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Page 1: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

In der Schweiz und in Südamerika

Der Weg zum Mutterglück

2/2012

Spiel, Spass, Spannung und Samariterkenntnisse

Samariterjugend Help

Kolumbianische Lebens­freude im Schweizer Viertel

Ein Vierteljahrhundert nach der Vulkankatastrophe

«Das Rote Kreuz, mein Rettungsanker»

Entlastung für Eltern

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RepoRt – In der Schweiz und in Südamerika 4 Der Weg zum Mutterglück

12 engagieRt – Samariterjugend Help Spiel, Spass, Spannung und Samariterkenntnisse

14 KonKRet – Rotkreuz-Suchdienst Wenn die Spur nach Khartum führt

16 ÜBeRZeUgt – Katastrophenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit Das SRK beständig an vorderster Front

18 KonKRet – Ein Vierteljahrhundert nach Vulkanausbruch Kolumbianische Lebensfreude im Schweizer Viertel

22 eRLeBt – Interview «Heute hört man zu und versteht besser»

25 KonKRet – Entlastung für Eltern «Das Rote Kreuz, mein Rettungsanker»

29 KReUZ & QUeR Die grüne als beliebte alltagsnahrung Rätsel/Cartoon

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impressumHumanité ausgabe 2/2012 Juni 2012

ISSN 1664-1159

Titelbild: Caspar MartigRückseite: Federico Orozco

Herausgeber: Schweizerisches Rotes Kreuz, Rainmattstrasse 10, Postfach, 3001 BernTelefon 031 387 71 11, [email protected], www.redcross.ch

Spenden: Postkonto 30-9700-0

Adressänderungen: E-Mail an [email protected] oder Telefon 031 387 74 64

Redaktionsadresse: Schweizerisches Rotes Kreuz, Redaktion Humanité, Postfach, 3001 Bern, [email protected], www.magazin-humanite.ch

Redaktion: Tanja Pauli (Redaktionsleitung), Urs Frieden (Gesundheit und Integration), Martin Hürzeler (Public Fundraising), Isabelle Roos (Corporate Partnerships), Christine Rüfenacht (Gesundheit und Integration), Isabel Rutschmann (Kommunikation), Karl Schuler (Internationale Zusammenarbeit)

Mitarbeitende dieser Ausgabe: Toni Frisch, Carla Graf, Markus Mader, Gabi Maurer, Marco Ratschiller

Abo-Kosten: Das Abonnement kostet CHF 6.– pro Jahr und ist für SRK-Gönnerinnen und SRK-Gönner im Beitrag enthalten.Erscheinungsweise: vier Mal jährlichSprachen: deutsch und französischGesamtauflage: 121 000Bildrechte aller Fotos ohne Hinweis: Schweizerisches Rotes Kreuz

Übersetzungen: Übersetzungsdienst SRKLayout, Lektorat und Druck: Vogt-Schild Druck AG, Derendingen

Nächste Ausgabe: August 2012

neutralDrucksache

No. 01-12-170135 – www.myclimate.org© myclimate – The Climate Protection Partnership

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Muchas gracias!

Liebe Leserin, lieber Leser

Es hat mich berührt, als unser Mitarbeiter erzählte, wie herzlich er von den Einwohne-rinnen und Einwohnern des Barrio suizo in Kolumbien empfangen wurde. Sie haben ihn nach über zwanzig Jahren wiedererkannt und mit Namen begrüsst. Die Überleben-den der verheerenden Vulkankatastrophe von 1985 haben nie vergessen, dass ihnen die Spenden aus der Schweiz geholfen haben, ein neues Leben anzufangen. Noch heute sind sie stolz auf ihr «Schweizer Viertel». So wie damals, als sie sich nicht von dieser Namenswahl abbringen liessen. Stolz sind die Menschen auch deshalb, weil in ihren Häusern viel eigene Arbeit steckt. Auch Frauen haben damals gelernt, zu mauern. Sie alle haben in der Zeit des Aufbaus eigene Wünsche eingebracht und sich viel Wissen angeeignet. Die Gemeinschaft identi-fiziert sich stark mit ihrem Viertel und pflegt es dementsprechend vorbildlich.Die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung ist übrigens seit Jahrzehnten der Standard, wenn das SRK einen Wiederaufbau organisiert. Sie muss jedoch stets gut durchdacht sein und braucht entsprechend Zeit. Die Aufbauhilfe des SRK ist folglich kein Geschenk ohne Eigenleistung. Aber umso langfristiger ist deren Wirkung. Unser Mitarbeiter wurde von den Bewohnerinnen und Bewohnern des Barrio suizo immer wieder ausdrücklich gebeten, ihren Dank auszurichten. Was ich hiermit herzlich gerne tue. Dankbarkeit über-dauert Jahrzehnte, auch wenn sie nicht täglich ausgesprochen wird.Die Geschichte über ein Stück Schweiz in Kolumbien lesen Sie auf Seite 18. Ich wünsche Ihnen eine interessante Sommerlektüre.

Herzliche Grüsse

Markus MaderDirektor des Schweizerischen Roten Kreuzes

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EDItoRIaL

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Der Weg zum MutterglückIn der Schweiz und in Südamerika

Mutterliebe ist grenzenlos. Die Sorgen von werdenden und jungen Müttern sind es leider auch. In Ecuador ist die Sterblichkeitsrate von Kleinkindern fünf Mal höher als in der Schweiz. Die Mütterberatung durch die Hebamme (Bild) ist besonders wichtig. Aber auch hier zu Lande brauchen junge Eltern Rat und Entlastung in schwierigen Situationen. Wie unterschiedlich die Lebensumstände sind und wie sich das Schweizerische Rote Kreuz dementsprechend für Mütter einsetzt, zeigen unsere Geschichten aus dem Tiefland des Amazonas (Seiten 6–7) und dem Hochjura im Kanton Neuenburg (Seiten 8–9).

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reitet hatte. Diese sei sehr gut verlaufen, und wie bei der Kichwa-Bevölkerung üb-lich, hat auch der Mann dabei geholfen.

in der gemeinschaft aufgehobenMan muss schwindelfrei sein, um auf dem wackligen schmalen Holzsteg in den Wohnstock unserer Gastfamilie zu gelan-gen. Diese lebt drei Meter über dem Bo-den in zwei Räumen, die von Pfosten aus Palmenholz gestützt werden. Diese für das Tiefland des Amazonas traditionelle Bau-weise bietet Schutz vor Wasser und Feuch-tigkeit und verhindert, dass die Haustiere in die Wohnräume eindringen. In diesem Freilufthaus kam Adrián zur Welt. Der ers-te Raum dient als Küche und für den Ta-

gesaufenthalt, in dem von einer Holzwand abgetrennten zweiten Raum schlafen El-tern und Kinder auf dünnen Matratzen am Boden. In der Mitte ist eine kleine Hänge-matte aufgespannt, in welcher der Neuge-

Ein verregneter Morgen im Tropenwald Ecuadors. Das nächtelange Zirpen der

Grillen wird in der Früh von Hahnenkrä-hen abgelöst. Langsam erwacht auch bei der Bauernfamilie von Elias Tapui und Do-ris Alvarado der neue Tag. Während der Säugling Adrián in der Hängematte ruht, stärken sich die Eltern, ihre vier weiteren Buben, Grosseltern und die Gäste mit ei-nem warmen Frühstücksbrei aus Kochba-nanen und Maniok. Danach machen sich die beiden älteren Knaben barfuss auf den Weg zur zwei Kilometer entfernten

Primarschule im Dorf Makana Cocha. Die beiden Jüngeren spielen verträumt mitein-ander. Die Mutter holt den «huahua», wie die Neugeborenen in der Kichwa-Sprache genannt werden, aus der Hängematte, in der er fest eingewickelt liegt. Ob er ahnt, dass dies für ihn ein besonderer Tag wird?

Reinigendes RitualAm zehnten Tag nach Adriáns Geburt wird ihm die Hebamme Mamá Joaquina heute ein Dampfbad zubereiten, das in der indianischen Kultur ebenso wichtig ist wie die Taufe. Die Zutaten für das Ge-

bräu des Bades hat sie selber auf dem Feld und im Wald gesammelt: Neben verschiedenen Heilkräutern sind es Blät-ter des Chilis, der Kochbanane sowie des Zitronen- und Orangenbaumes. Der klei-ne Adrián wird von der Mutter Doris Alva-rado während gut 10 Minuten nackt über dem dampfenden Wasser gehalten. Über beiden ist ein zeltartiges Tuch gespannt. «Das Dampfbad macht den Kleinen im-mun gegen Verkältung und Grippe. Es schützt ihn aber auch gegen böse Geis-ter», erklärt Mamá Joaquin, welche die 29-jährige Mutter auf die Geburt vorbe-

Die grosseltern kümmern sich einen teil des tages um ihre enkelkinder.

Doris Alvarado legt ihren jüngsten Sohn tagsüber zum Schlafen in die Hängematte

Für das rituelle Dampfbad des Neugeborenen breiten der Vater und die Hebam-me das Zelttuch aus

Der Weg zum Mutterglück in Ecuador: Im Tiefland des Amazonas unterstützt das Schwei-zerische Rote Kreuz (SRK) seit 15 Jahren Gesund-heitsprogramme. Eine indianische Bauernfamilie gibt uns einen Einblick in ihren Alltag und zeigt uns das alte Ritual für neugeborene Säuglinge.

TExT: KARL SCHULER BILDER: FEDERICO OROZCO

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Holzschuppen dient als «Salón Comu-nal», Gemeinschaftszentrum, in dem sich ein Dutzend traditionelle Hebam-men sowie 20 junge Mütter mit ihren Ba-bys und schwangere Frauen versammelt haben. Doris Alvarado sowie Mamá Joaquina haben sich ebenfalls einge-funden. Etwas später stösst eine Gruppe jüngerer Männer dazu. Alle verfolgen sie aufmerksam die Ausführungen der einheimischen RIOS-Mitarbeiterin Ka-rina Pinto zum Thema Sexualität und Familienplanung. Mit farbigen Zeich-

nungen klärt sie über Verhütungsmetho-den und Aids auf. Heikle Themen wie die richtige Anwendung des Kondoms oder die negativen Auswirkungen des Machismo geht sie auch humorvoll an. So bleibt die Atmosphäre locker und es darf sogar gelacht werden. «Wir wirken vor allem darauf hin, den noch zu ho-hen Anteil der frühen Schwangerschaf-ten von Mädchen unter 18 Jahren und der Risikoschwangerschaften zu vermin-dern», sagt Karina Pinto. Seit sich das SRK ab Ende der 90er-Jahre in der Re-gion engagiert, ist die Mütter- und Kin-dersterblichkeit gesunken. Die Gesund-heit von Müttern und Kleinkindern ist in der Region heute besser geschützt.➥redcross.ch/ecuador

borene ruht. Nachts darf er bei den Eltern schlafen. Die Grosseltern mütterlicher- und väterlicherseits leben ganz in der Nähe und verbringen einen Teil des Tages mit den Grosskindern. So ist der «huahua» nie allein. In den ersten Monaten wird ihn die Mutter in ein Tuch gehüllt auch bei den Feldarbeiten mittragen.

Mehr als geburtshelferinDie 60-jährige Mamá Joaquina, wie sie hier alle nennen, gehört wie 30 weitere Frauen der Region Loreto der Vereinigung traditioneller Hebammen an. Vom Roten Kreuz wurde sie mit den nötigen Arbeits-utensilien ausgestattet. Die Geburtshelferin hat mehrere Ausbildungskurse der Orga-nisation RIOS besucht, welche durch das SRK unterstützt wird. Ihr Wissen, welches sie ursprünglich von einer traditionellen Hebamme erlernte, hat sie damit erwei-tert. Heute ist sie nicht nur Geburtshelferin, sondern berät werdende Mütter auch in allgemeinen Gesundheitsfragen und bei der Familienplanung. Durch eine bessere Hygiene erkranken Kleinkinder weniger an Durchfall, der zum Tod führen kann. «Um die Gesundheit der Frauen besser zu schützen, ist es wichtig, dass sie nicht jedes Jahr schwanger werden, sondern die Kin-der in grösseren zeitlichen Abständen zur Welt bringen», meint die Hebamme. Auch Doris Alvarado und ihr Mann Elias haben darüber gesprochen. «Eigentlich hätten wir nach den fünf Knaben gerne noch ein

Mädchen, aber wir warten mit dem Ent-scheid eines weiteren Kindes noch einige Zeit zu», meinen sie übereinstimmend.

Familienplanung ist kein tabuDas Dorfzentrum von Makana Cocha in einer Urwaldrodung gleicht einem Fussballfeld, das von einem knappen Dutzend Hütten umsäumt ist. Ein langer

Durch bessere Hygiene erkran­ken weniger Kinder an Durch­fall, der zum tod führen kann.

Die traditionellen Hebammen, Mütter und einige Väter verfolgen interessiert dem Vortrag zur Familienplanung

Doris Alvarado, Elias Tapui und die Kinder kehren in ihr Haus zurück; alle Kinder wurden hier geboren

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Das Mütterberatungszentrum des Ro-ten Kreuzes in La Chaux-de-Fonds

(NE) ist eine beliebte Anlaufstelle für frischgebackene Eltern. An diesem Früh-lingstag füllt sich das neu renovierte Wartezimmer nach und nach. Geduldig warten eine Mutter mit ihrem Neugebo-renen und eine Grossmutter mit Tochter und Enkelin. Ein Vater blickt stolz auf sei-ne kleine Prinzessin, die bereits «Papa» sagen kann. Im Behandlungszimmer beschäftigt sich Céline Pellaton schon mit dem achtmonatigen Alessio. Ohne einen Mucks lässt sich der Junge von der erfahrenen Mütterberaterin messen und wiegen. Ganz anders seine Mutter: Yo-landa Russo brennen zahlreiche Fragen unter den Nägeln: Seit Kurzem wacht Alessio plötzlich mitten in der Nacht auf. Woran könnte das liegen? Darf er schon Erdbeeren essen? Die Mütterberaterin

nimmt sich Zeit, um auf die Fragen ein-zugehen und ausführliche Erklärungen abzugeben.

Fundierte Ratschläge«Mit unserer Beratung helfen wir den Eltern, den Alltag und schwierige Situa-

tionen besser zu bewältigen», erklärt die 42-jährige Céline Pellaton, die das Zen-trum leitet. «Die Schwangerschaft, das Wochenbett und die ersten Lebensjahre sind Phasen, die nicht einfach sind. Eltern

können in dieser Zeit etwas Unterstützung gebrauchen.» Auch Yolanda Russo war sehr froh über diese Unterstützung. Als die 29-Jährige zum ersten Mal die Be-ratungsstelle aufsuchte, ging es ihr nicht besonders. Ihr Sohn Alessio war erst drei Wochen alt und weinte viel. Er litt an Ma-genkrämpfen. «Ich war völlig übermüdet und fühlte mich ziemlich alleine», erinnert sich die junge Mutter. Die Mütterberaterin erfasste die Lage von Yolanda Russo so-fort und beruhigte sie zunächst. Sie gab ihr verschiedene Tipps, mit denen sie Ales-sio Linderung verschaffen konnte. Diese Ratschläge waren Gold wert. Seither ist Yolanda Russo regelmässig im Zentrum anzutreffen. «Auf das, was man mir hier sagt, kann ich mich verlassen», erklärt sie.Ganz gleich, wie alt die Knirpse sind: In der Hitparade der Fragen, die Céline Pellaton am häufigsten hört, stehen die Ernährung, der Schlaf und die Entwick-lung ganz oben. Angesichts der Fülle von Informationen, die heute im Internet be-reitstehen, wäre eigentlich anzunehmen, dass Eltern selbst eine Antwort finden kön-nen. «Ganz im Gegenteil», betont Céline Pellaton, die selbst Kinder hat. «Vor lauter Informationen wissen Mütter oft weder ein noch aus und sind völlig verunsi-chert.» Deshalb besteht ein wichtiger Teil ihrer Arbeit darin, die Mütter (und einige Väter) zu begleiten, sie zu beruhigen und ihnen Selbstvertrauen zu vermitteln.

Stark geforderte elternZiel der Mütterberatung ist es, die Eltern in ihrer Rolle zu bestärken und zu unter-

Der Weg zum Mutterglück in der Schweiz: Die Mutter des achtmonatigen Alessio schätzt die alltagstauglichen Ratschläge, die sie im Mütterbe-ratungszentrum des Roten Kreuzes in La-Chaux-de-Fonds erhält. Das Zentrum ist ein regionales Beispiel, wie das Rote Kreuz Eltern unterstützt.

TExT: CHRISTINE RÜFENACHT BILDER: CASPAR MARTIG

Es scheint, als würde sich Alessio auch für Ernährungstipps interessieren

eine internetrecherche ver­unsichert eltern oft mehr, als dass sie ein problem löst.

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Maria KatuluDie Hebamme und Pflege-fachfrau war über 30 Jahre am Frauenspital Bern tätig, zuletzt als Fachbereichs-leiterin Pflege. Sie leitete während der letzten acht Jahre das SRK-Gesundheits-programm in Swasiland.

Wie erlebten Sie den Wechsel in ein afrikanisches gesundheits­system?Da ich mich schon so oft hin und her be-wegte zwischen den beiden «Welten», lernte ich: Jetzt bin ich hier und es läuft so – jetzt bin ich dort, da ist es eben anders. Eine tolle Erfahrung waren für mich die Hausgeburten, welche ich mit meiner Schwägerin erleben durfte, ei-ner traditionellen Hebamme im Kongo. Ich habe viel dazu gelernt über Tradi-tionen und Mythen rund um die Geburt.

gibt es grosse Unterschiede in der geburtsvorbereitung und der Familienplanung?Der Ernährung der Mutter und später dem Kind muss in Swasiland grosse Beachtung geschenkt werden. HIV-positive Frauen erhalten Präventions-medikamente, welche sie zuverlässig einnehmen müssen. Dank unserer Prä-vention war 2011 nach der Geburt kein einziges Baby HIV-positiv -– das ist wunderbar. Wegen der hohen HIV-Rate wurde die Familienplanung wichtig. Die Hebammen beraten diesbezüglich. Viele Frauen bevorzugen die 3-Monats-Spritze, weil sie dem Ehemann verheim-lichen wollen, dass sie verhüten.

Wo wird geboren?Die meisten Mütter in der Schweiz ent-scheiden sich für eine Geburt im Spital. In Swasiland muss man die Frauen da-von überzeugen, kurz vor dem Geburts-termin ins Spital oder in dessen Nähe zu gehen. Viele Mütter auf dem Land wollen oder können das nicht. Wenn es in einem abgelegenen Dorf Kompli-kationen gibt, kommt leider jede Hilfe zu spät.

KuRz bEfRagt

stützen und damit auch das Wohl der Kin-der sicherzustellen. Zum Beispiel werden die Säuglinge in den ersten Monaten bei jedem Beratungstermin gewogen. Die Ge-wichtskurve zeigt, ob das Kind genügend

trinkt. So können bei Bedarf individuell abgestimmte Tipps gegeben werden. Da die Mütterberaterinnen die Kleinen regel-mässig, manchmal wöchentlich, sehen, können sie zudem Gesundheitsprobleme und Entwicklungsstörungen beim Säug-

ling frühzeitig erkennen. Bei Bedarf über-weisen sie die Kinder an Spezialisten, mit denen sie eng zusammenarbeiten. Als Vertrauenspersonen kennen die Müt-terberaterinnen nicht nur die Kinder gut: Viele Mütter vertrauen ihnen Einzelheiten aus ihrem Privatleben an. Céline Pellaton stellt fest, dass sich Familien in der Schweiz zunehmend isoliert fühlen. «Eltern müssen ihre Kinder heute alleine aufziehen, was mit erheblichem Stress verbunden ist», hält sie fest. Noch verstärkt wird der Druck, weil von ihnen erwartet wird, dass sie im Beruf voll mithalten und gleichzeitig ihre Sprösslinge vorbildlich umsorgen. Die Fol-ge sind Überarbeitung, Erschöpfung, De-

pressionen und Konflikte. Auch in solchen Situationen können Eltern darauf zählen, dass sie beim Roten Kreuz Hilfe finden – und sei es nur ein offenes Ohr. Yolanda Russo jedenfalls verlässt das Zentrum auch dieses Mal mit einem guten Gefühl. Damit nachts wieder alle durch-schlafen können, erhält Alessio ab sofort ein etwas reichhaltigeres Abendessen. Und sie wird sicherheitshalber noch et-was zuwarten, bis Alessio die erste Erd-beere seines Lebens geniessen darf. Das SRK bietet regional Dienstleistungenfür Eltern an. Die Übersicht:➥redcross.ch/kantonalverbaende

Yolanda Russo freut sich – Alessio macht auf die Mütterberaterin einen gesunden Eindruck

Das Gespräch mit der Mütterberaterin Céline Pellaton ist aufbauend und entspannt

Die häufigsten Fragen betreffen die ernährung, den Schlaf und die entwicklung der Kleinen.

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Ihre Gesundheits-Patenschaft für Kinder in Not wirkt an der Basis. Sie gewährleistet Ernährung, Aufklärung, Trinkwasser und Hygiene. Denn in den ärmsten Ländern der Welt ist Gesundheit die wichtigste Voraussetzung für eine bessere Zukunft.

Heute gesund, morgen glücklich. Das Rote Kreuz hilft Not leidenden Kindern und ihren Müttern. Langfristig. Helfen Sie mit einer SRK-Patenschaft aktiv mit. Es ist ganz einfach:

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KuRz & bünDIg

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Rega – buch und film zum 60. geburtstagSchon seit 60 Jahren bringt die Schweizeri-sche Rettungsflugwacht Rega medizinische Hilfe aus der Luft und rettet Menschenleben. Zum Jubiläum sind der Film «Am Puls der Rega» und das Buch «1414» erschienen. Retter und Gerettete schildern persönliche Erlebnisse, Grenzerfahrungen und den Um-gang mit Leben und Tod. Im Buch «1414» porträtiert Autorin Franziska Schläpfer zu-dem 26 Mitarbeitende der Rega. Die Rega ist eine Rettungsorganisation des SRK.➥shop.rega.ch

In den neun Ländern der Sahelzone verur-sacht die Dürre eine Ernährungskrise, die vor allem die Bevölkerung in abgelege-nen Gebieten stark trifft. Die diesjährige Ernte der Grundnahrungsmittel Mais und Hirse ist vielerorts völlig ungenügend, und die Preise sind für weite Bevölke-rungsteile unerschwinglich. Zusätzlich hat der Bürgerkrieg in Mali Zehntausende zur Flucht vom Norden in den Süden gezwun-gen. Die Internationale Föderation der

Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften führt in den betroffenen Ländern Nothil-feprogramme durch. Das SRK beteiligt sich mit 400000 Franken. So setzt es in Tschad einen Delegierten ein und in Mali verteilt es Hilfsgüter des täglichen Bedar-fes. Das SRK ruft zum Spenden auf.➥postkonto 30­9700­0 Vermerk

«SaHeL» oder SMS mit Kennwort

und Spendebetrag (z.B. SaHeL 15)

an die nummer 464

SRK­nothilfe im westafrikanischen Sahel

Das SRK hat am 9. und 10. Mai interessier-te Spenderinnen und Spender zu einem Anlass ins Bundesarchiv nach Bern ein-geladen. Die Teilnehmenden verfolgten interessiert dem Grusswort von SRK-Direk-tor Markus Mader und den spannenden Vorträgen zweier Expertinnen. Die SRK-Programmverantwortliche Monika Chris-tofori schilderte das Leben eines kleinen Jungen in Laos und wie das SRK für die Gesundheit der Bevölkerung sorgt. Birgit Biedermann, Notarin und Rechtsanwäl-tin, erklärte verständlich und unterhaltsam das Schweizer Erbrecht und die Möglich-keiten zur Nachlassplanung. Nach der Führung durchs Bundesarchiv sichteten die Teilnehmenden historische Dokumen-te des SRK. Unterlagen zur Nachlasspla-nung können beim SRK kostenlos bestellt werden per Telefon 031 387 74 64 oder per E-Mail: [email protected]

Im gedächtnis der nation

Rapper greis und das aktive alternDer bekannte Berner Rapper Greis (Bild) ist trotz seines Namens erst 34 Jahre jung. Dennoch wird er sich am 20. September in Bern mit der alternden Gesellschaft und der ältesten Generation befassen: Anlässlich der 10. Nationalen Fachtagung des SRK wird der Musiker an einem Generationen-dialog teilnehmen. Zusammen mit der ehe-maligen Politikerin Leni Robert, welche die über 70-Jährigen vertritt, und SP-Nationalrat Mat-thias Aebischer, der in der Lebensmitte steht, wird die Diskussion zum unterhaltenden Element der Fachtagung. Das Thema «Zukunft Alter – Neue Wege für eine generationenfreundliche Gesellschaft» wurde aus Anlass des «Europäi-schen Jahrs des aktiven Alterns und der Solidari-

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tät zwischen den Generationen» gewählt. «Die alternde Gesellschaft wird zu unserer Zukunft. Weder Schreckensszenarien noch Verharmlosungen dieser Tatsache führen uns weiter», heisst es in der Einladung. Vielmehr gelte es, im offenen Dialog neue Wege zu beschreiten, um das Potenzial dieser Entwicklung zu nutzen.➥redcross.ch/nft12

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Erstaunlich – alle, die ich an diesem Montagabend im Kirchgemeinde-

haus der Markuskirche Bern kennenlerne, sind ursprünglich allein zur Help-Gruppe gestossen. Niemand wurde «mitgenom-men». Es scheint keine Gruppen inner-

Spiel, Spass, Spannung und Samariterkenntnisse

Samariterjugend Help

Der Werbeslogan für Schokoladeeier bringt auf den Punkt, was Jugendliche bei der Samariterjugend finden. Es gefällt ihnen in der Help-Gruppe, weil sie alles über Erste Hilfe lernen und neue Freundschaften knüpfen. Gruppenzwang und Konkurrenzkampf sind bei der Help in Bern Fremdwörter.

TExT: TANJA PAULI BILDER: CASPAR MARTIG

halb der Gruppe zu geben. Jede und jeder ist hier akzeptiert. Es herrscht eine motivierte und vergnügte Stimmung. Yves, ein 16-jähriger Gymnasiast, ist seit 3 Jahren dabei. Er lernte am Slow-up Murten einen Kollegen seines Vaters

kennen, der als Samariter im Einsatz war und hat so erfahren, dass es auch eine Samariterausbildung für Jugendli-che gibt. Lea, 15, ist im Internet bei einer Recherche über das Rote Kreuz auf die Help-Gruppe gestossen. Andere absol-

EngagIERt

Nadine hält gemäss Anweisung von Yves die blutende Hand hoch, damit er den Notverband anlegen kann

12 Humanité 2/2012

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EngagIERt

dankbare Freizeitbeschäftigung. Sie kos-tet je nach Region zwischen 10 und 30 Franken pro Jahr zuzüglich Kosten für die freiwilligen Lager.

abwechslungsreiches programmAuf die Frage, warum sie bei der Help dabei sind, erhalte ich von allen fast die gleiche Antwort. Nadine, 16, möchte später beruflich etwas in dieser Richtung machen. Aber auch sie nennt an ers-ter Stelle, dass es ihr hier Spass macht. Claudio, seit zwei Jahren Mitglied und mittlerweile der jüngste Jugendleiter, fin-det die Kombination aus Samariter- und Plauschübungen ideal. Alle betonen, dass sie hier «echt was lernen», immer wie-der. Man glaubt es, denn das Jahrespro-gramm klingt vielversprechend: «Unfälle auf Schnee und Eis», «Psychologische Erste Hilfe», «Besichtigung der Rega-Basis Belp», «Krankheitsbilder & Hausmittel» oder ein «Alpamare-Weekend» stehen

unter anderem auf dem Plan. Das Pfingst-lager und das Nationale Help-Herbstla-ger haben Tradition. Die Zugpferde jeder Help-Gruppe sind die engagierten Jugendleiterinnen und -leiter. Schon fast Kultstatus scheint hier in Bern Mischa Schori zu haben, den ich heute leider nicht kennenlerne, aber von dem alle sprechen. Ich spüre, dass er es schafft, die Jugendlichen zu begeis-tern. Mit viel Herzblut sind auch Karin von Niederhäusern und Cornelia Fas-

nacht dabei. Die Jugendleiterinnen sind «Helpis» seit ihrer Kindheit. Jetzt lassen sie sich immer wieder Neues einfallen, um das Interesse der Jugendlichen zu wecken. «Manchmal fordern wir die Jugendlichen bewusst mit einer Übung heraus. Sie mögen das und zeigen, was sie können. Stressig ist es zum Beispiel, wenn zu wenig Retter vor Ort sind. Oder Übungen in der Dunkelheit. Sobald man kein Licht mehr hat, ist man aufgeschmis-sen. Man sieht weder Verletzungen noch Blut. Auch wenn heute jeder ein Handy als Taschenlampe benutzt, ist es schwie-rig, weil nur noch eine Hand frei ist», er-zählt Karin von Niederhäusern.Schon kleinere Kinder im Alter ab acht Jahren können auf spielerische Art lernen, wie man Nothilfe leistet. «Schulkinder wären körperlich in der Lage, kurzzeitig einen Menschen zu beatmen. Sie ahmen unbefangen nach, was man ihnen zeigt. Das macht es manchmal einfacher als mit Erwachsenen», meint die 26-jährige Team-leiterin schmunzelnd. Sie, die ihr halbes Leben bei der Help-Gruppe dabei ist, wie würde sie für die Help werben? «Es sind einmalige Erlebnisse, die du machst und du hast viele Weiterbildungsmöglichkeiten. Es bringt dir viel für dein alltägliches Leben, und hier findest du eine schöne Abwechs-lung zwischen Spass und Lernen.» Gut, ein knapper Werbeslogan ist das nicht. Aber es ist aufrichtig und überzeugend, wie sie es sagt.➥help­samariterjugend.ch

Die roten Zitate stammen aus dem Flyer «Try it» der Help-Samariterjugend.

vieren den Nothelferkurs bei der Sama-riterjugend und kommen anschliessend regelmässig wieder zu den Übungen, die alle zwei Wochen stattfinden.«Jede und jeder kann bei uns mitma-chen!» Diese Aussage stimmt ohne Ein-schränkung bei den jungen Samariterin-nen und Samaritern. Im Gegensatz zu vielen anderen Jugendgruppen, die mehr

erfordern von ihren Mitgliedern als Mo-tivation und gesunde Neugier. Ein biss-chen Taktgefühl ist Voraussetzung für die Musikgesellschaft, ganz ohne Sportbe-geisterung ist man fehl auf dem Fussball-platz, und wer sich im Wald unbehaglich fühlt, für den ist die Pfadi wohl kaum das Richtige. Auch von den Kosten her ist die Mitgliedschaft in einer Help-Gruppe eine

«Wir helfen Verletzten und Kranken. Bei Unfällen wissen wir, was zu tun ist.»

«Wir nehmen auch an internationalen treffen teil.»

Jugendleiterin Karin von Nieder-häusern simuliert eine Verletzung

Mit einem einfa-chen Tuch legt Yves einen Notverband an, Jugendleiter Claudio assistiert ihm

Yves überprüft, ob der Notverband richtig sitzt

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Page 14: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

Gestern erhielten wir erstmalig eine Suchmeldung aus Grönland, denn

die eritreische Gemeinschaft ist über die ganze Welt zerstreut», erzählt End-rias Nase ein wenig stolz. Im Büro des «Tracing Officer» – wie der offizielle Titel des IKRK-Mitarbeiters in Khartum lautet – sind Tausende von Daten ge-

Wenn die Spur nach Khartum führt

Suchdienst SRK

Der Suchdienst des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) arbeitet weltweit mit vielen Mitarbeitenden der Rotkreuz-Bewegung zusammen. Besonders wichtig ist der regelmässige, direkte Kontakt zum gebürtigen Eritreer Endrias Nase in der sudanesischen Hauptstadt Karthum. Bei unserem Besuch erzählt er uns eine Geschichte im Zusammenhang mit dem Suchdienst SRK, die ihn besonders bewegt hat.

TExT: KARL SCHULER BILDER: FABIAN BIASIO

sammelt. Daten über Menschen, welche durch Krieg, politische Wirren und wirt-schaftliche Not aus ihren Heimatländern geflüchtet sind. Der Suchdienst des Roten Kreuzes stellt weltweit die Verbindung zwischen Angehörigen wieder her und bemüht sich auch um Familienzusam-menführungen.

Endrias Nase verliess Eritrea im Jahre 2000 und schloss sein Studium im äthi-opischen Addis Abeba ab. Neben sei-ner eritreischen Muttersprache spricht der 35-Jährige sehr gut Englisch, Am-harisch (bedeutendste Verkehrssprache Äthiopiens) und Arabisch, was für seine anspruchsvolle Aufgabe von grossem

Endrias Nase arbeitet für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und sucht in Khartum nach Vermissten

KonKREt

14 Humanité 2/2012

Page 15: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

KonKREt

Vorteil ist. Der SRK-Suchdienst in Wabern bei Bern wendet sich immer wieder an den engagierten Rotkreuz-Spezialisten in Khartum, weil in der Schweiz viele Flücht-linge aus Eritrea ihre Familienangehöri-gen suchen. Sie sind in den meisten Fäl-len geflüchtet, weil sie verfolgt wurden. Trotz vieler unlösbarer Fälle gibt es immer wieder Erfolgsgeschichten.

Die nadel im Heuhaufen Paradise Internet künden die über dem Eingang des schmalen Lokals prangen-den Leuchtbuchstaben an. Hierher kommt Endrias Nase regelmässig auf der Suche nach Vermissten. Für Endrias Nase ist das Internetcafé eine vertrauenswürdige Anlaufstelle, wenn er wie ein Detektiv nach einer Spur fahndet. Im Jiref-Quar-tier, unweit des Zentrums von Khartum, leben besonders viele Eritreerinnen und Eritreer. Er kennt sämtliche Betreiber der eritreischen Internet-Shops, von Coiffeur-salons, Restaurants und weiteren kleinen Geschäften. Seine freundliche und dis-krete Art sowie seine profunden kulturel-len Kenntnisse kommen ihm dabei sehr zugute. Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten betrachten Khartum meist als Zwischenstation und versuchen, zu ih-ren Verwandten in ein anderes Land zu gelangen. Da die Angaben über ihre Herkunft oft ungenau sind und sie aus

Wenn Endrias Nase erzählt, spürt man das Engagement für seine Arbeit

Der SRK­SuchdienstAlle in der Schweiz wohnhaften Personen können sich an den SRK-Suchdienst wenden, wenn sie eine nahestehende Person oder ein Fami-lienmitglied vermissen. Die gesuchte Person wird vor der direkten Kontakt-aufnahme angefragt, ob sie den Kon-takt zur Antragstellerin oder dem An-tragsteller wünscht oder nicht.Der Suchdienst SRK hilft aber auch– bei der Beschaffung von Gesund-

heits- und Fürsorgeberichten beim Verlust des Kontakts mit alten oder kranken Menschen im Ausland

– wichtige persönliche Dokumente weiterzuleiten, wenn Übermittlungs-kanäle fehlen

– bei der Recherche über das Schicksal von Vermissten und nach Grablagen

– bei Familienzusammenführungen

Die Leistungen sind kostenlos, deshalb ist der Suchdienst auf Spenden ange-wiesen. Suchaufträge nimmt der Such-dienst SRK unter der Telefonnummer 031 960 77 70 oder per E-Mail entgegen. ➥[email protected]

apRopoSAngst ihren Aufenthaltsort geheim halten, gleicht ihre Suche für Endrias Nase und seinem Team jener nach der sprichwörtli-chen Nadel im Heuhaufen.

erlösende nachricht aus der SchweizEndrias Nase ist ein Suchauftrag des SRK besonders in Erinnerung geblieben. Ein Familienvater, der in Eritrea verfolgt wurde und deshalb flüchten musste, such-te seine Frau und die vier Kinder von der Schweiz aus. In der Sorge um seine Familie, die er bei der Flucht in Eritrea zurücklassen musste, wandte er sich an den Suchdienst des SRK. Dieser leitete die spärlich vorhandenen Anhaltspunkte an Endrias Nase weiter.Dieser hat die gesuchte Mutter mit ihren Kindern schliesslich über die eritreische Pfarrgemeinde in Khartum ausfindig ge-macht. Er konnte die beruhigende Nach-richt aus der Schweiz überbringen, dass der Familienvater noch lebt und in Sicher-heit ist. Eritrea Nase erzählt, dass die Familie einige Monate in einem Flücht-lingscamp im Norden Sudans interniert gewesen war. Dort waren die Lebensver-hältnisse dermassen eng und bedrückend, dass sie mit anderen Flüchtlingen zusam-men aus dem Camp ausbrach. Die von Schleppern organisierte nächtliche Fahrt im offenen Geländewagen verlief drama-

tisch. Der zweitjüngste Sohn, damals ge-rade 9 Jahre alt, fiel unterwegs von der Ladebrücke, während das Auto weiterfuhr. Obwohl am Kopf verletzt, konnte er sich im nächsten Dorf in Sicherheit bringen und die Familie, die ihn aufnahm, half ihm da-bei, seine Mutter in Khartum wiederzufin-den. Welche Erleichterung muss es erst für die Frau gewesen sein, von Endrias Nase zu erfahren, dass ihr Mann noch lebt, nach einer wahren Odysee mit Kindern im Alter zwischen 6 und 15 Jahren.Ob die Familie im Rahmen der Fami-lienzusammenführung in der Schweiz aufgenommen werden, darüber werden die zuständigen Behörden entscheiden. Nach einem Happyend wäre der Fall für Endrias Nase abgeschlossen. Obwohl er aufgrund der Erfahrungen vielsagend an-fügt: «Auch ein abgeschlossener Fall ist für uns nie ganz abgeschlossen.»➥redcross.ch/suchdienst

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Das SRK beständig an vorderster front

Katastrophenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit

Als ehemaliger Leiter der humanitären Hilfe des Bundes habe ich sehr viele Krisen- und Katastrophengebiete be-sucht und Nothilfe- sowie Wiederaufbauarbeiten begleitet. Das Engagement des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) habe ich während meiner gesamten beruflichen Laufbahn eingehend beobachtet. In der Katastrophen-hilfe und Entwicklungszusammenarbeit braucht es kompetente Organisationen, die auch dann weiterarbeiten, wenn die Medienberichterstattung nachlässt.

TExT: TONI FRISCH

Eigentlich begann meine humanitäre Laufbahn beim SRK. Ein Gespräch im

Juni 1970 mit dem leider verstorbenen Dr. Hans Schindler, dem damaligen Zent-ralsekretär des SRK, öffnete mir den Weg zur humanitären Hilfe und speziell zum Schweizerischen Korps für Humanitäre

übERzEugt

Hilfe (SKH). Dieses stand damals kurz vor seiner Gründung. So trat ich eine heraus-fordernde und faszinierende Aufgabe an, der ich mich mittlerweile über 35 Jahre widme. Als mich das SRK letztes Jahr in den Rotkreuz-Rat wählte, schloss sich der Kreis auf fast wundersame Weise.

Aber blenden wir zurück in die Vergan-genheit. Noch bevor ich 1980 in den Bundesdienst eintrat, war ich Leiter in ei-nem gemeinsamen Wiederaufbauprojekt des SRK und des SKH in Guatemala.Während über drei Jahrzehnten in der hu-manitären Hilfe war ich mit dem SRK und

Nach dem Erdbeben in Haiti organisierte das SRK die Verteilung der Hilfsgüter und unterstützt jetzt den Wiederaufbau

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der ganzen Rotkreuz- und Rothalbmond-bewegung eng verbunden. Das SRK war stets ein verlässlicher Partner.Die Schweiz kann auch als kleines Land, dank Flexibilität und durch das optimale Bündeln der Ressourcen, wirkungsvolle Hilfe leisten, die Initiative ergreifen und Programme mitgestalten.Die privilegierte Position des SRK in der Fö-deration der Rotkreuz- und Rothalbmondge-sellschaften trägt dazu bei, dass die Stimme

der Schweiz besser gehört wird. Und dieses riesige, weltweit verankerte Netzwerk, mit einem Emblem, das für Tradition, partner-schaftliche Hilfe und Hoffnung steht, stellt meines Erachtens für die Zukunft eine beson-dere Stärke dar. Es ist dies zweifellos eine echte Chance, die genutzt werden muss.

Das SRK ist auch Partner in der Rettungs-kette Schweiz und in vielen Nothilfeein-sätzen der humanitären Hilfe des Bundes. Dann, wenn es darum geht, Leben zu ret-ten und Leiden zu lindern, ist ein Vertreter des SRK an vorderster Front mit dabei. Aber, das SRK unterstützt die Opfer von Katastrophen nicht nur während der spek-takulären Nothilfeaktionen, die im Fokus der Medien stehen. Es leistet noch Jahre später Wiederaufbauhilfe, verbunden mit dem Ziel, präventive Massnahmen zu tref-fen. Beispielsweise Wohnhäuser zu bauen, welche erdbebensicherer sind und bei künf-tigen Beben das Schlimmste verhindern. Aber diese partnerschaftliche, langfristi-

ge Hilfe zur Selbsthilfe bringt es nur sehr selten in die Schlagzeilen. Leider – denn sie ist weit wirkungsvoller.Wenn ich heute die Auslandtätigkeit in den Vordergrund stelle, soll damit nicht gesagt sein, dass das SRK mit all seinen Partnern in der Schweiz eine unwichtige Rolle spiele. Keinesfalls. Die starke Basis in der Schweiz, die Erfahrungen, all das Know-how und Do-how tragen direkt zur Stärke und Wirksamkeit der Arbeit im Ausland bei.Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Arbeit all der Freiwilligen und ehrenamtli-chen Helferinnen und Helfer hervorheben. Ihr Engagement, gerade in unserer Zeit, kann nicht hoch genug geschätzt werden.Das SRK steht heute, wie alle internatio-nal tätigen Organisationen, vor grossen Herausforderungen. Neue Ideen und an-dere Lösungsansätze müssen gefunden werden. Unternehmerischer Geist und Verantwortungsbewusstsein müssen uns in den kommenden Jahren leiten.

Wo liegen die Herausforderungen? Der Klimawandel mit seinen Konsequenzen, die zunehmende Zahl der Naturkatastro-phen mit massiv unterschätzten Folgen für die Umwelt – diese Bedrohungen rufen uns unmissverständlich zu Präventionsmass-nahmen auf. Auch die zunehmende Mig-ration fordert uns auf, noch konsequenter Armut und Hunger zu bekämpfen. Es gilt aber auch, die Qualität der huma-nitären Hilfe sicherzustellen. Ich habe vor Jahren die Zertifizierung der international eingesetzten Rettungsorganisationen ein-geführt und nach dem Erdbeben in Haiti die Zertifizierung aller Nothilfeorganisa-tionen gefordert. Wir können nicht weiter-

toni frischBis zu seiner Pensionierung 2011 war er stellvertretender Direktor der DEZA und Leiter der humani-tären Hilfe. Seit letztem Jahr ist der 66-Jährige im Rotkreuz-Rat vertreten und als Berater für die UNO tätig.

hin dulden, dass sich unqualifizierte, nicht koordinierte sowie unerfahrene «Helfer» in den Krisengebieten aufhalten. Sie sind keine Hilfe, sondern eine Belastung für das betroffene Land und die Opfer.

Hier liegt eine Riesenchance für das SRK. Es kann über das weltweite Netz Einfluss nehmen und einen konkreten, wertvollen Beitrag leisten.Die Schweiz, das SRK, die gesamte Rot-kreuz-Bewegung, WIR ALLE sind gefor-dert, unseren Beitrag zu leisten, um diese Herausforderungen zu meistern und die Probleme zu lösen.➥redcross.ch/nothilfe

Das SRK-Zeltlager nach den Überschwemmungen in Pakistan – gegenwär-tig baut das SRK neue Wohnhäuser

Toni Frisch leitete für die DEZA zahlreiche Rettungsaktio-nen, hier die Rückkehr aus Indien 2001

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Das SRK kann über das welt­weite netz einfluss nehmen und einen wertvollen Beitrag leisten.

Die langfristige, wirkungs­volle Hilfe zur Selbsthilfe bringt es leider nur selten in die Schlagzeilen.

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KonKREt

TExT: KARL SCHULER BILDER: FEDERICO OROZCO

Kolumbianische Lebensfreude im Schweizer Viertel

Ein Vierteljahrhundert nach der Vulkankatastrophe

Das «barrio suizo» im kolumbianischen Armero-Guayabal entstand nach dem verheerenden Vulkanausbruch von 1985. Die 120 Familien sind noch heute stolz auf die besondere Qualität und das Ambiente ihres Wohnviertels. Ein Wiedersehen nach über zwei Jahrzehnten.

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KonKREt

Was mir als Erstes auffällt sind die grossen blühenden Mangobäu-

me, die den Quartierplatz umsäumen. Bei meinem letzten Besuch vor über 20 Jahren waren sie frisch gepflanzt worden. Vergnügt spielen Kinder am runden Brunnen. Deren Grosseltern und Eltern haben vor einem Vierteljahrhundert mit Schweizer Hilfe das Viertel mit 120 Wohnhäusern aufgebaut. Stolz tauften

sie ihre neue Heimat «barrio suizo». In gespannter Erwartung kehre ich erstmals seit 1990 hierhin zurück.

am anfang war die tragödieDie Bewohner des Schweizer Viertels sind Überlebende einer der grössten Na-turkatastrophen des letzten Jahrhunderts. Am 11. November 1985 brach der über 5000 Meter hohe Vulkan «Nevado del Ruiz» aus. Die Lavaströme wälzten sich zu Tal und begruben 25000 Menschen der Kleinstadt Armero unter sich – ein Pompeij der Neuzeit. Nur einige Tausend Bewohner der Stadt konnten ihr Leben retten. Davon wurden 120 Familien für das Wohnbauprogramm der humanitä-ren Hilfe des Bundes und des Schweize-rischen Roten Kreuzes ausgewählt. Auf dem Bauplatz wurden sie von schweize-

rischen und kolumbianischen Fachleuten angeleitet. Denn es war kein Geschenk ohne Gegenleistung. Der erste Präsident der Quartiervereinigung, Hector Rubio, erinnert sich: «Die fast 2-jährige Bauzeit bis 1988 war eine harte Lehre für uns. Aber dadurch identifizierten wir uns mit dem Wohnhaus und dem Quartier, was bis heute nachwirkt.»

«espíritu suizo» nennen sie den geist der Selbstverant­wortung, aus dem sich die besondere gepflegtheit des Quartiers ergibt.

nostalgischer Besuchsreigen Das Wiedersehen mit den Bewohnerin-nen und Bewohnern des «barrio suizo» ist herzlich. Die Hälfte der heutigen Fa-milien war bei der Gründung des Quar-tiers schon dabei. Wir werden von allen Seiten zu einem «Cafecito» nach Hause eingeladen. Der erste Besuch gebührt ei-nem Geburtstagskind. Die Witwe Doña Anuncia feiert heute ihren 83. Geburts-tag. Ich vermag mich gut daran zu er-innern, wie sie damals noch auf dem Bauplatz mitarbeitete und sich auf ihr neues Heim freute. Nun zeigt sie uns stolz ihre Küche und ihr Wohnzimmer, alles blitzblank sauber. Das Schmuck-stück aber ist der Urwald-Garten, in dem neben Blumen auch Avocados, Bananen und Tomaten für die Selbstversorgung gedeihen. Der Besuchsreigen setzt sich bis zum Abend fort. Während die fröhlichen Cum-bia-Rhythmen aus den Häusern dringen, werden Erinnerungen an die Gründerzeit wach. Die damaligen schweizerischen und kolumbianischen Verantwortlichen des Bauvorhabens haben sich im Ge-Das Schweizer Viertel in Armero-Guayabal ist auch 25 Jahre nach seiner Gründung noch besonders gepflegt

Mariana Machado hat vor 27 Jahren ihre Tochter verloren, seither lebt ihre Enkelin Diana Aguirre bei ihr – jetzt auch mit ihren Zwillingen

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KonKREt

dächtnis der Leute eingeprägt. Es werden Neuigkeiten über sie und die Barrio-Be-wohner ausgetauscht. Ruby Arango, die uns schon früher immer grosszügig be-wirtete, tischt uns auch heute wieder ein üppiges Zvieri auf.

Schreinerin aus LeidenschaftNicht auslassen dürfen wir einen Besuch der Möbelschreinerei, die Noemi Mar-tinez zusammen mit ihrem Mann Alirio Muñoz führt. Ihre Werkstatt existiert seit dem Anfang und ist im Gewerbesektor untergebracht. Dank dem vom Roten Kreuz eingerichteten Fonds waren ein Dutzend Betriebe mit Kleinkrediten ge-schaffen worden. «Unsere Möbel sind gefragt. Wir fertigen diese mit Leiden-schaft und nach Wunsch der Kunden an und können davon leben», beschreibt die Möbelschreinerin ihre Erfolgsgeschich-te. Und zeigt uns freudig eine frisch aus Zedernholz gezimmerte Truhe. Nach ei-ner längeren Krise kann die Stiftung für Kleinunternehmen heute wieder Kredi-te ausschütten. Germán Saavedra, der ebenfalls seit der Gründung des Viertels ein kleines Baugeschäft führt, geniesst als Stiftungsverantwortlicher das Vertrauen der Leute. Und lobt die Zahlungsdisziplin der Mitglieder, dank welcher der Fonds heute wieder neue Betriebe mitfinanzie-ren kann.

ein unverwechselbarer CharakterAuch ein ganzes Vierteljahrhundert nach seiner Gründung strahlt das «barrio suizo» einen eigenen Charakter aus. Dies liegt so-wohl an der Ästhetik und der Bauqualität der Häuser, als auch am gepflegten Stil des Wohnviertels. Die Wohnfläche ist für hiesige Verhältnisse äusserst grosszügig. Die dicken Mauern halten das Hausinne-re kühl und entsprechen dem tropischen Klima. Den Breitengraden ebenfalls an-gepasst sind die gedeckten Korridore, die sich an den Häuserfassaden als Lauben

über das ganze Viertel entlang ziehen. Die bunten Farbkombinationen der Hausmau-ern sind aufeinander abgestimmt. In den Vorgärten blühen der Hibiskus, der Gua-yacán – Goldener Trompetenbaum – und der Rote Annatto-Strauch, der einen natürli-chen Farbstoff ergibt. Kolumbien wird hier im Tiefland des Magdalena-Flusses seinem Ruf als Naturparadies gerecht.Zwar beklagen sich die Älteren darüber, dass die zweite Generation und die neu Zugezogenen nicht genügend mitmachen bei den Quartierarbeiten und dass der «espíritu suizo» allmählich schwindet. So nennen sie den Geist der Selbstverant-wortung, aus dem sich die besondere Ge-pflegtheit des Quartiers ergibt. Allerdings ist der heutige Präsident der Quartierver-einigung erst vor zwei Jahren zugezogen, und er setzt sich dafür ein, dass auch die neue Generation den besonderen Cha-rakter des Wohnviertels pflegt.

Keine heile WeltAn die Tragödie von Armero erinnern sich viele mit Schmerzen, denn sie haben damals liebe Angehörige verloren und sind selber nur knapp dem Tod entgan-gen. Das Schicksal von Mariana Macha-do ist eines von vielen. Ihre Tochter wurde damals vom Schlamm mitgerissen. Sie hat sie nie mehr gesehen. Heute lebt sie mit ihrer Grosstochter Diana Aguirre und deren Zwillinge im «Schweizer Haus», wie sie es selber nennt. Für sie und viele andere sind die Wunden nach so vielen Jahren zwar abgeheilt, aber nicht voll-ständig vernarbt.Die Gewalt, die Kolumbien prägt, hat vor allem in den 90er-Jahren auch die Bevöl-kerung in diesem Landesteil betroffen. Die Grossviehzüchter haben die Kleinbauern oft unter Mithilfe rechtsextremer Todes-schwadronen gewalttätig vertrieben. Dies hatte eine grosse allgemeine Unsicherheit zur Folge. Die vorherrschende Viehzucht schafft ausserdem nur wenig Arbeitsplät-ze, worunter auch die Bewohner des Schweizer Viertels leiden. Viele Jugendli-che ziehen weg in die Städte, da sie hier keine Arbeitsplätze finden. Aber auch sie kehren immer wieder dankbar zurück und wissen, dass sie in ihrem «barrio suizo» immer Geborgenheit finden werden. ➥redcross.ch/wiederaufbau

SRK-Mitarbeiter Karl Schuler (Mitte) und die Bewohner tauschen Erinnerungen an die Gründerzeit aus

Alirio Muñoz und Noemi Martinez haben ihre Schreinerei mit einem Kleinkredit des SRK-Fonds gegründet

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Page 21: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

KuRz & bünDIg

Sondermarke «blutspenden»Blutspende SRK Schweiz und die Schwei-zerische Post haben die neue Sonder-marke «Blutspenden» auf dem Bundes-platz vorgestellt. Die Briefmarke wurde von Bundesrat Alain Berset als wichtiges Zeichen der Wertschätzung gegenüber den rund 200 000 Schweizer Blutspen-derinnen und -spendern gelobt. «Wer Blut spendet, weiss, dass wir einander brauchen – in einer sehr existenziellen Weise. Ich rufe jene auf, die noch zö-gern, ebenfalls Blut zu spenden!», so der Bundesrat am Festakt. Die Sondermarke im Wert von einem Franken ist in allen Poststellen erhältlich.

Kleine Kinder geraten unter Wasser nicht in Panik und ertrinken deshalb völlig lautlos. Häufiger als Unfälle mit tödlichem Ausgang sind Fälle von Beinahe-Ertrinken. Sie führen oft zu gravierenden, lebenslangen Schä-den. 90% aller Ertrinkungsfälle bei kleinen Kindern liessen sich vermeiden, wenn Er-wachsene sich der Gefahr besser bewusst wären und die Kinder besser beaufsichtigen würden. Mit dem vierminütigen Kurzfilm zeigt die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG, warum auch scheinbar harmlose Situationen am Wasser gefährlich sind für Kleinkinder. Der Kurzfilm ist zusam-men mit Verhaltenstipps für Eltern und Lehr-personen auf der Website abrufbar.➥das­wasser­und­ich.ch

gefährlicher als man meint

Nicole Berchtold hat sich für eine SRK-Patenschaft entschieden, weil sie Kin-dern in Not helfen will. Die Moderatorin des Schweizer Fernsehens ist im Feb-ruar Mutter geworden. «Mir ist noch viel mehr bewusst geworden, wie schlimm es für Eltern sein muss, wenn es sogar an Grundlegendem wie Trinkwasser, Nah-rung und Bildungsmöglichkeiten man-gelt. Ich will etwas tun für Familien, die weniger privilegiert sind als wir.» Auf der Website für SRK-Patenschaften hat sich Nicole Berchtold über die Paten-schaft informiert.➥srk­patenschaften.ch

gutes tun per Mausklick neue therapieangebote für Kinder und Jugendliche

gemeinsam schützen und helfen

Das Ambulatorium für Folter- und Kriegs-opfer (afk) des SRK in Bern-Wabern plant spezifische Therapieangebote für traumati-sierte Kinder und Jugendliche. Heranwach-sende können ihre Kriegs- und Fluchterleb-nisse aufarbeiten und so Vertrauen und Sicherheit für die Zukunft aufbauen. «Es ist toll, dass das SRK diese Therapiemög-lichkeit anbietet, da es in der Region Bern sonst keine spezialisierten Anlaufstellen gibt und diese Kinder und Jugendlichen eine be-sonders vulnerable Zielgruppe darstellen», sagt die zuständige Psychotherapeutin Ta-nia Rothe. Die Therapieplätze sollen vorerst den Kindern zugute kommen, deren Eltern

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Die Präsidentin des SRK, Annemarie Hu-ber-Hotz, und Klaus-Peter Röhler, CEO der Allianz Suisse, haben die Partnerschaft der beiden Organisationen bis 2015 ver-längert. «Gemeinsam schützen und helfen wir» heisst der Leitsatz für die Zusammen-arbeit. Das nehmen die Mitarbeitenden der Allianz Suisse wörtlich, in dem sie regelmässig Blut spenden, bei der Aktion 2 5 Weihnachten Waren sortieren oder bei Grosskatastrophen dem Spendeaufruf des SRK folgen. Das Versicherungsunterneh-men unterstützt aktiv seit fünf Jahren den Fahrdienst, den Notruf und die Not- sowie Katastrophenhilfe des SRK. Am diesjähri-

gen Weltrotkreuztag verkaufte die Allianz Suisse über 600 Rotkreuz-Spitzbuben an die Mitarbeitenden zu einem frei wählba-ren Preis. Der Erlös ging an ein Heim für behinderte Kinder in Weissrussland, wel-ches vom SRK unterstützt wird.

am afk wegen einer posttraumatischen Be-lastungsstörung in Behandlung sind.➥torturevictims.ch

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ERLEbt

«Heute hört man zu und versteht besser»

Interview

Esther Oester ist als Abteilungsleiterin verantwortlich für die Hilfsprogramme des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) in Afrika und Südamerika. Sie und ihre Mitarbeitenden sorgen dafür, dass Spendengelder für den Wiederauf-bau nach Katastrophen für nachhaltige Gesundheitsprogramme und für Prävention sinnvoll investiert werden.

INTERVIEW: TANJA PAULI

im Gesundheitsbereich. Es ist ähnlich wie bei uns, wenn sich die Schulmedizin und die Komplementärmedizin ergän-zen. Man versteht das heute besser und interessiert sich dafür, ohne es gleich als unwesentlich abzutun. In Westafrika ist man z.B. überzeugt, Voodoo würde bei den Weissen nicht wirken. Geben wir aber Hinweise auf unser eigenes mystisches Denken, gewinnen wir Ver-trauen, wie ich gerade wieder erfahren habe.

Erzählen Sie uns diese Episode?Bei uns lernt man, sich nie übers Kreuz die Hände zu reichen. Man sagt, das bringe Unglück. Bei der Begrüssung im Südsudan ergab es sich, dass man sich die Hände übers Kreuz schüttelte und ich erklärte dem Generalsekrektär vom Südsudanesischen Roten Kreuz, was das bedeuten könnte. Als unser Flugzeug we-gen eines technischen Defektes nicht star-ten konnte, schloss er daraus, dass die-se Panne auf unser unglücksbringendes Verhalten zurückzuführen ist. Es schafft Vertrauen, wenn man Gemeinsamkeiten feststellt.

Stehen Sie täglich im Kontakt mit den Delegierten im Ausland?Nein, das ist die Arbeit meines Teams. Ich arbeite im strategischen Bereich und bin für meine Mitarbeitenden ein Coach in schwierigen Situationen oder übernehme die Stellvertretung bei zu grosser Belas-

Esther Oester, Sie kommen gerade aus dem Südsudan zurück. Was sind Ihre Eindrücke von dieser Reise?Ich bin gerade dabei, sie zu verarbeiten, weil sie sehr stark sind. Im Sudan bzw. Südsudan war 20 Jahre lang Krieg. Die Menschen kennen kaum etwas anderes als den Kampf oder die Flucht. Sie müs-sen zuerst lernen, an anhaltenden Frieden zu glauben. Noch immer leben einige versteckt in den Bergen. Wir haben sehr grosse Armut gesehen in einem kriegsge-schädigten Land, in dem viele Menschen keine Ausbildung haben und sehr viele Mütter im Kindbett sterben. Obschon mir ein paar Dinge aufgefallen sind, die wir noch korrigieren müssen, läuft unsere Hil-fe gut. Ich weiss, was wir tun ist richtig. Das motiviert.

Sie sehen Leid und Elend. Wie gehen Sie damit um?Nach der Rückkehr erzähle ich vom Er-lebten. Ich gehe die Reise in Gedanken nochmals für mich durch, auch mit Fotos. Es gibt diese Momente, in denen ich trau-rig bin und es mich belastet. Ich will mich

aber nicht von meinen Emotionen abgren-zen. Als ich vor 20 Jahren mit meiner Ar-beit in der Entwicklungszusammenarbeit begonnen habe, erlebte ich einige Jour-nalisten und Mitarbeitende von Hilfswer-ken, die nicht mehr an Lösungen glaub-ten. Ich habe mir damals geschworen:

Sollte ich jemals zynisch denken oder kein Mitgefühl mehr verspüren, dann wechsle ich meinen Beruf.

Welche Voraussetzungen braucht es für diese Arbeit?Sie müssen gut mit Menschen umgehen können und brauchen Geduld. Manch-mal muss man einfach warten, bis je-mand auf den Punkt kommt. Wenn Sie aber offen sind für andere Kulturen und neugierig zuhören, dann erzählt man Ih-nen Geschichten, die tiefer gehen. Früher hielt man es für unwichtig, was Menschen glauben. Jetzt weiss man, dass es sehr wesentlich ist für eine gute Zusammen-arbeit, die Menschen zu verstehen und akzeptieren.

Sie sprechen damit den traditionellen Glauben an?Ja, man bekommt in einigen Ländern Afri-kas schnell eine Ahnung davon, wie sehr er die Menschen beeinflusst. Besonders

Esther oesterDie 50-Jährige arbeitet seit fünf Jahren für das SRK. Sie hat Volks-wirtschaft mit Nebenfach Soziologie studiert und hat ein Nachdiplom in Entwicklungszusammenarbeit absolviert. Sie und ihre zwölf Mitar-beitenden sind zuständig für die Delegationen in 16 Ländern.

«Sollte ich kein Mitgefühl mehr verspüren, dann wechsle ich meinen Beruf.»

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Page 23: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

tung. Zum Beispiel wenn die Programm-verantwortlichen die Delegationen im Ausland besuchen. Während der Revolu-tion in Ägypten war dies der Fall. Dort unterstützt das SRK den Blutspendedienst. Im Frühling 2011 habe ich jeden Tag mit unserem Delegierten in Kairo telefoniert und ihn durch diese Zeit begleitet. Bis zum Punkt, wo wir ihn auffordern muss-ten, das Land aus Sicherheitsgründen zu verlassen. Oder ich unterstütze in Über-gangssituationen. So wie jetzt, wo wir zu-sätzlich zum Sudan auch im neuen Staat Südsudan einen SRK-Delegierten statio-niert haben. Deshalb habe ich das Land mit der neuen Programmverantwortlichen kürzlich besucht.

Vertrauen die Menschen Ihnen auch, weil Sie als Rotkreuz-Mitarbeiterin erkennbar sind?Ja, und es ist auch hilfreich, dass wir die Rotkreuz-Grundsätze haben. Die sie-

ben Grundsätze haben mir gerade im Südsudan geholfen. Es war bei einem Empfang, wo viele Leute anwesend wa-ren, unter anderem die lokale Regierung. Eine regionale Ministerin hielt eine kriegs-hetzerische Rede. Denn noch immer gibt es Konflikte um Ölfelder. Unsere Anwe-senheit nahm sie als Argument, um ihre

Ansichten zu rechtfertigen. Ich realisierte, dass wir instrumentalisiert werden und ich mich nun äussern muss. Doch wie am besten? Ich hielt mich an die sieben Rot-kreuz-Grundsätze, leitete meine Anspra-che ein mit dem humanitären Völkerrecht und den Genfer Konventionen. Und siehe da – es gelang mir, unsere neutrale Hal-tung zu verteidigen, ohne dass sie es als

persönliche Beleidigung auffasste. Ich war erleichtert. Immerhin befanden wir uns an einem Ort, wo man die vergan-genen sechs Monate aus Sicherheitsgrün-den nicht hin konnte, weil die Lage zu angespannt war.

Haben Sie das Gefühl, Sie können genug bewirken?Als Kind war mir klar, ich will den Men-schen helfen. Mit 25 wollte ich die gan-ze Welt verändern. Heute weiss ich, was möglich ist und wo die Grenzen liegen. Aber solange wir Menschenleben ret-ten können, bleiben wir dran. Sei das mit Prävention, mit Pflege oder um die Bevölkerung besser vor vorhersehbaren Kata strophen zu schützen. Wir sind nicht nur die Retter, sondern arbeiten ständig in einem internationalen Team. Eine gut durchdachte Organisation vervielfacht die Wirkung enorm.➥redcross.ch/ausland

Esther Oester schenkt einem Mitarbeiter des Südsudanesischen Roten Kreuzes ein Shirt

«Dank den Rotkreuz­grund­sätzen gelang es mir, unsere neutrale Haltung zu verteidigen.»

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Page 24: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

1. Wie gefällt ihnen die gestaltung des Magazins?■ sehr gut■ gut■ weniger gut■ gar nicht

2. Wie gut fühlen Sie sich nach der Lektüre von Humanité informiert über die arbeit des SRK?

■ sehr gut■ gut■ befriedigend■ unbefriedigend

3. in dieser ausgabe haben mich folgende Berichte am meisten interessiert (maximal drei nennungen):■ In der Schweiz und in Südamerika – Der Weg zum Mutterglück, S. 4–9■ Samariterjugend Help – Spiel, Spass, Spannung und Samariterkenntnisse, S. 12–13■ Suchdienst – Wenn die Spur nach Khartum führt, S. 14–15■ Katastrophenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit – Das SRK beständig an vorderster Front, S. 16–17■ Ein Vierteljahrhundert nach der Vulkankatastrophe – Kolumbianische Lebensfreude im Schweizer Viertel, S. 18–19 ■ Interview – «Heute hört man zu und versteht besser», S. 22–23■ Entlastung für Eltern – «Das Rote Kreuz, mein Rettungsanker»■ Ecuador – Die Grüne als beliebte Alltagsnahrung, S. 29

4. Welche themen sprechen Sie besonders an? ■ Leben in Entwicklungsländern ■ Integrationsarbeit in der Schweiz ■ Leben mit Kindern ■ Katastrophenhilfe ■ SRK-Mitarbeitende im Einsatz■ Leben im Alter■ Freiwilligenengagement in der Schweiz

LeserumfrageLiebe Leserin, lieber Leser

Wie gefällt Ihnen Humanité? Bitte äussern Sie Ihre Meinung zum Magazin. Wir verlosen unter allen Antworten fünf SRK­arm­ banduhren. Sie können per Briefpost oder per E-Mail bis am 31. august 2012 an der Umfrage teilnehmen. Die Antworten werden vertraulich behandelt und nicht veröffentlicht.

Anregungen oder Mitteilungen an die Redaktion:

Vorname, Name

Adresse

Geburtsdatum

teilnahme per BriefpostFragebogen ausfüllen, ausschneiden und in einem frankierten Umschlag einschicken an:Schweizerisches Rotes KreuzRedaktion Humanitépostfach, 3001 Bern

teilnahme per e­MailSchreiben Sie Ihre Antworten und Ihren vollständigen Namen mit Adresse in eine leere E-Mail mit dem Betreff «Leserumfrage» und schicken Sie diese an: [email protected]

Die Redaktion dankt Ihnen bestens für Ihre Teilnahme.

Teilnahmebedingungen für die Verlosung: Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Die Barauszahlung und der Rechtsweg sind ausgeschlossen.

VeRLoSUngWenn Sie bei der Leserumfrage mitmachen, nehmen Sie an der Verlo-sung von 5 SRK-Armbanduhren teil.Die formschöne Armbanduhr ist aus Edelstahl und bis 100 m was-serdicht. Sie ist im SRK-Onlineshop erhältlich: ➥ redcross.ch/shop

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KonKREt

TExT: CHRISTINE RÜFENACHT BILDER: CASPAR MARTIG

«Das Rote Kreuz, mein Rettungsanker»

Entlastung für Eltern

Als Claudia Imfeld schwanger war, musste sie wochenlang liegen, um ihr Kind zu retten. Doch wer sollte in dieser Zeit ihre zweijährige Tochter betreuen? Mit der Rotkreuz- Kinderbetreuung fand sie rasch eine ideale Lösung.

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Page 26: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

Willkommen bei Familie Imfeld in Sar-nen (OW). Zwei Kleinkinder wirbeln

durchs Wohnzimmer und spielen abwech-selnd mit Bauklötzen und Autos. Mitten drin sitzt ihre Mutter Claudia Imfeld, eine 36-Jäh-rige, die nichts so leicht aus der Ruhe bringt. Doch das friedliche Bild täuscht: Der kleine Julian mit seinem strahlenden Lächeln leidet an Reizüberflutungs- und Angstzuständen, die sich in heftigem Weinkrämpfen äussern. Seine Ängste sind auf die schwierigen Um-stände vor seiner Geburt zurückzuführen.

Bei Claudia Imfeld, die im Flüeli-Ranft in einem Kleinpensum als Lehrerin arbeitet, setzten in der 24. Schwangerschaftswoche plötzlich Wehen ein. Die Ärzte verordneten ihr strikte Bettruhe. Wollte sie Julian nicht verlieren, musste sie sich daran halten. Doch für die willensstarke Frau kam es nicht in Frage, in Luzern im Spital zu bleiben. «Ich konnte doch Emilia nicht alleine las-sen!», erklärt sie. Ihre Tochter war damals erst zwei Jahre alt. Sie kehrte somit nach einer Woche nach Hause zurück. Grossel-tern, Nachbarn und der Vater lösten sich ab, um die junge Frau zu vertreten. Emilia musste morgens aufgenommen und den ganzen Tag über betreut werden. Und die Haushaltarbeiten, das Kochen und die Ein-käufe erledigten sich auch nicht von alleine.

entlastung für das UmfeldSchon während des Spitalaufenthaltes wurden sich Emilias Eltern bewusst, dass es nicht bis zum Ende der Schwanger-schaft so weitergehen konnte. «Wir ha-ben rasch erkannt, dass alle an ihre Gren-zen kamen», erinnert sich Claudia Imfeld. Zudem fiel es den Imfelds schwer, einfach so Hilfe anzunehmen. Deshalb wandten sie sich zuerst an die Spitex und danach an den Kinderbetreuungsdienst des Roten Kreuzes Unterwalden, welcher ihnen von der Spitex empfohlen wurde. So wurde die kleine Emilia die erste Kundin des eben erst eröffneten kostenpflichtigen Dienstes. Während mehreren Wochen kümmerte sich nun Irene, eine qualifizierte Betreue-rin des Roten Kreuzes, täglich um Emilia. Nicht den ganzen Tag, denn Claudia Im-feld und ihr Mann waren zwischendurch auch ganz gerne mal für sich, aber im-merhin mehrere Stunden pro Tag. Für das Paar bedeutete diese Lösung eine enorme Entlastung: Nun musste es sein Umfeld nicht mehr übermässig beanspruchen. Und Claudia Imfeld war froh, in der Not auf eine seriöse, verlässliche Organisa-

tion zählen zu können. «Das Rote Kreuz war mein Rettungsanker», sagt sie.

einen Monat zu frühDank ihrem Durchhaltevermögen konnte die Familienfrau ihr Kind bis zur 36. Wo-che und damit fast bis zum vorgesehenen Geburtstermin austragen. «Die Geduld hat sich gelohnt», sagt Claudia Imfeld

heute mit einem liebevollen Blick auf ih-ren Sohn. Das findet auch die unterdes-sen vierjährige Emilia, die ihren kleinen Bruder über alles liebt. Mit der Geburt des Kleinen war Claudia Imfelds Zwangs-pause endlich überstanden. Doch die Fa-milie war noch nicht über den Berg. Denn der Stress, dem die Mutter während der Schwangerschaft ausgesetzt war, wirkte sich auf Julian aus. Als er drei Monate alt war, stellten die Ärzte fest, dass er über-mässig auf Umgebungsreize reagiert. Zu viel Lärm, zu viele Leute, zu viel Aufre-gung lösen beim Kleinkind einen derar-

Die Ärzte stellten fest, dass Julian übermässig auf Umge­bungsreize reagiert.

Der Kinderhütedienst war für das ganze Umfeld eine entlastung.

Fan des Roten KreuzesClaudia Imfeld ist Fan des Roten Kreu-zes: Ihre Erfahrun-gen mit dem Kin-derbetreuungsdienst haben sie überzeugt. Sie engagiert sich sogar in der neuen Kampagne, mit der das Rote Kreuz auf seine Leis-tungen in der Schweiz hinweist. «Das hätte ich für keine andere Organisa- tion getan», betont sie. Und stolz erzählt die kleine Emilia ihren Freundinnen, dass sie im Fernsehen auftreten wird.

apRopoS

KonKREt

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Page 27: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

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tigen Stress aus, dass es während zwei Stunden oder länger heftig weint. Dann braucht Julian die volle Aufmerksamkeit seiner Mutter.

Und zum ZweitenAls die Diagnose nach zahlreichen Spital-aufenthalten endlich gestellt war, änderte die Familie ihre Gewohnheiten, um Julian zu schützen. Sie meidet nun zum Beispiel stark frequentierte Orte, und sei es nur der kleine Supermarkt um die Ecke. Clau-dia Imfeld wandte sich damals erneut an die Rotkreuz-Kinderbetreuung. Diesmal ging es darum, dass sie sich ihrer Toch-ter widmen konnte. «In all den Wochen, in denen ich nicht aufstehen durfte, hatte Emilia kaum Kontakt zu anderen Kindern. Das musste sich unbedingt ändern», er-klärt sie. Während Mutter und Tochter gemeinsam den Familientreff besuchten, war Julian bei der Kinderbetreuung gut aufgehoben. Claudia Imfeld wusste, dass sie dem Roten Kreuz vertrauen kann.➥redcross.ch/kinderbetreuung

Valérie Ugolini Die 45-jährige Valérie Ugolini ist seit zehn Jahren nationale Koordinatorin der Kinderbetreuung zu Hause (KBH) der Rotkreuz-Kanto-nalverbände.

Welche art von Unterstützung benötigen die eltern, die sich an die KBH wenden?Einen grossen Teil unserer Einsätze leis-ten wir in Familien, in denen ein Eltern-teil gesundheitliche Probleme hat, die sehr gravierend sein können. Krisensi-tuationen und Notlagen, in denen die Eltern Schwierigkeiten haben, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern, nehmen eindeutig zu: Krisen in der Familie, fi-nanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit, psychische Probleme usw. Rund 20% der Anfragen stammen von Eltern, die mit ihren Kräften am Ende sind und dringend eine Atempause benötigen.

Was schätzen die eltern an der KBH?Vor allem die konkrete, wirksame und unbürokratische Unterstützung, die sie beim Roten Kreuz erhalten. In einer Not-, Krankheits- oder Krisensituation beschäftigt Eltern besonders eine Fra-ge: Was machen wir mit den Kindern? Wem können wir sie anvertrauen? Auch die Kompetenz, das Verhalten und die Freundlichkeit unserer Betreue-rinnen werden von Eltern und Kindern gleichermassen geschätzt.

Wie wird die KBH finanziert?Einen Drittel der Kosten tragen die El-tern selbst, der Rest wird vom Roten Kreuz und über Spenden finanziert. Obwohl der Nutzen der KBH unbestrit-ten ist, leistet die öffentliche Hand lei-der kaum Beiträge an dieses Angebot, da es keiner anderen bestehenden Betreuungsform (Kindertagesstätte, Ta-gesmütterverein usw.) entspricht. Die Finanzierung ist ein echtes Problem, das die Weiterführung der Dienstleis-tung gefährdet.

KuRz bEfRagtClaudia Imfeld will Emilia möglichst gleich viel Zuwendung geben wie dem jüngeren Julian

Die Familie hat ihren Alltag Julians Bedürfnis entsprechend ruhig organisiert

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Page 28: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

Geld macht glücklich (Nr. 15). Geld macht glücklich, wenn man für

jemanden da sein kann. Deshalb hat Swisscanto zusammen mit dem Schwei-

zerischen Roten Kreuz (SRK) den Swisscanto Swiss Red Cross Charity Fund

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Page 29: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

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grillierte Bananen mit KäseFür 4 Personen als Beilage

Zutaten– 4 ganze, reife Kochbananen– 1–2 EL flüssige Butter oder Öl– 1 Block Mozzarella

Zubereitung im Backofen:Backofen auf 200 Grad vorheizen. Ba-nanen schälen, mit der Butter oder dem Öl bestreichen und auf ein mit Back-papier belegtes Backblech legen. Den Mozzarella in Scheiben schneiden. Nach ca. 30 Minuten Backzeit die Ba-nanen wenden und für weitere 15–20 Minuten weiterbacken, bis sie rundum goldbraun sind. Aus dem Ofen neh-men, der Länge nach mit einem Messer aufschneiden und sofort mit den Mozza-rellascheiben füllen. Nach einigen Mi-nuten ist der Käse geschmolzen. Sofort servieren oder zum Warmhalten in den ausgeschalteten Ofen zurückstellen.

Die Bananen können auch auf dem Grill zubereitet werden. Wer mag, kann dazu eine scharfe, würzige Sauce oder Avocado servieren.

Die ebenso beliebte wie weit verbreite-te Kochbanane ist verwandt mit der

bekannten süssen Banane, die seit Jahr-zehnten auch zum Speisezettel in Europa gehört. Bis die «Verde» aber den Trans-port in unsere Breitengrade überstanden hat, ist ihre Schale meist gelb oder gar schwarz und auch erst dann richtig reif. Was im spanischen Wörterbuch noch «plátano» heisst, wird umgangssprach-lich nur nach der äusseren Farbe bei der Ernte bezeichnet. Die mehrere Meter hohe Bananenpalme wächst in den Tro-pen und Subtropen überall und ihre Frucht

ist deshalb kostengünstig. Zusammen mit dem Maniok bildet die Kochbanane das Grundnahrungsmittel der Bevölkerung. In rohem Zustand ist die Kochbanane unge-niessbar – daher wohl auch die deutsche Bezeichnung. Sie lässt sich jedoch sehr vielseitig zubereiten.Für eine schnelle, schmackhafte Beilage zu exotischen Gerichten schneidet man die geschälten Früchte schräg in Schei-ben und brät diese in etwas Öl gold-braun. Wer mag, brät etwas frischen Chi-li mit. Je nach Geschmack mit flüssigem Honig oder etwas Zitronensaft beträufeln.

REzEpt

Die grüne als beliebte alltagsnahrungWenn im Tiefland Ecuadors von der «Verde», der Grünen, die Rede ist, wissen alle, dass damit die Kochbanane gemeint ist. In Südamerika, Afrika und Asien ist sie häufig Teil der Hauptmahlzeit, wie in Europa die Kartoffel. Und genauso vielseitig lässt sie sich zubereiten.

Ecuador

TExT: KARL SCHULER

Die einfachste Art, Kochbananen zuzuberei-ten: in Scheiben schneiden und in etwas Öl braten

Als Aloco bekannt sind die aus Westaf-rika stammenden Bananen-Chips, die im spezialisierten Lebensmittelhandel erhält-lich sind. In Ecuador werden gegrillte Kochba-nanen gefüllt mit Käse, wie in unserem Rezept, zu jeder Tageszeit gereicht. Sie eignen sich hervorragend als Beilage zu Grilladen, aber auch zum Sonntags-brunch. ➥magazin­humanite.ch/rezepte

© C

orbi

s

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Page 30: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

Für Humanité zeichnet «Karma» alias Marco Ratschiller. Er ist Cartoonist und Chefredaktor des Satire-Magazins Nebelspalter.

LabyrinthVom Start bis ans Ziel wird der Weg mit feinen Linien markiert. Den gefundenen Weg ausfüllen – und schon erscheint das Bild.

kreuz & quer

HuMANITé 1/2012Lösungswort des letzten Kreuz­worträtsels:VeRantWoRtUng tRagen

Wir gratulieren den gewinne­rinnen und gewinnern:Edith Goetz, ZürichPeter Hohler, AarburgJean-Michel Maradan, Corsier-sur-VeveyJeannine Maury, SionSilvia Orlando Akagi, Theilingen

Übrige Lösungen der letzten ausgabe:

Die Lösung zum Sudoku, zum Wort-suchspiel und zum Labyrinth finden Sie jeweils in der nächsten Ausgabe oder im Internet. ➥ magazin-humanite.ch

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kreuz & quer

Kreuzworträtsel

Wortsuchspiel Finden Sie die 20 Wörter horizontal, vertikal und diagonal. Die Buchstaben können für mehrere Wörter gelten.

Wir verlosen unter allen korrekt eingeschickten Lösungswörtern des Kreuzworträtsels fünf Victorinox SRK­taschenmesser. Das Modell «Spartan» der renommierten Schwei-zer Traditionsmarke Victorinox verfügt über die 12 wichtigsten Funktionen. Senden Sie das Lösungswort und Ihre Adresse in einem E-Mail an [email protected] oder auf einer Postkarte an:

Schweizerisches Rotes KreuzMagazin «Humanité»postfach, 3001 Bern

Einsendeschluss: 16. Juli 2012

Sudoku

Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3 x 3-Blöcke nur einmal vorkommen.

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gEWInnEn

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Teilnahmebedingungen für den Wettbewerb: Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Über den Wettbewerb wird keine Korrespon-denz geführt. Die Barauszahlung und der Rechtsweg sind ausgeschlossen.

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Page 32: Magazin Humanité 2/2012: Der Weg zum Mutterglück

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