Mangelernährung in der Onkologie
Dr. med. Oliver MarschalInternist, Medikamentöse Tumortherapie, Ernährungsmedizin und Palliativmedizin
Ärztlicher Leiter des SAPV-Team Braunschweigund der Onkologischen Trainings-Therapie BS
Selbstständig in eigener PraxisMitglied Arbeitsgruppe Stoffwechsel, Ernährung undBewegung der DGHOBeratertätigkeit für Expertengruppe SIRT und BaxterVortragstätigkeit für Baxter, Braun, Pfizer, Hexal und EONSKeine sonstigen finanziellen Zuwendungen
Darlegung von Interessenskonflikten
‚Die meisten chronisch Kranken sind mager und reduziert, keine muskelstarken Individuen, deren Eiweißstand auf stets gleicher Höhe zu erhalten ist.‘‚...fehlt es bei der Ernährung des kranken Menschen, welche eine der obersten Pflichten des Arztes ist,... noch an Planmäßigkeit und Klarheit.‘
G.Klemperer (1891)
‚Heute Nachmittag habe ich entschieden ein PET machen zu lassen. …radioaktive Substanz...Und die ist mit Traubenzucker angereichert,… und …wo ein Tumor ist, ist mehr…zu sehen, weil ein Tumor viel verbrennt.Deshalb nehmen Menschen auch ab, wenn sie Krebs haben.‘
Christoph Schlingensief (2010)
Schlingensief: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! ISBN-13: 9783462041118
Ernährungsmediziner - Vokabular
• Krankheitsspezifische Mangelernährung1
BMI < 18.5 kg/m oder Gewichtsverlust > 10 % / 3-6 MonateoderBMI < 20 kg/m2 und Gewichtsverlust > 5 % / 3-6 Monate
• Kachexie1
ist ein multifaktorielles Syndrom charakterisiert durch ungewollten Gewichtsverlust, Muskelatrophie, Müdigkeit, Schwäche und einem signifikanten Verlust an Appetit bei Koexistenz einer geringen- bis mittelgradigen Inflammation
• Sarkopenie2
ist ein Syndrom, das charakterisiert ist durch einen progredienten und generalisierten Verlust an Skelettmuskelmasse und Muskelkraft mit dem Risiko eines ungünstigen Outcomes
1Valentini L et al Akt Ernährungsmedizin 2013, 2Cruz-Jentoft AJ et al. Age & Aging 2010, 39: 412-423
Ernährungssituation heute
• 30-50 % der Patienten weisen bei Diagnosestellung Mangelernährungszeichen auf (Bachmann,J Gastrointest Surg. 2008)
• 80% der Tumorpatienten im Spätstadium leiden am Anorexie-Kachexie-Syndrom (Uomo, JOP 2006)
• Bei onkologischem Erstkontakt geben 64% der Patienten (N= 1952) einen Gewichtsverlust an ( Muscaritoli , 2017, Vol. 8, (No. 45), pp: 79884-79896)
• Ärzte schätzen Häufigkeit von Mangelernährung höher, deren Folgen aber geringer als Betroffene ein (Gyan et al, JPEN J Parenter Enteral Nutr. 2018 Jan;42(1):255-260)
• In eigener Praxis 35% Mangelernährte bei Leberfiliae, 25% Mangelernährte über alle Tumor-Entitäten, 35% aller GI-Tumorpatienten ( eigene Daten aus 2017, Eingangsscreening NRS)
• Ca. 50.000 Tumorpatienten sterben pro Jahr in D an Mangelernährung (Ceptor, Mangelernährung in D 2007, ISBN 987-3-00-022678-6)
0
10
20
30
40
50
60
70
80
0 50 100 150 200 250 300 350 400
% v
on m
ange
lern
ährt
enPa
tient
en
Patientenanzahl
Pankreas 67%
Niere/Blase 52%
Ösophagus/Magen 60%
Ovar/Uterus 41%
Prostata 14%
Lunge 45%
Kolon/Rektum 39%
Andere 29%Brust 21%
Kopf/Hals 49%
Hämatologie 34%
N=1903
Prävalenz von Mangelernährung bei verschiedenen Tumorentitäten
Hebuterne X, et al. Prevalence of Malnutrition and Current Use of Nutrition Support in Patients With CancerJPEN J Parenter Enteral Nutr. 2014;38:196-204.
Kachexie und ihr Verlauf
Fearon,K. et all; Lancet Oncol. 2011 May;12(5):489-95. Epub 2011 Feb 4
inadäquate NährstoffzufuhrStörungen der Nährsstoffdigestion u.-
absorption
Anorexie
ÜbelkeitErbrechen
Frühe Sättigung
Fieber Geschmacks-veränderungDiarrhoen psychischer
Stress
verändertes humorales und metabolisches MilieuVerlust an metabolischer Effizienz
Hormone Zytokine(TNFa, Il-1,6,8,12,IFN,UCP-2, NFkappaB)
TUMORKACHEXIE
Chemo-/Strahlentherapie
Soziale Faktoren
Tumore & Tumorstoffwechsel
operative Eingriffe, Resektionen
Neurotransmitter (Serotonin, Leptin, Grehlin) Glykoproteine
PIF & LMF
InflammationImmunreaktion (CRP)
Sarkopenie +/- Myosteatosis
Körperliche Schonung
Posthospital-Syndrom
Netzwerk der Tumorkachexie, die sozio-metabolische Krise
Hormone
Neurotransmitter (Serotonin, Leptin, Grehlin) Glykoproteine
PIF & LMF
Veränderungen im Intermediärstoffwechsel
• Gestörter Glucosestoffwechsel durch Insulinresistenz und vermehrter Glucoseproduktion in der Leber (energieintensiv)
• Abbau von Eiweißen aus der Muskulatur, Abnahme der Proteinsynthese
• Gesteigerte Lipolyse und verminderte Lipogenese
Wozu dient der Muskelabbau ?
Kachexie kommt selten allein
• Schmerzen (80%)• Müdigkeit (90%)• Verlust Appetit & Gewicht (80%)• Übelkeit, Erbrechen (40%)• Schwere Angst (25%)• Atemnot (40%)• Verwirrung (80%)• Schwere Depression (30%)• Soziale Belastung (>50%?)• Existentielles Leid (>50%?)• Reduzierte sexuelle Aktivität
Körper(Leid)bilder
Wie gern würde ich ….an einen Strand fahren, um dort schwimmen zu gehen. Aber da ich jetzt weniger wiege als der Retriever meines Nachbarn, würde ich den ersten Brecher nicht schaffen.Jeden Tag braucht mein Körper weniger Nahrung und obwohl ich noch gern esse, esse ich zu Shins großer Verzweiflung inzwischen wie ein Spatz…..auch dieses Vergnügen also ist mir genommen, vielleicht das größte.…ich habe keine Ahnung, wie lange es dauert, bis man verhungert ist, oder ob es wehtut, aber ich fürchte mich davor, ebenso wie ich mich davor fürchte, dass meine Söhne mich so sterben sehen....ihre Mutter nur noch Haut und Knochen.Und eine absolut unerträgliche Vorstellung….., was es für Shin bedeuten würde mich so zu sehen.
Cory Taylor (2016)Sterben; Allegria-Verlag ISBN 978-3-7934-2318-8
CT-Scan Höhe LWK 3: Vergleich von drei männlichen Patienten
Kachetisch, BMI von 17 kg/m2
Übergewichtig, BMI von 25 kg/m2
Adipositas Grad II, BMI von 38 kg/m2
Skelettmuskulatur (parapinal, Psoas, Mm rectus/obliqus/transversus abdominis)Viscerales FettSubcutanes FettgewebeIntermuskuläres Fettgewebe
Wenig Fettmasseund
MuskelverlustBeide Patienten ohne Körpergewichtsdefizit abermit erheblichem Muskulaturverlust (sarcopenic-obese)
Sarcopenic obesity -Körperkomposition
Modifiziert nach Fearon K, et al. Nat Rev Clin Oncol 2013;10:90-9
Variablen:GewichtsverlustSarkopenie (CT-LWK 3)Muskelqualität (Fettgehalt)
N=1473
Körperkomposition und Überleben
Martin et al, JCO 31, no. 12 (April 2013) 1539-1547.
Sarkopenie und Prognose (1)
• Sarkopenie reduziert das 3-Jahresüberleben und die Rezidivfreiheitbei Magencarcinom (Zheng et al, Ann Surg Oncol 2017 Feb.)
• Schlechter Muskelindex ist ein negativer Prognosefaktor beim Pankreascarcinom (Delitto et al, Cancer Surgery 2016.09.038)
• Sarkopenie ist negativ verknüpft mit dem Gesamtüberleben bei lokal fortgeschrittenem Rektumcarcinom (Choi MH et al, J Cachexia Sarcopenia Muscle2018 Feb; 9(1): 53–59)
• Sarkopenie verschlechtert das OS, das erkrankungsfreie Überleben und das progressionsfreie Intervall (Shachar et al, Eur J Cancer 2016 Apr, 57; 58-67, Metaanalyse 7843 Pat)
Sarkopenie und Prognose (2)
• progressive Sarkopenie nach Diagnosestellung verschlechtert das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben bei CRC (Deng CY et al, Am J Roentgenol 2018 Mar;210(3):526-532. doi: 10.2214/AJR.17.18020. Epub 2018 Jan 24)
• Sarkopenie ist mit einer gesteigerten Therapietoxizität Grad 3-4) bei mCRC verknüpft (Nutrition and Cancer, 66:4, 583-589, DOI: 10.1080/01635581.2014.894103)
• Sarkopenie steigert postoperativ entzündliche Komplikationen bei CRC (Reisinger et al, Clin Nutr Vol 35, Issue 4, August 2016)
• Sarkopenie verschlechtert Prognose nach Leberfiliaeresektion (OS 20 vs. 49,9%, 5-J-ÜL 15 vs. 28,5% (Br J Surg., 2012 Apr;99(4):550-7. doi: 10.1002/bjs.7823. Epub 2012 Jan 13)
Therapietoleranz
Prognose
Wohlbefinden
Muskelmasse und
Funktion
Ernährungszustand
Nebenwirkungen
Therapie im Netzwerk
Awareness and Consideration of Malnutrition Among Oncologists: Insights from an Exploratory SurveyRiccardo Caccialanza, Emanuele Cereda, Carmine Pinto, Paolo Cotogni, Gabriella Farina, Cecilia Gavazzi, Chiara Gandini, Mariateresa Nardi, Vittorina Zagonel, Paolo Pedrazzoli
Caccialanza R, et al. Nutrition. 2016;32(9):1028-32.
Projekt
Ergebnis
Resume The low response rate may reflect the lack of awareness and consideration of nutritional issues among Italian oncologist.
Of the 2375 AIOM members, 135 (5.7%) participated in the survey.
…survey conducted by the Italian Society of Medical Oncology (AIOM) and the Italian Society of Artificial Nutrition and Metabolism (SINPE)…
Parenterale Ernährung –eine Analyse von GKV-Versorgungsdaten zur Versorgung von Krebserkrankten in Deutschland
Dr. med. Oliver Marschal,Braunschweig
Prof. Dr. med. Ingolf Schiefke, Leipzig
HGC GesundheitsConsult Düsseldorf und Baxter Deutschland
The study sample includesanonymised SHI claims data of approx. 70 different health insurance providers
Database • Observation window is 6 years• Basic Data of Insured Patient
− Age − Gender
• Outpatient Treatment through Contracted Physicians− Utilization (EBM Figures)− Diagnoses (ICD)
• In-Patient Treatment− DRG, Procedures (OPS),
Diagnoses (ICD)− Length of stay
• Pharmaceutical Data− ATC, PZN− DDD− Prescriber and prescriptions
• Treatment with medical devices/ medical aids, remedies
• Disability and Sick Pay• Costs (total and different cost
blocks)
SHI claims data**
*Adjusted; 24 Million Patient Files over 6 Years in total
Long
itudi
nalP
atie
nt D
ata
~ 4 million patients*= 5,5%
representative nationwide sampling
**aggregated anonymised results – no delivery and analyses of individual datasets
* The study sample consisted of claims data from the German InGef Institut (Institut für angewandte Gesundheitsforschung), which includesanonymised claims of approximately 70 different health insurance providers (of approximately 110 in Germany) and comprises the utilization of services on an anonymous patient-by-patient individual level. This research database comprises more than 4 million anonymized covered lives. The sample is representative for the German population in terms of age and gender.
Datenerhebung
Share of patients with PN / without PN per cancer indication 1
Share of patients with PN (Olive + Fish)
Share of patients without PE
Head & Neck CRC Ovarian Pancreatic Gastric
43 290 53 209153
300 1676 228 1197447
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
12% 15% 15%19% 25%
Versorgungsgrad –zu wenige werden versorgt
12% to 25% of patients received a PN between start 1st line to death, depending on cancer indicationData on file: „Versorgungsforschung zur parenteralen Ernährung in Deutschlang“ in Zusammenarbeit HGC GesundheitsConsult GmbH, 2017
Average period until death per patient with PN in days
Average period until death per patient withoutPN in days
295,7
days
472,4
days
718,8
days
209,3
days
237,7
days
376,7days
500,7days
760,1days
292,9days
355,5days
Head & Neck CRC Ovarian Pancreatic Gastric
+ 81 d
+ 29 d
+ 41 d
+ 84 d
+ 118 d
Average period until death per patient - Overview
PN total - NO PN
Schlüsselbotschaft – zu spät um wirklich nützlich zu sein
PN seems to prolong life by about 70 days compared to patients without PN
103,6days
97,3days
91,1days
107,1days
119,3days
Average period from start PN until death (olive)
Data on file: „Versorgungsforschung zur parenteralen Ernährung in Deutschlang“ in Zusammenarbeit HGC GesundheitsConsult GmbH, 2017
45%52%
47%54%
71%
40%
27%21% 21%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
PN total PN olive No PN
Share of patients with cachexia
5% 5%
11% 11%
16%
8%
12%15%
19%
15%
25%
16%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
Share of patients with PN
Patients with PN independet…Patients with PN Stage IIIb/IV
Independent of the stage stadium (but in palliative setting) in total only 8% of all died cancer patients receive a parenteral nutrition
The patients with defined Stage IIIb/IV receive in total up to 16% (twice as high)
Up to 50% Cachexia is diagnosed but the cancer patients don‘t receive a PN
Other options: Even enteral fed patients are not sufficiently treated in terms of calorie supply
It seems to be a significant lack of cancer care in Germany
Diagnose Kachexie –aber keine adäquate Reaktion
Data on file: „Versorgungsforschung zur parenteralen Ernährung in Deutschlang“ in Zusammenarbeit HGC GesundheitsConsult GmbH, 2017
Aber….leiderinternational in guter Gesellschaft
Hebuterne X, et al. JPEN J Parenter Enteral Nutr. 2014;38:196-204.
Wie stellen wir Mangelernährung in der Praxis oder Klinik fest?
• Strukturiertes Screening durch geschultes Personal• Gewichtsanamnese ab Beginn der Erkrankung, nicht erst bei
Aufnahme in Klinik/Praxis!• Regelmäßige Gewichtskontrollen, nicht nur Fremdangabe!• Laborwertkontrollen (CRP, Albumin, Phosphat)• Fremdanamnese (Partner, Familie)• Aktive Gespräche über Essen und Trinken
Eine Auswahl an Screening-Methoden
• Mini Nutritional Assessment• Subjective Global Assessment• Sog. Kondrup-Score für stationär und ambulant
Caccialanza R, et al. Nutrition. 2016;32(9):1028-32.
Kondrup-Score
Risikokonstellationen
• Stationärer Aufenthalt mit Immobilisierung• Diagnostische Interventionen mit Nüchternheitsgebot • Fehlende Möglichkeit Mahlzeiten auf Station zu verwahren
• Große chirurgische Eingriffe• Entlassung am Wochenende ohne häusliche Angehörige
Muskelverlust –Erkennen im Alltag
Onkologische Therapien -mehr als Erbrechen und Appetitmangel
Nebenwirkungen• Übelkeit• Erbrechen• Appetitverlust• frühe Sättigung• Gewichtsverlust• Schluckstörung• Mundtrockenheit• Sarkopenie• Fatigue• Schleimhautschäden /Diarrhoe
1 Antoun S, Birdsell L, Sawyer MB et al. (2010), Clin Oncol 28, 1054–10602 Schiessel, Barracos et al, 2018, doi:10.1017/S00296651180001863 Kværner AS et al, DNA Repair (Amst). 2018 Mar;63:16-24
StoffwechselveränderungenmTor-Blockade (Muskelabbau, z.B. Sorafinib)¹Muskelatrophie durch Proteolyse(Cis-, Oxaliplatin, 5-FU, Irinotecan, Doxorubicin, weitere Antrazykline)²
DNA-Schäden bei Mangelernährung stärker³
Folgen der Mangelernährung unter Chemotherapie
• Ausgeprägtere Nebenwirkungen1
• Geringere Compliance• Häufigere Therapieunterbrechungen• Unzureichende Tumortherapie (Dosis- und Therapiedichtenreduktion)• Häufigere Infektionen• Schlechtere Lebensqualität• Eingeschränkte Prognose
1Felciano et all, Cancer; 07.09.17, DOI: 10.1002/cncr.30950
Es mangelt nicht an aktuellen Leitlinien !
Bedarf an Kalorien, Mikro- und Makronährstoffen
• Ca. 25-30 kcal/kg Körperzielgewicht• Eiweiß 1,2 – 1,5g/kg KG , bei starker Inflammation bis 2g• Fett 35-50% der Nicht-EW-Kalorien (MCT/Fisch/Olive möglicherweise
besser als Soja)• Substitution von Vitaminen und Spurenelementen nicht vergessen!
DGEM-Leitlinie Onkologie, Arends J et al. Klinische Ernährung in… Aktuel Ernahrungsmed 2015; 40: e1–e74
Möglicher Ablauf
• Screening mit einem validiertem Tool, falls positiv• Ambulant: Bescheinigung über Notwendigkeit einer
Ernährungsberatung, stationär: Kontakt zum Ernährungsteam herstellen
• Analyse der Lebenssituation des Patienten, Rat zur Aktivität im Alltag• Prognoseabschätzung: Gibt es eine reelle Aussicht auf Zuwachs an
Möglichkeiten durch Ernährungsunterstützung• Ehrliches Gespräch mit Patient und Angehörigen über Möglichkeiten
der Ernährungsunterstützung• Gemeinsame Definition von erreichbaren Zielkriterien• Bei parenteraler Ernährung:• Erarbeitung klarer Kriterien zur Beendigung der PN bereits zu Beginn
der Behandlung• Reevaluation nach 14 bis 21 Tagen (Ödembildung)
Patientenauswahl zur PE
• Patientenwille vorhanden• Karnowsky-Index >50%• Mangelernährungszeichen nach Leitlinien• Verlust an Muskelmasse• Gewichtsverlust eher durch Nebenwirkungen oder Tumorsitz (Kopf-
Hals-Tumore, Magen, Pankreas, Leberfiliae)• Intestinale (sub-) totale Stenose• Lebenserwartung >2-3 Monate
"Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Überzeugung, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.„
(Václav Havel)
Einfachster Leitfaden (nach DGEM)
Quelle: Diätverband e.V.
Therapieablauf undErstattung der Kosten
Quelle: Diätverband e.V.
Welche Kooperationsformen sind ambulant möglich ? (§299a und §299b)
• Verweis an freie Diätassistentin oder Ökotrophologin (www.vdd.de oder www.vdoe.de)
• Anstellung einer Ernährungsfachkraft in der Praxis oder Klinik• Kostenlose BIA-Messungen oder Beratung durch externe Fachkräfte in
der eigenen Praxis vermeiden (Vorteilsnahme bzw. -gewährung)
Aktuelle Leitlinien DGEM 10/13Ernährung im ambulanten Bereich
• Empfehlung 2: Bei vorliegen einer chron. Erkrankung mit erhöhtem Risiko für Mangelernährung…..frühzeitig…künstliche Ernährung…..erwogen werden
• Empfehlung 3: keine künstliche Ernährung bei Lebenserwartung < 30 Tagen, Ablehnung, fehlender Compliance oder techn. Schwierigkeiten
• Empfehlung 4: Bei Übergang aus palliativer Phase in die Sterbephase sollte eine Neudefinition der Therapieziele erfolgen
Bischoff, Arends et al, Aktuel Ernährungsmed 2013;38: 324-344
Kommentar zu Empfehlung 2
• Beispiele für HEE: Tumorkachexie, tumorbedingte Kau- und Schluckstörung…
• Beispiele für HPE: Abdominelle Tumorleiden mit Peritonealcarcinoseoder Befall abd. Gefäße mit funktionellen Störungen oder Kurzdarmsyndrom, CED und Strahlencolitis
• Auch in Situationen ohne kuratives Therapieziel!1
1Bischoff, Arends et al, Aktuel Ernährungsmed 2013;38: 324-344
Leitlinie Onkologie DGEM 2015Empfehlung 47
Auch bei unheilbar kranken Tumorpatienten sollte auf eine ausreichende Nahrungsaufnahme geachtet werden, da die Überlebenszeit auch bei diesen Patienten stärker durch eine Unterernährung als durch die Grunderkrankung eingeschränkt sein kann.(KKP; starker Konsens)
Arends. J et al, Klinische Ernährung in… Aktuel Ernaehrunggsmed 2015; 40: e1-e74
Aktuelle ESMO-Leitlinie Ösophaguscarcinom
• Independent from the body mass index, weight loss confers an increased operative risk, worsens a patient’s quality of life and is associated with poor survival in advanced disease.
• Therefore, nutritional support according to the ESPEN guidelines [10] is an integral part of the medical care for patients with oesophagealcancer in the curative and in the palliative setting [II, A].
Lordick et al, Annals of Oncology 27 (Supplement 5): v50–v57, 2016 doi:10.1093/annonc/mdw329
ICD 10-Kodierung: Das Thema muss zu den Kassen und Länder-KVen!!
• E 41 Alimentärer Marasmus• E 43 Nicht näher bezeichnete erhebliche Energie- und
Eiweißmangelernährung • E 44.- Energie- und Eiweißmangelernährung mäßigen und
leichten Grades• E 46 Nicht näher bez. Energie- und Eiweißmangel• E 64.0 Folgen der Energie- und Eiweißmangelerkrankung• R 64 Kachexie
Botschaften für den Alltag
• Achten Sie als Ärztin/Arzt auf Mangelernährungszeichen und lernen Sie Risikosituationen für Patienten zu erkennen
• Suchen Sie frühzeitig kompetente Kooperationspartner• Nenne Sie Mangelernährung und deren Konsequenzen beim Namen!
(Diagnosekodierung in der Abrechnung)• Schaffung ehrlicher und klarer Eingangs- und Ausgangskriterien• Früh agieren statt zu spät reagieren• Absolute Leitlinienkonformität !• Enterale und parenterale Ernährung bedarf immer einer medizinischen
Indikation und einer ethischen Rechtfertigung (Chemotherapie auch !?)• In der Terminalphase sollten aggressive medizinische Interventionen
unterbleiben, auch ernährungsmedizinische!!• Möglichst Kombination mit Bewegung anstreben !
„Patienten sterben nicht, weil sie nichts essen, sondern sie essen nichts, weil sie sterben“ (Sokrates/C. Saunders)
Was benötigen wir für Veränderungen?
• Respekt vor den betroffenen Menschen• Mangelernährung als gesellschaftliches Thema• Schulung der Ärzteschaft in Klinik und Praxis• Stärkere Kooperation mit ernährungsberatenden Berufen, sowohl
ambulant wie auch stationär• gesundheitspolitischen Willen, auch in der Selbstverwaltung• Regressschutz für Niedergelassene bei Therapie eines existenziellen
menschlichen Grundbedürfnisses (Leitlinientreue!)
KEEPCALM
AND
CALL A DIETITIAN
Solstrand-Hotel, Norwegen (eigenes Bild)
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!