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Page 1: Landwirtschaft in Industriegesellschaften Wahrnehmungen, Eingriffe und ihre Folgen 1.Industrie und Landwirtschaft: Grundlagen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Landwirtschaft in Industriegesellschaften

Wahrnehmungen, Eingriffe und ihre Folgen

1. Industrie und Landwirtschaft: Grundlagen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede

2. Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Industriegesellschaft

3. Eingriffe in die Landwirtschaft:

a) Zielsetzungenb) Akteurec) Massnahmend) Auswirkungen

4. Wahrnehmung der Landwirtschaft nach den Eingriffen5. Merkmale dieser Wahrnehmung, ihre Folgen und Alternativen

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Was ist Landwirtschaft?

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19. Jh.

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Was ist Landwirtschaft?

21. Jh.

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Natürliche RessourcenDie Grundlagen jeder industriellen und landwirtschaftlichen

Tätigkeit

Durch die Nutzung biotischer Ressourcen produziert die Landwirtschaft neue Produkte und Dienstleistungen (Nahrungsmittel, Kultur-landschaften, Biodiversität)

Durch den Verbrauch mineralischer Ressourcen wird bspw. Erdöl in eine PET-Flasche verwandelt

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Merkmale Industrie und Landwirtschaft

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Die Produktion erfolgt zyklisch; Der Boden ist die Grundlage der Produktion und der Standort wird nicht gewechselt.

Die Produktion erfolgt kontinuierlich; Boden wird nur als Standort benötigt, weil die Produktionsgrundlage aus der Erdkruste stammt.

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Potentiale Industrie und Landwirtschaft

Die Landwirtschaft kann in reversibler Art und Weise dieBiosphäre pflegen; sie kann nachhaltig betrieben werden.

Die Industrie kann die mineral-ischen Ressourcen aus der Lithosphäre effizient verbrauchen und kurzfristig ein unbegrenztes Wachstum generieren.

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Grenzen Industrie und Landwirtschaft

Das Wachstum ist kurzfristig begrenzt und die Produktion kann nicht an einen anderen Strandort verschoben werden; die Landwirtschaft kann nicht effizient in einem industriewirtschaftlichen Sinne produzieren.

Die Industrie kann die mineralischen Ressourcen nicht nachhaltig nutzen, sondern verbraucht sie irreversibel. Sie kann nicht nachhaltig im eigentlichen Sinne des Wortes sein.

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Theoriebildung

- Der Boden verschwindet als Produktionsfaktor aus der ökonomischen Theorie

- Nahrungsmittelproduktion, Landschaftsgestaltung und Entwicklung der Biodiversität werden nicht mehr als untrennbar miteinander verbundene Prozesse wahrgenommen, sondern in ihre Einzelteile

zerlegt und unterschiedlich zu regeln versucht

Begriffe und Theorien werden in Auseinandersetzungen mit einer sozioökonomischen Realität entwickelt. Die

Theoriebildung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften erfolgt seit dem 19. Jh.

weitgehend an einer industriellen Realität und ignoriert seit den 1960er Jahren zunehmend alle Bezüge zur

agrarischen Welt.

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Sprache und Begriffe

Verbrauchen – Nutzen - Schützen

Um die Merkmale, Grenzen und Potentiale von Industrie und Landwirtschaft sachgerecht

beschreiben zu können, braucht es Begriffe, mit denen die unterschiedlichen Realitäten korrekt

erfasst werden. Das ist die Grundlage jeder rationalen Diskussion und Suche nach

zukunftsfähigen Lösungen.

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Wahrnehmungder Landwirtschaft in der Industriegesellschaft

„Der (…) Bauer, wie er sein sollte, und wie er nicht ist, wie er ist, und wie er nicht

sein sollte“ Den Bauern des Kantons Schaffhausen zur Beherzigung und Kurzweil

erzählt von Zacharias Gysel, Regierungsrat Schaffhausen, 1854

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Eingriffein die Landwirtschaft in Industriegesellschaften

- Die landw. Bevölkerung soll an dem wachsenden materiellen Wohlstand teilhaben

- Die Landwirtschaft soll so werden, wie die

Industrie ist

Zielsetzung

Integration durch Unterordnung

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Integration durch Unterordnung

- (Aus)bildung der Bauern (Schulen, Ausstellungen, Buchhaltung)

- Agronomen als Vermittler zwischen Industrie-gesellschaft und bäuerlicher Landwirtschaft (ETH)

- Ausrichtung der Produktion auf die Nachfrage auf dem Weltmarkt (Milch statt Getreide)

Phase I

1840/50 - 1914/18

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Integration durch Unterordnung

- Ausrichtung der Produktion auf den Bedarf der inländischen Bevölkerung; die Landwirtschaft als service public

- Politisch-gesellschaftliche Integration der bäuerlichen Bevölkerung durch Verbände und Parteien

- Verbände als Ausgestalter/Umsetzer der staatlichen Agrar- und Ernährungspolitik

Phase II

1914/18 - 1990er Jahre

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Integration durch Unterordnung

- Brot & Trinkmilch für den Inlandbedarf statt Käse für den Export

- Verbände als Vollzugsinstrumente der staatlichen Ernährungspolitik

Phase II/1

Erster Weltkrieg

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Integration durch Unterordnung

- Zurück zur Weltmarktintegration?- Weiterentwicklung der Ernährungspolitik, d.h.

konsequente Ausrichtung der Agrarproduktion auf die Bedürfnisse der inländischen Bevölkerung in Friedenszeiten? (Hans Bernhard)

- Pragmatische Verrechtlichung/Normalisierung der Ernährungspolitik?

Phase II/2

Optionen nach dem Ersten Weltkrieg

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Integration durch Unterordnung

- Schrittweise Verankerung der Ernährungs- und Agrarpolitik in Konzepten, Gesetzen und der Verfassung

- Ideologische Überhöhung der Bauern als Mittel zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Integration der bäuerlichen Bevölkerung

Phase II/3

Erster Weltkrieg – 1950/60er Jahre

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Integration durch Unterordnung

- Durch Integration des Verbrauchs mineralischer Ressourcen in die Agrarproduktion werden enorme Produktivitätssteigerungen möglich

- Das bäuerliche verschwindet auf der Ebene der Begriffe

- Weiterführung und Ausbau der Bestrebungen zur Integration der Landwirtschaft

Phase II/4

1950/60er – 1990er Jahre

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Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit in den 1970/80er Jahren

- zu wenig wettbewerbsfähig

- zu wenig umweltfreundlich

- zu wenig bauernfreundlich

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Agrarreformen der 1990er Jahre

- „mehr Markt“

- „mehr Ökologie“

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Der Versuch einer Teilantwort auf die Kritikin den 1970/80er Jahren

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Wahrnehmungder Agrarreform in der Öffentlichkeit heute

- Zu wenig wettbewerbsfähig

- Zu wenig umweltfreundlich

- Zu hohe Kosten für den Staat

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Merkmaleder heutigen Wahrnehmung von Landwirtschaft und Agrarpolitik

-Vermischung von Ursachen, Absichtserklärungen und Auswirkungen

-Mischung aus Allmachts- und Ohnmachtsvorstellungen

-Kurz: Konfuses Reden sowohl über die Landwirtschaft als auch über die Agrar- und Ernährungspolitik

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Ursachendes konfusen Redens über die Landwirtschaft

-Nicht Differenzierung zwischen der Nutzung lebender und dem Verbrauch mineralischer Ressourcen und ihren je unterschiedlichen Möglichkeiten und Grenzen (Intellektuelle Ignoranz verkleidet als ideologische Distanz)

-Emotionale Nähe zur Landwirtschaft über den täglichen Prozess der Nahrungsmittelaufnahme und die ästhetische Wahrnehmung der Umwelt

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Folgendes konfusen Denkens u. Redens über die Landwirtschaft

- Die Nahrungsmittel werden importiert

- Die Landschaft wird verbaut oder musealisiert

- Die Artenvielfalt wird in Gen-Datenbanken konserviert

Auflösung der bäuerlichen Landwirtschaft

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Alternative

• Wahrnehmen, hinschauen, sich intellektuell mit dem Gegenstand beschäftigen

• Korrekt benennen• -> Ermöglicht das Verstehen• -> und das ermächtigt zur sinnvollen

Neugestaltung des menschlichen Umgangs mit den natürlichen Ressourcen (lebenden und mineralischen)

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