehlende Risikostreu-ung ist das Hauptproblem. Allein dieFugger sitzen zu dieser Zeit auf Aktiva,die zu 75 Prozent aus Forderungen an dieSpanische Krone bestehen. Als Antwortauf diese Problematik entstehen öffent-liche Banken. So führt die Zahlungsein-stellung der englischen Krone im Jahr1672 zur Schaffung der Bank of Englandim Jahr 1674. (Dass allerdings auch das

Abbildung 2: Ein französisches Assignat – eines der ers-ten Papiergelder

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öffentliche Bankwesen gegen Zusam-menbrüche nicht gefeit ist, zeigt das be-schriebene französische Experiment mitder Bank des John Law.)

• InflationJe mehr Banken Papiergeld herausgeben,desto geringer die Möglichkeiten, dieGeldmenge zu kontrollieren. Das Vertrau-en in die Banknoten der verschiedenenPrivatbanken ist jeweils regional begrenzt.Nur dort, wo die Bank über entsprechen-de Reputation verfügt, wird ihr Verspre-chen, die Zettel jederzeit in Gold tau-schen zu können, akzeptiert. Dabei be-trägt das Deckungsverhältnis schon lan-ge nicht mehr 100 Prozent. In England re-duziert sich der Deckungsgrad der Bank-noten durch Goldbestände bereits auf einen Drittel. Man versucht daher, dasInflationsrisiko durch eine staatliche Auf-sicht der Banknotenausgabe in den Griffzu bekommen. Mit der Peel’schen Bank-akte wird 1844 die Banknotenausgabeunter staatliche Aufsicht gestellt, später

monopolisiert und nach dem ErstenWeltkrieg auf die Bank of England über-tragen. In Deutschland wird per Reichs-bankgesetz von 1875 die Zahl der Zettel-banken (zu diesem Zeitpunkt rund 32)bis vor dem Ersten Weltkrieg auf vier pri-vate Zettelbanken neben der Reichsbankreduziert. In Frankreich wird 1800 dieBanque de France gegründet, wodurchFrankreich ein zentrales Noten- und Kre-ditinstitut erhält, das sich in staatlicherHand befindet.Doch auch staatliche Notenbanken kön-nen die Wirtschaft nicht immer vor Infla-tion bewahren. In Europa gilt die Inflationin Deutschland nach dem Ende des Er-sten Weltkriegs als besonders extremesBeispiel einer Hyperinflation, die durchdie staatliche Notenbank nicht verhin-dert wird. Der Wert des Geldes reduziertsich von Tag zu Tag, sodass die Noten-bank kaum nachkommt, neue Noten innoch grösseren Beträgen zu drucken.Einzelne Banknoten in Milliardenbe-trägen kommen in Umlauf, bis eine gene-relle Währungsreform der Inflation einEnde bereitet.

• UnübersichtlichkeitIn der Schweiz wird die erste Banknote1826 in Bern herausgegeben. Nach undnach wächst die Zahl der Banknotenemittierenden Banken in der Schweiz auf 53, sodass ein Wust an unterschied-lichen Papierwechseln entsteht. Daherwird im Jahr 1876 zwischen den Bankenein Konkordat geschlossen, das diewechselseitige Anerkennung und Ver-einheitlichung der Banknoten ermög-licht. Gegen 1900 geht das Recht zur Aus-gabe von Banknoten vollständig an denBund über. Damit ist eine einheitliche

Abbildung 3: Eine deutsche T ausend-Mark-Banknotenach der Entwer tung zur Zeit der Hyperinflation nachdem Ersten Weltkrieg

Banknoten im Spiegel des ZeitgeschmacksDie Banknotenserie der Schweizerischen Nationalbank

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Erste Banknotenserie 1907Nach dem Notenbildmuster der frühe-ren Emissionsbanken gedruckt und zu-sätzlich mit einem Überdruck in Formeiner roten Rosette mit Schweizer Kreuzversehen.

Zweite Banknotenserie 1911 Die Notenserie wurde von FerdinandHodler und Eugène Bur nand gestal-tet. Die 5-Franken-Note war dafür be-stimmt, die silberne 5-Franken-Münzezu ersetzen, die im Kriegsfall oder wäh-rend einer schweren Krise gehor tetund somit weit gehend dem Zah-lungsverkehr entzogen wurde. DieserAbschnitt war von allen Noten derSNB am längsten im Umlauf und wur-de e rst 1 980 z urückgerufen. N ach

Dritte Banknotenserie 1918Zwischen 1918 und 1930 wurdendiese Scheine als so genannte Kriegs-noten in einzelnen Etappen entworfenund ausgegeben bzw. als Reserveno-ten gedruckt.

Vierte Banknotenserie 1938 Reserveserie. Die von den Malern HansErni und Victor Surbeck gestalteten No-ten wurden nie in Umlauf gesetzt.

dem Rückruf können die Noten nochwährend 20 Jahren bei der SNB ein-gelöst werden.

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Reservenoten1

Reservenoten1

1 Reservenoten sind gedruckte und eingelager teBanknoten, die im Falle einer massiven Bedrohungder jeweiligen Notenserie, z.B. durch Fälschun-gen, in Umlauf gelangt wären.

Banknoten im Spiegeldes Zeitgeschmacks

Fortsetzung

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Fünfte Banknotenserie 1956Die vier höheren, ab 1957 ausgege-benen Werte bilden erstmals in derSchweizer Banknotengeschichte einethematische und formale Einheit, in-dem das Por trät der V orderseite je-weils mit dem Sujet der Rückseite zu-sammenhängt. Erstmals wurde eine10er-Note nicht nur entwor fen undgedruckt, sondern auch ausgegeben.

Sechste Banknotenserie 1976Neues Konzept : auf der Vorderseitejeweils ein Porträt einer historischen Per-sönlichkeit, auf der Rückseite ein Sujetmit engem thematischem Bezug zurdargestellten Persönlichkeit.

Siebte BanknotenserieDie Noten gehören zur aktuellen Re-serveserie und dürfen daher nicht ab-gebildet oder beschrieben werden.

Achte Banknotenserie 1995Zum ersten Mal diente für die Noten-gestaltung die elektronische Bildbear-beitung. Das angewandte Sicherheits-konzept geht von den ehemals ver-steckten Sicherheitsmerkmalen hin zuden transparenten.

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(Quelle : Schweizerische Nationalbank, www.snb.ch)

Gestaltung des Notenumlaufs und eineeinheitliche Währungspolitik möglich.Eine entscheidende Verlagerung derökonomischen Macht von den Bankenzum Staat findet statt.

So unterschiedlich die Benennungen undWertigkeiten der mittelalterlichen Gold-münzen sind, sie stellen für mehrere Jahr-hunderte ein universelles Währungssystemdar. Der Kaufmann kann über das Goldge-wicht die Münzen vergleichen, die Wechsel-kurse zwischen den verschiedenen Sortensind international stabil. Die Emission vonimmer mehr Banknoten lässt im Laufe derZeit eine vollständige Deckung der Papieredurch Goldvorräte nicht mehr zu. Die Re-duzierung der Deckung auf einen Dritteldurch die Zentralbanken macht aus derGoldumlaufwährung eine Goldkernwährung.Die Zentralbank bürgt für die Umwechs-lung der Papiere in echtes Gold. Banknotenwerden dabei nicht als Geld im engeren Sinne wahrgenommen, sondern als Ersatzfür die gültigen Zahlungsmittel (Gold- undSilbermünzen). Sie sind das mehr oder we-niger theoretische Versprechen, Papier je-derzeit in die eigentlichen Zahlungsmittelumwechseln zu können. Noch bis 1971 stehtauf den US-Dollar-Noten der Hinweis «AufVerlangen an den Inhaber auszuzahlen». Im 19. Jahrhundert setzt eine Debatte überden Wert der Banknoten ein. Sind Bank-noten Geld oder einfach nur das Verspre-chen, in Geld umgetauscht zu werden, so-zusagen ein Zahlungsversprechen wie derWechsel? Die Vorstellung setzt sich durch,dass es sich um ein Zahlungsversprechenhandelt, für das eine geringere bankmässi-ge Deckung notwendig ist. Die Goldkern-währung der Zentralbanken erhält ihre Sta-bilität nicht mehr über das Gold. Die De-

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ckung beruht nun vor allem auf dem Ver-trauen in die Politik und in die wirtschaft-liche Kompetenz der jeweiligen Regierungenund Zentralbänker. Geldpolitische Massnah-men im Sinne einer Steuerung der umlau-fenden Geldmenge gewährleisten die Stabili-tät. Der Wert der Währung wird dabei nichtmehr am Gegenwert in Gold gemessen,sondern an den Preisen der Waren, die mandafür erwerben kann. Der Warenkorb re-präsentiert die Auswahl an Waren, an derder Wert des Geldes gemessen wird. Erhöhtsich der Preis dieser Waren, spricht man voneiner Inflation.Im Jahre 1933 löst Roosevelt als Präsidentdie US-Währung vom Goldstandard. Dies isteine Reaktion auf den Börsencrash von1929, als die Banken von Kunden gestürmtwerden, die alle ihr Geld in Gold umwan-deln wollen. Man verspricht sich ein Ankur-beln der Konjunktur durch die Möglichkeitder goldunabhängigen Steuerung der Geld-menge. Der Staat entledigt sich der Pflicht,über die Zentralbank Geld in Gold umtau-schen zu müssen. In der Schweiz wird dieEinlösungspflicht 1936 aufgehoben. Immer-hin sichern die Goldbestände der National-bank noch einen beträchtlichen, aber stetigsinkenden Teil der umlaufenden Banknotenab: 1971 sind in der Schweiz noch 93,6 Pro-zent gedeckt, 1985 noch 50,3 Prozent. Zwarist die Nationalbank nicht mehr zum Um-tausch verpflichtet, die Auflösung der vor-handenen Goldreserven wird aber noch1978 von den eidgenössischen Räten abge-lehnt.

Entstehung des modernen Bankensystems

1.9

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Das moderne Bankensystem ist ein Kinddes 19. Jahrhunderts. Um seinen Entwick-lungsprozess zu verstehen, müssen wir zu-nächst noch einmal einen Blick auf den Be-ginn des industriellen Zeitalters werfen. Diehandwerklich-kleingewerbliche Produktionin den Manufakturen wird durch die me-chanisierte Massenproduktion in grossenFabriken abgelöst, die Eisenbahn tritt ihrenSiegeszug an. In den USA setzt das indust-rielle Zeitalter etwa ab 1870 ein. Bisher un-vorstellbare Mengen an standardisiertenGütern werden hergestellt. Als Henry Fordim Jahre 1913 das erste fliessbandgefertigteAuto, den Ford T, vom Band rollen lässt, istder Höhepunkt der Massenproduktion er-reicht. Die Finanzierung privater Industrie-kredite sprengt nicht nur die Dimensionender Möglichkeiten und der Risikobereit-schaft der privaten Familienbanken, sie istzu Beginn der Industrialisierung schlichtnicht üblich. Friedrich Krupp, der 1811 inEssen seine Gussstahlfabrik gründet, leihtsich das dazu notwendige Kapital nicht beieiner Bank, sondern bei seiner Mutter undseinen Geschwistern, später bei seinemSchwiegervater. Die Privatbankiers dieserZeit beschäftigen sich hauptsächlich mitStaatsanleihen. Erst 1834, acht Jahre nachdem Tod Friedrich Krupps, gelingt es seinemSohn Alfred, eine Bankverbindung zu demKölner Bankhaus Herstatt aufzubauen. DieKredithöhen sind zu dieser Zeit freilich nochbescheiden, die Auflagen sind hart (Bürg-schaften, kurzfristige Laufzeiten).Mit dem Fortschritt der industriellen Revo-lution wächst der Finanzierungsbedarf derWirtschaft weiter. Zwar wird die Expansionder Unternehmen teilweise über die direk-ten Investitionen privater Geldgeber finan-ziert, viele Grossinvestitionen bleiben je-doch auf das Kapital der Banken angewie-

sen. Von entscheidender Bedeutung für dieGeldversorgung in Zeiten der Industriali-sierung ist der Aufschwung der Aktien-banken. 1826 wird in England das Gesetzabgeschafft, welches die Teilhaberzahl derPrivatbanken auf sechs begrenzt. Dies er-möglicht die Gründung von Kapitalgesell-schaften. Kapitalgesellschaften arbeiten aufeiner deutlich höheren Kapitalbasis, wasdas Vertrauen der Bankkunden erhöht. Inden dreissiger Jahren des 19. Jahrhundertsverdrängen die Aktienbanken die Privatban-ken immer weiter. Bereits 1850 betreiben die99 Aktienbanken mit 576 Büros in Londonund den englischen Provinzen mehr Nieder-lassungen als die 327 Privatbanken, die nurauf 518 Büros kommen. Am Ende des ErstenWeltkrieges werden 80 Prozent des Bank-geschäfts von den fünf grössten Banken ab-gewickelt (Barclays, Lloyds, Midland, Na-tional Provincial, Westminster). In Frankreich wird 1852 die erste auf derAusgabe von Aktien beruhende Bank, dieSociété Générale de Crédit Mobilier de France

Abbildung 4: Crédit Mobilier – erste Aktienbank der mo-dernen Wirtschaftsgeschichte

gegründet. Sie ist die erste Bank, welche dieFinanzierung der Industrie in den Mittel-punkt ihrer Aktivitäten stellt. Dabei nimmtsich die Bank aller Kreditoperationen an,die eine Grossunternehmung benötigt: Aus-stattung mit Kapital, Emission von Aktien,langfristige Kredite für den Geschäftsbe-trieb. Die Crédit Mobilier gilt als Vorläuferder späteren Universalbanken, weil sie als ers-te mehrere Geschäfte – Depositen-, Wech-sel- und Investitionsgeschäft –in einer Bankvereint. Ähnlich aufgestellte Banken wer-den noch lange Zeit als Crédit-Mobilier-Ban-ken bezeichnet. Allein in den Jahren 1855/56entstehen 15 neue Bankinstitute nach demVorbild der Crédit Mobilier, in der Schweizist es 1856 die Schweizerische Kreditanstaltin Zürich.Indem die Aktienbanken anfangen, die Gut-haben ihrer Kunden zu verzinsen, erhöhensie das für ihre Geschäftstätigkeiten zur Ver-fügung stehende Geld deutlich. Das Geldder Kunden wird u.a. eingesetzt, um Wech-sel diskontiert zu kaufen, sodass die Wech-selinhaber vor Fälligkeit über Geld verfü-gen können. Die Gebühr wird Diskontsatzgenannt. Die aufgekauften Wechsel könnendie Geschäftsbanken bei ihrer jeweiligenZentralbank rediskontieren lassen. Vor al-lem in England verliert diese Form desWechselgeschäfts in den siebziger Jahrendes 19. Jahrhunderts an Bedeutung undwird von Check und Kontokorrentkreditverdrängt. Im internationalen Zahlungs-verkehr behält der Wechsel allerdings seineBedeutung. Check und Kontokorrentkreditvereinfachen den Zahlungsverkehr erheb-lich, über die zentrale Verrechnungsstelledes London Bankers’ Clearing House kön-nen die englischen Banken ihre Checkan-weisungen erstmals miteinander verrech-nen. Der Aufbau eines deutschen Überwei-

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sungsnetzes durch die Reichsbank in denachtziger und neunziger Jahren des 19. Jahr-hunderts gibt dem bargeldlosen Zahlungs-verkehr einen weiteren wichtigen Impuls.Die Zentralisierung des Giroverkehrs beider Reichsbank erleichtert und beschleu-nigt Überweisungen. Kreditgeld erfährteine immer weitere Verbreitung. Ein zuneh-mender Anteil der nationalen Geldmengenbesteht als Giralgeld nur noch in Form vonGuthaben bei Geschäftsbanken. 1914 be-steht die Geldmenge in England aus 40 Mil-lionen Pfund Banknoten, 160 MillionenPfund Münzen und über 1 000 MillionenPfund Bankdepositen. Während die Mün-zen immer weiter an Bedeutung verlieren,nimmt der Bestand an Banknoten und vorallem an Kreditgeld immer weiter zu.In der Schweiz bestehen bis in die Mitte des19. Jahrhunderts zwei ganz und gar ver-schiedene Kreditsysteme nebeneinander.Das eine ist regional verwurzelt, eng mit ei-nem Kanton verbunden und in das lokale,soziale und kulturelle Gefüge eingepasst.Das andere ist international ausgerichtet.Erst mit der Abschaffung der Binnenzölleim Zuge der Gründung des liberalen Bun-desstaates 1848 entwickelt sich ein einheit-licher Wirtschaftsraum, der auch ein ausdif-ferenzierteres und vernetzteres Bankensys-tem ermöglicht.Der rasante Aufschwung der Industriege-sellschaft führt im 20. Jahrhundert schliess-lich zu einem enormen Zuwachs an Wohl-stand. Ihren Höhepunkt erreicht die Ent-wicklung in der Zeit, die man in Europa die«goldenen Zwanziger» und in den USA die«Roaring Twenties» nennt. An den Börsender USA steigt zwischen dem Frühjahr 1928und dem September 1929 der Dow Jones Industrial Average Index von 191 auf 38 139Punkte. Ein Börsenfieber macht sich breit,

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alle wollen an diesem neuen Reichtum teil-haben. Die Teilnahme an den steigendenAktienkursen ermöglichen sich viele durchentsprechende Kreditaufnahmen. Mitte 1929betragen diese Kredite zur Finanzierungvon Aktienkäufen bereits über sieben Milli-arden Dollar. Die Entwicklung an den Bör-sen spiegelt in keiner Weise die realen öko-nomischen Erfolge der Unternehmen wi-der. Im Oktober 1929 platzt dann die Speku-lationsblase und stürzt Europa und die USAin die bis dato verheerendste Wirtschafts-krise. In England, Frankreich und den USAwird daraufhin das bestehende Universal-bankensystem durch ein Trennbankensystemersetzt. Im Trennbankensystem ist im Ge-gensatz zum Universalbankensystem nur einebestimmte Kombination von Bankgeschäf-ten erlaubt. Vor allem ist es verboten, gleich-zeitig Wertpapier- und Einlagengeschäft zubetreiben. Banken sollen so von dem riskan-ten Geschäft mit Aktienemissionen fernge-halten werden.Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhun-derts hat das Bankensystem in Europa be-reits jene Form erhalten, die hier und dazwar noch Verfeinerungen und Differenzie-rungen erfährt und durch Krisen wie die«Great Depression» von 1929 oder die bei-den Weltkriege weitere Veränderungsim-pulse erhält, im Grossen und Ganzen aberüber das Jahrhundert hinweg stabil bleibenwird. Eine sich immer weiter reduzierendeZahl von Aktienbanken beherrscht die Bank-plätze in Europa und den USA. Die Bedeu-tung des nur noch in den Büchern der Ban-ken geführten Giralgeldes wächst und natio-nale wie internationale Zahlungen erfolgenimmer öfter in Form von Buchungen zwi-schen diesen Bankkonten. Die Gold- undSilbermünzen werden weit gehend durchPapiergeld ersetzt und das Papiergeld seiner-

seits durch Giralgeld. Die Herausforde-rung, vor der die Geschäfts- und Zentral-banken zu Beginn des letzten Jahrhundertsstehen, ist die effiziente Organisation derje-nigen Zahlungsvorgänge, die weder in klin-gender Münze noch über Banknoten abge-wickelt werden, sondern lediglich als Bu-chungen in ihren Büchern erscheinen.

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Zahlungsverkehr findet überall dort statt,wo Waren nicht mehr gegen Waren ge-tauscht, sondern gegen Geld gehandeltwerden. Dort, wo dieser Handel in einenanderen Währungsraum hineinragt, musszusätzlich eine Währung in eine zweite ge-tauscht werden, damit eine Bezahlung zu-stande kommen kann. Auch der damit ver-bundene Devisenhandel ist eine Form desZahlungsverkehrs. Der Handel mit Effek-ten schliesslich ist eine dritte Möglichkeitdes Zahlungsverkehrs. Ware gegen Geld,Geld gegen Geld und Geld gegen Wert-papiere – dies sind die drei Varianten desZahlungsverkehrs, die von den Banken or-ganisiert werden müssen.

2Das institutionalisierte

Zahlungsverkehrssystem in seiner Frühphase

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Man kann sich vorstellen, dass die Organi-sation des Zahlungsverkehrs Ende des 19.,Anfang des 20. Jahrhunderts durchaus nocheine Herausforderung darstellt. Vor 1850kursieren in der Schweiz 860 verschiedeneMünzen mit Zahlungsmittelfunktion. DieGeldausgabe ist zu diesem Zeitpunkt nochin privaten Händen. Bis 1880 entstehen 36Notenbanken, die über das Recht verfügen,Banknoten zu emittieren. Erst 1891 wird dasausschliessliche Recht zur Ausgabe vonBanknoten dem Bund übertragen. Es dauertallerdings noch bis 1907, bis die Schweizeri-sche Nationalbank ihre Tätigkeit aufnimmt.Ihre Hauptaufgabe besteht zunächst in derRegelung des Geldumlaufs. Erst 1926, mitder Auflösung der Lateinischen Münzuni-on, wird die uneingeschränkte Münzhoheitund vollkommene Nationalisierung desGeldumlaufs erreicht. Später erweitert sichder Aufgabenbereich der Nationalbank umdie Führung der Kredit- und Währungs-politik (1951) und die Erleichterung desZahlungsverkehrs. Die Monopolisierungder Geldwirtschaft in staatlicher Hand,übertragen an die Nationalbank, erhöht dasVertrauen in die Stabilität von Währungenerheblich. Die Ausgabe von Banknotendurch privat geführte Banken ist stets mitdem Risiko der Zahlungsunfähigkeit derEmittenten verbunden. Schliesslich ist Pa-piergeld in der Anfangszeit kein Geld im en-geren Sinne. Die emittierende Bank ist ver-pflichtet, dem Besitzer der Banknoten jeder-zeit auf Wunsch die entsprechende Summein Gold auszuzahlen. Der Wert der Bankno-ten hängt daher nicht zuletzt an der Bonitätder ausgebenden Banken. Dieses Risikowird erst mit der Schaffung des Noten-monopols der Zentralbanken beseitigt.Unter dem steuernden Dach der National-banken haben sich weltweit zwei Banken-

Einführung2.1

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systeme durchgesetzt: die so genanntenTrennbanken und die Universalbanken. Wäh-rend in den USA, wie in Kapitel 1 beschrie-ben, mit dem Banking Act von 1933 zur Be-grenzung der Risiken ein Trennbankensystemeingeführt wird, dominieren in anderenLändern wie der Schweiz oder Deutschlanddie Universalbanken. Alle Banken könnenund dürfen potenziell jede Art von Bankge-schäften durchführen.Die Struktur der Schweizer Bankenland-schaft, wie sie bis weit in die sechziger Jah-re des 20. Jahrhunderts Bestand hat, bestehtbis auf eine wesentliche Veränderung be-reits um 1850. Es gibt ein zweigeteiltes Sys-tem: Einerseits besteht ein stabiler Kern pri-vater Banken, andererseits eine Vielzahl lo-kaler und kantonaler Banken und Sparkas-sen. Wie der renommierte Schweizer Histo-riker Jean-François Bergier zu Recht fest-stellt, richten sich die Aktivitäten der Privat-bankiers auf weltweite Finanzprojekte unddie der lokalen Banken auf Aktivitäten inKanton und Region. Dazwischen entstehteine Lücke, die sich ab 1856 mit der erstenAktienbank, der Schweizerischen Kredit-anstalt, zu schliessen beginnt. Der Auf-schwung der Aktienbanken, die sich zu-nächst vor allem der Finanzierung grösse-rer Industrieprojekte, wie dem Bau der Eisenbahn, widmen, führt zu einer langwährenden Veränderung. Im Laufe der Jahrzehnte nimmt die Bedeu-tung der Privatbanken stetig ab, die der re-gionalen und der Aktienbanken dagegenzu. Zwischen ihnen spielt sich eine still-schweigende Arbeitsteilung ein, die bisetwa 1970 Bestand hat. Während die Kanto-nal- und Regionalbanken das Massenge-schäft (vorab Hypotheken) besorgen, enga-gieren sich die Grossbanken vorwiegend imIndividualgeschäft. Sie bearbeiten insbe-

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sondere das kommerzielle Geschäft undden Interbankverkehr. Das Massengeschäftder Kantonalbanken bleibt aufgrund der lo-kalen Begrenztheit der Banken auch örtlichgebunden. Das im Laufe der Zeit immerwichtigere Geschäft der Überweisung vonKleinstbeträgen privater Haushalte überKantonsgrenzen hinaus greifen daher nichtdie Kantonalbanken auf. Für die Grossban-ken ist das Thema zunächst aufgrund ihrerFokussierung ebenfalls uninteressant. Es istdie schweizerische Post, die mit ihrem dich-ten Filialnetz eine hervorragende Aus-gangslage für dieses Geschäft mitbringtund entsprechend aktiv wird. Die mächtigeStellung, die der Post im schweizerischenZahlungsverkehr aus diesem Grunde bisheute zukommt, stellt im internationalenVergleich ohne Zweifel eine Ausnahme dar.Der Postcheckdienst der Post wird zu einemder drei Träger des schweizerischen Zah-lungsverkehrssystems. Daneben entstehtim Laufe der Zeit ein Clearingsystem, mitdem zunächst die Grossbanken ihren Inter-bankverkehr organisieren. Schliesslich stelltdie Nationalbank einen dritten Träger desZahlungsverkehrssystems zur Verfügung.Dieser Nationalbank-Giro dient der Finan-zierung der Geschäftsbanken und stellt dasBindeglied zwischen Postcheck und Ban-kenclearing sowie innerhalb des Banken-clearing sicher.

Die Rolle der Korrespondenzbanken

Der Zahlungsverkehr zwischen den Schwei-zer Banken, aber auch zwischen Schweizerund ausländischen Banken wird bereitssehr früh über das so genannte Korrespon-denzbankensystem abgewickelt.Als Depositenstelle, wo Gelder gelagertund Kredite bezogen werden können, ha-

ben sich die Banken seit Jahrhunderten etab-liert. Auch die Übertragung von kommer-ziellen Zahlungen – zum Beispiel die Über-weisung auf ein Lieferantenkonto – stelltkein Problem dar. Dennoch hat der kom-merzielle Zahlungsverkehr einen gravie-renden Nachteil: Er ist lokal gebunden. Am Bankplatz Zürich oder Genf werden die Gelder nach Auslösung der Zahlungzwischen den Bankhäusern hin und hertransportiert. Was den Handel mit Effektenangeht, so sind die Schweizer Banken nochbis zur Gründung der SEGA, Schweizeri-sche Effekten-Giro AG, im Jahr 1970 (sieheKapitel 3.2) gezwungen, Aktien, Obligatio-nen, fällige Terminpapiere, kurz alle Wert-papiere, die sie am Tage verkauft haben, ausihren Tresoren zu entnehmen und per Ku-rier oder Post an den Käufer auszuliefern.Dies ist mit einem enormen organisatori-schen Aufwand verbunden – von den ent-stehenden Kosten und den zeitlichen Ver-zögerungen ganz abgesehen.Für bankplatzübergreifende Geschäfte istein solches Verfahren denkbar ungeeignet.Die Abwicklung überregionaler Zahlungenerfolgt über grössere Handelsbanken, dieüber ihr verzweigtes Netz an Niederlassun-gen Zahlungsverpflichtungen für Dritteübernehmen. Nicht jede überregionale Handelsbank kannaber an jedem europäischen Handelsplatzpräsent sein. Die Bankkunden tätigen ihreGeschäfte an einer Vielzahl von Handels-plätzen. Für den An- und Verkauf von De-visen und Effekten, für Kreditgewährungund Finanzierungsquellen der Bankenselbst, nehmen diese daher zunehmend Be-ziehungen zu anderen in- und ausländi-schen Finanzinstituten auf. Diese basierenauf dem Prinzip der Gegenseitigkeit (Rezi-prozität). Für einen Verkauf von Aktien an

einen französischen Kunden geht man eineBeziehung mit dessen Bank in Frankreichein. Im Gegenzug – so das gute Geschäfts-gebaren – würde die französische Bank beiBedarf auch ein Geschäft über die schweize-rische Bank erledigen. Man unterhält dazueine gegenseitige Kontobeziehung (Nostro-bzw. Loro-Konten; siehe Kapitel 2.3). Ent-sprechend gestalten sich auch die nationa-len Geschäftsbeziehungen mit anderenBanken in der Schweiz in der Frühzeit desmodernen Bankings. Die Übertragung vonGeldern an eine andere Bank erfolgt durchdie Buchübertragungen auf den gegenseiti-gen Konten. Der gravierende Nachteil die-ses Verfahrens liegt auf der Hand: Will manWaren oder Wertpapiere an eine Person jen-seits der eigenen Landesgrenzen verkaufen,so trägt man ein hohes Risiko. Man kannnicht sicher sein, ob die dort einzuschal-tende Bank der Zahlung nachkommt, bzw.ihr überhaupt nachkommen kann. Um dennoch Geschäfte abschliessen zu kön-nen, bedient man sich einer dritten Bank,der so genannten Korrespondenzbank. Die-se hat den Vorteil, bei beiden Geschäftspart-nern bekannt zu sein. Verfügt eine Banküber ein weit verzweigtes Korrespondenten-netz, so ist dies bereits Ausdruck ihrer Re-putation und Kreditwürdigkeit. In der Regelhandelt es sich bei den beauftragten Korres-pondenzbanken um fest etablierte Institutemit einem hervorragenden Ruf. Nicht sel-ten sind deren Reputation und Kreditstan-ding wesentlich besser als die der beauftra-genden Bank! Die Korrespondenzbank stehtmit ihrem eigenen Ruf dafür ein, dass dieZahlung durch die Gegenpartei erfüllt wird.Die Korrespondenzbank verschafft den Zu-gang zu fremdländischen Zahlungssystemen,was insbesondere im Licht des Devisenhan-dels noch immer von grosser Bedeutung ist.

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Mithilfe des Korrespondenzbankensystems kön-nen die Schweizer Banken ein dichtes Netzvon Geschäftsbeziehungen zu jeder auslän-dischen Bank an allen Handelsplätzen derWelt unterhalten. Ein solches Korrespondenz-bankensystem umfasst für eine schweizeri-sche Grossbank Hunderte von einseitigenoder gegenseitigen Kontoverbindungen,was einerseits einen beträchtlichen organi-satorischen Aufwand darstellt, andererseitshohe Liquiditätskosten nach sich zieht, weilauf solchen Konten gebundenes Kapitalnicht für andere Zwecke eingesetzt werdenkann. Eine Alternative zu den Korrespon-denzbanken besteht darin, das eigene Netzan Niederlassungen auszubauen, um einenunmittelbaren Zugang zum ausländischenZahlungsverkehrssystem zu erhalten. Derfinanzielle und organisatorische Aufwandeines eigenen ausländischen Filialnetzesübersteigt allerdings den des Korrespondenz-bankensystems. So verwundert es nicht, dassdie Schweizer Banken von dieser Alterna-tive nur sehr vorsichtigen Gebrauch ma-chen: Anfang der siebziger Jahre des letztenJahrhunderts gibt es gerade mal 22 auslän-dische Niederlassungen aller SchweizerBanken.

2.2 Die besondere Rolle derPTT im schweizerischenZahlungsverkehr

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Einen entscheidenden ersten Schritt zurEntstehung des modernen Zahlungsver-kehrs in der Schweiz unternehmen nicht dieBanken, sondern die schweizerische Post.Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäfti-gen sich die Banken nach wie vor in ersterLinie mit solchen Transaktionen, die bei ge-schäftlichen Zahlungsvorgängen anfallen.Das Massengeschäft der Überweisung vonKleinstbeträgen ist für die Grossbanken zudiesem Zeitpunkt weder technisch möglichnoch ökonomisch interessant. Die meistenKleinstzahlungen, auch die Lohnauszah-lung, erfolgen noch bar. Die zunehmendeBedeutung des bargeldlosen Zahlungsver-kehrs wird allerdings von den politischenEntscheidungsträgern erkannt und der Postals Aufgabe zugewiesen. Am 1. Januar 1906wird der Postcheckdienst der Post eingeführt.Sie erhält die Kompetenz zugesprochen, allen Bürgern und Firmen die Eröffnung ei-nes Postcheckkontos zu ermöglichen, dasdiese zur bargeldlosen Überweisung nut-zen können. Die Grundlage für ein allum-fassendes, nun auch die privaten Haushalteeinbeziehendes Zahlungsverkehrssystem istgelegt. Allerdings fällt der Postcheckdienstnicht unter das Postregal, theoretisch musssich die Post der Konkurrenz auf dem frei-en Markt stellen. In der Realität halten sichdie Banken allerdings noch bis in die sech-ziger Jahre des 20. Jahrhunderts aus demMassenzahlungsverkehr raus. So ist eine Bar-einzahlung auf das Konto eines Dritten aneinem Bankschalter beispielsweise nichtmöglich. Der Blick auf die historische Ent-stehung der Banken, wie sie im ersten Teildieses Buches skizziert wird, macht einenweiteren Grund für die Zurückhaltung derKreditinstitute verständlich: Sie entstehenals Depot für die sichere Verwahrung vonEinlagen und die Weitergabe der Einlagen

in Form von Krediten. Erst später bauen sieein Transportsystem auf, welches die Wei-terleitung von Geldern ermöglicht. Die Ver-schiebung von Geldern von einem Kontoauf ein anderes ist zu Beginn des 20. Jahr-hunderts mit dem physischen Transport desGeldes verbunden, ein riskanter und teurerAufwand, der sich für das Massengeschäftnicht lohnt.Dieses Desinteresse der Banken am Massen-zahlungsverkehr erklärt die starke Stellung,die der Postgiroverkehr in der Schweiznoch heute besitzt. Das dichte Netz der Fi-lialen, welches die Post über die gesamteSchweiz legt, bietet darüber hinaus die not-wendige Infrastruktur zur Bewältigung desMassengeschäfts : Die Wege zur nächstenPostfiliale sind überall kurz. Die weit ge-hende räumliche Verankerung bietet derPost sehr grosse Wachstumspotenziale. Al-lerdings ist sie von Anfang an dazu ver-pflichtet, jedermann als Kunden zu gesetz-mässigen Bedingungen zu akzeptieren. EineBonitätsprüfung ihrer Kunden kann sie derKontoeröffnung nicht vorausschicken. Da-mit ist der Post der Einstieg ins Aktivge-schäft verbaut. Sie kann die Banken in de-ren besonders profitablen Leistungsfeldernnicht konkurrenzieren. Sie muss aber auchlange Zeit für die auf den Konten gehalte-nen Sichtguthaben keine Zinsen zahlen. Zu-dem hat der Bund gegenüber der Post dieGarantiefunktion übernommen und haftetunbeschränkt für alle Einlagen. Diese Ga-rantiefunktion übernimmt der Bund auchdeshalb, weil die Post ihm die Einlagen zurFinanzierung der Bundesgeschäfte zur Ver-fügung stellt – allerdings entgeltlich. Dieeingenommenen Zinsen stellen heute einenbeträchtlichen Ertrag für die Post dar. Dasmangelnde Interesse Dritter an einem frü-hen Einstieg in den Massenzahlungsverkehr

hat zur Folge, dass die Post eine dominie-rende Stellung im schweizerischen Zahlungs-verkehr erreicht.Die dominierende Stellung der Post wirdauch unterstrichen durch die im SchweizerZahlungsverkehr verwendeten Standards.Lange Zeit, bis sich auf internationaler Ebenevon den Banken entwickelte Standards zuverbreiten beginnen, sind die Standards derPost die einzigen, die im Zahlungsverkehrin der Schweiz allgemein verbreitet sind.Der grüne Einzahlungsschein der Post be-herrscht den Zahlungsverkehr, seine Ver-wendung wird in der Schule den Kindernbeigebracht. Auch die Banken verwendenden Einzahlungsschein der Post in ihren Zah-lungsverkehrsprodukten und geben ihn anihre Kunden ab. Versuche der Banken, mitdem Bankgiro ein eigenes Konkurrenzpro-dukt auf dem Markt zu etablieren, scheiternvöllig.Die Organisation des Postgirodienstes um-fasst drei Bereiche: Erstens das Rechenzent-rum der Post, die Postcheckämter, in denendie Aufträge gesammelt und die Verarbei-tung erfolgt, sowie die Poststellen, die alsVerbindungsglied zwischen dem unbarenZahlungsverkehrssystem der PTT und dembaren Zahlungsverkehr (Ein- und Auszah-lungen, Postanweisungen usw.) fungieren.Die Bürger heben ihr Geld bei den Bankenab und tragen es zur Post, um ihre Rechnun-gen zu überweisen. Die fragwürdige Effi-zienz dieser Form der Zahlungsabwicklungliegt auf der Hand. Das sich langsam ent-wickelnde Bankensystem zur Abwicklungdes bargeldlosen Zahlungsverkehrs stösstauf den Widerstand eines jahrzehntelangeingeübten Verhaltens. Frühe Versuche derSchweizerischen Nationalbank, mit denBanken und der Post einen möglichst hohenKooperationsgrad zu erreichen, schlagen fehl.

2.3

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Internationalisierung des Warenhandels und Reduktion von Risiken

Im internationalen Zahlungsverkehr erfolgtdie Abwicklung im Korrespondenznetzwerküber die gegenseitig eingerichteten Fremd-währungskonten. Dies sind alle Konten, dienicht auf die eigene Landeswährung lauten.Man unterscheidet zwei Arten: die Nostro-und die Loro-Konten (bzw. auch Vostro-Konten genannt). Alle von einer SchweizerBank bei ausländischen Partnern auf Fremd-währungen lautenden Konten sind Nostro-Konten. Ein Euro-Konto der Credit Suissebei der BNP Paribas stellt ein solches Nost-ro-Konto dar. Das Konto der Korrespon-denzbank (BNP Paribas) bei der CreditSuisse, das auf die Inlandswährung lautet(also Schweizer Franken), ist ein Loro-Konto.Über diese Konten werden Devisentrans-aktionen, Vergütungsaufträge, Check- undBörsengeschäfte getätigt. Die prinzipiellenAbwicklungsmechanismen gelten bis heuteunverändert : Muss die Credit Suisse eineZahlungsverpflichtung in Schweizer Fran-ken abwickeln, so transferiert sie den Betragauf das Loro-Konto der BNP Paribas bei sich.Die BNP kann über den Betrag verfügen,ihn dort für den eigentlichen Empfängerhalten oder weiterverwenden. Eine Zah-lung in der Fremdwährung (US-Dollar)wird hingegen dem Fremdwährungskontoder Schweizer Bank bei der Korrespondenz-bank im Ausland (USA) gutgeschrieben(Nostro-Konto). Dieses Konto wird darauf-hin belastet und der US-Dollar-Betrag anden eigentlichen Empfänger weitergeleitet.Mit solchen Transaktionen sind meistensauch Devisentransaktionen verbunden. UmUS-Dollar auf das Nostro-Konto übertragenzu können, müssen zuvor US-Dollar im Be-sitz der Bank sein. Will die Korrespondenz-bank ihren Bestand an Schweizer Frankenauf dem Loro-Konto verringern, muss sieSchweizer Franken verkaufen.

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Der Austausch der für derartige Transaktio-nen notwendigen Informationen gestaltetsich in der Frühphase des internationalenBankenverkehrs, d.h. vor der Verbreitungmoderner Informations- und Kommunika-tionstechnologie, aufwändig und zeitrau-bend. Nachrichten werden per Post, Telexoder Telegramm übertragen.Das Korrespondenzbankensystem reduziertdie Risiken finanzieller Transaktionen iminternationalen Zahlungsverkehr erheblich.Es schaltet das Risiko aus, auf die falscheBank zu setzen, es schafft Vertrauen in denordnungsgemässen Ablauf des Zahlungs-verkehrs. Bei internationalen Warenge-schäften besteht allerdings ein zusätzlichesRisiko, welches durch die beschriebene Ver-netzung der Banken nicht aufgefangen wer-den kann. Gemeint ist das Risiko des Ver-käufers, seine Ware zu liefern, ohne dass derEmpfänger die Zahlung auslöst (oder um-gekehrt das Risiko, eine Zahlung auszulö-sen, ohne dass Ware versandt wird). Nichtnur das fremdländische Finanzinstitut, auchder kommerzielle Geschäftspartner ist einunbekannter Dritter, gegen dessen eventu-elles Fehlverhalten man sich absichern muss.Dieses Fehlverhalten muss nicht zwingenddurch den Geschäftspartner verschuldetsein. Auch politische oder wirtschaftlicheInstabilitäten können dazu führen, dassZahlungen oder Warenlieferungen nicht er-folgen.Zur Absicherung des internationalen Wa-renhandels gegen derartige Risiken dient dasso genannte Dokumentenakkreditiv. Es wirdvor allem dort eingesetzt, wo sich Verkäuferund Käufer ungenügend kennen und dasVertrauen zwischen ihnen gering ist. EinDokumentenakkreditiv verhindert durchseine spezifische Ausgestaltung die einsei-tige Auslösung einer Transaktion (Lieferung

ohne Zahlung, Zahlung ohne Lieferung). Beidem Dokumentenakkreditiv handelt es sichum ein Zug-um-Zug-Geschäft bzw. eine Zah-lung gegen Dokumente. Zug-um-Zug-Ge-schäfte zeichnen sich dadurch aus, dass sieeine zeitgleiche Auslösung der komplemen-tären Transaktionen Zahlung/Lieferung be-wirken. Seinen Ursprung hat das Doku-mentenakkreditiv (früher Rembourskredit)Anfang des 19. Jahrhunderts am Handels-platz London. Dort wird er von den erstran-gigen Kaufleuten (merchant bankers, dt. Wa-renbankiers) ins Leben gerufen. Eine inter-nationale Vereinheitlichung und Standardi-sierung erfolgt allerdings erst 1933. In diesemJahr einigt man sich am Wiener Kongressder Internationalen Handelskammer aufeinheitliche Richtlinien und Gebräuche fürDokumentenakkreditive.Das Dokumentenakkreditiv stellt eine recht-liche Verpflichtung dar, unabhängig vomeigentlichen Rechtsgeschäft des Kaufes. Be-teiligt sind mindestens drei Parteien, in derRegel aber mehr (Minimum: Käufer, Ver-käufer, eine Bank). Der Akkreditivsteller istKäufer der Ware, zum Beispiel ein Impor-teur von Spielzeug aus China. Dieser gibtder Akkreditivbank einen Zahlungsauftrag,den diese unmittelbar und in der Regel un-widerruflich dann auslösen muss, wenn sievom Akkreditivbegünstigten, also dem Lie-feranten des chinesischen Spielzeugs, diezuvor bestimmten Dokumente vollumfäng-lich erhalten hat. Dazu gehören meist dieFaktura sowie die Verladepapiere (Bill ofLading). Abhängig von der vereinbartenTransportart sind zusätzlich Versicherungs-papiere o. Ä. notwendig. Die Zahlungs-pflicht der Bank besteht, sobald die Bedin-gungen formal erfüllt sind, d. h. die Papierevollständig eingereicht sind. Die Bank haf-tet jedoch nicht für Nichterfüllung aus dem

Kaufvertrag, wenn beispielsweise die Wareunvollständig oder fehlerhaft geliefert wur-de. Häufig sind noch die Bank des Akkredi-tivbegünstigten sowie eine oder mehrereKorrespondenzbanken in das Geschäft einbe-zogen, wodurch die Kosten relativ hoch sind.Hier zeigt sich auch die besondere Schwierig-keit dieser frühen Phase des Zahlungsver-kehrs: Die Transaktionen sind nicht nur orga-nisatorisch mühsam, zeitraubend und teuer,sie sind auch wenig standardisiert und auf-einander abgestimmt.

2.4

44

Das Problem der Sicherheit imZahlungsverkehr

Ein wichtiger Faktor für funktionierende Zah-lungsverkehrssysteme bleibt die Bewältigungvon Sicherheitsproblemen. Das Vertrauen indie Systeme beruht in entscheidendem Masseauf der Fähigkeit, diese gegen Missbrauch ab-zusichern. Mit der fortschreitenden Rationali-sierung und der zunehmenden Anwendungmoderner Informationstechnologien verän-dern sich die Methoden der Systemsicherheit.In der Frühphase des Zahlungsverkehrs wer-den, wie dargestellt, die mit dem Zahlungs-verkehr verbundenen Dokumente materiellzwischen den beteiligten Parteien hin und hertransportiert. Die Unterschriften der (zumin-dest teilweise) untereinander bekannten Ban-ker gelten als ausreichender Sicherheitsbeleg.Noch heute gehört der Austausch von Unter-schriftsverzeichnissen (Verzeichnisse der be-rechtigten Unterschriften) zum Alltag des Ge-schäftsverkehrs unter Banken.Unterschriften sind bezüglich Sicherheit zwarein breit akzeptiertes Instrument, aber im Ein-satz (Anbringen der Unterschrift beim Absen-der und deren Überprüfung beim Empfän-ger) weder sehr effizient noch sicherheitsmäs-sig über jeden Zweifel erhaben. Bei der Über-prüfung von Unterschriften bleibt immer einErmessensspielraum bestehen. Es kann zumBeispiel ohne weiteres vorkommen, dass Un-terschriften so stark vom Muster abweichen,dass sie von der empfangenden Bank zurück-gewiesen werden – obwohl sie von der sichdamit legitimierenden Person stammen. Mitder Abkehr von brieflichen Aufträgen unddem Einzug der EDV in den Banken habensich Unterschriften als Sicherheitsinstrumentüberholt.Die Einführung des Telex zur Übermittlungvon Zahlungsverkehrsinformationen ist ver-bunden mit alternativen Sicherheitsmassnah-men als Ersatz für die Unterschrift. Beide Par-teien einer Transaktion verfügen über einen

45

einheitlichen Authentifizierungsalgorithmus.Unter Anwendung dieses Algorithmus undBeizug eines zwischen den Banken bilateralvereinbarten, geheimen Schlüssels wird derim Telex aufgeführte zu überweisende Betragkodiert und die ermittelte Zahl als so genann-te Stichzahl am Schluss des Telex aufgeführt.Der Empfänger des Telex führt dieselbe Ope-ration nochmals durch. Beide Parteien müs-sen dasselbe Rechenergebnis erzielen. In derÜbereinstimmung der Berechnungen liegtder Nachweis, dass der Zahlungsauftrag vomangegebenen Absender stammt.Beim Bankgiro wird ein neues, effizienteresVerfahren benötigt. Es wird mit einem sogenannten Validierungsstempel gearbeitet.Dieser Stempel ist mit der Bankenclearing-nummer der absendenden Bank und mit einer genau registrierten Laufnummer derabsendenden Bank versehen und gilt alsUnterschriftsersatz. Dank der mit denBankgiros versandten Bordereaux kann derEmpfänger die Quelle der Zahlung genauidentifizieren.Der im Korrespondenzbankensystem ange-wandte Kommunikationsstandard SWIFT(siehe Seiten 89) arbeitet ebenfalls mit einemAuthentifizierungsalgorithmus. Zwischenden beteiligten Parteien werden wie beim Te-lex bilateral Schlüssel ausgetauscht. Mit demAlgorithmus wird allerdings nicht mehr nurdie Betragssumme geschützt, sondern der ge-samte Inhalt der Meldung kodiert. Über dasKodieren wird der Meldungsinhalt geschütztund der Sender der Meldung identifiziert,weil nur die beiden beteiligten Parteien überden notwendigen bilateralen Schlüssel verfü-gen, um das Kontrollergebnis berechnen zukönnen. Dieses symmetrische Verfahren be-ruht auf dem gegenseitigem Vertrauen, dassder bilaterale Schlüssel geheimgehalten undvor Missbrauch geschützt wird.

Bei den heutigen Geschäftsbeziehungen, ins-besondere beim Handel über das Internet, istdie Voraussetzung des gegenseitigen Ken-nens und Vertrauens nicht mehr gegeben. Inder neueren Zeit werden daher so genanntePublic Key Infrastructures (PKI) eingesetzt, diediese Situation berücksichtigen. Sie beruhenauf asymmetrischen Authentifizierungsalgo-rithmen, bei denen der Sender eine Meldungmit seinem geheimen, nur ihm bekanntenSchlüssel kodiert, d.h. eine digitale Signaturerstellt und dem Adressaten den dazugehöri-gen öffentlichen, nicht geheimen Schlüsselzur Verfügung stellt. Der Empfänger der Meldung kann mithilfe dieses öffentlichenSchlüssels die digitale Signatur verifizierenund damit die Authentizität der Meldungüberprüfen. Die Echtheit des öffentlichenSchlüssels wird durch ein elektronisches Zer-tifikat, ausgestellt durch eine von beiden Par-teien anerkannte Treuhandstelle, garantiert. Während bei SIC, das dieses Verfahren 1999eingeführt hat, die geheimen Schlüssel in ei-ner gegen Datendiebstahl gesicherten Hard-ware Box gespeichert sind, stellt sich das Problem der sicheren Aufbewahrung derSchlüssel bei Anwendungen im Retail-Be-reich. Eine kostengünstige Lösung zur siche-ren Aufbewahrung von solchen Schlüsselnbietet heute die Chiptechnologie an. Mit derSmartcard, einer Karte mit integriertem Chip,können neben Schlüsseln auch ganze An-wendungsprogramme gespeichert werden.Damit wird diese Technologie auch bei Te-lebanking-Applikationen Anwendung fin-den und die heute noch üblichen Streich-listen ablösen.

46

Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgt ein welt-weiter ökonomischer Aufschwung für verän-derte Anforderungen an den Zahlungsver-kehr der Banken. Die Nachfrage der prospe-rierenden Unternehmen nach Finanzdienst-leistungen steigt. Der zunehmende Bedarf anRohstoffen und Fertigerzeugnissen, diewachsende ökonomische Vernetzung derUnternehmen führen zu einem starken An-wachsen des Zahlungsverkehrsaufkommens.Barzahlungen werden als zu kompliziert undals Sicherheitsproblem erkannt. Mit demWachstum der Börsen und derivativen Fi-nanzierungsquellen (Terminbörse, Waren-börse) müssen ebenfalls grosse Geldbe-stände bewegt werden. Parallel dazu sorgtder wachsende Wohlstand für einen massi-ven Anstieg der Zahlungen des Publikumsmit kleineren Beträgen (Massenzahlungs-verkehr), zusätzlich gefördert durch denschrittweisen Übergang der Unternehmenzu bargeldloser Gehaltszahlung. Bankkun-den möchten nicht nur Geld einlagern undKredite erwerben, sie fordern die Möglich-keit, Geld auf das Konto anderer privater Per-sonen oder Firmen zu überweisen. Der reineBarverkehr erzeugt dabei zunehmende Kos-ten, weil Bargeld gezählt, verpackt, transpor-tiert, erneut gezählt und transferiert werdenmuss. Der Druck, den Zahlungsverkehr effi-zienter zu organisieren, nimmt zu.

3Der Beginn der

Automatisierung des Zahlungsverkehrs

47

Technisch möglich ist bereits die reine Ver-buchung von Geldern zwischen verschie-denen Konten bei derselben Bank. Die Her-ausforderung, die es nun zu bewältigen gilt,ist der Aufbau eines Systems, das eine sol-che Verbuchung auch im Interbankverkehrermöglicht.Die Banken unterhalten jeweils mit jederBank, mit der sie national oder internationalin Geschäftsbeziehung stehen, eine Konto-verbindung (Korrespondentenrechnung).Dadurch kann zwar den Kunden die Durch-führung von Transferzahlungen auf Kontianderer Banken offeriert werden, der Ko-ordinationsaufwand ist jedoch erheblich.Bei einem Aufkommen von etwa 300 Bank-institutionen mit 2500 Bankstellen wärenmehr als 6 Millionen Konten erforderlich,um ein vollständiges Korrespondentennetzaufzubauen – ausländische Geschäftsbezie-hungen nicht miteingerechnet. Was in derersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in derSchweiz fehlt, ist eine koordinierende Clea-ringstelle, die als «zentrale Korrespondenz-bank» für alle fungiert.Die Vorteile einer derartigen zentralen Ein-richtung liegen auf der Hand: Die bisher übliche gegenseitige Kontoführung allerBanken mit allen Banken zur Abwicklungdes bargeldlosen Zahlungsverkehrs könnteabgeschafft und ein grosses Rationalisie-rungspotenzial sowie eine erhebliche Re-duktion der Transaktionskosten erreichtwerden. Eine solche Clearingstelle würdeeine einfache, schnelle und sichere Abwick-lung von Zahlungen unter den Banken er-möglichen.Nichtsdestotrotz sind die Widerstände ge-gen ein zentrales Clearing im Bankenver-kehr zunächst beträchtlich. Während diePTT 1906 ihr Postchecksystem einführt undin Deutschland schon seit 1876 der Reichs-

Anfänge des Bankenclearings

3.1

48

bank-Giroverkehr etabliert ist, streiten dieSchweizer Bankiers noch immer über diegenerelle Notwendigkeit oder unbedeutendeDetails. Im April 1941 befasst sich erstmalsdie «Kommission betreffend Konkurrenzie-rung durch staatliche und halbstaatlicheUnternehmen» der Schweizerischen Ban-kiervereinigung mit den zunehmendenProblemen durch die Konkurrenzierung –namentlich der Post/PTT. Diese hat, wiedargestellt, in den vergangenen Jahren imZahlungsverkehr und im Austausch mitden Endkunden eine monopolähnliche Stel-lung im Markt errungen. Die «Subkommis-sion Postcheck» der Banken versucht in der Folge, einen schweizerischen Bankgiro-dienst durch die Banken aufzubauen, wasallerdings 1945 endgültig am Widerstandverschiedener Parteien scheitert. Die Ban-ken sind nicht gewillt, höhere Kosten zuübernehmen. Sie sehen keine Möglichkeit,ein ähnlich effizientes System wie die Posteinzurichten und fürchten darüber hinauseine wachsende Konkurrenz der Lokal- undKantonalbanken. Der Vorschlag der Sub-kommission, ein unentgeltlich abzugeben-des Einheitsformular für Überweisungeneinzuführen und ein Clearing über Giro-zentralen einzurichten, wird nach hartemRingen 1945 von der Mehrheit der ange-schlossenen Banken abgelehnt. Immerhinsetzt sich die Kommission mit ihrer Emp-fehlung durch, den Kunden vermehrt Über-weisungsaufträge zur Verfügung zu stellen.Die Volumina im nationalen Zahlungsver-kehr nehmen aber weiter zu. 1949 werdendie vier Grossbanken, Schweizerischer Bank-verein (SBV), Schweizerische Kreditanstalt(SKA), Schweizerische Bankgesellschaft(SBG) und Schweizerische Volksbank (SVB)erneut aktiv. Die SBG regt an, die Kontenzwischen den Geschäftsstellen der Banken

49

zu zentralisieren. Eine solche Zentralisie-rung macht die Vielzahl von Kontenverbin-dungen zwischen den verschiedenen Nie-derlassungen überflüssig. Die vier Gross-banken richten ein gemeinsames «Organi-sationsbureau» ein. Am 5. Dezember 1949,nur ein halbes Jahr nach Ergreifung der Ini-tiative durch die SBG, kann mithilfe einesneuen standardisierten Bankgiroformularsdas manuelle Clearing zwischen den vierGrossbanken mit 150 Bankstellen an 81 Or-ten beginnen. Im Folgejahr werden zudemder Rimessen- und Couponsverkehr in dasBankenclearing mit einbezogen.

Das mehrstufige Clearing unter den Banken

In den Anfängen umfasst das Clearing dentäglichen gegenseitigen Austausch der Be-lege unter den Clearingzentralen. Die De-ckungszahlung für die einer anderen Clea-ringzentrale zugestellten Belege erfolgt überdas Girokonto bei der Schweizerischen Na-tionalbank (SNB).Der Kreis der beteiligten Banken vergrös-sert sich sehr rasch. Im September 1950 wird

die Zürcher Kantonalbank (ZKB) als neuerClearingpartner aufgenommen. Nur einJahr später folgt die Kantonalbank von Bernmit einer eigenen Zentralstelle. WeitereKantonalbanken schliessen sich dem Clea-ringsystem an und nutzen die ZKB als zent-rale Clearingstelle.Nach Eingliederung der Kantonalbankenund Regionalbanken in den folgenden Jahrenerhöht sich die Zahl der zentralen Clearing-stellen von vier auf sieben: SchweizerischeBankgesellschaft, Schweizerischer Bankver-ein, Schweizerische Volksbank, Schweizeri-sche Kreditanstalt, Kantonalbank von Bern,Zürcher Kantonalbank (für sich und alle an-deren Kantonalbanken) und die National-bank, die einerseits als Clearingzentrale füralle Lokalbanken agiert, andererseits alsübergeordnete Stelle für die Verrechnungzwischen den Clearingzentralen sowie demPostchecksystem fungiert. Der Belegaus-tausch erfolgt zur Vereinfachung der Kurier-runden mit der Zeit via zentrale Briefkästenim Eingang der SKA an der St.Peterstrassein Zürich (Zustellung per Post an die Kan-tonalbank von Bern). Im Jahre 1981 lösensich die Regionalbanken von der National-bank und gründen eine eigene Clearing-zentrale.Das Bankenclearing ist bis zur Einführungdes neuen Zahlungsverkehrssystems SIC1987 (siehe Seiten 85 ff.) mehrstufig geglie-dert. Die oberste Stufe des Bankenclearingsbildet die SNB. Sie dient als Girozentrale fürdas Bankenclearing zwischen den Clearing-zentralen und als Bindeglied zum Post-checksystem. Die Clearingzentralen auf derzweiten Ebene müssen bei der SNB eineKontobeziehung unterhalten (Girokonto),über welche die Verbuchung der Clearing-zahlungen erfolgt. Es gibt acht solcher Zent-ralen, in der Regel handelt es sich dabei um

Abbildung 5: Meilensteine des Zahlungsverkehrs in derSchweiz

1949

Gründung der GiroorganisationBankenclearing durch SBG, SBV,SKA, SVB

1906 19071930

19491955

19681973

19741977

1979

1985198719971999

Post-ZVSNB

Ticker AG

BankenclearingEKV (Einzahlungskarten-Verfahren)

BancomatBLG

VESRDTA/LSV

Telekurs AG

ec-Direct

CASH euroSIC

SIC

die Hauptsitze der Bankinstitute. Auf einerdritten Ebene finden sich die Bankstellender verschiedenen Grossbanken, die Haupt-sitze der Kantonalbanken sowie die Zweig-niederlassungen der ZKB. Die Regional-banken (bis zur Gründung ihrer eigenenClearingzentrale) sowie die übrigen Banken(Auslandbanken in der Schweiz, Privatban-ken usw. als so genannte Einzelinstitute)sind an die Nationalbank als Clearingzent-rale angeschlossen. Die Bankstellen tretendabei nur mit ihrer eigenen Clearingzentralein Kontakt. Im Belegverkehr sortieren dieClearingzentralen auch Zahlungen aus, dieinnerhalb ihres eigenen Kreislaufs verblei-ben (z.B. Zahlung von Bankstelle A anBankstelle B derselben Grossbank) und lei-ten diese nicht via SNB.Unterhalb dieser dritten Ebene schliessensich weitere Bankstellen an: Zweigstellen derGrossbankfilialen, Bankstellen der Kantonal-banken usw., sodass sich insgesamt ein ver-zweigtes, mehrstufiges System auffächert.Das Bankenclearing erfolgt auf Bruttobasis.Alle Zahlungen zwischen den Clearingzent-

50

Abbildung 6: Aufbau des Bankenclearings bis 1986

ralen werden über das Girokonto bei der Na-tionalbank verbucht und nicht gegeneinan-der aufgerechnet. Die Abwicklung erfolgtnoch weit gehend manuell. Zwar bahnt sichdie neue Informations- und Kommunika-tionstechnologie langsam ihren Weg. Inweiten Bereichen werden jedoch nochnichtstandardisierte Formulare genutzt, dieeine Automatisierung nicht zulassen. Dastrifft insbesondere auf die Grossbetragszah-lungen aus Interbankgeschäften zu, für wel-che die Zahlungsdetails noch bis 1986 perPost, Kurier oder Telex übertragen werdenund deren Zahlungsdeckung mit Clearing-fichen via Clearingzentrale erfolgt. Erst 1969können sich die Banken bei bestimmtenZahlungsarten auf einheitliche Formulareeinigen. 1971 wird für Kundenzahlungendas standardisierte Bankgiroformular mitoptisch lesbarer Codierzeile eingeführt. DerVersuch, die Bankkunden zu verpflichten,dieses neue Formular selbst auszufüllen,misslingt aber weit gehend. Das Bankgiro-formular wird in der Regel in den Korre-spondenzabteilungen der Banken erstellt.

Schweiz.Bank-

gesellschaft

Schweiz.Bankverein

Schweiz.Kredit-anstalt

Schweiz.Volksbank

Schweiz.Regional-banken

ZürcherKantonal-

bank

Kantonal-bank von

Bern

Schweiz.National-

bank

Nationalbank-Girosystem SchweizerischeNationalbank

Postchecksystem

Jeweils angeschlossene Bankstellen und weitere Institute

Clearing-Zentralstellen

51

Bei dringenden Zahlungen bzw. grossen Be-trägen wird der Bankgiro dann mit einem«Direktbordereau» direkt der Bank des Be-günstigten zugestellt (direkter Leitweg). DieClearingfiche aus der Formulargarnitur desDirektbordereau sowie die Bankgiri fürnicht dringende Zahlungen (indirekter Leit-weg) werden an die Clearingzentralen gelei-tet und dort mit der Bankenclearingnummer«von», der Bankenclearingnummer «an» sowiedem Zahlungsbetrag kodiert. In einem zen-tralen Lesezentrum werden die kodiertenBelege maschinell nach empfangenderBank (Bankenclearingnummer «an») umsor-tiert und die zu zahlenden Totalbeträge derNationalbank zur Verbuchung auf den Gi-rokonti gemeldet. Mit diesem Verfahrenkann viel manueller Sortieraufwand elimi-niert und die weiter zunehmende Zahl vonKundenzahlungen einfacher bewältigt wer-den.Die administrativen Arbeiten werden durchdie «Administrativstelle Bankenclearing» er-ledigt. Diese Aufgabe wird zunächst imjährlichen Wechsel von den Clearingzentralenübernommen. Erst 1976 wird eine eigen-ständige Organisationseinheit geschaffenund mit Personal ausgestattet. Die Daten-verarbeitung wird bis 1978 von einem exter-nen Rechenzentrum übernommen. 1979wird die Datenverarbeitung des Bankenclea-rings an die Telekurs AG übertragen. Die Te-lekurs AG ist bis dahin ausschliesslich inder Verarbeitung und Veröffentlichung vonAktienkursen und Wertschrifteninforma-tionen sowie in der EDV-Verarbeitung desBancomats tätig. Ab 1979 wird das neue Re-chenzentrum der Banken (RZB) in Zürich inBetrieb genommen. Später wird auch dieAufgabe der Administrativstelle an Tele-kurs übertragen. Bis zur Einführung desZahlungsverkehrssystems SIC im Jahr 1987

bleibt das manuelle Clearing mit Clearing-fichen noch von grosser Bedeutung. DieTransaktionen, die beispielsweise im Jahr1984 getätigt werden, geben davon einenEindruck: In diesem Jahr werden etwa 15Billionen Franken über das Bankenclearingabgewickelt, 90 Prozent entfallen auf dasmanuelle Clearing für Zahlungen unter denBanken. 60 Millionen Transaktionen imWert von 1,25 Billionen Franken werden imRahmen von optischer Beleglesung undelektronischen Datenträgern abgewickelt.

Der Effektengiroverkehr kämpft mit ähn-lichen Problemen wie das Bankenclearing.Die Wertpapiere müssen bei Käufen, Ver-käufen zwischen den Banken hin und hertransportiert, gelagert und geordnet wer-den. Jede Bank lagert ihre eigenen Wert-papiere und die ihrer Kunden in den eige-nen Tresorräumen ein. Hohe Einsparungenund Erleichterungen im Wertschriftenge-schäft werden erst 1970 mit der Einrichtungder SEGA Schweizerische Effekten-Giro AGmit Sitz in Basel erreicht. Sie hat in derSchweiz die Aufgabe, die frei handelbarennationalen Wertschriften gesammelt zu ver-wahren und dadurch einen Effektengiro-verkehr analog dem Bankgiroverkehr zu er-möglichen. Dadurch wird der Versand derPapiere mit jeder Kauftransaktion überflüs-sig. Die Sammelverwahrung ermöglicht,dass das Eigentum an den Wertschriftennunmehr lediglich buchmässig erfasst wirdund der Übertrag durch Umbuchung erfol-gen kann. Vom organisatorischen Aufbauähnelt das System dem Bankenclearing. Diebeteiligten Banken unterhalten bei der SEGAjeweils ein Sammeldepot für ihre Effekten.Dabei ist der SEGA nicht bekannt, ob es sichum Effekten handelt, welche die Bank selbsthält, oder um Effekten aus Depots von Kun-den bei den Banken.Ein Problem, welches mit der Gründungder SEGA zunächst nicht gelöst wird, be-steht in der Trennung von Zahlungs- undLiefervorgang. Die Wertpapiere werden imWertschriftengiro übertragen, der Zah-lungsvorgang erfolgt separat über das Ban-kenclearing. Man spricht hier von einer «Lie-ferung ohne Zahlung» (LOZ), was für die be-teiligten Parteien mit erheblichen Risikenverbunden ist. Es ist nie sicher, ob für die ge-leistete Zahlung die Effekten auch tatsäch-lich eintreffen bzw. für die gelieferten Effek-

Anfänge des Effektenclearings

3.2

52

ten die Zahlung. Erst 1982 wird in derSchweiz die Zug-um-Zug-Abwicklung imWertschriftengeschäft als Lieferung gegenZahlung (LGZ bzw. delivery versus payment,DVP) eingeführt.Die Abwicklung «Lieferung gegen Zahlung»verknüpft die Verrechnung der Transaktionmit der Titeltransaktion. Voraussetzung ist,dass der Verkäufer bei der SEGA über ent-sprechende Depotbestände verfügt undbeide Banken dem Bankenclearing ange-schlossen sind. Die SEGA überprüft zu-nächst, ob die Depotbestände des Verkäu-fers ausreichen, und nimmt bei genügen-dem Depotbestand den Übertrag der Effek-ten unter Vorbehalt der Zahlung vor. AmTagesende wird das Total aller aus Wert-schriftenkäufen zu leistenden Zahlungensowie das Total aller aus Wertschriftenver-käufen resultierenden Zahlungseingängeder Nationalbank in Listenform (später viaFiletransfer) gemeldet. Ist der zu leistendeNettobetrag auf dem Girokonto bei der Na-tionalbank für alle betroffenen Banken vor-handen, verbucht die Nationalbank die ge-meldeten Beträge, und die Titelüberträgebei SEGA werden definitiv.Bei diesem System der Verarbeitung derSEGA-Transaktionen werden Titel- undGeldseite nicht am gleichen Tag verbucht.Vielmehr sind die teilnehmenden Bankenausserhalb von Zürich auf Einlieferung undEmpfang der Daten auf den Postweg ange-wiesen. Dies führt zu zeitlichen Verzöge-rungen. Der Abschluss erfolgt am Tag nullan einem der Handelsplätze in Genf, Basel,Zürich oder abseits der Handelsplätze (overthe counter, OTC). Am nächsten Tag wer-den die Geschäfte gegenseitig bestätigt undabgestimmt. Die SEGA-Belege werden vonder verkaufenden Bank erstellt und anSEGA versandt. SEGA verarbeitet den Auf-

3.3 Automatisierung im Inter- und Intrabankverkehr

53

trag und verbucht die Titel wieder einen Tagspäter. Bei der SNB erfolgt der Zahlungs-übertrag wieder am Folgetag. FehlendeDeckung auf dem Konto des Käufers bei derSchweizerischen Nationalbank kann nochbis einen Werktag nach Valuta nachträglichbeschafft werden. Obwohl die Titelliefe-rung und die Zahlung miteinander verbun-den sind (Lieferung gegen Zahlung), ist daspraktizierte System nach wie vor nicht völ-lig sicher. Die komplette Rückabwicklungder Titelgeschäfte am Folgetag, falls einKäufer nicht über genügend Geld verfügenwürde, wäre sehr mühsam und würde auchdie Verarbeitung an diesem Folgetag emp-findlich stören, da die zurückgebuchten Ti-tel bereits wieder für Folgetransaktionenverwendet werden sollten. Eine Lösung fürdieses Problem ergibt sich erst nach Einfüh-rung von SIC und der Real-Time-Verbin-dung des SECOM-Systems (SIS SegaInter-Settle Communication System) der SEGAmit dem SIC-System.

Eine Automatisierung des Zahlungsver-kehrs besteht zunächst weniger im Ein-satz neuer Technologien. Vielmehr müssenerst einmal die Voraussetzungen geschaf-fen werden, die neuen Möglichkeiten derEDV überhaupt sinnvoll einsetzen zu können. Die geschilderte Entwicklung desBankenclearings in der Schweiz verdeutlichtdie verschiedenen Schritte auf diesemWege. Ein erster Schritt ist die Schaffung einer Gi-rozentrale, über die der Zahlungsverkehrabgewickelt werden kann, der zweite ist dieRationalisierung und Optimierung der Ab-läufe innerhalb der Banken selbst. Wegbe-reiter dazu ist beispielsweise die Schweize-rische Kreditanstalt. Sie führt im Mai 1947einen Formularsatz ein, der als Vorläuferder späteren Bankgiroformulare geltenkann. Die Formulare finden Verwendungim Verkehr zwischen Hauptsitz und Nie-derlassungen und ermöglichen die Erstel-lung sämtlicher Belege für Zentrale, Nieder-lassung und Kunde in einem Arbeitsgang.Drittens muss die Rationalisierung internerAbläufe und die Standardisierung der Pro-zesse zwischen den Banken eingeleitet wer-den. Vor allem die Vereinheitlichung derverwendeten Formulare spielt dabei einewichtige Rolle. Hier gibt es, wie betont, lan-ge Zeit kein einheitliches Vorgehen, sodassdie verschiedensten Transaktionen zusätz-lich manuell auf andere Formulare übertra-gen werden müssen.Mit der Einführung des Bankenclearingsdurch die Grossbanken 1949 und die flä-chendeckende Ausweitung bis 1955 wirdein grosser Fortschritt erzielt. Gleichwohlbleiben einige Schwierigkeiten bestehen.Auch wenn sich langsam aber sicher ein-heitliche Formate für Geldanweisungendurchsetzen, bleibt ein Transfer von Zah-

Das alte Belegclearing – Bewältigung von Papierbelegendurch geschickte Ablauforganisation

54

Die an die einzelnen Clearingzentra-len zu leitenden Clearingfichen wur-den sodann auf Bordereaux («Tages-Rekapitulation») aufgeführt und die To-talbeträge der Bordereaux auf einenZahlungsauftrag an die SNB übertra-gen (rotes Formular). Die Bordereauxmit den beigelegten Clearingfichengingen direkt an die empfangendeClearingzentrale – für Clearingzentra-len mit Standort Zürich via Briefkasten-anlage im Eingang der Schweizeri-schen Kreditanstalt an der St.Peter-strasse, für auswär tige Clearingzent-ralen (Kantonalbank von Bern) per Post.Der rechtsgültig unterzeichnete Zah-lungsauftrag ging in Original und Ko-pie an die SNB. Das Original diente

der SNB als Buchungsbeleg (daherdie Nummern der SNB-Girokonti derClearingzentralen auf dem Formular).Die Kopie des Zahlungsauftrags warwaagrecht zwischen jeder aufgeführ-ten Clearingzentrale per foriert. DieSNB konnte so die einzelnen Streifenfür die Anzeige der Gutschrift an dieempfangende Clearingzentrale ver-wenden.Belegclearing und physische Clearing-zentralen wurden nach der Einfüh-rung von SIC aufgehoben.

(Formulare zur Verfügung gestellt vonArmin Walch, Formularwesen CreditSuisse)

Im Belegclearing wurden die so ge-nannten «Clearingfichen» (Kopien ingelblicher Farbe der an andere Clea-ringbanken direkt zugestellten Auft rä-ge) in den Clearingzentralen der einzel-nen Bankengruppen g esammelt u ndnach empfangender Clearingzentra-le sortiert. Die Sortierung erfolgte da-bei nach der ersten Ziffer der Clea-ringnummer der begünstigten Bank-stelle, da alle Clearingnummer n derBankstellen, die derselben Clearing-zentrale angehör ten, mit derselbenZahl begannen:

1 Nationalbank SNB2 Schweizerische Bankgesellschaft

SBG3 Schweizerischer Bankverein SBV4 Schweizerische Kreditanstalt SKA5 Schweizerische Volksbank SVB6 Regionalbanken7 Zürcher Kantonalbank790 Kantonalbank von Bern8 Einzelinstitute (via Clearingzent-

rale SNB abgewickelt)

Vereinfachter Zahlungsverkehrmit dem Ausland –

Rationalisierung durch ausgeklügeltes Formulardesign

55

Der visuelle Aufbau von Zahlungsauf-tragsformularen wurde unter den Ban-ken international bereits früh abgespro-chen, um Interpretationsprobleme zuvermeiden.Im Verlauf der fünfziger Jahre deszwanzigsten Jahrhunderts schuf danneine Reihe grosser europäischer Ban-ken einen formlosen «Club» unter derBezeichnung «Vereinfachter Zahlungs-verkehr mit dem Ausland (MVZ)». Zielwar damals bereits, vor dem Compu-terzeitalter, unter dem Eindruck zuneh-mender Volumina grenzüberschreiten-der Zahlungen die Abwicklung dankEinmalerfassung der wesentlichen An-gaben eines Zahlungsauftrags zu ra-tionalisieren und Übertragungsfehlerzu vermeiden.Kern des «MVZ» war eine Zahlungs-auftragsformulargarnitur mit Originalund insgesamt acht Kopien (siehe Ab-bildung).

Die Verwendung von Original und Ko-pien:

•Das Original (rechtsgültig von derauftraggebenden Bank unterzeich-net) ging mit drei Kopien an die beauftragte Bank im Ausland (dieEcken dieser vier vordersten Exem-plare der For mulargarnitur wurdenrechts unten abgeschnitten, um dieTrennung des externen vom internenTeil einfa cher u nd s icherer v orneh-men zu können). Die beauftragte Bank ver wendetedas Original für die Ablage als recht-lichen Nachweis des Auftrags, dieerste Kopie als Gutschriftsanzeige fürihren Kunden, die zweite Kopie alsAblagekopie im Kundendossier unddie dritte Kopie als Buchungsbelegzur Gutschrift des Kundenkontos.

•Die übrigen fünf Kopien dienten derauftraggebenden Bank als Ablage-beleg (vierte Kopie) im Dossier derbeauftragten Bank, als Buchungsbe-

leg (fünfte Kopie) zur Gutschrift desKontos der beauftragten Bank (beiVerwendung der MVZ-Formulargar-nitur in der Schweiz konnte dieserBeleg auch als «Clearingfiche » ge-stempelt werden und in den altenBelegclearing einfliessen), als Belas-tungsanzeige (sechste Kopie) an denauftraggebenden Kunden, als Abla-gebeleg (siebte Kopie) im Dossier desauftraggebenden Kunden und alsBuchungsbeleg (achte Kopie) zurBelastung des Kontos des auftrag-gebenden Kunden.

Die Formulargarnitur war derart dick,dass es trotz qualitativ hochwer tigerMaterialien (Schreibmaschine, Kohle-papier, chemisch beschichtetes Durch-schlagpapier) immer wieder problema-tisch war, die hinterste Kopie lesen zukönnen.Der «MVZ» wurde mit der zunehmen-den Verbreitung von SWIFT und derelektronischen Übertragung der Zah-lungsaufträge obsolet.

lungen zwischen Banken in verschiedenenClearingkreisen beschwerlich. Es werdenendlose Papierlisten (Bordereaux) erstellt,Belege sortiert und ausgetauscht, gegenein-ander aufgerechnet und schliesslich ausge-glichen. Zu dieser Zeit sind Formulargarni-turen und Lochkarten bzw. Lochstreifen diefortschrittlichste Art der Informationsüber-mittlung.Im Folgenden werden die verschiedenenSchritte der Rationalisierung und Automa-tisierung des Zahlungsverkehrs in derSchweiz beschrieben, wie sie sich bis in dieachtziger Jahre des vergangenen Jahrhun-derts hinein darstellen.

Verbreitung des Checks

Neben den für jede Bank unterschiedlichenFormularen für Zahlungsanweisungen sindChecks eine etablierte Form der finanziellenÜbertragung. Bis gegen Ende der sechzigerJahre stellen die Schweizer Banken ihrenKunden eigene Checks zur Verfügung. Deren Einsatzbereich ist sehr limitiert undim Wesentlichen auf den Zahlungsverkehrzwischen Firmen beschränkt. Die Checkssind nicht universell einsetzbar, da immereine Unsicherheit besteht, ob ein Check auchtatsächlich eingelöst bzw. honoriert wird.Die Checkformulare sind noch nicht nor-miert. Unterschiedlichste Grössen und Far-ben sind im Umlauf, welche eine maschinel-le Verarbeitung nicht erlauben. In den sech-ziger Jahren wird zur Durchsetzung einerbesseren Akzeptanz von Privatchecks alsallgemeines Zahlungsinstrument ein ein-heitliches Check-Garantieverfahren (SwissCheque) eingeführt, verbunden mit einerGarantiekarte. Die Checkformulare sindnoch nicht vereinheitlicht, eine einheitlicheGarantiekarte gibt dem Empfänger eines

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Checks aber die Gewähr, dass der Check biszum Garantiebetrag auch sicher eingelöstwird. Zur gleichen Zeit einigen sich die Banken einiger europäischer Länder auf die Ein-führung des neuen eurocheque-Systems(ec), das die Checkgarantie auch im Aus-land gewährleistet und den Kunden einenproblemlosen Zugang zu ihrem Konto undeine bequeme Bezahlung ermöglicht. Zur Sicherstellung der grenzüberschreitendenAkzeptanz verwendet das eurocheque-Sys-tem neben einer einheitlichen Garantiekarteauch vereinheitlichte Checkformulare. Die-sem System schliessen sich in der Folge

Abbildung 7: eurocheque

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auch die Schweizer Banken an und stellendas Swiss-Cheque-System auf das ec-Systemum. 1978 werden den Kunden der Schwei-zer Banken die neuen eurocheque-Formu-lare und die neuen eurocheque-Garantie-karten abgegeben. Der Check stösst in derSchweiz auf den Widerstand eines etab-lierten Nutzerverhaltens bestehender Zah-lungssysteme. Während die Bankkunden inLändern wie USAund Frankreich ihren bar-geldlosen Zahlungsverkehr bis in die acht-ziger Jahre überwiegend per Check abwi-ckeln, gehört die Schweiz ebenso wieDeutschland und die Niederlande zu den sogenannten Giroländern. Die durchschnitt-liche Anzahl vorgenommener Überweisun-gen ist signifikant höher als in anderen Län-dern, die Anzahl ausgestellter Checks hinge-gen wesentlich geringer. In den USA wer-den zu dieser Zeit pro Kopf jährlich rund170 Checks ausgestellt, in der Schweiz hinge-gen nur zwei bis drei Checks.Mit der Einführung einheitlicher Check-formulare in der Schweiz (zunächst der eurocheques für den Privatgebrauch, dannder einheitliche Korrespondenzcheck fürFirmen) verfügen die Checks über eine ma-schinell lesbare Codierzeile. Die Voraus-setzungen zur Rationalisierung der Check-abwicklung in der Schweiz sind geschaf-fen. Alle auf eine Schweizer Bank gezoge-nen Einheitschecks (ausgestellt in Schwei-zer Franken und später, bis zu festgelegtenMaximalbeträgen, auch ausgestellt inFremdwährung) werden zentral von derCheckzentrale bei der Telekurs AG verar-beitet. Die Banken werden – sofern sie Teil-nehmer am Bankenclearing sind – direktüber ihre Konten bei der SchweizerischenNationalbank belastet. Für Checks in Fremd-währung erfolgt für die Verrechnung überdie Nationalbank eine Umrechnung in

Schweizer Franken, was aber zur Folge hat,dass sich die Abwicklung von Fremdwäh-rungschecks über die Checkzentrale auf be-grenzte Beträge beschränkt. Später werdenauch die von Ausländern in der Schweizund die von Schweizern im Ausland aus-gestellten eurocheques via Telekurs verarbei-tet. Die internationale Verrechnung vonChecks bleibt aber aufwändig. Auf euro-päischer Ebene haben sich die Banken nicht auf eine einheitliche Codierzeile ver-ständigen können, welche die maschinelleVerarbeitung ermöglichen würde. So gibt es in Europa eine Vielzahl von Strukturenund Schriftarten der Codierzeilen aufChecks.

Einführung der Swiss Bankers Travelers Cheques

Mit der Zunahme des Reiseverkehrs ent-wickelten die Banken mit den Reisechecks(Travelers Cheques) eine neue Dienstleis-tung. Travelers Cheques werden vor derAbreise bei einer Bank gekauft und könnenin der Folge in der ganzen Welt bei Bankenwieder in Bargeld umgetauscht werden.Die Identifikation erfolgt dabei durch eineerste Unterschrift auf jedem Check beimKauf und durch eine zweite, identische Un-terschrift bei der Einlösung.Da Reisechecks fast als Bargeld zu betrach-ten sind, ergeben sich mit der Zeit wegender Vielfalt bankindividueller Lösungen Sicherheits- und Akzeptanzprobleme. DieSchweizer Banken beschliessen daher, diebankindividuellen Reisechecks durch einGemeinschaftsprodukt zu ersetzen undgründen 1975 den Swiss Bankers TravelersCheque (SBTC). Der SBTC wird in Schwei-zer Franken vom SBTC-Center in Gross-höchstetten ausgegeben sowie verarbeitet

und entwickelt sich zum führenden Pro-dukt für Reisechecks in Schweizer Fran-ken. Mit dem Erfolg des internationalenKarteneinsatzes hat sich die Bedeutung derReisechecks verringert. Swiss Bankers geht1995 eine Kooperation mit dem führendenReisecheckherausgeber American Expressein.

Einführung der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung (BLG)

Mit den Fortschritten der Informations- undKommunikationstechnologie können ab Endeder sechziger und Anfang der siebziger Jah-re bedeutende Produktivitätssprünge durchdie Einführung des beleglosen Zahlungs-verkehrs erzielt werden. Nach langen Dis-kussionen über die Grösse, das Format oderdie Farbe von Zahlungsanweisungen kanndie erst mit Einführung des Bankenclearingsund des Bankengiros engere Zusammenar-

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beit zwischen den Schweizer Banken ihrenzweiten grossen Erfolg feiern: Die Einfüh-rung des Einheitsrecords (später BargeldloseLohn- und Gehaltszahlung). Der Einheitsre-cord wird Anfang der siebziger Jahre ent-wickelt, als in grösseren Unternehmen dieEDV im Finanzwesen Einzug findet undaus Kosten- und Sicherheitsgründen die un-persönliche Gutschrift auf einem Bankkon-to die monatliche oder gar wöchentlichepersönliche Übergabe der Lohntüte ersetzt.Zu diesem Zeitpunkt drohen die Banken ineiner wahren Papierflut zu ersticken, da nunSalärzahlungen durch Übertragung vonKonto auf Konto erfolgen sollen und derenVerarbeitung sich an Spitzentagen auf Endedes Monats konzentriert. Zudem sind dieSalärzahlungen sehr zeitkritisch, da dieLohnempfänger über ihren Zahltag am Tagder Auszahlung auf dem Konto verfügenwollen. BLG ist zunächst ein einfacher Stan-dard, der 1973 eingeführt wird und mitdem, bei entsprechender Ausrichtung derEDV-Anlage, bei der auftraggebenden Fir-ma alle inländischen Salärzahlungen inSchweizer Franken über den Austausch vonDatenträgern abgewickelt werden. Jede Ge-haltszahlung an den einzelnen Mitarbeiterwird in einem 80-Zeichen-Record festge-halten, der auf Magnetbändern oder aufLochkarten (daher die Recordlänge von 80Zeichen) sowie zusätzlich auf Listen ge-führt wird. Gespeichert sind alle notwendi-gen Informationen wie Name des Empfän-gers, seine Bankverbindung, gutzuschrei-bendes Konto usw. Der Versand des Daten-trägers an das Rechenzentrum der Bankenerfolgt in der Regel zwei bis drei Tage vorder Ausführung per Post oder Kurier. Her-vorzuheben ist dabei, dass die Daten-träger von den Unternehmen ohne Um-weg über die eigene Bank direkt an das Re-

Abbildung 8: Swiss Bankers Travelers Cheques

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chenzentrum der Banken gesandt werden,was einen bedeutenden Zeitgewinn dar-stellt. Die Einsparungseffekte dieses innovativenVerfahrens liegen auf der Hand. Anstatt die in der Zwischenzeit elektronisch erstell-ten Salärlisten der Unternehmen zur Bankzu senden, um sie dort erneut manuell inein EDV-System aufzunehmen, werden dieSysteme angepasst und die Datenträgerausgetauscht. Fehler bei der Übertragungkönnen dadurch praktisch ausgeschlossenwerden, die Erstellung von Papierbelegenwird hinfällig. Gleichzeitig wird durch die zentrale Verarbeitung im RZB die Ver-buchung beschleunigt und damit dieDurchlaufzeit stark verkürzt. Auch im BLGerfolgt die Verbuchung der Totalbeträgezwischen den Banken via Girokonto bei derSNB.

Datenträgeraustausch (DTA)

Ende 1976 wird BLG von den Banken durchden Datenträgeraustausch ergänzt und spä-ter ersetzt, wodurch die Banken ihr Dienst-leistungsangebot im Zahlungsverkehr wei-ter ausbauen können: Über die Salär-, Lohn-,Pensions- und Rentenzahlungen hinaus er-möglicht DTA gleichzeitig die elektronischeErfassung auch aller anderen Zahlungenauf Bank- und Postcheckkonti. Das Daten-format lässt im Gegensatz zum BLG auchdie Mitgabe von Mitteilungen an den Zah-lungsempfänger zu. Der DTA-Standard lehntsich an die internationalen Standardisierungs-vorgaben von SWIFT (Society for World-wide Interbank Financial Telecommunica-tion, siehe Kapitel 4.3) an und besitzt nochbis heute Gültigkeit. DTA kann für alle kommerziellen Zahlun-gen zu Gunsten von Bank- und Postkonti in

Schweizer Franken und Fremdwährungen,für Zahlungen ins In- und Ausland einge-setzt werden. Die Datenträger werden mitallen Zahlungsdaten zwei Tage vor dem ge-planten Zahlungsdatum an das Rechenzent-rum der Banken versandt, in den Anfängenmit Magnetbändern, später mit Disketten(8-Zoll, 5,25-Zoll und 3,5-Zoll), Kassettenoder mit Datenfernübermittlung. Gleichzei-tig erhält die Bank einen rechtsgültig unter-zeichneten Vergütungsauftrag über die Ge-samtsumme pro zu belastendes Konto, an-hand dessen sie die Bonität des Auftragge-bers prüft und die Verarbeitung des Daten-trägers im Rechenzentrum der Banken frei-gibt. Im RZB werden alle inländischen Zah-lungen in Schweizer Franken im Bank- oderPostchecksystem ausgeführt. Zahlungen inFremdwährungen oder Zahlungen ins Aus-land können allerdings nicht durch die Tele-kurs AG abgewickelt werden. Diese werdenzur Weiterverarbeitung an die beauftragteBank gegeben.Die Post führt später ein eigenes Konkur-renzprodukt zum DTA auf dem Markt ein,den Sammelauftragsdienst SAD. Der SADverwendet einen eigenen Datenstandardder Post, der mit dem DTA-Standard zu Be-ginn nicht kompatibel ist.Der DTA hat sich bei Firmenkunden nachseiner Einführung sehr rasch verbreitet undist zu einer Hauptstütze des kommerziellenKundenzahlungsverkehrs in der Schweizgeworden. Seit einigen Jahren gehen dieBanken aber vermehrt dazu über, die Zah-lungsdateien im DTA-Format von ihrenKunden direkt via Datenfernübertragung(Electronic Banking, Telebanking, InternetBanking) auf ihren eigenen Computersyste-men zu empfangen und dann die Zahlun-gen zu Gunsten anderer Banken selbst insSwiss Interbank Clearing SIC einzuspeisen.

In absehbarer Zeit werden daher die Ban-ken den DTA-Betrieb im Rechenzentrumbei Telekurs einstellen.DTA ist für die Einlieferung von Zahlun-gen durch die Kunden konzipiert. DerBankkunde muss über einen Computeroder Zugang zu einem Computer (Rechen-zentrum) verfügen. Die Zahlungen wer-den am Tage vor Belastung des Bankkontosdes Auftraggebers im Rechenzentrum der Banken verarbeitet, damit sie in jedem Fal-le auch rechtzeitig auf dem Konto des Be-günstigten bei dessen Bank gutgeschriebenwerden (besonders wichtig z.B. bei Lohn-zahlungen).

Datenträgerclearing (DTC)

Aufbauend auf dem DTA-System erfolgtzwei Jahre später (1979) ein weiterer Fort-schritt in der Rationalisierung des Inter-bankverkehrs durch die Einführung des Datenträgerclearings. In den Banken sindauch die Zahlungsaufträge von Kundenohne Computer zu verarbeiten. Bankzah-lungen werden zudem nicht nur durchKundenaufträge ausgelöst. Wesentlich be-deutender sind Zahlungen, die sich aus derAbwicklung von Devisengeschäften, Bör-sentransaktionen oder Couponsabrechnun-gen ergeben. Alle diese Zahlungen sindaber von der auftraggebenden Bank glei-chentags auszuführen. Die im DTA verlang-te Vorlaufzeit ist nicht akzeptabel. Ausser-dem ist keine Prüfung der Bonität des Auf-traggebers erforderlich, da diese bereitswährend der Verarbeitung in der Bank er-folgt. Im DTC werden daher die Datenträger amMorgen des Valutatags von der auftragge-benden Bank aufbereitet und der Verarbei-tung und Verrechnung am gleichen Tag zu-

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geführt. DTC führt zu einer erheblichenVereinfachung dieser Interbanktransaktio-nen, die betragsmässig den weitaus gröss-ten Anteil am Gesamtaufkommen darstel-len. Der im DTC verwendete Datenstan-dard entspricht demjenigen im DTA und istebenfalls auf dem internationalen SWIFT-Standard aufgebaut. Auch diese Zahlungenwerden von Beginn an zentral im Rechen-zentrum der Banken bei Telekurs AG verar-beitet.

Lastschriftverfahren (LSV)

Kurz nach dem DTA wird von den Banken1977 das Lastschriftverfahren eingeführt,welches das Inkasso von Rechnungen er-möglicht. Wie der Name bereits vermutenlässt, wird die Zahlung bei diesem Systemnicht wie sonst üblich durch den Zahlungs-pflichtigen, sondern durch den Zahlungs-empfänger aufgrund einer durch den Zah-lungspflichtigen vorgängig an seine Bankerteilten Belastungsermächtigung ausge-löst. Der Zahlungsempfänger beauftragtdie Bank mit der Ausführung von Belas-tungsaufträgen mittels Datenträger. DasVerfahren entspricht dabei im Wesentlichendem des vorgenannten Datenträgeraustauschs.Das Datenformat ist ebenfalls an den DTA-Standard angelehnt. Als erste Kunden zie-hen die Mineralöllieferanten, die bereits einVorläufersystem auf Papierbasis betriebenhaben (mit Versand von vorgedrucktenBankgiri an die Bank des Zahlungspflichti-gen, die dann die Zahlung konventionellauslöst), ihre Forderungen bei den Tankstel-len über LSV ein. Mit der Zeit schliessen sichVersicherungen und Kreditkartenfirmen an.Ebenso wird LSV immer häufiger für dasInkasso bei Telefongesellschaften, Kranken-kassen, Elektrizitäts- und Wasserwerken

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sowie Verlagsunternehmen eingesetzt. Fürden Zahlungsempfänger resultieren erheb-liche Vorteile: Zahlungsaufforderungen müs-sen nicht versandt werden, Verbuchung undÜberwachung der Zahlungseingänge wer-den stark vereinfacht und die Zahlungsein-gänge sind vorhersehbar, wodurch die Liqui-dität besser gesteuert werden kann. Auchfür den Zahlungspflichtigen bietet das Last-schriftverfahren erhebliche Zeit-, Arbeits- undKostenersparnis. Dennoch spielt das LSV, im Gegensatz zuanderen europäischen Ländern (z.B. Deutsch-land), in der Schweiz bis heute keine grosseRolle. Dies ist vor allem auf zwei Gründezurückzuführen: Einerseits bestehen geradein der Schweiz starke Vorbehalte gegenübereinem direkten Zugang Dritter zum eigenenBankkonto. Andererseits ist noch bis 1984eine Lastschrift nur auf Bankkonten mög-lich, der Zugriff auf die häufiger genutztenPostcheckkonten per Lastschrift ist hinge-gen nicht erlaubt. Die anfänglich zögerlicheAkzeptanz des LSV wird durch die Einfüh-rung des Widerspruchsrechts merklich er-höht. Dieses ermöglicht es dem Zahlungs-pflichtigen, abgebuchte Zahlungen bis zu 30Tagen ohne Angabe eines Grundes wiederrückgängig zu machen.Die Post führt später ein eigenes Verfahrenein, den Belastungsauftragsdienst BAD, dermit dem LSV der Banken nicht kompatibelist.

Einführung des Einzahlungsscheinsmit Referenznummer (ESR)

Die Post richtet ihr Augenmerk zunächstauf die Rationalisierung der Verarbeitungvon Zahlungseingängen beim Rechnungs-steller. Für herkömmliche Überweisungenmit grünen Einzahlungsscheinen erhält der

Begünstigte der Zahlungen einen Papierbe-leg mit allen Angaben (Betrag, Valuta,Adresse des Auftraggebers der Zahlung).Die manuelle Verarbeitung dieser Papierbe-lege in der Debitorenbuchhaltung der Rech-nungssteller verursacht grossen Aufwand.Zum Erfolg führt die Idee der Post, den vom Rechnungssteller versandten Einzah-lungsschein mit einer von ihm festgelegtenReferenznummer (zum Beispiel Rechnungs-nummer) und einer Codierzeile zu verse-hen. Der Beleg (blauer Einzahlungsschein mit Referenznummer) wird von der Post ma-schinell verarbeitet und der Begünstigte er-hält statt Papierbelegen einen Datenträ-ger mit Angaben zu jedem Zahlungsein-gang. Auf dem Datenträger sind Referenz-nummer und Betrag vermerkt, die der Kunde maschinell in die Abstimmung sei-ner Debitorenbuchhaltung übernehmenkann. Der ESR der Post erweist sich als durch-schlagender Erfolg. Noch heute weisen dieUnternehmungen in der Schweiz einen imVergleich zum Ausland ausserordentlichhohen Automatisierungsgrad in der Ver-arbeitung ihrer Debitorenzahlungen auf.Mit ein Grund für die rasche Verbreitungdes ESR ist die Tatsache, dass nur der Rech-nungsteller eine Änderung vornehmenmuss, um von den Vorteilen selbst zu pro-fitieren. Die Zahlungspflichtigen verwen-den weiterhin die gewohnten Einzahlungs-scheine, deren Farbe sich lediglich von grün zu blau ändert. Die Einführung desESR ist somit schnell und autonom durch jedes einzelne Unternehmen selbst mög-lich.Der grosse Erfolg des ESR veranlasst dieBanken, diesen neuen Beleg der Post selbstzu nutzen und auf dessen Basis eigene Zah-lungsprodukte den Kunden zur Verfügung

Einzahlungsscheine der Post und Banken im Spiegel der technischenEntwicklung

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Der grüne Einzahlungscheinder Post im Einsatz von1906 bis 1986Im Einzahlungsschein-Verfahren (ESV)mit dem grünen Formular diente der Ein-zahlungsschein als Abrechnungsbelegfür Bareinzahlungen. Der linke Abschnittwar der Quittungsabschnitt für denEinzahler, der mittlere Teil blieb beimPostchequedienst während der rech-te Teil abgeschnitten und an den Zah-lungsempfänger ausgeliefer t wurde.Die Lochung diente zur visuellen Prü-fung. Mitteilungen an den Zahlungs-empfänger konnten auf der Rückseitedes rechten Abschnitts angebrachtwerden.

Die Einzahlungskarteder Post im Einsatz von1955 bis 1988Als erstes System mit maschineller Ver-arbeitung führte die PTT in den fünfzi-ger Jahren das Einzahlungskarten-Ver-fahren (EKV) in der Form einer grünenLochkarte ein. Der linke Teil diente da-bei als Empfangsschein für den Einzah-ler, während der rechte im zentralenRechenzentrum der PTT verarbeitet wur-de. Der Empfänger erhielt die Datenüber die Zahlung (Betrag und zuge-teilte Referenznummer) entsprechendseiner technischen Ausrüstung auf ei-nem Datenträger.

Giroträger der Bankenim Einsatz vonca. 1970 bis 1986Der Giroträger war ein Versuch der Ban-ken, den grünen Einzahlungsschein derPost zu konkurrenzieren. Zahlungen mitdiesem Beleg wurden über das Ban-kenclearing abgewickelt. Bei Zahlun-gen an die Post wurde der grüne Ab-schnitt ausgeschnitten und für den Zah-lungsempfänger an die Post geschickt.Die Dienstleistung wurde mit der Ein-führung des von Banken und Post ge-meinsam herausgegebenen neuen grü-nen Einzahlungsscheines eingestellt.

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Der blaue Einzahlungsscheinmit Referenznummer (ESR)im Einsatz ab 1974Das Verfahren für Einzahlungsscheinemit Referenznummer (VESR)ist die mo-derne Version des EKV. Der blaue, op-tisch-maschinell lesbare Beleg (ESR)besteht aus einem Empfangsscheinund einem Einzahlungsschein (zu-gleich Girobeleg) mit der Codierzei-le. Der Zahlungsempfänger erhält nurnoch einen Datenträger mit den Refe-renzdaten.

Der grüne Einzahlungsscheinim Einsatz ab 1986Der von der Post und den Banken ge-meinsam gestaltete grüne Einzahlungs-schein löst den ersten grünen Einzah-lungsschein der Post und den Giroträ-ger der Banken ab. Der optisch-maschi-nell lesbare Einzahlungsschein erlaubtZahlungen zu Gunsten eines Postkon-tos oder direkt auf ein Bankkonto. DerBeleg b esteht a us e inem E mpfangs-schein und einem Einzahlungsschein.Wegen der Microver filmung ist dasMitteilungsfeld neu auf der Vordersei-te des Einzahlungsscheins platziert.

Einzahlungsscheine der Post und Banken im Spiegel der technischenEntwicklung

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Der rote Einzahlungsschein im Einsatzab 1998. Mit dem Einsatz von Scan-nern und der damit verbundenen Ver-wendung von Blindfarbe (wird beimEinscannen nicht erfasst) löst der roteEinzahlungsschein 1998 den grünenSchein ab.

Der blaue ESR im Einsatz ab 2001.Ebenfalls aufgrund des Einsatzes vonScannern wird der blaue ESR 2 001durch den orangen Einzahlungsscheinersetzt.

International PaymentInstruction IPI im Einsatzseit 2001International standardisierter Beleg fürIn- und Auslandzahlungen in Schwei-zer Franken und Euro. Die Informatio-nen werden zusätzlich zum visuell les-baren Aufdruck als 2D Barcode aufdem Beleg gespeichert.

(Quellen: Telekurs Group, PostFinance, Lehmann,G.D., «Zahlungsverkehr der Banken» Zürich 1986)

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zu stellen (Bankeinzahlungsschein mit Referenz-nummer, genannt BESR).

Kombinierte Nutzung von ec-Karteund Geldausgabeautomat

Weitere Fortschritte der Zahlungsverkehrs-automatisierung können über die Verbrei-tung der ec-Karten und der Bankautomatenerzielt werden. Die ec-Karte gilt in der An-fangszeit den Ausstellern eines Checks zu-nächst als Garantiekarte zur Sicherung derEinlösung von akzeptierten Checks. Die Ein-lösung von Checks, auf denen auf der Rück-seite die Nummer der ec-Karte notiert ist,wird von der bezogenen Bank bis zu einemMaximalbetrag garantiert. Ausserdem kannder Kunde mit garantierten Checks auch anallen Bankschaltern und an ausgewähltenSBB-Schaltern in der Schweiz sowie anBankschaltern im europäischen AuslandBargeld beziehen. Die Ausweitung der mitder Karte verbundenen Dienstleistungensorgt für deren rasche Verbreitung. 1986 be-sitzen in 19 beteiligten Ländern 27 Millio-nen Bankkunden eine ec-Karte. Bargeldbezüge direkt am Schalter sind sehrpersonalintensiv. Die Bedienung durch gutausgebildetes Bankpersonal ist teuer. Aus-serdem geniesst in der Schweiz die Post durchihre längeren Schalteröffnungszeiten einenWettbewerbsvorteil, da ein Bargeldbezugnur zu den Öffnungszeiten möglich ist. Der Kundenservice und das Kostenprob-lem lassen sich durch die Aufstellung vonBargeldautomaten verbessern. Die Kun-denakzeptanz derartiger Automaten setztsich aber nur langsam durch. Die Aufstel-lung von Automaten durch jede einzelneBank zur Bedienung ihrer Kunden wäre wegen der zu Beginn geringen Frequenzenunwirtschaftlich. Eine Reihe von schweize-

rischen Banken gründet daher 1968 denBancomat-Pool, der von der «Administrativ-stelle Bancomat» geleitet wird. Automatenwerden gemeinsam von den Banken aufge-stellt und stehen den Kunden aller ange-schlossenen Banken für Bargeldbezüge zurVerfügung. Zu Beginn gehören alle Auto-maten dem Bancomat-Pool und nicht denBanken. Die Standortbank sorgt lediglichfür den Betrieb des Automaten. Die Lastenfür diese Betriebsaufwendung werden sorg-fältig durch Zuteilung der Automaten unterden teilnehmenden Banken verteilt. Die ers-ten Automaten geben ausschliesslich Hun-derternoten heraus (Eingabe der Anzahl ge-wünschter Note durch den Kunden, nichtdes gewünschten Bezugsbetrages). Die Verarbeitung der Bezüge erfolgt über dasRechenzentrum der Schweizerischen Kredit-anstalt. Der Datenaustausch zwischen denAutomaten und der zentralen Verarbeitungerfolgt mit Lochstreifen. Bis 1977 werdenetwa 80 Geräte installiert, an denen im sel-ben Jahr bereits Bezüge von 350 MillionenSchweizer Franken getätigt werden. Mit zunehmender Kundenakzeptanz wer-den die Regeln des Bancomat-Pools schritt-weise liberalisiert. Kauf und Aufstellungder Automaten werden an die Banken dele-giert, die ihren eigenen Kunden an den Au-tomaten auch Zusatzdienstleistungen an-bieten können. Die Administrativstelle wird1981 an die Telekurs AG übertragen und dieVerarbeitung ins Rechenzentrum der Bankenübernommen. Über das reguläre Clearing-system werden die Bezüge über die Natio-nalbank der Bank des Kontoinhabers belastetund der Standortbank (d.h. der Bank, derenBankautomat genutzt wurde) vergütet.Auch die Technik der Automaten und damitderen Sicherheit wird schrittweise verbes-sert. In einem ersten Schritt erfolgt die Ab-

Bancomat- und ec-Kartenim Spiegel der internationalen Standardisierung

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Die erste Bancomatkar te von 1968,im Volksmund «Leintuch» genannt, wareine Lochkar te. Damals waren für4000 Karteninhaber 23 Geldausga-beautomaten in Betrieb.Die nächste Generation der Banco-matkarte hatte das heute übliche For-mat und war mit einem Magnetstreifenausgerüstet, der jedoch noch nicht demheutigen Standard entsprach.Die ec-Kar te wurde 1978 schweiz-weit eingeführ t, war aber bis 1985eine reine Check-Garantiekar te. Siewar international standardisiert, nur dasBanklogo dur fte bankindividuell auf-gedruckt werden. Die Kundenangabenwurden auf die noch aus Papier be-stehende und in Plastik eingeschweiss-te Karte geprägt. Das Sicherheitsmerk-mal war ein Wasserzeichen im Papier.Ab 1985 wurde die ec-Karte mit derBancomat-Funktion kombiniert und op-

tisch sowie sicherheitstechnisch moder-nisiert. Neu wurde das Hologramm alsSicherheitsmerkmal eingeführt. Auf derKartenrückseite wurden wegen der Ga-rantiefunktion am Verkaufspunkt juristi-sche Texte aufgedruckt. In der Schweizführte das wegen der Mehrsprachig-keit zu Problemen.1988 wurde die Funktionalität derKarte um die nationale Dienstleistungec-Direct erweitert. Zwei Jahre späterfolgte die internationale Öffnung undermöglichte europaweiten Bargeldbe-zug. Ab 1992 wurde der Gestaltungsraumder Banken auf der Vor- und Rücksei-te ausgedehnt. Die Angaben des Kar-teninhabers wurden nicht mehr ge-prägt, um V erwechslungen mit derKreditkarte zu vermeiden. Später konnten die Banken auch bank-eigene Dienstleistungen auf der Kar-

te anbieten (z. B. Cash-Ser vice derVolksbank). Zusätzlich zum Magnetstreifen wurde1997 auf die Karte ein Chip integriertund damit die Einführung der Dienst-leistung CASH, das elektronische Münz-fach, ermöglicht.Mit der Einführung von Maestro er-folgt 1998 ein weiterer Schritt Rich-tung Internationalisierung. Die Maestro-Funktion machte die ec-Karte weltweitan Geldausgabeautomaten und anVerkaufspunkten einsetzbar.

(Karten zur Verfügung gestellt von Wilhelm Hostettler, Telekurs Services)

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frage der Bezüge durch die Bancomatzentraleim Rechenzentrum der Banken mehrmalstäglich via Telefonleitung. Gleichzeitig wirdauch die Liste der gesperrten Karten an denAutomaten übertragen. Später werden alleAutomaten online an die Bancomatzentraleangeschlossen. Mit der Einführung einer neuen Gerätege-neration wird die Zahl der Bankautomatenbis 1984 auf 280 Geräte erhöht, die 1984 im-merhin 2,6 Milliarden Schweizer Frankenzu jeder Tages- und Nachtzeit ausgeben.Zunächst müssen die Kunden für das Ban-comatsystem eine separate Karte benützen.In der ersten Phase handelt es sich um eineweiche Karte, die etwa viermal so gross istwie die heute benützten Karten. In dernächsten Gerätegeneration erfolgt bereitsdie Umstellung auf Karten in der heute üb-lichen Grösse. Die Magnetstreifen auf derRückseite der Karte entsprechen noch demStandard des französischen Geräteherstel-lers. Dieser Standard für die Magnetstreifenkann sich international aber nicht durch-setzen. Die Geräte neuerer Technologie er-möglichen es auch den Banken, ihren eige-nen Kunden Zusatzdienstleistungen zumstandardisierten, bankübergreifenden Banco-matangebot zur Verfügung zu stellen (höhe-re Limiten, Abfrage des Kontosaldos usw.).Erst in einem weiteren Schritt erfolgt dieUmstellung auf die ec-Karte. Die ec-Kartekann nicht nur als Garantiekarte für euro-cheques, sondern auch als Bargeldbezugs-karte an Automaten genutzt werden. DieMagnetstreifen auf der Kartenrückseite ent-sprechen nun dem inzwischen internationalgebräuchlichen Standard. Damit wird auchder Bargeldbezug an Automaten im euro-päischen Ausland im Rahmen des interna-tionalen eurocheque-Systems möglich. MitEinführung des weltweiten Maestro-Systems

wird die Möglichkeit für Bargeldbezüge imAusland schliesslich auf die ganze Welt aus-gedehnt. Der Bargeldbezug an Automatenim Ausland ist schliesslich derart weit ver-breitet, dass die Auszahlung von karten-garantierten eurocheques am Bankschaltereingeschränkt und ab Ende 2001 das grenz-überschreitende eurocheque-System ganzaufgehoben wird.Die Post hat zwischenzeitlich ihr eigenesSystem von Ausgabeautomaten eingerich-tet (Postomat). Dieses System ist mit dem derBanken in der Anfangszeit nicht kompati-bel. Die Postcard weist einen Chip auf, dervom Postomaten für die Identifikation desKunden mit seinem Code genutzt wird. DerChip auf der Postcard ist aber mit den spä-ter auf Karten eingesetzten Chips nichtkompatibel. Ende Juli 1997 öffnen Post undBanken ihre Bargeldautomaten-Systeme.Mit rund 3 800 Bancomaten und über 500 Postomaten steht nun allen Post- und Bank-kunden eines der dichtesten Bezugsnetze inEuropa zur Verfügung.

Electronic Funds Transfer at Point of Sale (EFTPOS)

Eine weitere Innovation in der Automatisie-rung des Zahlungsverkehrs geht auf dieIdee eines US-amerikanischen Bankers zu-rück: 1974 stellt die First Federal Savingsand Loans in Lincoln, Nebraska, an denKassen des Hinky-Dinky-Supermarktes Au-tomaten auf, an denen die Kunden ihre Ein-käufe direkt vom Bankkonto abbuchen las-sen können. Dieses so genannte ElectronicFunds Transfer at Point of Sale hält in derSchweiz Mitte der achtziger Jahre unterdem Namen «ec-Direct» Einzug.EFTPOS-Systeme ermöglichen es, direktam Ort des Einkaufs mit einer Karte statt

mit Bargeld oder mit kartengarantiertemCheck zu bezahlen. Der Zahlungsvorgangwird in der Verkaufsstelle im Detailhandel,an Tankstellen, in Supermärkten, Kinos, Re-staurants usw. elektronisch erfasst. DerKäufer nutzt dabei in der Schweiz seine ec-Karte. Er autorisiert die Zahlung durch Ein-gabe seiner persönlichen Identifikations-nummer (im Ausland auch mit seiner Un-terschrift). Die erfassten Daten werden andie kontoführende Stelle zur Gutschriftbzw. Belastung weitergeleitet. In derSchweiz werden die Daten zentral bei derTelekurs AG erfasst und verarbeitet. Auchhier fällt der Umweg über die Bank desEmpfängers der Zahlung weg. Die Transak-tion wird unmittelbar in das Bankenclearingeingespeist. Charakteristisch ist die schnel-le Belastung des Kontos des Kunden. Durchdie Eingabe der Geheimnummer veranlasstder Karteninhaber die sofortige Abbuchungvon seinem Konto, wohingegen Kreditkartennur periodisch, meist monatlich und kumu-liert, dem Konto belastet werden. Zu Beginn der Einrichtung von EFTPOS-Sys-temen in der Schweiz werden allerdings zu-nächst Offline-Systeme installiert, die ana-log zu den damals in der Schweiz üblichenBancomaten nicht dauerhaft mit der Verrech-nungszentrale verbunden sind. Vielmehrwerden die Daten einmal pro Tag durchEinwählen in das Computernetz übertra-gen. Offline-Systeme haben den Nachteil,dass sie nicht zeitnah die vorhandene Kon-todeckung oder Kartensperrungen verifi-zieren können. Der für weitere Bezüge nochverfügbare Betrag und die Anzahl der PIN-Fehlversuche (automatische Sperrung derKarte nach drei Fehlversuchen) werden da-her kodiert auf dem Magnetstreifen derKarte mitgeführt. Offline-Systeme werdenaber regelmässig mit Daten über gestohlene

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oder wegen Überziehen gesperrte Kartenversorgt, sodass eine recht hohe Sicherheitgegen Missbrauch gegeben ist. Dieses Off-line-EFTPOS wird in der Schweiz nur anTankstellen eingeführt, die wegen des Selbst-bedienungsbetriebs in der Nacht auf eineZahlungsmöglichkeit mit Karten dringendangewiesen sind. In den übrigen Verkaufs-geschäften wird ec-Direct erst in einer zweiten Phase im Online-Betrieb eingeführt(Betriebsaufnahme im EinkaufszentrumVolkiland, in Volketswil), bei dem jeder Bar-geldautomat für die Bezüge mit dem Re-chenzentrum der Banken Verbindung auf-nimmt.Die Verbreitung von EFTPOS in der Schweizwird lange Zeit durch intensive Auseinan-dersetzungen zwischen Kartenherausge-bern (Banken, Post) und Kartenakzeptanten(Detaillisten) um die Verteilung der anfal-lenden Kosten behindert. Die Standpunktedivergieren zwischen «dies ist eine neueDienstleistung, die der Detailhandel seinenKunden anbieten kann» und «jede Kasse eines Detaillisten wird zu einem Schalterfür die Kunden der Banken». Erst nach lan-gen Diskussionen wird ein Schlüssel für dieKostenverteilung gefunden.

Etablieren der Kreditkarte als Zahlungsinstrument

Die Entstehung der Kreditkarte geht auf einen für den angesehenen New Yorker Ge-schäftsmann McNamara höchst peinlichenMoment zurück. Als er 1949 Geschäfts-freunde in ein exklusives Restaurant ein-lädt, bemerkt er zu spät, dass er kein Bar-geld bei sich trägt. Daraufhin gründet erden heute weltbekannten DinersClub. Dieerste DinersClub-Karte kann in 27 hoch-preisigen New Yorker Restaurants verwen-

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det werden. Sie ist aus Pappe und listet aufder Rückseite alle Restaurants auf, in denendie Karte akzeptiert wird. 1955 wird die erste Plastikkarte von Diners eingeführt.Den angeschlossenen Restaurants und Ho-tels wird die Zahlung der Rechnungen derKlubmitglieder gegen die Mitgliedskarteals Ausweis garantiert. 1958 folgen Ameri-can Express und auch die Bank of Americamit der BankAmeriCard (später Visa card).1967 schliessen sich weitere Organisationenzusammen zur Interbank Card Association,die seit 1980 die MasterCard herausgibt.Der Schutz vor Missbrauch, die universelleEinsatzbereitschaft im In- und Ausland so-wie die sehr einfache Nutzungsweise ma-chen die Kreditkarte immer beliebter. Das Funktionieren des Kreditkartensystemssetzt zwei verschiedene Vertragsverhältnis-se voraus: einerseits zwischen dem Karten-inhaber und der Kreditkartenorganisation(bzw. der kartenausgebenden Bank), ande-rerseits zwischen der Organisation (bzw.der Bank des Händlers) und den die Kredit-karte akzeptierenden Detailhandelsstellenauf der ganzen Welt. Die Kreditkarte unter-scheidet sich von der Debitkarte (z.B. der ec-Karte) dadurch, dass die Summe aller ineiner Abrechnungsperiode aufgelaufenenZahlungen nur einmal am Ende dieser Peri-ode dem Konto des Karteninhabers belastetwird (in der Regel einmal monatlich). Debit-karten belasten hingegen jede einzelneZahlung sofort dem Bankkonto. Der Her-ausgeber der Kreditkarte führt damit eineZwischenfinanzierung durch. Den akzep-tierenden Geschäftsstellen ist darüber hin-aus die Bezahlung garantiert, sofern die Sicherheitsbestimmungen eingehalten wer-den. Diese Dienstleistungen lässt sich dieKartenherausgeber einerseits durch die Jah-resgebühren der Karteninhaber und ande-

rerseits durch die Kommissionen finanzie-ren, welche die akzeptierenden Detailhan-delsstellen zu entrichten haben. Es lassensich verschiedene Kartenarten unterschei-den: Travel-and-Entertainment-Karten, Bank-kreditkarten (bei denen zusätzlich auch eineAbzahlung des ausstehenden Betrages inRaten möglich ist) und Kundenkreditkarten,deren Akzeptanz meist auf die Geschäfts-stellen des Kartenherausgebers beschränktist. Für die Schweizer Banken von wesentlicherBedeutung ist die Eurocard, welche 1964durch den schwedischen Bankier Wallen-berg lanciert wird. Die Organisation wird1978, nach zwei Jahren ihres Bestehens inder Schweiz, von den schweizerischen Ban-ken übernommen, das Aktienkapital wirdvon der Telekurs AG im Auftrag der Bankengehalten. Das Eurocard-System ist in vielenLändern Europas Teil des Kreditgewerbesoder in der Hand von Bankengruppen. Diese sind Eigentümer der nationalen Un-ternehmen, die in Brüssel in der internatio-nalen Organisation zusammengeschlossensind. Über Eurocard International erfolgtbereits 1986 der vollautomatische Aus-tausch von Informationen für die Verrech-nung, Abrechnung und den Schutz vorMissbrauch und Betrug. Eine Tochtergesell-schaft besorgt mit einem vollautomatisier-ten Datenkommunikationssystem die Über-mittlung von Daten in Echtzeit, zum Bei-spiel bei der Autorisierung, sowie eine täg-liche Abrechnung der Umsätze. Die beteiligten Geschäftsstellen reichen diezu Beginn noch manuell erfassten Kaufbe-lege regelmässig bei der nationalen Karten-organisation ein, die dann die Beträge über-weist. Die Belege werden erfasst und, sofernes sich um inländische Kartenbesitzer han-delt, abgerechnet. Handelt es sich um eine

von einem ausländischen Karteninhabereingesetzte Karte, erfolgt die Übermittlungder Daten an die europäische Clearingzent-rale in Brüssel. Dort werden die Beträge in derjeweiligen Währung den angeschlossen na-tionalen Organisationen in Rechnung ge-stellt.International verbindet sich die Eurocard-Organisation mit MasterCard, um eine uni-verselle Akzeptanz der ausgegebenen Kar-ten sicherzustellen. Auf europäischer Ebenewerden die Organisationen von Eurocardund eurocheque zu einer Firma Europay inBrüssel zusammengelegt. Im Jahre 2002schliessen sich Europay und MasterCardauf internationaler Ebene ganz zusammen.Auch die Visa-Organisation kann sich in derSchweiz etablieren. Anfänglich werdenVisa-Kreditkarten zwar nur von zwei Bankenausgegeben. Mit der Zeit setzt sich aber dievolle Dualität durch und die meisten Ban-ken geben gleichberechtigt Visa- und Ma-sterCard-Karten an ihre Kunden ab.

Einführung der Geldkarte CASH

Debit- und Kreditkarten sind nur für Beträgeab einer bestimmten Grössenordnung ge-eignet, da jede einzelne Zahlung zu einer se-paraten Verbuchung auf dem Bankkontooder auf dem Kreditkartenkonto des Kun-den führt. Für kleinere Zahlungen am Ortdes Einkaufs führen Banken und Post abSeptember 1996 das System CASH ein. FürCASH wird die Technologie des belgischenProton-Systems übernommen. Die ec-Kartesowie die Postcard werden mit einem Chipversehen, auf dem am Geldautomaten einbestimmter Geldbetrag gespeichert werdenkann. CASH kann sich wegen der damitverbundenen Änderung der Gewohnheitennur langsam durchsetzen. Besonders an

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Automaten bietet es aber eine willkomme-ne Vereinfachung gegenüber dem sonst nö-tigen Münzhandling.

Grenzüberschreitender Zahlungsverkehr

Im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrdominiert bis zur Einführung von SWIFTdas Papier. Nur dringende Zahlungen wer-den per Telex ausgeführt. Schon früh eini-gen sich aber die Banken auf ein standardi-siertes Layout der brieflichen Zahlungsauf-tragsformulare. Damit werden Interpreta-tionsprobleme auf internationaler Ebenestark reduziert. Gleichzeitig führt eine Viel-zahl europäischer Banken auf Initiative ausder Schweiz eine Formulargarnitur für den«vereinfachten Zahlungsverkehr» ein (sie-he Seite 55). Im vereinfachten Zahlungsver-kehr wird vereinbart, dass die Banken un-tereinander die Zahlungsaufträge jeweilsdirekt an alle bezeichneten Zweigstellenrichten und nicht nur an den Sitz, mit demeine direkte Kontoverbindung besteht. Diesbeschleunigt die Abwicklung auf dem Post-weg wesentlich. Es ist dann Sache der emp-fangenden Bank, die bankinterne Verrech-nung und die Belastung auf dem Konto derauftraggebenden Bank zu organisieren. Zurweiteren Vereinfachung der Papierabwick-lung wird im vereinfachten Zahlungsver-kehr auch vereinbart, dass die auftragge-bende Bank der beauftragten Bank nichtbloss ein einfaches Zahlungsauftragsformu-lar zukommen lässt, sondern eine ganzeGarnitur, deren Kopien die beauftragteBank für die Gutschrift ihres Kunden undfür die Belastung des Kontos der auftragge-benden Bank verwenden kann.Die Abfolge der verschiedenen Automati-sierungsschritte zwischen den vierziger

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und den achtziger Jahren des letzten Jahr-hunderts zeigt die rasante Entwicklung desschweizerischen Zahlungsverkehrs. DerWegfall der zeitraubenden und personalin-tensiven Mehrfacherfassung der Daten undder Papierbelege hat ein sehr grosses Ratio-nalisierungspotenzial aufgedeckt und nutz-

bar gemacht. Der Kundennutzen kann er-heblich erhöht werden, die Zahl der Dienst-leistungen wächst mit jedem der beschrie-benen Schritte. Dass damit die Grenzen derAutomatisierung, Computerisierung undVirtualisierung noch längst nicht erreichtsind, zeigen die nächsten Kapitel.

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Mit der Automatisierung des Zahlungsver-kehrs werden Geschäfte immer häufiger bar-geldlos abgewickelt. Bei Einkäufen nutztman die ec-Karte oder die Kreditkarte, Salär-zahlungen fliessen direkt auf das Konto, Te-lefon- und Mietzahlungen werden per Dau-erauftrag geleistet oder via Lastschriftverfah-ren eingezogen. Die Bedeutung von Bargeldsinkt. Geld existiert heute vor allem in Formvon Giralgeld, als virtuelle Grösse, die manzwischen Konten verbucht aber kaum nochin die Hand nimmt. Je ausgefeilter die Com-puterisierung des Zahlungsverkehrs, destovirtueller das Geld. Die Abstraktionszumu-tung an die Nutzer der Zahlungssystemewächst. Man kann sich vorstellen, welcheÜberwindung es bereits einen mittelalter-lichen Kaufmann gekostet haben mag, seinGold gegen ein Stück Papier einzutauschen.Es kostet Zeit, bis sich Vertrauen in neue Zahlungssysteme und in die Akteure desZahlungsverkehrs etabliert.

4Zahlungsverkehrs-

systeme heute

73

Upton Sinclair beschreibt in seinen Roma-nen über die Anfänge der US-amerikani-schen Industrialisierung, wie immer wiederBanken alleine deshalb zusammenbrechen,weil ein falsches Gerücht über ihre Zah-lungsunfähigkeit die Menschen in Scharenin die Schalterhallen treibt.Es gibt zwei Formen von Vertrauen, die fürden reibungslosen Ablauf von Zahlungssys-temen und Zahlungsverkehrssystemen einewichtige Rolle spielen.

• Vertrauen in Personen und OrganisationenDort, wo Geschäfte vor allem face to facevonstatten gehen, spielt Vertrauen in dieanderen Akteure eine entscheidendeRolle. Wo man sich kennt und nach im-pliziten gemeinsamen Regeln mitein-ander Geschäfte tätigt, da kann man ganze Schiffe per Handschlag verkaufen,wie in Hamburg, oder ein beträchtlichesVermögen in Form von Diamanten han-deln, wie in Amsterdam. Auch der be-sagte mittelalterliche Kaufmann wirdsein Gold nicht irgendwem zur Einlage-rung geben, sondern er wird sich an sol-che Bankiers wenden, die ihm bekanntsind.Wenn die wirtschaftlichen Verknüpfun-gen komplexer werden, man seine Han-delspartner vielleicht nicht mehr per-sönlich kennt oder sein Geld über fremd-ländische Banken transferieren muss,deren Namen man noch nie gehört hat,muss das persönliche Vertrauen durcheine andere Form von Vertrauen ersetztwerden. Das Korrespondenzbankensystemist dafür ein Beispiel. Wer grenzüber-schreitende Geldtransaktionen tätigenmuss, sucht sich eine Partnerbank, aufderen Reputation er vertrauen kann.

Risiken im Zahlungsverkehr

4.1

74

• Vertrauen in SystemeIn modernen, technologiegetriebenen Ge-sellschaften tritt eine neue Form des Ver-trauens hinzu, die mit den traditionellenFormen des Vertrauens in Personen oderOrganisationen nicht mehr viel zu tunhat: Wir vertrauen heute Systemen. DerPilot muss darauf vertrauen können,dass der Höhenmesser die richtige Höheanzeigt. Der Ingenieur im Atomkraftwerkmuss darauf vertrauen, dass diverseWarnsignale zur rechten Zeit aufleuch-ten. Wo wir in unserer globalisierten undvernetzten Ökonomie den unmittelba-ren Kontakt zu unseren Interaktionspart-nern mehr und mehr verlieren, müssenwir zumindest darauf vertrauen können,dass die gemeinsam genutzte Technolo-gie unsere Handlungen absichert. Wirnutzen keine Systeme, auf deren sicheresFunktionieren wir nicht vertrauen können.Dies gilt heute in besonderem Masse fürBanken, die über die Zahlungsverkehrs-systeme erhebliche Summen im Inter-bankverkehr verschieben. Die Akzeptanz von Zahlungsverkehrs-systemen hängt in erheblichem Massedavon ab, dass sowohl die genutzteTechnologie als auch die vereinbartenSpielregeln der Systemnutzung das Risi-ko ausreichend minimieren. Das Risiko,mit dem Zahlungsverkehrssysteme inerster Linie konfrontiert sind, basiert aufder Auflösung der Zug-um-Zug-Abwick-lung. Bei Bargeldgeschäften ist eine sol-che Abwicklung, wie bereits beschrie-ben, selbstverständlich: Man bekommtWare und erhält dafür unmittelbar denentsprechenden Geldbetrag. Die Über-gabe von Bargeld erfolgt unmittelbarund sofort, sie ist endgültig (final) undnicht einseitig rückgängig zu machen

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(unwiderruflich). Bei bargeldlosen Zah-lungen stellt sich der Vorgang andersdar:

Abbildung 9: Abwicklungsphasen im Zahlungsver-kehr

Nach dem Abschluss der Transaktionfindet in Phase A ein Matching der Ver-tragspunkte statt, der Abschluss wird bestätigt. In Phase B wird die Transak-tion registriert und gebucht. In Phase Ckommt es zur Auslösung der Zahlungoder der Lieferung an die Gegenpartei.Bis zu Beginn der Phase D kann diesenoch einseitig widerrufen werden, in derPhase D ist sie jedoch unwiderruflich geleistet. Mit Beginn der Phase E wirdauch die Zahlung der Gegenseite un-widerruflich geleistet. Die Transaktion istmithin vollständig erfolgt, jedoch ver-fügen die Parteien erst in der Phase Füber die Information des Eingangs derZahlung und die Lieferung. Zug um Zug wird hier durch eine sequenzielleSchrittfolge ersetzt : Während ein Akteurin D liefert, wird der andere erst in E dafür zahlen und erst in F kann der Zahlungseingang bestätigt werden. Weraber in D liefert, kann nicht sicher sein,dass sein Geschäftspartner auch tat-sächlich in E zahlt und ein Fehlen desZahlungseingangs wird erst in F festge-stellt.

Für die Banken entstehen vor allem dreiverschiedene Risiken im Rahmen dieserAbwicklungsphasen im Zahlungsverkehr:

– Zunächst besteht für sie das Kreditrisiko.Erfüllt eine Bank durch Bezahlung oderLieferung von Wertschriften ihren Teilder Transaktion, setzt sie sich dem Risi-ko aus, dass die Gegenpartei – aus wel-chen Gründen auch immer – nicht mitder Gegentransaktion antwortet, Wert-papiere also nicht bezahlt oder bezahlteDevisen nicht liefert. In der Phase D istdie Lieferung oder Bezahlung der erstenBank unwiderruflich geworden und kannnicht mehr rückgängig gemacht werden.

– Das Marktrisiko tritt besonders im Devi-sen- und Wertschriftenhandel auf. Kommtein Geschäft nicht zustande, weil die Ge-genpartei nicht in der Lage ist, ihren Teilder Abmachung zu leisten, ist die Zah-lung zwar bis zur Phase D noch wider-rufbar. Allerdings besteht das Risiko,dass die Bedingungen für einen Neuab-schluss mit einer anderen Gegenparteizu ungünstigeren Konditionen erfolgenmuss.

– Das Liquiditätsrisiko schliesslich entsteht,wenn die Transaktion der Gegenparteiverspätet erfolgt. Dadurch entstehenZinsverluste, weil die erste Partei dasGeld für andere Zwecke hätte verwen-den müssen oder können. Durch diesesGeld hätten weitere Zahlungen geleistetwerden können, wofür sich die Parteinun Deckung über andere Wege – ver-bunden mit Zinskosten – suchen muss.

Diese Risiken werden im globalen Zusam-menhang noch akzentuiert : Distanz undZeitverschiebung erschweren die sofortigeInformationsverarbeitung. Wenn die eineLeistung in Yen und die Gegenleistung inUS-Dollar erfolgen muss wie im Devisen-handel, muss zwangsläufig die Yen liefern-de Partei in Vorleistung treten. Wenn be-

Abschluss A B C D E F

kannt wird, dass eine Partei in Japan ihreLeistung nicht mehr erbringen kann, schläftdie Gegenpartei in den USAnoch den Schlafder Gerechten.Derartige Risiken treten auch im Massenzah-lungsverkehr mit Endkunden auf, jedochsind die Summen im Vergleich zum Inter-bankverkehr beträchtlich niedriger. Es sinddie Banken, nicht die Bankkunden, die pri-mär betroffen sind.

4.2

76

Zahlungsverkehrs-systeme und ihre Funktionsweise

Für die Bezahlung von Gütern des täglichenBedarfs im direkten Kontakt mit Kaufleutenbevorzugen die Schweizer Bürgerinnen undBürger nach wie vor Bargeld als Zahlungs-mittel. 1984 werden 96 Prozent aller Umsät-ze im Detailhandel in bar getätigt, nur vierProzent mittels Kundenkarten, Kreditkartenoder Check. Zum Vergleich: In den USAsinkt der Baranteil bei Zahlungen am Ver-kaufspunkt bereits 1980 auf 53 Prozent. DieSchweiz ist unter den entwickelten Indust-riestaaten das Land mit der höchsten Bar-geldquote (35 Prozent an der GeldmengeM1), wobei die Geldmenge M1 neben Bar-geld auch die Sichteinlagen der Haushaltebei Banken und auf Postcheckkonten um-fasst. Noch Ende der achtziger Jahre wer-den 90 Prozent aller Zahlungen der Haus-halte innerhalb der Schweiz mit Bargelddurchgeführt. Diese Zahl wird allerdingsdadurch relativiert, dass die 10 Prozent un-barer Zahlungen ihrerseits etwa 90 Prozentdes gesamten Zahlungsvolumens ausma-chen. Dieses Bild ändert sich in den folgen-den Jahren kaum. Im Vergleich zu anderenNationen ist auch heute noch der Anteil anBargeld in der Schweiz der zweithöchsteunter den G-10-Ländern. Dies macht einehohe Versorgung mit Bargeld notwendig,welche allerdings sehr hohe volkswirtschaft-liche Kosten durch Herstellung, Transportund Handling des Bargeldes verursacht.

Gegenwärtige Nutzung von Zahlungsmitteln

Die Nutzung bargeldloser Zahlungsmittel inden G-10-Ländern stellt sich noch immerhöchst unterschiedlich dar, was im Zusam-menhang mit der historischen Verankerungvon Zahlungsmethoden steht. Die Nutzungder Kreditkarte hat in den letzten Jahren in

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fast allen Ländern mehr oder minder starkzugenommen. In Deutschland setzt sich die Nutzung der Kreditkarte nur langsamdurch. Nur etwa fünf Prozent aller bargeld-losen Zahlungen werden dort über die Kre-ditkarte abgewickelt. In Frankreich hat die Carte Bleue bereits 1991 einen doppelt so hohen Anteil, der bis 1997 auf mehr als 20Prozent der bargeldlosen Zahlungen ausge-weitet wird. Auch in der Schweiz steigt derAnteil der durch Kreditkarte beglichenenZahlungen bis 1997 auf knapp 20 Prozent.An Bedeutung gewinnen die von Handels-und anderen Unternehmen herausgegebenenKunden-Kreditkarten. Als Beispiel in derSchweiz kann die Kreditkarte der Globus-Gruppe (Migros-Beteiligung) angesehen wer-den, mit der man in allen Geschäften vonGlobus, ABM, Interio usw. bargeldlos bezah-len kann. Shell verbindet mit seiner Kun-den-Kreditkarte, mit der an Shell-Tankstellenin ganz Europa bargeldlos getankt werdenkann, weitere Dienstleistungen wie zum Bei-spiel das gesamte Flottenmanagement.Im gleichen Zeitraum büsst der Check an Be-liebtheit stark ein. Spitzenreiter bleibt jedochdie USA, wo 1997 fast drei Viertel aller bar-geldlosen Zahlungen per Check erfolgen. InFrankreich sinkt der Anteil von mehr als 50Prozent auf (immer noch bedeutende) 40Prozent. In der Schweiz ist die Akzeptanzfür Zahlungen per Check immer noch sehrgering. 1991 wird nur etwa jede zwanzigstebargeldlose Zahlung per Check beglichen,1997 sind es knapp zwei Prozent. Trotz sei-ner Pioniererfolge für den grenzüberschrei-tenden Zahlungsverkehr ist der eurochequedabei auszusterben. Mit ihm greifen Bürge-rinnen und Bürger schon in den siebzigerJahren in europäischen Verkaufsstellen aufihre Heimatkonten zu. Aufgrund der hohenKosten für die Herstellung, Erfassung, Ver-

arbeitung und das Clearing wird die Ausga-be des eurocheque international per 1.1.2002eingestellt. Statt dessen setzt sich die ec-Karte mit ihrer breiter angelegten Funk-tionspalette durch.Die wohl bedeutendste Entwicklung im bar-geldlosen Zahlungsverkehr ist die Zunah-me der Verbreitung von Debitkarten. Wie be-reits skizziert, werden die Zahlungen un-mittelbar dem Konto des Zahlenden belas-tet. Im Jahr 2000 besteht für die Inhaber vonSchweizer ec-Karten an 4 300 Tankstellenund über 46 000 Detailhandelsstellen in derSchweiz die Möglichkeit, ec-Karten, Postcardoder andere Debitkarten einzusetzen. DieZahl der EFTPOS-Einsatzorte in Relationzur Bevölkerungsgrösse ist damit mit beacht-lichem Abstand die grösste unter den G-10-Ländern, praktisch also auf der ganzen Welt.Mit der zunehmenden Bedeutung der un-baren Bezahlung über ec-Karten hat sichauch die Risikovorsorge der Zahlungsver-kehrssysteme geändert. Während früherBankautomaten, EFTPOS-Terminals undKreditkarten-Systeme offline betrieben wur-den, sind sie nun in der Regel online. Nochwährend der Kunde an der Kasse steht, er-folgt per Telefonleitung eine Anfrage an dieVerarbeitungszentrale, wo Limiten des Zah-lungswilligen auf die notwendige Deckunghin überprüft werden. Bei Debitkarten er-folgt gleichentags die Abbuchung des Be-trags auf dem Konto des Karteninhabers,bei Kreditkarten wird die Autorisierung er-teilt und der Vorgang gespeichert. In kür-zester Zeit erhält der Händler die Gut-schrift, während die Daten des Kunden biszum Monatsende kumuliert werden. Um die Plastikkarten mit mehr Sicherheitauszustatten und neue Dienstleistungenanbieten zu können, werden die Magnet-streifen durch einen Mikro-Chip ergänzt.

Dieser macht es erheblich schwieriger, dieKarteninformationen zu lesen und folg-lich zu fälschen. Ausserdem dient der Chipals Speichermedium für Geld (siehe Kapi-tel 3.3 «Einführung der Geldkarte CASH»).Der Kartenchip kann künftig auch die Abwicklung von Debit- und Kreditkar-tentransaktionen vereinfachen und sicherergestalten. Die Prüfung eines eingegebenenPIN-Codes und die Autorisierung gegen-über einer ausgesetzten Limite können aufdem Chip vorgenommen werden. Die ent-sprechenden internationalen Standards lie-gen unter dem Begriff «EMV» (Europay,MasterCard, Visa) vor. Trotz all dieser Neuerung spielt der traditio-nelle Zahlungsverkehr weiterhin die domi-

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nierende Rolle. Banküberweisungen (in derSchweiz die Einzahlungsscheine) spielen ge-rade in Ländern, in denen der Checkver-kehr traditionell gering ist, eine wichtigeRolle und wickeln den Löwenanteil der Um-sätze im Zahlungsverkehr ab. In Deutsch-land werden im Jahr 2000 87 Prozent allerbargeldlosen Zahlungen per Überweisungoder Lastschrift getätigt, auch die Schweizgilt hier als führend (gegen 80 Prozent). EineBesonderheit der schweizerischen Banküber-weisung ergibt sich aus der seit nun fast ein-hundert Jahren stabilen Angewohnheit vielerSchweizerinnen und Schweizer, ihre offenenRechnungen durch Bareinzahlung am Post-schalter zu erledigen. 1997 werden in derSchweiz für die Bareinzahlung noch immer

Erste Gespräche

Entwicklung der ec-Garantiekarte zur ec/Maestro-Debitkarte

1968

Schweizweite Ein-führung des euroche-que als Ersatz desSwiss Check

1978

«Package DealAgreement»

EinheitlicheGebühren vonmaximal 1,25%InternationalerDatenaustauschVereinfachteinternationaleVerrechnungVerbesserungder Akzeptanz beiNichtbanken

1981

Bargeldbezugan Bancomatenund Akzeptanzan Tankstellen

1985

Einführung ec-Direct

BargeldlosesBezahlen anelektronischenTerminals

1988

Einführungec-International

europaweiterBargeldbezugan Bancomaten

1990

▲▲

▲▲

▲ ▲

79

jedes Jahr mehr als 250 Millionen Einzah-lungsscheine benutzt. Dazu müssen die Nut-zer bei ihrer Bank (oder noch bemerkens-werter beim gleichen Postamt!) Bargeld ab-heben, bestenfalls am Automaten, schlimms-tenfalls am Schalter. Im Anschluss wird die-ses Bargeld zur Poststelle getragen, um dorteingezahlt zu werden und den Rückweg zueiner Bankstelle zu finden. Dies verursachtgesamtwirtschaftliche Mehrkosten von rundeiner Milliarde Schweizer Franken pro Jahrfür den Bargeldbezug, Nutzung und späteresInkasso (Entgegennehmen, Zählen, Trans-port usw.) von Bargeld.Das Lastschriftverfahren als bequeme Zah-lungsart zum Ausgleich von periodisch wie-derkehrenden Zahlungen (Strom, Telefon,

Zeitschriften-Abonnements) spielt in derSchweiz mit einem Anteil von rund fünfProzent noch immer eine kleine Rolle, wäh-rend die Nachbarländer Deutschland (40Prozent) oder Frankreich (14 Prozent) inten-siver vom LSV Gebrauch machen.

Zahlungsverkehr im Überblick

Der Zahlungsverkehr zeichnet sich in derSchweiz, wie auch in den meisten anderenLändern, durch eine Zweiteilung aus, die sichaus der vorgängigen Beschreibung aktuellerZahlungsformen ergibt : Man unterscheidetzwischen barem und unbarem Zahlungsver-kehr. Letzterer wird wiederum in Grossbe-trags- und Massenzahlungsverkehr unterteilt.

Ablösungder einheitlichenec-Karte

Der Unter-schriftsstreifenund die Gültig-keitsdauerwerden aufder Rückseiteangebracht.Das Layoutder Karte kannvon jedem Ins-titut individuellgestaltet wer-den

1992

Einführung vonCASH und Bargeld-bezug an Posto-maten

Durch die Smart-card-TechnologieCASH wird dieec-Karte zumelektronischenMünzfach

1997

Einführung vonMaestro durch UBS,RBA-Banken undKantonalbanken

Die Maestro-Funktion machtdie ec-Karte welt-weit einsetzbar:Sowohl anGeldautomatenals auch an elek-tronischen Termi-nals

1998

Einführung vonMaestro durchCS und Raiffeisen-Banken

2000

Aufhebung derChequegarantie unddadurch Auslaufendes eurocheque

Wegfall desHologrammsUmbenennungder ec-Karte inec/Maestro-Karte

2002

Neupositionierungder ec/Maestro-Karte als Maestro-Karte

2004

▲ ▲ ▲ ▲▲

Alle Formen des unbaren Zahlungsver-kehrs setzen die Existenz von Buchgeld vor-aus. Die einfachste Form des bargeldlosenZahlungsverkehrs umfasst die Übertra-gung von einem Konto auf ein anderes beiderselben Bank bzw. Filiale derselben Bank.Schwieriger wird der Zahlungsverkehr,wenn Zahlungspflichtiger und Zahlungs-empfänger ihre Konten bei unterschied-lichen Banken unterhalten.Für die Abwicklung zwischen den beteilig-ten Banken muss man zwischen Clearingund Settlement unterscheiden. Das Clearingumfasst die Aufrechnung von gegenseiti-gen Zahlungsströmen zwischen Bankenwährend einer festgelegten Periode (üblicher-weise ein Tag) und die Ermittlung der resul-tierenden Nettobeträge. Settlement ist der eigentliche Transfer der Guthaben vomKonto des Auftraggebers auf das Konto desZahlungsempfängers. Damit wird die Zah-lungsverpflichtung erfüllt, unwiderruflichund ohne Bedingungen. Settlement erfolgt

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durch Buchung auf Konten bei einer zentra-len Stelle (Korrespondenzbank oder Zent-ralbank).Die Publikums- oder Massenzahlungen ma-chen den anzahlmässig grössten Block anunbarem Zahlungsverkehr aus. Hier hatsich in den vergangenen Jahren jeweils einlandeseigener Standard bei weit gehenderAutomation herausgebildet – vorwiegendaufgrund der dargestellten landesspezifi-schen Präferenzen der Bevölkerung fürChecks, Einzahlungsscheine, Überweisungen,Benützung elektronischer Karten. Insbe-sondere das Bedürfnis, hohe Volumina vonZahlungen mit oftmals Kleinbeträgen effi-zient und preisgünstig abwickeln zu müs-sen, erzeugt den notwendigen Druck zurEntwicklung hoher Standards in der Auto-mation. Einen zweiten, betragsmässig bedeutende-ren Block stellen die Zahlungen von Gross-beträgen dar. Auf solche trifft man sehr häu-fig im Interbankzahlungsverkehr oder im

Abbildung 10: Gliederung des Zahlungsverkehrs

BarerZahlungsverkehr

UnbarerZahlungsverkehr

Publikums- undMassenzahlungen

Grossbetrags-zahlungsverkehr

National Grenzüberschreitend National Grenzüberschreitend

Zahlungsverkehr

– Art des Settlements: Abwicklung der Zah-lungen auf Brutto- oder Nettobasis (Grossversus Net Settlement),

– Zeitpunkt des Settlements : Abwicklungder Zahlungen zu vorbestimmten Zeiten(designated time) oder kontinuierlichauf Echtzeitbasis (real time).

Auf Basis dieser beiden Hauptkriterien las-sen sich vier Zahlungsverkehrssysteme klas-sifizieren:

Abbildung 11: Typen von Zahlungsverkehrssystemen

Zwei der gezeigten Systeme – in obiger Abbildung schattiert – sind in der heu-tigen Zeit von Bedeutung: Real Time GrossSettlement und Designated Time Net Settle-ment.

• Real-Time-Gross-Settlement-SystemeReal-Time-Gross-Settlement-Systeme(Echtzeit-Bruttosysteme oder kurz RTGSgenannt) werden heute üblicherweise vonden Aufsichtsbehörden (Zentralbanken)

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Grosskundenbereich. Ihre Zahl macht in derRegel nur einen verschwindend geringenBruchteil am Gesamtaufkommen aller Zah-lungen im inländischen Zahlungsverkehraus. Ihre wirtschaftliche Bedeutung ist hin-gegen enorm: Der kumulierte Wert der Gross-betragszahlungen beträgt nicht selten mehrals 90 Prozent des Umsatzwertes aller Trans-aktionen in einem Zahlungsverkehrssystem.Im Vergleich zum nationalen Zahlungsver-kehr ist die Zahl grenzüberschreitenderPublikumszahlungen viel geringer. Im inter-nationalen Zahlungsverkehr spielen insbe-sondere der Devisenhandel von Bankenund Unternehmen sowie der Kapital- undGeldmarkt eine entscheidende Rolle. Indesunterscheiden sich in den einzelnen Län-dern die gesetzlichen Anforderungen bezo-gen auf die Zusammenarbeit mit Zentral-banken und die nationalen Standards in Be-zug auf Geldtransfers deutlich. Dies führtdazu, dass sich einheitliche grenzübergrei-fende Standards nur sehr langsam heraus-bilden. Der Grad der Automation ist dem-entsprechend bei internationalen Zahlun-gen im Vergleich zu nationalen noch gerin-ger ausgeprägt, obwohl im Zusammenhangmit grenzüberschreitenden Wertpapierkäu-fen und Devisengeschäften in Zukunft voneinem weiteren Wachstum des Umfangsund der Transaktionen auszugehen ist.

Arten von Zahlungsverkehrs-systemen

Die Zahlungsverkehrssysteme selbst lassensich nach der Art des Settlements kategori-sieren, d.h. nach den genutzten Prinzipien zum Ausgleich von Zahlungsverpflichtun-gen zwischen zwei oder mehreren Parteien.Zwei Klassifizierungsmerkmale sind dabeivon Bedeutung:

Zeitp

unkt

des

Set

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Real

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nate

d Ti

me

Art des Settlements

NetGross

Real TimeGross

Settlement

ContinuousNet

Settlement

Designated TimeGross

Settlement

Designated TimeNet

Settlement

und den Finanzinstituten bevorzugt, dasie in der Lage sind, das systemische Ri-siko komplett auszuschalten. Jede Zah-lung zwischen zwei Parteien wird indi-viduell kontinuierlich auf Echtzeitbasisverarbeitet und ausgeglichen. Die auf-traggebende Bank muss demnach jedeZahlung individuell in ihrer vollen Höhebegleichen (Bruttoabwicklung). Dazu un-terhalten die teilnehmenden Finanzins-titutionen bei einer Zentralstelle jeweilsein eigenes Konto. Als Zentralstelle fun-giert in der Regel die Notenbank desLandes. Wird durch den Auftraggebereine Zahlung eingegeben, so prüft dieNotenbank zunächst die Deckung desKontos. Weist das Konto ausreichend Mit-tel (inkl. allfällige ausgesetzte Limiten) für die Begleichung einer Zahlung auf,wird das Geld vom Zentralbankkonto desAuftraggebers auf das Konto der Empfän-gerbank transferiert. Derzeit werden der-artige Systeme in allen G-10-Ländern zu-mindest für Grossbetragszahlungen einge-setzt.

• Designated Time Net SettlementDesignated-Time-Net-Settlement-Systemesind Nettosysteme (Nettoabrechnung zuvorbestimmten Zeiten, kurz DNS ge-nannt) und man findet sie heute eben-falls in einem Grossteil der G-10-Länder,häufig parallel zu den eingerichtetenRTGS-Systemen. Von letzteren unter-scheiden sich die Nettosysteme dahinge-hend, dass die Verarbeitung und insbe-sondere das Settlement nur zu vorbe-stimmten Zeiten stattfindet. Meist findetdieses Settlement am Ende des Tagesstatt, häufig jedoch auch zweimal proClearingtag. Für eine Bank wird die Ge-samtheit aller von ihr eingegebenen Zah-

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lungsaufträge mit der Gesamtheit allerfür sie bestimmten Zahlungseingängeaufsaldiert. Am Ende werden dann nurdie Nettopositionen (net credit bzw. netdebit positions) ausgeglichen. Man un-terscheidet in diesem Zusammenhangnoch, ob nur die offenen Positionen zwi-schen jeweils zwei Parteien gegeneinan-der aufgerechnet (bilaterales Netting)oder alle Positionen mit allen Beteiligtenzusammen saldiert werden (multilatera-les Netting). Ein Continuous Net Settle-ment kann es nur beschränkt geben, dadie Bildung der Nettobeträge (Clearing)zwar in Echtzeit erfolgen kann, das Sett-lement aber zu vorbestimmten Zeitennach dem Netting erfolgen muss, wenneine bestimmte Anzahl von Zahlungs-aufträgen vorliegt, ein bestimmter Be-trag erreicht ist oder eine bestimmte Zeitverstrichen ist. Dennoch kann durch dieVerkürzung der Clearingintervalle eineArt kontinuierliches Settlement erzieltwerden. Erst nach dem Abschluss desClearings und Settlements werden dieZahlungen unwiderruflich und könnenals endgültig erfolgte Transfers von Geldinterpretiert werden.Ein Problem entsteht in dem Moment,wo eine beteiligte Partei Gelder, die sievon einer anderen Partei erwarten darf,vor Abschluss des Clearings weiter ver-wendet, sie zum Beispiel ihren Kundengutschreibt und die Kunden die Gelder(ohne dass sie eigentlich tatsächlich vor-handen wären) bereits wieder weitertransferieren. Die Kunden handeln also,als ob das Settlement bereits unwiderruf-lich stattgefunden hätte. Kommt es in derFolge dazu, dass die andere Partei denSaldo nicht begleichen kann, gerät dasNettosystem aus den Fugen. Dann ist in

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der Regel ein so genanntes «Unwinding»notwendig: Alle eingegebenen Zahlungs-aufträge für die ausgefallene und vonder ausgefallenen Partei werden rück-gängig gemacht und beim Netting nichtmehr berücksichtigt. Bereits der Auf-wand für ein solches Vorgehen ist kaumabzuschätzen. In der Folge kann es dar-über hinaus dazu kommen, dass weitereFinanzinstitute nun ebenfalls ihre neuenNettopositionen nicht mehr begleichenkönnen. Das systemische Risiko ist beiNettosystemen nicht ganz auszuschlies-sen. Dem gegenüber wäre ein Nettosys-tem extrem langsam, wenn die Banken je-weils das Clearing am Ende des Tages ab-warten würden, bevor sie ihre Gelderweiterverwendeten.

Das systemische Risiko für das gesamte Finanz-system eines Landes lässt sich durch denEinsatz von RTGS-Systemen ausschliessen.Eine Tendenz zur bevorzugten Nutzungsolcher Bruttosysteme kann vor allem ausdiesem Grund beobachtet werden. Bei die-sen Systemen erfolgt nicht nur die Eingabeund Prüfung der Deckung in Echtzeit (wiedies auch bei Nettosystemen oftmals der Fallist), sondern ebenso das tatsächliche Settle-ment der Zahlungsverpflichtung. Für dieTeilnehmer ist zudem jederzeit transparent,welche Transaktionen gedeckt bzw. bereitsabgewickelt sind. Anhänger von Nettosys-temen sind jedoch der Überzeugung, Brutto-systemen mangle es an Effizienz. Aufgrundder Tatsache, dass auch sehr grosse Beträgein ihrer vollen Höhe vor dem Settlement ge-deckt sein müssen, ist ein höherer Bedarf anLiquidität notwendig, um ein RTGS-Systemam Laufen zu halten. Hohe Liquidität be-deutet für die Teilnehmer jedoch, dass ih-nen Opportunitätskosten entstehen, da sie

sich das Geld auf die eine oder andere Wei-se beschaffen müssen – sei es über die Kredit-fazilitäten bei der Notenbank (geldpolitischeOperationen und Innertageskredite) oder aufdem Geldmarkt. Erfahrungen in derSchweiz haben allerdings gezeigt, dass einkluges Liquiditätsmanagement und sinnvolleAnreizstrukturen die Nachteile des Brutto-systems minimieren können (siehe Darstel-lung SIC). Ausserdem haben moderne RTGSliquiditätsschonende Funktionen wie «Split-ting» (Aufteilung grosser Beträge für dasSettlement) und «Chaining» bzw. «CirclesProcessing» (gleichzeitiges Settlement mehre-rer gegenläufiger Zahlungen) entwickelt, diebezüglich Liquiditätsbedarf RTGS mit Netto-systemen gleichsetzen können.Die Einbindung der Notenbank als zentraleClearing- und Settlement-Stelle hat den ent-scheidenden Vorteil, dass ein Kreditrisikofaktisch ausgeschlossen werden kann. Diefür das Settlement erforderliche Liquiditätwird auf einem Konto bei der Zentralbankgehalten und ist damit konkurssicher, daZentralbanken nicht Konkurs gehen kön-nen. Die Zentralbank nimmt im Zusam-menhang mit Zahlungsverkehrssystemenmeist spezielle Funktionen wahr. Neben derKontoführung übernimmt sie typischerweisedie Rollen der Kreditgewährung (nicht nur für Liquiditätsanforderungen inner-halb des Zahlungsverkehrssystems) undoperiert als Überwachungsstelle und Be-treiberin des Systems. Insbesondere beiGrossbetragszahlungen im Interbankverkehrwird die Zentralbank daher entsprechendeingesetzt.In der Schweiz haben sich die SchweizerischeNationalbank und die Geschäftsbanken aufein einziges System geeinigt, welches alsGemeinschaftswerk der Beteiligten die not-wendigen Kapazitäten in einem relativ be-

grenzten Markt anbietet. Während die SNBdie Überwachung des Systems beansprucht,ist für den Betrieb der technischen Einrich-tungen wie zentrale Verarbeitung, Netzwerkusw. die Swiss Interbank Clearing AG, eineGesellschaft der Telekurs Group, zuständig.Andere Länder weisen hingegen eine Struk-tur auf, in der mehrere Zahlungsverkehrs-systeme parallel nebeneinander bestehen,so zum Beispiel in den USA, wo neben dem vom Federal Reserve System kreierteFedwire das privat geführte CHIPS-Systemseine eigene Existenzberechtigung gefun-den hat.

Im Gegensatz zur Schweiz, wo via das RTGSSIC sowohl grosse Beträge wie auch Mas-senzahlungen abgewickelt werden, sindRTGS-Systeme im Ausland typischerweisefür Grossbetragszahlungen im Interbankverkehrkonzipiert, da gerade bei solchen Zahlun-gen die Risiken bei Ausfällen der Gegen-parteien relativ hoch sind. Ein Vergleichzwischen Grossbetragszahlungen und Mas-senverkehrsbezahlungen in den USA ver-mag dies zu verdeutlichen: In den USAwerden 1997 pro Tag knapp 600 000 Gross-betragszahlungen veranlasst, gleichzeitigaber 13 Millionen Massenverkehrszahlun-gen. Die Grossbetragszahlungen umfassen 2,6 Billionen US-Dollar, die Kundenzahlun-gen dagegen lediglich 42 Milliarden US-Dollar.

Kleinbetragszahlungen des Publikums sind imAllgemeinen nicht so zeitkritisch in der Ver-arbeitung wie Grossbetragszahlungen. Zu-dem sind die Anforderungen an die Infor-mation über den Stand der Abwicklung fürdie Kunden wesentlich geringer. Dafür istangesichts der grossen Verarbeitungsmen-gen die kosten- und preisgünstige Abwick-lung besonders wichtig. Im schweizerischen

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Massenzahlungsverkehr kommt es bis 1991 zuUnterschieden in den Valutierungszeit-punkten. Zwischen der Belastung des Kon-tos des auftraggebenden Kunden und derGutschrift auf dem Empfängerkonto liegt inder Regel ein Arbeitstag («Valutaschnitt»)als Transporttag bei Beförderung der Pa-pierbelege per Post zwischen den beteilig-ten Banken und unter Berücksichtigung derTatsache, dass die Empfängerbank selbstüber den eingegangenen Betrag vorher garnicht informiert ist. Indessen müssen dieBanken keine Zinsen auf dem Kapital zah-len, da die Zahlungen bereits seit 1987 amgleichen Tage durch SIC verarbeitet werdenund die Empfängerbank sofort über denZahlungseingang verfügen kann. Seit 1992 stimmen die Valutazeitpunkte zu-mindest im inländischen Zahlungsverkehrzwischen den Banken überein. Lediglich bei der Übertragung zwischen einem Post-checkkonto und einem Bankkonto kommtes noch zu Unterschieden, da die Disposi-tion der transferierten Gelder noch nichtderart einfach ist wie im SIC. Publikums-zahlungen mit vergleichbar geringem Wert bedeuten zudem nur ein geringes System-risiko. Bei Ausfall eines Zahlungspflichti-gen sind die Folgen für den Einzelnen sichergravierend. Das gesamte Finanzsystemwird hingegen wohl nicht gefährdet. DieAbwicklung von Publikumszahlungen erfolgtdaher in der Regel über separate Nettosys-teme. Aus Sicherheitsgründen werden in-dessen in der Schweiz auch die Massenzah-lungen aus DTA, LSV, Bancomat (inkl. Tanco-mat), EFTPOS und CASH auf Bruttobasis ab-gewickelt. In diesen Systemen werden dieeinzelnen Zahlungen zwar aggregiert, dannjedoch ohne Netting zu vorgegebenen Zeit-punkten im SIC als Gesamtbeträge abge-wickelt. Seit Mai 2000 werden auch die

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Check-Transaktionen im SIC eingeschlos-sen.

Swiss Interbank Clearing (SIC) – Modell eines modernen Zahlungsverkehrssystems

Die Swiss Interbank Clearing AG ist eineGesellschaft der Telekurs Group und be-treibt als Gemeinschaftswerk der SchweizerFinanzinstitute das SIC-System. Überwachtwird die Verarbeitung von SIC durch dieSchweizerische Nationalbank. 1980 begin-nen auf Vorschlag der Grossbanken die Ent-wicklungsarbeiten an diesem modernenClearingsystem. Zu dieser Zeit werden dieInterbankzahlungen noch immer mithilfevon Papierbelegen und Magnetbändern ab-gewickelt. Die Entwicklung von SIC ver-folgt zwei primäre Ziele, die Steigerung derEffizienz des Bankenclearings und die Re-duktion der Risiken, mit denen die Bankenim Zahlungsverkehr konfrontiert sind. Nach einer Analyse- und Entwicklungszeitvon knapp sechs Jahren wird SIC im Juni1987 erfolgreich in Betrieb genommen. SICist ein System zur Steuerung des nationalenZahlungsverkehrs. Entsprechend sind nurZahlungen in Schweizer Franken möglich.Der Teilnehmerkreis von SIC beschränktsich auf Banken und Effektenhändler, die inder Schweiz und im Fürstentum Liechten-stein ansässig sind, sowie auf Finanzinstitu-te aus dem Ausland (Remote-Teilnehmer).Remote-Teilnehmer müssen eine Reihe vonAuflagen erfüllen, damit sie bei der SNB einKonto halten dürfen. Kleinbanken, die sehrgeringe Zahlungsvolumina aufweisen, be-teiligen sich über Korrespondentenverbin-dungen mit direkt angeschlossenen Ban-ken. Ende 2002 zählt SIC 329 Banken und Fi-nanzinstitute als direkte Teilnehmer. Durch-

schnittlich werden rund 698 000 Zahlungenpro Tag mit einem mittleren Tagesumsatzvon 180 Milliarden Schweizer Franken getä-tigt. Am 28. Dezember 2001 wird ein neuerTagesrekord von mehr als 2 Millionen Trans-aktionen erreicht. Insgesamt werden imJahr 2002 rund 177 Millionen Zahlungen ab-gewickelt. An einzelnen Tagen erreichte derUmsatz inzwischen sogar fast 300 Milliar-den Franken. Zum Vergleich: das nominaleBruttoinlandprodukt der Schweiz beträgtim Jahr 2001 etwa 415 Milliarden Franken.SIC ist ein Real Time Gross Settlement Sys-tem (RTGS-System). Die Zahlungsaufträgewerden individuell und sequenziell aufBruttobasis abgearbeitet. Es gibt keine ge-genseitige Verrechnung pendenter Zahlun-gen (Netting). Für jeden in das System ein-gespeisten Zahlungsauftrag wird der Kon-tostand der auftraggebenden Bank geprüft.Bei ausreichendem Kontostand wird derentsprechende Betrag dem SIC-Konto derauftraggebenden Bank bei der National-bank belastet und dem SIC-Konto der Emp-fängerbank gutgeschrieben. Diese Übertra-gung erfolgt unwiderruflich und final. Im An-schluss wird der Empfängerbank eine Be-nachrichtigung über den Eingang übermit-telt und der auftraggebenden Bank die Zah-lungsausführung bestätigt. Reicht der Kon-tostand der auftraggebenden Bank nicht aus,so wird die Zahlung pendent gehalten(Wartefile) und bei jedem Zahlungseingangzugunsten dieser Bank die Prüfung wieder-holt. Ausserhalb von SIC finden Transaktio-nen zwischen Bankkonti bei der gleichenBank (inkl. Filialnetz) statt. Auch Zahlungenüber Postcheckkonten werden in der Regelnicht über SIC abgewickelt. Der Massenzah-lungsverkehr zwischen den Banken und derPost wird über Konten abgewickelt, welchedie Banken bei der Post halten. Seit Herbst

2000 verfügt aber auch die PostFinance übereinen Online-Anschluss an das SIC.

Die Abwicklung von Zahlungen im SIC

Die Nationalbank führt für jeden Teilneh-mer zwei Konten: ein Girokonto in ihrem in-ternen Buchungssystem (Stammkonto) undtagsüber ein SIC-Konto im SIC-System (SIC-Verrechnungskonto). Die Stammkonten wer-den für die baren Ein- und Auszahlungensowie für andere Transaktionen im direktenVerkehr mit der Nationalbank eingesetzt.Zu Beginn eines Clearingtages werden liqui-de Mittel vom Stammkonto bei der National-bank auf die Verrechnungskonti im SICtransferiert, damit Zahlungen im SIC ausge-führt werden können. Nach Tagesschlusswird die verbleibende Liquidität vom Ver-rechnungskonto im SIC abgezogen undwieder dem Stammkonto zugeführt. SIC bie-tet im Einklang mit den meisten vergleich-baren Systemen den Banken keine Möglich-keit, ihre Girokonten bei der Nationalbankzu überziehen. Einzig im US-amerikani-schen Fedwire-System ist es den Banken er-laubt, ihre Konten bis zu einer vorher fest-gelegten Limite ohne Deckungshinterle-gung zu überziehen. Wie die EuropäischeZentralbank gewährt die Nationalbank je-doch die Möglichkeit, auf gedeckter Basiszinslose Innertageskredite (Repo) zu bezie-hen. Bei einem Bruttosystem wie dem SIC kann esvorkommen, dass wegen ungenügenderDeckung kein Teilnehmer eine Zahlungauslösen kann. Eine solche Situation wirdals «Gridlock» bezeichnet. Aus Sicht des rei-bungslosen Funktionierens des Zahlungs-verkehrssystems wäre es wünschenswert,wenn die Banken auf ihren Konten sehr

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hohe Guthaben führen würden. Alle Zah-lungen würden dann sofort ausgeführt undden Empfängerbanken stünden weitereMittel für die Durchführung ihrer eigenenZahlung zur Verfügung. Allerdings wirddas Halten hoher Guthaben auf dem Kontobei der Nationalbank nicht belohnt, da dieGelder zinsfrei zu hinterlegen sind. Überdie bankenrechtlich verpflichtende Min-destliquidität hinaus werden die Bankendaher stets versuchen, ihre Guthaben mög-lichst gering zu halten und überschüssigeGelder stattdessen dort anzulegen, wo sieeinen Zinsgewinn erwarten. ÜberschüssigeLiquidität auf dem Nationalbankkonto ver-ursacht Opportunitätskosten. Die optimaleSteuerung der Liquidität ist daher entschei-dend für das reibungslose Funktionierenvon SIC. Benötigen die Banken gegen Ta-gesende zusätzliche Liquidität, so könnensie sich diese entweder im Interbankver-kehr oder als Lombardkredit bei der Natio-nalbank beschaffen. Der klassische Ablauf eines Clearingtagesgestaltet sich wie folgt : An Bankwerktagenkönnen Zahlungsaufträge rund um die Uhreingegeben werden. Während 23 Stundenwerden diese Aufträge täglich in Echtzeitabgerechnet. Ein SIC-Tag beginnt gegen17.00 Uhr des Vorabends des Valutatages,nach der Tagesendverarbeitung des laufen-den Tages. Alle Arten von Zahlungen (Kun-denzahlungen, Zahlungen im Auftrag vonDrittbanken, Zahlungen unter den SIC-Banken) können jetzt bis 15.00 Uhr des Va-lutatages (Clearingstopp 1) zur Ausführungins SIC eingegeben werden. Um 16.00 Uhrfolgt der so genannte Clearingstopp 2. Zwi-schen 15.00 und 16.00 Uhr können keineneuen Kundenzahlungen, sondern nurnoch Interbankzahlungen zwischen direk-ten SIC-Teilnehmern für taggleiche Ab-

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wicklungen eingegeben werden. Alle ande-ren Zahlungen erhalten automatisch als Ab-wicklungsdatum den nachfolgenden Valu-tatag und werden gespeichert. Die Stundedient den Banken insbesondere dazu, fürnoch in der Wartedatei befindliche AufträgeLiquidität herbeizuführen. Zwischen 16.00Uhr und 16.15 Uhr (Clearingstopp 3) werdennur noch Zahlungen ausgeführt, die bereitsim SIC-Wartefile gespeichert sind und durchAufnahme eines Lombardkredits bei derSNB ausführbar werden. Sind nach demClearingstopp 3 noch immer Zahlungen die-ses Valutatages pendent, werden diese inder Tagesendverarbeitung (bis ca. 17.00 Uhr)automatisch gelöscht, was natürlich zu ne-gativen Konsequenzen für die einzelnenBanken führen kann.Falls eine Bank (oder das zentrale SIC-System selbst) Verarbeitungsprobleme hat,kann nach genau definierten Regeln bei derNationalbank eine Verlängerung des Clea-ringtages beantragt werden. Die genanntenClearingschlusszeiten werden dann in Schrit-ten verschoben, um die Ausführung allerpendenten Zahlungen zu ermöglichen.

Um den Banken einen Anreiz zu gewähren,ihre Zahlungen möglichst früh zu Beginneines Verrechnungstages einzureichen, wirddas Pricing der Transaktionen zeitlich variiert.Dadurch sollen Verrechnungsstaus vermie-den werden, welche dadurch entstehenkönnen, dass die Banken eingehende Zah-lungen anderer Banken abwarten, bevor sieeigene Zahlungen auslösen. Die fehlendeMöglichkeit der Kontoüberziehung bei derNationalbank sowie das Ziel der Banken,Zahlungen der eigenen Kunden möglichsterst nach Eingang von Zahlungen zuguns-ten dieser Kunden auszulösen, verführendazu, eigene Zahlungen bis zum Eingang

der Einzahlungen anderer Banken aufzu-schieben. Warten alle Banken ausstehendeZahlungen ab, so erhält keine Bank eineZahlung. Deshalb erfolgt im SIC die Tarifie-rung für die Bank, welche die Zahlung aus-löst, gestaffelt nach dem Zeitpunkt der Ein-gabe und nach dem Zeitpunkt des Settle-ments. Werden Zahlungen vor 8.00 Uhr amMorgen in Auftrag gegeben, werden diesezu einem bedeutend geringeren Tarif verar-beitet als nach 14.00 Uhr am Nachmittagaufgegebene Zahlungen. Zudem ist der Tarif auch abhängig von der Zeit der tat-sächlichen Verbuchung. Beispiel : Wird eineZahlung bereits früh am Morgen eingege-ben, so wird die Bank dafür mit niedrigenVerarbeitungspreisen für die Eingabe be-lohnt. Weist ihr Nationalbankkonto aller-dings nicht die notwendige Deckung aufund kann deshalb die Buchung erst amNachmittag erfolgen, so wird sie dafür mithöheren Verarbeitungskosten als am Mor-gen belastet. Durch die gestaffelte Tarifierung steht einwichtiges Anreizinstrument zur optimalenAusnützung der Systemkapazität zur Ver-fügung. Seit 1994 können Zahlungen zu-sätzlich durch einen Prioritätenschlüssel ef-fizienter gesteuert werden: Dringliche Zah-lungen können von der auftraggebendenBank durch Zuweisung einer höheren Prio-rität in der Ausführung beschleunigt wer-den. Innerhalb einer Prioritätsklasse wer-den die Zahlungen hingegen strikte nachdem First-in-first-out-Prinzip abgearbeitet.Zahlungen können zur taggleichen Ver-rechnung oder zur Abrechnung innert derfolgenden fünf Bankwerktage eingegebenwerden. Diese Zahlungsaufträge werden ge-speichert (Vorvalutafile) und zum gewünsch-ten Zeitpunkt automatisch ausgeführt. Pen-dente Zahlungsaufträge in der Warteschlan-

ge können von der auftraggebenden Bankvor Clearingstopp 1 jederzeit annulliert wer-den, um den zwingenden Bestimmungendes Schweizerischen Obligationenrechts überden Widerruf von Aufträgen gerecht zuwerden. Dies erweist sich bei Grossbetrags-zahlungen, die auch nach gewisser Zeit nichtabgewickelt werden können, als besondershilfreich: SIC erlaubt, dass die betreffendeGrosszahlung im Wartefile annulliert undstattdessen in kleinere Beträge aufgeteiltwieder aufgegeben werden kann. Dies fle-xibilisiert unter anderem die Anforderungenan das Liquiditätsmanagement und gleicht soeinen typischen Nachteil von RTGS-Sys-temen aus. Die Gefahr eines «Gridlocks» kannso reduziert werden. Seit Dezember 2001 unterstützt nun ein wei-teres Instrument den reibungslosen Fluss derZahlungen, die simultane Verrechnung ge-genläufiger Zahlungen auf bilateraler Basis(Circles Processing). Falls auf dem Konto derauftraggebenden Bank nicht genügend Li-quidität zur Ausführung einer Zahlung vor-handen ist, prüft das System, ob die ersteZahlung in der Wartedatei der begünstigtenBank eine Zahlung zugunsten der erstge-nannten Bank ist. Falls dies der Fall ist, prüftdas System, ob die beiden Zahlungen si-multan ausgeführt werden können, ohnedie Deckungsbestimmungen zu verletzen.

Wie im letzten Abschnitt beschrieben, ha-ben sich in den meisten Ländern für Gross-betragszahlungen die Bruttosysteme durchge-setzt, während der Massenzahlungsverkehrweit gehend über Nettosysteme gesteuertwird. In der Schweiz kommt mit dem SIC einmodernes und zukunftsfähiges System zurAnwendung, das für grosse und kleineSummen genutzt werden kann. Seit seinerEinführung 1987 bestehen für SIC weder

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technische Beschränkungen in der Höchst-summe, die verarbeitet werden kann – ob-wohl Beträge von mehr als 100 MillionenSchweizer Franken aus Liquiditätsgründenin kleinere Einheiten aufgeteilt werdenmüssen – noch bestehen Vorschriften überMindestbeträge. SIC kann sowohl Grossbe-trags- (low volume – high value) als auchPublikumszahlungen (high volume – low va-lue) problemlos verarbeiten. Die folgendeAbbildung zeigt die Aufteilung der Zahlun-gen in SIC.

Abbildung 12: Anteile verschiedener Zahlungsgrössenim Jahre 2002

Seit November 2001 werden auch Zah-lungsflüsse zwischen dem System der Post-Finance und dem der Banken über das SICabgewickelt. Vorher wurden diese Positio-nen über das Girosystem der SNB abgerech-net. Bereits im November 2000 beginnt diePost damit, die eigenen Geldmarktgeschäf-te über das SIC laufen zu lassen. Im Septem-ber 2002 beschliessen die Schweizer Banken,vertreten durch Telekurs, und PostFinancezudem, dass sich die Post direkt am Kapitalder Swiss Interbank Clearing AG beteiligt.Darüber hinaus ist die PostFinance auchTeilnehmer im euroSIC und Aktionär derSwiss Euro Clearing Bank SECB (siehe Sei-ten 94 ff.).

Betrag der Zahlung

Weniger als CHF 5 000 83,1 % 0,3 %

CHF 5 000 bis 1 Mio. 15,5 % 4,0 %

CHF 1 Mio. und mehr 1,4 % 95,7 %

Betrags-volumen

Transaktions-volumen

4.3 Der Zahlungsverkehr ausserhalb der Schweiz undseine Vernetzung mit SIC

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Bei grenzüberschreitendem Zahlungsver-kehr hat das etablierte Korrespondenzsys-tem den Vorteil, die Unabhängigkeit derBanken zu bewahren. Nach dem «Ad-hoc-Prinzip» können Kooperationen eingegan-gen und wieder gelöst werden, ohne dassein grosser Investitionsaufwand erforder-lich wird. Allerdings fällt nachteilig ins Ge-wicht, dass die technisch-organisatorischeZusammenarbeit durch die unterschiedli-chen Ländersysteme kaum rationalisiertwerden kann. Die Vernetzung von verschie-denen Währungsräumen mit unterschied-lichen Traditionen in der Organisation desZahlungsverkehrs gestaltet sich entspre-chend aufwändiger. 1973 gründen 240 Banken aus fünfzehnLändern in Brüssel die Society for World-wide Interbank Financial Telecommunication(SWIFT), die 1977 ihren operativen Betriebaufnimmt. SWIFT stattet das Korrespondenz-bankensystem mit einem Nachrichtenver-mittlungsnetz aus, das erstmals eine nahtlo-se elektronische Weiterverarbeitung vonDaten zwischen den korrespondierendenBanken in unterschiedlichen Ländern er-möglicht. SWIFT erleichtert die standardi-sierte Übertragung von Informationen vonBank zu Bank, beispielsweise bei Überwei-sungsaufträgen, Bank-an-Bank-Zahlungen,Bestätigung von Devisengeschäften, Akkre-ditiven, Wertschriftenaufträgen sowie beiKonto- und Depotauszügen. Wohlgemerkt:SWIFT stellt kein internationales Clearing-system dar, sondern ist ein reines Kommuni-kationssystem. Die Abwicklung erfolgt wei-ter über die bereits beschriebenen Korre-spondenzbeziehungen. 1984 werden überSWIFT etwa 130 Millionen Transaktionenweltweit abgewickelt. Bis zu diesem Zeit-punkt ist SWIFT das einzige System dieserArt, von internen Netzwerken internationa-

ler Banken abgesehen, welche für Cash-Ma-nagement-Dienstleistungen genutzt werden.SWIFT-Standards haben sich bis heute auchim nationalen Interbank-Datenaustausch etab-liert.

Ausgewählte internationale Zahlungsverkehrssysteme im Überblick

Neben dem SIC gelten das US-amerikanischFedwire-System und das Anfang 1999 einge-richtete europäische TARGET-System alswichtige Zahlungsverkehrssysteme. Interes-sant erscheint, dass sowohl in den USA alsauch in der EU neben diesen RTGS-Systemender Zentralbanken parallel privat betriebe-ne Systeme existieren. In den USA ist es dasCHIPS-System, in Europa das Euro-1-Sys-tem. Neben den Systemen der Banken ist dasEurogiro-System im internationalen Zah-lungsverkehr der Posteinrichtungen von Be-deutung.

• Fedwire-SystemFedwire ist ein RTGS-System, das seit 1918 durch die Zentralbank der USA(Federal Reserve System) betrieben wird.Über dieses System werden vor allemGrossbetragszahlungen abgewickelt. Essteht allerdings auch für Massenzahlungenoffen. 2001 verarbeitet Fedwire täglichdurchschnittlich etwa 446 000 Zahlungenmit einem Gesamtwert von 1,682 Billio-nen US-Dollar. Während SIC das trans-aktionsstärkste RTGS-System der Welt ist,steht Fedwire mit seinem zwanzigmal höheren durchschnittlichen Umsatz proZahlung wertmässig an erster Stelle. Trotzdes hohen Volumens werden nur rund 58 Prozent aller Grossbetragszahlungenüber Fedwire geleitet. Der Grossteil der

restlichen Zahlungen wird über CHIPSabgewickelt. Durch die Zulassung vonInnertages-Überziehungskrediten inner-halb des Systems ist Fedwire nicht auf einen automatischen Warteschlangen-mechanismus wie das SIC angewiesen.Im Rahmen der bestimmten Limitenübernimmt die Notenbank die gesamtenGegenparteirisiken innerhalb des Sys-tems. Dadurch können Zahlungen so-fort nach ihrer Eingabe ausgeführt wer-den.

• CHIPS-SystemNeben dem Fedwire-System hat sich inden USA das weltweit grösste, privat betriebene Zahlungssystem etabliert: Clea-ring House Interbank Payment System(CHIPS) ist eine Mischung zwischen einemBrutto- und einem Nettosystem (Hybrid-system). Die Verbuchung erfolgt am Tages-ende auf Nettobasis, ist aber durch ausdem Fedwire übertragene Zentralbank-saldi bereits gedeckt (kein «Unwinding»mehr möglich). CHIPS ist Eigentum ei-ner Gruppe von US-Banken (New YorkClearing House Association) und wirddurch diese seit 1970 betrieben. CHIPSwird vor allem für den Interbankverkehrim Devisenhandel und Geldmarktge-schäft genutzt. Pro Tag werden 2001 beinur 58 direkt angeschlossenen Teilneh-mern 240 000 Zahlungen mit einem Volu-men von fast 1,2 Billionen US-Dollar ab-gewickelt.

• TARGET-SystemIn der Europäischen Union wird zum 4. Januar 1999 mit der Schaffung desEuro das Trans-European Automated Real-time Gross settlement Express Transfer sys-tem (TARGET) eingeführt. Innerhalb kur-

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zer Frist erlangt TARGET hohe Bedeu-tung als RTGS-System der EuropäischenZentralbank (EZB). TARGET stellt dabeikein eigenständig aufgebautes Zahlungs-verkehrssystem dar, sondern vernetztvielmehr fünfzehn nationale RTGS-Sys-teme der Mitgliedstaaten und das Systemder Europäischen Zentralbank. Zielesind das sichere und zuverlässige Settle-ment grenzüberschreitender Zahlungenin Euro und die Steigerung der Effizienzvon Intra-EU-Zahlungen. Jeder Teilneh-mer an einem der nationalen RTGS-Sys-teme der Mitgliedstaaten verfügt auto-matisch auch über einen Zugang zuTARGET. TARGET steht im Eigentumder EZB. Der Ablauf stellt sich dabei ab-weichend von anderen Systemen dar: Diebeauftragende Bank sendet ihren Zah-lungsauftrag an das nationale RTGS-Sys-tem. Die nationale Zentralbank überprüftdaraufhin, ob ausreichend Liquidität aufdem Konto der beauftragenden Bankvorhanden ist. Ist dies der Fall, wird überTARGET eine Zahlungsanweisung an dasRTGS-System bzw. die Zentralbank derempfangenden Bank in einem anderenMitgliedstaat gesendet, bei welcher dannder Eingang der Transaktion gutgeschrie-ben wird. In seinem ersten Jahr, 1999, verarbeitetTARGET etwa 169 000 Zahlungen mit einem Volumen von 1,021 Billionen Eurotäglich und ist damit umsatzmässig daszweitgrösste RTGS-System der Welt. Ent-gegen dem erklärten Ziel, auch grenzüber-schreitende Publikumszahlungen wesentlichzu erleichtern, werden im ersten Jahr vorallem Grossbetragszahlungen über TAR-GET abgewickelt. Es ist allerdings zu ver-muten, dass mit der weiteren ökonomi-schen Vernetzung der EU-Länder auch

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Massenzahlungen über Landesgrenzen hin-weg an Bedeutung gewinnen werden. DieVernetzung des Schweizer Wirtschafts-raumes mit der Europäischen Union machtTARGET und vor allem die Anbindungdes Schweizer Zahlungsverkehrssystemsan TARGET zu einem zentralen Thema.Im Kapitel 4.3.2 werden Aufbau undFunktion von TARGET und die Anbin-dung an das euroSIC deshalb detaillierterbeschrieben.

• Euro-1-SystemDas Euro-1-System ist ein privat betriebe-nes Nettozahlungsverkehrssystem in derEuropäischen Union, welches zu fest-gelegten Zeiten die Nettopositionen aufmultilateraler Basis ausgleicht. Es gehörtder Euro Banking Association (EBA) undwird auch von dieser betrieben. Das Euro-1-System dient dem Settlement von grenz-überschreitenden Euro-Transaktionen. DasZahlungsverkehrssystem wird zeitgleichmit TARGET im Januar 1999 eingeführt.Es basiert auf dem seit 1986 bestehendenClearingsystem der EBA für die europäi-sche Währungseinheit ECU. Ebenso wieTARGET stützt es sich auf das SWIFT-Kommunikationsnetz. In seinem erstenJahr ist das System wesentlich geringerausgelastet als TARGET. Täglich werdendurchschnittlich 71 000 Zahlungen mitenem Wert von 139 Milliarden US-Dollarabgewickelt. Das Settlement wird erst amTagesende effektiv, gleichwohl wirddurch das Aussetzen von Limiten dasSettlement am Tagesende bereits wäh-rend des Tages sichergestellt. Das Settle-ment am Tagesende, d.h. der Ausgleichder Nettoverpflichtungen, erfolgt dannüber TARGET und die Teilnehmerkontenbei der Europäischen Zentralbank. Durch

seinen Anschluss an das Bruttosystemder Europäischen Zentralbank stellt die-ses System eine Besonderheit unter denvorgestellten Systemen dar. EBA betreibtneben Euro 1 auch ein System fürMassenzahlungen, das zurzeit ausgebautwird.

• Eurogiro-SystemAnfang 1993 gründen die grösseren euro-päischen Postbanken und Postorganisa-tionen die Eurogiro Network AS zur Ab-wicklung und Automatisierung des grenz-überschreitenden Zahlungsverkehrs. 2001wickelt Eurogiro zehn Millionen Kunden-zahlungen ab und hält damit einenMarktanteil von 12 Prozent aller grenz-überschreitenden Zahlungen in Europa.Eurogiro ist multiwährungsfähig undzudem ein Nettosystem. Überweisungenkönnen sowohl auf Post- als auch aufBankkonti erfolgen. Zur Sicherstellungder Massentauglichkeit werden einzelneMeldungen zu Paketen zusammenge-fasst, verschickt und verrechnet. 36 Teil-nehmer aus 34 Staaten gehören dem Eu-rogiro-Netzwerk an, unter anderem dieschweizerische PostFinance. Eurogiro er-möglicht eine effiziente und massentaug-liche Abwicklung des weltweiten Zah-lungsverkehrs in 190 Ländern. Teilneh-mende Postbank- und Postorganisatio-nen erreichen jedes Post- oder Bankkon-to und dank der postspezifischen Dienst-leistung «Zahlungsanweisung» fast je-den Haushalt. Alle Mitglieder unterhal-ten zunächst eine gegenseitige Nostro-/Vostro-Verbindung für das Settlement.Seit 1998 kooperiert Eurogiro mit derWestern Union und schafft damit einenZugang zum weltweiten Netz von Wes-tern Union. Dieses bietet die Ausführung

von Barzahlungen innerhalb kürzesterZeit.

Das Zahlungsverkehrssystem TARGET

Mit dem weiteren Zusammenwachsen derEuropäischen Union, der weiteren wirt-schaftlichen Verflechtung, vor allem aber inVerbindung mit der Einführung der ge-meinsamen Währung Euro wächst auf diebeteiligten Länder der Druck, den europäi-schen Zahlungsverkehr moderner und effi-zienter zu organisieren als die Kombinationaus SWIFT und Korrespondenzbankensystemes ermöglicht. 1993 beschliessen die Staats-oberhäupter der Europäischen Union dieSchaffung der Europäischen Wirtschafts-und Währungsunion (EWWU). Mit der Ein-führung der neuen Gemeinschaftswährungauf den 1. Januar 1999 (in physischer Formauf den 1. Januar 2002) ergibt sich nicht nurdie Notwendigkeit, den gemeinsamen Zah-lungsverkehr in einem europäischen Zah-lungsverkehrssystem zu organisieren, son-dern auch der Zwang, ein Instrument fürdie reibungslose Durchführung einer ein-heitlichen Geldpolitik im gesamten Euro-raum zu schaffen. TARGET ist das Inter-linking-Zahlungsverkehrssystem für denEuro. Es ist, wie bereits skizziert, als Echt-zeit-Bruttosystem konzipiert und verbindetdie fünfzehn nationalen Echtzeit-Bruttosys-teme der Mitgliedstaaten mit dem Zah-lungsverkehrsmechanismus der Europäi-schen Zentralbank. TARGET verfolgt vor al-lem drei Ziele:

1. Schaffung eines sicheren und verläss-lichen Zahlungsverkehrssystems fürgrenzüberschreitende ZahlungenMit TARGET ist der Anspruch verbun-den, grenzüberschreitende Euro-Zahlun-

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gen mit der gleichen Effizienz abzuwi-ckeln wie Inlandzahlungen, welche überdie etablierten Zahlungsverkehrssystemebereits verarbeitet werden. TARGET sollvergleichbar kostengünstig, sicher und mitkurzen Abwicklungszeiten arbeiten. Wasdie Sicherheit angeht, so wird das natio-nal bewährte Prinzip der Beteiligung vonZentralbanken an Grossbetragszahlungendurch die Einbindung der EuropäischenZentralbank aufgegriffen. TARGET greiftdabei auf die etablierten Strukturen zurückund verbindet diese miteinander. Die In-tegration der nationalen Zahlungsver-kehrssysteme in das neue europäische Sys-tem setzt allerdings voraus, dass die teil-nehmenden Staaten alle über RTGS-Sys-teme verfügen. Dieses integrierende Vor-gehen sichert die Kooperationsbereit-schaft und -fähigkeit der beteiligten na-tionalen Zahlungsverkehrssysteme. DieEntwicklung eines gänzlich neuen Sys-tems, welches alle nationalen Zahlungs-verkehrssysteme ersetzt hätte, wäre sicherauf erhebliche Widerstände gestossen.

2. Verbesserung der Effizienz für Intra-EU-ZahlungenDas zweite Ziel wird durch die Regulationder Europäischen Kommission zur Ab-wicklung von grenzüberschreitenden Zah-lungen in Euro innerhalb der EU mit derForderung unterstrichen, dass eine Sing-le Euro Payment Area (SEPA) geschaffenwird, in der die gleichen Tarife für Inland-wie für Intra-EU-Zahlungen gelten.

3. Bereitstellung eines Instrumentes für eineeinheitliche Geldpolitik durch die EZBInsbesondere dieses Ziel ist für die EZBvon entscheidender Bedeutung. Ange-sichts des wachsenden Anteils von grenz-

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überschreitenden Zahlungen – sowohlim Devisen- und Wertschriftenhandel alsauch bei Publikumszahlungen – steigt dasRisiko, dass die Probleme eines nationa-len Zahlungsverkehrssystems auf anderedurchschlagen. Eine europäische Geld-politik kann hier eine wirksamere Steue-rung ermöglichen als die langwierigereKoordination der verschiedenen natio-nalen Institutionen. Die Architektur vonTARGET ist dabei so aufgebaut, dass eineAnbindung von Zahlungsverkehrssyste-men ausserhalb des Euroraumes eben-falls möglich ist.

TARGET besteht im Kern mithin aus denfünfzehn bereits etablierten nationalen RTGS-Systemen. Diese sind über das Interlinking-Kommunikationsnetz miteinander verbun-den. Vermittels dieser Interlinking-Plattformwerden Zahlungsaufträge von den auftrag-gebenden Instituten über das nationale Sys-tem in das RTGS-System im Land der Emp-fängerbank übermittelt. Es handelt sich umein Netzwerk ohne Zentrum, d. h., Zahlun-gen werden zwischen den beteiligten Natio-nalbanken direkt abgerechnet. TARGET ist von 7.00 bis 18.00 Uhr in Betriebund bietet damit wesentlich kürzere Öff-nungszeiten an als das schweizerische SIC,in dem die Teilnehmer fast rund um die UhrAufträge eingeben können. Dennoch sinddie Zeiten so gewählt, dass sie eine Überlap-pung mit den Schlusszeiten an den asiati-schen Finanzmärkten und den Öffnungs-zeiten in Nordamerika erlauben. Da TARGET ein Bruttosystem ist, werdenalle Zahlungen unabhängig von ihrer Höhegleich behandelt, individuell und sequen-ziell ausgeführt. Soll eine Zahlung ausge-löst werden, gibt die auftraggebende Bankeine vollständige Zahlungsanweisung in ihr

nationales RTGS-System ein (dem sie ange-schlossen ist), wobei sie ihr nationales Nach-richtenformat nutzt. Ist auf dem Konto beider Zentralbank ausreichend Deckung fürdie Zahlung vorhanden, wird diese sofortbelastet und auf einem Zwischenkonto de-poniert. Dies ist notwendig, da die auslän-dische Empfängerbank nicht über ein Kontobei der inländischen Zentralbank verfügt.Stellvertretend für die Empfängerbank wirddie Zahlung auf dem Zwischenkonto ge-parkt. Im Anschluss wird die Zahlungsbe-nachrichtigung über das Interlinking-Netzan die Zentralbank der Empfängerbankweitergegeben. Diese kann die Zahlung ausdem «Zwischenlager» abbuchen und demEmpfänger gutschreiben. Die Bestätigungder Ausführung jedes einzelnen Auftragswird in Echtzeit an die auftraggebende na-tionale Zentralbank übermittelt. Der begüns-tigte Teilnehmer erhält die Zahlungsnach-richt in seinem nationalen Nachrichten-format. Dieser Ablauf zeigt, dass sich TARGET in ei-nem ganz wesentlichen Faktor von anderenZahlungssystems unterscheidet. Anstatt ei-nes zentralen Settlement Agents und eineszentralen Verarbeitungszentrums sind zweiSettlement Agents involviert. Es werden Gut-haben von Zentralbanken übertragen stattGuthaben der Finanzinstitute bei einer zentralen Notenbank. Jede Zahlung wird jeweils unwiderruflich und endgültig ge-bucht (Finalität). Ein Kreditrisiko kann durchdie Brutto-Echtzeit-Auslegung von TAR-GET sowie die Übertragung von Guthabender Nationalbanken ausgeschlossen wer-den. Allerdings besteht durch – im Ver-gleich zu SIC – lange Verarbeitungszeitendie Gefahr, dass ein Liquiditätsrisiko auftritt.Die Teilnehmer beklagen insbesondere zuBeginn der Einführung von TARGET den

geringen Informationsstand über eingehen-de Zahlungen, die eine Disposition der Li-quidität erschweren. Die Akzeptanz und Nutzung des europäi-schen Zahlungssystems sind seit seiner Ein-führung kontinuierlich gestiegen. 2001 neh-men 1 560 Institute direkt teil, etwa 5 000 sindindirekt angeschlossen. Insgesamt könnenvon den Teilnehmern Zahlungsaufträge anetwa 37 000 einzelne Geschäftsstellen undNiederlassungen adressiert werden. Diesist sicherlich als ein wesentlicher Fortschrittin der Erleichterung des Zahlungsverkehrsin der EU zu werten. 2001 werden überTARGET täglich etwa 211 000 Zahlungenmit einem Wert von 1,3 Billionen Euro abge-wickelt. Damit können zwischen 1999 und2001 sowohl die Zahl der Zahlungen von160 000 und der Wert der Zahlungen von900 Milliarden Euro täglich stetig gestei-gert werden. Bei Grossbetragszahlungen hältTARGET einen Marktanteil von 75 Prozentaller Zahlungen. Das bedeutet, ein Viertelder Grossbetragszahlungen (sowohl inländi-sche als auch grenzüberschreitende) wer-den in Europa über TARGET verrechnet.Nur etwa 45 000 der insgesamt 211 000 täg-lichen Zahlungen innerhalb von TARGETsind grenzüberschreitend (rund 21 Prozent).Allerdings machen sie etwa 40 Prozent (500Milliarden Euro) des Wertes des TARGET-Zahlungsverkehrs aus. Fast 800 MilliardenEuro werden hingegen durch TARGET ver-arbeitet, ohne dass Grenzen zwischen Auf-traggeber und Empfängerbank zu überwin-den wären. Erfreulich entwickelt sich auch die Strukturder Zahlungen innerhalb des Systems. Einerklärtes Ziel der EZB war, ein Zahlungs-verkehrssystem zu schaffen, welches auchdas grenzüberschreitende Settlement vonKleinbeträgen im Publikumsverkehr erleich-

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tern soll. Zahlungen mit einem Wert von biszu 50 000 Euro umfassen mittlerweile 63Prozent aller Zahlungen. Weitaus bedeu-tender bleiben nichtsdestotrotz die Inter-bankzahlungen, welche 61 Prozent der Ausland-Zahlungsvorgänge umfassen, da-bei aber einen umsatzmässigen Anteil vonfast 97 Prozent erreichen.Insgesamt kann man feststellen, dass mitTARGET in erstaunlich kurzer Zeit ein robu-stes und leistungsfähiges Echtzeit-Brutto-zahlungsverkehrssystem entwickelt wur-de, das den modernen Anforderungen ge-nügt. Durch die Bruttoabrechnung auch derGrossbeträge wird TARGET – ähnlich demSIC – als sehr effizientes System zur Ab-wicklung betrachtet, mit dessen Hilfe sichdie Systemrisiken erheblich verringern las-sen. Beziehungen kleinerer Banken zu Kor-respondenzbanken sind nicht mehr not-wendig. Weitere Vorteile bestehen in derEchtzeitverarbeitung, den günstigen Be-triebszeiten, der hohen Erreichbarkeit so-wie den niedrigen und gestaffelten Preisen.

SIC und der Euro

In der Schweiz ist man sich des hohen Stel-lenwerts des Euros von Anfang an bewusst.Für die stark exportorientierte SchweizerWirtschaft ist die Anschlussfähigkeit dereinheimischen Banken an den europäischenZahlungsverkehr von grosser Bedeutung.Auch im innerschweizerischen Zahlungs-verkehr war mit einem bedeutenden Volu-men an Zahlungen in Euro zu rechnen. DerWeg über das Korrespondenzbankennetzerweist sich dabei als wenig zukunftsträch-tig. Die Anbindung eines SIC-ähnlichen Systems an das neue gesamteuropäische System scheint zwingend erforderlich. Wäh-rend die technische Gestaltung eines sol-

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chen «euroSIC» und dessen Anbindung anTARGET keine bedeutende Hürde im Pro-zess darstellt, macht vielmehr die Frage zuschaffen, wer als zentrale Instanz die Kon-toführung eines schweizerischen Zahlungs-verkehrssystems für Euro übernehmen soll-te bzw. überhaupt könnte. Die Schweiz istweder Mitglied der Europäischen Unionnoch der Europäischen Wirtschafts- undWährungsunion. Ein unmittelbarer An-schluss unter Führung der Nationalbank anTARGET ist daher nicht möglich. In derKonzeptionsphase werden zwei alternativeVorgehensweisen diskutiert :

1. Aus Sicht der SNB wäre es wünschens-wert, die Kontoführung und Aufsicht überdas System bei der SNB selbst zu veror-ten. Schliesslich hat die SNB im schwei-zerischen Zahlungsverkehr eine gesetz-liche Funktion zu erfüllen, die sich auchauf ein mögliches Euro-Clearing unterBeteiligung von Schweizer Banken be-zieht. Da bei dieser Lösung ein Einflussder SNB auf das Gebiet der EZB selbstdie Konsequenz wäre, scheint diese Lö-sung als kaum realisierbar. Eine aktiveEinflussnahme der Nationalbank auf dasEuro-Clearing bei gleichzeitigem direk-tem Anschluss an TARGET fände kaumdie Zustimmung der EZB.

2. Eine zweite Variante findet schliesslichaus Gründen des eng gesteckten Zeitrah-mens und der Praktikabilität den Vor-zug. Die Schweizer Banken gründen eineeigens für diesen Zweck geschaffeneBank mit Sitz in Frankfurt am Main, dieSECB (Swiss Euro Clearing Bank GmbH),welche als Vollzugsorgan auftritt. Ihr ob-liegt die Führung von euroSIC, dem Pen-dant des SIC zur Abwicklung von Euro-Zahlungsaufträgen.

Am 27. Februar 1998 gründen die TelekursHolding AG (Kapitalbeteiligung: 40 Pro-zent), die Credit Suisse Group (30 Prozent)und die UBS AG (30 Prozent) die SECBSwiss Euro Clearing Bank GmbH in Frank-furt am Main. Mit Schreiben vom 1. Oktober1998 erteilt das Bundesaufsichtsamt für dasKreditwesen, Berlin, der SECB die «Erlaub-nis zum Betreiben von Bankgeschäften undFinanzdienstleistungen». Damit kann am 1. Januar 1999, wie vorgesehen, der Betriebaufgenommen werden. Als vierter Partnerkommt im August 1999 die schweizerischePost hinzu, wobei sich der Anteil je Partnernun auf je 25 Prozent des Stammkapitals beläuft. Aus dem Umstand, dass die Bank in Frank-furt am Main domiziliert ist, folgt selbstver-ständlich, dass sie der Aufsicht der deut-schen Behörden unterliegt und eine direkteEinflussnahme der Schweizerischen Natio-nalbank, wie zuvor angestrebt, nicht mehrgewährleistet ist. Die Bank unterhält einKonto bei der Deutschen Bundesbank undhat dadurch unbeschränkten Zugang zudeutschen Zahlungsverkehrssystemen undsomit auch zu TARGET. Die SECB bildet die Andockstation, welche die Verbindungzwischen dem euroSIC und TARGET erlaubtund gleichzeitig die rationelle Abwicklungvon innerschweizerischen Zahlungen inEuro sicherstellt. Die euroSIC-Anwendungselbst wird mit der SIC-Software von Tele-kurs AG betrieben.Der Auftrag, welchen die SchweizerischeBankiervereinigung an ihrer Verwaltungs-ratssitzung vom 5. September 1997 an denVerwaltungsrat der Telekurs-Gruppe erteilt,lautet folgendermassen: «Erstellen und Be-treiben eines zweiten SIC-Systems für Euro-Zahlungen und Realisieren des Anschlus-ses desselben an das europäische Zahlungs-

system TARGET.» Der Verwaltungsrat derTelekurs-Gruppe tagt am 16. September undpräzisiert in seinen Ausführungsbestim-mungen, dass in einer zweiten Phase derZugang zu den europäischen Zahlungssys-temen über einen Gateway ermöglicht wer-den soll und dass das System so zu konzi-pieren sei, dass es sich später auch bei derSNB anschliessen könne, wenn dort der er-forderliche «Euro-Anschluss» einmal ein-gerichtet sei. Als oberstes Umsetzungsgre-mium wird ein Steuerungsausschuss euro-SIC (STA euroSIC) ernannt, welcher monat-lich tagt, erstmals am 11. November 1997und letztmals am 3. März 1999. Im STAeuroSIC sind die drei Grossbanken (SBV,SBG, CS), die SNB, die Regionalbanken unddie Telekurs vertreten. Die dem STA euro-SIC unterstellte Projektgruppe wird mehr-heitlich vom zukünftigen Kader der am 1. Januar 1998 als Tochtergesellschaft derTelekurs Holding gegründeten Swiss Inter-bank Clearing AG gestellt. Zwei Ebenen desProjekts werden parallel vorangetrieben: ei-nerseits die technische Replikation des SICmit der nötigen Implementation der Zu-satzfunktionen sowie andererseits der Auf-bau der SECB.

Das euroSIC-System

Am 4. Januar 1999, mit dem Start des Euro,nimmt euroSIC als Real Time Gross Settle-ment System (RTGS) seinen Betrieb auf undermöglicht seither den Anschluss an die eu-ropäischen Zahlungsverkehrssysteme unddas Cash-Management der Schweizer Ban-ken in Euro. Mehr als 120 Finanzinstitutenehmen die Dienstleistungen von euroSICbereits in Anspruch.Als lizenzierte deutsche Vollbank stelltSECB über das System RTGSplus den An-

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schluss an TARGET sicher. Durch die Mit-gliedschaft am deutschen System ist der Finanzplatz Schweiz über ein Gateway auchmit TARGET verbunden und somit in derLage, grenzüberschreitende Zahlungen inEuro zu ähnlichen Bedingungen abzuwi-ckeln wie jedes EU-Teilnehmerland. Durchdieses System können Zahlungen aus euro-päischen Systemen via TARGET und RTGSplus

an schweizerische Institute geleitet werden.Damit entfällt die Notwendigkeit weitererKorrespondenzbeziehungen zu europäischenBanken. Die SECB wird so zur einzigen Kor-respondenzbank, zur ausschliesslichen An-laufstelle für Schweizer Banken im Euro-raum. Die über TARGET eingehenden Zah-lungen werden von euroSIC noch am glei-chen Tage verrechnet. Werden grenzüber-schreitende Zahlungen an Kreditinstitutegetätigt, die dem RTGSplus angeschlossensind, werden diese ohne Einschaltung vonTARGET direkt ausgeführt.Die Mehrzahl der Transaktionen sind so ge-nannte Kundenzahlungen, welche von Unter-nehmen oder Privatpersonen über die Fi-nanzinstitute in der Schweiz eingereichtwerden. Ebenso steht das System für Inter-bankzahlungen offen, wie zum BeispielÜberträge für Devisentransaktionen oderDeckungsanschaffungen für Geldmarktge-schäfte. Zahlungen aus Wertpapiergeschäf-ten werden unterschieden nach Zahlungenüber SIS SegaInterSettle aus der Abwicklungvon Effektengeschäften wie Aktien oder Ob-ligationen, Zahlungen aus dem Handel mitDerivaten wie Options oder Futures an derEurex sowie Zahlungen aus dem Handelmit Eurobonds und dem Repogeschäft.Die SECB überwacht das System euroSICund übernimmt als so genannter SettlementAgent die Liquiditätssteuerung. Die Teil-nehmer unterhalten bei der SECB ein Giro-

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konto und verfügen damit automatisch überein Verrechnungskonto im euroSIC. Überdie Girokonten bei der SECB werden dieVerrechnungskonten der Finanzinstitutemit Liquidität gespeist. Am Morgen wirddas gesamte Guthaben bei der SECB auf dasVerrechnungskonto im euroSIC transferiert,wodurch ausreichend Liquidität im Clearing-system zur Verfügung steht. Entsprechendwerden am Abend die verbleibenden Gut-haben auf den Verrechnungskonti auf dieKonti der SECB zurücktransferiert. Bei euro-SIC können die teilnehmenden Bankenrund um die Uhr Aufträge eingeben undverrechnete Zahlungen empfangen. Es istdamit das einzige System in Euro, welches24 Stunden am Tag in Betrieb ist. Die Zah-lungen werden von euroSIC dahin gehendgeprüft, ob die Verrechnungskonten ausrei-chend Deckung aufweisen. Ist dies der Fall,

werden die Zahlungen in Echtzeit abgewi-ckelt und sind final. Ähnlich dem Modell fürden Schweizer Franken können den Zah-lungen Prioritätscodes für eine effizienteSteuerung des Liquiditätsmanagements zuge-wiesen werden. Die SECB stellt den Teilneh-mern sowohl umfangreiche Innertages- alsauch Übernacht-Fazilitäten zum Liquidi-tätsausgleich gegen Hinterlegung von Si-cherheiten wie zum Beispiel verpfändetenWertpapieren zur Verfügung. Hier entspre-chen die Belehnungskriterien exakt den Kri-terien der EZB. Guthaben der Banken aufden Eurokonti bei der SECB werden zudemverzinst.Diese kurze Skizze über das Entstehen undFunktionieren des euroSIC zeigt, dass es denSchweizer Banken und der Telekurs Groupgelungen ist, die Verbindung zwischen demfür die Schweizer Wirtschaft so wichtigen

Abbildung 13: Die Anbindung von euroSIC an TARGET

FI

TOPNL

TARGET

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GB

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BoF-RTGS

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SE

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DK

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euroSIC ARTIS

RTGSplus

AT

KRONOS

BI-REL

E-RIX

Euroraum und dem nationalen Zahlungs-verkehrssystem auf hervorragende Weisezu erstellen.

Exkurs: Probleme der Geldwäsche

Die Entwicklung moderner Zahlungsver-kehrssysteme zeigt deutlich, mit welcherGeschwindigkeit die globale Vernetzungder vielen nationalen Finanzplätze und Volks-wirtschaften voranschreitet. Standards wer-den vereinheitlicht, die Systeme technolo-gisch aufgerüstet und das Schnittstellen-management zwischen den verschiedenenZahlungsverkehrssystemen immer effizien-ter gehandhabt. Die Leistungsfähigkeit vonComputern hat sich in den letzten Jahren im Durchschnitt alle achtzehn Monate ver-doppelt. Dieser rasante Fortschritt der In-formationstechnologie hat das Handwerkder Banken deutlich verändert. FinanzielleTransaktionen müssen nicht mehr physischausgeführt werden, sie reduzieren sich aufeine elektronische Buchung zwischen zweiKonten. Es ist ein weiter Weg von dem mit-telalterlichen Kaufmann, der seine Einnah-men am Abend zum Haus seines Bankiersträgt und den modernen Möglichkeiten,Zahlungen in hoher Geschwindigkeit umden Globus zu schicken: Billionen von US-Dollars werden heute täglich zwischen denBanken auf der ganzen Welt verschoben.Dass diese Entwicklung nicht nur Fort-schritte bringt, sondern auch unbeabsich-tigte Nachteile mit sich führt, ist ein Prob-lem, mit dem jede Form von Technologiestets zu kämpfen hat. Ein gewichtiger Nach-teil moderner Zahlungsverkehrssysteme liegtdarin, dass sie auch eine hervorragendeTransaktionsplattform für das organisierteVerbrechen darstellen. Die grösste Heraus-forderung für global tätige Mafiaorganisa-

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tionen besteht schliesslich darin, dass sie ihrillegal erworbenes Geld nicht einfach aus-geben können, ohne gefährliche Aufmerk-samkeit auf sich zu ziehen. Der berüchtigteChef der sizilianischen Mafia Toto Riina sta-pelte die Geldbündel in seinem Versteckmeterhoch. Seine Einnahmen aus Glücks-spiel, Prostitution und Drogenhandel wa-ren ersichtlich grösser als seine Fähigkeiten,dieses Geld durch Geldwäsche zu legalisie-ren. Die Geldwäsche verdankt ihren Namen denMafiageldern, die im Chicago der zwanzi-ger Jahre in einer Kette von Waschsalonsweiss gewaschen, d.h. als fingierter Umsatzder Waschsalons gebucht wurden. Das Geldfand auf diese Weise den Weg in den lega-len Wirtschaftskreislauf. Das Verfahren hatsich bis heute nicht geändert : Man speistseine illegalen Gelder in legale Unterneh-men ein, deren Einkünfte schwer nachzu-weisen und einzuschätzen sind: Restau-rants, Diskotheken, Hotels, Kunsthandel,Beratungsdienstleistungen usw. Man buchtdas Geld als Umsatz und transferiert das solegalisierte Geld in einem nächsten Schrittauf ein Bankkonto in einem anderen Land,setzt das Geld so in Bewegung, um weitereSpuren zu verwischen. Ist das Geld erst mal über mehrere Stationen als Buchgeld geflossen, hat vielleicht die eine oder ande-re Bankstation in Ländern ohne strikte Auf-sicht der Banken durchlaufen und wurdedabei in viele kleinere Summen zerstückelt,kehrt es schliesslich nach Europa zurück.Die Illegalität des Geldes kann nur nochsehr schwer rekonstruiert werden. Ist das il-legale Geld einmal in Buchgeld gewandelt,d.h. irgendwo auf der Welt auf ein Bank-konto transferiert, kann die Herkunft desGeldes durch zahlreiche und verschlunge-ne Buchungen verschleiert werden, sodass

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die ursprüngliche Geldquelle nur noch sehrschwer identifiziert werden kann. Das ge-waschene Geld wird anschliessend in lega-le wirtschaftliche Tätigkeiten überführt. Eswird beispielsweise in Aktien investiert,zum Kauf von oder zur Beteiligung an Fir-men verwendet.Die Bekämpfung von Geldwäsche ist welt-weit zu einer der grössten Herausforde-rungen der Finanzmärkte geworden. DieOECD schätzt, dass einige hundert Milliar-den US-Dollars an kriminellen Erträgenjährlich in den Finanzkreislauf eingespeistwerden. Die mit illegalem Geld getätigtenlegalen Investitionen (z.B. in Bauunterneh-men) sichern den Unternehmen beträcht-liche Vorteile im Konkurrenzkampf. Unter-nehmen, die ehrlich arbeiten, sind auf Ge-winne angewiesen. Unternehmen, die mitgewaschenem Geld gestützt werden, könnenPreisdumping betreiben, sie sind schliess-lich nur Fassaden. Ihnen reicht es bereits,wenn sie die Verluste nicht allzu gross werdenlassen. Finanzielle Löcher können schliess-lich mit neuen zu waschenden Geldern ge-stopft werden. In vielen – auch europäischen– Ländern sind auf diese Weise bereits ganzeBranchen zu beträchtlichen Teilen in dieHand mafioser Gruppierungen geraten.Geldwäsche in der genannten Grössenord-nung bedroht darüber hinaus die Finanz-märkte unmittelbar, weil das aus Gründender Verschleierung permanent um den Glo-bus transferierte Geld die Kurse von Aktienund die Stabilität von Währungen beein-flussen kann. Der Internationale Währungs-fonds vermutet, dass bis zu fünf Prozent der globalen Wirtschaftsleistung gewa-schen wurde. Das entspräche etwa 600 Mil-liarden US-Dollar. 80 Prozent dieser Gelder,so eine Schätzung der Uno, stammt ausDrogengeschäften.

In der Schweiz gibt es seit 1998 ein strengesGeldwäschereigesetz, das die Banken dazuverpflichtet, die Herkunft von Geldern zukontrollieren und den wirtschaftlich Begüns-tigten festzustellen. Dieses «Know Your Cus-tomer»-Prinzip gehört zu den tragendenPfeilern der Prävention von Geldwäsche. Dasoberste Ziel ist es, den Besitzer des Geldesaus seiner Anonymität zu holen, um so dieVerschleierung illegaler Geldquellen zu er-schweren bzw. aufdecken zu können.Moderne Zahlungsverkehrssysteme erleich-tern die Anonymisierung von Geldquellenund ermöglichen eine endlose Aneinander-reihung von Buchungen, welche sowohl dieHerkunft als auch die eigentliche Höhe derursprünglichen Summe ins Dunkle taucht.Das Phänomen der Geldwäsche wird in Zu-kunft einen entscheidenden Einfluss auf dieWeiterentwicklung von Zahlungsverkehrs-systemen und die Banken als deren Betrei-ber haben.

Im Juni 1974 kommt es in der Bundesrepub-lik Deutschland zur grössten und folgen-schwersten Bankinsolvenz seit Kriegsende.Die 1956 gegründete, als I. D. Herstatt KGaAfirmierende Bank mit Iwan D. Herstatt alspersönlich haftendem Gesellschafter stürztüber Devisenspekulationen. Die bis Anfangder siebziger Jahre als kleine Regionalbankagierende Herstatt-Bank tätigt grossvolumi-ge Devisengeschäfte, mit denen man aufeine mittelfristige Abwertung des US-Dol-lars setzt. Da sich statt der Abwertung je-doch eine Aufwertung des US-Dollars ein-stellt, ergeben sich bereits im September1973 Verluste, welche die Höhe des haften-den Eigenkapitals um mehr als das Vierfa-che übersteigen. Bei einer Bilanzsummevon rund 2 Milliarden Deutsche Mark undhaftenden Eigenmitteln von nur 77 Millio-nen Deutsche Mark weist die Herstatt-Bankein Devisenengagement mit einem Volu-men von über 30 Milliarden Deutsche Markauf. Am 17. Mai 1974 beauftragt der Vorsitzendedes Verwaltungsrates, Hans Gerling, Ange-stellte seines eigenen Konzerns damit,selbstständig Untersuchungen im HauseHerstatt durchzuführen. Dabei werden An-fang Juni umfangreiche Buchungsmanipu-lationen bei der Eingabe der Devisenge-schäfte zur Verschleierung der Verluste –von damals festgestellten 60 Millionen Deut-sche Mark – analysiert. Am 14. Juni meldetder Chefdevisenhändler einen Verlust von64 Millionen Deutsche Mark, am gleichenAbend türmten sich schon 164 MillionenDeutsche Mark auf. Am nächsten Tag sindes 450 bis 520 Millionen Deutsche Mark. DieSpekulationsblase ist geplatzt. Eine Wochespäter werden Bundesaufsichtsamt undBundesbank informiert, am 26. Juni 1974wird das Bankhaus Herstatt während der

Die Einführung der Zug-um-Zug-Abwicklung

4.4

100

Schalterzeiten geschlossen. Diese Schlies-sung der Bank erfolgt nach Abschluss desClearings des deutschen Zahlungsverkehrs-systems. Zuvor haben Geschäftspartner ihren Teilder an diesem Tag fälligen Devisen-Trans-aktionen bereits beigetragen und DeutscheMark überwiesen, die über das Clearing be-reits als Eingang auf den Konten von Her-statt verbucht werden. Die Geschäftspart-ner erwarten die Erfüllung des Gegenge-schäfts durch Herstatt (Zahlung von US-Dollar) für den Nachmittag im amerikani-schen Clearingsystem CHIPS. Durch dieSchliessung der Bank fallen die Gegenzah-lungen aus. Die an Herstatt geleisteten Zah-lungen aber sind unwiderrufbar und gehenin die Konkursmasse ein. Durch die Nicht-erfüllung wird eine Vielzahl anderer Ban-ken in Deutschland und Europa in Mitlei-denschaft gezogen. Der Zusammenbruch einer Bank, so zeigtdas Beispiel Herstatt, führt das Risiko einesDominoeffekts mit sich und kann bei ent-sprechenden Volumina im Extremfall auchzum Zusammenbruch des gesamten Ban-kensystems führen (systemisches Risiko).Durch den fehlenden Eingang der Gegen-leistung kann eine betroffene Bank unterUmständen eigenen Verpflichtungen ge-genüber Dritten nicht mehr nachkommen,weil ihr schlicht das Geld fehlt. Durch diezunehmende Verzahnung der weltweitenDevisen- und Wertpapiergeschäfte stellt dieMöglichkeit eines Überschwappens auf dieZahlungsverkehrssysteme anderer Länderein zusätzliches Risiko dar. Es ist verständ-lich, dass die Architektur moderner Zah-lungsverkehrssysteme neben der Effizienzvor allem die Sicherheit gegen derartige Ri-siken in den Vordergrund stellt. Insbeson-dere die Wiedereinführung der Zug-um-Zug-

101

Abwicklung bei allen Transaktionen steht anerster Stelle der Bemühungen. Zug um Zugals der unmittelbare und direkte Austauschzweier Leistungen ist die Form, in der vorder Virtualisierung des Geldes Geschäfte ge-tätigt worden sind. Während heute Giralgeldlediglich noch zwischen Konten verschobenwird, hat der Kaufmann seine Waren früherdirekt gegen Geld getauscht. Zug um Zug ist wohl eines der ältestenPrinzipien des Handels – gerade dort, wodie Geschäftspartner sich zu wenig kennen,einander nicht vertrauen und der eine dieWare nur loslässt, wenn er in der anderenHand das Geld festhält. Herodot schreibtbeispielsweise über den Handel der Kartha-ger, sich auf einen Bericht der Karthagerselbst berufend: «Wenn sie dahin kämen, lüden sie ihre Waren aus, dann gingen siewieder in ihre Schiffe und machten einengrossen Rauch. Wenn nun die Eingeborenenden Rauch sähen, so kämen sie an das Meerund legten für die Waren Gold hin, unddann gingen sie wieder weit weg von denWaren, die Karthager aber gingen an dasLand und sähen nach, und wenn des Gol-des genug wäre für die Waren, so nähmensie es und führen nach Hause; wäre es abernicht genug, so gingen sie wieder an Bordund warteten ruhig ab. Dann kämen siewieder und legten noch immer etwas Goldzu, bis die Karthager zufrieden wären. Kei-ner aber betrüge den anderen, denn sierührten weder das Gold eher, als bis die Wa-ren damit bezahlt wären, noch rührten jeneeher die Waren an, als bis sie das Gold ge-nommen» (zitiert nach Karl Walker: DasGeld in der Geschichte, Zürich 1999, S. 9). Mit den modernen technologischen Mög-lichkeiten erscheint die Wiedereinführungder Prinzipien des «delivery versus payment»(Ware oder Wertpapiere gegen Geld) bzw.

«payment versus payment» (Geld, z.B. Devi-sen, gegen Geld) wieder möglich. Bedeu-tende Fortschritte werden dabei vor allemmit der Einführung von den RTGS-Systemenerzielt. Mit ihrer Hilfe lassen sich systemi-sche Risiken wie das Herstatt-Risiko weit ge-hend ausschalten.

Devisen werden überall dort benötigt, wogrenzüberschreitende Geschäfte getätigtwerden und wo Touristen sich für Zahlungenin ihren Zielgebieten vorbereiten wollen.Darüber hinaus gewinnen Devisen auch fürAnlagegeschäfte eine immer grössere Be-deutung (grenzüberschreitender Kapitalver-kehr). Es ist längst nicht mehr üblich, Geld-und Kapitalanlagen bloss im Heimmarktund in der Heimwährung vorzunehmen,sondern im Sinne einer Risikostreuung überverschiedene Märkte und Währungen zuverteilen. Die täglichen Devisenumsätze sindvon etwa 80 Millionen US-Dollar 1980 aufheute etwa 3,5 Billionen US-Dollar täglichangewachsen. Die Abwicklung dieser Devi-sentransaktionen verursacht einerseits hoheKosten, andererseits sind auch die Abwick-lungsrisiken enorm.

Erfüllungsrisiken bei Devisen-transaktionen

Das bisher übliche Vorgehen läuft stets nachdemselben Muster ab. Die Transaktion be-steht aus zwei getrennten Zahlungen. DerKäufer überweist eine Geldsumme in einerWährung und erhält dafür eine entspre-chende Summe einer anderen Währung.Man spricht von einer «zweibeinigen Trans-aktion» (two legs of a foreign exchange sett-lement instruction). Diese beiden «Beine»eines Abschlusses werden in der Regel ge-trennt verarbeitet. Sie werden zudem nichtgleichzeitig ausgeführt, sondern erfolgen –bedingt durch technische Restriktionen undunterschiedliche Öffnungszeiten – zeitlichversetzt, sodass die ausführende Bank einbeträchtliches Risiko übernimmt. Die Erfül-lung von Devisenabschlüssen wird über dienationalen Zahlungsverkehrssysteme der ge-kauften bzw. verkauften Währung vollzo-

Die Abwicklung von Devisen-geschäften

4.5

102

gen. Da eine Abstimmung der Systeme nichtmöglich ist und Abschlüsse häufig Währun-gen unterschiedlicher Zeitzonen betreffen,stimmen die Zeitpunkte der Zahlungen nichtüberein, d. h., sie erfolgen nicht parallel, son-dern fallen auseinander. «Foreign exchange settlement risk» (Erfül-lungsrisiko) oder auch «Herstatt-Risiko» ent-steht, wenn einer der Beteiligten nicht dieSumme erhält, die er eigentlich erwartethatte. Der Grund kann in einer technischenPanne oder in der fehlenden Zahlungsfähig-keit des Transaktionspartners liegen, derseine entsprechende Gegenleistung dadurchnicht erbringen kann. Die unwiderruflicheZahlung ist erfolgt, die Zahlung der Gegen-partei erfolgt zu spät (Liquiditätsrisiko) odersie bleibt ganz aus (Kreditrisiko). Somit be-inhaltet das Kreditrisiko den vollen Betrag einer Zahlungsseite eines Devisengeschäfts.Dieses Risiko wird heute noch in vielenBanken stark unterschätzt. Dabei steigenmit der Höhe des Transaktionsvolumens imDevisenhandel die Folgen von Zahlungs-ausfällen deutlich. Dies kann zu einem Do-minoeffekt führen, der die miteinander ver-netzten Kreditinstitute und nationalen Fi-nanzsysteme gleichermassen zum Wankenbringt (systemisches Risiko). Die bereits be-schriebene Schliessung der Herstatt-Bankim Juni 1974 basiert auf umfangreichen De-visentransaktionen, die aus dem Ruder lau-fen. Vor der Schliessung haben die Gegen-parteien ihre an diesem Tage fälligen Zah-lungen in Deutscher Mark unwiderruflichgezahlt mit der Erwartung, die von Herstattfälligen US-Dollars am selben Tag zu erhal-ten – was bekanntlich nicht mehr geschah. Einen weiteren spektakulären Fall stellt derZusammenbruch der Baring Bank 1995 dar.Der völlig unvorhergesehene Zusammen-bruch von Baring Brothers im Februar 1995

103

führt zu erheblichen Problemen im ECU-Clearing. Eine am ECU-Clearing beteiligteBank hat eine ECU-Zahlung zugunsten Ba-ring Brothers eingereicht, die einige Tagespäter ausgeführt werden soll. Als die Er-nennung eines Insolvenzverwalters für Ba-ring öffentlich wird, ist die Insolvenz offen-sichtlich. Deshalb will die genannte Bankdie Zahlung zurücknehmen, muss aber fest-stellen, dass die bestehenden Regeln desECU-Clearingsystems das nicht vorsehen.Die Bank hat keine Möglichkeit. Aufgrunddieser Ausgangslage wird sie gezwungen,die am Tagesende resultierende Netto-De-bitposition durch die Aufnahme eines Kre-dites auszugleichen. Erst dadurch wird dasClearing im gesamten System möglich: 50Milliarden ECU zwischen 45 beteiligtenBanken können erst jetzt gezahlt werden.Die Beispiele Herstatt-Bank und Baring-Bank zeigen, wie rasch sich die Folgen eineseinzelnen Ereignisses auf das gesamte Fi-nanzsystem übertragen. Der Zeitraum, indem für eine Partei das Erfüllungsrisiko be-steht, ist oftmals sehr lang. Er variiert in er-heblichem Ausmasse aufgrund unterschied-licher Zeitzonen, abweichender Öffnungs-zeiten der Zahlungsverkehrssysteme undVerarbeitungsgeschwindigkeiten. Untersu-chungen der Bank für Internationalen Zah-lungsausgleich (BIZ) zeigen, dass in mehrals 80 Prozent der Fälle der Zeitraum grös-ser als 24 Stunden ist. Selbst in der gleichenZeitzone gelingt es nur in der Hälfte der Fälle, diese 24 Stunden zu unterschreiten.Fälle, in denen die Gegenzahlung auch dreiTage später noch nicht vollständig abge-schlossen und abgestimmt ist, stellen keineSeltenheit dar. Die aus unterschiedlichenZeitzonen und Öffnungszeiten resultieren-den Referenzzeiträume, also der Zeitraum,in dem die Abwicklung normalerweise ab-

geschlossen sein sollte, wird in etwa dreiViertel aller Fälle um zwölf bis 48 Stundenüberschritten. Der 1996 veröffentlichte erste Bericht derBIZ zeigt deutlich, dass in der Abwicklungvon Devisengeschäften noch immer sehrhohe Risiken bestehen und diese von denbeteiligten Banken und Instituten in der Re-gel unterschätzt werden. Zwar zeigt sichüber die Jahre eine deutliche Verbesserung,dennoch sind Devisenhandelsabschlüssemeist mit einem Kreditrisiko von mindestenseiner Nacht bis zu mehreren Tagen verbun-den, in denen die Erfüllung durch die Ge-genseite nicht garantiert ist. Trotz erfolgrei-cher Verbesserungen der Finanzinstitute in der Risikovorsorge beurteilt die BIZ dieEinschätzung des Ausmasses des Ausfall-risikos und der tatsächlich auftretendenWartezeiten durch viele Banken als syste-matisch zu gering.

Das Continuous-Linked-Settlement- System

Welche Lösungsmöglichkeiten zum Ent-schärfen dieser Risiken gibt es? Um das Risiko bei Devisenhandelsgeschäften zu re-duzieren, werden von Banken und beteilig-ten Zentralbanken wie auch im nationalenZahlungsverkehr Prozesse favorisiert, dieeine Zug-um-Zug-Abwicklung gestatten, und eine Zahlung dann und nur dann er-folgt, wenn die Zahlung der gekauftenWährung ebenso final wird (payment versuspayment).Im Jahre 1995 entschliessen sich die zwanzigbedeutendsten Devisenhandelsbanken derWelt, die so genannte Group of 20 (G-20),ein Konzept zur Ausschaltung des Erfül-lungsrisikos zu entwickeln: Das Resultat derAnalysen ist das Konzept für ein Continuous

Linked Settlement, CLS. Im Juli 1997 wird vonder Group of 20 die CLS Services Ltd. ge-gründet, die später zusammen mit der CLSBank in New York unter einer schweizeri-schen Holdinggesellschaft zusammenge-fasst wird, mit mehr als 60 Banken als Ak-tionären (darunter UBS, CS und ZKB). Zielvon CLS ist es, Payment-versus-Payment-Settlement für Devisentransaktionen anzu-bieten, und dadurch das Erfüllungsrisiko zureduzieren bzw. zu eliminieren. Die Abwick-lung der Devisengeschäfte erfolgt durch si-multane Verbuchung auf Konten bei der aus-führenden Bank, CLS Bank, in New York. Diefederführende Überwachung obliegt demFederal Reserve System (in diesem Fall derFederal Reserve Bank of New York), die ih-rerseits die Zentralbanken der involviertenWährungen einbezieht.Im Vorfeld der Entwicklung von CLS wer-den verschiedene Lösungsvarianten disku-tiert. Das System soll auf jeden Fall sicher-stellen, dass ein Geschäft Zug um Zug abge-wickelt wird (delivery versus payment bzw.payment versus payment). Darüber hinausmuss eine hohe Verfügbarkeit von Informa-tionen über den Status von Zahlungen wäh-rend des gesamten Zyklus sichergestelltsein. Zudem soll auch die Liquiditätsbean-spruchung in den nationalen Zahlungsver-kehrssystemen der Zentralbanken so geringwie möglich gehalten und die Geldpolitikdieser Zentralbanken nicht gestört werden.Für das neu zu schaffende System werdendrei Varianten genauer geprüft.

1. Verbindung der nationalen Zahlungs-systeme aller WährungenIn dieser Lösung sind die nationalen RTGS-Systeme der verschiedenen Währungenmiteinander derart verbunden, dass dieZahlung des Käufers einer Währung erst

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ausgeführt wird, wenn auch die Zahlungdes Käufers der anderen Währung auf-geführt werden kann. Ein derartiger welt-weiter Verbund der RTGS-Systeme wirdals nicht machbar beurteilt. Einerseitssind nicht alle Devisen handelnden Ban-ken direkte Teilnehmer der RTGS-Systemealler Währungen, die sie handeln. Alsomüssen in den Verbund auch die Korres-pondenzbanken dieser Devisenhandels-banken einbezogen werden. Zudem bringtdie Koordination der Abwicklung unlös-bare Liquiditätsprobleme mit sich (Zah-lung aus Geschäft A wartet im RTGS-System der Währung 1 auf die Gegenzah-lung im RTGS-System der Währung 2; imRTGS-System der Währung 2 muss aberzuerst eine Zahlung aus DevisengeschäftB abgewickelt werden, die ihrerseits aufdie Gegenzahlung im RTGS-System derWährung 1 wartet).

2. Multi-Währungs-Net-SettlementZunächst werden alle Zahlungsverpflich-tungen global und multilateral gegenein-ander aufgerechnet. Die verbleibendenNettopositionen werden daraufhin in lo-kalen RTGS-Systemen ausgeführt, wobeizur Elimination der Kreditrisiken zuerstalle Einzahlungen erfolgen müssen, be-vor die Auszahlungen erfolgen können.In einem solchen System ist es erforder-lich, dass in den RTGS-Systemen allerWährungen genügend Liquidität vorhan-den ist, um die Nettoeinzahlungen allerBanken zu decken. Dies beanspruchthohe Liquiditätsspitzen. Simulationenmit echten Handelsumsätzen zeigen,dass die erforderliche Liquidität nicht inallen Währungen vorhanden ist (z.B. istgegenüber Nettoeinzahlungen von biszu 10 Milliarden Schweizer Franken nur

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eine Liquidität von 2 bis 3 MilliardenSchweizer Franken verfügbar).

3. Multi-Währungs-RTGS (ContinuousLinked Settlement, CLS)In diesem Ansatz erfolgt die Abwicklungunabhängig und vollständig getrennt vonlokalen RTGS-Systemen. Für die Ausfüh-rung wird eine spezielle Bank (CLSBank) eingeschaltet, die das Settlementder Devisengeschäfte durch simultaneVerbuchung auf bei ihr geführte Wäh-rungskonti vornimmt. Alle Teilnehmerverfügen bei der CLS Bank über ein Kon-to, das in Subkonti pro Währung aufge-teilt ist. Da jedes Settlement eines Devisen-geschäfts zu je zwei simultanen Gut-schriften und Belastungen der Währungs-subkonten der Handelspartner führt,kann das aus der Gutschrift resultieren-de Guthaben als Sicherheit für den sichaus der Belastung ergebenden Sollsaldoherangezogen werden. Damit die Haben-saldi auf Währungssubkonten als Sicher-heit zur Deckung von Sollsaldi derselbenBank sicher ausreichen, werden bei derBewertung der Habensaldi Sicherheits-abschläge (so genannte«haircuts») zur Be-rücksichtigung möglicher Schwankungender Devisenkurse berücksichtigt. JedeBank muss daher auf ihrem Konto beider CLS Bank zu jeder Zeit einen «net po-sitive value» aufweisen. Die Ausführungvon Instruktionen erfolgt nur, wenn beideHandelsparteien ausreichend Deckungauf ihrem Konto aufweisen (Zahlung ge-gen Zahlung).Zur Sicherstellung der Liquidität sind so genannte «short position limits» definiert.Eine Bank kann ihr Währungssubkontonur bis zu dieser Limite beanspruchen.Der Ausgleich der Währungssubkonti er-

folgt durch schrittweises Einzahlen vonBeträgen via die RTGS-Systeme der ein-zelnen Währungen. Mit jeder Einzah-lung kann die CLS Bank eine Auszah-lung in einer anderen Währung zuguns-ten des einzahlenden Teilnehmers inähnlicher Grössenordnung vornehmen.Gleichzeitig kann die CLS Bank den ein-bezahlten Betrag zur Auszahlung an ei-nen anderen Teilnehmer verwenden. ImGegensatz zur ersten Lösungsvariantebeschränkt sich bei CLS somit der Koor-dinationsbedarf zwischen den Zahlungs-verkehrssystemen der einzelnen Wäh-rungen auf die Nettopositionen des Ta-ges und wird durch die CLS Bank sicher-gestellt. Und im Gegensatz zur zweitenLösung müssen die geschuldeten Netto-positionen nicht in einem Betrag einge-zahlt werden, sondern die Einzahlungenkönnen schrittweise erfolgen – und dieWiederauszahlung wird von der CLSBank ebenfalls in Schritten vorgenommen.Die Liquiditätsbeanspruchung in den natio-nalen Märkten der einzelnen Währun-gen ist somit viel geringer. Kann eineBank ihren Einzahlungsverpflichtungenwährend des Tages nicht nachkommen,hat die CLS Bank Vereinbarungen mit sogenannten «Liquidity Providers» abge-schlossen, die gegen Hinterlage der Gut-haben der nicht einzahlenden Bank diebenötigte Währung zur Verfügung stel-len.

CLS hat am 9. September 2002 nach einerschwierigen, mit Verzögerungen verbunde-nen Entwicklungszeit und nach umfassen-den Tests erfolgreich den Betrieb aufgenom-men. CLS Bank stellt die Zug-um-Zug-, Pay-ment-versus-Payment-Abwicklung von De-visengeschäften sicher und stellt Verbin-

dung zu den RTGS-Systemen der einzelnenWährungen für die Abwicklung der Ein-und Auszahlungen sicher. Dank der siche-ren Erfüllung der einzelnen Geschäfte aufBruttobasis und der Liquiditätsbeanspruchungfür die Einzahlungen auf Nettobasis stellt dieCLS-Lösung eine gut gelungene Kombina-tion der Vorteile von Brutto- und Netto-systemen dar. Zunächst sind sieben Währun-gen (US-Dollar, Euro, Schweizer Franken, Japanische Yen, Kanadische Dollar, Austra-lische Dollar und Pfund Sterling) ange-schlossen. Weitere Währungen (Neuseelän-dische Dollar, Singapur Dollar, Hong KongDollar, Norwegische Kronen, DänischeKronen, Schwedische Kronen usw.) werdenfolgen.

Beispiel einer Devisentransaktion über CLS

Angenommen, die UBS benötigt für ihreKunden Australische Dollar (AUD), die siegegen Schweizer Franken (CHF) erwerbenwill. Sie hat einen besonders vorteilhaftenWeg gefunden, indem sie sich die AUD aufdem Weg über US-Dollar (USD) beschafft(im Devisenhandel ist der USD häufig dieReferenzwährung). Die UBS kauft also beieiner Gegenpartei A USD gegen CHF undverkauft bei einer weiteren Gegenpartei Bdie USD wieder gegen AUD. Die beteiligtenParteien bestätigen einander diese Ge-schäftsabschlüsse wie im Devisenhandelüblich via SWIFT. Die UBS und ihre beidenGegenparteien sind alle drei an CLS ange-schlossen und haben die Erfüllung der Ge-schäfte via CLS vereinbart. Zusätzlich zurBestätigung an die Gegenpartei erteilen siegleichzeitig CLS den Auftrag, das Settlementder Geschäfte vorzunehmen.

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1. Schritt : CLS wird die eingegangenen Inst-ruktionen abgleichen (matching) unddas Geschäft zur Abwicklung vormer-ken, sofern übereinstimmende Instruk-tionen der Parteien für den oben erwähn-ten Handel vorliegen (Devisengeschäfteim so genannten Spot-Handel werdenüblicherweise zwei Tage nach dem Han-delstag erfüllt, d. h. Settlement T+2).

2. Schritt : Um einen positiven Mindestsal-do (net positive value) auf ihrem Kontobei der CLS zu haben, zahlen die betei-ligten Banken zu Beginn des Settlement-tages einen kleinen Betrag via ein RTGS-System in die CLS Bank ein. So zahlt z.B. die UBS via SIC zugunsten ihresKontos bei der CLS Bank einen Betrag inCHF ein.

3. Schritt : CLS kann nun mit dem Settle-ment der Devisengeschäfte beginnen.Falls auch nach dem Settlement für diebeteiligten Parteien ein «net positive va-lue» vorliegt, wird die CLS Bank:– die UBS mit CHF belasten und USD

gutschreiben, – die Gegenpartei A mit CHF gutschrei-

ben und mit USD belasten,– die Gegenpartei B mit USD gutschrei-

ben und mit AUD belasten und schliess-lich

– die UBS mit USD belasten und AUDgutschreiben.

Auf den Währungssubkonti der UBS bestehtnun ein Sollsaldo in CHF und ein Habensaldoin AUD, während das USD-Subkonto aus-geglichen ist. Gegenpartei B muss via dasaustralische RTGS AUD einzahlen, um sei-ne USD ausbezahlt zu bekommen, Gegen-partei A muss via Fedwire USD einzahlen,um die Auszahlung seiner CHF zu ermög-

4.6 Das Settlement im Wertschriften-geschäft

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lichen. Die UBS muss via SIC CHF einzah-len (die dann an Gegenpartei A ausbezahltwerden), um seine AUD zu erhalten (dievon Gegenpartei B einbezahlt worden sind).Die UBS muss, obwohl sie Geschäfte gegenUSD abgeschlossen hat, keine USD einzah-len, da sich die Geschäfte ausgleichen (aus-netten). Die Ein- und Auszahlungen kön-nen in mehreren Teilbeträgen erfolgen, umdie Liquiditätsbeanspruchung in den einzel-nen Märkten zu reduzieren.Die Einrichtung von CLS bedeutet für denglobalen Devisenhandel einen grossen Schrittfür den Aufbau sicherer Strukturen. Durchden Einbezug so genannter Third Partieskönnen sich alle Banken via «SettlementMembers», den direkt an CLS teilnehmen-den Banken (Aktionäre von CLS), ans CLS-System anschliessen. Das CLS-System er-möglicht eine erhebliche Risikominderungbei Devisengeschäften. Mit der Einführungdes CLS-Systems ist die Hoffnung verbun-den, eine Ausweitung auf das Settlementweiterer Finanzgeschäfte (Geldmarkt, Effek-tenhandel) zu ermöglichen, um damit die in-ternationale Liquidität zu konzentrieren so-wie eine besonders sichere und effizienteGeschäftsabwicklung sicherzustellen.

Das Wissen der Experten von Zentralban-ken und Finanzinstituten um die mit derAbwicklung von Devisengeschäften undEffektentransaktionen verbundenen Risi-ken hat die Erkenntnis reifen lassen, dasseine Wiedereinführung der Zug-um-Zug-Abwicklung zur Risikominderung gebotenist. Im reinen Zahlungsverkehr wird diesdurch RTGS-Systeme gewährleistet. Im De-visenhandel ermöglicht CLS eine Payment-versus-Payment-Abwicklung.

Die Integration von SWX, SEGA und SIC

Auch im schweizerischen Effektengeschäfthat sich inzwischen eine Lösung etabliert,welche dem Prinzip «Lieferung gegen Zah-lung» (delivery versus payment) folgt und da-bei die Zahlung mit Zentralbankgeld er-laubt. Die Basis für diese Einführung der Zug-um-Zug-Transaktionen legt die beschriebene Ver-knüpfung von der SEGA und dem Banken-clearing bei der Nationalbank im Jahr 1982.Erstmals können der Handel und das Be-zahlen von Effekten miteinander verknüpftwerden. Die asynchrone Abwicklung derWertschriften und der Geldseite vermag al-lerdings nicht alle Risiken zu eliminieren,da eine Rückabwicklung (unwinding) nichtausgeschlossen werden kann. Erst mit derInbetriebnahme von Echtzeit-Abwicklungs-systemen im Zahlungsverkehr (SIC) und fürWertschriften (SECOM) ist im Jahr 1993 die notwendige informationstechnologischeVoraussetzung für Zug-um-Zug-Transaktio-nen mit Effekten gegeben. Zusätzlich wird 1994 der Effektenhandelmit der Inbetriebnahme der ElektronischenBörse Schweiz (EBS) – heute SWX Swiss Exchange und nach dem Übertrag des Blue-Chips-Handels nach London virt-x – auf

eine elektronische Plattform übernommen.Die EBS ersetzt den persönlichen Ringhan-del an den bis dahin bestehenden drei Bör-senplätzen Genf, Basel und Zürich durcheine einzige nationale Börse. Im März 1995wird eine Verbindung zwischen SECOMund SIC hergestellt. Damit ist in derSchweiz eine vollautomatische Abwicklungdurch alle Phasen einer Wertschriftentrans-aktion, beginnend mit dem Handel (SWX)über die Abwicklung des Wertschriften-übertrags (SIS/SECOM) bis zur Bezahlung(SIC) sichergestellt (Swiss Value Chain).Heute wird in der Schweiz das Wertschrif-tensettlement durch die SIS SegaInterSettleAG übernommen. SIS ging 1999 aus der Fu-sion von SEGA mit der Intersettle hervor.SEGA war zuvor für das Deponieren, Settle-ment und Clearing schweizerischer Effektenzuständig, die Intersettle hingegen für dasAuslandgeschäft. Die SIS ist Teil der SIS Financial Services Group, welche sich,ebenso wie die Telekurs Group, im Besitzder Banken in der Schweiz befindet. SISwickelt im Jahr 2001 Transaktionen im Wertvon 6,5 Billionen Schweizer Franken mit 17 000 verschiedenen schweizerischen undfast 55 000 ausländischen Valoren ab. SISfungiert darüber hinaus als zentrale schwei-zerische Depotstelle und übernimmt dieAbwicklung aller Börsen- und Ausserbör-sengeschäfte in der Schweiz. Der Wert der vonSIS als zentrale Depotstelle (Central Securi-ties Depository, CSD) verwahrten schwei-zerischen Wertpapiere hat zwischenzeitlichzwei Billionen Schweizer Franken erreicht. Konkret geht die Abwicklung eines Effek-tenhandelsgeschäfts in der Swiss Value Chainwie folgt vonstatten. Übermittelt eine Bankeinen Verkaufsauftrag über bestimmte Ak-tien an das elektronische BörsensystemSWX, so beginnt dieses mit der Suche nach

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einem passenden Kaufauftrag. Ist der Ver-kaufsauftrag mit einem Kaufgesuch «ge-matcht», stimmen also der geforderte undder angebotene Preis überein, wird eineelektronische Bestätigung der Transaktionan die beiden Parteien übermittelt. DieNachricht über den Abschluss wird eben-falls ans SECOM der SIS übermittelt. DerAuftrag wird bis zum Tage der Abwicklunggespeichert (üblicherweise erfolgt die Erfül-lung von Effektengeschäften an der SWXbzw. virt-x drei Tage nach dem Abschluss-tag, auch als T+ 3 bezeichnet). Die beteilig-ten Parteien können die Transaktion nichtmehr verändern und brauchen deren Ab-wicklung auch nicht mehr separat an SIS zuinstruieren: Der Trade ist locked in.Am Tage der Abwicklung prüft SECOM, obdie verkaufende Bank in ihrem Depot beider SIS über die notwendige Anzahl Wert-schriften des verkauften Valors verfügt.Diese werden für die Transaktion reserviert.Stehen die notwendigen Wertpapiere nichtzur Verfügung, wird das Geschäft – gleichwie im SIC – in eine Wartedatei überführtund der Eingang laufend geprüft. Hat derKäufer am Tagesende noch immer keinenausreichenden Wertschriftenbestand, wirddas Geschäft zu Beginn des nächsten Tageserneut zu verarbeiten versucht. Sind dienotwendigen Wertschriften im Depot desVerkäufers vorhanden, sendet SECOM au-tomatisch einen Zahlungsauftrag an SIC.Dort wird im ersten Schritt geprüft, ob dasSIC-Konto des Käufers ausreichend Liquidi-tät aufweist, um das abgeschlossene Ge-schäft zu bezahlen. Ist dies der Fall, erfolgendie Belastung des SIC-Kontos des Käufersund die Gutschrift auf dem SIC-Konto desVerkäufers. Mit der erfolgreichen Übertra-gung des Kaufpreises sendet SIC wiederumeine Nachricht an SECOM, wo der defini-

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tive Übertrag der vorher reservierten Wert-schriften erfolgt. Abschliessend werden diebeiden Parteien via SECOM über die erfolg-reich abgeschlossene Abwicklung infor-miert.Somit garantiert das in der Schweiz vor-zufindende Modell durch seine nahtloseVerbindung von elektronischer Börse(SWX, virt-x und Eurex), zentraler Depot-stelle (SIS) und Zahlungsverkehrssystem(SIC) bei allen Transaktionen unwiderrufba-re Lieferung gegen Zahlung (selbstverständ-lich nur unter der Voraussetzung einer ent-sprechenden Deckung auf beiden Seiten derTransaktion). SIS spricht dabei von SFIDVP:Simultaneous, final and irrevocable deliveryversus payment. Das Kreditrisiko, das durcheine mögliche Zahlungsunfähigkeit desTransaktionspartners hervorgerufen werdenkann, ist ausgeschaltet, da die Swiss ValueChain eine unwiderrufliche und finale Liefe-rung gegen Zahlung garantiert. Hingegen

trägt der Verkäufer der Wertschriften ein Li-quiditätsrisiko, das durch die zeitliche Deh-nung des gesamten Vorgangs zu erklärenist. Ausserdem verbleibt bei Käufer undVerkäufer ein Marktrisiko, falls die Abwick-lung gar nicht zustande kommt. Wird vorder Abwicklung einer der Partner zah-lungs- oder lieferunfähig, dann garantiertdas Zug-um-Zug-Prinzip die Verhinderungdes Kreditrisikos. Das ganze Geschäft wirdnicht abgewickelt. Über 99 Prozent der anSWX (bzw. für Blue Chips an der virt-x) ab-geschlossenen Geschäfte werden im Rah-men der Swiss Value Chain am vorbestimm-ten Tag (in der Regel T+3) erfüllt, die übri-gen jeweils innert weniger weiterer Tage.Die Settlement-Disziplin in der Swiss ValueChain ist damit im weltweiten Vergleich sehrhoch.Für Handel mit Derivaten haben die Deut-sche Börse AG und die SWX Swiss Exchan-ge beschlossen, eine gemeinsame Plattform

Abbildung 14: Die SWX-SECOM-SIC-Verbindung (Swiss Value Chain)

Händler HändlerSWXHandelssystem

Kauf

Ausführung

Verkauf

Ausführung

Abwicklungs-system der SIS

System AG

SIC/euroSIC

Zahlungssysteme

SECOM

locked-inTrades

unwiderrufliche TransaktionEchtzeit (Realtime)

Statusmeldung Statusmeldung

Zahlungsströme auf Basis einesEchtzeitbruttosystems

zu schaffen. Eurex stellt diese Vereinigungder Deutschen Terminbörse (DTB) und derSwiss Options and Financial Futures Ex-change (SOFFEX) dar. Sie wird 1998 einge-führt. Eurex dient als gemeinsame Handels-und Clearingstelle. Auf der gemeinsamenPlattform wird heute ein Derivatehandelfür eine Vielzahl von Produkten betrieben.Eurex ist heute die Nummer eins im welt-weiten Derivatehandel. Über 430 Teilneh-mer aus 16 europäischen Ländern und denUSA sind daran angeschlossen. 2001 wer-den 674 Millionen Kontrakte über Eurex ge-handelt.Die Teilnehmer müssen für ihre GeschäfteSicherheiten hinterlegen, deren Höhe dieEurex festlegt. Das Delivery-versus-Pay-ment-Prinzip findet auch bei der Eurex An-wendung. Die vollautomatische Abwick-lung des Derivatehandels, beginnend mitdem Handel und endend mit der Erfüllungausgeübter Kontrakte, ist durch die Einbin-dung der Abwicklungsstellen in der Schweiz(SIS) und in Deutschland (Clearstream) ge-währleistet.

Die Bedeutung des Repos für denZahlungsverkehr

Die zentrale Aufgabe der SchweizerischenNationalbank besteht in der Sicherung derPreisstabilität durch eine entsprechendeSteuerung der Geldmenge. Sie tut dies, in-dem sie den Preis des Geldes, den Zins,steuert. Niedrige Zinsen sorgen dafür, dassdie Nachfrage der Wirtschaft nach Geld – inForm von Krediten – wächst. Das Ziel be-steht darin, durch die eigene Produktionvon Gütern und Dienstleistungen einen Er-trag zu erwirtschaften, der über den zu zah-lenden Zinsen für das geliehene Geld liegt.Bei wachsender Nachfrage nach Geld kommt

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es allerdings irgendwann zu einer Überlas-tung der Wirtschaft. Es wird zu viel inves-tiert, sodass die Nachfrage die produzierba-re Menge an Gütern und Dienstleistungenübersteigt. In diesem Fall bremst die Natio-nalbank durch die Erhöhung der Zinsen dieNachfrage nach Geld. Wenn die Zinsen stei-gen und die Erträge sinken, wird es für Un-ternehmen früher oder später uninteres-sant, weiter zu investieren. In der Schweiz erfolgt die geldpolitischeSteuerung des Zinses in erster Linie überden wirtschaftlich bedeutendsten Geldmarkt-satz für Anlagen in Schweizer Franken, denDreimonats-Libor. Diesen Dreimonats-Liborbeeinflusst die Nationalbank über kurzfris-tige Repogeschäfte. Diese stellen das Instru-ment dar, mit denen sich die Geschäftsban-ken ihrerseits die finanziellen Mittel zurKreditvergabe beschaffen: Die Banken ver-kaufen Wertpapiere an die Nationalbankund verpflichten sich zugleich, Papiere dergleichen Art und Menge zu einem fixiertenspäteren Zeitpunkt zurückzukaufen. ImGegenzug erhalten die Banken die den Pa-pieren entsprechende Liquidität. Für diesesDarlehen der Nationalbank entrichten sieeinen Zins. Die Steuerung dieses Zinses istdas zentrale geldpolitische Instrument derNationalbank. Die Laufzeit von Repos liegtin der Regel zwischen einem Tag und einigenWochen. Die Abwicklung der Repogeschäfteerfolgt bei Abschluss und Auflösung voll-automatisch (Lieferung gegen Zahlung) viaSIS und SIC.Repogeschäfte erfüllen allerdings nicht nureine geldpolitische Funktion. Sie sind zu-gleich ein wichtiges Instrument im Rahmendes Zahlungsverkehrssystems. Zur Erinne-rung: Bruttosystemen wie dem SIC fehlt dieMöglichkeit der Kontoüberziehung. Bei un-genügender Deckung wird die Auslösung

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einer Zahlung verhindert. Dies kann eineKettenreaktion auslösen, da die Verhinde-rung der Zahlung bei der ursprünglichenEmpfängerbank zur Unterdeckung führt,sodass eventuell weitere Zahlungen dieserBank an Dritte nicht ausgeführt werdenkönnen. Es ist daher für den reibungslosenAblauf von SIC wichtig, dass eine den zuleistenden Zahlungen entsprechende Liqui-dität auf dem Zentralbankkonto der auf-traggebenden Bank vorgehalten wird. Wenn die Notwendigkeit besteht, die not-wendige Liquidität kurzfristig zu beschaf-fen, können die Geschäftsbanken auf dasRepogeschäft zurückgreifen. Genauer: Siebeschaffen sich eine so genannte Innertages-Liquidität und verpflichten sich, die Wertpa-piere am Ende des Tages zurückzukaufen.

Die Bereitstellung der Liquidität durch dieNationalbank erfolgt in einem solchen Fallzinslos. Die Banken haben zweimal täglichdie Möglichkeit, Innertages-Liquidität zu be-ziehen. Um 16.00 Uhr können Repogeschäftefür den folgenden Bankwerktag getätigtwerden. Die Liquidität wird um 18.00 für Ge-schäfte des folgenden Tages bereitgestellt.Um 8.00 Uhr am Morgen können Repoge-schäfte für den gleichen Tag getätigt werden.Die Liquidität wird dann unmittelbar nachder Zuteilung im SIC gutgeschrieben. DieAuflösung von Innertages-Repos ist in derFolge jederzeit bis zum Tagesende möglich.Durch diese Form der Geldbeschaffung ge-lingt es, das Liquiditätsmanagement der Ban-ken deutlich zu optimieren und einen opti-malen Ablauf des SIC zu gewährleisten.

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Die Welt des 21. Jahrhunderts hat mit derstabilen Industriegesellschaft des vergange-nen Jahrhunderts nur noch wenig zu tun.Nationale Grenzen verlieren an Bedeutung.Der Fall der Berliner Mauer 1989 ist der Be-ginn eines ökonomischen, politischen undkulturellen Zusammenwachsens der Welt.Die globale Vernetzung wird getragen vonden wachsenden Möglichkeiten der infor-mationstechnologischen Vernetzung. Raumund Zeit verlieren an Bedeutung. Währendder mittelalterliche Transport eines Wechselsvon Krakau nach Avignon mitunter ein Jahrin Anspruch genommen hat, werden heuteMilliardenbeträge in Bruchteilen von Se-kunden um die Welt transferiert. Das Inter-net steht für eine Veränderung der gesell-schaftlichen Wertschöpfung. Wissen wirdzum Wirtschaftsgut. 100 Jahre lang ist JohnRockefeller der reichste Mann der Welt, ab1996 ist es der Sultan von Brunei. Beide ver-danken ihren Reichtum dem Öl. Schon 1997wird er von Bill Gates abgelöst, der sein Ver-mögen mit der Steuerung von Wissen ge-macht hat. Sein Reichtum gründet nichtmehr auf traditionellen Kapitalformen.

5Die Zukunft des Geldes und des

Zahlungsverkehrs

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Die Globalisierung und die informations-technologische Vernetzung der Welt kön-nen nicht ohne Konsequenzen für die Orga-nisation unserer Geldwirtschaft bleiben.Der kurze historische Abriss im ersten Ka-pitel verdeutlicht, wie eng Zahlungsmittelund die Organisation von Zahlungsverkehrmit den ökonomischen, technologischenund politischen Parametern der Zeit ver-zahnt sind. Den aufstrebenden Kaufleutenist die limitierende Wirkung der umständ-lichen und riskanten Münzwährung be-wusst. Sie ersetzen ihn durch den Wechselund erhöhen damit den Geldumlauf erheb-lich. Dies ist der Beginn eines sozio-ökono-mischen Aufschwungs. Die Transformationdes Wechsels in Banknoten wäre ohne die Er-findung des Buchdrucks kaum möglich ge-wesen. Auch die späteren Schritte der zu-nehmenden Kooperation von Banken undder Automatisierung von inter- und intra-organisatorischen Abläufen sind nur vordem Hintergrund wachsender technologi-scher Möglichkeiten und zunehmenderökonomischer Notwendigkeiten zu verste-hen. Und so wie die Entstehung des mittel-alterlichen Handels darauf angewiesen ist,dass der mühsame und unsichere Transportvon Goldstücken durch eine geeignetereForm des Geldes ersetzt wird, so sehr ist derelektronische Handel seinerseits auf einegeeignete Geldform angewiesen.Wohin entwickelt sich unser Geld? Was sinddie Veränderungstrends im Umgang mitGeld und in der Organisation finanziellerTransaktionen? Es lassen sich fünf wichtigeGeldtrends ausmachen:

Geldtrends5.1

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1. Geld wird immer globalerDie vorgängige Beschreibung der Entste-hung von TARGET und der Ankoppe-lung des SIC an jenes System symboli-siert lediglich einen kleinen Schritt einerfortschreitenden globalen Vernetzung vonZahlungsverkehrssystemen. CLS vernetztbereits die RTGS-Systeme von sieben ver-schiedenen Währungen. Wo die grenz-überschreitenden Handelsströme immerweiter anschwellen, sind effiziente Lö-sungen für die Abwicklung der beglei-tenden Finanztransaktionen gefragt.

2. Geld fliesst nach immer komplexerenund besser organisierten ProzessenAuch dies lässt sich anhand der histori-schen Entwicklung der Zahlungsmittelund der Zahlungsverkehrssysteme re-konstruieren. Die Standardisierung vonAbläufen und die wachsende Bereitschaftder Akteure (zunächst national, spätertransnational), sich auf gemeinsame Sys-teme und Standards zu einigen und sichzunehmend zu vernetzen, macht einesdeutlich: Die Übertragung finanziellerGrössen wird immer einfacher und im-mer effizienter.

3. Geld wird immer virtuellerDer Umtausch von Goldmünzen in einStück Papier ist für manchen mittelalter-lichen Kaufmann eine erhebliche Zumu-tung. Der Schritt vom Papier zur Giral-geldform zieht die Schraube der Abstrak-tion weiter an. Heute müssen wir damitleben, dass Geld oft nur noch eine digitalchiffrierte Grösse in einem Telekommuni-kationskreislauf darstellt. Wir kaufen mitvirtuellem Geld in einem virtuellen In-ternetladen ein virtuelles Produkt, zumBeispiel ein Computerspiel, das wir down-

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loaden. Abstrakter geht es kaum noch.Dass die Bürger bei ihrem Umgang mitdem immer abstrakteren Geld oft denÜberblick verlieren, zeigt sich am Bei-spiel der Kreditkartennutzung in den USA:1,5 Milliarden Kreditkarten sind dort imUmlauf, sie werden von 158 MillionenMenschen genutzt. «Haben Sie erst ein-mal ein oder zwei dieser Plastikdinger,dann sind sie zum Schuldenmachen nach-gerade berechtigt», schreibt Paul Watz-lawick in seiner «Gebrauchsanweisungfür Amerika». Der durchschnittliche US-amerikanische Haushalt wird im Jahrmit rund 37 Postwurfsendungen über-rollt, mit denen die Kreditkartenanbieterihre Plastikkarte schmackhaft machenwollen. Im Durchschnitt hat jeder Ame-rikaner derzeit 11 575 US-Dollar Kredit-kartenschulden. «Think of it as Money»,heisst es bei MasterCard. Ein beliebtesSpiel heisst in den USA heute «CreditCard Shuffle», das Motto lautet «I paymy Visa with MasterCard».

4. Der Geldfluss gewinnt an GeschwindigkeitWo Geld nur noch im Computer existiert,muss es nicht mehr transportiert, gezähltund physisch übergeben werden. Stattdessen löst man eine finanzielle Transak-tion per Knopfdruck aus. Diese Hoch-geschwindigkeitsübertragung von Geld,Effekten usw. hat jedoch nicht nur Vor-teile. Geld wird zum Nomaden. Es vaga-bundiert um die Welt, immer auf der Suche nach gewinnträchtigen Anlagen.Hohe Summen können in sehr kurzerZeit investiert und auch wieder abgezo-gen werden. Wir wissen inzwischen, dassdies zum Zusammenbruch ganzer Volks-wirtschaften führen kann.

5. Eine neue Form des Geldes taucht aufGeld existiert bis heute in drei FormenMünzgeld, Banknoten und Giralgeld. Mitdem Siegeszug des Internets und derMobiltelefonie tritt nun eine neue Geld-form in Konkurrenz zu den etabliertenFormen: Das elektronische Geld oder E-Money.

Bevor eine kurze Skizze die fundamentalenUmwälzungen beschreiben soll, die mitdem möglichen Aufschwung des elektroni-schen Geldes verbunden sein können, seidaran erinnert: Die Möglichkeiten der neuenInformations- und Kommunikationstechno-logien werden zunächst benutzt, um die be-stehenden Formen der Geschäftstätigkeit,die bestehenden Abläufe und die bestehendenMarktbearbeitungsaktivitäten zu optimie-ren. In vielen Unternehmen wird das Inter-net zunächst als zusätzlicher Vertriebskanalwahrgenommen. Die Möglichkeiten grund-sätzlicher Veränderungen des eigenen Ge-schäftsmodells drängen oftmals erst zeitver-zögert ins Bewusstsein der betroffenen Un-ternehmen. Die ehrwürdige britische Enzyk-lopädie gerät ins Wanken, weil eine kleineCD-ROM zwei Meter in Leder gebundeneLexika nicht nur ersetzt, sondern gar mehrNutzungsmöglichkeiten bietet.Die Einbindung neuer Technologien in dieBewältigung der eigenen Geschäftsabläufeverändert früher oder später das Geschäftselbst. Die ersten vorsichtigen Schritte derVernetzung zwischen den Banken, der ersteEinsatz (früh-)moderner Datenverarbeitungverändert das Geschäft der Banken, weilsich plötzlich Leistungspotenziale abzeich-nen, die vorher nicht möglich scheinen. Ge-nauer: Ohne das Anfang der fünfziger Jah-re des letzten Jahrhunderts einsetzendeBankenclearing wäre die heute etablierteNutzung des Bankkontos im Massenzah-lungsverkehr privater Haushalte gar nicht zubewältigen gewesen.Vielleicht steht der Zahlungsverkehr heutevor einer vergleichbaren Schwelle: Ohne einesystematische Vernetzung von vier Parteien– Rechnungssteller, Bank des Rechnungs-stellers, Rechnungszahler, Bank des Rech-nungszahlers – in geschlossenen elektroni-

Electronic Bill Presentment and Payment :EBPP-Systeme

5.2

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schen, medienbruchfreien Kommunikations-und Zahlungsverkehrssystemen wird dieeffiziente Nutzung von rein elektronischemGeld technologisch schwerer zu bewältigensein und kulturell kaum die notwendigeAkzeptanz finden. Ein zusätzliches Er-schwernis ergibt sich, wenn für einen neu-en Zahlungsvorgang Anpassungen an liebgewonnene Gewohnheiten sowohl beimRechnungssteller wie auch beim Rech-nungszahler gleichzeitig erforderlich sind. Ein solcher rein elektronischer Zahlungs-verkehr wäre einerseits die konsequenteFortführung der hier dargestellten Entwick-lung von Zahlungsverkehrssystemen – unddamit vor allem eine Form der Optimierungdes bestehenden Geschäftsmodells der Ban-ken. Er wäre andererseits der Einstieg ineine veränderte Form des Umgangs mitGeld, die sich nicht nur des Bargeldes, son-dern auch der mit dem Giralgeld noch ver-bundenen Arbeit mit Papierbelegen und -dokumentationen entledigt hätte – es wäreder Einstieg in eine vollständige Elektroni-sierung des Geldflusses, der vorläufige Höhepunkt monetärer Abstraktion.Der in weiten Teilen sicherlich noch sehrspekulativen Beschreibung von elektroni-schem Geld und seinen Konsequenzen gehtdaher die Beschreibung der Architektur sol-cher rein elektronischer und damit medien-bruchfreier Zahlungsverkehrssysteme vor-aus: Gemeint sind die aktuellen Entwick-lungen im Bereich Electronic Bill Present-ment and Payment (EBPP). Unter diesem Na-men verbirgt sich das in der zweiten Hälfteder neunziger Jahre gestartete Bemühen umdie Zusammenführung von elektronischemRechnungsversand, elektronischem Rech-nungsempfang und elektronischer Bezah-lung in einem geschlossenen, papierlosenKreislauf. Ein solches System soll langfristig

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die Papierrechnungen und den Einzah-lungsschein überflüssig machen. Bedenktman, dass in der Schweiz jährlich etwa 550Millionen Rechnungen gestellt werden undpro Rechnung mehrere Franken an Kostenanfallen, wird das enorme Einsparpotenzialeiner vollständigen Elektronisierung deut-lich. Was die Akzeptanz eines solchen Systemsangeht, so sprechen zwei Beobachtungenfür einen möglichen Erfolg des vollelektro-nischen Zahlungsverkehrs: Die Unterneh-men arbeiten intern immer häufiger elektro-nisch vernetzt, beispielsweise über SAP-Lö-sungen. Mit EBPP-Systemen lässt sich die in-terne elektronische Verarbeitung monetärerDatenströme mit dem Ausstellen und Be-zahlen von Rechnungen an Dritte optimalverbinden. Die Privatkunden hingegen nut-zen die Möglichkeiten des Internets heuteimmer intensiver. Während in der Schweiznoch 1998 lediglich 15 Prozent der Bevölke-rung zum Kreis der Internet-Nutzer gehö-ren, sind es 2001 bereits über 50 Prozent. Da-bei nimmt die Zahl derjenigen zu, die dasNetz häufig nutzen, es also immer stärker inihren Alltag integrieren.Zwei Grundmodelle des EBPP lassen sichunterscheiden, zum einen das Biller-Direct-Modell, zum anderen das Consolidator-Mo-dell.

• Biller-Direct-ModellBei einem Biller-Direct-Verfahren wirddie Rechnung durch den Rechnungsstel-ler (Biller) dem Kunden direkt präsen-tiert. Dies geschieht entweder als HTML-oder PDF-File auf dem WWW-Server(Pull-Modus) oder in Form einer E-Mail-Nachricht (Push-Modus). Ein solches Ver-fahren hat für den Biller den Vorteil einesunmittelbaren Kundenkontaktes, der auch

für andere Zwecke genutzt werden kann(z.B. One-to-One-Marketing). Für denRechnungsempfänger (Payer) entstehendann Probleme, wenn er auf diese Weiseeine Vielzahl von Rechnungen von un-terschiedlichen Billern erhält.

• Consolidator-ModellDas Consolidator-Modell löst das Problemder (nichtstandardisierten) Rechnungs-flut dadurch, dass es eine Sammelstellezwischen Biller und Payer einschaltet,welche die Rechnungen verschiedenerBiller übersichtlich zusammenfasst undkonsolidiert an den Payer versendet. So-fern der Biller alle Informationen auf derRechnung an den Consolidator ver-schickt, spricht man vom Thick-Consolida-tor-Modell. Bei der Thin-Variante präsen-tiert der Consolidator dem Payer nur alleunmittelbar zahlungsrelevanten Infor-mationen auf der elektronischen Ge-samtrechnung. Die Detailinformationenkann der Payer zusätzlich auf einer Web-seite des Billers nachlesen.

Im Bereich B2C (Business to Consumer)werden in der gegenwärtigen Entwicklungeher Thin-Consolidator-Modelle bevorzugt. EinGrund liegt darin, dass bei einem solchenModell für den Biller die Möglichkeit der di-rekten Verbindung zum Konsumenten er-halten bleibt und zu Marketingzwecken ge-nutzt werden kann. Den exklusiven Kom-munikationskanal zum Kunden geben Un-ternehmungen nur ungern aus der Hand. ImBereich B2B (Business to Business) geht derTrend eher in die Richtung von Biller-Di-rect- oder Thick-Consolidator-Modellen.Hier werden in erster Linie Grossbetragszah-lungen zwischen Geschäftspartnern vorge-nommen, bei denen die Prozessoptimie-

rung und Kosteneinsparung im Vorder-grund steht und der Marketingaspekt weni-ger interessant erscheint. Unter dem Druck der globalen Vernetzungökonomischer Aktivitäten können zukunfts-weisende Zahlungsverkehrslösungen wieEBPP nur als international kompatible Mo-delle erfolgreich etabliert werden. Dies setztvon Anfang an Standardisierungen voraus,welche die EBPP-Modelle für unterschied-liche Währungen, unterschiedliche Sprachenund unterschiedliche Banken anschluss-fähig und nutzbar machen.Die Banken sind darum bemüht, in EBPP-Systemen die Rolle des Consolidators zuübernehmen. Sie laufen sonst Gefahr, aufdie Funktion des Kontoführers von Payeroder Biller reduziert zu werden. Eine solcheVerdrängung aus der Schaltstelle des Zah-lungsverkehrs würde die Vormachtstellungder Banken im Sektor der Finanzdienst-leistungen gefährden. In den USA sind biszu 90 Prozent der strategisch wichtigen Positionen in EBPP-Systemen wie zum Bei-spiel Checkfree von Nichtbanken besetzt. InDeutschland und in den Niederlanden sindes die staatlichen Telekom-Unternehmen,die mit der Entwicklung von EBPP-Syste-men beginnen. In der Schweiz initiieren da-gegen die Banken 1994 das EBPP-SystemPayNet. Die Entwicklung wird der Telekursübertragen und von deren Tochterunter-nehmen Europay durchgeführt.Die bisherige Entwicklung von PayNetzeigt sehr deutlich die Schwierigkeiten beider Entwicklung und Implementierung neu-er Zahlungsverkehrstechnologien. Theore-tisch wissen alle Beteiligten einer solchenEntwicklung um die Notwendigkeit ge-meinsamer Plattformen, in der Praxis ver-heddert man sich allerdings immer wiederim Gestrüpp unterschiedlicher Individual-

118

interessen. Das Argument, dass die Ge-meinschaftsentwicklung zu unrecht eineSozialisierung im Wettbewerbsangebot dar-stelle und die schwachen Banken von denstarken zu sehr profitieren, macht die Runde.Zudem ist die Versuchung bei solchen Ge-meinschaftslösungen gross, bereits am erstenTag mit einem Idealsystem an den Markt zu treten, was die Entwicklungskosten und-zeiten in die Höhe treibt. 1999 wird PayNet mit ersten Pilotkundenauf dem Markt präsentiert. Ab Frühjahr2000 suchen einige der beteiligten Banken

Abbildung 15: Grundmodelle des Electronic Bill Present-ment and Payment

Biller-Direct-ModellRechnungsteller

Rechnungsteller

Rechnungsteller

Alle Rechnungsdaten mittels

EDI, WWW oder E-MailKunde

Thick-Consolidator-Modell

Rechnungsteller

Rechnungsteller

AlleRechnungsdatenKunde

Thin-Consolidator-Modell

RechnungstellerNur

Übersichtund

Zahlungsinfo

Kunde

Rechnungsteller

AlleRechnungsdaten

Nur Übersichtund Zahlungsinfo

Rechnungsteller

Rechnungsteller

Alle Rechnungsdetails

Alle Rechnungsdetails

Consolidator

Consolidator

119

nach Möglichkeiten, sich selbst stärker indas Projekt einzubringen und den Kunden-kontakt ausschliesslich in die eigene Handzu bekommen. Auch PostFinance wird füreine Teilnahme am Projekt gewonnen. Pay-Net wird im Januar 2001 als eigenständigeFirma PayNet AG aus der Europay ausge-gliedert. Nach mehreren Umstrukturierun-gen wird das Projekt jedoch im April 2001überraschend eingestellt. Wie bei früheren, erfolglosen Modernisie-rungsschritten des schweizerischen Zah-lungsverkehrs steht der Konkurrenzgedan-ke einem vereinten Entwicklungsprozessder Banken entgegen. Die Befürchtung dersich stark fühlenden Marktteilnehmer, denZahlungsverkehr an das neue System zuverlieren und den schwächeren Institutendie gleiche Infrastruktur zur Verfügung zustellen, ist grösser als die Verlockungen derbeträchtlichen Einsparungspotenziale einesfunktionierenden EBPP-Systems. Nur un-gern lässt man sich ein strategisch wichtigesThema aus der Hand nehmen oder arbeitetes in Kooperation mit der Konkurrenz aus –auch wenn viele Bankmanager den Zah-lungsverkehr gleichzeitig nur als ungelieb-tes und zu wenig rentables Übel betrachten. Mit dem Verkauf der PayNet-Software anSAP im Dezember 2001 geben auch hierzu-lande die Banken die Initiative im EBPPwieder aus der Hand bzw. widmen sichwieder der Entwicklung jeweils eigener Lö-sungen. Ähnlich stellt sich die Situation imAusland dar, wo jede Grossbank an ihremeigenen System arbeitet. Die notwendigeVoraussetzung eines EBPP-Systems, dieMultikompatibilität, die Standardisierungund die volle Durchgängigkeit, ist auf die-sem Wege nur schwer zu erreichen. Ebensoist die Durchsetzung im Markt erschwert,denn auch eine sehr grosse Bank verfügt

nicht über die Kundenbeziehungen zu einemrechnungsstellenden Unternehmen undgleichzeitig zu allen Kunden dieses Unter-nehmens. Und Teillösungen für die Kundenjeweils einer einzigen Bank sind für dieRechnungsteller uninteressant.Aus dieser Erkenntnis heraus erfolgt imSeptember 2002 der Relaunch des PayNetdurch PayNet (Schweiz) AG, ein Unterneh-men der Telekurs Gruppe. Sie ist Lizenz-nehmerin der SAP Software für die Schweizund bietet prioritär im B2B-Bereich Conso-lidator Services an.

Mit dem Begriff E-Money oder elektronischesGeld beschreibt man Zahlungsmittel, bei de-nen Geldeinheiten auf Datenträgern elek-tronisch gespeichert werden, wobei der Da-tenträger im physischen Besitz des Kundenist. Wenn der Kunde diesen Datenträger fürZahlungen benutzt, reduziert sich die Zahlder gespeicherten Geldeinheiten entspre-chend. Im Gegensatz zur Buchung von Gi-ralgeld können E-Money-Zahlungen ohneZugriff auf das Bankkonto vorgenommenwerden. Eine Debitkarte oder eine Kredit-karte hat nur dort einen Wert, wo sie für eine solche Buchung benutzt werden kann. Der Wertspeicher ist nicht die Karteselbst, sie ermöglicht nur den Zugang. BeimE-Money ist der Datenträger unmittelbarSpeicher des Geldes. Elektronisches Geld ist zumindest in dieser einen Hinsicht demBargeld vergleichbar: Der Wert ist dem di-gitalen Träger inhärent. Wenn man eine Kre-ditkarte zerstört, beantragt man einfach eineneue. Wenn man eine aufgeladene Geld-karte zerstört, ist das Geld verloren.Der Datenträger des E-Money kann hardware-gestützt sein, also als Computerchip auf deraltbekannten Plastikkarte existieren. NeuerePlastikkarten (so genannte Smartcards) verfü-gen über Speicherchips, die in ihrer Leistungs-fähigkeit durchaus mit den ersten Compu-tern vergleichbar sind. Der Datenträger kannaber auch softwaregestützt sein und ledig-lich als so genanntes Telegeld innerhalb vonTelekommunikationsnetzwerken existie-ren. Beide Formen des elektronischen Gel-des können konvergieren. So lassen sich bei-spielsweise mit einem entsprechenden Lese-gerät Zahlungen von der Smartcard über denComputer in entsprechende Internetsystemeeinspeisen und zu Telegeld transformieren.Sofern man E-Money nur für eine begrenzteAnzahl von Einkäufen an einer limitierten

E-Money5.3

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Zahl von Einkaufsorten nutzen kann, sprichtman von einem begrenzt funktionalen elektro-nischen Zahlungsmittel. Beispiele sind Tele-fonkarten oder aufladbare Kundenkarten fürdie Nutzung öffentlicher Busse und Bahneninnerhalb eines Verkehrsverbundes. Richtiginteressant für den Konsumenten wird daselektronische Geld allerdings erst dort, woes für verschiedenste Einkäufe genutzt wer-den kann – wenn man beispielsweise damittanken, einkaufen und Telefonate bezahlenkann. Begrenzt gültige elektronische Zah-lungsmittel führen zwangsläufig dazu, dassman entsprechend viele unterschiedlicheZahlungsmittel handhaben, eventuell sogarin unterschiedlichen Datenträgern mit sichherumtragen muss. Chipkarten kämpfenmit dem Problem der Standardisierung. Essind unterschiedliche Standards im Gebrauch,sodass zum Beispiel die Nutzung einerChipkarte zu Zwecken der Bezahlung aufalle Lesegeräte des jeweils eigenen Stan-dards limitiert ist. Das führt zu einer ähnli-chen babylonischen Hardware-Vielfalt, wiesie seinerzeit der mittelalterliche Kaufmannmit den unzähligen lokalen Münzwährun-gen zu bewältigen hat. Multifunktionale elek-tronische Zahlungsmittel sind erheblich effi-zienter, weil sie dem Nutzer eine breiterePalette an Nutzungsmöglichkeiten bieten.Die eng begrenzte Nutzung mancher beste-hender E-Money-Konzepte berechtigt durch-aus zu der Frage, ob es sich tatsächlich umGeld oder allgemeiner um eine neue Trans-aktionsform handelt. Ist zum Beispiel dieTelefonkarte dem Geld vergleichbar? Wieder kurze historische Abriss zu Beginn die-ses Buches zeigt, haben Zahlungsmittelüberall dort ihren Siegeszug angetreten, wosie ihre Einsatzmöglichkeiten universellausdehnen konnten und breite Akzeptanzfanden. Eine Privatwährung, die exklusiv

5.4 Anforderungen an E-Payment-Verfahren

121

von einer Person genutzt wird, ist relativsinnlos, weil die «Währung» von nieman-dem akzeptiert und daher als Tauschmedi-um abgelehnt wird. Die erste Kreditkarte, dielediglich in einer kleinen Anzahl von Re-staurants eingesetzt werden konnte, ist fürden Kunden erheblich uninteressanter alsdie moderne, weltweit einsetzbare Kredit-karte. Grundsätzlich besteht eine Geldhierarchie,der auch die elektronische Form des Geldesunterworfen ist : Je mehr und besser die dreiGrundfunktionen von Geld erfüllt werden(Tauschmittel, Recheneinheit, Wertspeicher),umso höher steht es in der Hierarchie. Auchwenn man die Telefonkarte oder die Bonus-meilen der Fluggesellschaften als Geldformakzeptiert, ist ihr hierarchischer Rang ver-gleichsweise niedrig. Neue Zahlungssys-teme sind nur dort attraktiv, wo genügendBenutzer vorhanden sind, die sie als Wert-speicher, Tauschmittel und Recheneinheitakzeptieren. Schliesslich gilt in einer Netz-werkökonomie die Regel, dass der Nutzeneiner Anwendung mit der Masse der Teil-nehmer steigt. Wenn ich der einzige Menschmit einer E-Mail-Adresse bin, so ist Maileneine ziemlich sinnlose Tätigkeit. Je mehrMenschen an das E-Mail-Netz angeschlos-sen sind, desto wertvoller wird die Anwen-dung für jeden Teilnehmer. Das gilt sowohlfür die Nutzer als auch für die Anbieter. Mitder Einführung eines offenen E-Money-Sys-tems sind hohe Infrastrukturinvestitionenverbunden, die sich erst bei einer höherenAnzahl von Teilnehmern lohnen.

Die Nutzung von E-Money steckt noch inden Kinderschuhen. Sie ist heute weder be-sonders verbreitet, noch besonders akzep-tiert. Softwaregestütztes E-Money macht inder EU gemäss einer Berechnung der Euro-päischen Zentralbank erst einen Bruchteilder gesamten Geldmenge aus (zirka 0,003Prozent der Geldmenge M 3 in Euro-Land imJahr 2000). Mit der zunehmenden ökonomi-schen Bedeutung des Internets und mit derwachsenden Zahl der Nutzer (User) dermodernen Telekommunikationsmittel wirddie Bedeutung des elektronischen Geldesohne Zweifel erheblich zunehmen. Kom-mende Generationen werden den Umgangmit dem Internet als selbstverständlicheKulturtechnik begreifen, so wie frühere Ge-nerationen Rechnen, Schreiben und Lesengelernt haben. Veränderte Formen ökono-mischen Austauschs verlangen veränderteFormen finanzieller Transaktionen. TradierteZahlungsverfahren verlieren im Rahmen ei-ner internetbasierten Ökonomie mit der Zeitan Bedeutung.Dem elektronischen Geld kommt künftigdaher vor allem im Bereich von netzgestütz-ten Transaktionen eine besondere Wichtigkeitzu (Bezahlung über Internet oder Handys).Neben dem E-Commerce wird von demUMTS-getriebenen so genannten mobile com-merce ein wesentlicher Impuls für die Nut-zung von Telegeld erwartet. Dabei wirdvermehrt auf Mikrozahlungen zurückge-griffen werden. Heute haben die Pioniereim Bereich E-Money- und E-Payment-Ver-fahren noch mit zahlreichen Herausforde-rungen zu kämpfen, die kurzfristig einerschnellen Ausdehnung dieses Zahlungs-mittels entgegenstehen.Für das elektronische Geld gilt dieselbe Un-terscheidung, die auch für die Strukturie-rung etablierter Zahlungsverkehrssysteme

von Bedeutung ist. Man kann zwischen demTransfer von grossen Zahlungen (Makrozah-lungen) und dem Transfer von kleinen Zah-lungen (Mikrozahlungen) unterscheiden. Mak-rozahlungen finden dabei vor allem zwi-schen unterschiedlichen Wirtschaftsakteu-ren als B2B-Zahlungen (Business to Busi-ness) statt. Mikrozahlungen hingegen sindZahlungen, die von Endverbrauchern anWirtschaftsakteure geleistet werden, B2C-Zahlungen (Business to Consumer). Neue,hoch effiziente Zahlungsverfahren für dasInternet eröffnen neue Dimensionen für Mik-rozahlungen. Bei solchen Mikrozahlungengeht es mehrheitlich um Beträge von weni-gen Rappen bis zehn Franken: Man lädt einMusikstück, einen Fachartikel oder ein Com-puterspiel aus dem Internet, tätigt eine Da-tenbankabfrage und muss dafür bezahlen.Etablierte Zahlungssysteme, die heute auchim E-Commerce Anwendung finden, sinddafür denkbar ungeeignet : Nachnahme;Rechnungsstellung, Lastschrift oder Kredit-karte sind zu aufwändig. Die Kosten für dieTransaktion im Rahmen etablierter Zah-lungsverkehrssysteme übersteigt die Höheder Mikrozahlung selbst.Erste Versuche mit elektronischem Geld ge-hen bei der Suche nach effizienten Lösun-gen unterschiedliche Wege. Prinzipiell sindwie im traditionellen Kartengeschäft dreiMöglichkeiten der Gestaltung von Mikro-zahlungen denkbar. Sie lassen sich nachdem Zeitpunkt der Zahlung klassifizieren:pay before (Geldkarte), pay now (Debitkarte),pay later (Kreditkarte). Die Grundidee hinterder Mehrzahl der Konzepte ist die Überle-gung, Zahlungen zu kumulieren, damiteine Reihe von Mikrozahlungen zu einemBuchungsvorgang zusammengefasst wer-den können. Beispielsweise könnte derKäufer auf ein Konto einen Betrag einzah-

122

len, von dem das Geld für die Mikrotrans-aktionen abgebucht wird (pay before). E-Cashberuht beispielsweise auf dem Prinzip derVorauskasse. Die Systeme laufen in der Regelüber Prepaid-Karten wie etwa das Hong-konger Octopus-System. Man benutzt es fürzahlreiche Leistungen wie die Bezahlungvon Bustickets. Um die kurzen Durchlauf-zeiten zu erreichen, wie sie zu Stosszeitenim öffentlichen Verkehr gefordert werden,steckt man die Karte nirgendwo mehr rein,sondern zieht sie einfach am Lesegerät vor-bei, zum Beispiel beim Einstieg in den Bus(contactless card). Die andere Möglichkeitbesteht darin, beim Kunden erst dann Geldeinzufordern oder abzubuchen, wenn einegewisse kumulierte Umsatzgrösse erreichtwird (pay later). Beim Mobile Commerce istes beispielsweise denkbar, dass die aufge-laufenen Mikrozahlungen mit der Natel-rechnung beglichen werden.Solche Konzepte werden es zukünftig viel-leicht notwendig machen, dass Intermediärezwischen Käufer und Verkäufer zu schaltensind. Sie übernehmen als E-Money-Bankendie Verantwortung für die Verwaltung derKonten, auf denen die Mikrozahlungen ku-muliert werden. Die Käufer richten Kontenfür elektronisches Geld ein, von denen dieVerkäufer ihre kumulierten Gelder im Vor-aus oder im Nachhinein abbuchen. Zum ge-genwärtigen Zeitpunkt hat sich noch keinbestimmter Standard im Mikropayment-Bereich etablieren können. Alle Konzeptescheinen sich allerdings auf eine Art multi-funktionale Karte zuzubewegen, mit derman kleinere Zahlungen am Point of Sale,aber auch im Internet leisten kann und diezusätzlich für Makrozahlungen über eineKreditkartenfunktion verfügt.Ein wichtiger Streitpunkt bei E-Payment-und E-Money-Verfahren ist auch die Frage,

123

ob das System «audited» oder «un-audited»ausgestaltet werden soll. Un-audited-Ver-fahren gleichen dem Bargeld – das E-Moneybefindet sich im Umlauf und kann ohne irgendwelche zentrale Überwachung vonKonsument zu Konsument (Karte zu Karte)weitergegeben werden. Der Karteninhaltkann in der Folge dann bei einer Bank wie-der auf das Konto eingezahlt werden. Bei ei-nem audited Verfahren werden die an Termi-nals getätigten Zahlungen periodisch voneiner Zentralstelle abgerufen, geprüft undder Gesamtbetrag dem Terminalinhaber aufseinem Konto direkt gutgeschrieben. BeiCASH in der Schweiz handelt es sich um einaudited Verfahren. Das globale Mondex Sys-tem ist das bekannteste un-audited Verfah-ren. Das Problem bei un-audited Verfahrenbesteht darin, dass einzig die kryptografi-schen Verfahren in der Karte Schutz vor Fäl-schungen bieten. Anders als beim Bargeld,wo die moderne Drucktechnik Fälschungs-schutz und das Auge die Entdeckung vonFälschungen ermöglichen, ist aber bei elekt-ronischem Geld die Feststellung von Fäl-schungen schwierig. Was ist schon ein «ge-fälschtes Bit»? Audited Verfahren erlaubenes, Fälschungen viel schneller zu entdeckenund sie auch zu lokalisieren.Während es bei den geschilderten Bemühun-gen um Mikropayment-Systeme um mög-lichst geringe Transaktionskosten geht, müs-sen für vergleichbare Makrozahlungen dieSicherheitserwägungen im Vordergrund ste-hen. Für grössere Summen elektronischenGeldes (etwa bei Business-to-Business-Ge-schäften, B2B) ist die Frage sicherer Ver-schlüsselungsverfahren essentiell. Es ist zuvermuten, dass sich aufgrund dieser unter-schiedlichen Stossrichtungen unterschied-liche E-Payment-Systeme für Makro- undMikrozahlungen durchsetzen werden. Bei

den gegenwärtigen Überlegungen zum Etab-lieren von Makropayment-Systemen stehenForschungen an kryptografischen Verfah-ren im Zentrum, die für Mikrozahlungenübertrieben scheinen. Kryptografie beschäftigt sich mit der Absi-cherung von Nachrichten durch Verschlüs-selung und Authentifikation. Softwareba-sierte Zahlungssysteme wie Telegeld basie-ren dabei auf dem Austausch von Codes.Die Codes werden mit Verschlüsselungs-technologien verifiziert und vor Kopien ge-schützt. Geschlossene Systeme können mitsymmetrischen Verschlüsselungsverfahrenarbeiten, d.h., beide Partner haben einen ge-heimen Schlüssel, der den gesicherten undanonymen Austausch von Daten ermöglicht.Bei Verrat dieses Schlüssels ist die Sicherheitaber nicht mehr gegeben. Geschlossene Sys-teme mit sehr vielen Teilnehmern sind da-her problematisch. Bei offenen Systemen ist dieses Verfahrennicht möglich. Hier kommen asymmetrischeVerfahren zum Einsatz, auch Public-Key-Ver-fahren genannt. E-Cash arbeitet beispiels-weise mit einem solchen Verschlüsselungs-verfahren. Dabei werden die übermitteltenDaten jeweils mit einem Schlüssel vom Sen-der kodiert und vom Empfänger mit einemanderen Schlüssel dekodiert. Nur einer die-ser beiden Schlüssel muss geheim gehaltenwerden (private key), während der andereöffentlich bekannt sein kann (public key). Jenach Verwendungszweck wird der Senderseinen eigenen privaten Schlüssel für dasKodieren verwenden (der Empfänger kanndann unter Verwendung des öffentlichenSchlüssels des Senders kontrollieren, ob dieNachricht tatsächlich vom richtigen Senderkommt) oder den öffentlichen Schlüssel desEmpfängers (nur der richtige Empfängerkann dann mit seinem privaten Schlüssel

die Nachricht korrekt dekodieren). Bei diesenoffenen Systemen, die mit zwei verschiede-nen, aber voneinander abhängigen Schlüs-seln arbeiten (asymmetrische Verschlüsse-lungsverfahren), werden «Trust Centers»benötigt, welche die Echtheit des Schlüsselsverifizieren und so den Missbrauch verhin-dern. Diese Rolle könnte in Zukunft vonBanken, Treuhandbüros, Grossunterneh-men oder auch Softwarehäusern wie Micro-soft übernommen werden. Das Dilemma beim Perfektionieren vonkryptografischen Verfahren besteht darin,dass es für die Ermittlungsbehörden bei kri-minellen Delikten schwierig wird, Transak-tionen mit E-Money zu lokalisieren und zuverfolgen. Geld entzieht sich somit stärkerder kriminalistischen und der fiskalpoliti-schen Kontrolle. Es gibt daher Tendenzen,in Zukunft den Zugriff auf die Verschlüsse-lungstechniken für zentrale staatliche Stel-len zu ermöglichen, um einen Freiraum fürkriminelle Machenschaften zu verhindernund der Geldwäsche nicht ganz neue Mög-lichkeiten zu eröffnen. Während das internetbasierte Telegeld aufeigene Sicherungskonzepte angewiesen ist,benötigen bereits etablierte Zahlungssys-teme wie die Kreditkarte Sicherungskon-zepte, die auf bestehenden Standards auf-bauen. Einen solchen Standard stellt der Se-cure Electronic Transaction-Standard (SET)dar. Dabei handelt es sich um einen Indust-riestandard für sichere Kreditkartentrans-aktionen in offenen Netzen. Entwickeltwurde SET unter anderem von MasterCardund Visa. SET nutzt bestehende Finanznetz-werke, auf deren Basis es eine sichere Da-tenübermittlung über das Internet sicher-stellt. SET hat sich allerdings in der Hand-habung für Unternehmen und Konsumen-ten als zu kompliziert erwiesen und daher

124

nicht durchgesetzt. Heute werden dahervon den Kartenorganisationen vereinfachteVerfahren propagiert (z.B. 3D Secure). Sol-che Kreditkartensysteme sind allerdings fürMikropayments ungeeignet und meist zuteuer, die anfallenden Kosten sind fürKleinsttransaktionen zu hoch.

5.5 Geldpolitische Herausforderungen

125

Eine für die Verbreitung von elektroni-schem Geld wichtige Frage ist die nach denKonsequenzen für die Zentralbanken undihre Aufgaben. Die Zentralbanken sindnicht nur die Garanten für die Stabilität be-stehender Zahlungsverkehrssysteme, siesind zugleich verantwortlich für die Stabili-tät des Geldes selbst. Mit ihren geldpoliti-schen Massnahmen versuchen die Zentral-banken, die Preise stabil zu halten und dieVolkswirtschaft mit der richtigen Geldmengezu versorgen. Über die Steuerung der Geld-menge können sie die kurzfristigen Zinsenbeeinflussen. So kann beispielsweise eineSenkung der Zinsen für Zentralbankgelddazu führen, dass die Geschäftsbanken ih-rerseits zu reduzierten Konditionen Geldverleihen und so die Unternehmen zu Inves-titionen anreizen.Man stelle sich folgende Situation vor: E-Money etabliert sich erfolgreich als Zusatzfür die bisher üblichen Geldformen (Mün-zen, Banknoten und Giralgeld), Konsumen-ten tätigen ihre Einkäufe mit E-Money, Emittenten dieser Geldform zahlen Zinsenauf E-Money-Einlagen. Es ist offensichtlich,dass diese Entwicklung Konsequenzen fürdie Geldmenge im Wirtschaftskreislauf unddie Entwicklung von Preisen (d.h. auch fürdie Inflation) haben muss.Für Zentralbanken und Konsumenten kön-nen dabei folgende Probleme entstehen:

– Das etablierte Geld erhält einen mächti-gen Konkurrenten als Recheneinheit fürwirtschaftliche Transaktionen. Für einenWirtschaftskreislauf können sich kon-kurrierende Recheneinheiten etablieren,welche den Zahlungsverkehr erschwe-ren. Wenn die Konsumenten beginnen,den Wert von Waren nicht primär inSchweizer Franken zu messen, sondern

beispielsweise in Bonusmeilen, geht derVolkswirtschaft der gemeinsame mone-täre Bezugspunkt verloren.

– Dort, wo die Emittenten von elektroni-schem Geld der Kontrolle der Zentral-bank entzogen sind, kann die überbor-dende Emission von frischem E-Moneynicht kontrolliert werden. Anbieter kön-nen Konkurs machen, ihre elektroni-schen Währungen an Wert verlieren, alsoeiner gesonderten Inflation unterliegenund das Vertrauen von Unternehmenund Konsumenten in das elektronischeGeld ruinieren.

– Gleichzeitig stellt sich das Problem, dassSicherheitsprobleme etablierter E-Money-Systeme (gefälschtes E-Money) Vertrau-enskrisen und grosse Verluste mit Folgenfür die Stabilität der ganzen Wirtschaftauslösen können.

– Geldpolitische Massnahmen haben zu-nächst nur einen Einfluss auf die etab-lierten Geldformen. Sie dehnen oder re-duzieren die Menge an Bargeld und Gi-ralgeld. Wenn sich der Gebrauch vonelektronischem Geld im Vergleich zudiesen etablierten Geldformen signifi-kant ausdehnt, sinkt der Einfluss derGeldpolitik entsprechend.

– Die Inflation misst sich am Verhältnis ei-nes definierten Warenkorbes zum Preis-niveau der ausgewählten Waren in derLandeswährung. Wenn die Konsumen-ten verstärkt auf elektronisches Geld zu-rückgreifen, dann fehlt die Berechnungs-grundlage für die Zentralbank zur Ana-lyse von Preisentwicklungen.

Zur Reduktion dieser Risiken können dieGesetzgeber eine Reihe von Massnahmen

entwickeln. So gibt es beispielsweise dieMöglichkeit, E-Money-Emittenten der Min-destreservepflicht zu unterwerfen. Langfris-tig ist es auch vorstellbar, dass die Zentral-banken die Ausgabe von E-Money monopo-lisieren, so wie früher die Ausgabe vonMünzen und von Banknoten monopolisiertwurde. Ferner wird man die E-Money-Emit-tenten dazu verpflichten müssen, entspre-chendes statistisches Material an die Zent-ralbanken zu liefern, um die Berechnungvon Geldmengen und Preisentwicklungenauch auf elektronisches Geld ausdehnen zukönnen. Was den allgemeinen rechtlichen Rahmenbetrifft, so gilt es für die E-Money-Emitten-ten ähnliche Bedingungen zu schaffen, wiesie heute für das Bankwesen gelten. DieHaftungsproblematik bei Systemausfällenoder nicht mehr gedecktem E-Money ist zubewältigen. Technischen Pannen, die zumAuslöschen ganzer Geldbestände führen,müssen überwunden werden können (Tele-geld bringt die Gefahr mit sich, dass bei ei-nem Computerabsturz ungesichertes Geldverloren gehen kann, da Geldeinheiten nurBits auf dem Rechner sind). Das Reduzierenvon Konkursrisiken und die Sicherstellungder Glaubwürdigkeit des E-Money im Fallvon nicht zu verhindernden Konkursenmüssen geregelt werden. Schliesslich gilt es,dem Besitzer des elektronischen Geldes denUmtausch in den entsprechenden Wertenan Münzen, Banknoten oder Giralgeld je-derzeit zu ermöglichen. Mit einer solchenRückerstattungspflicht stellen die Zentral-banken sicher, dass das elektronische Gelddas etablierte Geld nicht als Recheneinheitverdrängt. Alle Versuche der Regulierung durch dieStaaten und der Kontrolle durch die Zen-tralbanken stehen allerdings vor dem Prob-

126

lem, dass sich die Netzwerkökonomie zu-nehmend einer Beeinflussung innerhalb na-tionaler Grenzen entzieht. Das Internetkennt kaum nationale Grenzen und ist nursehr schwer durch nationale Gesetze zu re-gulieren. Bei zu starker Beschränkung deselektronischen Geldes besteht daher zu-künftig die Gefahr des Ausweichens inStaaten mit geringer bis keiner Regulie-rung. Es werden möglicherweise Formendes Free Banking ohne grössere staatlicheRegulierung (Mindestreserve oder Monito-ring) entstehen. Welche Freiräume dafür inder westlichen Welt gelassen werden, istnoch unklar.

5.6 Ausblick : Zukunft der Banken und Zukunft des Banking

127

Zahlungssysteme stehen in Konkurrenz zu-einander. So erhält beispielsweise die MünzeKonkurrenz durch den Wechsel, das Bargelddurch die Kontobuchung, der Check durchKredit- und Debitkarten. Neue Zahlungssys-teme verändern mittel- bis langfristig dasZahlungsverhalten und sie beeinflussen auchdie Entwicklung der Zahlungsverkehrssys-teme. So wird beispielsweise die zuneh-mende Internationalisierung des B2B undvor allem des B2C eine konsequente Fort-führung der internationalen Vernetzung undVereinheitlichung von Zahlungsverkehrs-systemen fördern.Die Zusammensetzung der Teilnehmer anden Zahlungsverkehrssystemen wird sichin Zukunft möglicherweise radikal wan-deln. Die Verbreitung der Smartcard-Nut-zung, wie sie heute bereits durch die Ban-ken angeboten wird, wird erst durch das Internet wirklich massenwirksam. Dort, woZahlungen in elektronischem Geld abge-wickelt werden müssen, erwachsen denBanken völlig neue Konkurrenten. Wenigüberraschend ist dabei der Aufbau reinerInternetbanken. Bereits 1995 entstanden dieersten derartigen Organisationen in denUSA, die Mark Twain Bank und die FirstBank of the Internet. Bei dieser Virtualisie-rung des Bankwesens handelt es sich aller-dings noch um den Aufbau von Unterneh-men, die den Zahlungsverkehr bereits etab-lierter Zahlungsmittel mit den technologi-schen Möglichkeiten des Internet verbin-den. Deutlich nachhaltiger sind die strukturellenVeränderungen, die mit der Fortentwick-lung reiner E-Money-Konzepte verbundensind. Von grösserem Gewicht sind dabei Com-puterfirmen, Telefongesellschaften, Kabel-fernsehgesellschaften, die über das notwen-dige Know-how für die Architektur und das

Management von Telegeldkonzepten ver-fügen und bereits auf ein breites Kunden-netz zurückgreifen können – ein Faktor, der,wie bereits betont, für den Erfolg eines E-Money-Konzeptes unabdingbar ist. DieEinbindung von Nichtbanken in die etablier-ten Strukturen der bankgestützten Zahlungs-verkehrssysteme stellt eine Herausforde-rung dar, deren Konsequenzen bereits ausder vorgängigen Schilderung der veränder-ten Anforderungen an Zentralbank und Ge-setzgeber deutlich wurden. Drei neue Ak-teure in zukünftigen Zahlungsverkehrssys-temen wurden bereits vorgestellt: Trust Cen-ters, die für Sicherheitsaspekte verantwort-lich sind, reine E-Money-Banken sowie E-Money-Verwalter, die zwischen der Mikro-zahlung des Konsumenten und dem ver-kaufenden Unternehmen stehen. Alle ge-nannten Akteure sind möglicherweise keineBanken im traditionellen Sinne.In vielen Ländern werden Zahlungsverkehrs-funktionen von der Zentralbank wahrge-nommen bzw. abgesichert und durch die einer Aufsicht unterstellten Banken unter-stützt bzw. ausgeführt. Diese Funktion be-kommen Zentralbanken und Banken bzw.deren Regulatoren durch die Legislative zu-gesprochen, um die Sicherheit, Kontrolleund Aufsicht über den Zahlungsverkehr be-halten zu können und eine stabile Entwick-lung der Gesamtwirtschaft abzusichern. Manmuss sich heute angesichts der wachsendenBedeutung des elektronischen Geldes dar-über bewusst werden, dass die Selbstver-ständlichkeit, mit der wir heute diese Funk-tionen den Banken zuweisen, in Zukunftdurchaus in Zweifel gezogen werden kann. Betrachtet man aber die Anforderungen,welche heute erfüllt sein müssen, um einZahlungsverkehrssystem aufrechtzuerhal-ten, so fallen die hohen Anforderungen an

eine funktionierende Informationstechno-logie auf. Unternehmen wie IBM, EDS oderMicrosoft, die in diesem Bereich tätig sind,drängen sich ebenfalls als kompetente Ak-teure innerhalb zukünftiger Zahlungsver-kehrssysteme auf. Solche Unternehmen, diebereits an der Entwicklung von Systemenim Zahlungsverkehr beteiligt bzw. hochspezialisiert sind, haben Vorteile gegenüberden traditionellen Betreibern von Zahlungs-verkehrssystemen, da sie neben dem spe-zialisierten technologischen Wissen auchüber das entsprechende Personal zum Un-terhalt solcher Systeme verfügen. Bereitsheute sind diese Unternehmen auf unter-schiedlichen Stufen in der Wertschöpfungs-kette des Zahlungsverkehrs aktiv einge-schaltet. Die Aktivitäten von EDS beispiels-weise umfassen 1995 u.a. das gesamte Check-Processing der Republic Bank of New Yorkund die Operation und Leitung von Electro-nic Broking Services als Outsourcing-Part-ner. Electronic Broking Services ist ein Devi-senhandels-Netzwerk, in dem 1995 25 000Transaktionen mit einem Wert von 75 Milli-arden US-Dollar täglich abgewickelt wer-den. Lediglich die endgültigen Zahlungenwerden noch exklusiv durch die Banken ge-tätigt. Noch!Grundsätzlich erscheint die Rolle von Nicht-banken im Zahlungsverkehr zwiespältig.Einerseits sind sie bereits heute wichtigeInstitutionen, die mit ihrem Know-how undihren Innovationen in der Informations-technologie für einen sprunghaften Anstiegder Effizienz bestehender Systeme sorgen.Sie sind als Partner für den Aufbau und denBetrieb des Finanzsystems nicht mehr weg-zudenken. Andererseits erfordert die Be-teiligung am Settlement abseits von der rei-nen Abwicklung der technischen Prozessehohes Know-how und eine sichere finan-

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zielle Basis. Unternehmen des Informations-technologie-Sektors unterstehen derzeit kei-ner Bankenkontrolle, finanzwirtschaftlichenÜberwachung oder besonderen Auflagen.Diese erscheinen aber notwendig, um einSystemrisiko mit nichtkalkulierbaren Aus-wirkungen auf das Finanzsystem, Banken,Branchen oder der gesamten Volkswirt-schaft ausschliessen zu können. Gleichzei-tig gilt es zu verhindern, dass einzelne An-bieter durch das Fehlen von Aufsicht imKonkurrenzkampf bevorteilt werden.Die Bankbranche steht heute inmitten einesradikalen Umbruchs, welcher auch in denkommenden Jahren fortdauern wird. DieFinanzplätze der Welt werden ebenso wiedie Wirtschaftsräume weiter zusammen-wachsen. Im Zuge der weltweiten Vernet-zung wird auch die Banken- und Finanzauf-sicht globalisiert. Weitere Umbrüche sinddurch die Entwicklungen in der Informa-tions- und Telekommunikationstechnolo-gie zu erwarten, welche nun auch den Be-reich Produktion im in- und ausländischenZahlungsverkehr erfassen, der in den ver-gangenen Jahren eine so geringe Rolle inne-hatte. Das elektronische Geld kann sichzum mächtigen Konkurrenten etablierterZahlungsmittel entwickeln und die Bankenunter den Konkurrenzdruck branchenfrem-der Unternehmen bringen. Möglicherweisewerden die Zahlungsverkehrssysteme des21. Jahrhunderts nur noch sehr wenig mitder Art und Weise zu tun haben, wie wirheute finanzielle Transaktionen steuern.

6Statistischer Anhang

Abbildungs- undQuellenverzeichnis

Stichwortverzeichnis

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Entwicklung der ec-Karte und ihr Einsatz im Ausland

130

Anzahl ec-Karten Anzahl im Auslandeingereichte CH-eurocheques1

Anzahl im Auslandgetätigte Bancomat-Bezüge2

Jahr(ab 1982 per Ende Jahr)

1978 (per Juli) 336 6491979 (per Juli) 431 6601980 (per März) 493 7581981 (per Sept.) 628 8461982 722 895 438 0001983 753 883 1 129 0001984 831 635 1 321 0001985 1 037 199 1 519 0001986 1 186 362 1 734 0001987 1 340 339 2 071 0001988 1 494 395 2 290 0001989 1 676 059 2 511 0001990 1 803 980 2 206 0001991 1 960 409 1 932 000 360 0001992 2 028 314 1 617 000 717 0001993 2 160 408 1 291 000 1 140 0001994 2 322 599 1 053 000 1 643 0001995 2 454 200 860 000 2 232 0001996 2 619 842 724 000 2 865 0001997 2 803 803 571 000 3 265 0001998 3 019 920 455 000 3 649 0001999 3 217 083 346 000 4 038 0002000 3 434 704 268 000 4 435 0002001 3 594 748 158 000 4 967 0002002 3 801 240 4 2073 5 096 000

1 Zahlen erst ab 1982 verfügbar2 nur Bezüge mit Clearing via Telekurs Group3 Die «zentrale eurocheques-Verarbeitung» wurde per 20.1.2002 eingestellt

Quelle: Telekurs Group

Bancomat-Dienstleistung in der

Schweiz

131

Bancomat-Karten Anzahl Bezüge1 Anzahl Geräte Betrag (in Mio.)1Jahr

1968 4 000 20 000 23 –1969 10 000 60 000 35 211970 22 000 200 000 54 741971 31 000 500 000 62 1471972 41 000 700 000 81 2201973 48 000 800 000 84 2751974 50 000 900 000 84 3141975 47 000 900 000 84 3291976 48 000 900 000 84 3381977 48 000 1 000 000 84 3441978 50 000 900 000 118 3451979 79 000 1 300 000 150 4871980 126 000 2 200 000 211 7821981 159 000 3 400 000 237 1 1711982 209 000 4 700 000 254 1 5931983 251 000 6 300 000 273 2 0891984 295 000 7 800 000 281 2 5721985 852 000 8 800 000 494 3 0071986 934 000 12 800 000 819 4 5601987 1 103 000 17 200 000 1 045 5 9891988 1 330 000 21 400 000 1462 7 2341989 1 481 000 25 600 000 1 645 8 5341990 1 644 000 29 900 000 1 904 9 9271991 1 819 000 34 400 000 1 984 11 3701992 1 902 000 38 300 000 2 248 12 4071993 2 046 000 42 100 000 2 631 13 1791994 2 222 000 46 600 000 2 931 13 9861995 2 377 000 51 600 000 3 279 14 9381996 2 550 000 54 800 000 3 654 15 3231997 2 940 000 58 900 000 4 290 16 0981998 3 135 000 55 200 000 4 579 14 5241999 3 348 000 57 900 000 4 692 14 9222000 3 348 000 59 000 000 4 866 15 0302001 3 519 000 66 800 000 5 042 16 5792002 3 726 000 69 300 000 5 187 16 997

1 Nur Bezüge mit Clearing via Telekurs Group Quelle: Telekurs Group

Entwicklung von DTA und LSV in der Schweiz

132

Jahr

1 Bargeldlose Lohn- und Gehaltszahlungen (BLG) ab 1993 als separateDienstleistung eingestellt bzw. in DTA integriert

2 Datenträgerclearing (DTC) wurde durch SIC abgelöst

Quelle : Telekurs Group

Anzahl Transaktionen (in Tausend)

DTA/BLG1 LSV DTC Total

1977 2 6001978 2 000 10 3 100 5 1001979 5 000 50 2 500 7 6001980 6 000 200 6 900 13 1001981 9 000 500 7 500 17 0001982 11 000 700 12 400 24 1001983 14 000 900 15 300 30 2001984 15 600 1 200 20 200 37 0001985 16 900 1 800 22 600 41 3001986 19 000 2 700 25 300 47 0001987 22 300 3 900 27 700 53 9001988 25 400 5 300 14 500 45 2001989 28 300 6 900 3452 35 6001990 31 400 8 100 39 5001991 36.600 9 300 45 9001992 45 700 11 000 56 7001993 52 300 13 200 65 5001994 55 900 16 000 71 9001995 61 500 18 800 80 3001996 64 700 21 000 85 7001997 68 500 24 900 93 4001998 71 900 27 000 98 9001999 74 100 30 400 104 5002000 73 700 32 200 105 9002001 69 700 34 000 103 7002002 67 100 36 100 103 200

Entwicklung der SIC-Dienstleistung

Entwicklung der euroSIC-Dienstleistung

133

Jahr

1987 4,711 11 1631988 32,3 25 1831989 56,1 30 0191990 61,7 30 3551991 65,2 30 4311992 64,2 33 3691993 67,4 34 1261994 88,7 33 2541995 95,9 32 1841996 108,0 38 0321997 121,0 45 7921998 134,4 46 3411999 141,7 43 2852000 149,5 44 6212001 161,2 45 3782002 177,0 45 061

Quelle : Telekurs Group/Schweizerische Nationalbank SNB

Anzahl Zahlungen Betragsvolumen(in Mio.) (in Mia. CHF)

1 SIC Produktionsaufnahme 10. Juni 1987

Jahr

1999 503 229,31

2000 804 373,32001 1 106 483,22002 1 610 437,8

Quelle : Telekurs Group/Swiss Euro Clearing Bank GmbH

Anzahl Zahlungen Betragsvolumen(in Tausend) (in Mia. EUR)

1 Mai bis Dezember 1999

Abbildung 1 Der Wechsel – erste Form des bargeldlosen Zahlungsverkehrs Seite 20Quelle: Photo courtesy of Rochester Museum & Science Center, Rochester, New York

Abbildung 2 Ein französisches Assignat – eines der ersten Papiergelder Seite 26Quelle: www.revolution-francaise.org

Abbildung 3 Eine deutsche Tausend-Mark-Banknote nach der Entwertung zur Zeit Seite 27der Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg.Quelle : Aus dem Privatbesitz des Autors Fritz Klein

Abbildung 4 Crédit Mobilier – erste Aktienbank der modernen Wirtschaftsgeschichte Seite 33Quelle: www.gutowski.de

Abbildung 5 Meilensteine des Zahlungsverkehrs in der Schweiz Seite 49Quelle: Swiss Interbank Clearing AG

Abbildung 6 Aufbau des Bankenclearings bis 1986 Seite 50Quelle: In Anlehnung an Lehmann, G. D. : Zahlungsverkehr der Banken, Zürich 1986, Seite 40

Abbildung 7 eurocheque Seite 56Quelle: Telekurs

Abbildung 8 Swiss Bankers Travelers Cheques Seite 58Quelle: Swiss Bankers Travelers Cheque Center

Abbildung 9 Abwicklungsphasen im Zahlungsvekehr Seite 75Quelle: Geiger, H. : Die Zeit als Gestaltungselement der Bankenproduktion, in Geiger, H./Spremann, K.: Banktopologie, Bern/Stuttgart/Wien 1998, Seite 63

Abbildung 10 Gliederung des Zahlungsverkehrs Seite 80Quelle: In Anlehnung an Lührig, A./Spremann, K. : Target, in: Geiger, H./Sprengmann, K.: Banktopologie, Bern/Stuttgart/Wien 1998, Seite 119

Abbildung 11 Typen von Zahlungsverkehrssystemen Seite 81Quelle: BIZ, Real-time gross settlement systems, CPSS Publications No 22 (www.bis.org/publ/cpss22.pdf), 1997, Seite 5

Abbildung 12 Anteile verschiedener Zahlungsgrössen im Jahr 2001 Seite 88Quelle: Schweizerische Nationalbank (www.snb.ch/d/snb/interbank/inter.html)

Abbildung 13 Die Anbindung von euroSIC an TARGET Seite 97Quelle: Swiss Interbank Clearing (www.sic.ch)

Abbildung 14 Die SWX-SECOM-SIC-Verbindung (Swiss Value Chain) Seite 109Quelle: SIS SegaInterSettle (www.sec.sisclear.com)

Abbildung 15 Grundmodelle des Electronic Bill Presentment and Payment Seite 118Quelle: PayNet (Schweiz) AG

Abbildungs- undQuellenverzeichnis

134

Stichwortverzeichnis

135

Aktienbank 33 ff., 38Assignat 26Audited 123

Bankenclearing (siehe auch «Clearing»)5, 39, 49 ff., 57 f., 60, 62, 85, 107, 116

Bankenclearingnummer 45, 51Bancomat 49, 51, 65 ff., 78, 84, 130 f.Bancomatkarte 66Bargeldlose Lohn- und Gehalts-

zahlung (BLG) 58, 132Baring 102 f.Barrengeld 11Belegclearing 54 f.Bilaterales Netting 82Biller (Rechnungssteller) 117Biller-Direct-Modell 117 f.BLG (siehe «Bargeldlose Lohn- und

Gehaltszahlung»)Bordereau 45, 56 Bruttobasis 50, 84 f., 106 Bruttosystem 83, 86, 88, 93, 110Buchgeld 80, 98

CASH 49, 66, 70, 79, 84, 123Check 34, 56 f., 65, 68, 76 ff., 80, 127 CHIPS (Clearing House Interbank

Payment System) 84, 89 f., 100Circles Processing 83, 88Clearing (siehe auch «Bankenclearing»)

48 f., 51, 77, 80, 82 f., 100, 103, 108 Clearingsystem

39, 49, 65, 85, 89, 91, 97, 100, 103Clearingtag 82, 86 f. Clearingstopp 86 ff.Clearingzentrale 49 ff., 54, 70Continuous Linked Settlement (CLS) 103 ff.Consolidator-Modell 117 f.

Datenträgeraustausch (DTA) 5, 59 f., 84, 132Datenträgerclearing (DTC) 60, 132Debitkarte 69, 77 f., 120, 122, 127

Delivery versus payment (Lieferung gegen Zahlung) 52, 101, 104, 107, 109

Diskontsatz 34DNS (Designated Time Net Settlement)

(siehe «Nettoabwicklungssystem»)Dokumentenakkreditiv 43DTA (siehe «Datenträgeraustausch»)DTC (siehe «Datenträgerclearing»)

EBPP-System (Electronic Bill Presentmentand Payment System) 116 ff.,

Echtzeit-Bruttosysteme (siehe RTGS-System)ec-Karte 69, 73, 77, 79, 130Effektenclearing 52EFTPOS («Electronic Funds Transfer at

Point of Sale») 67 f., 77, 84 Einzahlungsschein 42, 61 ff., 78 ff., 117Einzahlungsschein mit Referenznummer

(ESR) 61E-Money (elektronisches Geld) 115, 120 ff.E-Payment 121 ff.Erfüllungsrisiko 102 ff. ESR (siehe «Einzahlungsschein mit

Referenznummer»)Euro-1-System 89, 91eurocheque 57, 77 ff.Eurogiro-System 89euroSIC 88, 91, 95 ff., 109, 133

Fedwire 84, 86, 89 f., 106Final 74, 85, 93, 97, 103, 109Finalität 5, 93

Geldhandel 19, 21Geldkarte 70, 78, 120, 122Geldmenge

20, 22, 25, 27, 32, 34, 76, 110, 121, 125 f.Geldwäsche 98 f., 124Giralgeld 22, 34 f., 73, 101, 114 ff.,120, 125 f.Girokonto 49 f., 52, 59, 86, 96 f.Giroverkehr 48 Goldkernwährung 32

Goldstandard 32Goldumlaufwährung 32Gridlock 86, 88Grossbetragszahlungen

50, 81 ff., 88 ff., 92, 94, 117Gross Settlement (siehe «Bruttobasis»,

auch «RTGS»)

Herstatt 33, 100 ff. Hybridsystem (siehe «Nettosystem»)

Inflation 11, 27, 32, 125Innertageskredit, Innertages-Liquidität

83, 86, 111International Payment Instruction (IPI) 54Irrevocable (siehe auch

«unwiderruflich») 109

Kleinbetragszahlungen (siehe auch «Massenzahlungen» und «Publikumszahlungen») 84

Korrespondenzbankensystem6, 39 f., 43, 45, 74, 89, 92

Kreditkarte66, 68 ff., 73, 76 f., 115, 120 ff., 124

Kreditrisiko 75, 83, 93, 102 f., 109

Lastschriftverfahren (LSV) 5, 60 f., 73, 79Lieferung gegen Zahlung (siehe «Delivery

versus payment») 52 f., 107, 109Lieferung ohne Zahlung 43, 52 Liquidität

61, 83, 86 ff., 90, 94, 97, 104 f., 107 f., 110 f.Liquiditätsbeanspruchung 104 ff.Liquiditätskosten 40Liquiditätsmanagement 83, 88, 97, 111Liquiditätsrisiko 75, 93, 102, 109 Loro-Konto 40, 42 LSV (siehe «Lastschriftverfahren»)

Marktrisiko 75, 109Massenzahlungen (siehe auch «Kleinbetrags-

136

zahlungen» und «Publikumszahlungen»)80, 84, 89 ff.

Massenzahlungsverkehr41, 76, 79, 84 f., 88, 116

Multilaterales Netting 82

Net Settlement (siehe «Nettobasis», auch «Nettosystem»)

Netting 82 ff. Nettobasis 81, 90, 106Nettosystem 82 ff., 88, 90 f., 106Nostro-Konto 21, 40, 42

Opportunitätskosten 83, 86

Papiergeld 25 ff., 35, 38Payment versus payment 101, 103 f.Postcheckdienst 39, 41Postomat 67 Preisstabilität 110Privatbank 21, 25 f., 33, 38, 50Public Key 45, 123Publikumszahlungen (siehe auch

«Massenzahlungen») 81, 84, 88, 90, 93

Repo(geschäft) 86, 96, 110 f.RTGS(-System) (Real Time Gross Settle-

ment System) 5, 81 ff., 88 ff., 90, 92 f., 96, 101, 104 ff., 114

Sachgeld 10Settlement 80 ff., 87, 90 f., 94, 104 ff., 128Settlement Agent 93, 96SIC-Konto 85 f., 108SIC(-System) 5, 45, 49, 51, 53, 59, 83 ff.,

93 ff., 106 ff., 114Smartcard 45, 120, 127Stammkonto 86SWIFT (Society for Worldwide Interbank

Financial Telecommunication) 45, 59 f., 70, 89, 91 f., 106

Swiss Bankers Travelers Cheques 57Swiss Value Chain 108 f.

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Fritz KleinGuido Palazzo

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Fritz Klein, lic. oec. publ., ist bei SIS SegaInterSettle im Rahmen derGeschäftsleitung zuständig für strategische Projekte. Er wirkte u. a.bei der Entwicklung und Einführung einer Vielzahl von nationalenund internationalen Interbankprojekten mit.

Guido Palazzo, Dr. phil., ist Assistenzprofessor für Unternehmungs-ethik an der Ecole des Hautes Etudes Commerciales der UniversitätLausanne. Er ist Mitgründer und Gesellschafter der Unternehmens-beratung Management Manufaktur AG in Sarnen.

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