LEHRSKRIPT UNFALLCHIRURGIE
für das Chirurgische Praktikum in der
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
© Univ.-Prof. Dr. med. Steffen Ruchholtz
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Universitätsklinikum Giessen - Marburg; Standort Marburg
Baldingerstrasse
35033 Marburg
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorwort
Marburg, im Oktober 2009
Liebe Studierende, lieber Studierender,
seien Sie herzlich willkommen in der Unfallchirurgie. Das Ihnen hiermit vorliegende
Lehrskript Unfallchirurgie dient als Leitfaden während unserer unfallchirurgischen
Kurseinheiten im Rahmen des Chirurgischen Praktikums.
Bitte beachten Sie, dass das Lehrskript Unfallchirurgie selbstverständlich kein
Lehrbuch der Unfallchirurgie ersetzt. Die Texte im Lehrskript Unfallchirurgie sind
vielmehr für Ihre Vorbereitung auf die jeweiligen Unterrichtseinheiten gedacht, mit
welchen sie exakt abgestimmt sind. Der Umfang des Lehrskripts ist so knapp
gefasst, dass Sie eine angemessen kurze, effiziente Vorbereitungszeit einplanen
können. Wir hoffen, dass Ihnen die Kurse nach der Einarbeitung mithilfe des Skripts
große Freude machen werden. Unsere Dozenten setzen die Inhalte des Lehrskripts
im Kurs als Ihr Wissen voraus, um Sie in eine lebendige, interaktive
Unterrichtsgestaltung einbeziehen zu können.
Unsere wichtigsten Ziele sind, Ihnen während dieses Kurses neben der Vermittlung
der theoretischen und praktischen Grundlagen auch die Faszination des Faches
Unfallchirurgie mitzuteilen.
Wir wünschen Ihnen eine spannende und lebhafte Ausbildungszeit in der Klinik für
Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie.
Verantwortliche Autoren in alphabetischer Reihenfolge
Dr. med. A. Glatzl – Assistenzarzt Dr. med. S. Graz - Assistenzarzt Dr. med. C. Hauk – Assistenzarzt Dr. med. A. Krüger - Facharzt Dr. med. M. Kuhn – Facharzt Dr. med. D. Mann - Leitender Oberarzt Prof. Dr. med. S. Ruchholtz Dr. med. E. Schäfer - Oberarzt Dr. med. R. Reichel – Oberarzt Dr. med. E. Ziring - Facharzt
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Inhaltsangabe
Seite
UC 1 Frakturen der langen Röhrenknochen / Osteosyntheselabor 4
UC 2 Artikuläre und periartikuläre Frakturen 8
UC 3 Kniegelenk und Kniebinnenverletzungen 11
UC 4 Handchirurgie 14
UC 5 Hüftgelenksnahe Frakturen und Beckenverletzungen 18
UC 6 Wirbelsäulenverletzungen 21
UC 7 Kindliche Frakturen und Luxationen 26
UC 8 Weichteilverletzungen 28
UC 9 Gipskurs 33
UC 10 Verbandskurs 38
Allgemeine Hinweise
Die Patienten, die Sie in den einzelnen Themenbereichen vorstellen, werden Ihnen
einen oder zwei Tag/e vorher in der Zeit von 09:00-14:00 Uhr von den Stationsärzten
der Station 125 oder der Station 137 zugeteilt. Unmittelbar im Anschluss gehen Sie
zu den Patienten auf die jeweilige Station und sichten die Patientenakte und
Röntgenbilder im Stationszimmer. Zur darauf folgenden Anamnese des Patienten
bekleiden Sie sich mit einem Kittel.
Die Patientenvorstellung im Rahmen des Kurses erfolgt zu zweit. Ein Studierender
berichtet die Anamnese des Patienten, worauf der andere die mitgebrachten
Röntgenbilder beschreibt.
Falls ein Dozent nicht zum Unterricht erscheinen sollte geben Sie bitte umgehend,
also nach spätestens 10 Minuten, im Chefsekretariat unter der Telefonnummer 58-
66216 Bescheid.
Wir möchten Sie abschließend bitten nach jeder Unterrichtsstunde die Qualität des
Kurses online zu evaluieren (www. uni-marburg.de/fb20/unfallchir/lehre), damit wir
uns stetig weiterentwickeln und die Kurse möglichst immer interessant gestalten
können.
Vielen Dank!
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Frakturen der langen Röhrenknochen - Osteosyntheselabor
Schäfer, Ruchholtz - Version 04/08
Lernziele: Frakturheilung und Frakturtypen
Indikation zur konservativen bzw. operativen Frakturbehandlung
Prinzipien der Frakturstabilisierung
Lehrmedien: PP-Präsentation
Ablauf des Kurses: Patientenvorstellung (Fraktur eines langen Röhrenknochens)
Verlauf: Studierender A / RT-Bild: Studierender B (ca. 15 Min.)
PP-Präsentation ca. 15 Min.
Osteosynthese eines langen Röhrenknochen ca. 60 Min.
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorbereitung durch die Studierenden A: Frakturheilung Frakturhämatom:
- Als direkte Folge der Fraktur Entzündungsphase:
- folgt unmittelbar der Hämatomphase - Einsprossung von Kapillaren, Leukozyten, Makrophagen und Mastzellen - Nach ca. 2-3 Tagen abgeschlossen - Führt zu einer deutlich vermehrten Durchblutung der betroffenen Extremität
bis zum 6 fachen der Norm innerhalb von 2 Wochen Granulationsphase:
- Bildung eines Netzes aus Kollagen und Fibrin durch Granulationsgewebe - Fibroblasten und Kollagen bilden den sog. Weichen Kallus - Osteoklasten beginnen damit, tote, nicht mehr durchblutete Knochensubstanz
abzubauen - Osteoblasten beginnen mit der Knochenneubildung im Bereich der
Knochenhaut (diese Phase wird auch primäre Kallusreaktion genannt) - Am Ende der Phase, nach 3-4 Wochen, sind die Frakturenden teils
bindegwebig, teils knöchern miteinander verbunden Kallushärtung:
- Aushärtung durch Mineralisation - Calzium wird durch Chondrozyten abgegeben und eingebaut - Es entsteht ein Geflechtknochen entlang der Kapillarisierung - Dauer: 6-8 Wochen
Modelling und Remodelling: Modelling: Der entstandene Kallus wird nach und nach durch
Lamellenknochen ersetzt. Remodelling: Durch langsame Ab-, Auf- und Umbauvorgänge, wird der Kallus
auf annähernd normale Knochendichte und –struktur zurückgeführt.
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B: Indikationen zur konservativen vs. operativen Ve rsorgung Konservativ (Behandlung einer Fraktur ohne Operatio n)
- Wenn die Fraktur nicht disloziert ist und im Cast stabil gehalten werden kann - nur geschlossene oder maximal I° offene Frakturen - Ggf. nach vorheriger Reposition, z.B. in Bruchspaltanästhesie - Eventuell zusätzliche Stabilisierung einer Fraktur vor Gipsanlage,
z.B. mit K-Drähten in Lokalanästhesie (L.A.) (siehe unten) - Patient ist nicht operationsfähig oder -willig
Voraussetzung:
- Gute Mitarbeit und Führung / Führbarkeit des Patienten - Regelmäßige Gipskontrollen (Druckstellen, DMS, Castwechsel nach
Lockerung etc.) - Standardisierte Röntgenkontrolle und ggf. Verfahrenswechsel bei sekundärer
Dislokation. Nachteile:
- Verzögerte Mobilisation durch Immobilisation (Cast, Orthese, Gips) - Muskelatrophien und Bewegungseinschränkung - Bei Bettlägerigkeit Gefahr von Thrombosen und Embolien sowie
nosokomialer Infektion - Mangelnder Komfort - Weichteilläsionen unter dem Gips
Operativ
- Alle dislozierten Frakturen, einschließlich sek. dislozierter Frakturen - Gelenkfrakturen mit Stufenbildung - Pathologische Frakturen - Femurfrakturen - Alle mehr als II° offenen Frakturen
Ziele: - Anatomische Wiederherstellung des Knochen und Gelenkes - Frühzeitige Bewegungs- und Belastungsstabilität
Risiken:
- Blutung - Infekt - Nervenverletzung - Osteosyntheseversagen - Ggf. erneute OP zur Metallentfernung nötig
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C: OP – Verfahren Schraubenosteosynthese:
- selten allein ausreichend zur Stabilisierung - z.B. bei Übergangsfrakturen (OSG), oder bei Patellalängsfraktur, oder
knöchernen Ausrissen, oder Absprengungen - Häufig zusätzliche Sicherung durch Gips, Cast oder Orthese notwendig
Plattenosteosynthese:
- gute auch häufig übungsstabile Osteosynthese möglich - z.B. Unterarmfraktur, OSG Fraktur, Tibiakopffraktur, distale Radiusfraktur etc. - oft keine begleitende Protektion erforderlich - frühzeitige passive und aktive Mobilisation
Marknagelung:
- sehr stabile Osteosynthese eines großen langen Röhrenknochens - Verlagerung der Traglast über intramedulläre Schienung - Frühe aktive Mobilisation möglich - Keine zusätzliche Protektion erforderlich - Gefahr des Rotationsdrehfehlers, ggf. Folge-Op. - Erhöhte Gefahr der Entstehung eines Kompartmentsyndroms
Zuggurtung:
- Bei Frakturen mit Zugbelastung (im Bereich eines Muskelansatzes) - z.B. Olecranon, oder Patellaquerfraktur - Meist Metallentfernung notwendig
Fixateur externe:
- Vorübergehende Behandlung bei komplizierten Frakturen mit Weichteilschäden
- Minimale Traumatisierung des Gewebes, aber nicht belastungsstabil - Meist späterer Wechsel auf anderes Verfahren - Erhöhte Infektgefahr über die Pineintrittsstellen
Kirschnerdraht-Osteosynthese:
- Stabilisierung instabiler Frakturen ggf. vor zusätzlicher Castbehandlung - Nicht übungs- oder belastungsstabile Versorgung - Häufig bei kindlichen Frakturen angewandtes Verfahren - Geringe Gewebetraumatisierung durch den Eingriff
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Artikuläre und periartikuläre Frakturen
Hauk, Ruchholtz - Version 04/08
Lernziele: Gelenkfrakturen (Therapie, Prognose, Komplikation)
Distale Radiusfraktur
Fraktur des Oberen Sprunggelenks
Interpretation von Röntgenbildern
Lehrmedien: PP-Präsentation
Anatomische Modelle Hand und Sprunggelenk
Ablauf des Kurses: Patientenvorstellung (Fraktur Radius / Sprunggelenk)
Verlauf: Studierender A / RT-Bild: Studierender B (ca. 15 Min.)
PP-Präsentation ca. 15 Min.
Röntgen- Quiz
Ggf. Untersuchungstechniken OSG-Distorsion
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorbereitung durch die Studierenden
A Gelenkfrakturen Gelenkfrakturen stellen eine besondere Herausforderung für die Behandlung dar. Ziel ist es zum einen, eine möglichst anatomische Stellung von Gelenkfläche und Achse zu erzielen. Zum anderen soll durch die Behandlung eine Verwachsung und Schrumpfung gelenknaher Weichteile vermieden werden. Aus diesen Gründen wird bei vielen Gelenkfrakturen eine Operation mit anschließender funktioneller Therapie durchgeführt. B Radiusfraktur B.1. Einteilung und Klassifikation In Abhängigkeit vom Sturztyp kommt es bei der Radiusfraktur entweder zur Extensionsfraktur mit Dislokation des distalen Fragmentes nach dorsal (Typ Colles) oder zu einer Flexionsfraktur mit Dislokation des distalen Fragmentes nach volar (Typ Smith). In der Klassifikation der AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) unterscheidet man zusätzlich:
• Typ A = extraartikuläre Fraktur • Typ B = partiell artikuläre Fraktur • Typ C = vollständig artikuläre Fraktur
B.2. Untersuchung und Diagnostik Untersuchung: Anamnese: Unfallmechanismus und Intensität
Inspektion: Schwellung, Fehlstellung (Bajonett, Fourgette) Palpation: Durchblutung, Motorik, Sensibilität Diagnostik: Röntgen: Handgelenk in 2 Ebenen B.3. Therapie Bei dislozierten Frakturen erfolgt initial die Reposition nach Bruchspalt-Anaesthesie im Aushang. Danach wird ein gespaltener Weisgips angelegt. Konservative Therapie:
Bei stabilen / gering dislozierten Frakturen wird eine Gipsbehandlung für 4 Wochen durchgeführt. Die Röntgenkontrollen orientieren sich an dem Schema 4. Tag / 7. Tag / 11. Tag.
Operative Therapie: Dislozierte Frakturen werden nach Einrichtung meist durch eine volare Platte stabilisiert.
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C Fraktur des oberen Sprunggelenks C.1. Einteilung und Klassifikation Klassifizierung n. Danis und Weber – Orientierung an der Höhe der Außenknöchelverletzung: Typ A: unterhalb der OSG-Gelenklinie/ Syndesmose (→keine Syndesmosenverletzung) Typ B: innerhalb der Syndesmose (mögliche Syndesmosenverletzung) Typ C: oberhalb der Syndesmose mit Verletzung der Membrana interossea Zusatzverletzungen: Häufig findet sich zusätzlich eine Fraktur des Innenknöchels (bimalleoläre Fraktur) oder außerdem eine Absprengung des Volkmann-Dreiecks (trimalleloläre Fraktur). C.2. Untersuchung und Diagnostik Untersuchung: Anamnese: Unfallmechanismus und Intensität
Inspektion: Schwellung, Fehlstellung Palpation: Durchblutung, Motorik, Sensibilität Diagnostik: Röntgen: Oberes Sprunggelenk in 2 Ebenen C.3. Therapie Bei dislozierten Frakturen erfolgt initial die Reposition. Falls die Fraktur nicht wieder in Luxationsstellung fällt, wird ein gespaltener Weißgips angelegt. Geschlossene Frakturen werden aufgrund der initialen Schwellung erst sekundär offen stabilisiert (nach 5.-7. Tag) Konservative bzw. operative Therapie:
Typ A – Frakturen werden meistens für 6 Wochen im Gehgips unter Vollbelastung behandelt. Typ B – Frakturen werden nur bei sehr geringer Verschiebung in beiden Ebenen des Rt-Bildes konservativ für 6 Wochen im Gips behandelt. Dislozierte Frakturen werden mittels Zugschraube und Platte behandelt. Postoperativ dürfen die Patienten im Gips bzw. Air-Walker unter Vollbelastung mobilisiert werden. Typ C – Frakturen werden immer operativ behandelt. Ziel ist es neben der Wiederherstellung korrekter anatomischer Verhältnisse an der distalen Fibula die Sprunggelenksgabel wieder anatomisch zu fixieren. Die dazu verwendete Stellschraube verbleibt für 6 Wochen und muß vor Vollbelastung nach Gipsabnahme entfernt werden.
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Kniegelenk und Kniebinnenverletzungen
Ziring, Mann, Graz, Mand, Ruchholtz - Version 10/09
Lernziele: Untersuchung des Kniegelenk, Knie Rolimeter
Kenntnis typischer Verletzungen dieses Gelenks mit
Therapieoptionen
Arthroskopie am Modell, „Rundfahrt“ durchs Kniegelenk
Lehrmedien: PP-Präsentation
Arthroskopie-Dummy, Kniemodell, Rolimeter
Bitte beachten: Die Seminarteilnehmer sollten adäquat für die gegenseitige
Untersuchung der Extremitäten gekleidet sein .
Ablauf des Kurses: Kurzvorstellung eines Patienten Gelenkverletzung
(10 Min. = Verlauf Studierender 1, RT-Bild Studierender 2)
PP-Mini-Lecture
Arthroskopie am Modell
Untersuchungstechniken am Studierenden
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Knie
Kniestreckapparat Quadrizepssehnenruptur, Patellarsehnenruptur, Patel laluxation Klinik und Diagnostik
• Klinische Untersuchung: o Unfähigkeit, das Knie zu strecken (cave: Partialrupturen der
Quadricepssehne mit erhaltener Streckfähigkeit) o Lokal tastbare Delle an der Rupturstelle o Patellahoch- bzw. –tiefstand
• Röntgen (Knie 2 Ebenen, Patella tangential), Sonographie •
Therapie • Fast immer operative Therapie! •
Konservative Therapie • Ruhigstellung im Tutor für 2 Wochen, dann funktionelle Therapie �
Bewegungsübungen, Krafttraining, Stabilisierungsübungen
Operative Therapie • Direkte Sehnennaht mit Augmentation und/oder Refixation an die Patella • Bei Patellarsehnenruptur zur Protektion zusätzlich McLaughlin-Cerclage
Verletzungen des Kniebandapparates Klinik und Diagnostik
• Klinische Untersuchung: o Druckschmerz, schmerzhafte Bewegungseinschränkung, evtl
Instabilitätsgefühl („Giving-way“-Symptomatik) o Evtl. Hämarthros o Spezielle Untersuchungstechniken s. Skript ‚Untersuchungskurs‘
• Röntgen, ggf. MRT, ggf. Arthroskopie
Konservative Therapie • Indikationen:
o Isolierte Seitenbandverletzung (v.a. Innenbandruptur) o Isolierte Ruptur des vorderen oder hinteren Kreuzbandes (beim
hinteren Kreuzband bei einer hinteren Schublade von > 10 mm) o Kontraindikationen zum operativen Vorgehen: Alter, fehlende
Compliance, Weichteilschäden etc.
Operative Therapie • Bei Kreuzbandverletzungen: Refixierung bei knöchernem Ausriß,
Kreuzbandersatzplastik sofort oder im Intervall • Bei Seitenbandverletzungen: Ausrissverletzungen (v.a. tibialer Abriss) • Hinweis: Kann nicht generell für alle Formen der Kniebandverletzungen gleich
sein
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Meniskusläsion
Grundlagen
• 4 Grundtypen: Vertikalriss, Horizontalriss, Radiärriss, Lappenriss • Primär oder sekundär traumatisch, degenerativ
Klinik und Diagnostik • Schmerz, Blockierungen, Schwellung, Reiben, Instabilitätsgefühl • Klinische Untersuchung: Lokaler Druckschmerz, Überstreckungsschmerz,
Überbeugungsschmerz, spezielle Meniskustests • Röntgen: Knie 2 Ebenen, Patella tangential • MRT, Arthroskopie
Therapie • Meniskusrefixation geht vor Meniskusresektion • Für die Resektion gilt: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. • Ggf. Meniskusersatz
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Handchirurgie
Reichel, Ruchholtz - Version 04/08
Lernziele: Sehnenverletzung
Infektionen der Hand
Nervenkompressionssyndrome - Karpaltunnelsyndrom
Lehrmedien: PP-Präsentationen
Sehnenaht – Fäden, Nadelhalter und Pinzetten, Tesafilm
Handmodell
Gegenseitige Untersuchung
Ablauf des Kurses: Patientenvorstellung (Verletzung / Erkrankung der Hand)
- Verlauf durch Studierender A / ggf. RT-Bild Studierender B (ca.
15 Min.)
PP-Präsentation – Sehnenchirurgie (Anatomie, Klinik,
Untersuchung), Nachbehandlung
Demonstration der Sehnen am Modell, Nahttechnik
PP-Präsentation Infektionen der Hand
PP-Präsentation Karpaltunnelsyndrom
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorbereitung durch die Studierenden 1. Beugesehnenverletzungen Anatomie der Beugesehnen Die Beugesehnen als Kraftüberträger der Beugemuskulatur ziehen durch den Karpaltunnel und die Hohlhand zu den Phalangen, wobei die oberflächliche Beugesehne vor ihrem Ansatz an der Mittelphalanxbasis ein sog. Chiasma bildet, durch das die tiefe Beugesehne bis zu ihrem Ansatz an der Basis der distalen Phalanx zieht. An den Phalangen gehalten werden die Sehnen durch 5 Ringbänder (A1-5) und eine inkonstante Zahl an Kreuzbändern. Überall, wo sich 2 Schichten gegeneinander bewegen, bildet sich synoviales Gewebe um die Sehnen - das Peritendineum. Die Blutversorgung der Sehnen erfolgt über sog. Vincula (Zügelchen) aus den Phalangen. Beugesehnenverletzung – Klinik Die Klinik ist abhängig von der Lokalisation der Verletzung, die klinische Untersuchung ist einfach und spezifisch. Operativer Zugang zur Hohlhand / Beugeseite der Pha langen Der Zugang erfolgt Zickzackförmig (Bruner´sche Inzisionen), um Narbenkontrakturen zu vermeiden. Beugesehnennaht – Technik Es wird eine Ankernaht angelegt, bei der jeweils 90° zur Kernnaht senkrecht zum Verlauf der Sehnenfasern gestochen wird, sodass sich eine Schlinge bildet, die ca. 1/3 des Sehnenquerschnittes enthält. Bei Zug an der Naht kommt das in der Schlinge gelegene Gewebe unter Kompression, sodass die Naht nicht durchreißt. (Zechner-Naht) Beugesehnennaht – Nachbehandlung Um eine Vernarbung des Peritendineums zu vermeiden bzw. dessen Neubildung zu induzieren, ist Bewegung erforderlich, d.h. es wird eine dynamische Bewegungsschiene angelegt (Kleinert-Schiene) und im Idealfall sofort nach OP bewegt. Die Schienenbehandlung dauert 6 Wochen, die endgültige Belastbarkeit wird nach ca. 3 Monaten erreicht. 2. Strecksehnenverletzungen Anatomie der Strecksehnen Die Strecksehnen sind jeweils paarig angelegt, wobei die zweite nur beim 2. und 5. Finger selektiv angesprochen werden kann (Extensor indicis und digiti minimi). Ausnahme: Daumen (Extensor pollicis longus / brevis). Die über den Grundphalanxköpfchen sichtbaren Strecksehnen entsprechen dem distaleren Mittelzügel, der an der Mittelphalanxbasis ansetzt.
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In den Mittelzügel strahlen von beugeseitig die Sehnen der Interosseus- und Lumbricalismuskeln ein, die im Grundgelenk beugen. Über die Seitenzügel vereinen sich Mittelzügel und Interossei / Lumbricales zum Endzügel. Strecksehnenverletzung – Klinik Die Klinik ist wiederum typisch für die Höhe der Verletzung, die Untersuchung ist spezifisch. Strecksehnen – operativer Zugang Die Bildung von Narbenkontrakturen ist fast zu vernachlässigen, die Haut des Handrückens ist enorm verschieblich. Typische Formen von Strecksehnenverletzungen Distale Ruptur / Buschfraktur: Hängende Endphalanx. Durch Zurückweichen der Seitenzügel hinter das Drehzentrum des PIP-Gelenkes kommt es zur Überstreck-Fehlstellung desselben. Ruptur des Mittelzügels: Die Seitenzügel liegen vor dem Drehzentrum des PIP-Gelenkes, d.h. es ist keine Streckung im PIP-Gelenk aus 90° Beugung möglich mit der Folge der Knopflochdeformität. 3. Infektionen der Hand Ätiologie Mit der seltenen Ausnahme einer Entstehung durch eine Bakteriämie oder einen Karbunkel sind die Infektionen der Hand verletzungsbedingt, wobei es sich meistens um Bagatellverletzungen handelt. Begünstigende Faktoren sind mangelhafte Hygiene, Arbeit im Nassen sowie z.B. endogene Faktoren wie Immunsuppression oder Diabetes mellitus. Terminologie Pyogene Infekte: Paronychien, Panaritien Gefürchtetste Komplikation ist die Ausbreitung eines primär kleinen Herdes auf benachbarte Gewebe (Knochen, Gelenk) und die Ausbreitung entlang der Sehnenscheiden. Klinik Entzündungszeichen (Calor, Dolor, Rubor, Tumor, Functio laesa) Diagnostik Klinik, Labor, Röntgen zum Ausschluss von Fremdkörpern und Osteolysen Therapie Konservativ: Wenn überhaupt, berechtigt im frühen phlegmonösen Anfangsstadium: Hochlagerung, Kühlung, Ruhigstellung, antiseptische Therapie mit Lavasept / Rivanol, antibiotische Therapie. Operativ: - Ubi pus, ibi evacua! - Großzügige Eröffnung, kein Wundverschluss, bei großen Inzisionen adaptierende Nähte. Nachbehandlung Vermeidung von Verklebungen, second look Operation, falls erforderlich.
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4. Nervenkompressionssyndrome der oberen Extremität – Karpaltunnelsyndrom Missempfindungen, Schmerzen, Bewegungs- und Kraftverlust sind die Leitsymptome. Neben der Klinischen Untersuchung, die die Höhe einer Nervenkompression definieren kann, ist standardmäßig eine Vorstellung beim Neurologen zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit erforderlich. Der Abfall der Leitgeschwindigkeit im Verlauf eines peripheren Nervs ist hinweisend für die Höhe der Läsion. Das Karpaltunnelsyndrom bezeichnet eine Kompression des Medianusnerven auf Höhe des Karpaltunnels. Typische Klinik: Dys- / Parästhesien der Hohlhand und der Finger 1 – 4, letzterer radialseitig, später Atrophie des Daumenballens. Untersuchung: Hoffmann-Tinel´sches Zeichen, Phalen-Test, Nervenleitge-schwindigkeit. Operative Therapie Spaltung des Ligamentum carpi transversum, hierbei ulnares Eingehen zur Schonung des sensiblen Astes für die Haut thenar und den motorischen Ast für die Daumenballenmuskulatur.
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Hüftgelenksnahe Fraktur und Beckenverletzung
Kuhn, Ruchholtz - Version 04/08
Lernziele: Proximale Femurfraktur (Therapie, Komplikationen)
Beckenring - Fraktur
Lehrmedien: PP-Präsentation
Beckenmodell und Implantatmodell
Implantate (Dynamische Hüftschraube, Marknagel, Prothese)
Ablauf des Kurses: Patientenvorstellung (Fraktur des proximalen Femurs)
Verlauf: Student A / RT-Bild: Student B (ca. 15 Min.)
PP-Präsentation (proximale Femurfraktur) ca. 15 Min.
Demonstration und Besprechung der Implantate
PP-Präsentation (Beckenringfraktur) ca. 10 Min.
Demonstration der Anatomie am Modell Beckenring
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorbereitung durch die Studierenden A Frakturen des proximalen Femur A.1. Mediale Schenkelhalsfraktur Die mediale Schenkelhalsfraktur ist eine Fraktur des meist älteren Patienten nach Sturz aus niedriger Höhe. Häufig liegt eine Osteoporose zugrunde. Eingestauchte Frakturen haben eine gute Prognose. Bei allen dislozierten SH-Frakturen geht die konservative Therapie aufgrund der komplizierten Durchblutungssituation mit Pseudarthrosen und Hüftkopfnekrosen einher. Zur Abschätzung der Prognose werden heute zwei Klassifikationen verwendet (mit steigendem Grad steigt die Rate des Versagens der konservativen Therapie). Pauwels-Klassifikation Die Klassifikation orientiert sich am Verlauf der Frakturlinie zur Waagerechten: Typ 1:< 30° Typ 2: 30-70° Typ 3: >70° Garden-Einteilung (Dislokationsgrad zwischen Kopf und Schenkelhals) Typ 1: Abduktionsfraktur, valgisch eingestauchter Kopf Typ 2: unverschobene Fraktur Typ 3: dislozierte Adduktionsfraktur Typ 4: starke Dislokation mit Unterbrechung der Gefäßversorgung Operative Therapie:
• Junge Patienten (< 65 J.) mit frischer Fraktur (< 6 Std.): Hüftgelenkserhaltende OP - Schrauben oder Dynamische Hüftschraube
• Ältere Patienten (> 65) mit dislozierter Fraktur (Garden 3 und 4): Hüftgelenkersatz durch TotalEndoProthese (TEP):
A.2. Pertrochantäre Femurfraktur: Bei der pertrochantären Fraktur handelt es sich immer um eine instabile Fraktur. Eine sinnvolle konservative Therapieoption existiert nicht. Aus diesem Grund gibt es keine Klassifikation als Entscheidungshilfe zur Indikationsfindung hinsichtlich operativ bzw. konservativ. Operative Therapie:
• Einfache Fraktur - Dynamische Hüftschraube (DHS) • Komplexe Fraktur - Marknagelosteosynthese (Proximaler FemurNagel PFN)
A.3. Subtrochantäre Femurfrakturen: Hinsichtlich der OP-Indikation gilt das Gleiche wie bei der pertrochantären Fraktur Operative Therapie:
• Marknagelosteosynthese (Proximaler FemurNagel PFN)
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B. Beckenringverletzungen Beckenringverletzungen sind meist Folge eines Rasanztraumas mit großer Gewalteinwirkung. Deshalb sind in diesem Zusammenhang immer Zusatzverletzungen zu berücksichtigen (Polytrauma). Aufgrund der anatomischen Nähe finden sich bei höhergradigen Frakturen meist zusätzliche Verletzungen der Organe des kleinen Beckens B.1. Einteilung und Klassifikation Typ A: Absprengung ohne Unterbrechung des Beckenrings Typ B: Vordere Unterbrechung des Beckenrings (open book) Typ C: Vordere und hintere Unterbrechung des Beckenrings (Translation) B.2. Untersuchung und Diagnostik Untersuchung: Anamnese: Unfallmechanismus und Intensität
Inspektion: Prellmarken, Hämatome, Blutungen aus Harnwegen, Verletzung des Damms
Palpation: Testung der Stabilität des Beckens Diagnostik: Röntgen: Übersichtsaufnahme des Beckens a.p. Computertomographie: bei V.a. höhergradige Beckenringverletzung (B und C) Zystographie (retrograd, ggf. im CT): bei V.a. Verletzung von Urethra / Blase B.3. Therapie Konservative Therapie: Typ A und Typ B Verletzungen ohne wesentliche Dislokation werden
konservativ unter Analgesie und Entlastung der betroffenen Seite behandelt Notfallmaßnahmen:
Typ C Verletzungen können mit einem akuten Blutungsschock bedingt durch eine Zerreißung der Gefäße des kleinen Beckens (zu 95% Venen) einhergehen. Hier steht die Stabilisierung mittels externer Beckenkompression im Vordergrund.
Therapie:
Typ B Verletzungen (open Book) werden durch eine Symphysenplatte verschlossen Typ C Verletzungen werden durch kombinierte Verfahren (vorn Platte, hinten Schrauben) durch die Iliosakralfuge behandelt.
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Wirbelsäulenverletzungen
Krüger, Ruchholtz - Version 04/08
Lernziele: Anatomie (Wirbelkörper, Spinalkanal, Röntgenanatomie),
Klassifikation von Wirbelsäulenverletzungen (Säulenmodell),
Therapie (dorsale und ventrale Verfahren, Kyphoplastie)
Lehrmedien: PP-Präsentation
Anatomiemodel;
Implantate (Fix-Interne, Cage)
Kyphoplastie-Set
Ablauf des Kurses: Vorstellung eines Patienten mit Wirbelsäulenverletzung
(10 Min. = Verlauf Studierender 1 und RT-Bild Studierender 2)
Powerpoint-Präsentation
Demonstration der Anatomie am Modell und der Implantate
Demonstration der Kyphoplastie
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorbereitung durch die Studierenden A Einteilung und Klassifikation A.1. Besonderheiten der oberen Halswirbelsäule
Anatomie Anatomie von Atlas und Axis. Der Atlas sitzt als Ring um den Dens Axis. Nicken über das obere Kopfgelenk (Axis und Okzipital-Kondylen) Drehen im unteren Kopfgelenk zwischen Atlas und Axis Frakturen des Dens axis (Anderson&Alonzo) Typ I: Knöcherner Ausriß des Ligamentum alare aus der Dens Spitze Typ II: Fraktur entlang der Dens Basis : instabil Typ III: Tiefe Dens axis Fraktur durch den Wirbelkörper des Axis
Traumatische Spondylolisthesis „Hanged man`s fracture (Effendi) Typ I: Bogenfraktur < 3mm disloziert Typ II: Bogenfraktur mit Diskusruptur, Dislokation > 3mm Typ III: C2/3 Luxation mit Bogenfraktur
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A.2. Einteilung bei allen weiteren Wirbelkörperfrak turen
3-Säulen Model nach Denis 1984: o Kompressionsfrakturen (ohne Hinterkantenbeteiligung) o Berstungsfrakturen (mit Hinterkantenbeteiligung) o Luxationsverletzungen (Alle 3 Säulen verletzt)
B Untersuchung und Diagnostik Anamnese:
- Unfallmechanismus - Flexions-, Distraktions-, Rotationsverletzung - Bewegungseinschränkungen - Sensibilitätsstörungen - Risikofaktoren für Wirbelkörperfrakturen
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Klinische Untersuchung: - Neurologischer Status (Überprüfung der Kraft und der Sensibilität, Zuordnung
der Symptome zur Höhe der Wirbelsäulenverletzung) - Blasenentleerungsstörung als Hinweis für eine Wirbelsäulenverletzung - Rektale Untersuchung (Ermittlung des Sphinktertonus) - Radikuläre Symptomatik
Bildgebung:
- Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen als ´Screeningverfahren´ - Computertomographie bei V.a. oder Nachweis einer Fraktur in der
Röntgenaufnahme - Computertomographie der HWS bei jedem Rasanztrauma - Kernspintomographie bei V.a. Rückenmarks- oder Weichteilverletzung
(Bandscheibe, Bänder, Hämatome) C. Therapie C.1. Konservative Therapie
o Bei stabilen, gering deformierten Frakturen o Die konservative Therapie besteht aus analgetischer Therapie und
Mobilisation mit Mieder. Wichtig ist auch eine individuell angepasste physiotherapeutische Behandlung zur Kräftigung der Rückenmuskulatur und später die Teilnahme an einer Rückenschule.
C.2. Notfallindikationen zur operativen Versorgung
o Neurologisches Defizit o Zunehmende neurologische Instabilität o Hochgradig instabile / dislozierte Frakturen mit Gefahr der Myelonschädigung
C.3. OP-Verfahren
Dorsale Instrumentationen o Beim Fixateur interne werden Schrauben von dorsal durch die Bogenwurzeln
in den Wirbelkörper geschraubt. Diese Schrauben werden über mehrere Wirbelkörper eingebracht. Im Anschluss werden die Schrauben mit Längsträgern fest verbunden, um einen stabile innere Fixation zu erreichen.
o Die dorsale Stabilisierung ist an BWS und LWS die initiale Versorgungsstrategie.
Ventrale Spondylodesen o Die Indikation zur Stabilisierung von vorne besteht, wenn der Wirbelkörper so
zerstört ist, dass er die axiale Last nicht mehr tragen kann. Der Wirbelkörper kann durch unterschiedliche Implantate ersetzt werden. Bei der Rekonstruktion kommen körpereigener Knochen (Beckenkamm, Rippen,
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Fibula), aber auch andere Materialien wie Stahl, Titan oder künstliche Bandscheiben (Cages) zum Einsatz.
o Dorsale und ventrale Verfahren können kombiniert werden. Vertebroplastie / Kyphoplastie o Vertebroplastie und Kyphoplastie sind zwei relativ neue Verfahren, bei denen
der Wirbelkörper durch das transpedikuläre Einspritzen von Knochenzement stabilisiert wird. Bei der Kyphoplastie wird vor dem Einbringen des Zementes mit einem aufblasbaren Ballon ein Hohlraum im Wirbelkörper geschaffen. Zusätzlich wird mit dem Ballon versucht, die Form des Wirbelkörpers wiederherzustellen. Hauptindikation für beide Verfahren sind stabile, osteoporotische, schmerzhafte Frakturen, die durch die analgetische Therapie nicht ausreichend behandelt sind.
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Kindliche Frakturen und Luxationen
Reichel, Ruchholtz - Version 04/08
Lernziele: Besonderheiten des wachsenden Skelettes,
Frakturbehandlung am wachsenden Skelett
Lehrmedien: PP-Präsentationen
Modell Wachstumsfuge
Prevot-Nägel
Ablauf des Kurses: Patientenvorstellung (kindliche Fraktur)
Verlauf durch Student A / RT-Bild durch Student B (ca. 15 Min.)
PP-Präsentation zu kindlichen Frakturen
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorbereitung durch die Studierenden Anatomie der Wachstumsfuge Das Dickenwachstum findet periostal statt, d.h. durch periostalen Anbau und endostalen Abbau. Das Längenwachstum findet in der Epiphysenfuge statt. Als Folge einer Verletzung kommt es zur Änderung des Wachstums in der Fuge, was einerseits zur Korrektur der Verletzungsfolgen (Remodeling) führen kann, jedoch auch zum überschießenden oder verzögerten Wachstum. Im epiphysären Teil der Fuge proliferieren die Zellen, wegen ihrer geringen Größe überwiegt der Matrixanteil. Im metaphysären Teil überwiegt der Zellanteil, da die Zellen größer sind. Am Übergang zur Metaphyse werden die Zellen umgebaut und ossifiziert. Wegen der Zellgröße ist der Übergang zur Metaphyse die physiologische Schwachstelle der Fuge und damit der Ort einer Fugenverletzung. Die Blutversorgung erfolgt über 3 Gefäßsysteme (metaphysär, perichondral und epiphysär), die miteinander kommunizieren. Untersuchung des verletzten Kindes Es erfolgt die Inspektion, hierbei wird auf Schwellung und Fehlstellung geachtet. Es erfolgt keine Untersuchung bzw. Testung der sicheren Frakturzeichen, jedoch Erfassung und Dokumentation von Durchblutung, Motorik und Sensibilität. Im Anschluss an die Inspektion erfolgt die Ruhigstellung und die Analgesie. Röntgenuntersuchungen Sie erfolgen immer in zwei Ebenen, bei Unsicherheit wegen evtl. Normvarianten können ausnahmsweise Aufnahmen der Gegenseite hilfreich sein. Bei speziellen Fragestellungen können CT/MRT-Untersuchungen oder Ultraschall erforderlich sein. Typische Frakturen des wachsenden Skelettes
- Wulstfrakturen – entstehen durch axiale Gewalteinwirkung und sind stabil - Grünholzfraktur – hierbei ist der Knochen auf der Zugseite gebrochen, auf der Druckseite angebrochen bzw. plastisch deformiert. - Epiphysenfrakturen – Verletzung der Fuge mit epi- und/oder metaphysärem Anteil, die Klassifikation erfolgt nach Salter & Harris bzw. Aitken. - Plastische Deformierung – hierbei handelt es sich um ein mikroskopisches Nachgeben der Knochenstruktur auf Biegung
Generelle Behandlungsprinzipien: Priorität hat die Schmerztherapie i.S. einer Ruhigstellung und Analgetikagabe. Die Mehrzahl aller kindlichen Frakturen wird konservativ behandelt. Ausnahmen: Gelenkbeteiligung, Polytrauma, offene Frakturen, durch Immobilisierung nicht ausreichend retinierbare Frakturen. Weiterhin muss abgewogen werden, ob eine minimalinvasive Osteosynthese (z.B. ESIN) mit der Möglichkeit der funktionellen Behandlung komplikationsärmer ist.
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Weichteilverletzungen
Glatzl, Ruchholtz - Version 04/08
Lernziele: Offene und geschlossenen Weichteilschäden mit Klassifikation
Kompartment -Syndrome
Verbrennung (Klassifikation)
Primäre Versorgung großer Wunden / Vakuumversiegelung
Prinzip der Spalthauttransplantation
Lehrmedien: PP-Präsentationen
VAC-Verband
Mesh-Maschine
Epigard, Mepithel, Flammazine
Ablauf des Kurses: Patientenvorstellung mit Weichteildefekt
Verlauf durch 1-2 Studierenden (ca. 15 Min.)
PP-Präsentation von offenen Fraktur – Quiz
PP-Präsentation von Weichteilschäden
Darstellung der Funktionsweise eine Vakuumversiegelung
PP-Präsentation von Verbrennung
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorbereitung durch die Studierenden A. Offene und geschlossenen Weichteilschäden mit Kl assifikation
1) Klassifikation offener Verletzungen
geschlossene Frakturen (Grad 0-III)
Grad 0 fehlende oder unbedeutende Weichteilverletzung, indirekter Verletzungsmechanismus, einfache Frakturformen (z.B. Unterschenkelfraktur des Skifahrers)
Grad I oberflächliche Schürfung oder Kontusion durch Fragmentdruck von innen, einfache bis mittelschwere Frakturform (z.B. OSG-Luxationsfraktur)
Grad II
tiefe kontaminierte Schürfung sowie Haut- oder Muskelkontusion durch direkte Krafteinwirkung, drohendes Kompartmentsyndrom mit mittelschweren bis schwere Frakturformen (z.B. Zweietagenfraktur der Tibia bei Stoßstangenanprall)
Grad III
ausgedehnte Hautkontusion, -quetschung oder Zerstörung des Muskulatur, subkutanes Décollement, manifestes Kompartmentsyndrom, Verletzung eines Hauptgefäßes, schwere Frakturformen (z.B. Trümmerfraktur)
offene Frakturen (Grad I-IV)
Grad I Durchspießung der Haut, unbedeutende Kontamination, einfache Frakturformen
Grad II Durchtrennung der Haut, umschriebene Haut- und Weichteilkontusion, mittelschwere Kontamination, alle Frakturformen
Grad III
ausgedehnte Weichteildestruktion, häufig Gefäß- und Nervenverletzungen, starke Wundkontamination, ausgedehnte Knochenzertrümmerung (z.B. Schussbruch, offene Frakturen mit Gefäßverletzungen der großen Extremitätenarterien)
Grad IV totale und subtotale Amputation, Durchtrennung der wichtigsten anatomischen Strukturen, vollständige Ischämie
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2) Verletzungen der Muskulatur Ein Drittel aller Sportverletzungen betreffen Muskeln und Sehen. Die Ursachen sind zum einen ungenügendes Training bei Freizeitsportlern und zum anderen Überlastung bei Hochleistungssportlern.
a) Muskelzerrung: Nur histologisch erkennbare Muskelfaserschädigung. Häufig betroffen sind: Adduktoren, M. quadriceps, ischiocrurale Muskulatur PECH-Schema nach Böhmer: P-Pause E-Eis C-Compression ( innerhalb der ersten 10 Minuten) H-hochlagern
b) Muskelfaserriss: Ist als Kontinuitätsunterbrechung von Faserbündeln definiert. Die intramuskuläre Blutung führt zum Hämatom. In der Sonographie kann die Unterbrechung der Muskelfasern und das Hämatom dargestellt werden.
c) Muskelquetschung: Durch ein massives, direktes Trauma kommt es zur Zerreißung der Muskulatur. Höchste Gefahr eines Kompartmentsyndroms!
B. Kompartmentsyndrom Das Kompartmentsyndrom entspricht einer Druckerhöhung in einem volumenbegrenzten Raum (Muskelloge) mit drohender oder manifester Schädigung des darin befindlichen Gewebes. Das Ausmaß der Schädigung hängt von der Höhe des Drucks und der einwirkenden Zeit ab. Ursache sind häufig Frakturhämatome, posttraumatische Muskelödeme, konstringierende Verbände, Verbrennungen und Quetschungen. Besonders gefährdet für die Entstehung eines Kompartmentsyndroms: Ellenbeuge (tiefe Unterarmbeuger), Handbinnenmuskulatur (Mm. Interossei), Unterschenkel (Tibialis anterior Loge/Tibialis posterior Loge).
Leitsymptome : a) analgetikaresistente Schmerzen b) knallhart gespannte Muskulatur c) CAVE der periphere Puls ist bis zuletzt palpabel!! d) glänzende/gespannte Haut e) sensible Störungen im Ausbreitungsgebiet
Maßnahmen: a) Entfernen aller zirkulären Verbände b) sofortige Dekompression durch vollständige Faszienspaltung c) offene Wundbehandlung d) Sekundärnaht oder Deckung des Defekts mit Spalthaut.
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C. Verbrennung (Klassifikation) Verbrennung bedeutet eine Schädigung der Haut durch thermische Einwirkung unterschiedlicher Ätiologie. Es werden Verbrennungen durch trockene Hitze (Flammen, Sonne), feuchte Hitze (Kaffee, Öl), durch elektrischen Strom und radioaktive Strahlung unterschieden. Mediatorstoffe aus der Verbrennungszone führen zur Verbrennungskrankheit, einer je nach Ausdehnung und Tiefe der Verletzung unterschiedlich starken Immunreaktion des Organismus. Der Schweregrad einer Verbrennung hängt im wesentlichen von der Ausdehnung und der Tiefe der Verbrennung ab sowie vom Alter des Patienten, wobei Kinder und alte Menschen besonders gefährdet sind. Schwer brandverletzt ist ein Erwachsener ab 15%, ein Kind ab 10% mindestens II° verbrannter KOF, bei Inhalationstrauma bereits bei der Hälfte der angegebenen Werte.
Verbrennungsgrad
I° Rötung und Schwellung der Haut, Schmerzen, Lokalisation nur Epidermis Heilung ohne Narbenbildung. II° Blasenbildung, starke Schmerzen, Epidermis und Korium verbrannt, bei 2a feuchter Blasengrund, keine Narben,
2b trockener Blasengrund, Narbenbildung. III° Nekrosen, keine (!) Schmerzen, bis in Subkutis reichend, Vernarbung. IV° Verkohlung, keine Schmerzen, tief bis in Unterhautgewebe, Muskulatur und Faszien oder Knochen reichend, Defektheilung.
Ausdehnung der Verbrennung Zur Abschätzung der Verbrennungsfläche dient die Neuner-Regel nach Wallace. Der Körper wird in Regionen von jeweils neun Prozent aufgeteilt (z.B. Arm 9%, Bein 18% usf.) und als Ergebnis die Ausdehnung in Prozent der Körperoberfläche (KOF) angegeben. Für kindliche Patienten ist die Neunerregel wegen der differierenden anatomischen Proportionen nicht anwendbar. Hier kann man alternativ die Handinnenfläche des Patienten einem Prozent der KOF in etwa gleichsetzen. Maßnahmen sofortige lokale Kühlung mit 10-20° kühlen Leitungs wasser für max. 20 min. keine Hausmittelchen wie Mehl, Öl oder ähnliches auftragen lokal: sterile Wundauflage, Débridement, weiteres Management sehr abhängig von Lokalisation und Ausdehnung der Wunden allgemein: Volumeninfusion zur Prävention des drohenden Volumenmangelschocks, Sauerstoffgabe, rasche Verständigung mit spezialisierten Kliniken bei schwer brandverletzten Patienten, sorgfältiges Monitoring
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D. Primäre Versorgung großer Wunden / Vakuumversieg elung
Das Prinzip der Vakuumversiegelung (Vakuumverband) besteht darin, durch Auflegen oder Einbringen eines Schwammes die Vakuumwirkung einer Saugdrainage großflächig auf die ganze Wundoberfläche zu verteilen. Dadurch wird einerseits das Wundsekret mit schädlichen Entzündungsstoffen kontinuierlich abgesaugt. Andererseits regt das Vakuum die Wundheilungsprozesse an und führt zu einer gesteigerten und schnelleren Bildung von gesundem Heilungsgewebe (Granulationsgewebe). Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich, dass sich ein Vakuumverband insbesondere für infizierte und stark nässende Wunden sowie für chronische Wunden mit ungenügender Bildung von Granulationsgewebe eignet. Auch Verbrennungswunden und komplizierte Operationswunden werden zunehmend mit dieser Methode behandelt.
E. Spalthauttransplantation
Eine Möglichkeit zur definitiven Versorgung von Hautdefekten ist die Transplantation von Spalthaut. Dafür wird die oberste Hautschicht tangential mit Spezialmessern in 0,2-0,6 mm Schichtdicke entnommen. Wird die Spalthaut rautenförmig wie ein Netz eingeritzt, kann mit dem entstandenen Mesh Graft ein meist bis 3mal größerer Defekt gedeckt werden. Mit Spalthaut kann eine Vielzahl von Defekten nach Verbrennung, Entfernung von Tumoren und Geschwüren versorgt werden. Als Entnahmestelle werden Oberschenkelaußenseite und Rücken bevorzugt. Die entnommene Haut wird auf dem Defekt fixiert, mit Salbengaze bedeckt und unter leichtem Druck verbunden. Ist der gedeckte Wundgrund sauber und gut durchblutet, kann mit einer Reepithelialisierungszeit von 10-12 Tagen gerechnet werden.
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Gipskurs
Graz, Glatzl, Ruchholtz - Version 04/08
Lernziele: Indikation der Gipsbehandlung
Anwendung, Materialien, zur Gipsbehandlung
Komplikationen der Gipsruhigstellung
Lehrmedien: Materialien für Kunststoff- und Weißgips,
Bildmaterial (Röntgenbild; Komplikationen)
Ablauf des Kurses: Demonstration der konservativen Frakturbehandlung am Beispiel
der distalen Radiusfraktur (Aushang, etc.)
Demonstration einer Gipsanlage
Anlage eines Radiusgipses in 2er Teams
Besprechung von Komplikationen
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorbereitung durch die Studierenden A Indikation Die Indikation zur Gipsbehandlung besteht bei unverschobenen Brüchen, bei geringgradigem, akzeptablen Dislokationsgrad, bei dislozierten Brüchen nach Reposition oder bei einer zu erwartenden Wachstumskorrektur im Kindesalter. Weitere Indikationen ergeben sich
- zur Unterstützung der Wundheilung/ Linderung des Wundschmerzes - zur Schmerzreduktion( z.B. Distorsionen) - Ruhigstellung bei oberflächlichen Infektionen - zur Redression und Korrektur
zu beachten: Die Gipsruhigstellung ist eine notwendige, aber unphysiologische Behandlungsmaßnahme. Sie behindert den Patienten in seiner Bewegungsfreiheit und kann mit ernsten Komplikationen behaftet sein. Also: so lange wie nötig und so kurz wie möglich im Gips behandeln. B Technik Reposition: Im Rahmen der konservativen Frakturbehandlung wird durch die Reposition Achse, Länge und Rotation wiederhergestellt und Überdehnungen von Gefäßen, Nerven und Gelenkkapsel korrigiert. Zur Reposition ist eine ausreichende Schmerzbehandlung erforderlich, die durch regionale oder lokale Schmerzmittelapplikation (z.B. Bruchspaltanästhesie) oder systemisch erfolgen kann. Die geschlossene Reposition geschieht in der Regel durch Längszug. Verhakte Fragmente können dabei durch zunächst verstärkten Zug in die Dislokationsrichtung gelöst werden. Vor und nach der Reposition sind Röntgenkontrollen in zwei Ebenen sowie klinische Kontrollen der Durchblutung, Motorik und Sensibilität distal der Fraktur erforderlich. Gipsanlage: Nach der Reposition erfolgt die Retention durch Ruhigstellung im Kunststoff (Cast) - oder Gipsverband (Weißgips). Bei einer frischen Fraktur ist die posttraumatische Schwellneigung zu berücksichtigen. Bis zur Abschwellung müssen zirkuläre Gipsverbände daher „bis auf den letzten Faden“ gespalten werden. Zur Gipsanlage befindet sich direkt auf der Haut ein Schlauchverband (tg-Schlauch), der in der Regel schon vor der Reposition angelegt wird. Dieser verhindert, dass die darauf folgende Polsterwatte verrutscht und Hautirritationen durch Kontakt mit der Watte entstehen. Anschließend erfolgt das Aufbringen der Watteschicht, die wiederum mit einer überlappenden Papierbinde komprimiert wird. Hierdurch wird verhindert, dass die Watteschicht sich erst beim Tragen zusammendrückt und der Gips zu weit wird. Vor dem Anlegen werden Gips- als auch Kunststoffbinden kurz in Wasser getaucht und anschließend als Schiene oder zirkulärer Gips aufgebracht. Unterzug und Polsterschicht überschreiten die geplanten Grenzen des Verbandes um etwa 5 bis 10 cm. Wenn die Hartmaterialschicht angelegt ist, wird das Überstehende zurückgeschlagen und mit der letzten Hartmaterialbinde fixiert, so dass gepolsterte Kanten entstehen
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Materialien Zur Herstellung von ruhigstellenden Verbänden kommen Gips und Kunststoff zum Einsatz. Bei frischen Frakturen sollte in der Regel ein Gips verwendet werden, da er häufig nach kurzer Zeit korrigiert oder nach Rückbildung der Schwellung ersetzt werden muss. Der Kunststoffverband (Cast) ist deutlich kostenintensiver. Die Vorteile bestehen im geringeren Gewicht, der höheren Festigkeit und der besseren Röntgentransparenz. Weißgips: (CaSo4 x 2 H2O) und Baumwolle. Durch Erhitzen auf 130 Grad zerfällt Gipsstein und
unter Entzug von 1 ½ Molekülen Wasser zu Gipspulver. Bei Wasseraufnahme führt ein Abbindevorgang in 5 min unter Wärmeentwicklung zur ursprünglichen chem. Struktur, dem Gipsstein, mit hoher Druckbelastbarkeit! Die bei der Gipstechnik verwendete Baumwolle ist ein gutes Trägermaterial. Sie wird auf dem Gipspulver mit wasserlöslichem Binder fixiert. Beim Wässern schrumpft der Längsfaden bis zu 6% ein. Der Gipsbrei wird in die Baumwollfäden eingesaugt. Im abgebundenen Gips bildet das verankerte Gewebe die Armierung mit großer Zugbelastbarkeit. Eine Gipslonguette ist das tragende Element im Gips und dient der Konstruktion von U- und L-Schienen. Sie fängt Scheuer-, Biege- und Druckkräfte auf. Die Längsfäden der Longuette übernehmen die Biege-Zug-Belastung, der Gips selbst die Druckbelastung. Durch den Einsatz von Longuetten ist des deshalb möglich, bei geringerem Materialverbrauch einen dünneren Gips mit geringere Trocknungszeit zu schaffen. Kunststoffverbände : -Thermoplastisches Material= bei hohen Temperaturen (heißes Wasser) ist es weich und formbar, bei Abkühlung (Raumtemperatur) wird es hart. -Zwei Komponenten = zwei separat abgepackte Komponenten werden gemischt und in einen vorgefertigten Schlauch gefüllt -Kunststoffverbandkombination= Polyurethanharz wird auf verschiedene Trägersubstanzen aufgetragen und polymerisiert unter Wasserzugabe. Wichtig: a) Nach dem Anlegen eines Gips immer eine Röntgenkontrolle zur Dokumentation der Stellung der Knochen zueinander im Gips! b) Immer am kommenden Tag eine Gipskontrolle durchführen mit Testung der Durchblutung, Motorik und Sensibilität der ruhiggestellten Extremität! c) Bei Ruhigstellung der unteren Extremität ist eine Thromboseprophylaxe dringend erforderlich! Der erste Gips nach stattgehabtem Trauma ist immer ein Weißgips, da dieser gespalten und gebrochen werden kann und somit ein exogenes Kompartment verhindert wird! Nach Abschwellen der Weichteile kann nach ca. 7-10 Tagen der definitive Kunststoffgips angelegt werden.
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C Gipsverbände Zirkuläre Unterarmgips / dorsoradiale Unterarmschiene Der zirkuläre Unterarmgips bzw. die dorsoradiale Unterarmschiene ist bei Frakturen im Bereich des Handgelenks (distale Radiusfraktur), Zerrungen und Entzündungen von Hand und Unterarm indiziert. Der Gips soll so angelegt sein, dass die MP-Gelenke und der Daumen frei bleiben.
Unterarmgips mit Einschluss des Daumens Der Unterarmgips mit Einschluss des Daumens (Rehbein-Gips) ist bei der konservativen Therapie von Kahnbeinfrakturen indiziert.
Oberarmgips Der zirkuläre Oberarmgips bzw. die Oberarmschiene ist bei Frakturen des Unterarms, bei Ellenbogenluxationen sowie Entzündungen mit begleitender Lymphangitis indiziert. Unterschenkelgips Die Ruhigstellung im Unterschenkelspaltgips erfolgt bei Frakturen im Bereich des distalen Unterschenkels sowie des Fußes. Bei Frakturen im Bereich des mittleren und proximalen Unterschenkels und der Patella kann die Ruhigstellung in der Oberschenkelgipsschiene bis zur operativen Versorgung erfolgen.
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Tutor Der Tutor erstreckt sich vom proximalen Oberschenkel bis oberhalb der Malleolengabel. Das Knie wird dabei in einem Winkel von 155-170° ruhig gestellt. Indikationen bestehen z.B. bei ausgedehnter Bandinstabilität des Kniegelenkes bei osteosynthestisch versorgten Patellafrakturen. Komplikationen Komplikationen der Gipsbehandlung sind insbesondere:
• Druckschäden, Druckschmerzen • Hautmazerationen • Thrombosen, Embolie • das Einsteifen von Gelenken • Störungen der Durchblutung • Neurologische Störungen • Allergien • Mangelnde Ruhigstellung • Inaktivitätsathrophie von Knochen und Muskeln • Kompartmentsyndrom
Strategien zur Vorbeugung von Gipskomplikationen:
• Polsterung, Spaltgips • Aufklärung, Merkblatt • Wiedervorstellung am Folgetag zur Kontrolle • Sorgfältiges Arbeiten • „Der Patient im Gips, der Schmerzen angibt, hat immer Recht“ • Im Zweifel immer den Gips entfernen und ggf. Neuanlegen!
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Verbandskurs
Glatzl, Ruchholtz - Version 04/08
Lernziele: Behandlungsprinzipien primärer und sekundärer Wunden
Anlage von komprimierenden Verbänden der Extremitäten
Anlage von Ruhigstellenden Verbänden
Lehrmedien: Elastische Binden für Kopfverband und Kornährenverband
Halbelastische Binden für den Kompressionsverband
Gilchristverbände
Rucksackverbände
OSG Schiene (Malleoloc-Schiene)
Ablauf des Kurses: Kurze theoretische Einleitung über Wundverbände und
Ruhigstellende Verbände (Behandlungsprinzipien,
Komplikationen)
Demonstration eines Kopfverbandes, Kornährenverband und
Kompressionsverband.
Vermittlung der korrekten Anlage eines Gilchristverbands,
Rucksackverbands und der Malleoloc-Schiene
Jeder Studierende sollte an den Kommilitonen alle Verbände
üben!
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
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Vorbereitung durch die Studierenden A Allgemeine Voraussetzungen der Wundheilung Voraussetzung jeder Wundheilung ist die Sauberkeit der Wundoberfläche und des Wundrandes. Wundbeläge stören die Mikrozirkulation nachhaltig und können sie zum völligen Erliegen bringen. Durch die gestörte Mikrozirkulation wird nicht nur das Granulationsgewebe beeinträchtigt, sondern es bildet sich auch vermehrt Exsudat, was zu weiterer Belagbildung führt. Eine andauernde Störung der Mikrozirkulation führt an der Wundoberfläche und am Wundrand zum Untergang von intaktem Gewebe. Dieser Circulus vitiosus lässt sich durch eine effektive und gleichzeitig schonende Wundreinigung bei jedem Verbandwechsel durchbrechen. Wundbeläge sollen sich erst gar nicht bilden oder verstärken. Eine Wunde heilt von innen nach außen. Hat sich erst einmal ein starker Wundbelag ausgebildet, kann dieser meist nur durch eine intensive Wundreinigung, möglicherweise auch in Verbindung mit einem chirurgischen Débridement, entfernt werden. Denn nur eine saubere Wunde kann heilen. B Primär versorgte Wunden Operationswunden oder primär chirurgisch versorgte Wunden werden mit einem sterilen, trockenen Schutzverband abgedeckt. Bereits nach 24 h sind sie verklebt und somit vor Infektionen geschützt. Die ersten ärztlichen Kontrollen werden nach 48 h vorgenommen und dann weiterhin täglich beim Verbandswechsel, um rechtzeitig Komplikationen zu erkennen. Nicht-resorbierbare Nähte werden in der Regel, je nach Lokalisation, 10-12 Tage postoperativ gezogen. Beim Auftreten lokaler Entzündungszeichen müssen Nähte entfernt und durch Spreizen der Wunde für einen Abfluss des entzündlichen Sekrets gesorgt werden. Die weitere Behandlung hat dann entsprechend der Behandlung sekundär heilender Wunden mit feuchten Verbänden zu erfolgen. Wichtig: Anhaltende Schmerzen, motorische oder sensible Ausfälle sowie
Durchblutungsstörungen erfordern eine sofortige Untersuchung. Der Patient muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass er sich bei Schmerzen oder Gefühlsstörungen dringlich wiedervorstellen soll.
C Sekundär heilende Wunden Oberstes Gebot für alle sekundär heilenden Wunden ist die regelmäßige Reinigung, die sowohl mechanisch durch Débridement und Spülen als auch in der Anfangsphase zusätzlich durch enzymatische Reinigung erfolgen kann. Durch die Entfernung von Zelltrümmern und fibrinösem Sekret verkürzt sich die sekundäre Wundheilung.
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Mechanische Wundreinigung: Die durch das Abschaben bewusst herbeigeführte Blutung führt zur Freisetzung von Zytokinen, die sich fördernd auf die Wundheilung auswirken. Enzymatische Wundreinigung: Die enzymatische Wundreinigung ist kein Ersatz für das Débridement, ist teuer und aufwendig. In der exsudativen Phase der Wundheilung ist der Einsatz jedoch vorübergehend gerechtfertigt. Zusätzliche Maßnahmen: Infizierte Wunden können bei erhöhten Infektparametern keimgerecht systemisch nach Antibiogramm behandelt werden. Die Gabe lokal wirksamer Antibiotika ist in der Unfallchirurgie jedoch selten, da diese wenig wirksam sind, zu Allergisierung und Resistenzbildung führen und die Wundheilung hemmen können. Bei der Wahl eines lokalen Antiseptikums ist darauf zu achten, dass diese sich nicht hemmend auf die Wundheilung auswirken, sollte, was bei Wasserstoffperoxid, Kaliumpermanganat oder hypertoner Kochsalzlösung der Fall sein kann. Zu bevorzugen sind aus diesem Grund Silbernitrat 1%, Chloramin T 1% oder PVP-Jod. C Lokale Verbände Indikationen
- Sterile Abdeckung von Wunden - Offene Wundbehandlung in der septischen Chirurgie
(Vakuumversiegelung) - Enzymatische Wundreinigung - Temporäre Blutstillung durch Kompressionsverband - Thromboseprophylaxe - Konservative Behandlung der chronisch venösen Insuffizienz - Elastische Stabilisierung von Gelenken (Tape-Verband)
Wundverband
- Bei selbsthaftenden Materialien muss die Haut trocken und fettfrei sein. - Auflage von luftdurchlässigen saugfähigen Mullkompressen auf die Wunde - Fixierung der Mullkompressen mit Pflaster oder Anwickeln mit Binden, bzw. Schlauchbindenverband. - Bei stark sezernierenden Wunden Auflage von Saugkompressen - Bei primär versorgten Wunden ohne wesentliche Sekretion kann ab dem 2.
postoperativen Tag eine offene Wundbehandlung durchgeführt werden - Kleine Wunden können mit einem Wundschnellverband abgedeckt werden.
Bindenverband zur Thromboseprophylaxe, Blutstillung und Ödemtherapie
- Anwendung heute fast nur noch bei Extremitätenverbänden - immer distal beginnen, Mittelhand bzw.- fuß einschließend - Anlage in Neutral-Null-Stellung - Grundformen zur Führung der Binden: Kreisgang, Schraubengang,
Kreuzgang. - Kompressionsverbände zur Behandlung der CVI früh am Morgen
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Tape- Verband zur Stabilisierung von Gelenken - Anlage in Neutral-Null-Stellung - Auf der trockenen und fettfreien Haut werden Streifen eines
selbstklebenden Tape-Verbandes dachziegelartig übereinander geklebt - Da die Tape-Streifen keine Elastizität aufweisen, dürfen keine zirkulären
Touren geklebt werden - Max. 10-14 Tage belassen, danach ist ein Wechsel erforderlich.
Hydrokolloid-Verband zur Unterstützung der sekundär en Wundheilung
- Die selbsthaftenden Folien werden wundüberlappend luftdicht auf den Defekt geklebt.
- Solange die Folie dicht haftet, entfalten die Inhaltsstoffe die Wirkung. - Bei Leck des Verbandes ist ein Wechsel erforderlich (meist nach 3-7
Tagen) D. Ruhigstellende Verbände Rucksackverband Indikation: Ruhigstellung und Reposition einer Klavikulafraktur Technik: Mit Watte gefüllter Schlauchmull wird von hinten um den Hals nach vorn und von vorn durch die Achselhöhle nach hinten geführt und dann auf dem Rücken unter Spannung verknotet
Wichtig: Kontrolle der arteriellen (Radialispuls) und venösen (Bläufärbung) Armdurchblutung. Verband muss täglich nachgespannt werden.
Gilchrist Funktion: Ruhigstellung des Schulter- Ellbogengelenks Material: Schlauch in vierfacher Armlänge von der Achsel bis zu den Fingerspitzen. Alternative: Fertigverband Komplikationen: Vorsicht vor Schnürfurchen, da diese zu Ödembildung führen. Deshalb ist unbedingt auf ein faltenfreies Verbinden zu achten. Ebenso erklärt sich die Stauung distal des Verbandes bei unzureichender peripherer Kompression. Besondere Aufmerksamkeit gilt Patienten mit peripherer arterieller Verschlusserkrankung. Bei manchen Patienten kann eine allergische Reaktion auf Verbandsmaterial vorliegen (Anamnese) oder entstehen.