Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer –
Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Schriftliche Hausarbeit:
Fachwissenschaftliche Prüfung des Ersten Staatsexamens für das Lehramt an Gymnasien
Prüfungsfach: Geographie Prüfer: Prof. Horst Sterr
Verfasser: Thomas Reith Samwerstr. 3 24118 Kiel 0431/ 8886181 [email protected]
Erklärung: Hiermit erkläre ich, dass ich diese Arbeit eigenständig verfasst und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Kiel, den 15.01.2004 Thomas Reith
I
Kluger Herren kühne Knechte Gruben Gräben, dämmten ein,
Schmälerten des Meeres Rechte, Herrn an seiner Statt zu sein.
(Goethe, Faust II)
Für Maria.
II
Inhaltsverzeichnis
1 Problemstellung, Zielsetzung und Vorgehen .......................................................................................1
EXKURS: Sozial-ökologische Forschung ...............................................................................................4
2 Gesellschaftliche Naturverhältnisse .....................................................................................................6
2.1 Kritische Theorie und Nicht-Identität der Natur ....................................................................6
2.2 Regulation der Naturverhältnisse im Bereich der Biodiversität und die Übertragung
auf das Themenfeld „Wattenmeer“ ........................................................................................9
2.2.1 Vorbemerkung ....................................................................................................9
2.2.2 Externe Problemkonstitution ............................................................................10
2.2.3 Materiell-stoffliche Abhängigkeiten .................................................................10
2.2.4 Management der Natur .....................................................................................12
2.2.5 Spannungsverhältnis von lokalem und globalem Wissen ................................15
2.2.6 Ökonomisches und wissenschaftliches Interesse am Schutz der Natur ............16
2.2.7 Schutzgebiete ....................................................................................................21
2.2.8 Biopolitik im Postfordismus .............................................................................24
2.2.9 Zwischenfazit ....................................................................................................25
3 Mensch-Umwelt-Dynamik – Kopplungen zwischen Natur und Gesellschaft ...................................26
3.1 Vorbemerkung .....................................................................................................................26
3.2 Kopplungen als analytisches Schema ..................................................................................27
3.3 Anwendung auf den Bereich der Wasserwirtschaft .............................................................28
4 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer und ihre Indikation .......................................................35
4.1 Vorbemerkung .....................................................................................................................35
4.2 Wattenmeer ..........................................................................................................................36
4.3 Küstenschutz in der Wattenmeerregion ...............................................................................37
EXKURS: Indikatoren .......................................................................................................................40
4.4 Vorannahmen für den hybriden Bereich ‚Küstenschutz’ .....................................................42
4.5 Koppelungen zwischen Küstenschutz und Gesellschaft bzw. Natur ...................................44
4.5.1.1 Gesellschaftliche Funktion des Küstenschutzes ............................................46
4.5.1.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Gesellschaftliche Funktion ........49
4.5.2.1 Finanzielle Beziehung zwischen Küstenschutz und Gesellschaft .................51
III
4.5.2.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Finanzielle Beziehung ..............56
4.5.3.1 Politische Regulation des Küstenschutzes .....................................................56
4.5.3.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Politische Regulation ................58
4.5.4.1 Öffentliche Perzeption des Küstenschutzes ...................................................60
4.5.4.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Öffentliche Perzeption ..............62
4.5.5.1 Landseitige Auswirkungen der Küstenschutzmaßnahmen auf den
Energie- und Stoffhaushalt .............................................................................63
4.5.5.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Landseitige Auswirkungen der
Küstenschutzmaßnahmen ..............................................................................64
4.5.6.1 Seeseitige Auswirkungen der Küstenschutzmaßnahmen auf den Energie-
und Stoffhaushalt ............................................................................................66
4.5.6.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Seeseitige Auswirkungen der
Küstenschutzmaßnahmen ..............................................................................71
4.6 Zusammenfassung: Indikatoren für die Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer ............74
5 Schlussbetrachtung ............................................................................................................................77
6 Literaturverzeichnis ...........................................................................................................................83
IV
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis A.) Tabellen:
Tab. 1: Einstufung schutzbedürftiger Räume, Räume besonderer sozio-ökonomischer
Bedeutung und besonderer Belastung. .......................................................................14
Tab. 2: Wirtschaftliche Bedeutung der nationalparkbezogenen Wirtschaftszweige –
Wertschöpfung (Schleswig-Holstein). ........................................................................20
Tab. 3: Herkunft und Verteilung tourismusbedingter Umsätze (in Mio. DM und
Prozent) für Schleswig-Holstein. ................................................................................20
Tab. 4: Zusammenstellung der die Nordsee betreffenden Meeresschutzkonventionen. ..........25
Tab. 5: Indikatoren für starke Koppelungskonstellation zwischen Wasserversorgung
und Gesellschaft bzw. Natur. ......................................................................................32
Tab. 6: Küstenschutzmaßnahmen in Deutschland. .................................................................39
Tab. 7: Aspekte der Kopplungskonstellationen zwischen Küstenschutz und
Gesellschaft bzw. Natur. ........................................................................................45/46
Tab. 8: Kennzahlen der Marschenregion in Schleswig-Holstein (unterhalb von
NN +5 m). ...................................................................................................................48
Tab. 9: Durch Landesschutzdeiche an der Westküste und der Elbe geschützte
Flächen sowie deren Einwohner und dort vorhandener Sachwerte. ...........................50
Tab. 10: Bundesmittel für den Küstenschutz im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe
‚Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes’ (einschließlich
Zukunftsinvestitionsprogramm 1977 bis 1980) in Mio. Euro. .................................52
Tab. 11: Finanzielle Aufwendungen einzelner europäischer Behörden für das
Küstenmanagement. ..................................................................................................60
Tab. 12: Befragung der Küstenbewohner: „Was sind für Sie mögliche Gefahren oder
Bedrohungen dieser Region?“. .................................................................................62
Tab. 13: Gesamtfläche der drei Salzwiesentypen an der schleswig-holsteinischen
Westküste und im Nationalpark (in Hektar). ...........................................................65
Tab. 14: Deichlänge entlang schleswig-holsteinischer Flüsse (in km). ..................................66
Tab. 15: Tidekennwerte und mittlere Sedimenthöhen für das Tidebecken Piep
(1937-1991). .............................................................................................................73
Tab. 16: Tidekennwerte und mittlere Sedimenthöhen für das Tidebecken Norderhever-
Heverstrom (1936-1990). ..........................................................................................73
V
Tab. 17: Tidekennwerte und mittlere Sedimenthöhen für das Tidebecken Hoogeloch
(1936-1992). .............................................................................................................73
Tab. 18: Indikatoren für die Kopplungskonstellationen zwischen Küstenschutz und
Gesellschaft bzw. Natur. ......................................................................................75/76
Tab. 19: Übersicht über die (regionale) Verfügbarkeit von Daten für die angegebenen
Indikatoren (+ = Daten waren für diesen Staat/ Bundesland verfügbar; - = Daten
waren für diesen Staat/ Bundesland nicht verfügbar). .............................................81
B.) Abbildungen:
Abb. 1: Kooperations- und Schutzgebiet im Wattenmeer laut Trilateralem Watten-
meerplan. ....................................................................................................................23
Abb. 2: Landschaftliche Gliederung des Wattenmeeres. ........................................................36
Abb. 3: Planungsgebiet Küstenschutz nach Generalplan Küstenschutz
(Schleswig-Holstein). .................................................................................................38
Abb. 4: Schema: Küstenschutz als hybrider Bereich zwischen Gesellschaft und Natur. .......44
Abb. 5: Potentiell sturmflutgefährdete Gebiete in Schleswig-Holstein. .................................47
Abb. 6: Sturmflutwehr in der Oosterschelde. ..........................................................................49
Abb. 7: Übersicht über die investiven Ausgaben seit 1986, aufgeschlüsselt nach
Arten von Küstenschutzmaßnahmen. .........................................................................53
Abb. 8: Auszug aus dem Landeswassergesetz (Schleswig-Holstein). ....................................59
Abb. 9: Mögliche Fragestellung, um „Akzeptanz des Küstenschutzes in der
Bevölkerung“ zu messen. ...........................................................................................63
Abb. 10: Anteilige Nutzung der Vorlandsalzwiesen an der Festlandsküste durch
Schafbeweidung in den Jahren 1989 bis 1998. .........................................................65
Abb. 11: Bruun-Rule (nach Bruun 1962). ...............................................................................68
Abb. 12: Berechnung des Küstenrückganges nach BRUUN. .................................................68
Abb. 13: Vorausberechnete Verlagerung einer Insel im Wattenmeer bei Erhöhung
des Meeresspiegels um einen Meter. Die ursprüngliche Insel (durchge-
zogene Linie) wird zum Festland hin verlagert (gestrichelte Linie). .......................70
Abb. 14: Der zukünftige weltweite Anstieg des Meeresspiegels 1990-2100 nach
sechs beispielhaften Szenarien (SRES). ...................................................................71
1 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
1 Problemstellung, Zielsetzung und Vorgehen
Das Wattenmeer stellt ein wichtiges marines Ökosystem dar, dessen ökologischer Zustand im
Interesse aller Anliegerstaaten steht. Darüber hinaus bietet das Wattenmeer aber auch eine
Reihe von ökonomischen Nutzungsmöglichkeiten, die in der Diskussion über diesen
Naturraum einen mindestens ebenso großen Stellenwert einnehmen. Neben der Fischerei
seien hier vor allem die zunehmende Bedeutung von Windenergieanlagen im Küsten- und
Offshore-Bereich sowie der Tourismus, die Schifffahrt oder die Gewinnung von
Bodenschätzen (Kiese, Sande, aber auch Erdöl) erwähnt. All diese Nutzungsansprüche stehen
in einem scheinbar unausweichlichen Konflikt zu dem gesellschaftlich anerkannten Ziel der
Erhaltung des Wattenmeeres als ökologisches Gefüge, aber auch als Erholungs- und
Lebensraum für den Menschen1.
Diese Nutzungskonflikte kennzeichnen die Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer. Sie
werden daher in dieser Arbeit im Sinne der sozial-ökologischen Forschung als
‚Transformation’, also als strukturverändernder Prozess zwischen Mensch und Umwelt,
verstanden. Nutzungskonflikte sind damit ein Kennzeichen für sogenannte gesellschaftliche
Naturverhältnisse, also das Verhältnis der Gesellschaft zur Natur.
Die Frage, wie die Gesellschaft im Bereich des Wattenmeeres die Regulation ihrer
Naturverhältnisse gestaltet, soll im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen. Zentral ist hierbei die
Erkenntnis, dass der Einfluss menschlichen Handelns auf die Natur zunehmend deutlichere
Auswirkungen hat. Neben globalen Effekten wie z.B. dem anthropogen verursachten
Klimawandel zählen auch Veränderungen regionaler Ökosysteme wie dem Wattenmeer zu
diesen Auswirkungen. Bisher sind bei der Analyse solcher Wirkungszusammenhänge
zwischen Gesellschaft und Natur vor allem disziplinär geprägte (in der Regel
naturwissenschaftliche) Sichtweisen dominierend gewesen, in denen natürliche Systeme
isoliert von der Anthroposphäre und Einflüsse gesellschaftlichen Handelns nur als externe
Störungen betrachtet wurden.2 Diese isolierte Betrachtungsweise soll in dieser Arbeit bei der
Untersuchung der Dynamik zwischen Gesellschaft und Natur nicht verfolgt werden.
Stattdessen soll die Kopplung zwischen natürlichem System und Gesellschaft aufgezeigt
werden.
Dazu müssen die im Wattenmeer ablaufenden sozial-ökologischen Transformationen
dargestellt und eine Möglichkeit gegeben werden, diese zu identifizieren. Dies kann nur über 1 Zur Beurteilung der Bevölkerung der Wattenmeerregion über das Spannungsverhältnis von Ökologie und wirtschaftlichem Nutzen vergl. WWF Deutschland (Hrsg.) 2001.
2 Zur Problematik rein naturwissenschaftlicher Betrachtungsweisen solcher sozial-ökologischen Problemlagen vergl. LOTZ (2002).
2 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
geeignete Indikatoren erfolgen, welche kennzeichnend für die jeweiligen (ökologischen wie
sozio-ökonomischen) Prozesse sind.
Dabei wird vor allem die Rolle des Küstenschutzes näher betrachtet: Inwieweit kann der
Küstenschutz als eine vermittelnde Kategorie begriffen werden, welche zwischen den Sphären
Natur und Gesellschaft steht und auf diese Weise als Ausgangspunkt zur Analyse sozial-
ökologischer Transformationen dient? Und mit Hilfe welcher ökologischen und sozio-
ökonomischen Indikatoren kann diese Dynamik zwischen Mensch und Umwelt hinreichend
erfasst werden?
Die Mensch-Umwelt-Dynamik wird hierbei im Sinne der sozial-ökologischen Forschung
verstanden. Die Sozialökologie ist „darauf gerichtet, die Erkenntnisse der
naturwissenschaftlichen und der sozialwissenschaftlichen Umweltforschung sowohl
problembezogen miteinander zu verknüpfen als auch theoretisch zu integrieren“ (Balzer/
Wächter 2002, S. VIII).
Räumlich soll sich diese Arbeit auf die Nordsee und hier insbesondere auf das Wattenmeer
konzentrieren, welches von Esbjerg in Dänemark über den gesamten deutschen
Nordseeküstenraum bis nach Texel in den Niederlanden reicht.3
Die Gliederung folgt dabei drei wesentlichen Schritten, die hier kurz skizziert werden:
Im ersten Schritt erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Konzept der Regulation der
Naturverhältnisse von GÖRG (2003a). Er entwickelt ausgehend von der Kritischen Theorie und
der Regulationstheorie den Rahmen einer kritischen Theorie der ökologischen Krise. Neben
den theoretischen Ausführungen analysiert GÖRG in seiner Arbeit den Bereich der Global
Governance in Bezug auf die Ökologiethematik und zeigt zuletzt am Beispiel der
Biodiversität auf, wie die gesellschaftliche Regulation der Naturverhältnisse abläuft und wo
hierbei die wesentlichen Probleme und Paradoxien auftreten. Der Ansatz von GÖRG soll in der
Arbeit dargestellt werden, bevor im Anschluss die Ausführungen zum Themenbereich der
Biodiversität in Bezug auf das Ökosystem Wattenmeer übertragen werden. Die zentrale
Fragestellung wird hier lauten, wie die gesellschaftliche Regulation der Naturverhältnisse in
diesem Lebensraum erfolgen kann bzw. erfolgt. Dabei soll vor allem das Spannungsverhältnis
von „Natur“ und „Gesellschaft“ aufgezeigt werden, ebenso wie Ansätze, wie dieses aufgelöst
werden kann.
Im zweiten Schritt der Arbeit soll das Konzept von BECKER und SCHRAMM (2001) („Zur
Modellierbarkeit sozial-ökologischer Transformationen“) adaptiert werden. Hierbei handelt es
3 Zur näheren geographischen Abgrenzung des Nordseeraumes und auch des Wattenmeeres vergl. STERR (2003).
3 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
sich um den Versuch einer Operationalisierung des Konzeptes der gesellschaftlichen
Naturverhältnisse. Angelehnt an das physikalische Prinzip der „starken Kopplung“ versuchen
BECKER/ SCHRAMM am Beispiel des Versorgungssystems ‚Wasserversorgung’ aufzuzeigen,
dass ‚Gesellschaft’ und ‚Natur’ ‚stark gekoppelt’ sind. Auch hier soll zunächst der Ansatz
vorgestellt und dann versucht werden, ihn auf das Themenfeld Wattenmeer zu übertragen.
Dies geschieht vor allem im dritten Teil der Arbeit. Während bei BECKER/ SCHRAMM die
Wasserversorgung als ‚vermittelndes Element’, oder ‚hybrider Bereich’ zwischen
‚Gesellschaft’ und ‚Natur’ steht, erfolgt der Versuch, den Küstenschutz (bzw.
Küstenschutzmaßnahmen) als Schnittstelle zwischen beiden zu etablieren. Im Folgenden soll
die Kategorie der ‚Schnittstelle’ Küstenschutz sowohl in ökologischer als auch in
gesellschaftlicher Hinsicht überprüft werden. Für jeden dieser Aspekte wird (werden) im
Anschluss ein (oder mehrere) Indikator(en) gefunden, der die Kopplung von Natur und
Gesellschaft in diesem Zusammenhang beispielhaft verdeutlichen kann.
Dieses Vorgehen soll es letztlich ermöglichen, ein tieferes Verständnis für die komplexen
Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Umwelt im Küstenraum zu erreichen. Dazu
dient vor allem die integrierte, interdisziplinäre Betrachtungsweise der sozial-ökologischen
Transformationen, bei der sowohl naturwissenschaftliche als auch sozialwissenschaftliche
Interpretationen verbunden werden. Gerade hier liegt die Problematik bisheriger Konzepte
und Operationalisierungen von sozial-ökologischen Transformationen, die meistens von einer
strikten Trennung der Sphären ‚Natur’ und ‚Gesellschaft’ ausgehen.4 Dies wird auch zu einem
realistischeren, weil umfassenderen, Verständnis von IKZM (Integriertes
Küstenzonenmanagement) führen.
Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Indikatoren, die vorgestellt werden sollen, um die
Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer zu kennzeichnen, der gleichen Problematik
unterliegen wie alle gängigen Indikatoren auch. Sie enthalten immer auch eine normative
Komponente, da mit den zu erhebenden Merkmaleigenschaften (z.B.
Schadstoffkonzentration) immer auch ein Verständnis von Zusammenhängen vorausgesetzt
wird, welches mit Werturteilen verbunden ist. Indikatoren sind also niemals wertfrei, da mit
4 Einen guten und umfangreichen Überblick über andere sozial-ökologische Konzepte und Operationalisierungen liefert SIMON (2002). Unter anderem geht er auf die Konzepte von MEADOWS, STERN, HASSELMANN, SIEFERLE, METZNER u.a. ein. Allerdings gehen alle diese Ansätze von der „Separierbarkeit zweier Sphären – die der Natur oder Umwelt auf der einen Seite, und die der Gesellschaft oder Anthroposphäre auf der anderen –“ (Simon 2002, S. 48.) aus. Gerade in dieser Hinsicht hebt sich der Ansatz von BECKER /SCHRAMM ab, da hier die – auch von GÖRG geforderte – integrierte Betrachtungsweise von Gesellschaft und Natur als miteinander vermittelt, verfolgt wird.
4 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
ihnen immer eine implizite Bewertung über den zu untersuchenden Sachverhalt verbunden
ist.5
EXKURS: Sozial-ökologische Forschung
An dieser Stelle erfolgt ein Exkurs über die Entwicklung und die inhaltliche Ausrichtung der
sozial-ökologischen Forschung. Dies ist notwendig, da die Mensch-Umwelt-Dynamik – wie
erläutert – im Sinne dieser Forschungsrichtung verstanden werden soll. Darüber hinaus
müssen auch die Ausführungen GÖRGs, die als theoretische Grundlage dieser Arbeit dienen,
ebenfalls in dieser Tradition verstanden werden.
In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegebenen
Gutachten, welches das ‚Rahmenkonzept Sozial-ökologischer Forschung’ darstellen soll,
wird Soziale Ökologie folgender Maßen definiert: „Soziale Ökologie ist die Wissenschaft von den Beziehungen der Menschen zu ihrer jeweiligen natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt. In der sozial-ökologischen Forschung werden die Formen und Gestaltungsmöglichkeiten dieser Beziehungen in einer disziplinübergreifenden Perspektive untersucht. Ziel der Forschung ist es, Wissen für gesellschaftliche Handlungskonzepte zu generieren, um die zukünftige Reproduktions- und Entwicklungsfähigkeit der Gesellschaft und ihrer natürlichen Lebensgrundlagen sichern zu können.“ (Becker et al. 1999, S. 13)
Die Entstehungsgeschichte der sozial-ökologischen Forschung reicht bis in die 1970er Jahre
zurück. Sie geht auf die Kritik an der einseitigen, naturwissenschaftlichen Ausrichtung der
Umweltforschung auf wissenschaftlicher und politischer Ebene zurück. Vor allem der Glaube
an die Beherrschbarkeit und Behebung von Umweltproblemen durch technische
Lösungsansätze und die nur sektorale Herangehensweise an solche Probleme wurden als
Symptombekämpfung kritisiert, welche die komplexen Wechselbeziehungen zwischen Natur
und Gesellschaft nicht erfassen könne. BECK formulierte dies in seinem Werk
‚Risikogesellschaft’ folgender Maßen: „Dabei bleibt unerkannt, daß den naturwissenschaftlichen ‚Verelendungsformeln’ eine soziale, kulturelle und politische Bedeutung innewohnt. Entsprechend besteht die Gefahr, dass eine in chemisch-biologisch-technischen Kategorien geführte Umweltdiskussion ungewollt den Menschen ihrerseits nur noch als organische Apparatur ins Blickfeld rückt. Damit droht ihr jedoch der Gegenfehler zu dem Fehler zu unterlaufen, den sie mit Recht dem lange Zeit vorherrschenden industriellen Fortschrittsoptimismus vorgehalten hat: zu einer Naturdiskussion ohne Mensch, ohne die Frage nach der sozialen und kulturellen Bedeutung zu verkümmern.“ (Beck 1986, S. 31f.)
5 Im Falle des Beispiels ‚Schadstoffkonzentration des Stoffes X’ wäre die implizite Aussage, dass ein Nachweis dieses Stoffes in einer bestimmen Konzentration schädlich/ unschädlich für das Ökosystem ist. Wie das Messergebnis, also die Merkmalsausprägung letztlich bewertet wird, ist nicht festgelegt, sondern kann variieren.
5 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
So gründete sich in den 1970er Jahren eine Reihe von unabhängigen
Umweltforschungsinstituten, die unter Einbeziehung von sozialwissenschaftlichen Ansätzen
die ökologische Krise als gesamtgesellschaftliches Problem thematisierten. In den 1980er
Jahren fokussierten diese Institute vor allem auf das Konzept der Sozialen Ökologie, bevor in
den 1990er Jahren auch von politischer Seite aus die traditionelle Umweltforschung in die
Kritik geriet. So stellten der Wissenschaftsrat (1994) und der Wissenschaftliche Beirat
Globale Umweltveränderungen (1996) fest, dass bei der Lösung von Umweltproblemen die
Erkenntnisse der Sozial-, Wirtschafts- und Kulturwissenschaften mit berücksichtigt werden
müssten. Nach dem Regierungswechsel 1998 beauftragte die Bundesregierung aus SPD und
Bündnis 90/ Die Grünen das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt6,
das bereits zitierte Gutachten zu erstellen, in welchem die Ziele und Inhalte sowie die
notwendigen Instrumente und Organisationsformen dargestellt werden sollen. (vergl. Balzer/
Wächter 2002, S. 1f.)
Sozial-ökologische Forschung basiert auf fünf wesentlichen Charakteristiken:
1. der normativen Dimension von Wissenschaft,
2. dem Konzept der Gesellschaftlichen Naturverhältnisse,
3. dem Alltagshandeln,
4. institutionellen Innovationen und
5. der zeitlichen und räumlichen Dimension. (vergl. Balzer/ Wächter 2002, S. 3)
Zu 1.: Die sozial-ökologische Forschung beschäftigt sich bewusst mit normativen Aspekten
innerhalb der Wissenschaft und setzt sich selbst zum Ziel, an der Erarbeitung normativer
Konzepte mit zu wirken. Zu nennen wäre hier die Diskussion um den Begriff Nachhaltigkeit,
welcher selbst ein normatives, gesellschaftliches Konzept darstellt. Diese Forschungsrichtung
ändert damit auch das Selbstverständnis von Wissenschaft, da sie sich nicht mehr wie bisher
darauf beschränkt, objektive Fakten zu liefern, während die Gesellschaft den normativen
Rahmen für die Anwendung dieser Fakten liefert.
Zu 2.: Zielsetzung der sozial-ökologischen Forschung ist es, dualistische und dichotome
Denkstrukturen aufzubrechen. Vor allem die strikte Trennung von Mensch auf der einen und
Natur auf der anderen Seite soll durchbrochen werden. Damit wird die Natur nicht mehr wie
bisher in der Umweltforschung als quantifizierbare Ressource betrachtet, sondern sie wird
vielmehr im Hinblick auf gesellschaftliche Interessen, Handlungen und Wahrnehmungsmuster
reflektiert. An dieser Stelle setzt auch der Ansatz von GÖRG an, der – wie noch gezeigt wird –
6 Überblick für Tätigkeits- und Forschungsfelder des ISOE im Internet unter http://www.isoe.de.
6 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
mit Hilfe der Kritischen Theorie und dem Konzept der Nicht-Identität der Natur versucht,
eine Auflösung des scheinbaren Gegensatzpaares Mensch-Natur zu erreichen.
Zu 3.: Eine weitere Zielsetzung der sozial-ökologischen Forschung besteht darin,
wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis des täglichen Handelns zu überführen. Zudem
werden Mechanismen, Strukturen und Wissensbestände des Alltagshandelns in die
Konzeption und Bearbeitung von Forschungsfragen integriert.
Zu 4.: Die sozial-ökologische Forschung ist darum bemüht, institutionelle Strukturen
aufzuzeigen, die nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsformen zuwiderlaufen. Dabei werden
auch Szenarien und Modelle entwickelt, wie sich die Gesellschaft entwickeln kann und es
werden die hierfür notwendigen institutionellen Strukturen aufgezeigt.
Zu 5.: Im Rahmen der sozial-ökologischen Forschung werden historische Erkenntnisse mit
Prognosen verbunden sowie mittel- und langfristige Zeithorizonte berücksichtigt. Zudem wird
eine Einbettung lokaler und regionaler Ebenen in die globalen Rahmenbedingungen
angestrebt. Dies geschieht, um sogenannte ‚Insellösungen’, also die isolierte Betrachtung
einzelner (Teil-)Probleme, zu vermeiden. (vergl. Balzer/ Wächter 2002, S. 3)
Insgesamt lässt sich festhalten, dass – anders als in den bisher gängigen Naturvorstellungen –
aus Sicht der sozial-ökologischen Forschung eine strikte Trennung von Gesellschaft/ Mensch
und Natur nicht haltbar ist. Im Gegenteil: Beide sind eng miteinander verflochten und
verweisen aufeinander. „Gesellschaften werden in ihren Reaktionsweisen und Entwicklungsmöglichkeiten durch ‚die Natur’ nicht eindeutig festgelegt. Denn die Natur ist menschengemachte Natur. Die Naturwahrnehmung resultiert aus der gesellschaftlichen Kommunikation über die Natur; und diese ändert sich in der Geschichte und zwischen den Kulturen. Erst als ‚gesellschaftliche Natur’ rückt sie ins Interesse der Öffentlichkeit und wird bearbeitbar.“ (Oels et al. 2002, S. 111)
2 Gesellschaftliche Naturverhältnisse
2.1 Kritische Theorie und Nicht-Identität der Natur
GÖRG versucht, den theoretischen Rahmen für eine Theorie der ökologischen Krise zu
entwerfen. Seine Ausgangspunkte sind hierbei die Tradition der älteren Kritischen Theorie
und die Regulationstheorie. In seinem Buch „Regulation der Naturverhältnisse. Zu einer
kritischen Theorie der ökologischen Krise“ (Görg 2003a) beschreibt GÖRG zunächst das
scheinbare Gegensatzpaar „Gesellschaft – Natur“ aus sozialwissenschaftlicher Sicht, bevor er
eine Beschreibung der momentanen globalen Umweltpolitik leistet, die sich seiner
Auffassung nach vor allem auf die machtförmige Errichtung und Absicherung globaler
7 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
(Absatz-)märkte konzentriert. Am Beispiel der Biodiversität führt GÖRG zum Abschluss aus,
wie sich diese Prozesse in einem ganz konkreten Bereich auswirken und welche sozialen, aber
auch ökologischen Folgen damit verbunden sind.
Mit dem Begriff der gesellschaftlichen Naturverhältnisse beschreibt GÖRG den Umstand, dass
der gesellschaftliche Prozess weder bloß auf Gesellschaft noch ausschließlich auf Natur
bezogen ist, sondern dass dieser die „permanente Vermittlung beider Momente“ (Görg 2003b,
S. 120) darstellt. Natur ist demnach nur im Verhältnis zu dem zu bestimmen, von dem es
unterschieden werden soll. Naturbegriffe dagegen enthalten immer auch gesellschaftliche
Projektionen und besagen nichts über das konstitutive Verhältnis von Natur zur Gesellschaft.
Für GÖRG ist das „Eingriffs- und Transformationspotential des Menschen“ (Görg 2003a, S. 9)
in die Natur zum größten ökologischen Problem geworden. Für die Sozialwissenschaften
bedeutet die seit den 1970er Jahren immer stärker werdende ökologische Krise, „dass eine
ganze Reihe von Selbstverständlichkeiten begrifflicher und inhaltlicher Art, mit denen diese
lange Zeit gearbeitet haben, fragwürdig geworden sind und überdacht werden müssen“ (Görg
1999, S. 7). Zu nennen wären hier vor allem der Glaube an die technische Beherrschbarkeit
von natürlichen, aber auch von sozialen Prozessen, sowie die Frage nach der Abgrenzung von
Natur und Gesellschaft. Die meisten der bisher gängigen Ansätze gehen von der strikten
Trennung der Sphären ‚Natur’ und ‚Gesellschaft’ aus und lassen dabei, so GÖRG, die Tatsache
außen vor, dass diese gegenseitig vermittelt sind.
Entscheidend ist für GÖRG das Verhältnis der Gesellschaft zur Natur. Daher lautet die Frage
nicht ob, sondern wie sich Gesellschaften auf ökologische Probleme einstellen. In modernen
Gesellschaften sei die Tendenz zu einer „selektive(n) Integration der Ökologieproblematik“
(Görg 2003a, S. 12) zu beobachten. Gesellschaft und Wissenschaft hätten zwar auf die
ökologischen Probleme reagiert und hätten ökologische Fragen in ihre Selbstregulation
aufgenommen, jedoch seien sie nicht zu einer Lösung dieser Fragestellungen gekommen,
sondern versuchten, durch Formen des pragmatischen Problemmanagements mit diesen
umzugehen.
Zwar ist die politische Regulation von Umweltproblemen in der Regulation der
Naturverhältnisse enthalten, allerdings wird die Umweltpolitik immer auch von anderen,
meist ökonomisch motivierten, Prozessen beeinflusst und überlagert. (vergl. Görg 2003b, S.
115)
Aus diesem Grund fordert GÖRG die sozialtheoretische Reflexion des Verhältnisses sozialer
und nicht-sozialer, d.h. ‚natürlicher’, Prozesse. Zusammen mit der gesellschaftstheoretischen
Frage nach der Einschätzung der gesellschaftlichen Reaktionen ergebe sich daraus, wie denn
8 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
die Reproduktion von Gesellschaften im Verhältnis zur Natur zu verstehen sei – und diesen
Komplex bezeichnet GÖRG als Regulation der Naturverhältnisse. (vergl. Görg 2003a, S. 12f.)
Regulation im Sinne der Regulationstheorie bedeutet hier „nicht eine intendierte Steuerung
gesellschaftlicher Entwicklung, sondern die nicht-intendierte Stabilisierung widersprüchlicher
gesellschaftlicher Verhältnisse“ (Görg 2003b, S. 115).
„Dabei geht es nicht allein um die Abgrenzung des Sozialen von Natur, sondern ebenso sehr
um einen Gesellschaftsbegriff, der Gesellschaft als grundlegend mit Natur vermittelt
begreifen kann, ohne ihn naturalistisch zu verkürzen.“ (Görg 2003a, S. 15)
Hierzu dient GÖRG in erster Linie das Konzept der Nicht-Identität der Natur, für das er auf
ADORNO zurückgreift. Demnach geht „Natur, wiewohl immer ein kulturell-sprachliches wie
technisches Konstrukt, in seinen gesellschaftlichen Konstruktionen“(Görg 2003a, S. 45) nicht
auf, sondern bleibt immer etwas Eigenständiges. Allerdings zielt es dabei nicht auf „ein
unverrückbares ‚An-sich’ der Gegenstände [in diesem Fall der Natur], sondern auf eine
unaufhebbare Mehrdeutigkeit der Gegenstände“ (Görg 2003a, S. 46). Ausgehend von dieser
These, dass nämlich Gegenstände immer mehr sind, als sie scheinen, stellt er fest, dass das
„’Substrat des Begriffs’ (...) nicht eine bestimmte Eigenschaft oder ein An-sich des
Gegenstands (ist), sondern es sind im Erkenntnisprozess und seinen begrifflichen
Konstruktionen zum Vorschein kommende nichtidentische Momente, die ein ‚Substrat’
konstituieren“ (Görg 2003a, S. 46). Das Nicht-Identische könne demnach nicht „unabhängig
von seinen gesellschaftlichen Vermittlungen, den wissenschaftlichen Begriffen und den
kulturellen Bedeutungen“ (Görg 2003a, S. 46) sein.
„Auf den Naturbegriff bezogen heißt dies, dass Natur also nicht etwas unberührtes, nicht-
vergesellschaftetes, den gesellschaftlichen Konstruktionen vorausliegendes meinen kann.“
(Görg 2003a, S. 46) GÖRG meint damit, dass das Verständnis von Natur immer abhängig ist
von den kulturellen Interpretationen. Wie Natur – und damit auch ökologische Risiken –
wahrgenommen werden, hängt von spezifischen Symbolisierungen, sozialen Wertmustern
oder gesellschaftlichen Machtpotentialen ab, die dafür sorgen, dass auch bestimmte natürliche
Bedingungen nicht oder falsch reagiert wird. „Gegenstand der ökologischen Krise sind keine
natürlichen Katastrophen, sondern Bedrohungen und Schädigungen, die vom Menschen selbst
beeinflusst wurden und daher auch potentiell veränderbar sind.“ (Görg 2003b, S. 124) Bei der
Analyse der beiden Sphären muss berücksichtigt werden, dass es sich zwei eigenständige
Bereiche handelt, die jedoch immer miteinander vermittelt und damit voneinander abhängig
sind. Eine Analyse der Natur, welche die Vermitteltheit mit der Gesellschaft außer Acht lässt
greift demnach zu kurz.
9 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Auch BECKER, dessen Ansatz im zweiten Teil dieser Arbeit im Mittelpunkt steht, hebt hervor,
dass eine strikte Trennung von ‚Gesellschaft’ und ‚Natur’ in die Irre führt. Würde es sich
hierbei um zwei getrennte Objektbereiche handeln, die sich gegenseitig beeinflussen und
dennoch weitgehend autonom sind, so müsste es möglich sein, auf der theoretischen Ebene
Untersuchungsobjekte eindeutig als ‚gesellschaftlich’ oder ‚natürlich’ zu klassifizieren.
Soweit dies für Autobahnen (‚gesellschaftlich’) und Gebirge (‚natürlich’) noch zu leisten ist,
so treten jedoch Schwierigkeiten auf, wenn es um die Einordnung von bewirtschafteten
Wäldern oder gentechnisch produzierten Organismen geht. Diese Hybridobjekte vernetzen
auf ganz spezifische Weise die Gesellschaft mit der Natur. (vergl. Becker 2003, S. 183)
2.2 Regulation der Naturverhältnisse im Bereich der Biodiversität und die Übertragung
auf das Themenfeld „Wattenmeer“
2.2.1 Vorbemerkung
GÖRG versucht, am Beispiel der Biodiversität aufzuzeigen, wie die Regulation der
Naturverhältnisse in einem ganz konkreten Fall verläuft. An dieser Stelle sollen nun seine
Kernaussagen zum Themenkomplex „Regulation der biologischen Vielfalt“ dargestellt
werden und gleichzeitig versucht werden, die allgemeinen Aussagen über die
Regulationsweisen auf den Lebensraum Wattenmeer zu übertragen. Dabei soll nicht die
Biodiversität im Wattenmeer thematisiert werden, sondern die gesellschaftliche Regulation im
Hinblick auf dieses konkrete Ökosystem.
Für GÖRG steht zu Beginn der Diskussion um die Regulation der Biodiversität eine zentrale
Frage, die nicht ausgeblendet werden darf, wenn es darum geht, die Problematik einer
Gestaltung der Naturverhältnisse aufzuzeigen, nämlich, „was denn genau das Problem ist, wie
es für wen ein Problem geworden ist und warum dieses Problem mit welchem Mittel
anzugehen sei“ (Görg 2003a, S. 219). Er hält fest, dass Natur gerade im Zeitalter der
Globalisierung in sehr unterschiedlicher und vor allem gegensätzlicher Form vergesellschaftet
werde. Dominierend seien in diesem Zusammenhang die kapitalistischen Strukturprinzipien,
welche die ökologischen Aspekte immer wieder den ökonomischen ‚Zwängen’ unterordnen.
Im Folgenden sollen einzelne Aspekte dargestellt werden, die für GÖRG im Zusammenhang
mit der Regulation der biologischen Vielfalt problematisch sind. Zudem wird geprüft,
inwiefern eine Relevanz für den Bereich ‚Wattenmeer’ besteht.
10 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
2.2.2 Externe Problemkonstitution
GÖRG stellt fest, dass der Begriff der Biodiversität sehr heterogen ist und dass in der scientific
community keineswegs ein Konsens darüber besteht, ob ein Verlust an ‚Biodiversität’ auch zu
einem Kollaps von Ökosystemen führt. Mit biologischer Vielfalt kann sowohl die
taxonomische, die genetische als auch die ökologische Vielfalt innerhalb eines Ökosystems
gemeint sein. (vergl. Görg 2003a, S. 223) Der Grund, warum der Begriff dennoch in den
letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, liegt darin, dass er als
Begriffsneuschöpfung einen strategischen Zweck erfüllt. So gibt es eine Vielzahl von
Akteuren – Wissenschaftler, NGOs u.a. –, die sich mit biologischer Vielfalt auseinander
setzen, jedoch mit unterschiedlichen Definitionen dessen, was mit ‚biologischer Vielfalt’
gemeint ist. Der Begriff ‚Biodiversität’ bietet die notwendige Breite und Unschärfe, um alle
Aspekte biologischer Vielfalt zu vereinen. So ist es möglich, bereits vorhandene
Artenschutzabkommen im Rahmen der IUCN (The International Union for the Conservation
of Nature – The World Conservation Union) zu bündeln. Die Symbolisierungen, die mit dem
Begriff verknüpft sind, stehen somit in enger Verbindung mit den materiell-stofflichen
Dimensionen und den Interessen der verschiedenen Akteure.
Die Problemkonstitution liegt also in „externen gesellschaftlichen Bedingungen und in der
Geschichte der Durchsetzung des Begriffs“ (Görg 2003a, S. 224) begründet.
Zu fragen wäre an dieser Stelle somit, inwieweit die ‚Wattenmeerproblematik’ ebenfalls
extern konstituiert ist. Welche gesellschaftlichen Akteure haben also ein Interesse daran, dass
die ökologische Situation des Wattenmeeres thematisiert wird? Oder um es mit den Worten
GÖRGs auszudrücken: Was genau kennzeichnet die ökologische Situation im Wattenmeer als
problematisch, wie ist es für wen zu einem Problem geworden und mit welchen Mitteln kann
diesem Problem begegnet werden? Dieser Aspekt wird später Beachtung finden, wenn es
darum geht aufzuzeigen, worin sozial-ökologische Problemlagen im Wattenmeer bestehen.
2.2.3 Materiell-stoffliche Abhängigkeiten
GÖRG ist der Auffassung, dass es sich bei der Biodiversität nicht um ein globales
Allgemeingut handelt, sondern dass – auch im Hinblick auf die CBD (Convention on
Biological Diversity) – vor allem die „Wahl nationaler Entwicklungsstrategien in der Nutzung
einheimischer Ressourcen“ (Görg 2003a, S. 227) eine Rolle spielen. Zugleich sei eine
ungleiche räumliche Verteilung der Biodiversität gegeben, die umgekehrt proportional zur
ungleichen sozialen Entwicklung verläuft. Gerade in den sogenannten Entwicklungsländern
ist ein überdurchschnittliches Maß an Biodiversität zu beobachten. Am Beispiel der
11 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Auseinandersetzung um das Saatgut landwirtschaftlicher Nutzpflanzen stellt GÖRG dar, wie
komplex die Konflikte um genetische Ressourcen gestaltet sind. Er kommt dabei zu dem
Schluss, dass „materiell-stoffliche Abhängigkeiten zwischen und innerhalb von Ländern und
Ländergruppen (...) nicht einfach ‚von Natur aus’ gegeben (sind), sondern sie sind politisch
konstituiert und erst verstehbar durch Rekurs auf die hinter den politischen Strategien
stehenden Interessenlagen und deren ökonomisch-technisches Potenzial“ (Görg 2003a, S.
232).
Aus der ökonomischen Perspektive sei der Mensch letztlich abhängig von der Biodiversität –
in diesem Fall von der Möglichkeit, aus den genetischen Ressourcen von
Entwicklungsländern ertragreiches Saatgut zu züchten. Damit meint GÖRG keinen Geo- oder
Biodeterminismus, sondern er verweist auf die scheinbaren Sachzwänge im ökonomischen
Sektor. Unklar bleibt für ihn jedoch, welche Auswirkungen diese Abhängigkeiten für die
Natur auf der einen Seite und für die Gesellschaft auf der anderen Seite haben. Notwendig zur
Analyse dieser Auswirkungen ist die Klärung der Frage, „wer wovon genau abhängig ist und
warum“ (Görg 2003a, S. 232).
Für Abkommen wie die CBD bedeutet dies, dass die Regulation weniger global bzw.
multilateral erfolgt, sondern vermehrt bilateral. Dabei ist zu beachten, dass Abkommen, die
zwischen zwei Staaten (oder Staatengruppen) geschlossen werden, in besonderer Weise das
Machtverhältnis dieser beiden Staaten widerspiegeln, das heißt also, dass es zur
Benachteiligung ökonomisch schwächerer Länder kommen kann. Des Weiteren führt GÖRG
aus, dass die CBD im Vergleich zu vorherigen Abkommen unklarer in seiner Begrifflichkeit
und weniger verpflichtend geworden ist, was wiederum den ‚mächtigeren’ Staaten zugute
kommt. So wird auch kritisiert, dass die CBD weniger auf die Erhaltung der Biodiversität
zielt, sondern „immer stärker auf die nachhaltige Nutzung und (...) die Kommerzialisierung
der biologischen Vielfalt“ (Görg 2003a, S. 233).
Im Wattenmeer spielt das Machtverhältnis der angrenzenden Küstenstaaten eine weniger
entscheidende Rolle. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch für den Bereich des Schutzes
dieses Lebensraumes ein internationales, in diesem Falle trilaterales Abkommen existiert,
welches versucht, die Aktivitäten Dänemarks, Deutschlands und der Niederlande miteinander
zu koordinieren und somit effektiver zu gestalten. Doch wird auch im Trilateralen
Wattenmeerplan schon das Spannungsverhältnis zwischen Schutz auf der einen und Nutzung
auf der anderen Seite deutlich. So heißt es bereits im Vorwort der Erklärung von Stade:
„Gleichzeitig bildet die Konferenz von Stade den Ausgangspunkt für eine neue Phase in der
12 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
trilateralen Wattenmeer-Kooperation, deren Ziel es ist, Naturschutz und menschliche Nutzung
miteinander in Einklang zu bringen.“ (CWSS 1998, S. 5)
Damit ist ein Themenkomplex berührt, den GÖRG auch im Zusammenhang mit der CBD
aufwirft. Er verweist darauf, dass die CBD drei gleichberechtigte Ziele vorgibt, nämlich
erstens die Erhaltung der biologischen Vielfalt, zweitens die Nutzung dieser und drittens den
Vorteilsausgleich dieser Nutzung. (vergl. Görg 2003a, S. 234) Dies impliziert gleichzeitig,
dass der Schutz der biologischen Vielfalt die Interessen der Menschen mit berücksichtigen
muss. Hierbei handelt es sich um einen wertenden Eingriff des Menschen, der festlegt, wofür
der Schutz der Biodiversität/ Natur erfolgen soll. Problematisch ist jedoch auch die These
vom ‚intrinsischen’ Wert der Natur, da sich dann die Frage stellt, ob auch Bakterien und
Viren, die für den Menschen schädlich sind, schützenswert sind. Hier wird deutlich, dass der
Schutzgedanke immer mit einer Wertung verbunden ist, Wäre diese Wertung – und damit die
Zielsetzung des Schutzgedankens – nicht vorhanden, würde das Konzept des Naturschutzes
ad absurdum geführt, weil dann auch das natürliche Aussterben von Tier- und Pflanzenarten
verhindert werden müsste. (vergl. Görg 2003a, S. 235f.)
Die Frage, welche Interessen die Gesellschaft mit der Biodiversität – oder eben dem
Wattenmeer – bzw. deren Nutzung verbindet, berührt wiederum die Frage, wie die Regulation
der Naturverhältnisse konkret gestaltet wird. Gleiches gilt für die Festlegung, welchen Wert
die ‚Natur’ ‚an sich’ hat, wie sie also vor allem symbolisch von der Gesellschaft belegt wird. „Nicht eine Objektivierung einer bedrohten Natur wird dann angestrebt, sondern die kritische Reflexion auf die vielfältigen gesellschaftlichen Verhältnisse zur biologischen Vielfalt und die Möglichkeit einer Erfassung und Korrektur ihrer jeweiligen destruktiven Implikationen. Nicht mehr eine Gesamterfassung, sondern aussagefähige Indikatoren für die Veränderung der Biodiversität sind dann gefragt.“ (Görg 2003a, S. 236)
2.2.4 Management der Natur
GÖRG kritisiert das Bestreben der Gesellschaft, die ‚Biodiversität’ mit Hilfe eines
Ökosystemansatzes zu ‚managen’. Für diesen Ansatz, so GÖRG, lassen sich vier gegensätzliche
Grundeinsichten festhalten: Erstens wird in diesem Ansatz der Anspruch erhoben, neben den
ökologischen Fakten auch die menschliche Kultur mit zu erfassen. Zweitens ist dieser Ansatz
nur scheinbar biozentristisch ausgerichtet, da er eindeutig auf den Menschen und seine
Nutzung des jeweiligen Ökosystems abzielt. So werden Eingriffe des Menschen in die Natur
durchaus bejaht und die ökonomische Nutzung mit berücksichtigt.7 Drittens ergibt sich aus
7 Die implizite Berücksichtigung menschlicher (ökonomischer) Nutzungen findet sich auch im Konzept IKZM. So wird IKZM definiert als „dynamischer, kontinuierlicher und iterativer Prozess, durch welchen Entscheidungen für eine nachhaltige Nutzung, Entwicklung und den Schutz der Küsten einschließlich ihrer Ressourcen getroffen werden. Legt man einen weit gefassten Gesamtanspruch zugrunde, dann beinhaltet IKZM die umfassende Beschreibung und Bewertung von Küstensystemen sowie die Formulierung von
13 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
der Anerkennung der Nutzung der Biodiversität die Frage, für wen diese von Nutzen ist und
wer über die Nutzung entscheidet. Spannungsverhältnisse zwischen Nutzungsformen und
ihren gesellschaftlichen Implikationen bleiben jedoch überwiegend ausgeblendet. Letztlich
muss viertens festgehalten werden, dass der Ökosystemansatz selbst von eindeutigen Grenzen
des Managements ausgeht. (vergl. Görg 2003a, S. 237f.)
Dabei geht es bei diesem Ökosystemansatz weniger um die Anpassung der Gesellschaft an
feststehende natürliche Bedingungen, sondern um eine „aktive Veränderung im Rahmen von
Wechselwirkungen zwischen Natur und Gesellschaft. (...) Die Integration des Menschen in
den Ökosystemansatz dient nicht der Anpassung an oder gar der Unterordnung unter Natur,
sondern richtet die Analyse auf einen anthropozentrischen Standpunkt aus (...)“ (Görg 2003a,
S. 238f.). Es geht also vor allem um die Frage, welchen Nutzen das betreffende Ökosystem
für den Menschen hat. Ausgeklammert wird dabei, wie sich ein Subjekt – oder ein Akteur –
selbstreflexiv als Teil eines umfassenden Problemzusammenhanges und der ihm immanenten
Grenzen verstehen kann. GÖRG stellt in diesem Zusammenhang die Forderung auf, dass
konkrete gesellschaftliche Entwicklungen immer in ihren Reaktionen auf Ökosysteme
reflektiert werden müssen. Dies gilt sowohl für die Handlungen und Zielsetzungen der
sozialen Akteure, als auch für den Nutzen und die verschiedenen Nutzungsformen.
Im Wattenmeer wurde bereits 1986 die Ökosystemforschung initiiert, „um die notwendigen
wissenschaftlichen Grundlagen zum Schutz des Wattenmeeres zu verbessern“
(Umweltbundesamt 2002, S. 19). Auch hier wird zwar in erster Linie betont, dass der Schutz
der Umwelt Priorität genieße, jedoch wird die momentane und zukünftige Nutzung dieses
Ökosystems implizit vorausgesetzt: „Obwohl in den Nationalparken im Wattenmeer die
natürliche Entwicklung möglichst ohne menschliche Eingriffe ablaufen soll, werden Teile des
Wattenmeeres auch in Zukunft genutzt werden.“ (Umweltbundesamt 2002, S. 25)
Zur Raumcharakterisierung des Ökosystems Wattenmeer dienen neben ökologischen
Faktoren auch sozio-ökonomische Kriterien. So heißt es in einer Studie des
Umweltbundesamtes: „Räume besonderer sozio-ökonomischer Bedeutung sind Bereiche, in denen Schwerpunkte menschlicher Nutzung liegen. Die sozio-ökonomische Bedeutung von Nutzungen wächst in der Regel mit deren Intensität bzw., falls messbar, mit deren ökonomischem Wert. Sie ergibt sich aber auch aus politischen oder gesellschaftlichen Ansprüchen. Hierzu gehören z.B. Traditionen, die eng mit der Identität der Bevölkerung verknüpft oder Bestandteil des Landschaftsbildes sind.“ (Umweltbundesamt 1999, S. 18)
Zielvorstellungen und deren Umsetzung bezüglich des Schutzes und der Bewirtschaftung bzw. Verwaltung (= Management) der dort vorhandenen Ressourcen“ (Institut Raum und Energie 2001, S. 2.). [eigene Hervorhebung]
14 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Die folgende Tabelle 1 bietet einen Überblick über die Einstufung der Räume im Wattenmeer
mit besonderer ökonomischer und ökologischer Bedeutung. Zudem sind die relevanten
Nutzungsformen im Wattenmeer dargestellt.
Kompartiment
besondere Schutzbe-dürftigkeit
besondere sozio-ökono-mische
Bedeutung
besondere Belastung
Miesmuschelbänke • • • Seegraswiesen • (•) Salzwiesen • (•) • Sandkorallenriffe • Seemooswiesen • Robbenliege- und –wurfplätze • (•) (•) Mauser- und Rastgebiete • (•) Brutgebiete • (•) Supralitorale Bereiche • • • Ästuarine Bereiche • • Schweinswalgebiete • • Freizeit- und Erholungsräume • Verkehrsräume • Garnelenfischerei-Gebiete • Miesmuschelfischerei-Gebiete • Vom Küstenschutz beanspruchte Räume • Von Rohstoffnutzung beanspruchte Nutzung • Grabungsschutzgebiete • Vom Militär beanspruchte Räume • Nährstoffbelastete Räume • Schadstoffbelastete Räume • Landwirtschaftl. genutzte Flächen im NP •
Tab. 1: Einstufung schutzbedürftiger Räume, Räume besonderer sozio-ökonomischer Bedeutung und besonderer Belastung. (Zonierungsrelevante Kompartimente und Nutzungen sind ebenfalls dargestellt. Punkt = Kriterium erfüllt; (Punkt) = Kriterium in Teilgebieten oder bei einzelnen Arten erfüllt.).
verändert übernommen aus: Umweltbundesamt 1999, S. 20.
Es wird deutlich, wie groß das Spannungsverhältnis von ökologischer und sozio-
ökonomischer Bedeutung des Wattenmeers ist. Die Subsysteme des Ökosystems Wattenmeer
werden durchgängig als ‚besonders schutzbedürftig’ eingestuft, während gleichzeitig die
ökonomische Relevanz der meisten Nutzungsformen konstatiert wird. Wichtig wird an dieser
Stelle die Forderung GÖRGs nach einer Reflexion der gesellschaftlichen Interessen. Welche
15 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Auswirkungen haben die aufgelisteten Nutzungsformen für das Wattenmeer und wie groß ist
der (ökonomische) Nutzen – und für wen?
2.2.5 Spannungsverhältnis von lokalem und globalem Wissen
GÖRG geht von der These aus, dass verschiedene gesellschaftliche Verhältnisse jeweils eigene
Interessen an der Biodiversität – oder der Natur ganz allgemein – mit sich bringen und ‚Natur’
so auf unterschiedliche Weise konstituiert werden kann. Von den Konfliktdimensionen, die in
diesem Zusammenhang relevant sind, hebt GÖRG den Konflikt zwischen lokalen Akteuren und
dem globalen (Ressourcen-)Management hervor. So konstatiert er eine Differenz zwischen
westlichen und indigenen Naturvorstellungen, die vor allem mit der Machfrage verbunden ist.
Unter indigenous knowledge wird dabei ein Naturverständnis verstanden, welches
gekennzeichnet ist durch „spirituelle Verehrung der Natur (...) sowie durch ein ganzheitliches,
holistisches Denken, das zwischen Mensch und Natur keine absolute Trennung mache“ (Görg
2003a, S. 247).
Tendenziell sei das Bestreben zu beobachten, eine Annäherung der beiden Wissensformen zu
erreichen. Kritisch zu bemerken sei jedoch, dass der Versuch der Integration vor allem den
Interessen der modernen, westlichen Gesellschaften dient und von daher sogar die Gefahr
einer ‚Kolonialisierung’ dieses indigenen Wissens droht. Das Interesse an diesen ‚nicht-
modernen’ Wissensformen ist vor allem deshalb vorhanden, weil damit die Hoffnung
verbunden ist, einen weniger destruktiven Umgang mit natürlichen Ressourcen erreichen zu
können. Welche Auswirkungen ein Wissenstransfer jedoch für die Vertreter des indigenous
knowledge haben könnte, bleibt hierbei ausgeklammert. (vergl. Görg 2003a, S. 253)
So sollten diese ‚nicht-modernen’ Wissensformen auch nicht als ‚Vorläufer’ oder
unterentwickelte Formen des wissenschaftlichen Denkens verstanden werden. Entscheidend
ist letztlich nicht die Frage, wie in den einzelnen Wissensformen die Natur klassifiziert wird,
sondern welche Praktiken damit verbunden sind. Auf diese Weise können dann auch die
Gemeinsamkeiten der lokal verankerten Formen der Nutzung der natürlichen Umwelt
festgehalten werden. GÖRG stellt vier grundlegende Eigenschaften dieser Nutzungsformen
zusammen: Zum ersten werden die Grenzen in der Natur akzeptiert und daher wird zweitens
nicht auf Gewinnmaximierung abgezielt. Drittens wird, anders als in den modernen
Monokulturen, auf eine größere Vielfalt in den genutzten Varietäten geachtet. Und viertens ist
ein über Generationen tradiertes Erfahrungswissen vorhanden, welches sich konkret um die
Zusammenhänge von Mensch und Natur kümmert. (vergl. Görg 2003a, S. 255)
16 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Die Frage ist nun, wie ein solcher Wissenstransfer von indigenem Wissen in ‚moderne’
Gesellschaften erfolgen könnte. Es ist notwendig, einen Lernprozess zu initiieren, welcher es
den modernen Gesellschaften erlaubt, indigenes Wissen in ihre Regulation der
Naturverhältnisse zu integrieren. Entscheidend ist jedoch, ob die Gesellschaft für derartige
Umgestaltungen ihrer Naturverhältnisse bereit ist und ob der durch die Integration
entstehende Veränderungsdruck, der auf der Gesellschaft lastet, genutzt werden kann, um zu
tief greifenden Veränderungen zu kommen. So befürchtet GÖRG, dass die modernen
Gesellschaften eher auf die „Integration zuvor separierter, isolierter und generalisierter
Elemente (...), also als ‚Input’ von Ressourcen“ (Görg 2003a, S. 255) setzen könnte. Damit ist
gemeint, dass moderne Gesellschaften geneigt sind, einzelne Momente, z.B. bestimmte
Praktiken, von indigenen Kulturen zu übernehmen, die in ihre Regulation der
Naturverhältnisse passen. So vermeiden sie eventuell auftretenden Veränderungsdruck, da die
ganzheitliche Integration solches indigenen Wissens immer auch damit verbunden ist, eigene
Handlungsweisen und Wertvorstellungen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern.
Zudem wirft er im Zusammenhang mit einem derartigen Wissenstransfer die Frage der
Machtbeziehung auf. Denn seiner Auffassung nach besteht die Gefahr, dass bei der
Übertragung das spezifisch ‚Lokale’ verloren gehen könnte oder sogar die praktische
Enteignung dieses Wissens oder die Zerstörung der Lebensformen, in denen es integriert ist
erfolgen könnte. (vergl. Görg 2003a, S. 256) Indigenous knowledge werde zunehmend als
Ressource gesehen, die von anderen Ländern beherrscht wird und um die vermehrt
Auseinandersetzungen drohen. „Was den Konflikt um die Biodiversität auszeichnet, das ist der Zusammenprall sehr unterschiedlicher Formen, wie die biologische Vielfalt jeweils in Deutungen, Techniken, Rechts- und Produktionsverhältnisse eingelassen ist. Die Machtverhältnisse zwischen verschiedenen Kulturen, Ländern und Regionen sind also eingeschrieben in ihre Naturverhältnisse, in ihr ‚politicised environment’. In indigenen wie in modernen Kulturen ist die Natur/ Biodiversität ein Implikat sozialer Verhältnisse, das diesen Verhältnissen gleichzeitig Grenzen ihrer eigenen Gestaltungsfähigkeit aufzeigt – nur können ‚indigene Kulturen’ diese Grenzen offenkundig wesentlich leichter reflektieren und praktisch berücksichtigen als moderne Kulturen.“ (Görg 2003a, S. 260) In Bezug auf das Wattenmeer könnte thematisiert werden, wie sich die fehlende
Reflexionskapazität moderner Gesellschaften hier äußert. Werden Grenzen der
Gestaltungsfähigkeit erkannt und das problematische Verhältnis von Schutz und Nutzung
ausreichend im Hinblick auf gesellschaftliche Prozesse reflektiert?
2.2.6 Ökonomisches und wissenschaftliches Interesse am Schutz der Natur
GÖRG vertritt die Auffassung, dass die Interessen der Life Industry die Vergesellschaftung der
biologischen Vielfalt im globalen Rahmen dominieren und nicht das oben behandelte
17 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
indigene, lokal verankerte Wissen. Dabei diene die Erhaltungsarbeit, die diese Unternehmen
zum Schutz der Biodiversität leisten, auch zum Aufrechterhalten der eigenen ökonomischen
Interessen, da zukünftige potentielle Quellen für genetische Ressourcen erhalten bleiben. Die
Argumentation, die von Seiten der Industrie geführt wird, läuft dergestalt, dass der Schutz der
Umwelt – trotz der dadurch entstehenden Kosten – einen ökonomischen Wert habe, da er eine
Investition darstelle. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass der ökonomische Wert der
Erhaltung der Biodiversität (oder auch der Natur ganz allgemein) zu seiner Erhaltung
beitragen könnte. GÖRG kritisiert dies als Reduktion auf die ökonomische Nützlichkeit und
sieht die Gefahr eines neuen, ökonomischen Imperialismus. (vergl. Görg 2003a, S. 264)
Abkommen zum Schutz der Biodiversität wären demnach nicht zustande gekommen, wenn
nicht ökonomische Interessen dahinter stehen würden, vor allem aus dem Bereich der
Pharma- und Agrarindustrie. Das Interesse der Industrie an der Natur kann dabei auch als
Versuch seitens einiger Teile des Kapitals verstanden werden, die „Krise des Fordismus durch
eine Neuorganisation der Produktion zu überwinden“ (Görg 2003a, S. 265f.).
Diese These lässt sich gut auf die Situation im Wattenmeer übertragen. Auch hier spielen zum
Teil ökonomische Beweggründe eine Rolle, wenn es um den Schutz der Umwelt geht. Ein
Beispiel hierfür ist die Installation von Offshore-Windenergieanlagen im Wattenmeer.
Windenergieanlagen werden aus klimapolitischen Gründen als ökologisch sinnvoll eingestuft
und werden daher auch politisch gefördert und finanziell subventioniert. In Deutschland
wurde aus diesem Grund im Jahre 2000 das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)
verabschiedet. Ziel dieses Gesetzes ist es, „im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine
nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen und den Beitrag
Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich zu erhöhen, um entsprechend den
Zielen der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland den Anteil Erneuerbarer
Energien am gesamten Energieverbrauch bis zum Jahr 2010 mindestens zu verdoppeln“
(http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/eeg/index.html, Download am 29.11.2003). Für
Windenergieanlagen gilt nach diesem Gesetz eine Abnahmegarantie des erzeugten Stromes
für 9,10 Euro-Cent pro Kilowattstunde für die ersten fünf Jahre nach der Inbetriebnahme und
im Folgenden mindestens 6,19 Euro-Cent pro Kilowattstunde. Für Anlagen, die mindestens
drei Seemeilen seewärts liegen und bis zum 31. Dezember 2006 in Betrieb genommen
wurden, gilt eine Frist von neun Jahren. Die Betreiber von Windenergieanlagen haben somit
von der wirtschaftlichen Seite her eine politisch-rechtliche Planungssicherheit. Für
Energiekonzerne besteht damit ein finanzieller Anreiz, ihre Stromproduktion zumindest
teilweise auf Windenergie umzustellen und sich auf diese Weise in Sachen Umweltschutz – in
18 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
diesem Fall Klimaschutz – zu betätigen, zumal bisherige Formen der Energiegewinnung
durch Kohlekraftwerke und vor allem Atomkraftanlagen vermehrt als ökologisch
problematisch kritisiert werden. Inwieweit die Bereitschaft, auf die ‚ökologischere’ Variante
Windenergie zu setzen, auch nach der anstehenden Novellierung des EEG, die eine zumindest
teilweise Reduzierung der Subventionierung vorsieht, anhält, bleibt abzuwarten. An diesem
Beispiel wird deutlich, dass es Unternehmen gelingt, den Schutz der Umwelt zu
instrumentalisieren, wenn es darum geht, ökonomische Vorteile auszunutzen.
Nach TIEDEMANN (2003) zählen zu den negativen ökologischen Auswirkungen von
Windenergieanlagen im Wattenmeer unter anderem Veränderungen in den
Lebensgemeinschaften aufgrund von Änderungen der Habitatstrukturen (Benthos),
Vertreibung, Desorientierung sowie Beeinträchtigung der Kommunikation und Schädigung
des Hörvermögens bei Fischen und Meeressäugern, Vogelschlag, Barrieren für Zugvögel, der
Verlust von Rast- Nahrungs- und Mauserflächen und weitere stoffspezifische Wirkungen im
Falle technischer Betriebsstörungen. Diese unvollständige Aufzählung verdeutlicht, wie
komplex ökonomische und ökologische Interessen verknüpft sind.
GÖRG kritisiert im Weiteren, dass die Biodiversität seitens der Industrie als Ressource gesehen
wird und ihr darüber hinaus kein weiterer Wert zuerkannt wird: „Natur als ‚Fabrik’ des
Ausgangsstoffes – das ist die Logik der Inwertsetzung der Biodiversität.“ (Görg 2003a, S.
272)
Ein weiterer Problemkomplex dreht sich um die Rolle der Wissenschaft. Die Frage ist, „ob
die Wissenschaft ein Instrument zur objektiven Bestimmung von Gefahren sein kann oder
sein muss“ (Görg 2003a, S. 275). Wie mit wissenschaftlicher Unsicherheit umgegangen wird
ist für GÖRG aber weniger ein wissenschaftliches Problem. Entscheidender ist die Rolle,
welche die Wissenschaft gesellschaftlich übernimmt.
Was die Errichtung von Schutzgebieten angeht, so dürfen diese nicht gegen die Interessen der
Bevölkerung errichtet werden. Dies bedeutet eine Modifikation des Schutzgedankens, da die
gesellschaftlichen Ansprüche mit einbezogen werden und nicht alleine die Ökologie im
Vordergrund steht. Problematisch ist jedoch die Frage, was die Natur ist, die geschützt
werden soll und welche Natur schützenswert ist. Diese Fragestellung ist auch im Wattenmeer
von großer Bedeutung, da es sich hier um einen seit Jahrhunderten vom Menschen geprägten
Kulturraum handelt, der nur noch als ‚naturnahe Landschaft’ (vergl. Meier 2003, S. 97ff.)
bezeichnet werden kann. Nach GÖRG bieten sich im Rahmen der Umweltwissenschaften eine
Reihe von Ansatzpunkten, nach denen die ökologische Bedeutung ‚gemessen’ werden könnte.
1. quantitatives Kriterium (z.B. Artenzahl)
19 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
2. ökologische Funktionen der Vielfalt
3. genetische Vielfalt oder
4. Ökosysteme und Habitate (vergl. Görg 2003a, S. 283)
Diese Kriterien sind für ihn jedoch nicht hinreichend, um die Frage zu beantworten, was eine
schützenswerte Natur auszeichnet. Für GÖRG wäre jede dieser Ausrichtungen nur eine
Verschiebung des Problems: „An welchem Maßstab soll sich also der Naturschutz ausrichten:
An der Natur ohne den Menschen? An der Natur vor der neolithischen Revolution (...)? An
gesellschaftlichen Nutzungsformen aus der vorindustriellen Periode? Oder doch am
Museumskonzept der zoologischen und botanischen Gärten?“ (Görg 2003a, S. 283)
Der Diskurs über den Naturschutz müsste nach Auffassung GÖRGs den Aspekt der Grenzen
der Nutzung beinhalten. Allerdings gibt es an dieser Stelle ein Erkenntnisdefizit, da nicht alle
natürlichen Zusammenhänge erkennbar oder darstellbar sind. Für die Wissenschaft bedeutet
dies, dass sie keine objektivierbare Beurteilungsgrundlage für den Schutz der Natur sein kann.
Bereits in die wissenschaftliche Grundlagenforschung fließt immer auch ein gesellschaftliches
Interesse mit ein. Besonders eindrucksvoll ist hier das Beispiel der Diskussion um die
Gentechnologie oder die Verwendung von embryonalen Stammzellen. Die wissenschaftliche
Forschung sieht sich hier mit einem breiten Spektrum von wirtschaftlichen, aber auch ethisch-
moralischen Sichtweisen konfrontiert, die versuchen, auf die weitere Forschung Einfluss zu
nehmen. Zudem muss die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft kritisch
betrachtet werden, da die Bereitstellung von Drittmitteln oder die Unterhaltung von eigenen
Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen die Ausrichtung der (von der Wirtschaft
finanzierten) Wissenschaftler beeinflusst, so dass es eine „neutrale Instanz zur Einschätzung
des Forschungsbedarfes“ (Görg 2003a, S. 285) nicht gibt.
GÖRG kommt abschließend zu dem Schluss, dass der Schutz der Natur, „nicht mehr in
Kontrast zu Formen ihrer kapitalistischen Nutzung (...), sondern als inhärentes Element ihrer
Inwertsetzung“ (Görg 2003a, S. 286) erfolgt.
Im Wattenmeer ist dies vor allem im Zusammenhang mit der touristischen Nutzung der Küste
zu beobachten. Der Tourismus stellt für fast alle Regionen des Wattenmeeres einen sehr
wichtigen – wenn nicht den wichtigsten – Wirtschaftszweig dar. Meist übertrifft die
Bedeutung des Tourismus sogar die der Landwirtschaft oder der Fischerei in den jeweiligen
Regionen. (vergl. Gätje 2003, S. 118)
„In Urlaubsregionen wie der Nordseeküste lebt der Tourismus vom Vorhandensein einer
intakten Natur.“ (Gätje 2003, S. 119) Doch auch, wenn Umfragen immer wieder ergeben,
dass die meisten Besucher Verständnis für Maßnahmen zum Umwelt- und Naturschutz haben,
20 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
selbst wenn sie die Möglichkeiten der touristischen Nutzung beschränken (z.B. Begehverbote
von Dünen etc.), so bleibt doch festzuhalten, dass menschliche Aktivitäten im Wattenmeer
grundsätzlich eine mehr oder weniger starke Störung des Ökosystems bedeuten. Der
ökologische Wert des Ökosystems Wattenmeer wird also ökonomisch, in diesem Fall
touristisch genutzt.
Tabelle 2 vergleicht die Bedeutung der einzelnen Wirtschaftszweige im Küstenraum
Schleswig-Holsteins gemessen an der Wertschöpfung. Es zeigt sich, dass der Tourismus hier
einen höheren Anteil ausmacht als die Landwirtschaft. Jedoch lässt sich auch hier die
zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors beobachten. (vergl. Möller/ Feige 1998a,
S. 178)
Wirtschaftszweig Wertschöpfung in Mio. DM Prozentualer Anteil
Tourismus 518 19 Landwirtschaft 132 5 Fischerei 22 1 Übrige Wirtschaftszweige 1998 75 Tab. 2: Wirtschaftliche Bedeutung der nationalparkbezogenen Wirtschaftszweige – Wertschöpfung (Schleswig-
Holstein). Eigene Darstellung, Daten aus: Möller/ Feige 1998a, S. 178.
Tabelle 3 verdeutlicht für das Beispiel Schleswig-Holstein, wie sich die Umsätze im Bereich
des Tourismus zusammensetzen.
Umsätze entstehen durch Gäste aus: in Mio. DM in Prozent
Gewerbliche Beherbergung 423 36 Privatvermietung 400 35 Sanatorien 118 11 Ausflugsverkehr 80 7 Freizeitwohnsitzen, privaten Besuchsverkehr 75 7 Camping 31 3 Jugendherbergen 8 1
Von den Umsätzen durch Gäste profitieren: in Mio. DM in Prozent Gastgewerbe 549 48 Privatvermieter 193 17 Lebensmitteleinzelhandel 144 13 Sonstiger Einzelhandel 104 9 Sonstige touristische Dienstleistungen 145 13 Tab. 3: Herkunft und Verteilung tourismusbedingter Umsätze (in Mio. DM und Prozent) für Schleswig-
Holstein. Eigene Darstellung, Daten aus: Möller/ Feige 1998b, S. 180.
Dabei ist bemerkenswert, dass es neben der gewerblichen Beherbergung, die den größten Teil
des touristischen Umsatzes ausmacht, einen hohen Anteil privater Vermieter gibt, die im
Bereich der Nordseeküste vom Tourismus abhängig sind.
21 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
2.2.7 Schutzgebiete
Ein Weg, der oftmals eingeschlagen wird, wenn es um den Schutz der Natur geht, ist,
Naturschutzgebiete auszuweisen, in denen die Nutzung durch den Menschen beschränkt oder
gänzlich verboten ist. Für GÖRG sind solche Gebiete ‚Untertyp’ eines anderen Vorgangs,
nämlich der Einrichtung eines globalen Systems von Verfügungsrechten. (vergl. Görg 2003a,
S. 287) Schutzgebiete mit Nutzungsbeschränkungen sind für ihn lediglich eine andere Form
der Nutzung, „nämlich als ‚Biopotenzial für die Zukunft’, als ‚globales Naturerbe’ oder eben
als unverzichtbare ökologische Regelungsfunktion zur Erhaltung des ‚Naturkapitals’“ (Görg
2003a, S. 288).
Es geht hier in erster Linie um Verteilungsprobleme. Die CBD hat den Staaten die nationale
Souveränität über die genetischen Ressourcen garantiert, über welche auf nationalem
Territorium verfügt werden kann. „Die Anerkennung der nationalen Souveränität hat (...) eine
doppelte Funktion: Sie beansprucht selbst eine bestimmte Form von Verfügungsrechten und
sie ist die Voraussetzung dafür, dass die Verteilung von Verfügungsrechten auch staatlich,
d.h. herrschaftlich abgesichert wird.“ (Görg 2003a, S. 288) Es wird aber deutlich, dass auf
diese Weise Zugangsberechtigungen – oder negativ formuliert Zugangsbeschränkungen –
installiert werden. Die Frage ist nun, wie die staatliche Gesetzgebung diese Berechtigungen
‚verteilt’. GÖRG ist der Auffassung, dass vor allem höchst selektive Interessen der Ökonomie
berücksichtigt werden und lokale Akteure meist unberücksichtigt bleiben8. Er kommt zu dem
Schluss, dass für die Staaten „die faktische Souveränität (...) abhängt von ihrer Fähigkeit zur
Organisation sozialer Interessenlagen und Kräfteverhältnisse“ (Görg 2003a, S. 292). Dies sind
aber gerade Faktoren, die zunehmend international vermittelt sind. Die Internationalisierung
des Staates zwingt die Regierungen dazu, z.T. widersprüchliche Strategien zu verfolgen, da an
der „Regulierung neben den Landwirtschafts- und Umweltministerien meist auch noch
Wirtschafts-, Entwicklungs- und Finanzressort beteiligt sind“ (Görg 2003a, S. 292). Hinzu
kommt, dass auch auf der internationalen Ebene die Fähigkeit der Regulierung höchst
ungleich verteilt ist.
8 Welche Auswirkungen ein ‚Aussperren’ lokaler (indigener) Akteure haben kann, verdeutlicht das Beispiel der Savannen-Nationalparke in Afrika, die für viele Nomadenstämme zu sog. no-go-areas erklärt wurden, da befürchtet wurde, deren Rinderherden könnten das Ökosystem Savanne schädigen. „Folge war die Zerstörung uralter Nomadenkulturen, waren und sind Not und Verelendung der Ex-Hirten in städtischen Slums.“ (Lieckfeld 2003, S. 28f.) Dabei werden die negativen Auswirkungen auf die Savannen durch Nomadenbewirtschaftung mittlerweile stark angezweifelt. Zudem ergeben sich durch diese Form der Vertreibung auch ökologische Probleme, da es in den Randbereichen dieser Schutzgebiete zur Überweidung und damit zu Übernutzung und Erosion kommt. (vergl. LIECKFELD 2003)
22 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Auch im Wattenmeer existieren eine Reihe von Schutzgebieten, verbunden mit einer
vielschichtigen Diskussion über den Nutzen und den Sinn von nutzungsfreien Zonen im
Wattenmeer. (vergl. hierzu vor allem SDN 1998)
Diskutiert wird in diesem Zusammenhang aus unterschiedlichen Perspektiven. Zu nennen
wären hier vor allem die wissenschaftliche, die ökologische und die ökonomische Sichtweise.
Aus wissenschaftlicher Perspektive werden solche Schutz- oder Referenzgebiete aus
folgenden Gründen als notwendig erachtet: „ 1. Anthropogene und natürliche Einflüsse auf das Ökosystem oder Teile desselben sollen unterschieden werden. 2. Der natürliche Zustand oder die natürliche Entwicklung eines Lebensraumes soll dargestellt werden, damit
Naturschutzziele definiert werden können (...).“ (Colijn et al. 1998, S. 26)
Allerdings halten COLIJN ET AL. auch fest, dass die Auswahl eines solchen Referenzgebiets
schwierig ist, da die Auswahl immer auf den zu erforschenden Effekt abgestimmt sein muss
und so die wechselseitige Repräsentanz von unterschiedlichen Gebieten geprüft werden muss.
Kompromisslösungen würden die wissenschaftliche Aussagekraft der Monitorings- und
Forschungsarbeit mindern. (vergl. Colijn et al. 1998, S. 32) Hervorgehoben wird weiterhin,
dass die Evaluierung der Auswirkungen von anthropogenen Nutzungen im Wattenmeer auch
im Interesse der Nutzer selbst liegt, da nur durch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse
konkrete Aussagen über die wirkliche Umweltverträglichkeit bestimmter Nutzungen möglich
sind. Eng anschließend an diese Argumentation erfolgt die Diskussion aus Sicht des
Naturschutzes. RÖSNER (1998) bietet eine breite Palette von Gründen für die Einrichtung
nutzungsfreier Gebiete im Wattenmeer; hier eine Auswahl: „- Gefährdete Arten werden besser geschützt und verschwundenen wird die Rückkehr ermöglicht, die Arten- und
Habitatvielfalt wird vergrößert. - Unberührte Natur ist schön; der Mensch braucht sie (...). (...) - Erst in solchen Gebieten ist eine ungestörte Naturentwicklung möglich und nur mit ihnen können die
Nationalparkziele erreicht werden und ein echter Nationalpark entstehen. (...)“ (Rösner 1998, S. 66)
Im Gegensatz zu diesen beiden Sichtweisen wird aus ökonomischer Perspektive die
Einrichtung von Schutzgebieten eher negativ beurteilt. Im Wattenmeer wehrt sich vor allem
die Fischerei gegen die Ausweitung von Nutzungs- und damit Fangbeschränkungen oder gar -
verboten. So wird u.a. argumentiert, dass es durch den Verlust von Fanggebieten zu einer
direkten Kostensteigerung aufgrund von längeren Anfahrtswegen und Verlängerung der
Arbeitszeiten kommen würde. Zudem würde die vermehrte Konkurrenz in den verbliebenen
Fanggebieten zu einer Verschlechterung des Verhältnisses von Kosten und Ertrag führen.
(vergl. Breckling 1998, S. 74ff.)
23 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Wie sehr Referenzgebiete auf den Widerstand der Vertreter der Wirtschaft treffen,
verdeutlicht folgende Stellungnahme: „Regionale Fischereiverbote im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer bedeuten materielle Verluste in Form von Arbeitsplätzen, betrieblichen Existenzen, öffentlichen Mitteln und eine verminderte Nutzbarmachung des naturgegebenen Volksvermögens. (...) Ein messbarer ökologischer Nutzen ist bisher nicht in Aussicht. Die Küstenfischerei muss deshalb als Wirtschaftszweig, als gesellschaftliche Gruppe mit gesellschaftlichem Auftrag und als Bestandteil der Landeskultur regionale Fischereiverbote durch die Einrichtung von Referenzgebieten ablehnen.“ (Breckling 1998, S. 82)
Abbildung 1 zeigt, dass im Rahmen des Trilateralen Wattenmeerabkommens fast das gesamte
Kooperationsgebiet als Schutzgebiet ausgewiesen wurde.
Abb. 1: Kooperations- und Schutzgebiet im Wattenmeer laut Trilateralem Wattenmeerplan. aus: http://cwss.www.de (Download am 20.09.2003)
24 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Allerdings besteht nicht für das gesamte Gebiet das gleiche Maß an
Nutzungsbeschränkungen. Diese unterscheiden sich von Region zu Region und umfassen
dabei unterschiedliche Schutzbestimmungen.
2.2.8 Biopolitik im Postfordismus
Die Biosphere Governance ist für GÖRG ein sehr komplexes und in vielen Teilen
widersprüchliches Neben- und Miteinander von mehreren internationalen Abkommen und
Verhandlungsprozessen, die jeweils mit nationalen, regionalen und lokalen Problemlagen
verbunden sind. (vergl. Görg 2003a, S. 293)
Wie die Vergesellschaftung der Natur – vor allem im Bereich der Biodiversität – sich in
Zukunft gestalten wird hängt vor allem von den internationalen Abkommen zum Freihandel –
und hier vor allem der WTO – sowie den Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums ab.
In diesem Zusammenhang hebt GÖRG wiederum den widersprüchlichen Charakter der
existierenden Governancestrukturen hervor: „Ein ‚globales Regieren’ ist eben auch ein Ausdruck einer ‚Internationalisierung des Staates’, denn es dient der Absicherung kapitalistischer Eigentums- und Produktionsverhältnisse. Auch im Bereich der Regulation der biologischen Vielfalt geht es also nicht um die Beseitigung von Umweltproblemen durch eine nachträgliche Wiedereinbettung eines anonymen Weltmarktes. Die Regulation der Biodiversität ist bis in die Begriffe hinein mit der politischen Durchsetzung einer neuen Form der Biopolitik verbunden, die sich auf die Kontrolle und die industrielle Verwertung von Leben richtet.“ (Görg 2003a, S. 293)
So kommt er zu dem Schluss, dass die Regulation der Biodiversität letztlich nichts anderes
darstelle als eine Modernisierung der Naturbeherrschung9. „Eine vernünftige Gestaltung
gesellschaftlicher Naturverhältnisse scheint (...) eine Unmöglichkeit zu sein“. (Görg 2003a, S.
295)
Auch im Bereich des Wattenmeeres (und der Nordsee) gibt es eine ganze Reihe von
politischen Abkommen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen (und dahinter stehenden
Interessen) dem Schutz und der Erhaltung der Nordsee und des Wattenmeeres widmen. Sie
unterscheiden sich daher sowohl in Bezug auf das Einzugsgebiet als auch nach den Themen,
die mit dem entsprechenden Abkommen behandelt werden sollen.
Tabelle 4 bietet einen Überblick über die wichtigsten Abkommen dieser Art sowie deren
Einzugsgebiet und thematischen Schwerpunkten.
9 LEISS (2003) stellt die Geschichte des Konzepts sowie die Kritik am Begriff der Naturbeherrschung dar. Er geht dabei von den Ausführungen von FRANCIS BACON (1551-1626) aus. Demnach wurde dessen Programm der Beherrschbarkeit der Natur durch den Menschen „mit der neuzeitlichen Wissenschaft in ihrer Gesamtheit und deren unbeschränkter Anwendung in Technologie und industrieller Produktion assoziiert, so dass dieser ganze Komplex als Fortschritt ohne natürliche Grenzen mit der Tendenz einer unendlichen Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten des Menschen in der Welt angesehen wurde (...)“ (Leiss 2003, S. 136.).
25 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Konvention Einzugsgebiet Themen Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD)
Global Nutzung von Meeresressourcen, Fischerei, Verschmutzung, Forschung, Förderung nationaler, internationaler und globaler Aktivitäten
Globales Aktionsprogramm zu Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus (GPA)
Global Abwasser, Schadstoffe, radioaktive Stoffe, Schwermetalle, Öl, Nährstoffe, Mobilisierung von Sedimenten, Haushaltsabfälle, Änderung und Zerstörung von Lebensräumen
Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen
Global Umweltverschmutzung durch die Schifffahrt, Entsorgung von Abfällen auf See, z.B. durch Klärschlamm, Baggergut, Chemikalien, Plattformen
Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen
Global Schutz und Bewahrung der Meeresumwelt, Meeresressourcen, Fischerei, Schifffahrt, Tiefseebergbau
EU-Richtlinien Europa Ökologische und chemische Qualität der Gewässer bewahren/ wiederherzustellen, Fischerei, Emission, Eutrophierung, Schifffahrt
OSPAR-Konvention Nordost-Atlantik Eutrophierung, Biodiversität, Gefährliche Stoffe, Offshore Industrie, Radioaktivität
Internationale Nordseeschutz-Konferenzen (INK)
Nordsee Schifffahrt, Fischerei, Eutrophierung, Biodiversität, Gefährliche Stoffe, Offshore Industrie, Radioaktivität, Erneuerbare Energie, Raumplanung
Trilaterale Wattenmeerzusammenarbeit
Wattenmeer Schutz der Flora, Fauna und Habitate Monitoring
Tab. 4: Zusammenstellung der die Nordsee betreffenden Meeresschutzkonventionen. übernommen und leicht verändert aus: Menzel/ Ziebarth 2003, S. 351.
2.2.9 Zwischenfazit
In seiner Schlussbetrachtung kommt GÖRG zu der Feststellung, dass die Gesellschaft ‚die
Natur’ nur durch das Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie hindurch wahrnehme. So
stelle „die Inwertsetzung der Natur den strukturellen Rahmen dar, innerhalb dessen sich die
Konflikte um die Gestaltung der Naturverhältnisse bewegen“ (Görg 2003a, S. 297). Die
ökologische Frage bleibt bei dieser Form der Regulation nicht ausgeklammert. Allerdings ist
die Frage, wie diese berücksichtigt wird. In der internationalen Politik werden ökologische
Zusammenhänge oftmals ‚katastrophisch’ zugespitzt und wird versucht, Lösungen in Form
eines pragmatischen Managerismus zu finden. Gefordert wäre dagegen stärker eine
Berücksichtigung und Reflexion der gesellschaftlich auferlegten Grenzen der Regulation.
Dazu zählt auch die „Infragestellung der symbolischen wie der normativen Leitvorstellungen
in der Inwertsetzung der Natur, in mehr oder weniger direkter Konfrontation mit den Kräften,
die diese voranzutreiben versuchen“ (Görg 2003a, S. 301). Zu beachten ist dabei das
widersprüchliche Verhältnis der Gesellschaft zur Natur. Natur muss als nicht-identisches
Implikat sozialer Prozesse aufgefasst werden. Allerdings darf es nicht zu einer Verkürzung
26 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
dieser Reflexion kommen, indem auf eine ethisch-moralische oder ästhetische Wertschätzung
der Natur Bezug genommen wird.
Im Hinblick auf HORKHEIMER fordert GÖRG ein ‚unabhängiges Denken’, welches es
ermöglichen soll, den scheinbaren Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie
aufzulösen und sich damit von der Vorstellung zu lösen, die ökologische Krise ließe sich nur
durch pragmatisches, ökonomisch orientiertes Management lösen.
Diese Ausführungen GÖRGs, die sich vor allem auf den Bereich der Biodiversität beziehen,
lassen sich – wie gezeigt – auch auf das Wattenmeer, genauer auf die Frage der Beziehung der
Gesellschaft zum Ökosystem Wattenmeer, übertragen. Es stellt sich die Frage, wie im
Wattenmeer die Regulation der gesellschaftlichen Naturverhältnisse tatsächlich abläuft und
inwieweit auch hier die dualistische Sichtweise eines ‚Entweder-oder’ dominiert.
Wie sich solche sozial-ökologischen Problemlagen im Wattenmeer grundsätzlich darstellen,
wurde in den vorangegangenen Abschnitten aufgezeigt. An dieser Stelle ist darauf
hinzuweisen, dass GÖRG nur den theoretischen Rahmen für die Analyse der gesellschaftlichen
Naturverhältnisse im Wattenmeer liefert. Die konkrete Übertragung der von ihm formulierten
Probleme und Paradoxien auf das Ökosystem Wattenmeer kann daher nicht ohne die
vorhergehende Operationalisierung dieses Ansatzes erfolgen. Dazu dient im Folgenden der
Ansatz von BECKER/ SCHRAMM, der eine Operationalisierung des Konzeptes der
gesellschaftlichen Naturverhältnisse darstellt. Zunächst wird diese Operationalisierung auf
den Bereich der Wasserversorgung angewendet, bevor gezeigt wird, dass für das Ökosystem
Wattenmeer vor allem der Küstenschutz geeignet ist, um die Mensch-Umwelt-Dynamik zu
analysieren.
3 Mensch-Umwelt-Dynamik – Kopplungen zwischen Natur und Gesellschaft
3.1 Vorbemerkung
BECKER und SCHRAMM (2001) legen mit ihrem Ansatz der gekoppelten Systeme einen Versuch
der Operationalisierung des Konzepts der gesellschaftlichen Naturverhältnisse vor.
Sie setzen sich in ihrem Ansatz mit sozial-ökologischen Transformationen und der
zunehmenden und immer komplexer werdenden Verflechtung von gesellschaftlichen und
ökologischen Systemen auseinander. „Unter sozial-ökologischen Transformationen werden form- und strukturverändernde Prozesse verstanden, die sich nicht nur auf physische Strukturen und Prozesse beziehen, sondern ebenso auf die Gesellschaft (und damit auf Wahrnehmungen, Bedeutungen und Symbole). Als Kennzeichen sozial-ökologischer Transformationen gilt,
27 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren dass sich, durch sozio-ökonomische Prozesse und technologischen Wandel angestoßen, vielfältige Problemlagen ineinander schieben und neue Wechselwirkungen ausbilden (...).“ (Becker/ Schramm 2001, S. 5)
Die zentrale Frage lautet in diesem Zusammenhang, wie sich solche komplexen
Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen und natürlichen
Systemen darstellen, durchschauen und nach Möglichkeit auch gesellschaftlich handhaben
(‚managen’) lassen und ob darüber hinaus mit wissenschaftlichen Mitteln Prognosen zu
erstellen sind, die den Akteuren eine Orientierung für die zukünftige Regulation bieten
können. BECKER/ SCHRAMM sprechen sich gegen die gängigen Modelle der Umweltforschung
aus, die „Beeinflussungen zwischen Natur und Gesellschaft als eine gegenseitige Störung
weitgehend autonomer Sphären“ (Becker/ Schramm 2001, S. 5) abbilden. Betrachtet werden
in diesen Modellen gemeinhin vor allem materiell-energetische Größen – Symbolisierungen
etc. bleiben unberücksichtigt – und die daraus abgeleiteten Prognosen stellen lediglich lineare
Effekte dar, was im Hinblick auf die komplexen Wechselwirkungen eine unzulässige
Verkürzung darstellt. „Gesellschaftliches Handeln und Wirtschaften haben in den
ökologischen Gefügen auch (nicht-lineare) Effekte zur Folge, welche nicht alleine auf
physische Faktoren zurückgeführt werden können.“ (Becker/ Schramm 2001, S. 6)
Um dies bei der Modellierung sozial-ökologischer Transformationen zu berücksichtigen,
bedienen sich BECKER/ SCHRAMM des Konzeptes der gekoppelten Systeme, welches im
Folgenden umrissen werden soll, bevor eine Darstellung der Anwendung dieses Konzeptes
auf eine konkrete sozial-ökologische Transformation, nämlich der Situation der
Wasserversorgung folgt.
3.2 Kopplungen als analytisches Schema
Unter Koppelungen verstehen BECKER/ SCHRAMM „spezielle Arrangements oder
Konstellationen zwischen Entitäten (Dingen, Systemen, Strukturen und Prozessen) (...),
welche die Rahmenbedingungen für die Wechselwirkungen zwischen diesen Entitäten
schaffen“ (Becker/ Schramm 2001, S. 7)
Vernachlässigt man zunächst die Bedeutung von symbolischen Beziehungen und Deutungen
der Gesellschaft zur Natur, dann lassen sich idealer Weise die Sphären ‚Natur’ und
‚Gesellschaft’ in physikalischer Analogie10 nach der Stärke der Kopplungen wie folgt
klassifizieren:
10 Als Beispiel dienen BECKER/ SCHRAMM die Schwingungen zweier Federpendel:
1. vollständig entkoppelt: jedes Pendel schwingt periodisch mit eigener Frequenz
28 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Zunächst wären vollständig entkoppelte Systeme denkbar. Allerdings handelt es sich um ein
für die sozial-ökologische Forschung vernachlässigbares Extrem. Die vollkommene Trennung
von Natur- und Anthroposphäre ist undenkbar, da der Mensch in ständigem Stoff- und
Energieaustausch mit seiner natürlichen Umwelt steht. Zu verwerfen ist zweitens die
Möglichkeit einer festen Kopplung von Mensch und Natur. Dies wäre einzig im Falle einer
unauflösbaren Symbiose der Fall. Geeignet scheinen BECKER/ SCHRAMM dagegen die
Möglichkeiten einer starken bzw. einer schwachen Kopplung von Gesellschaft und Natur. Sie
wenden das Konzept der Kopplungen auf den Bereich der Versorgungssysteme, genauer der
Wasserversorgung an und versuchen damit „grundlegende Strukturen sowie auftretende
Probleme (insbesondere Umweltprobleme 2. Ordnung) und sich zeigende Transformationen
zu reformulieren“ (Becker/ Schramm 2001, S. 18).
Das Versorgungssystem ‚Wasserversorgung’ wird von BECKER/ SCHRAMM letztlich als ein
hybrider Bereich definiert. Mit diesem Begriff bezeichnen sie ein System, welches als
„Vermittlungsinstanz zwischen Gesellschaft und Natur aufgebaut worden ist“ (Becker/
Schramm 2001, S. 18). Dieses System steht also zwischen der Gesellschaft mit ihren
institutionellen Ausgestaltungen sowie der Natur.
Hier soll nun zunächst das Vorgehen beschrieben werden, mit dem die Wasserversorgung als
hybrider Bereich zwischen Gesellschaft und Natur definiert wurde und im Anschluss
aufgezeigt werden, dass für den Bereich Wattenmeer ebenfalls ein derartiges ‚dazwischen
geschobenes System’ denkbar ist, nämlich der Küstenschutz.
3.3 Anwendung den Bereich der Wasserwirtschaft
BECKER/ SCHRAMM untersuchen wie erläutert mit dem Schema der gekoppelten Systeme das
Versorgungssystem Wasserversorgung als hybriden Bereich zwischen Gesellschaft und Natur.
Dazu treffen sie zunächst wichtige Vorannahmen bezüglich der Wasserversorgung:
Zum ersten stellt die Wasserversorgung eine vermittelnde Instanz zwischen Gesellschaft und
Natur dar, „welche Flüsse von Stoffen, Energie und Informationen gezielt lenken und
umlenken kann, um den Bedarf der Gesellschaft an bestimmten Gütern und Dienstleistungen
zu befriedigen“ (Becker et. al. 2001, S. 18). Zum zweiten handelt es sich hierbei um ein stark
2. schwach gekoppelt: Pendel sind durch dünnen Gummifaden verbunden und stören sich gegenseitig, so
dass sie leicht aperiodisch mit leichter Frequenzverschiebung schwingen 3. stark gekoppelt: Pendel durch starkes Gummiband verbunden, welches bewirkt, dass beide Pendel
zusammen ein komplexes Gesamtsystem bilden, welches in nicht-lineares und z.T. chaotisches Verhalten übergehen kann
4. fest oder starr gekoppelt: Pendel durch eine Stange verbunden, so dass das Gebilde periodisch als Einheit mit einer neuen Eigenfrequenz schwingt (vergl. Becker/ Schramm 2001, S. 7.)
29 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
gekoppeltes, sozial-ökologisches System, welches sowohl gesellschaftliche als auch
ökologische Elemente beinhaltet. Und letztlich drittens handelt es sich um ein
selbstorganisierendes System, wobei alle Konstrukteure, Betreiber, Regulatoren und
Organisatoren mit berücksichtigt werden.
Mit diesen Vorannahmen, so BECKER/ SCHRAMM, könnten dann Aussagen über die
Kopplungen zwischen Gesellschaft und Wasserversorgung, sowie zwischen
Wasserversorgung und Natur getroffen werden. So kommen sie zunächst zu folgenden
Feststellungen: (vergl. dazu Becker/ Schramm 2001, S. 19f.)
Der Mensch benötigt etwa zwei Liter Wasser pro Tag für seinen physiologischen
Stoffwechsel, sozusagen sein biologisches Grundbedürfnis. Darüber hinaus verwendet er
Wasser für Köperpflege, Hygiene und Nahrungszubereitung. Wasser ist weiterhin ein
grundlegender Faktor für das Wirtschaften des Menschen. Er benötigt es als Prozesswasser,
Energielieferant oder für die Bewässerung in der Landwirtschaft. Nicht unerwähnt sollte
zudem die symbolische Bedeutung bleiben, welche das Wasser einnimmt. So dient es in
unterschiedlichen Kulturen als Medium der Taufe oder der rituellen Reinigung. Historisch
gesehen war Wasser – oder genauer gesagt der Mangel an Wasser – einer der, wenn nicht
sogar der limitierende Faktor für die Bevölkerungs-, Siedlungs-, Wirtschafts- und
Gesellschaftsentwicklung, da es sich bei Wasser um ein nicht ubiquitäres Gut handelt,
welches nicht an jedem Ort in gleichem Umfang verfügbar ist. Erst die Entwicklung von
sozial-ökologischen Versorgungssystemen erlaubte es der Gesellschaft, sich von den
natürlichen Wasservorkommen zu emanzipieren. Damit wurde auch die bis dahin starre
Kopplung zwischen dem örtlich verfügbaren Wasservorkommen und dem Verbrauch
gelockert, wenn nicht sogar aufgelöst. Mit dieser erhöhten Verfügbarkeit von Wasser änderten
sich aber auch die Verbrauchsmuster der Gesellschaft – sowohl im sanitären, als auch im
produzierenden Bereich – womit eine zunehmende mechanische, chemische und
mikrobiologische Belastung des Wassers einherging. Dies führte zur Notwendigkeit, auch die
Wasserentsorgung neu zu regeln. Da die in den Abwässern enthaltenen Schadstoffe und
Abfälle nicht mehr ohne weiteres innerhalb der Siedlungen entsorgt werden konnten, wurde
mit der Entwicklung der Kanalisation ein Weg gefunden, die Abwässer in die umliegenden
ländlichen Gebiete zu transportieren und dort aufzubereiten oder in die Umwelt einzuleiten.11
11 Mittlerweile ist in Deutschland aufgrund der technischen Entwicklung der Kanalisations- und Kläranlagen von einer starren Kopplung zwischen den sozio-technischen Systemen der Wasserversorgung und der Abwasserversorgung festzustellen, so dass Wasserver- und Abwasserentsorgung gemeinsam betrachtet werden können. Allerdings ist es vermehrt zur Entkopplung von örtlicher Wasserversorgung und Grundwasserschutz (und damit verbunden dem Bodenschutz) gekommen. (vergl. Becker/ Schramm 2001, S. 23.)
30 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Die von BECKER/ SCHRAMM ‚Wassermacher’ genannten gesellschaftlichen Akteure im
Bereich der Wasserversorgung (Ingenieure, Hygieniker, staatliche Aufsichtsbehörden etc.)
sind bestrebt, für den Bereich der Wasserversorgung eine weitgehende Definitions- und
Gestaltungsmacht zu besitzen. (vergl. Becker/ Schramm 2001, S.20) Dazu ist es notwendig,
die Versorgung so zu gestalten, dass sie von anderen gesellschaftlichen Kräften, insbesondere
den Parlamenten oder der staatlichen Politik, nicht mit gestaltet wird. Daher versuchen die
‚Wassermacher’, starke Kopplungen zwischen Wasserversorgung und Gesellschaftssphäre
und zwischen Wasserversorgung und Natursphäre zu vermeiden. Grund hierfür ist, dass starke
Kopplungen zu Zuständen führen könnten, die nicht mehr kontrollier- und prognostizierbar
sein könnten.
In der Wirklichkeit sind so dann auch unterschiedliche Kopplungstypen zwischen
Wasserversorgung und Natur bzw. Gesellschaft zu beobachten:
Zwischen Gesellschaft und Wasserversorgung besteht eine starre Kopplung. Die
Wasserversorger befriedigen den Bedarf der Gesellschaft, ohne dass diese oder jene diesen
Bedarf reflektieren würden. Reicht der Wasservorrat nicht mehr zur Deckung des Bedarfs aus,
so wird die Ressourcenbasis erhöht – ebenfalls ohne die möglichen ökologischen (und
eventuellen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen) Folgen abzuwägen. Es wird also
versucht, keine Krisensituation entstehen zu lassen, damit die Selbstorganisation und die
eigene Macht der Betreiber nicht geschmälert werden. Dies begründet dann auch das Interesse
der Betreiber, immer genug Wasser zur Verfügung zu stellen. (vergl. Becker/ Schramm 2001,
S. 21) Auch für den Bereich des Küstenschutzes lässt sich feststellen, dass ein reibungsloses
Funktionieren der Deichanlagen angestrebt wird. Da die ‚Betreiber’ von Deichanlagen meist
öffentliche Träger (Landesregierungen und untergeordnete Ämter) sind, wird befürchtet, dass
Deichbrüche oder ähnliche krisenhafte Vorfälle in der Bevölkerung das Vertrauen in die
Politik (und die dort handelnden Personen) schmälern und sich dies in Form von
Wahlergebnissen niederschlägt.
Dagegen treten zwischen Natur und Wasserversorgung eher schwache Kopplungen auf. Es
wird versucht, starke Kopplungen mit den aus ihnen resultierenden nicht-linearen Folgen
möglichst zu vermeiden. Dazu wird die Extraktion des Wassers möglichst so gestaltet, dass
schwache Kopplungen entstehen, die sich ingenieurswissenschaftlich beherrschen lassen.
Auswirkungen der Wasserentnahme, die sich direkt oder indirekt auf den Betrieb auswirken,
sind daher ebenso sehr zu vermeiden wie Entnahmepraktiken (oder deren Auswirkungen),
welche von außen stehenden gesellschaftlichen Gruppen wie Umweltverbänden, skandalisiert
werden könnten.
31 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
„Im Idealfall könnten es ingenieurstechnische Mittel ermöglichen, bei der Regulation dieser
Kopplungen sowohl das Versorgungssystem dauerhaft zu erhalten, als auch die
Versorgungsgrundlage der Gesellschaft zu erhalten (und vielleicht sogar weiterzuentwickeln)
anstatt sie zu bedrohen.“ (Becker/ Schramm 2001, S. 22)
Kopplungen in der sozial-ökologischen Forschung sind nicht so leicht zu bestimmen wie etwa
in der Mechanik, da „es sich hierbei um spezielle räumliche Konstellationen zwischen
Entitäten, um deren Metabolismus oder Energieübertragung usw. handeln kann“ (Becker/
Schramm 2001, S. 24). Um nun diese Kopplungen für den Bereich der Wasserversorgung zu
identifizieren, wurde von BECKER/ SCHRAMM eine Reihe von Indikatoren aufgestellt. Dies
geschah getrennt nach Kopplungen zwischen Wasserversorgung und Gesellschaft und
Wasserversorgung und Natur.
Eine Darstellung dieses Indikatorensets bietet Tabelle 5. Dabei ist zu beachten, dass BECKER/
SCHRAMM zwischen Wasserversorgung und Gesellschaft als mögliche Kopplungssysteme nur
starre und starke und für die Konstellation zwischen Wasserversorgung und Natur nur
schwache und starke Kopplungen festgestellt haben.
BECKER/ SCHRAMM halten fest, dass es komplizierter ist, Indikatoren zu identifizieren, mit
denen sich starke Kopplungskonstellationen kennzeichnen lassen. Darüber hinaus kommen
sie zu dem Schluss, dass die Darstellung von Indikatoren für die Kopplungen zwischen
Gesellschaft und Wasserversorgung einfacher ist als für die zwischen Wasserversorgung und
Natur. Einzige Ausnahme seien hier die energetischen Indikatoren. Dabei wird ein zentrales
Problem dieser Vorgehensweise deutlich. Sofern starke Kopplungen vorliegen, müssten
Nichtlinearitäten auftreten. Solche nichtlinearen Phänomene lassen sich aber empirisch
(naturwissenschaftlich und sozial-ökologisch) nur ex-post, also im Nachhinein, bestimmen,
„oder mit Hilfe von – bisher noch fehlenden – mathematischen Modellen prognostizieren“
(Becker/ Schramm 2001, S. 26) Ein weiteres Problem stellen die Zeitverzögerungen dar,
welche ökologische Gefüge bei der Reaktion auf (externe oder interne) Einflüsse aufweisen
und die es erschweren, den Übergang von schwachen zu starken Kopplungen näher zu
bestimmen. Zudem treten nichtlineare Effekte in Ökosystemen nicht singulär auf: „Bekanntlich entstehen Nichtlinearitäten in synökologischen Einheiten auch z.B. durch statistische Klimaschwankungen oder andere natürliche Ereignisse, z.B. durch tierisches Umwühlen der Vegetationsdecke oder Sukzessionsdynamiken, die zum Wiederauftreten oder Wegbleiben von Gefäßpflanzen, Bodenalgen, Insekten usw. führen können.“ (Becker/ Schramm 2001, S. 26) Die Aufstellung solcher Indikatoren wie in Tabelle 5, die sich einen Kopplungstyp zuweisen
lassen, ermöglicht es dann auch, festzustellen, ob es derzeit zu einem Übergang von einem
32 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Kopplungstyp zum anderen kommt. Daran ließe sich ablesen, inwieweit sich die Regulation
der Naturverhältnisse – in diesem eingeschränkten Feld – verändert und in welche Richtung.
Indikatoren für die starre und starke Kopplungskonstellationen zwischen Wasserversorgung und Gesellschaft: starre Kopplung starke Kopplung Abstimmung von Wasserangebot und Nachfrage
Lieferung von Wasser in Trinkwasserqualität im vordefinierten Lieferquantum; Anschluss- und Benutzungszwang
Intermittierende Versorgung; demand-side-management; freies Vertragsverhältnis zwischen Wasserversorgung und Kunden
Finanzielle Beziehung Gebührendeckungsprinzip: Anfallende Investitions- und Betriebspreise werden immer gezahlt
Marktpreise; Unternehmerisches Risiko
Politische Regulation Wasserrecht nach Vorgaben der Wasserversorger; Staat regelt Allokation nach WVS-Vorgaben; keine Grundwasserabgabe
Wasserrecht auch gegen Wasserversorgungs-Maximen; Allokationsprobleme müssen ausgehandelt werden; Grundwasserabgabe
Öffentliche Perzeption Wasserversorgung ist unauffällig; „es gibt keine Probleme“
„Probleme“ führen zu Akzeptanzkrisen und zu Marketingkampagnen
Indikatoren für schwache und starke Kopplungskonstellation zwischen Wasserversorgung und Natur: schwache Kopplung starke Kopplung Wasserentnahme: Hydrogeosphäre
Eingriff in Bilanz vernachlässigbar; nur tatsächlicher Überfluss wird entzogen
Entnahme nahe der Neubildung; Entnahme von Tiefengrundwasser nahe saliner Horizonte
Wasserentnahme: Ökosphäre, Landschaft
räumlich und zeitlich vernachlässigbare ökologische Effekte auf Landschaftsebene; zielgerichteter Abgang von Biotopen
erhebliche ökologische Effekte auf Vegetation; unbeabsichtigte Veränderungen/ Abgang von typischen Biotopen
Räumlicher Naturhaushalt
Funktion und Entwicklungsfähigkeit bleibt
Funktion oder Entwicklungshaushalt fraglich
Energiebedarf für Extraktion
sehr geringer Energiebedarf hoher Energiebedarf; Notstromaggregat nötig
Stoff- und Energiebedarf für Aufbereitung
fast keine Aufbereitung (außer Filtration, Mn, Fe)
Wasserqualität erfordert weitgehende Aufbereitung
Energiebedarf für Transport und Verteilung
sehr geringer Energiebedarf (Gefälleleitung)
hoher Energiebedarf; Notstromaggregat nötig
Abwasserprobleme gering Verlangen eigenes Entsorgungssystem Tab. 5: Indikatoren für starke Koppelungskonstellation zwischen Wasserversorgung und Gesellschaft bzw.
Natur. verändert übernommen aus: Becker/ Schramm 2001, S. 24f. So stellen BECKER/ SCHRAMM dann auch einen Übergang von schwachen zu starken
Kopplungen zwischen Natursphäre und Wasserversorgung fest. (vergl. Becker/ Schramm
2001, S. 27)
Bei der Extraktion von Wasser aus Oberflächengewässern (Flüsse, Seen, Quellen etc.) fehlt
das entnommene Wasser den jeweiligen Ökosystemen. Dies sorgt in der Talsperrenwirtschaft
für ein teilweises Unterschreiten von Wasserständen, die aus ökologischer oder
33 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
fischereibiologischer Sicht noch vertretbar wären. Weiterhin ist es aus ökologischer Sicht
problematisch, dass durch die Talsperrenwirtschaft die Tallandschaften umgestaltet und über
die Talsohlen hinaus permanent überschwemmt werden.
Auch die Extraktion von Grundwasser birgt ökologische Risiken: „Absterben von Wäldern,
Austrocknung von Feuchtgebieten, Artenwandel“ (Becker/ Schramm 2001, S. 27). Sekundäre
Effekte können aber auch den Menschen auf direktere Weise treffen, z.B. durch Setzrisse in
Häusern. Hier wird deutlich, dass diese nichtlinearen Effekte nicht direkt im gleichen
ökologischen – in diesem Fall hydrogeologischen – Teilsystem auftreten müssen, sondern
sich in andere Teilsysteme verlagern können.
Für die Gestaltung der Kopplungen zwischen Wasserversorgung und Natur halten BECKER/
SCHRAMM daher fest, dass diese „nur teilweise gesellschaftlich gestaltbar bzw. regulierbar“
(Becker/ Schramm 2001, S. 28) sind. Grund dafür sind natürliche Zufallsereignisse12, welche
die Wechselwirkungen zwischen beiden Sphären beeinflussen. Insofern sind auch die in der
Wasserwirtschaft gängigen Wasserhaushaltsbilanzen nicht geeignet, um Prognosen über die
Kopplungen zu treffen, da die Bilanzen diese entstehenden Probleme zweiter Ordnung nicht
berücksichtigen (können). Laut der Ressourcenmanagement-Regel gilt, dass nicht mehr
Wasser entnommen werden darf, als im langjährigen Mittel neu gebildet wird. Diese Regel
wird auch in den Wasserbilanzen und sogar in den Grundwassermodellierungen als Grundlage
für die Planung verwendet13. „Bei näherer Betrachtung der Probleme ist jedoch festzustellen, dass sich die Probleme wie auch die Handlungsanforderungen meist im Bereich unterhalb der 30-Jahres-Grenze bewegen. Wenn auch ein Grundwasserkörper in 30 Jahren, statistisch gesehen, als ausgeglichen angesehen werden kann, so liegen die Schwankungen eher im Vier- bis Fünf-Jahresrhythmus (die dann auch die entsprechenden Probleme produzieren). (...) Die Modellierung der nichtlinearen, nichtstationären Effekte erfordert jedoch die Berücksichtigung sowohl der Niederschlagsschwankungen als auch der durch menschliches Handeln bedingten Effekte und daran geknüpfte Rückkopplungen auf das Grundwassersystem.“ (Kluge 2003, S. 209f.)
Daher sprechen sich BECKER/ SCHRAMM dafür aus, die bisherige Praxis, das Wasser von
staatlicher Seite auf die verschiedenen Interessenten zu verteilen, zu überprüfen. Dazu sei
teilweise die Neuordnung des bewirtschafteten Wasserhaushaltes nötig und damit das
eventuelle Zurücknehmen bereits erteilter Entnahmebewilligungen. Für Gebiete mit hoher
Wassernachfrage wären erhöhte Wasserentnahmen oder Fernwasserversorgung nur 12 Dass solche „natürlichen Zufallsereignisse“ wiederum vom Menschen beeinflusst sein können, beweist das
Beispiel des Klimawandels. In der wissenschaftlichen Diskussion besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass dieser anthropogen beeinflusst ist. Dies bekräftigt aber gerade die These, dass nichtlineare Effekte zwischen einem hybriden Bereich (Wasserversorgung oder Küstenschutz) und der Natursphäre schwer zu regulieren sind, da über das Wechselspiel von solchen natürlichen Ereignissen und nichtlinearen Effekten kaum gesicherte Prognosen zu treffen sind.
13 Dies gilt im Übrigen auch für die neue EU-Wasserrahmenrichtlinie.
34 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
unzureichende Lösungsmöglichkeiten. Sinnvoller wären Maßnahmen zur Steigerung des
natürlichen Wasserdargebots.
Für das Einbringen von Schadstoffen in den Wasserhaushalt wird festgestellt, dass sich
punktförmige Emissionsquellen (z.B. Kläranlagen) gut mit dem Umweltrecht regulieren
lassen, während die Regulation flächenhafter Emissionen (Landwirtschaft) zusätzlich der
Kooperation entsprechender „Allianzen und Problemgemeinschaften“ (Becker/ Schramm
2001, S. 29) bedarf.
Auch für das Verhältnis von Gesellschaft zu Wasserversorgung stellen BECKER/ SCHRAMM
einen Übergang von starrer zu starker Kopplung fest.
Etwa ein Drittel des natürlichen Wasserdargebots (aus Grund-, Quell- und
Oberflächenwasser) wird in Deutschland zur Wasserversorgung der Bevölkerung, des
Gewerbes und der Industrie verwendet. Sowohl durch die zunehmende Zahl der Verbraucher,
aber auch durch geänderte Verhaltensweisen ist der Wasserverbrauch bis in die 1970er Jahre
ungefähr proportional zum Elektrizitätsverbrauch gestiegen. Nach etwa 20 Jahren der
Stagnation auf hohem Niveau (ca. 144 Liter pro Einwohner pro Jahr) ist er seit 1991 um etwa
zehn Prozent gesunken. (vergl. Becker/ Schramm 2001, S. 30) Die Ursache hierfür liegt vor
allem im Einsatz von neuen Wasserspartechnologien (in privaten wie öffentlichen
Einrichtungen), aber auch im „Bewusstseins- und Verhaltenswandel in der Bevölkerung
sowohl als Ergebnis der Umweltdebatte, (...) als auch in Folge gestiegener Kosten sowie z.T.
einer verbrauchsbezogenen Ermittlung des Wasserverbrauchs“ (Becker/ Schramm 2001, S.
30).
Der Übergang von einer starren zu einer starken Kopplung zwischen Gesellschaft und
Wasserversorgung wird vor allem „innergesellschaftlich durch wechselseitige, dynamische
Abhängigkeiten unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilsysteme“ (Becker/ Schramm 2001, S.
30) verstärkt.
Zur Gestaltung der Kopplung zwischen Wasserversorgung und Gesellschaft stellen BECKER/
SCHRAMM fest, dass die Betreiber der Wasserversorgung bestrebt sind, sich vorausschauend
weitere Ressourcen zu sichern und dass sie dabei in der Regel von der
Wasserwirtschaftsverwaltung und der Raumplanung unterstützt werden. Dadurch ist
gewährleistet, dass auch Nachfragespitzen bedient werden können. Die Alternative, nämlich
an der Nachfrageseite anzusetzen und zielgerichtet Wassersparen und Substitution von
Trinkwasser zu unterstützen, wird bisher nur in geringem Ausmaß berücksichtigt. So verweist
auch KLUGE (2003) darauf, „dass aufgrund hoher Fixkostenanteile Wassersparen nur bis zu
35 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
einem gewissen Grad sinnvoll ist, weil sonst diese Systeme betriebswirtschaftlich nicht mehr
rentabel arbeiten“ (Kluge 2003, S. 208).
Als eine Art Zwischenfazit über den Übergang zu starken Kopplungen von Natur und
Gesellschaft zur Wasserversorgung halten BECKER/ SCHRAMM fest: „Natur und Gesellschaft werden sich (...) bezogen auf die mit der Wasserversorgung verbundenen Problemlagen nicht mehr als tendenziell unabhängig von dem ‚Hybrid’ (...) Wasserversorgung bzw. voneinander betrachten lassen. Außerdem ist nicht davon auszugehen, dass die veränderten Konstellationen zwischen Gesellschaft und Natur dazu führen werden, dass die Problemdynamik aufgrund von Nicht-Linearitäten ‚chaotischer’ wird und Transformationen sehr schwer voraussagbar werden, weil sie nicht mehr alleine auf Gesellschaft oder auf Natur bezogen werden können.“ (Becker/ Schramm 2001, S. 32)
Die Zunahme von nichtlinearen Effekten könnte ihrer Auffassung nach zu erheblichen
Auswirkungen sowohl auf die Gesellschaft als auch auf die ökologische Ebene haben. Sie
könnten im Extremfall sogar zu einer sozial-ökologischen Transformationsdynamik führen,
die mit Strukturbrüchen verbunden wäre, welche sich nicht mehr im Prozess der
Selbstorganisation der Wasserversorgung lösen ließen. Wie genau sich diese Dynamik jedoch
entwickeln wird, lässt sich nach bisherigem Stand noch nicht vorhersagen.
Im Folgenden wird nun der Frage nachzugehen sein, inwieweit das Konzept der Kopplungen
auch im Wattenmeer Anwendung finden kann. Dazu wird angenommen, dass der
Küstenschutz ähnlich wie das Versorgungssystem ‚Wasserversorgung’ als hybrider Bereich
zwischen Gesellschaft und Natur im Bereich des Ökosystems Wattenmeer verstanden werden
kann.
4 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer und ihre Indikation
4.1 Vorbemerkung
In diesem Kapitel soll versucht werden, den Ansatz der gekoppelten Systeme von BECKER/
SCHRAMM auf das Wattenmeer zu übertragen, um im Anschluss ein geeignetes Indikatorenset
aufzustellen, mit dem sich sozial-ökologische Transformationen in der Wattenmeerregion
aufzeigen lassen. Ziel soll es sein, die Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer anhand der
Indikatoren beschreibbar zu machen.
Zu diesem Zweck soll geklärt werden, inwieweit sich der Küstenschutz als ‚System’ eignet,
welches als ‚hybrider Bereich’ (s.o.) zwischen Gesellschaft und Natur geschaltet werden
kann. Zunächst wird jedoch das Wattenmeer näher dargestellt, sowie erläutert, welche Rolle
36 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
der Küstenschutz in dieser Region spielt und wie seine ökologische und gesellschaftliche
Relevanz bewertet wird.
4.2 Wattenmeer
Das Wattenmeer ist ein „vom Meer überspültes Watt14, das durch Nehrungen oder niedrige
Inseln vom offenen Meer abgetrennt ist und dessen Dynamik des Wassers, der Sedimente und
der subaquatischen Formen von den Gezeiten bestimmt wird.“ (Leser 1998, S. 987) Es
erstreckt sich über ca. 500 Kilometer von Esbjerg in Dänemark bis Den Helder in den
Niederlanden, wobei die Breite zwischen 10 und 35 Kilometern schwankt. (vergl. Meyer et al.
1994, S. 18)
Letztlich lässt sich das Wattenmeer als Übergangszone zwischen dem offenen Meer und dem
Land auffassen. Dabei ist zu beachten, dass dieser Raum von zwei Seiten geprägt wird.
Seeseitig spielen vor allem die Gezeiten eine entscheidende Rolle, die zwei Mal am Tag große
Teile des Wattenmeeres überfluten und wieder trocken fallen lassen und so zusammen mit
den unregelmäßig auftretenden Sturmfluten den Raum prägen. Landseitig ist der Mensch der
wichtigste gestaltende Faktor. Vor allem die seit Jahrhunderten betriebenen Maßnahmen zur
Landgewinnung und zum Küstenschutz haben das heutige Erscheinungsbild des
Küstenraumes geprägt.15
Abb. 2: Landschaftliche Gliederung des Wattenmeeres. aus: Pott 1995, S. 27. 14 Unter Watt versteht man „temporär wasserbedecktes Land der Gezeitenküste, das mit den Gezeiten täglich
zweimal überflutet wird und zweimal wieder trocken fällt (...). Das Watt der Nordsee gilt als Prototyp der Watten. (...) Ausgedehnte Sand- und Schlickbereiche wechseln miteinander ab. Das Watt verfügt über ein kompliziertes Feinrelief, das infolge der Gezeitenströme eine große Geomorpho- und Hydrodynamik aufweist. (...)“ (Leser 1998, S. 987.)
15 Zur Sedimentation und Erosion an der Nordseeküste sowie dem Einfluss des Menschen auf morphologische Veränderungen im Küstenraum vergl. FLEMMING/ BARTHOLOMÄ (2003).
37 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Die im Wattenmeer lebenden Organismen sind an diese Umweltbedingungen besonders
angepasst. Dabei zählt das Wattenmeer inklusive seiner integrierten Inselsysteme, Vorländer
und Küstengebiete zu den größten in seinen ökosystemaren Abläufen noch weitgehend
erhalten gebliebenen Naturräumen. Die Nutzung dieses Raumes durch den Menschen hat
bereits eine lange Tradition. Zu nennen sei hier in erster Linie die Fischerei, aber auch die
Landwirtschaft. In den letzten 2000 Jahren ist kaum eine Landschaft in Mitteleuropa vom
Menschen so stark verändert worden, wie der Nordseeküstenraum mit seinen Marschen.
MEIER (2003) weist auf die landseitig der Deiche gelegenen Entwässerungsgräben, Felder und
Weiden mit ihren Siedlungsmustern hin, die den Küstenraum als eine Kulturlandschaft
prägen. Auch im Wattenmeer selbst finden sich Kulturspuren (untergegangene Warften,
Kirchen etc.), die belegen, dass die Morphologie der Küste einem steten Wandel unterzogen
und immer noch aktiv ist. An dieser Stelle wird bereits ersichtlich, dass aufgrund der
intensiven Nutzung dieses Raumes durch den Menschen auch die Ökologie des Wattenmeeres
und der Küstengebiete nicht ohne den Einfluss des Menschen und der Gesellschaft betrachtet
werden kann.
4.3 Küstenschutz in der Wattenmeerregion
Allgemein ist festzuhalten, dass Küstenschutz und Naturschutz „in einem ‚natürlichen’
Spannungsverhältnis zueinander“ (Schirmer 2003, S. 395) stehen. Während der Naturschutz –
vor allem in Gestalt der Nationalparke – bestrebt ist, die natürlichen Prozesse und Dynamiken
im Küstenraum zu erhalten, ist das Ziel des Küstenschutzes, gerade diese Dynamik
auszuschalten. „Dabei benutzt der Küstenschutz für den Deich und als vorgelagerte
Schutzstrukturen überwiegend solche Flächen, die als amphibisch-terrestrische
Übergangszone mit Quellerwatt und Salzwiese räumlich begrenzte Saumbiotope mit hoch
spezialisierten Biozönosen darstellen.“ (Schirmer 2003, S. 395)
Im Generalplan Küstenschutz des Landes Schleswig-Holstein wird bereits im Vorwort
festgehalten, dass ein gesellschaftlicher Konsens darüber besteht, dass der Küstenschutz
„wegen seiner lebensschützenden Funktion Vorrang vor anderen Interessen, auch vor den
Interessen des Naturschutzes“ (Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung
und Tourismus des Landes Schleswig-Holsteins 2001, S. 1) genießt. Dieses Primat des
Küstenschutzes vor dem Naturschutz wird beibehalten, auch wenn eingestanden wird, dass
Küstenschutz keine isolierte Fachplanung mehr darstellt, sondern dass die Koordination mit
anderen Politikfeldern und Nutzungsinteressen im Küstenraum notwendig ist.
38 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Abbildung 3 bietet einen Überblick über das Planungsgebiet für den Küstenschutz in
Schleswig-Holstein.
Abb. 3: Planungsgebiet Küstenschutz nach Generalplan Küstenschutz (Schleswig-Holstein).
aus: Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Tourismus des Landes Schleswig-Holsteins 2001, S. 71.
39 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Die hellgrün hervorgehobenen Flächen zeigen die Küstenniederungen unterhalb von +5m NN
(an der Westküste), die durch Sturmfluten und Hochwasser besonders bedroht sind.
Die historische Funktion des Küstenschutzes und der Errichtung von Deichen, nämlich die
Landgewinnung, wird in der heutigen Diskussion in Deutschland nicht weiter verfolgt, da ein
zusätzlicher Bedarf an landwirtschaftlichen Nutzflächen von Seiten der Landesregierung nicht
mehr gesehen wird. (vergl. Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und
Tourismus des Landes Schleswig-Holsteins 2001, S. 20)
Tabelle 6 bietet einen Überblick über die gängigen Küstenschutzmaßnahmen in Deutschland
sowie eine kurze Bewertung der Vor- und Nachteile dieser Maßnahmen.
Art Beispiele von den deutschen Küsten
Vorteile Nachteile
Wohnhügel (Warften/ Wurten) bis zu 5 m ü. NN
auf den Halligen Nordfrieslands
leicht zu errichten kein Flächenschutz
Deiche (und ähnliche Uferlängswerke) bis zu 9 m ü. NN
an allen Küsten bisher beste Schutzmaßnahme
ständige Unterhaltung, können nicht in unendliche Höhen gebaut werden
Eindeichungen von Buchten
z.B. Nordstrander Bucht Verkürzung der Küstenlinie
sehr teuer, verändert die Sedimentdynamik
Sperrwerke in Tideflüssen
z.B. Ochtum, Lesum, Hunte oder Eider
schützt sensible Bereiche vor Sturmfluten
sehr teuer, einfache Sicherheit
Sturmflutschutzmauern und Polder in Städten
Hamburg Platz sparend steile Wände verstärken den Wellenangriff
Fußsicherungen von Deichen (z.B. Tetrapoden)
Sylt keine Unterhaltung nötig wenig erfolgreich
Buhnen an allen Küsten einfach mit Naturmaterialien zu errichten
kein Sturmflutschutz
Lahnungen Nordseeküste dienen der Landgewinnung
können leicht seeseitig zerstört werden
Wellenbrecher z.B. Mecklenburg-Vorpommern
Verhindert Küstenrückgang
nur auf kurzen Abschnitten sinnvoll
Sandvorspülungen Brandungsküsten sehr effektiv eher teuer, Wiederholungen nötig
Ingenieurbiologische Maßnahmen
Dünenbepflanzung an allen Küsten, Küstenschutzwälder in Mecklenburg-Vorpommern
hoher ökologischer Wert mäßig effektiv
Tab. 6: Küstenschutzmaßnahmen in Deutschland. verändert übernommen aus: Behnen 2000, S. 183.
Letztlich lässt sich festhalten, dass durch die Errichtung von Deichen und die Entwässerung
von Küstengebieten das Wattenmeer landseitig so verändert worden ist, „dass eine natürliche
40 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Anpassung der Küste an einen ansteigenden Meeresspiegel nicht mehr möglich ist“ (Reise
1996, S. 442).
EXKURS: Indikatoren
Bevor im weiteren Verlauf unterschiedliche sozio-ökonomische und ökologische Indikatoren
dargestellt werden sollen, welche die Dynamik zwischen Mensch und Umwelt im
Wattenmeer kennzeichnen, soll hier zunächst ein Überblick über die gängige Praxis der
Indikatorenbildung und -darstellung (vor allem im Hinblick auf sozial-ökologische
Problemlagen und das Wattenmeer) erfolgen.
Allgemein gilt für Indikatoren (wörtlich: ‚Anzeiger’), dass diese einen Sachverhalt niemals
vollständig beschreiben können. Daher ist es wichtig, einen Indikator so zu wählen, dass er
möglichst zielgenau alle relevanten Aspekte des darzustellenden Phänomens repräsentiert.
Entscheidend ist auch die Aggregationsebene. Je höher diese gewählt wird, desto einfacher
wird das Indikatorensystem, desto unschärfer jedoch auch die Problembeschreibung. Stärker
differenzierte Indikatorensysteme verlieren dafür an Übersichtlichkeit. Da zudem bei der
Auswahl von Indikatoren immer auch Annahmen über mögliche kausale Zusammenhänge
enthalten sind, haben Indikatoren immer auch einen normativen Charakter. Die Problematik
verschärft sich, wenn es – wie zum Bespiel bei der Darstellung sozialer Dimensionen – um
die Erfassung qualitativer Elemente geht. Dagegen sind quantitative Elemente (z.B.
Schadstoffkonzentrationen) verhältnismäßig einfach festzuhalten. (vergl. Empacher/ Wehling
1999, S. 13f.)
EMPACHER und WEHLING (1999) diskutieren die Problematik der Erstellung von
Indikatorensets für soziale Nachhaltigkeit. Wie bereits erläutert, orientieren sich sowohl GÖRG
als auch BECKER/ SCHRAMM an der Sozialen Ökologie. Da auch EMPACHER/ WEHLING dieser
Forschungsrichtung angehören, erscheint es sinnvoll, zu überprüfen, ob ihr Konzept der
sozialen Nachhaltigkeit geeignet ist, um Indikatoren für die Mensch-Umwelt-Dynamik
bereitzustellen.
Für EMPACHER/ WEHLING hat die soziale Nachhaltigkeit vier Kernelemente: „ 1. Existenzsicherung aller Gesellschaftsmitglieder
2. Erhaltung und Weiterentwicklung der Sozialressourcen 3. Chancengleichheit im Zugang zu Ressourcen 4. Partizipation an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen“ (Empacher/ Wehling 1999, S. 9)
Diese vier Elemente dienen ihnen als Bezugsrahmen für die Auswahl von Indikatoren für
soziale Nachhaltigkeit.
41 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Zu 1.: EMPACHER/ WEHLING orientieren sich hier eng am Konzept der Grundbedürfnisse,
wobei sie für die Verwendung eines weit ausgelegten Begriffs der Grundbedürfnisse
plädieren, zu dem neben den physischen, zum Überleben notwendigen Bedürfnissen
(Ernährung, Kleidung, Wohnung etc.) auch immaterielle und kulturelle Elemente wie
Integration in soziale Zusammenhänge und Freizeit zählen. Erst diese umfassendere
Sichtweise würde eine dauerhafte und menschenwürdige Existenzsicherung bedeuten.
Zu 2.: In diesem Punkt geht es um die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung von
(Handlungs-)Ressourcen, die für den Zusammenhalt und das Funktionieren von sozialen
Systemen notwendig sind. Gemeint sind solche Ressourcen, die zwar individuell angeeignet
und genutzt werden können, jedoch nur aufgrund der gesellschaftlichen Zusammenhänge
überhaupt bereit stehen. Dazu zählen u.a. soziale Beziehungsnetze, gesellschaftliches Wissen
oder kulturelle Traditionen, Erfahrungen und Kompetenzen. Für die soziale Nachhaltigkeit ist
es zudem erforderlich, dass Ressourcen wie Solidarität, Toleranz, Integrations-,
Selbstorganisations- und Kooperationsfähigkeit weiter ausgebaut werden.
Zu 3.: Mit Chancengleichheit ist hier sowohl die inter- als auch die intragenerative
Gerechtigkeit gemeint. Nur wenn für alle Gesellschaftsmitglieder der Zugang zu
gesellschaftlichen Ressourcen gewährleistet ist, wird ein nachhaltiger Entwicklungsprozess
auf breiter gesellschaftlicher Basis ermöglicht. Dies gilt sowohl für eine gerechte Verteilung
der Einkommen, wie auch des Zugangs zu Bildungs-, Gesundheits- und Rechtseinrichtungen.
Zu 4.: Mit der Forderung nach möglichst breiter Partizipation ist der Gedanke verbunden, dass
nur bei Beteiligung möglichst aller Gesellschaftsmitglieder ein Prozess der nachhaltigen
Entwicklung vollzogen werden kann, der über die notwendige Breite, Stabilität und Qualität
verfügt. Dazu zählt auch die kritisch-reflexive Überprüfung und Weiterentwicklung bisheriger
gesellschaftlicher Institutionen und Verfahren. (vergl. zu diesen vier Aspekten Empacher/
Wehling 1999, S. 10ff.)
Für jedes dieser vier Kernelemente bieten EMPACHER/ WEHLING ein Set von Indikatoren und
zusätzlich zwei Leitindikatoren an, die diesen Bereich möglichst umfassend abdecken
sollen.16 Die Analyse dieser Indikatoren zeigt jedoch, dass sich diese Indikatoren nicht eignen,
um im Rahmen dieser Arbeit die Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer zu erfassen und 16 Die vollständige Liste dieses Indikatorensets findet sich bei EMPACHER/ WEHLING (1999) im Anhang (S. 37ff.).
Zu den Leitindikatoren für die einzelnen Kernelemente gehören demnach: HPI 2 (Human Poverty Index 2 der UNEP; enthält Angaben über Bildungs-, Gesundheits-, Einkommens- und Beschäftigungssituation), Allgemeine Lebenszufriedenheit (beide zu 1.), Anteil der Bevölkerung mit Gefühlen der Sinnlosigkeit/ Einsamkeit sowie Zeitaufwendung für soziale, politische, ehrenamtliche Aktivitäten (beide zu 2.), Gini-Koeffizient (Einkommensverteilung innerhalb der Bevölkerung) und Gender Empowerment Measure (GEM) (beide zu 3.), sowie gewichteter Anteil derer, die sich bei Wahlen und nicht-institutionalisierten politischen Protestformen beteiligen und Zufriedenheit mit politischer Partizipation (beide zu 4.).
42 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
darzustellen. Gleiches gilt für das sozioökonomische Wattenmeermonitoring des Landesamtes
für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Hier werden folgende Parameter
zur Kennzeichnung des sozio-ökonomischen Zustandes in der Wattenmeerregion erhoben: „a) Anzahl Schiffe (Teilflächen) b) Anzahl Wattführungen (Gesamtgebiet) c) Flugverkehr (Gesamtgebiet) d) Menschliche Aktivitäten (Teilflächen)“ (Gätje 2000, S. 38) Die ersten drei Indikatoren gehören auch zum Gemeinsamen Monitoringpaket (Common
Package) innerhalb des Trilateralen Wattenmeerabkommens. (vergl. Gätje 2000, S. 38)
Diese vier Indikatoren eignen sich aus unterschiedlichen Gründen nicht, um die Mensch-
Umwelt-Dynamik zu kennzeichnen. Ihre Gemeinsamkeit liegt jedoch darin, dass sie sich nicht
– oder nicht in ausreichendem Maße – auf den Bereich des Küstenschutzes anwenden lassen,
der als hybrider Bereich zwischen Gesellschaft und Wattenmeer verstanden werden soll.
In größerem Umfang als sozialwissenschaftliche bzw. sozio-ökonomische Indikatoren und die
entsprechenden Daten, werden naturwissenschaftliche Daten erhoben. Dies lässt sich vor
allem damit begründen, dass die Erhebung der meist physikalischen Parameter einfacher zu
bewerkstelligen ist als die von sozialen Daten. Von daher gibt es auch eine Vielzahl von
unterschiedlichen Indikatoren, die auf diesen naturwissenschaftlichen Daten basieren und die
hier nicht alle explizit aufgeführt werden können.17 Für das Wattenmeer existiert im Rahmen
der Trilateralen Wattenmeerkooperation unter anderem ein Integriertes Monitorings- und
Bewertungsprogramm. „Das entwickelte Programm kombiniert ein umfassendes Set aus physikalischen, chemischen, biologischen und sozio-ökonomischen Parametern, die Informationen der räumlichen und zeitlichen Entwicklung des Ökosystems liefern. Die Erforschung des Wattenmeeres bildet die Grundlage zur Beobachtung der Veränderungen des Ökosystems und zur Entwicklung von Maßnahmen zu seinem Schutz.“ (Bartels 2000, S. 15)
Zu den wichtigsten Variablen, die von den unterschiedlichen Messsystemen in der Nordsee
erfasst werden, zählen die Phytoplanktondichte und -zusammensetzung, die Nährstoff- und
Schwebstoffkonzentration sowie physikalische Variablen wie Temperatur, Salzgehalt,
Seegang oder Eindringtiefe des Lichts. (vergl. Doerffer/ Colijn 2003, S. 385)
4.4 Vorannahmen für den hybriden Bereich ‚Küstenschutz’
Um zu untersuchen, inwiefern der Küstenschutz als hybrider Bereich zwischen Gesellschaft
und Natur verstanden werden kann, müssen zunächst eine Reihe von Vorannahmen getroffen
werden. Dies kann analog zu den Vorannahmen erfolgen, die BECKER/ SCHRAMM für den
17 Zur Darstellung von Indikatoren aus dem Bereich der Umweltforschung vergl. RENNINGS (1994).
43 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Bereich der Wasserversorgung formuliert haben. Es sind drei Feststellungen zu treffen, die im
Folgenden kurz dargestellt und kurz erläutert werden sollen.
1. Der Küstenschutz fungiert als vermittelnde Instanz zwischen Gesellschaft und
Natur und greift als solche in den Stoff- und Energiefluss im Wattenmeer ein.
Darüber hinaus ermöglicht der Küstenschutz so menschliche Aktivitäten im
Küstenraum, die ansonsten nicht möglich wären.
Durch die Errichtung von Deichen wird im Wattenmeer der Sedimenttransport verändert, da
die niedrig gelegenen Küstenabschnitte nicht mehr zur Überschwemmung zur Verfügung
stehen und die Brandung nicht mehr auslaufen kann. Aus dem gleichen Grund ist die
Wellenenergie beim Aufprall auf den Deichwall gesteigert. Der Mensch verändert also durch
die von ihm installierten Küstenschutzmaßnahmen die natürlichen Stoff- und Energieflüsse.
Gleichzeitig bieten die errichteten Deiche einen Schutz der dahinter liegenden Küstengebiete
und ermöglichen so menschliche Aktivitäten. Dazu zählen sowohl individuelle Nutzungen des
Raumes wie Wohnen oder Erholung, aber auch übergeordnete gesellschaftliche Aktivitäten
wie Wirtschaften, Landwirtschaft oder das Errichten öffentlicher Infrastruktur. Der Raum
wird somit durch den Küstenschutz erst volkswirtschaftlich erschlossen.
2. Der Küstenschutz ist ein gekoppeltes sozial-ökologisches System, also ein System
mit gesellschaftlichen und natürlichen Elementen.
Diese Vorannahme schließt eng an die erste an. Die gesellschaftlichen (z.B. Schutzfunktion,
aber auch hohe Kosten zur Erhaltung der Deiche) und natürlichen Elemente (z.B. veränderter
Sedimenttransport) sind bereits erläutert worden. Es folgt die Feststellung, dass es sich hierbei
um ein stark gekoppeltes System handelt. Beispielhaft ist hierfür die Diskussion um den
drohenden Meeresspiegelanstieg im Zuge der Klimaveränderung. Hier sind komplexe
natürliche (aber auch anthropogene) Wirkungszusammenhänge beteiligt, die zum Anstieg des
Meeresspiegels führen (können) und die einen erhöhten Aufwand in Sachen Küstenschutz
erfordern.18 So würde ein erhöhter Meeresspiegel zu weiteren Veränderungen im Sediment-
und Stofffluss im Wattenmeer führen, ebenso zu einem erhöhten Risiko für die Bewohner der
Küstenregion und einem erhöhten Kostenaufwand für die Erhaltung bzw. Erhöhung der
Deiche. Insofern lässt sich hier durchaus von einer starken Kopplung zwischen Küstenschutz
und Natur auf der einen und Küstenschutz und Gesellschaft auf der anderen Seite sprechen.
3. Der Küstenschutz ist ein selbstorganisierendes System, wenn die Akteure in das
System mit einbezogen werden.
18 Vergl. hierzu CPSL (2001).
44 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Die Errichtung und auch die Erhaltung und Erhöhung der Deiche und anderer
Küstenschutzmaßnahmen sind sowohl gesellschaftlich akzeptiert und erwünscht als auch
politisch gewollt.19 Insofern hat sich ein selbstorganisierendes System aus Betreibern
(Landesregierung sowie untergeordneten Behörden) und weiteren Akteuren gebildet.
4.5 Koppelungen zwischen Küstenschutz und Gesellschaft bzw. Natur
Mit Hilfe der eben skizzierten Vorannahmen sollen nun die Kopplungskonstellationen
zwischen Küstenschutz und Gesellschaft bzw. zwischen Küstenschutz und Natur aufgezeigt
werden. Dabei wird deutlich, dass es sich hier ebenfalls anbietet, auf das Konzept der
Kopplungen von BECKER/ SCHRAMM zurückzugreifen.
Küstenschutz wird also im Folgenden als hybrider Bereich zwischen Gesellschaft und Natur
verstanden. Zu beiden Sphären steht der Küstenschutz dabei in engen Wechselbeziehungen.
Verdeutlicht wird dies durch Abbildung 4.
Abb. 4: Schema: Küstenschutz als hybrider Bereich zwischen Gesellschaft und Natur. Eigene Darstellung. 19 Beispielhaft die Aussage von BOIE (1998), Vertreter des Deich- und Hauptsielverbandes Dithmarschen:
„Forderungen von Küstenbewohnern lauten hingegen: Naturschutz Ja – soweit die Deichsicherheit und damit die berechtigten Interessen der Bevölkerung hinter den Deichen nicht beeinträchtigt werden. Naturschutz Nein – wenn ökologisches Wunschdenken Vorrang hat. Der Schutz der Menschen bleibt vorrangige Forderung, unser Motto lautet dabei: Küstenschutz ist Kulturschutz.“ (Boie 1998, S. 28.)
45 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Die Wechselbeziehungen werden in diesem Schema durch die farbigen Pfeile symbolisiert.
Der Küstenschutz hat – durch die Errichtung von Deichen und anderen Anlagen –
Auswirkungen auf die beiden Sphären Gesellschaft und Natur (blaue Pfeile). Diese haben
wiederum Auswirkungen auf den Bereich des Küstenschutzes (roter Pfeil: gesellschaftliche
Auswirkungen; grüner Pfeil: ökologische Auswirkungen).
Die folgende Tabelle 7 zeigt nun die unterschiedlichen Kopplungskonstellationen zwischen
Küstenschutz und Gesellschaft sowie zwischen Küstenschutz und Natur. Anders als bei
BECKER/ SCHRAMM sollen in dieser Tabelle zunächst nur die Aspekte der jeweiligen
Kopplungskonstellationen dargestellt werden. Die Aufstellung von entsprechenden
Indikatoren, um diese Aspekte zu kennzeichnen, erfolgt an anderer Stelle (4.5.1.1 bis
4.5.6.2).20
Diese Tabelle geht von Wenn-dann-Beziehungen aus. Für die erste Zelle der ersten Zeile lässt
sie sich daher folgendermaßen lesen: Wenn für die Beziehung zwischen Küstenschutz und
Gesellschaft bezüglich der gesellschaftlichen Funktion von Küstenschutz eine starre
Kopplung angenommen wird, dann dient der Küstenschutz der Sicherung der Küstengebiete.
Aspekte der Kopplungskonstellationen zwischen Küstenschutz und Gesellschaft: starre Kopplung starke Kopplung Gesellschaftliche Funktion - Küstenschutz dient der Sicherung
der Küstengebiete und eventuell der Neulandgewinnung (historisch)
- Küstenschutz erfüllt Schutzfunktion, steht aber im Nutzungskonflikt mit anderen Interessen (z.B. Naturschutz)
Finanzielle Beziehung - Staat zahlt jede anfallende und notwendige Maßnahme für den Küstenschutz (Reparaturen, Erhöhungen etc.)
- Finanzierung erfolgt daher in Form eines Automatismus: „Naturbedingungen diktieren Maßnahmen des Küstenschutzes“
- Staat wägt Kosten-Nutzen-Verhältnis im Zuge fehlender öffentlicher Gelder verstärkt ab
- nicht mehr alle Küstenschutz-maßnahmen werden finanziert, bzw. einzelne Vorhaben werden aufgeschoben
- einzelne Projekte werden eventuell privat finanziert
- eventuelle Aufgabe einzelner Deichabschnitte und dahinter liegender Flächen
Politische Regulation - Küstenschutz wird entsprechend den Interessen der Bewohner des Küstenraumes betrieben
- Deichinstandhaltung und Deicherhöhung wird entsprechend umgesetzt
- Küstenschutz genießt Priorität vor anderen Nutzungsformen
- hard engineering dominiert im Küstenschutz
- Küstenschutz erfolgt nur in Abwägung mit anderen Nutzungsinteressen, vor allem dem Naturschutz
- Rückdeichungen werden zumindest in Betracht gezogen
- Küsten(zonen)management gewinnt an Bedeutung
20 BECKER/ SCHRAMM überschreiben ihre Tabelle bereits mit dem Begriff „Indikatoren für
Kopplungskonstellationen“. Eine Operationalisierung dieser Indikatoren und entsprechendes Datenmaterial wird jedoch nicht geboten.
46 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Öffentliche Perzeption - Küstenschutz funktioniert - keine ‚Katastrophen’ - Hochwasser und Sturmfluten
richten keine Schäden an - keine Überschwemmungen - daher: hohe Akzeptanz in der
Bevölkerung
- veränderte Formen des Küstenschutzes, z.B. als ‚Neue Allianzen’ (s.o.) würden die Akzeptanz des Küstenschutzes mindern
- kritisch betrachtet werden Kürzungen von öffentlichen Mitteln im Bereich Küstenschutz sowie Privatisierungen
Aspekte der Kopplungskonstellationen zwischen Küstenschutz und Natur: schwache Kopplung starke Kopplung Auswirkungen der Küstenschutzmaßnahmen auf den Energie- und Stoffhaushalt: landseitig
- Küstenschutzmaßnahme hat keine Auswirkungen auf die landseitigen Ökosysteme
- Flächen können im Normalfall weiterhin überflutet werden, solange kein Hochwasser eintritt (s. Oosterschelde)
- Küstenschutzmaßnahme verhindert die Überflutung von Salzwiesen und beeinflusst damit das Ökosystem hinter dem Deich
- Entwässerung der Flächen hinter dem Deich wird durch Deichanlagen erschwert
- Arteninventar von Salzwiesen wird verringert
Auswirkungen der Küstenschutzmaßnahmen auf den Energie- und Stoffhaushalt: seeseitig
- Küstenschutzmaßnahme wirkt sich nicht auf die Wellenenergie aus
- keine negativen Effekte für das marine Ökosystem sowie die Geomorphodynamik (Sedimentbilanz)
- Küstenschutzmaßnahme hat Einfluss auf die Geomorpho- und Hydrodynamik (Sedimentbilanz) und schafft dadurch andere Biozönosen (durch Erhöhung der Wellenenergie und damit der Brandungsaktivität
- Meeresspiegelanstieg21 gefährdet Deichsicherheit
Tab. 7: Aspekte der Kopplungskonstellationen zwischen Küstenschutz und Gesellschaft bzw. Natur. Eigene Darstellung.
Es wird deutlich, dass es sich auch in diesem Falle anbietet, bei den Kopplungskonstellationen
zwischen Küstenschutz und Gesellschaft von möglichen starren bzw. starken Kopplungen,
und für die Beziehung zwischen Küstenschutz und Natur von schwachen bzw. starken
Kopplungen auszugehen.
Im Folgenden sollen nun die in der Tabelle dargestellten Aspekte der jeweiligen
Kopplungskonstellationen näher erläutert werden, bevor im Anschluss Indikatoren aufgestellt
werden sollen, welche diese Zusammenhänge kennzeichnen.
4.5.1.1 Gesellschaftliche Funktion des Küstenschutzes
Es wurde bereits erläutert, dass der Küstenschutz nicht mehr alle Funktionen erfüllen soll, die
er historisch gesehen zu erfüllen hatte. So spielt der Bereich der Neulandgewinnung heute
keine Rolle mehr. Von übergeordneter Relevanz ist dagegen die Schutzfunktion. So zielt der
Küstenschutz auf die Erhaltung von Leben und Gesundheit der Menschen im Küstenraum ab
21 Den Meeresspiegelanstieg an dieser Stelle zu „natürlichen Prozessen“ zu zählen, beinhaltet keine normative
Aussage über die Ursache des Meeresspiegelanstieges. D.h., dass in diesem Fall die vermutete anthropogene Mitverursachung (anthropogen verursachter Klimawandel, anthropogener Treibhauseffekt etc.) nicht berücksichtigt wird. Entscheidend ist hier, dass sich die Auswirkungen in der Natursphäre niederschlagen (in Form des Meeresspiegelanstieges und der Häufung von Sturmfluten).
47 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
und wie gesagt nicht mehr auf die Erhaltung aller Flächen. Dennoch werden auch
landwirtschaftliche und gewerbliche Flächen und Güter als Schutzobjekte des Küstenschutzes
genannt. Dabei soll der Küstenschutz jedoch im Hinblick auf den Naturschutz „so schonend
wie möglich in die Natur eingreifen“ (Probst 1998, S. 152).
Wie groß die gesellschaftliche Bedeutung des Küstenschutzes ist wird deutlich, wenn man
betrachtet, wie groß die gefährdeten Flächen in der jeweiligen Küstenregion sind. Abbildung
5 zeigt dies beispielhaft für Schleswig-Holstein.
Abb. 5: Potentiell sturmflutgefährdete Gebiete in Schleswig-Holstein.
aus: http://landesregierung.schleswig-holstein.de/coremedia/generator/Aktueller_20Bestand/A__Bilder/ IM/ ZAL/K_C3_BCstenschutz__Bild1,templateId=render.html, Download am 09.12.2003.
„Fast 25 % der Landesfläche, das sind rund 3.700 km², zählen zu den so genannten überflutungsgefährdeten Küstenniederungen. In diesem Raum leben rund 345.000 Menschen und sind Sachwerte in Höhe von 47
48 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren Milliarden € vorhanden. Etwa 172.000 Arbeitsplätze erzielen eine Bruttowertschöpfung in Höhe von ca. 8,5 Milliarden € jährlich.“ (http://landesregierung.schleswig-holstein.de/coremedia/generator/Aktueller_20Bestand/IM/Information/ K_C3_BCstenschutz/K_C3_BCstenschutz_20Einf_C3_BChrung.html, Download am 09.12.2003)
Zu beachten ist, dass die in dieser Zusammenstellung angegebenen Daten sich auf das
gesamte Gebiet Schleswig-Holsteins beziehen und daher auch die Ostseeküste umfassen.
Tabelle 8 verdeutlicht anhand wesentlicher Kennzahlen aus dem schleswig-holsteinischen
Marschgebiet bietet die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Küstenschutzes.
Fläche des Marschgebietes in Schleswig-Holstein (unterhalb von NN +5 m) 3.404 km² Einwohner ca. 253.000 Arbeitsplätze ca. 85.000 Vorhandene Sachwerte ca. 32 Mrd. Euro Länge der Deichlinie davon: - Landesschutzdeiche - Überlauf- und sonstige Deiche
408 km 364 km 44 km
Anzahl der Entwässerungsanlagen in den Landesschutzdeichen (Siele, Schöpfwerke, Sperrwerke)
46
Tab. 8: Kennzahlen der Marschenregion in Schleswig-Holstein (unterhalb von NN +5 m). Eigene Darstellung, Daten aus: Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Tourismus des Landes Schleswig-Holsteins 2001, S. 12.
Was hier am Beispiel Schleswig-Holstein deutlich wird, trifft zum Beispiel in den
Niederlanden in noch größerem Ausmaße zu. Dort sind über 50 Prozent der Staatsfläche vom
Hochwasser gefährdet (vergl. Koutek 1994, S. 18). Dementsprechend ist der Küstenschutz in
den Niederlanden, die ja zudem das am dichtesten besiedelte Land Europas sind, von noch
existenziellerer Bedeutung als im vergleichsweise bevölkerungsarmen Schleswig-Holstein.
Während jedoch in Schleswig-Holstein die Maßnahmen zum Küstenschutz zwar in
‚Abwägung’ mit ökologischen Gesichtspunkten erfolgen sollen, dabei in der Realität jedoch
fast immer Priorität genießen, finden sich in den Niederlanden auch Beispiele dafür, dass sich
ökologische Aspekte bei der Errichtung von Küstenschutzanlagen durchaus integrieren lassen.
Zu nennen wäre hier das Beispiel des Sturmflutwehres in der Oosterschelde (Abbildung 6).
Dieses Wehr schließt sich nur in Notfällen und ermöglicht es so, annähernd ganzjährig die
natürlichen Begebenheiten im angrenzenden Biotop zu erhalten.
„Der Bau des Sturmflutwehres stellt eine technische Höchstleistung dar, mit dem wichtigsten
Ziel, ein Stück einzigartiger Natur zu erhalten; das Ziel Küstenschutz alleine wäre mit viel
geringerem Aufwand erreichbar gewesen.“ (Koutek 1994, S. 19)
49 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Abb. 6: Sturmflutwehr in der Oosterschelde. aus: http://ifh-nn.bau-verm.uni-karlsruhe.de/nl-99/ berichte/04/oosterschelde.htm, Download am
31.10.2003.
Es wird also deutlich, dass sich die Niederlande bewusst dafür entschieden haben, eine
Küstenschutzmaßnahme so umzusetzen, dass nicht nur das gesellschaftlich-ökonomische Ziel
‚Hochwasserschutz’ erreicht wird, sondern gleichzeitig auch die Erhaltung der natürlichen
Umwelt weitestgehend realisiert wird. Bemerkenswert ist dies vor allem deshalb, weil dafür
auch der erhebliche finanzielle Mehraufwand einer derart aufwendigen Wehranlage in Kauf
genommen wurde. Dabei ist es zunächst weniger relevant, über welche finanziellen
Spielräume die jeweiligen öffentlichen Haushalte verfügen, da es hier in erster Linie auf die
Gewichtung ‚Küstenschutz’ (gesellschaftlicher Nutzen) und ‚Naturschutz’ (ökologischer
Nutzen) ankommt. Dies gilt umso mehr, als für die Küste Schleswig-Holsteins
Rückdeichungen, die aus ökologischer Sicht sinnvoll sein können, wenn überhaupt, nur im
Ausnahmefall veranlasst werden. Dies ist eine eindeutig normative Festlegung, da in anderen
Bereichen, z.B. dem Steinkohletagebau in Nordrhein-Westfalen, die Umsiedlung mehrerer
Tausend Menschen aus ökonomischen Gründen politisch gewollt ist und daher umgesetzt
wird.22
4.5.1.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Gesellschaftliche Funktion
Wie erläutert bezieht sich die gesellschaftliche Funktion des Küstenschutzes vor allem auf
den Schutz von Menschenleben sowie Sachwerten im von Sturmfluten gefährdeten
Küstengebiet. Je mehr Menschen in diesen Gebieten leben und je höher die Sachwerte sind,
desto starrer ist die Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und Gesellschaft, da dann
22 Zu Forschungsansätzen bezüglich Deichrückbau an der Ostseeküste s. KOWATSCH (1997).
50 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
die Bereitschaft sinkt, von der gesellschaftlich akzeptierten Schutzfunktion des
Küstenschutzes Abstand zu nehmen und andere Nutzungsformen – insbesondere den Umwelt-
und Naturschutz – in Erwägung zu ziehen. Je größer die Bevölkerungszahl und -dichte und je
höher die Sachwerte und größer die gefährdeten Flächen, desto starrer wird am Primat des
Küstenschutzes vor anderen Nutzungsformen festgehalten. Wären die Küstengebiete weniger
dicht besiedelt (und damit die Sachwerte geringer), so wäre die Kopplungskonstellation
stärker ausgeprägt, da dann andere Nutzungsformen in Betracht kämen und bisherige
Denkmuster aufgegeben werden könnten – eventuell sogar müssten.
Tabelle 9 gibt einen Überblick über Flächen unterhalb von +5m NN, die durch
Landesschutzdeiche geschützt werden. Aufgelistet sind zudem die Einwohnerzahlen im
jeweiligen Gebiet sowie die dort vorhandenen Sachwerte.
Landesschutzdeiche an der Westküste und der Elbe: Geschützter Raum bis NN + 5
Fläche in ha
Einwohner / Einwohner pro Hektar
Sachwerte in Mio. €
Nordfriesland - Festland 50916 23728 / 0,47 3042,57 Dithmarschen 50443 46837 / 0,93 6444,86 Elbe 47710 55664 / 1,17 6372,13 Insel Sylt 9678 20597 / 2,13 3016,03 Insel Föhr 6248 3138 / 0,50 400,87 Insel Pellworm 3259 1137 / 0,35 171,00 Insel Helgoland 48 1079 / 22,48 151,29 Insgesamt 168302 152180 / 0,90 19598,75
Tab. 9: Durch Landesschutzdeiche an der Westküste und der Elbe geschützte Flächen sowie deren Einwohner und dort vorhandene Sachwerte. Eigene Darstellung und Berechnung, Daten aus: Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Tourismus des Landes Schleswig-Holsteins (2001), S. 53-59.
Aussagekräftig werden diese Zahlen jedoch nur, wenn man ihnen Vergleichswerte entgegen
hält. Wie erwähnt sind in den Niederlanden ungefähr 50 Prozent des Staatsgebietes
überflutungsgefährdet, so dass dort die Kopplungskonstellation stärker ausgeprägt sein dürfte
als in Deutschland, in denen die Küstengebiete traditionell eher dünn besiedelt sind.
Allerdings wird aus Tabelle 9 auch ersichtlich, dass es auch innerhalb Deutschlands
Unterschiede gibt. So leben in den aufgelisteten Gebieten (unterhalb von +5 m NN)
durchschnittlich 0,90 Einwohner pro Hektar. Für die Insel Helgoland ergibt sich ein Wert von
über 22 Einwohnern pro Hektar, was die besondere Notwendigkeit von
Küstenschutzmaßnahmen für diesen Raum verdeutlicht. Allerdings muss auch hier
berücksichtigt werden, dass es sich hier nur um einen sehr kleinen Bereich der Küste handelt
und anhand der absoluten Zahlen eine derartige Relevanz nicht ableitbar ist.
51 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Ein weiterer Indikator stellt die Bedeutung dar, welche der Tourismus und die Fischerei im
Küstenraum einnehmen. Für beide Wirtschaftszweige ist die Erhaltung der Küste in der
heutigen Gestalt eine der entscheidenden Wirtschaftsgrundlagen, weshalb Vertreter dieser
Branchen immer wieder auf die Notwendigkeit des Küstenschutzes hinweisen. Tabelle 2
(Kapitel 3.6.2) hat bereits gezeigt, dass vor allem der Tourismus für die Bewohner der
Küstengebiete ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist und daher die Erhaltung der (Kultur-)
Landschaft durch den Küstenschutz auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Für die
Fischereiwirtschaft muss festgehalten werden, dass der Anteil an der Wertschöpfung
vernachlässigenswert ist. Insofern können Küstenschutzmaßnahmen zum Erhalt der
Fischerei23 nur deshalb gerechtfertigt werden, weil diese symbolisch von den
Küstenbewohnern sehr stark belegt ist und als Teil der regionalen Identität angesehen wird.
Inwiefern dies aber das starre Festhalten am Küstenschutz rechtfertigt müsste dennoch
kritisch hinterfragt werden. Momentan lässt sich hier jedoch eine starre Kopplung zwischen
Küstenschutz und Gesellschaft konstatieren.
4.5.2.1 Finanzielle Beziehung zwischen Küstenschutz und Gesellschaft
Für die finanzielle Beziehung von Küstenschutz und Gesellschaft lässt sich zunächst
festhalten, dass die notwendigen Küstenschutzmaßnahmen von den Naturbedingungen diktiert
werden. Sofern also die gesellschaftliche Funktion des Küstenschutzes – nämlich die
Schutzfunktion für die Bevölkerung (und der entsprechenden Sachwerte) – als unumstößlich
akzeptiert worden ist, sind alle Maßnahmen, die zur Umsetzung dieser Schutzfunktion dienen
sollen, bestimmt durch die physischen Bedingungen an der Küstenlinie. Dazu zählen das
Auftreten von extremen Wetterlagen – Sturmfluten, aber auch längere Trockenperioden, die
unter Umständen den Deichbewuchs schädigen können – sowie alle anderen (natürlichen)
Faktoren, welche die Sicherheit der Deiche beeinträchtigen. Es wird deutlich, dass eine solche
Abhängigkeit der Deichsicherheit (und damit natürlich auch der Kosten ihrer
Aufrechterhaltung) von variablen Umweltbedingungen sich schlecht mit einer statischen
Finanzplanung vereinbaren lässt, die jährlich einen fest vorgeschriebenen Etatposten aufweist,
mit dem alle anfallenden Maßnahmen bezahlt werden müssen.
Um die Finanzierung des Küstenschutzes in Deutschland zu gewährleisten, fällt dieser laut
dem Grundgesetz unter die sogenannten Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern.
23 Küstenschutz ist in diesem Zusammenhang wichtig für die Fischerei, weil durch ihn die notwendige
Infrastruktur (Häfen etc.) garantiert wird. Wäre diese nicht ausreichend geschützt, würde dies zu gesteigerten Kosten in der Fischereiwirtschaft führen.
52 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren „Artikel 91 a [GG] [Mitwirkung des Bundes bei Gemeinschaftsaufgaben]
(1) Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist (Gemeinschaftsaufgaben): 1. (...) 2. (...)
3. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. (...) (4) (...) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 trägt der Bund mindestens die Hälfte [der Ausgaben] (...) Die Bereitstellung der Mittel bleibt der Feststellung in den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder vorbehalten.“ (BPB 1999, S. 59)
„Wegen der großen Bedeutung des Küstenschutzes erstattet der Bund nicht nur die üblichen 60%, sondern 70% der Ausgaben. 30% werden vom jeweiligen Bundesland bestritten. Derzeit liegen die gesamten jährlichen Aufwendungen in der Größenordnung von 300 Mio. DM. Die Planungen haben ein Finanzvolumen von 3 Mrd. DM. Zumindest in der Vergangenheit wurde der Küstenschutz wegen seiner hohen Priorität von Mittelkürzungen verschont. Für die Zukunft erscheint dies aber ungewiss.“ (Behnen 2000, S. 185)
Die folgende Tabelle 10 bietet einen Überblick über die Ausgaben des Bundes für den
Küstenschutz im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes für die Jahre 1981 bis 1991. Es lässt sich festhalten, dass im Laufe dieser zehn
Jahre nur ein relativ geringer Anstieg der Ausgaben für den Küstenschutz zu beobachten ist.
Haushalts-jahr
Bremen Hamburg Niedersachsen Schleswig-Holstein
zusammen
1981 12,283 5,100 63,133 45,989 126,505 1982 13,082 5,070 63,196 50,623 131,971 1983 13,255 4,285 63,203 56,734 137,477 1984 9,018 3,398 63,189 58,895 134,500 1985 6,164 5,259 63,188 60,095 134,706 1986 0,836 6,639 63,357 57,316 128,148 1987 2,588 7,395 63,189 59,349 132,521 1988 1,099 11,084 63,189 56,106 131,478 1989 0,842 12,454 63,189 56,046 132,531 1990 2,890 12,641 63,189 58,339 137,059 1991 3,550 12,864 63,189 54,600 134,203
Tab. 10: Bundesmittel für den Küstenschutz im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes’ (einschließlich Zukunftsinvestitionsprogramm 1977 bis 1980) in Mio. Euro.
übernommen und verändert aus Lopez (1998), o.S.
Für das Land Schleswig-Holstein zeigt Abbildung 7, wie sich die Finanzierung des
Küstenschutzes seit 1986 bis zum Jahre 2000 entwickelt hat. Der Verlauf der Kurven lässt
darauf schließen, dass tatsächlich eine ‚automatische’ Finanzierung der
Küstenschutzmaßnahmen erfolgt. Die unterschiedliche Höhe der Ausgaben lässt sich darauf
zurückführen, dass die natürlichen Faktoren die Maßnahmen – und damit den Kostenaufwand
– vorgeben. Die öffentliche Hand ist damit gezwungen, ihre finanziellen Aufwendungen
53 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
diesen Begebenheiten anzupassen. Im Generalplan Küstenschutz des Landes Schleswig-
Holsteins wird daher die Finanzplanung in Sachen Küstenschutz folgender Maßen
beschrieben: „Während bei der konkreten Maßnahmenplanung die Ausgaben mit Hilfe der berechneten Massen und mittlerer Einheitspreise ermittelt werden, sind in den Maßnahmelisten, soweit bekannt, Ausgaben angegeben, die sich aus einer groben Schätzung der jeweiligen Anlagen aufgrund von Erfahrungswerten ergeben. Sie können daher nur relativ ungenau sein, reichen aber für die generelle Planung aus.“ (Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Tourismus des Landes Schleswig-Holsteins 2001, S. 40)
Abb. 7: Übersicht über die investiven Ausgaben seit 1986, aufgeschlüsselt nach Arten von
Küstenschutzmaßnahmen. aus: Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Tourismus des Landes Schleswig-Holsteins 2001, S. 40.
Eine Abwägung der Kosten – und auch der Maßnahmen – des Küstenschutzes mit anderen
Nutzungsansprüchen, vor allem dem Umwelt- und Naturschutz erfolgt dagegen nicht. Dies
wäre jedoch ein deutlicher Hinweis auf das Vorliegen einer starken Kopplungskonstellation
zwischen Küstenschutz und Gesellschaft. Zwar befinden sich die öffentlichen Haushalte, die
für die Finanzierung des Küstenschutzes zuständig sind, in einer angespannten finanziellen
Lage, jedoch beeinträchtigt dies nicht das Festhalten an der bereits dargestellten
gesellschaftlich akzeptierten Schutzfunktion des Küstenschutzes. Allerdings existieren in
anderen Staaten durchaus Bestrebungen, privatwirtschaftliche Unternehmen in den
Küstenschutz zu integrieren, um so auf Seiten des öffentlichen Sektors zu Kostenersparnissen
zu kommen. Zu nennen wäre hier vor allem das Konzept der Public Private Partnership
(PPP) aus England und Wales. (vergl. hierzu Koppe 2001)
KOPPE hält fest, dass auch in England das Ziel des Küstenschutzes der „Schutz von
Menschenleben sowie von wichtigen natürlichen und von Menschen errichteten Werten“
54 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
(Koppe 2001, S. 87) sei und daher in dieser Hinsicht kein Unterschied zu Deutschland oder
anderen Nordseeanrainerstaaten feststellen ließe. Die Kosten für
Hochwasserschutzmaßnahmen liegen demnach in England und Wales bei rund 250 Millionen
Britische Pfund (etwa 875 Millionen DM). Die Finanzierung liegt auch hier weiterhin in der
öffentlichen Hand. Das Konzept der PPP sieht vor, dass der öffentliche Sektor als ‚Käufer der
Leistung’ weiterhin eine wichtige Rolle im Küstenschutz spielt. Insofern hebt sich dieser
Ansatz eindeutig von reinen Privatisierungen (wie z.B. in der Telekommunikationsbranche)
ab. Der Privatsektor ist nun jedoch zuständig für den Entwurf, die Bemessung, den Bau sowie
die Unterhaltung des Projekts. Der öffentliche Sektor definiert die gewünschten
Anforderungen an die Küstenschutzmaßnahme und bezahlt die gelieferte Leistung in vorab
festgelegten Raten – meist durch langfristig angelegte Verträge (Laufzeit in der Regel 20
Jahre). Die Hoffnung, die sich von Seiten der Umweltbehörde, die in England und Wales für
den Küstenschutz zuständig ist, an das PPP richten, sind die folgenden: „ - Der Auftragnehmer wird dadurch, dass er den Dienst über einen langen Zeitraum anbietet, innovative
Problemlösungen anwenden können, die zu einer Verringerung der Gesamtkosten über den Vertragszeitraum führen.
- Die mit dem Vertragsabschluss verbundenen Risiken liegen in der Verantwortung des Privatsektors. Dieser ist für das Management von Risiken am besten ausgestattet, wodurch die entstehenden Kosten verringert werden können.“ (Koppe 2001, S. 89)
Somit wird das Ziel angestrebt, eine qualitativ höherwertige Leistung beim Einsatz gleicher
Geldmengen und einer schnelleren Realisierung zu erreichen und dadurch öffentliche Mittel
einzusparen. (vergl. Koppe 2001, S. 89)
KOPPE kritisiert an dieser Argumentation in erster Linie, dass die Annahme, der öffentliche
Sektor sei nicht zu Innovationen fähig, so nicht haltbar wäre. Darüber hinaus problematisiert
sie die lange Vertragslaufzeit von 20 und mehr Jahren, welche die Umsetzung neuer
innovativer Konzepte des Küstenschutzes verhindern könnten. Sie verweist in diesem
Zusammenhang auf die Entwicklung der Rolle des Umweltschutzes seit den 1970er Jahren bis
in die 1990er Jahre. Besonders kritisch zu betrachten sei zudem die Tatsache, dass für den
Fall von Häufungen energiereicher Sturmfluten Verhandlungen über die Finanzierung
zusätzlich anfallender Kosten zwischen öffentlichem Sektor und privaten Anbietern
vorgesehen sind und somit die erhofften Einsparungen nicht zu erreichen sind. „Grundsätzlich ist eine Übertragung des Sturmflutrisikos auf den privatwirtschaftlichen Partner nicht wünschenswert, da bei Vertragsabschluss unvorhergesehene Häufungen von schadensbringenden Wetterlagen, auch wenn sie nicht nachweisbar einem Klimaänderungstrend unterliegen, zu einem Insolvenzverfahren des Unternehmens führen können und somit einen erzwungenen Ausschluss des Vertragspartners trotz guter Koordinierungs- und Arbeitsleistungen nach sich ziehen würde.“ (Koppe 2001, S. 89)
55 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Einsparungsmöglichkeiten durch dieses Konzept sieht KOPPE lediglich im Bereich der
Personalkosten des öffentlichen Sektors. Allerdings ist damit auch die Gefahr verbunden, dass
durch reduziertes Personal technisches Wissen des Auftragsgebers verloren geht und damit
die Kontrollfähigkeit des öffentlichen Sektors vermindert wird.
Ähnlich kritisch dürften Bemühungen gesehen werden, einzelne Küstenschutzmaßnahmen
oder Deichabschnitte vollständig zu privatisieren oder in die Hände der betroffenen
Gemeinden zu legen: „Infrastrukturelle Bereiche, die traditionell durch die öffentliche Hand
koordiniert werden, sind generell nicht nur wirtschaftsorientiert zu betrachten, und vielfach
sind sie in der Fläche nicht gewinnbringend zu betreiben.“ (Koppe 2001, S. 90) Die
Überbewertung betriebswirtschaftlicher Aspekte würde zudem zu einer Verminderung des
Qualitätsmanagements und einer Verschlechterung der Versorgung führen. (vergl. Koppe
2001, S. 90) Gerade im Bereich des Küstenschutzes ist die Privatisierung damit mit einem
unüberschaubaren Risiko verbunden. Das bedeutet, dass die Privatisierung der öffentlichen
Aufgabe ‚Küstenschutz’ ein eindeutiges Anzeichen für das Vorliegen einer starken Kopplung
von Gesellschaft und Küstenschutz darstellen würde. Bei der Privatisierung würde die
Qualität der Maßnahmen – und damit letztlich die Sicherheit der Bewohner und aller
vorhandenen Sachwerte – von der finanziellen Ausstattung der privaten Betreiber abhängen.
Die Konsequenz wäre eine regionale Differenzierung der Qualität des Küstenschutzes und
damit der Sicherheit. So ist es durchaus vorstellbar, dass beispielsweise die Insel Sylt den
Küstenschutz – mit den entsprechenden Mitteln des Landes und des Bundes, aber auch mit
eigenen finanziellen Mitteln – eigenständig plant und umsetzt, da sie – gerade im Hinblick auf
die Bedeutung des Tourismus und der starken ‚Sylt-Lobby’ – über die notwendigen
Möglichkeiten (finanzieller Art) verfügt. Für andere Gemeinden, zum Beispiel in
Dithmarschen ist dies eher unwahrscheinlich, da die kosten- und technikintensiven
Maßnahmen die Möglichkeiten der kleineren Gemeinden übersteigen. Denkbar ist darüber
hinaus aber, dass Gemeinden, die Küstenschutz auf diese Weise in eigener Verantwortung
durchführen, durch die begrenzten finanziellen Möglichkeiten gezwungen sind, neue
Allianzen mit dem Naturschutz einzugehen. So könnten Flächen, die durch die (erzwungene)
Aufgabe der Eindeichung wieder unter dem natürlichen Einfluss des Meeres und der Gezeiten
stehen, auf diese Weise ‚renaturiert’ werden. Möglicherweise bieten sich daran anschließend
Möglichkeiten einer erneuten ‚Inwertsetzung’, zum Beispiel durch den Tourismus. Es wird
deutlich, dass an dieser Stelle eine starke Kopplung zwischen Gesellschaft und Küstenschutz
vorliegen würde. Welche weiteren Probleme jedoch aus solchen ‚neuen Allianzen’ erwachsen
könnten, wird unter 4.5.4.1 (Öffentliche Perzeption) dargestellt.
56 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
4.5.2.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Finanzielle Beziehung
Für den Bereich der Finanziellen Beziehung zwischen Küstenschutz und Gesellschaft lassen
sich in erster Linie die Kosten des Küstenschutzes heranziehen, um den Grad der Kopplung
zu bestimmen. Bereits unter 4.5.2.1 wurde dargestellt, dass sich die finanziellen
Aufwendungen für den Küstenschutz vor allem nach den ‚Notwendigkeiten’ richten, welche
durch die natürlichen Bedingungen an der Küstenlinie diktiert werden (vergl. Abbildung 7).
Dies lässt den Schluss zu, dass es sich in diesem Fall um eine starre Kopplung zwischen
Küstenschutz und Gesellschaft handelt. Da eine Abwägung der Finanzierung des
Küstenschutzes in Form einer Kosten-Nutzen-Rechnung aus nicht erfolgt, kann hier nicht von
einer starken Kopplungskonstellation ausgegangen werden. Diese Abwägung erfolgt vor
allem deshalb nicht, weil der Küstenschutz symbolisch so stark belegt ist, dass ein Abweichen
vom gesellschaftlich vereinbarten Ziel des Schutzes der Küstengebiete sowie deren
Einwohner (vergl. 4.5.1.1 und 4.5.1.2) nicht in Erwägung gezogen wird bzw. kann.
Für die zeitliche Entwicklung der Kosten des Küstenschutzes lässt sich festhalten, dass es nur
zu geringen Erhöhungen gekommen ist (vergl. Tabelle 10). Daher kann mit Hilfe dieses
Indikators nur bedingt eine Aussage über die Kopplungskonstellation getroffen werden. Da es
jedoch auch zu keinen nennenswerten Kürzungen im Bereich des Küstenschutzes in den
letzten Jahren gekommen ist, kann eine starke Kopplung eher ausgeschlossen werden.
Kürzungen der finanziellen Aufwendungen wären ein Anzeichen für die Abwägung mit
anderen Nutzungsformen, welche sich in einer veränderten Finanzzuweisung äußern. Insofern
ist auch hier tendenziell eine starre Kopplungskonstellation zu vermuten.
Darüber hinaus bietet es sich an, zu erheben, ob es im Bereich des Küstenschutzes im
Wattenmeer zu Privatisierungen der Küstenschutzanlagen gekommen ist. Sollte dies der Fall
sein, so wäre dies ein eindeutiges Anzeichen für das Vorliegen einer starken
Kopplungskonstellation. Im Rahmen der Recherchen zu dieser Arbeit konnte jedoch kein Fall
einer reinen Privatisierung im Küstenschutz festgestellt werden. Gerade in Deutschland ist der
öffentliche Sektor sowohl im Bereich der Finanzierung als auch der Durchführung der
Küstenschutzmaßnahmen sehr dominant, so dass in dieser Hinsicht eher von einer starren
Kopplung zu sprechen ist.
4.5.3.1 Politische Regulation des Küstenschutzes
In Deutschland erfolgt die Politische Regulation des Küstenschutzes über die zuständigen
öffentlichen Stellen der Länder. Der Bund ist nur – wie erläutert – in die Finanzierung des
Küstenschutzes eingebunden.
57 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
In Schleswig-Holstein erfolgt die Regulation zum einen über den Generalplan Küstenschutz
(Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Tourismus des Landes
Schleswig-Holsteins 2001) und zum anderen über das Landeswassergesetz (vergl. z.B.
http://www.wabo-sh.de/gesetze/lwg.htm). Darüber hinaus existiert in Schleswig-Holstein
noch eine Besonderheit, nämlich der seit 1999 im Innenministerium installierte sogenannte
Beirat Integriertes Küstenzonenmanagement (BIK), in dem sich die „privaten und öffentlich-
rechtlichen Betroffenen an dem generellen Planungsprozess des Küstenschutzes“
(http://www.landesregierung.schleswig-holstein.de/Aktueller_20Bestand/IM/Information/K_
C3_BCstenschutz/K_C3_BCstenschutz_20Beirat.html, Download am 29.11.2003) beteiligen
können.
Unter dem Vorsitz des jeweiligen Ministers tagt dieser Beirat zwei Mal im Jahr. Allerdings
hat er keine Entscheidungs-, sondern lediglich beratende Funktion.
Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass die Politische Regulation in einem gewissen Maße auch
an die Öffentliche Perzeption gebunden ist, z.B., wenn es um die Beteiligung bzw. den
Einfluss von NGOs geht (z.B. Greenpeace oder WWF), die zwar nicht direkt politisch
legitimiert sind (im Sinne einer demokratischen Wahl durch einen (Groß-)Teil der
Bevölkerung), aber sich dennoch als Interessensvertreter politisch, im Sinne des Umwelt- und
Naturschutzes, im Wattenmeer und dem Küstenraum engagieren. Dabei können sie durchaus
im Konflikt stehen zu Interessen von Teilen der Küstenbewohner, z.B. wenn es um die
Reduzierung von Fangquoten in der Fischerei geht, da es dann um Umsatzrückgänge und den
Erhalt von Arbeitsplätzen geht.24 Vor allem wenn es um das Verhältnis von Küstenschutz zu
Umweltinteressen geht, agieren entsprechende Umweltverbände am Rande der öffentlichen
Zustimmung.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass es im Zuge der politischen Regulation zu
Versuchen kommt, den Küstenschutz zu instrumentalisieren, um andere – ökonomische –
Ziele (Standortsicherung) zu verwirklichen. Ein Beispiel hierfür könnte die Errichtung des
Emssperrwerkes sein, da dieses – laut Darstellung des WWF Deutschland (vergl. Claus 2002)
– in erster Linie zur Ermöglichung von Schiffsüberführungen eingesetzt wird. So wurde der
Bau des Sperrwerks 1997 vom Land Niedersachsen beantragt, um ausreichenden
Sturmflutschutz zu bieten. Darüber hinaus erlaubt es aber, die Ems durch Aufstauen auch für
Schiffe mit 8,5 Metern Tiefgang schiffbar zu machen. „Allgemein war jedoch bekannt, dass
der eigentliche Grund für den Bau des Sperrwerks der Anspruch der Meyer-Werft an die
24 Zum Stellenwert und den Perspektiven der Fischerei in Schleswig-Holstein vergl. WIEBE (1998).
58 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
künftige Wassertiefe der Ems war, da sich der Küstenschutz auch ökologisch verträglicher
und mit einem Drittel der Kosten hätte herstellen lassen.“ (Claus 2002, S. 13)
Auf diese Weise konnte jedoch das Land Niedersachsen Mittel des Küstenschutzes
verwenden und gleichzeitig das europäische Wettbewerbs- und Umweltschutzrecht
umgehen.25 An dieser Stelle wird deutlich, wie die Politik das Argument ‚Küstenschutz’ und
die dahinter stehende öffentliche Akzeptanz für das Ziel ‚Sturmflutschutz’ nutzen konnte
(ebenso wie die entsprechenden – sachfremden – finanziellen Mittel), um damit weniger
akzeptierte oder schwerer durchsetzbare Ziele zu erreichen. Daher wäre eine verstärkte
wissenschaftliche Beratung und Begutachtung von Küstenschutzmaßnahmen, die solche
gravierenden Auswirkungen auf das Ökosystem haben (können), wünschenswert, sofern diese
dann auch als Entscheidungsgrundlage für die Politik dienen.
4.5.2.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Politische Regulation
Der wichtigste Indikator, um die Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und
Gesellschaft im Bereich der Politischen Regulation zu bestimmen, ist die Priorität des
Küstenschutzes. Sofern dem Küstenschutz umfassend Vorrang vor anderen Nutzungsformen
eingeräumt wird, so ist dies ein Zeichen für eine starre Kopplung. Werden jedoch bei der
Regulation auch andere Interessen, etwa des Umwelt- und Naturschutzes, berücksichtigt, so
ist von einer starken Kopplungskonstellation auszugehen.
Allerdings muss berücksichtigt werden, dass sich dieser Indikator nur schwer quantifizieren
lässt. Es ist jedoch möglich, aus den beiden – für den Küstenschutz in Schleswig-Holstein –
grundlegenden Dokumenten, nämlich dem Generalplan Küstenschutz und dem
Landeswassergesetz abzuleiten, inwieweit der Küstenschutz bevorzugt behandelt wird, oder
inwieweit er hinter andere Nutzungsformen zurücktreten muss.
Unter 4.3 wurde bereits erläutert, dass der Küstenschutz „wegen seiner lebensschützenden
Funktion Vorrang vor anderen Interessen, auch vor den Interessen des Naturschutzes“
(Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Tourismus des Landes
Schleswig-Holsteins 2001, S. 1) genießt. Alle anderen Nutzungen des Wattenmeeres und des
Küstenraumes sind ihm damit nachgeordnet. Ähnliches lässt sich für das Landeswassergesetz
feststellen:
25 CLAUS (2002) macht des Weiteren darauf aufmerksam, dass sich der Bau des Sperrwerks für die
Schiffsüberführungen im Nachhinein als überflüssig erwiesen hat. Die ökologischen Folgeschäden, die mit einer entsprechenden Aufstauung der Ems verbunden sind, wurden dennoch in Kauf genommen. (vergl. Claus 2002, S. 13.)
59 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
§ 76 - Vorland Durch die Nutzung des Vorlandes dürfen die Belange des Küstenschutzes, insbesondere die Sicherheit und die Unterhaltung der Deiche, nicht beeinträchtigt werden. Die Eigentümer und Nutzungsberechtigten sind verpflichtet, das Vorland im Interesse des Küstenschutzes zu pflegen. Die Nutzung und die Pflege sollen so erfolgen, daß die vorhandenen Pflanzen- und Tierbestände nicht wesentlich beeinträchtigt werden. § 70 gilt entsprechend. § 77 - Genehmigungspflicht für Anlagen an der Küste (...) Die Genehmigung ist zu versagen, wenn von der Anlage eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der Belange des Küstenschutzes oder der öffentlichen Sicherheit zu erwarten ist, die nicht durch Auflagen verhütet oder ausgeglichen werden kann. (...) Abb. 8: Auszug aus dem Landeswassergesetz (Schleswig-Holstein). aus: http://www.wabo-sh.de/gesetze/lwg.htm, Download am 17.12.2003.
Insofern kann festgehalten werden, dass der Küstenschutz die höchste politische Priorität im
Küstenraum besitzt und daher von einer starren Kopplungskonstellation auszugehen ist.
Als zweiten Indikator lässt sich die Partizipation der vom Küstenschutz betroffenen Akteure
anführen. Je mehr Akteure in die Politische Regulation mit einbezogen sind, desto komplexer
wird diese und umso eher werden andere Nutzungsansprüche – auch der Umweltschutz – mit
in die Überlegungen einbezogen. Dadurch kommt es zu einer ‚Aufweichung’ des bisherigen
(starren) Verständnisses von Küstenschutz. Eine strikte Orientierung an dem vorrangigen Ziel
der Sicherung des Küstengebietes wird somit unwahrscheinlicher und die
Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und Gesellschaft tendenziell stärker.
Auch hier muss konstatiert werden, dass eine Quantifizierung dieses Indikators schwierig ist.
Zudem wird auch hier wieder das Problem deutlich, dass die politische Regulation sich
innerhalb der einzelnen Wattenmeeranrainerstaaten (Dänemark, Deutschland, Niederlande)
unterschiedlich gestaltet. Und innerhalb Deutschlands gibt es wiederum Unterschiede
zwischen den einzelnen Bundesländern (Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen).
Dies gilt damit letztlich auch für die Partizipation der vom Küstenschutz Betroffenen im
Hinblick auf die Planung und Durchführung von Küstenschutzmaßnahmen. In Schleswig-
Holstein dürfte das Prinzip der Partizipation durch den bereits unter 4.5.3.1 erwähnten Beirat
Integriertes Küstenzonenmanagement am ehesten ernst genommen und zumindest
ansatzweise verwirklicht sein. Es bleibt jedoch zu bedenken, dass dieser Beirat bisher nur
über eine beratende Funktion verfügt und daher eine Mitbestimmung noch nicht erreicht
wurde. Insofern kann auch nur von der Tendenz gesprochen werden, zukünftig vermehrt auf
die Partizipation aller betroffenen Akteure zu setzen. Von einer starken
Kopplungskonstellation in diesem Bereich zu sprechen wäre daher verfrüht, auch wenn sich
hier die bisherige starre Kopplung zu wandeln scheint.
Ein weiterer Indikator, um die Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und
Gesellschaft im Bereich der Politischen Regulation zu messen, ist die Ausrichtung der Politik
60 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
an ‚herkömmlichen’ Küstenschutzmaßnahmen („hard engineering“) bzw. der Orientierung an
Küstenmanagementmethoden, in denen auch ökologische Gesichtspunkte berücksichtigt
werden („soft engineering“). Ein geeignetes Maß, um diese Ausrichtung anzuzeigen ist der
finanzielle Aufwand der zuständigen Behörden im Bereich des Küsten(zonen)managements.
Tabelle 11 bietet einen Überblick über eine Reihe europäischer Behörden sowie deren
Aufwendungen für das Küstenmanagement von 1999 bis 2001.
Institution Staat Ausgaben für
Küsten(zonen)-management
1999
Ausgaben für Küsten(zonen)-
management 2000
Ausgaben für Küsten(zonen)-
management 2001
Behörde für Bau und Verkehr D 39,7 50,6 58,4 Umweltministerium Schleswig-Holstein D 47 58 54 Danish coastal authority DK 14 12 13 Nordjylland county council DK 0,1 0,1 0,1 Tab. 11: Finanzielle Aufwendungen einzelner europäischer Behörden für das Küstenmanagement.
Eigene Darstellung, Daten aus: EUROSION 2003, S. 41f.
Insgesamt lässt sich ein leichter Anstieg der Ausgaben feststellen (insbesondere bei der
Behörde für Bau und Verkehr). EUROSION (2003) konstatiert, dass es eine Tendenz hin zu
mehr Küstenmanagement und weg von Methoden des hard engineering gibt. Dies lässt sich
folgender Maßen begründen: „- In urban-dominant coastal areas, soft engineering solutions – including beach nourishment, wetlands
creation, sand by-passing, etc. – are providing positive an cost-effective results and are likely to be applied in a broader geographical context. They also respond to the public inclination for solutions more respectful of ecological processes.
- In agriculture-dominant coastal areas, the decrease of land value, mainly due to the implementation of the Common Agriculture Policy (CAP= provides less and less incentives for land owners to defend the coast against erosion. In that respect, many examples in France and UK have shown that the cost of coastal defence have sometimes exceeded the value of the lands to be protected, and have led to a re-evaluation of coastal defence strategies.
- Lastly, more communication actions towards the public will inform coastal population about the risks encountered in the coastal zones, and should therefore contain coastal developments in the coming decade.” (EUROSION 2003, S. 42.)
Daher lässt sich in diesem Fall von einer tendenziell starken Kopplung zwischen
Küstenschutz und Gesellschaft sprechen, da Managementansätze in der Regel auch andere
Nutzungsformen – in diesem Fall in erster Linie den Umweltschutz – berücksichtigen und
nicht alleine auf die Erfüllung der Schutzfunktion zugunsten der Anwohner ausgerichtet sind.
4.5.4.1 Öffentliche Perzeption des Küstenschutzes
Die Bevölkerung des Küstenraumes ist – wie die Ausführungen zur gesellschaftlichen
Funktion gezeigt haben – in besonderem Maße davon abhängig, dass die Maßnahmen zum
61 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Küstenschutz ‚erfolgreich’ sind, d.h., dass der Schutz von Menschenleben, aber auch
Sachwerten, gewährleistet ist. Bereits aus dieser Tatsache wird ersichtlich, dass
‚Küstenschutz’ in der öffentlichen Wahrnehmung positiv belegt sein muss. Hinzu kommt,
dass der Lebens- und Wohnraum – die Küstenregion insgesamt – bereits an sich einen hohen
Wert beigemessen bekommt. (vergl. WWF 2001) Wie sensibel die Öffentlichkeit auf
‚ökologische Katastrophen’ – oder auch nur scheinbare – reagiert, verdeutlicht das Beispiel
der sogenannten Schwarzen Flecken. So berichteten im Frühjahr 1996 die Medien über solche
Flecken, die in weiten Teilen des niedersächsischen Wattenmeeres auftraten. „Sofort wurden
entsprechende Panikmeldungen über das Umkippen des Wattenmeeres in den Medien
verbreitet und Landwirtschaft, Industrie, Haushalte sowie der Autoverkehr von einschlägigen
Umweltpolitikerinnen und -politikern direkt dafür verantwortlich gemacht.“ (Pott 2003, S.
230) Hinweise von wissenschaftlicher Seite, dass es sich hierbei im Wesentlichen um einen
natürlichen Prozess handelte (vergl. hierzu Pott 2003, S. 230ff.), wurden dagegen nicht oder
nur unzureichend berücksichtigt.
Ähnlich empfindlich würden Reaktionen auf derartige Meldungen aus dem Bereich des
Küstenschutzes, z.B. über Kürzungen bei der Finanzierung von Küstenschutzmaßnahmen
oder den Sicherheitszustand einzelner Küstenschutzanlagen aufgenommen werden.
Das Vorliegen einer entsprechend hohen Akzeptanz des Küstenschutzes in der Bevölkerung
wäre entsprechend des Schemas aus Tabelle 7 ein Beleg für eine starre
Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und Gesellschaft. Aufgrund der
gesellschaftlichen Bedeutung des Küstenschutzes ist auch in den nächsten Jahren nicht damit
zu rechnen, dass die Akzeptanz signifikant zurückgeht. Denkbar wäre dagegen, dass ‚neue
Allianzen’ (vergl. 4.5.2.1, Finanzielle Beziehung) zwischen Vertretern des Küstenschutzes
und Vertretern des Natur- und Umweltschutzes zu einer veränderten Einstellung gegenüber
dem (dann gewandelten Verständnis von) Küstenschutz kommen könnte. Sofern Bewohner
der Küstenregionen ihre eigenen Lebens-, Wohn- und Arbeitsgrundlagen gefährdet sehen,
weil aufgrund fehlender öffentlicher Mittel der Küstenschutz zugunsten des Umweltschutzes
(wenn auch zur Steigerung des Tourismusaufkommens) zurückgenommen oder reduziert
wird, ist mit einem Rückgang der Akzeptanz zu rechnen. Dann wird die neue Form des
gesellschaftlichen Umgangs mit dem Küstenschutz – sowohl was die Finanzierung als auch
die politische Regulation betrifft – kritischer betrachtet und die Forderung nach der
‚Rückbesinnung’ auf die gesellschaftliche Funktion des Küstenschutzes – nämlich Schutz der
Bevölkerung, vorrangig vor Naturschutz- oder sonstigen Interessen – verstärkt auftreten.
62 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
4.5.4.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Öffentliche Perzeption
Ein geeigneter Indikator, um die Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und
Gesellschaft im Bereich Öffentliche Perzeption zu bestimmen ist das Ansehen des
Küstenschutzes in der Bevölkerung. Daten diesbezüglich lassen sich in erster Linie durch
Befragungen der Bevölkerung im Küstenraum gewinnen, die vom Küstenschutz direkt
betroffen sind.
Eine Erhebung in diesem Zusammenhang erfolgte im Zuge der WWF-Studie ‚Was denkt der
Bürger vom Wattenmeer?’ (WWF 2001). Allerdings ist anzumerken, dass es sich hierbei um
einen indirekten Indikator handelt, da nicht direkt nach dem Ansehen des Küstenschutzes in
der Bevölkerung gefragt wurde. Tabelle 12 liefert einen Überblick über die gewonnenen
Daten.
Region Prozentualer Anteil der Befragten, die ‚Sturmflut/ Deichbruch’ als größte Gefahr der Region ansehen
Anzahl der Befragten, die ‚Sturmflut/ Deichbruch’ als größte Gefahr einstufen/ Grundgesamt in dieser Region
Niederlande 3,2 6/190
Deutschland: - Niedersachsen - Schleswig-Holstein - Küstenstädte
10,3 11,4 3,0
22/213 26/228 8/268
Dänemark 10,8 25/232
Tab. 12: Befragung der Küstenbewohner: „Was sind für Sie mögliche Gefahren oder Bedrohungen dieser Region?“.
Eigene Darstellung; Daten übernommen aus: WWF 2001, S. 34.
Diese Zahlen sind folgender Maßen zu interpretieren: Gefragt war in dieser Studie, welche
möglichen Gefahren der Region nach Ansicht der Bewohner drohen. Dabei handelte es sich
laut Fragebogen um eine offene Frage (vergl. WWF 2001, S. 50), wobei nur eine Nennung
erfasst wurde. Diese eine Angabe ist also durchaus als die am größten wahrgenommene
Gefahr zu deuten. Berücksichtigt man zudem, dass Antworten wie ‚Ölverschmutzung/
Schiffsunglück’ sowie ‚Umweltverschmutzung’ auch als sozial erwünschte Antworten
bewertet werden können, dann wird deutlich, dass die Gefahr ‚Sturmflut/ Deichbruch’, die bei
bis zu 11,4 Prozent der Bevölkerung (Schleswig-Holstein) als größte Gefahr für die Region
angesehen wird, letztlich noch deutlich bedrohlicher wahrgenommen wird.
Indirekt kann daraus geschlossen werden, dass Maßnahmen des Küstenschutzes bei diesem
Teil der Bevölkerung – und nicht nur bei diesem – eine hohe Akzeptanz aufweisen. Dies kann
63 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
– entsprechend der Tabelle 7 – als Anzeichen für eine starre Kopplung zwischen
Küstenschutz und Gesellschaft im Bereich der Öffentlichen Perzeption gewertet werden.
Für weitere Aussagen wären dennoch eine gezieltere Fragestellung und damit eine präzisere
Datenlage wünschenswert. So wäre direkt nach der Akzeptanz des Küstenschutzes zu fragen,
zum Beispiel auf folgende Art:
Das Konzept des Küstenschutzes (Deichbau, Siele, Sandvorspülungen etc.) bewerte ich
positiv!
Ja Unentschieden Nein
Abb. 9: Mögliche Fragestellung, um „Akzeptanz des Küstenschutzes in der Bevölkerung“ zu messen. Eigene Darstellung.
Wünschenswert wäre neben einer größeren Grundgesamtheit als in der WWF-Studie zudem
eine jährliche Fortschreibung dieser Befragung, um eventuelle Veränderungen im Verhältnis
der Bevölkerung zum Küstenschutz feststellen zu können. Interessant wäre dabei zum
Beispiel, wie sich die Einstellung zum Küstenschutz in Jahren mit vermehrter
Sturmfluthäufigkeit verändert.
4.5.5.1 Landseitige Auswirkungen der Küstenschutzmaßnahmen auf den Energie- und
Stoffhaushalt
Küstenschutzmaßnahmen können auf angrenzende ökologische Gefüge zum Teil drastische
Auswirkungen haben.
Problematisch ist vor allem, dass die Eindeichung der Küstenregion nicht nur das Einfließen
von salzigem Meerwasser verhindert, sondern dass sie auch landeinwärts wirkt. Die fehlende
Abflussmöglichkeit von Süßwasser führt dazu, „dass den Marschniederungen
Überschwemmungen durch das Süßwasser drohen, wenn es nicht ständig – und vermehrt nach
hohen Niederschlägen – aus dem Binnenland in die Nordsee abfließen kann“ (Wieland 2000,
S. 38).26
Für die Salzwiesen stellt das faktische Abschneiden vom Meer den „größtmöglichen Negativ-
Effekt“ (Heydemann 1998, S. 158) dar.
„Fünf bis zehn Jahre nach der Eindeichung sind (im Anschluß an eine vorgenommene
Kultivierung) mindestens 95% des Arteninventars der Salzwiese ausgefallen (...).“
(Heydemann 1998, S. 158) Für den Fall, dass keine Kultivierung der Salzwiesen statt findet, 26 WIELAND (2000) kommentiert diesen Umstand mit einem volkstümlichen Ausspruch: Versupt wi nich in
Soltwater, versupt wi in Sötwater! (Wieland 2000, S. 38.)
64 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
liegt dieser Wert immer noch bei rund 50 Prozent. Zu beobachten sind im Ökosystem
Salzwiese nach der Eindeichung vor allem Verdrängungsprozesse von Pflanzen durch
Einwanderer aus Süßwiesengrünland. Grund hierfür ist die zunehmende Entsalzung der
Salzwiesen durch fehlende Überflutung durch das Meer. Verschärft wird dieser Prozess noch
durch Drainage der entsprechenden Felder, da so zusätzlich eine Entsalzung des Bodens
erreicht wird.
Auch die Eindeichung, Entwässerung und Absperrung von Nebenarmen der
Binnenlandsflüsse im Rahmen des Küstenschutzes bewirken landseitig negative ökologische
Folgen. Zwar werden auf diese Weise Landstriche für die Landwirtschaft und die Besiedlung
erschlossen, die zuvor bei Sturmfluten überflutet wurden, jedoch überwiegen die negativen
Auswirkungen. Mit der Einengung der Flussverläufe im Zuge der Eindeichung ist auch eine
Reduzierung der Flachwasserzonen und der Standgewässer an den Rändern der Flüsse und
damit der dort vorkommenden Vegetation und Fischarten verbunden. „Die eingeschränkte
Dynamik der Flüsse verringerte entsprechend die Biodiversität in den Ästuaren.“ (Pott 2003,
S. 241) Zudem werden die Übergangsbiotope zwischen Fluss und Land gestört und
Wanderwege der Fische zu ihren Laichgründen versperrt.
An dieser Stelle setzt eine weitere Dynamik zwischen landseitigen Ökosystemen (in diesem
Fall den Flüssen) und dem Wattenmeer ein. Die Vertiefung der Ästuare führt zu einer
erhöhten Sedimenterosion, die durch Sedimentimporte über den beschleunigten Flutstrom
kompensiert wird. Allerdings geht dieser Sedimenttransport zu Lasten der seewärtigen
Wattflächen. (vergl. Pott 2003, S. 241) Die Folge ist eine zunehmende Unterhaltungsbaggerei
(z.B., um den Fluss weiterhin schiffbar zu halten), welche zu einer Erhöhung der Wassertrübe
und damit einer Verringerung der Lichtversorgung der Wasserpflanzen führt. Die
Eindeichung von Flüssen und Ästuaren hat also nicht intendierte Folgen, die sich negativ auf
landseitige Ökosysteme sowie auf das des Wattenmeeres auswirken.
4.5.5.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Landseitige Auswirkungen der
Küstenschutzmaßnahmen
Um die Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und Natur für den Bereich der landseitigen
Auswirkungen zu bestimmen, bieten sich die Salzwiesen als Indikatoren an. Von besonderer
Bedeutung sind hier zum einen der Anteil der (eingedeichten und) bewirtschafteten Salzwiesen und
zum anderen der Grad der Intensität dieser Bewirtschaftung – in der Regel Beweidung – an.
Tabelle 13 bietet einen Überblick über die Fläche, welche an der schleswig-holsteinischen
Westküste von den unterschiedlichen Salzwiesentypen eingenommen werden.
65 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Tab. 13: Gesamtfläche der drei Salzwiesentypen an der schleswig-holsteinischen Westküste und im
Nationalpark (in Hektar). aus: Stock 1998, S. 8.
Die Fläche von 6.135 Hektar Salzwiesen im schleswig-holsteinischen Wattenmeer entspricht einem
prozentualen Anteil von nur etwa 1,4 Prozent der Gesamtfläche des Nationalparks und ist von daher
relativ klein. Wie bereits dargestellt, sind Salzwiesen aber besonders empfindliche Ökosysteme und
daher von Störungen besonders stark betroffen. Daher eignen sie sich besonders gut, um als Indikator
für die Mensch-Umwelt-Dynamik zu dienen.
Entscheidend ist nun aber vor allem der Anteil der bewirtschafteten Salzwiesen sowie die Intensität, da
wie gezeigt die Kultivierung von Salzwiesen mit einem Artenrückgang von bis zu 95 Prozent
verbunden ist.
Die Abbildung 10 zeigt nun, wie sich in den letzten Jahren der Anteil der bewirtschafteten Salzwiesen
sowie der Grad der Intensität verändert haben.
Abb. 10: Anteilige Nutzung der Vorlandsalzwiesen an der Festlandsküste durch Schafbeweidung in den Jahren
1989 bis 1998. aus: Stock 1998, S. 9.
Es zeigt sich, dass seit 1989 ein deutlicher Rückgang des Anteils beweideter Salzwiesen zu
verzeichnen ist – von über 95 Prozent (1989) auf etwa 50 Prozent im Jahre 1998. Erfreulich
ist dabei, dass vor allem der Anteil intensiv beweideter Salzwiesen zurückgegangen ist (auf
66 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
jetzt 40 Prozent, statt etwa 90 Prozent 1989). Der Anteil extensiv bewirtschafteter Salzwiesen
ist dabei relativ konstant geblieben (etwa zehn Prozent).
Es lässt sich also festhalten, dass der Anteil der beweideten, also kultivierten, Salzwiesen mit
etwa 50 Prozent immer noch hoch ist – trotz des positiven Trends der letzen Jahre. Negativ ist
zudem der vergleichsweise hohe Anteil der intensiven Bewirtschaftungsformen zu beurteilen.
Ein weiterer Indikator ist die Länge von eingedeichten Flüssen und Ästuaren im Küstenraum.
Wie erläutert haben derartige Küstenschutzmaßnahmen entlang von Flüssen im Binnenland
ebenfalls eine Reihe von negativen ökologischen Auswirkungen. Je stärker daher die Flüsse
eingedeicht sind, desto stärker wird die Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und
Natur.
Im Generalplan Küstenschutz sind die Deichlängen entlang der schleswig-holsteinischen
Flüsse aufgeführt (Tabelle 14).
Nordfriesland Dithmarschen Steinburg Pinneberg Eiderdeiche 31,2 29,7 - - Stördeiche - - 106,4 - Krückaudeiche - - 12,7 10,3 Pinnaudeiche - - - 36,0 Gesamt 31,2 29,7 119,1 46,3 Tab. 14: Deichlänge entlang schleswig-holsteinischer Flüsse (in km). verändert übernommen aus: Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und
Tourismus des Landes Schleswig-Holsteins 2001, S. 38.
Insgesamt sind somit 226,3 Kilometer entlang der vier genannten Flüsse in Schleswig-
Holstein mit einer entsprechenden Deichlinie versehen.27 Dies entspricht mehr als einem
Drittel der gesamten Flusslänge dieser vier Flüsse, womit die Länge der Deichanlagen als
hoch einzustufen ist, was auf eine eher starke Kopplungskonstellation schließen lässt.
4.5.6.1 Seeseitige Auswirkungen der Küstenschutzmaßnahmen auf den Energie- und
Stoffhaushalt
JANßEN (1998) stellt dar, dass die Bemühungen, die buchtenreiche Nordseeküste sukzessive in
eine möglichst gerade Deichlinie zu verwandeln, eine Veränderung der ursprünglichen
27 Als Vergleichswert bietet sich die jeweilige Flusslänge, um beurteilen zu können, wie groß das Ausmaß der
Eindeichung ist. Da Flüsse jedoch an beiden Ufern eingedeicht werden können, muss die jeweilige Flusslänge verdoppelt werden. Laut http://www.lernnetz-sh.de/lzpol/land1.php sowie http://kett.de/kanu/flusslinks.html (Download jeweils am 10.01.2004) beträgt die Länge der Eider 180 km (verdoppelt: 360 km), der Stör ca. 83 km (166 km), der Krückau ca. 21km (42 km) und der Pinnau 46 km (92 km). Daraus ergibt sich eine Gesamtlänge von 330 km (660 km), von denen 226,3 km eingedeicht sind (ca. 34 Prozent).
67 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Dynamik des Wattenmeeres mit sich gebracht hat. Beispielsweise führt er die Erosion von
Tiderinnen an. So habe sich der Norderheverstrom seit 1634 von etwa drei Metern auf 24
Meter vertieft. (vergl. Janßen 1998, S. 148)
Sofern die Eindeichungen auch die Salzwiesen und Vorländer28 umfassen und diese somit
nicht mehr den regelmäßigen Überflutungen in Folge der Gezeiten ausgesetzt sind, ergeben
sich durch den Küstenschutz noch weitere Veränderungen im Energie- und Stoffhaushalt.
Wie LIEBERMAN/ MAI (2001) gezeigt haben, werden durch Vorländer die Wellenkräfte
reduziert, Überlaufmengen verringert und die Druckschläge der Brandung an den Deichen
verringert. Auch die Frequenz der Brandung wird deutlich verringert. In ihren Versuchen
zeigte sich, „dass die über dem Vorland geringeren Wassertiefen eine Flächenbrandung der
von See einlaufenden Wellen erzeugen und dadurch die Linienbrandung am Deich reduziert
wird“ (Lieberman/ Mai 2001, S. 85).
Der Nachweis hierfür lässt sich durch physikalische und numerische Modelle (z.B. Versuche
im Grossen Wellenkanal GWK), aber auch durch direkte Messungen in der Natur erbringen.
Umgekehrt wird ersichtlich, dass beim Wegfall von Vorländern die Wellenkräfte steigen, da
die Wassertiefe zu hoch ist, um die Brandung zu verlangsamen. Statt einer wünschenswerten
Flächenbrandung ergibt sich dann an den Deichanlagen eine Linienbrandung, welche die
Küstenschutzanlagen erheblich größeren physikalischen Kräften aussetzt. Daraus folgt aber
auch, dass die Deiche schneller beschädigt werden und daher häufiger repariert oder
ausgebessert werden müssen, wodurch die Kosten für den Küstenschutz insgesamt steigen.
Die Auswirkungen des Küstenschutzes im Bereich des Energie- und Stoffhaushaltes haben
damit nicht nur im technisch-naturwissenschaftlichen, sondern auch im sozio-ökonomischen
Bereich ihre Konsequenzen.
Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Diskussion über einen
möglichen Meeresspiegelanstieg, mit dem eine Reihe von Prozessen verbunden ist, die im
Folgenden kurz erläutert werden sollen.
Einen der wesentlichsten Aspekte stellt die zunehmende Erosion der Küstenlinie gemäß der
sogenannten Bruun-Rule (Abbildung 11) dar.
28 Über den Deponieeffekt für Schadstoffe im Vorlandkörper sowie entsprechende Messergebnisse vergl.
Umweltbundesamt (1998).
68 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Abb. 11: Bruun-Rule (nach Bruun 1962) aus: Behnen 2000, S. 7. “It is based on the concept of an equilibrium beach profile which is a statistical average profile that maintains its form apart from small fluctuations including seasonal effects. This shows that as sea level rises, material is eroded from the upper beach and deposited on the nearshore ocean bottom. (…) Consequently the ocean moves landwards or in other words there is shoreline recession. However, it is a difficult concept to confirm, for while the beach erosion/recession can be relatively easily quantified, the offshore sedimentation may be spread over a very broad zone. Notwithstanding the above, the Bruun Rule has been tested with a fair level of success along the southeast coast of Florida and in the Great Lakes.” (http://www.unesco.org/csi/pub/info/info410.htm, Download am 10.12.2003)
Aus dieser Regel leitet sich folgende Formel zur Berechnung des zu erwartenden
Küstenrückganges ab:
Shoreline recession resulting from predicted sea level rise is calculated as follows: a rise of sea level of y metres causes a shoreline recession of y times 100 m.
Abb. 12: Berechnung des Küstenrückganges nach BRUUN aus: http://www.unesco.org/csi/pub/info/info410.htm, Download am 10.12.2003.
Das bedeutet, dass bei einem Meeresspiegelanstieg von 0,1 Metern ein Küstenrückgang von
10 Metern zu erwarten ist.
Weiterhin können im Zuge eines Anstieges des Meeresspiegels folgende Entwicklungen
beobachtet werden: „ - Abtragung und Verlagerung von Niederungs- und Feuchtgebieten
- Verstärkte Überflutung nach Sturmfluten - Erhöhte Salinität in Ästuaren und Gefährdung der Süßwasseraquifers
69 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
- Erhöhter Tidenhub in Flußästuaren und Buchten - Veränderte sedimentologische Prozesse - Verringerung des in größere Wassertiefe vordringenden Lichts“ (Behnen 2000, S. 62)
Diese ökologischen Folgen des Meeresspiegelanstieges lassen sich dabei nur begrenzt von
den sozio-ökonomischen trennen: „Die vielfältigen Überlagerungen der Raumansprüche im Küstenraum führen zu einem komplexen Gefüge, in dem Naturschutz- und Nutzungsaspekte eng miteinander verknüpft sind. Als Beispiel können die Strände (...) oder auch die touristische Bedeutung von Feuchtgebieten (...) gelten.“ (Behnen 2000, S. 62)
Zu beachten ist, dass diese Folgen auf die verschiedenen ökologischen Teilsysteme des
Küstenraumes unterschiedliche Auswirkungen haben. Für das Wattenökosystem, die
Salzwiesen und küstennahe terrestrische Ökosysteme werden diese kurz erläutert.29
Im Wattenökosystem werden demnach bereits Auswirkungen festgestellt, so eine Zunahme
des Tidenhubs und der Sturmfluten, die eine Vertiefung der Wattstromrinnen bewirkt haben.
Aufgrund der Eindeichung kann sich das Wasser zudem nicht mehr landeinwärts ausbreiten,
wodurch die Gezeitenzone schmaler und eine Vergrößerung des Watts verhindert wird.
„Wahrscheinlich ist hingegen wegen des stärkeren Gefälles zwischen Hoch- und
Niedrigwasser sogar ein größerer Abtrag und damit eine Verkleinerung der Wattfläche.“
(Behnen 2000, S. 63)
Im Hinblick auf die Salzwiesen verweist BEHNEN (2000) darauf, dass diese im Zuge des
Meeresspiegelanstieges häufiger und dauerhafter überflutet werden würden. Verbunden wäre
dies mit einer Erhöhung des Salzgehaltes und einem beschleunigten Höhenwachstum
aufgrund stärkerer Sedimentation. Bisher wird dieses ‚Mitwachsen’ der Salzwiesen als relativ
problemlos bewertet. Fraglich ist jedoch, inwieweit sich das seewärts gelegene Watt ebenfalls
ausdehnen kann, da ansonsten die Bildung einer Abbruchkante drohen könnte, von der aus die
Zerstörung der Salzwiesen ausgehen könnte. (vergl. Behnen 2000, S. 63)
Auch für küstennahe terrestrische Ökosysteme konstatiert BEHNEN Folgen durch einen
Meeresspiegelanstieg. Vor allem die veränderten Salzverhältnisse und Abflussbedingungen in
den Marschen würden sich problematisch – insbesondere auch für die landwirtschaftliche
Nutzung – auswirken. „Aus ökologischer Sicht wäre die Entstehung neuer Feuchtgebiete
jedoch ein Gewinn.“ (Behnen 2000, S. 63)
Im Zuge eines Anstieges des Meeresspiegels wird zudem eine Verlagerung von Inseln im
Wattenmeer befürchtet (vergl. Abbildung 15).
29 BEHNEN (2000) stellt zudem in knapper Form die Auswirkungen des Meeresspiegelanstieges auf Aquatische
Biota, Dünenökosysteme und Waldökosysteme dar. (vergl. Behnen 2000, S. 62f.)
70 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Abb. 13: Vorausberechnete Verlagerung einer Insel im Wattenmeer bei Erhöhung des Meeresspiegels um einen
Meter. Die ursprüngliche Insel (durchgezogene Linie) wird zum Festland hin verlagert (gestrichelte Linie).
aus: Zentrum für Meeres- und Klimaforschung der Universität Hamburg 2001, S. 45.
Es ist offensichtlich, dass solche Veränderungen der Morphodynamik besondere
Herausforderungen an den Küstenschutz stellen. Dabei ist auch auf die schwer
prognostizierbare Entwicklung der Küste zu verweisen: „Je weiter wir in die Zukunft schauen, desto schwieriger wird es, die Entwicklung der Küste vorherzusagen. Gegenwärtig bewegen sich die ostfriesischen Inseln ost- und südwärts. Um sie in ihrer derzeitigen Position festzuhalten, sind erhebliche Anstrengungen nötig. Die Insel Sylt verliert ein bis zwei Meter Land pro Jahr an der seewärtigen Küste und kann nur mit ständigen Sandvorspülungen in ihrer jetzigen Gestalt erhalten bleiben.“ (Zentrum für Meeres- und Klimaforschung der Universität Hamburg 2001, S. 45)
Für die Zukunft sind daher Konzepte eines flexiblen Küstenschutzes gefordert, welche
langfristige hydrodynamische Entwicklungen berücksichtigen. „Dabei ist auch ein
Rückweichen des Menschen denkbar.“ (Zentrum für Meeres- und Klimaforschung der
Universität Hamburg 2001, S. 44) Derartige defensivere Konzepte des Küstenschutzes
(Rückverlegung von Deichen, Einrichten von Überflutungspoldern) „werden vermutlich in
dem Maße an Akzeptanz gewinnen, in dem angesichts des steigenden Meeresspiegels und
häufiger Sturmfluten die alten Strategien überdacht werden müssen“ (Zentrum für Meeres-
und Klimaforschung der Universität Hamburg 2001, S. 38).
SCHUCHARDT/ SCHIRMER (2002) stellen eine Reihe von Aspekten vor, die ihrer Auffassung
nach im Zusammenhang mit dem steigenden Meeresspiegel, der zunehmenden
Wahrscheinlichkeit von Extremwetterlagen (Sturmfluten) und der Frage des
gesellschaftlichen Umganges mit dieser Entwicklung, von Bedeutung sind:
• „die Methodik der Herleitung von (Deichhöhen-)Bemessungsansätzen unter Klimawandel- und
Meeresspiegelanstiegsbedingungen, • langfristige Anpassungsprozesse, die langfristige Planung und Planungssicherheit erfordern, • Kosten und Kosten/Nutzenanalysen verschiedener Küstenschutzoptionen, • die Interessenlagen der beteiligten Gruppierungen und daraus resultierende Zielkonflikte, • die gesellschaftliche Perzeption bzw. die Interpretationen von Umweltveränderungen (hier: steigendem
Risiko) und die Entscheidungsstrukturen des politisch-administrativen Systems, • die historisch verankerte Partizipation der Küstenbewohner und ihrer Organisationen,
71 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
• die zunehmende Komplexität der im Risikomanagement zu berücksichtigenden Interessen, Vorgaben, Optionen etc., die moderne Methoden der Entscheidungsvorbereitung erfordert.“ (Schuchardt/ Schirmer 2002, o.S.)
4.5.6.2 Ableitung von Indikatoren für den Bereich Seeseitige Auswirkungen der
Küstenschutzmaßnahmen
Wie dargestellt ist einer der entscheidenden Faktoren für die zukünftige Entwicklung der
Geomorpho- und Hydrodynamik im Wattenmeer der zu erwartende Meeresspiegelanstieg. Je
höher dieser ausfällt, desto stärker wird die Kopplung zwischen Küstenschutz und Natur, da
sich Brandungsaktivität und Wellenenergie und daher die Erosion erhöhen. Dies hat
Auswirkungen auf die Sicherheit der Küstenschutzanlagen, die neuen Anforderungen gerecht
werden müssen. Daher erscheint es sinnvoll, die Kopplungskonstellation zwischen
Küstenschutz und Natur durch den erwarteten Meeresspiegelanstieg zu kennzeichnen.
Abbildung 14 bietet einen Überblick über die Entwicklung des Meeresspiegels zwischen 1990
und 2100. Grundlage sind Berechnungen des IPCC mit Hilfe sechs verschiedener Szenarien.
Abb. 14: Der zukünftige weltweite Anstieg des Meeresspiegels 1990-2100 nach sechs beispielhaften Szenarien
(SRES) aus: http://www.grida.no/climate/ipcc_tar/wg1/fig11-12.htm, Download am 10.12.2003.
72 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Berücksichtigt sind in diesen Szenarien alle Faktoren, die zum Meeresspiegelanstieg
beitragen, mit Ausnahme des Grundwasserbeitrags. Der graue Sektor zeigt die Spannweite der
Szenarienrechnungen, die obere und untere Grenzlinie zeigen die Extreme unter
Berücksichtigung der Unsicherheiten in Bezug auf die Veränderungen von Landeis,
Permafrost und Sedimentation. Die Balken am Rand geben die entsprechenden
Unsicherheitsbereiche für die einzelnen Szenarienrechnungen an.
Erwartet wird demnach weltweit ein Meeresspiegelanstieg von bis zu 88 Zentimetern bis zum
Jahr 2100. In Verbindung mit ebenfalls erwarteter zunehmender Häufigkeit von Sturmfluten
an der Nordseeküste ergibt sich daraus, dass dies für die Küstenschutzanlagen an der
Nordseeküste ein bedrohlicher Anstieg wäre. Entsprechend der oben dargestellten Bruun-Rule
entspräche dies einem Küstenabtrag von rund 88 Metern.30
Insofern ergibt sich aus diesem Indikator eine starke Kopplung zwischen Küstenschutz und
Natur im Bereich der seeseitigen Auswirkungen.
Einen weiteren Indikator in diesem Zusammenhang stellt die jährliche Erosionsrate an der
Nordseeküste dar. Je stärker diese ausfällt, desto stärker ausgeprägt ist die Kopplung zwischen
Küstenschutz und Natur. Dies lässt sich damit begründen, dass ein stärkerer Verlust von
Küstenflächen den Zwang zu verstärkten Küstenschutzmaßnahmen erhöht. Diese haben
jedoch wiederum einen Einfluss auf die Geomorpho- und Hydrodynamik und können im
Extremfall das Problem noch verschärfen. Die Erosionsrate ist aber kein Wert, der für alle
Küstenabschnitte entlang der Nordseeküste gleich hoch ist, da die Höhe der Erosionsrate von
unterschiedlichen Faktoren (z.B. Küstenform, Art und Korngröße des Sedimentmaterials etc)
abhängt. So schwanken die Werte zum Teil erheblich. WITEZ (2002) gibt an, dass für die
dänische Festlandküste südlich von Esbjerg eine jährliche Erosionsrate von 25 cm pro Jahr
festgestellt wurde, während die Hallig Norderoog mit einer Erosionsrate von 250 cm pro Jahr
den zehnfachen Wert aufweist. (vergl. Witez 2002, S. 29) Um die Ausprägung der Kopplung
näher zu bestimmen müssten daher für kleinräumigere Küstenabschnitte die Erosionsraten
gemessen werden, da großräumige Betrachtungen keine aussagefähigen Ergebnisse liefern
können.
Letztlich kann auch die Veränderung des Tidenhubes im Wattenmeer als Indikator für die
Kopplung zwischen Küstenschutz und Natur herangezogen werden: „Eine Zunahme des Tidenhubes hat zur Folge, dass pro Tide mehr Wasser in das Tidebecken ein- und ausströmt. Da dieses in der gleichen Zeitspanne (Tidendauer bleibt konstant) geschehen muss, erhöhen sich die
30 Zu den sozio-ökonomischen Auswirkungen eines möglichen Meeresspiegelanstieges vergl. im Internet
http://www.grida.no/climate/ipcc/regional/114.htm (Download am 10.12.2003)
73 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren Tideströmungsgeschwindigkeiten in den Prielen, so dass verstärkt Sediment erodiert werden kann.“ (Witez 2002, S. 146)
Mit Bezug auf EHLERS (1988) kann zudem der Zusammenhang mit dem Küstenschutz
verdeutlicht werden. Dieser hatte im Zusammenhang mit der Eindämmung der Zuider Zee in
den Niederlanden eine Erhöhung des Tidenhubes auf 50 cm und eine Zunahme der
Strömungsgeschwindigkeit um 10 bis 26 Prozent nachweisen können.
Je stärker letztlich der Anstieg des Tidenhubes durch die Eindeichung – und damit den
Küstenschutz – ist, desto mehr ist von einer starken Kopplungskonstellation auszugehen.
Die folgenden Tabellen 15, 16 und 17 bieten einen Überblick über die Entwicklung des
Tidenhubes in ausgewählten Tidebecken (Piep, Norderhever-Heverstrom und Hoogeloch), die
nach Ansicht von WITEZ charakteristisch für die Mehrzahl der schleswig-holsteinischen
Tidebecken sind.
1937 1942 1955 1969 1973 1976 1979 1982 1985 1991
Tidekennwerte [m zu NN]
MThw 1,47 1,41 1,51 1,43 1,51 1,49 1,51 1,65 1,51 1,56 MTmw 0,43 0,35 0,42 0,37 0,41 0,40 0,36 0,52 0,41 0,47 MTnw -1,74 -1,81 -1,73 -1,80 -1,71 -1,77 -1,80 -1,67 -1,72 -1,68 MThb 3,21 3,22 3,24 3,23 3,22 3,26 3,31 3,32 3,23 3,24
Mittlere Sedimenthöhen [m]
Char. Watthöhe 1,74 1,75 1,72 1,78 1,71 1,73 1,67 1,66 1,69 1,69 Tab. 15: Tidekennwerte und mittlere Sedimenthöhen für das Tidebecken Piep (1937-1991). auszugsweise übernommen aus: Witez 2002, S. 76.
1937 1966 1974 1990 Tidekennwerte [m zu NN]
MThw 1,19 1,42 1,30 1,55 MTmw -0,05 0,13 0,08 0,20 MTnw -1,75 -1,64 -1,67 -1,76 MThb 2,94 3,06 2,97 3,31 Mittlere Sedimenthöhen [m] Charakteristische Watthöhe 1,57 1,59 1,64 1,58
Tab. 16: Tidekennwerte und mittlere Sedimenthöhen für das Tidebecken Norderhever-Heverstrom (1936-1990). auszugsweise übernommen aus: Witez 2002, S. 92f.
1937 1968 1974 1992 Tidekennwerte [m zu NN]
MThw 1,32 1,40 1,20 1,32 MTmw 0,57 0,64 0,53 0,52 MTnw -1,51 -1,52 -1,42 -1,52 MThb 2,63 2,92 2,62 2,84 Mittlere Sedimenthöhen [m] Charakteristische Watthöhe 1,52 1,71 1,53 1,61
Tab. 17: Tidekennwerte und mittlere Sedimenthöhen für das Tidebecken Hoogeloch (1936-1992). auszugsweise übernommen aus: Witez 2002, S. 115.
74 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Die Auswertung dieser Daten ergibt ein differenziertes Bild.31 Insgesamt lassen sich ein
Anstieg des Tidenhubes und damit ein erhöhter Rückgang der Wattflächen aufgrund von
Sedimenterosion feststellen. „Betrachtet man die Entwicklung der Wattflächen in den Teilbecken, dann ist diese sehr stark an die Vordeichungen gekoppelt. Ist das Teilbecken direkt flächenhaft von der Vordeichung betroffen, so nimmt der Anteil der Wattflächen unmittelbar nach der Eindeichung stark ab, weil gerade diese hohen Bereiche eingedeicht werden. In den Teilbecken der Piep konnte festgestellt werden, dass der Anteil der Wattflächen nach den Eindeichungen und auch die charakteristische Watthöhe im Anschluss daran wieder zunahm. Dies weist auf eine ausreichende Sedimentverfügbarkeit im Dithmarscher Wattenmeer hin.“ (Witez 2002, S. 147)
Es lässt sich festhalten, dass auch dieser Indikator auf eine starke Kopplungskonstellation
zwischen Küstenschutz und Natur schließen lässt: Die Eindeichung der Küste erhöht den
Tidenhub in den Tidebecken und trägt damit zu einer erhöhten Erosion und somit dem Abtrag
von Wattflächen bei.
4.6 Zusammenfassung: Indikatoren für die Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer
Betrachtet man zusammenfassend die in 4.5.1.1 bis 4.5.6.2 dargestellten Indikatoren sowie die
Schlussfolgerungen, die sich aus den gesammelten Daten bezüglich der
Koppelungskonstellationen zwischen Küstenschutz und Gesellschaft bzw. Natur ergeben, so
lassen sich eine Reihe von Feststellungen treffen. Für die Kopplungskonstellationen zwischen
Küstenschutz und den einzelnen gesellschaftlichen Teilbereichen ergeben sich eher starre
Kopplungen, während zwischen Küstenschutz und Natur eher starke Kopplungen vorliegen.
In Tabelle 18 werden die Ergebnisse der Kapitel 4.5.1.1 bis 4.5.6.2 zusammengefasst. Die
Tabelle ist dabei folgender Maßen zu lesen:
In der ersten Spalte wird der Aspekt der Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und
Gesellschaft (bzw. Natur) angegeben. Es folgen in der zweiten Spalte die Indikatoren, die zur
Kennzeichnung dieser Kopplungskonstellation herangezogen wurden. In der dritten bzw.
vierten Spalte wird angegeben, welche Merkmalsausprägung ein Anzeichen für das Vorliegen
einer starren Kopplung für den Bereich Gesellschaft oder einer schwachen Kopplung für den
Bereich der Natur (beides dritte Spalte) bzw. das Vorliegen einer starken Kopplung (beide
Bereiche, vierte Spalte) ist. Die fünfte Spalte (‚tatsächliche Merkmalsausprägung’) gibt an,
welche Merkmalsausprägung sich im Zuge der Recherchen ergeben hat. Daraus folgt dann
letztlich die Bewertung in der sechsten Spalte. Für die erste Zeile ergibt sich dann folgende
Aussage: Für den Bereich Gesellschaftliche Funktion dient die Einwohnerzahl in Gebieten
unterhalb von +5m NN als Indikator. Sofern die Merkmalsausprägung viele Einwohner
31 Näheres hierzu bei WITEZ (2002) (insbesondere S. 146ff.).
75 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
anzeigt, liegt eine starre Kopplung vor, während wenig Einwohner ein Anzeichen für eine
starke Kopplung wären. Die Recherchen ergaben, dass (eher) viele Einwohner in diesen
Gebieten zu finden sind, so dass eine starre Kopplungskonstellation zu konstatieren ist.
Aspekte der Kopplungs-konstellation Küstenschutz
– Gesellschaft
Indikator
Anzeichen für starre
Kopplung, wenn
Merkmals-ausprägung ...
Anzeichen für starke
Kopplung, wenn
Merkmals-ausprägung ...
Tatsächliche Merkmals-ausprägung
Bewertung und An-
merkungen
Gesell-schaftliche Funktion
- Einwohner in Gebieten unterhalb von +5m NN
- Sachwerte in Gebieten unterhalb von +5m NN
- Fläche, die ohne Küstenschutz-maßnahmen von Sturmfluten akut bedroht wären
- wirtschaftliche Bedeutung einzelner Wirtschafts-zweige:
- Tourismus - Fischerei
- viele - hohe - groß - groß - groß
- wenige - geringe - klein - gering - gering
- (eher) viele - (eher) hohe - (eher) groß - groß -gering
- eher starre Kopplung
- eher starre Kopplung
- eher starre Kopplung
(regionale Unter-schiede)
- trotz geringer ökon. Bedeutung der Fischerei: starre Kopplung
Finanzielle Beziehung
- Kosten des Küstenschutzes:
- absolut - Entwicklung
- Privat betriebene
Küstenschutz-maßnahmen
- hoch - steigend - nicht
vorhanden
- niedrig - sinkend - vorhanden
- eher hoch - nicht sinkend, eher steigend
- nicht vorhanden
- eher starre Kopplung
- eher starre Kopplung
- eher starre Kopplung
Politische Regulation
- Priorität des Küstenschutzes
- Partizipation von Akteuren
- Bevorzugte Küstenschutz-maßnahmen
- hoch - eher gering - eher „hard engineering“
- niedrig - eher hoch - eher Küsten-
management
- hoch - mögliche Tendenz zu „eher hoch“
- eher Küsten-
management
- eher starre Kopplung
- nicht einheitlich zu beurteilen, momentan eher noch starre Kopplung
- eher starke Kopplung
Öffentliche Perzeption
- Ansehen des Küstenschutzes
- hoch - niedrig - hoch - eher starre Kopplung
76 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Aspekte der Kopplungs-konstellation Küstenschutz
– Natur
Indikator
Anzeichen für
schwache Kopplung,
wenn Merkmals-
ausprägung ...
Anzeichen für
starke Kopplung,
wenn Merkmals-
ausprägung ...
Erhobene Daten
Bewertung
und An-
merkungen
Landseitige Aus-wirkungen
- Flächenanteil bewirtschafteter Salzwiesen (% aller Salzwiesen)
- Intensität der Bewirtschaftung
- Länge eingedeichter Ästuare/ Flüsse (im Verhältnis zur Flusslänge)
- klein - eher extensiv - kurz
- groß - eher intensiv - lang
- eher groß (rund 50 %)
- eher intensiv - lang (mehr als ein Drittel der gesamten Flusslänge)
- eher starke Kopplung
- eher starke Kopplung
- eher starke Kopplung
Seeseitige Aus-wirkungen
- Geschätzter Meeresspiegel-anstieg
- Jährliche Erosionsrate
- Veränderung des Tidenhubs
- gering - gering - sinkend/ konstant
- stark - hoch - steigend
- stark - regional schwankend
- steigend
- eher starke Kopplung
- keine einheit-liche Aussage möglich
- eher starke Kopplung
Tab. 18: Indikatoren für die Kopplungskonstellationen zwischen Küstenschutz und Gesellschaft bzw. Natur. Eigene Darstellung.
Auch wenn – gerade im Bereich der Politischen Regulation – Tendenzen zu einer stärkeren
Kopplung zwischen Küstenschutz und Gesellschaft zu verzeichnen sind, so dominieren bisher
doch in erster Linie starre Kopplungskonstellationen. Dies gilt in besondere Weise für den
Bereich der Gesellschaftlichen Funktion und der Finanziellen Beziehung. Ein zentraler Grund
hierfür könnte darin bestehen, dass der Küstenschutz eine sehr hohe symbolische Bedeutung
hat und daher in der Öffentlichkeit extrem positiv bewertet wird. Insofern sind Abweichungen
von diesem gesellschaftlich stark akzeptierten Konzept des Küstenschutzes (wenn überhaupt)
nur in sehr begrenztem Umfang möglich.
Für die Kopplungskonstellationen zwischen Küstenschutz und Natur ergeben sich anhand der
aufgeführten Indikatoren starke Kopplungen. Starke Kopplungen konnten sowohl für den
Bereich der landseitigen, wie auch der seeseitigen Auswirkungen festgestellt werden. Dies
lässt sich in erster Linie mit der gesellschaftlich zugedachten Funktion des Küstenschutzes
erklären, der ja gerade darauf ausgelegt ist, die natürlichen Prozesse entlang der Küste soweit
zu reduzieren, dass ein Verlust von Landflächen sowie die Überschwemmung dieser
verhindert wird. Aufgrund der komplexen geo- und hydrodynamischen Zusammenhänge
77 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
resultieren im Zuge des Küstenschutzes allerdings nicht intendierte Folgeschäden (Nicht-
Linearitäten), mit denen sich die Gesellschaft konfrontiert sieht.
5 Schlussbetrachtung
Ziel dieser Arbeit war es, mit Hilfe geeigneter Indikatoren die Mensch-Umwelt-Dynamik im
Wattenmeer zu erfassen und zu beschreiben. Ausgangspunkt war hierbei der theoretische
Ansatz von GÖRG und seinem Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse. Dieses von
ihm zunächst auf die Regulation der Biodiversität angewendete Konzept wurde auf den
Bereich des Wattenmeeres übertragen, bevor mit dem Ansatz von BECKER und SCHRAMM eine
Operationalisierung dieses theoretischen Ansatzes für das Versorgungssystem
Wasserwirtschaft vorgestellt wurde, welche wiederum auf das Ökosystem Wattenmeer
übertragen wurde. Aufgrund bestimmter theoretischer Grundannahmen (4.4) war es möglich,
diese Operationalisierung zu übertragen und den Küstenschutz als hybriden Bereich zwischen
Mensch und Umwelt anzusehen. Diese Konstruktion erlaubte es, die
Kopplungskonstellationen zwischen Küstenschutz und Gesellschaft auf der einen und
Küstenschutz und Natur auf der anderen Seite zu bestimmen und mit geeigneten Indikatoren
zu belegen.
Nachfolgend wird die Argumentation der vorliegenden Arbeit grob dargestellt und auf dieser
Grundlage ein Fazit gezogen.
GÖRG versucht mit seinem Ansatz aufzuzeigen, dass die bisherige strikte Trennung von
‚Gesellschaft’ und ‚Natur’ in die Irre führt. Um dies zu belegen, bedient er sich in erster Linie
des Konzeptes der Nicht-Identität der Natur, wodurch gezeigt wird, dass Gesellschaft und
Natur immer miteinander vermittelt und nicht unabhängig voneinander sind. Natur ist damit
also immer abhängig davon, wie Gesellschaft Natur versteht und symbolisch belegt.
Für den Bereich des Wattenmeeres konnte gezeigt werden, dass viele Problemkreise, die
GÖRG im Zusammenhang mit der Regulation der Biodiversität aufzeigt, sich auch in diesem
Ökosystem widerspiegeln. Insofern kann schon an dieser Stelle konstatiert werden, dass es
sich hier um einen geeigneten Ansatz handelt, um sozial-ökologische Problemlagen im
Wattenmeer aufzuzeigen.
Im zweiten Schritt dieser Arbeit wurde das Konzept von BECKER/ SCHRAMM vorgestellt und
ebenfalls die Eignung für den Bereich des Wattenmeeres überprüft. Mit Hilfe des analytischen
Schemas der (starken) Kopplungen gelingt es BECKER/ SCHRAMM, die von GÖRG kritisierte
Trennung von Gesellschaft und Natur auf dieser analytischen Ebene zu überwinden. Für sie
78 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
stehen zwischen diesen beiden Sphären immer sogenannte hybride Bereiche, die als
materielle Vermittlungsinstanzen fungieren. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass die
Sphären Gesellschaft und Natur nicht mehr isoliert voneinander betrachtet werden. Somit
lassen sich nicht nur lineare Effekte prognostizieren, sondern vermehrt auch nicht-lineare
Effekte, welche nicht alleine auf physische Faktoren, sondern auch auf gesellschaftliches
Handeln und Symbolisierungen zurückgeführt werden können.
In ihrer Studie verwenden BECKER/ SCHRAMM den Bereich der Wasserversorgung, um so
sozial-ökologische Transformationen zwischen Gesellschaft und Natur aufzuzeigen. Sie
kommen zu dem Schluss, dass dieses Verhältnis tendenziell durch das Vorliegen starker
Kopplungen gekennzeichnet ist.
Es hat sich gezeigt, dass dieser Ansatz auch auf den Bereich des Wattenmeeres übertragbar
ist. Hierbei konnte aufgrund bestimmter theoretischer Vorannahmen (s.o.) der Küstenschutz
als hybrider Bereich zwischen Gesellschaft und Natur bezeichnet werden. Die Bestimmung
der Kopplungskonstellationen zwischen Küstenschutz und Gesellschaft und Küstenschutz und
Natur, durch die sich letztlich die Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer beschreiben
lässt, erfolgte in vier (gesellschaftlichen) bzw. zwei (natürlichen) Unterbereichen (vergl. die
Tabellen 7 und 18). Für das Verhältnis von Küstenschutz und Gesellschaft bot es sich an,
zwischen den Möglichkeiten einer starren und einer starken Kopplung zu unterscheiden. Für
das Verhältnis von Küstenschutz und Natur boten sich dagegen schwache bzw. starke
Kopplungen an. Für jeden Unterbereich wurden einer oder mehrere Indikatoren festgelegt, mit
denen die Art der Kopplungskonstellationen festgestellt werden konnte.
Unter 4.6 wurde das Ergebnis dieser Untersuchung bereits vorgestellt. Die
Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und Gesellschaft ist geprägt durch das
Vorliegen starrer Kopplungen. Dies lässt sich vor allem durch die symbolische Belegung des
‚Systems Küstenschutz’ begründen, die ein Abweichen von bisherigen Praktiken und auch
Zielen nicht zulässt. An dieser Stelle lässt sich der Bogen zurück zu GÖRG spannen, der sich ja
gerade dafür ausgesprochen hat, die gesellschaftlich auferlegten Grenzen der Regulation der
Naturverhältnisse stärker zu berücksichtigen und zu reflektieren. (vergl. u.a. 2.2.9) Dies darf –
auch im Sinne GÖRGs – nicht so verstanden werden, dass der Küstenschutz hinter die
Interessen des Naturschutzes zurücktreten muss, es also zu einer Umkehrung des bisherigen
Verhältnisses kommen soll. Vielmehr sollte in Fällen, in denen ein ‚Zurückweichen’ des
Menschen sowohl aus ökologischer wie auch aus ökonomischer/ gesellschaftlicher Sicht
zweckmäßig wäre (z.B., wenn die Kosten des Küstenschutzes den ‚Nutzen’ übersteigen), dies
auch möglich sein. Es geht also in erster Linie um ein Offenhalten von Optionen, die bisher
79 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
aufgrund der starren Kopplung von Küstenschutz und Gesellschaft nicht in Betracht gezogen
wurden.
Es muss letztlich auch in den gesellschaftlichen Diskurs mit einfließen, dass die Kopplung
von Küstenschutz und Natur stark ausgeprägt sind, was laut BECKER/ SCHRAMM zu einer
Problemdynamik führen kann, die aufgrund von Nicht-Linearitäten ‚chaotischer’ wird. (vergl.
3.2 und 3.3)
Das Ziel, Menschenleben – und entsprechende Sachwerte – im Küstenraum im Wattenmeer
zu schützen soll nicht in Frage gestellt werden. Die Erkenntnis jedoch, dass die
Kopplungskonstellation zwischen Küstenschutz und der Natur stark ausgeprägt ist, sollte vor
allem zu einem veränderten Verständnis von IKZM führen. IKZM eignet sich als
‚Instrument’, mit welchem die nachhaltige Nutzung von Küstenräumen erreicht werden kann.
Dies erfolgt in erster Linie durch Abwägung der ‚drei Säulen’ der Nachhaltigkeit, nämlich der
ökonomischen, der sozialen sowie der ökologischen. Betrachtet man IKZM im Hinblick auf
das Konzept der Kopplungskonstellationen, so müsste zunächst an den starren Kopplungen
zwischen Küstenschutz und Gesellschaft angesetzt werden. Denn erst, wenn diese im Rahmen
von IKZM aufgelöst und in schwächere Kopplungen umgewandelt werden können, ergeben
sich Möglichkeiten, auch an den starken Kopplungen zwischen Küstenschutz und Natur
anzusetzen. Ziel von IKZM ist es dann, zu einer schwachen Kopplungskonstellation zwischen
Gesellschaft und Wattenmeer zu kommen. Erst wenn es gelingt, die ‚Sachzwänge’, die sich
aus der starren Kopplung von Küstenschutz und Gesellschaft ergeben, aufzubrechen, bieten
sich Handlungsmöglichkeiten, um auch die starken Kopplungen zwischen Küstenschutz und
Natur abzuschwächen. Beispielhaft wäre die Ausrichtung an Küstenschutzmaßnahmen, die
einen weniger gravierenden Einfluss auf die Geomorpho- und Hydrodynamik des
Wattenmeeres haben. Voraussetzung hierfür wäre jedoch, dass in der Gesellschaft die
Bereitschaft wächst, Küstengebiete aus der Eindeichung herauszunehmen und stattdessen z.B.
auf Sandvorspülungen zu setzen. Diese hätten einen nicht so großen Einfluss auf die
natürlichen Prozesse im angrenzenden Ökosystem und darüber hinaus wären sie deutlich
flexibler zu handhaben. Der Gesellschaft würde es so ermöglicht werden, ihre Strategien im
Küstenschutz – die ja eng verknüpft sind mit den symbolischen Bewertungen – in geringeren
Zeitabständen zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, ohne dass erneute Eingriffe in die
natürliche Dynamik notwendig wären.
Es lässt sich abschließend festhalten, dass das gewählte Vorgehen geeignet war, die Mensch-
Umwelt-Dynamik im Wattenmeer darzustellen. Dafür lassen sich vier wesentliche Gründe
anführen:
80 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
- Die theoretische Grundlage,
- die Operationalisierung dieser Theorie,
- die Abbildung der Operationalisierung und
- die Anwendung des Ansatzes.
Die theoretische Grundlage dieser Arbeit ist das Konzept der gesellschaftlichen
Naturverhältnisse von GÖRG, welches in vielen Bereichen auf das Wattenmeer übertragbar ist
und aufzeigt, wo in diesem Ökosystem grundsätzlich sozial-ökologische Problemlagen
auftreten. Die Operationalisierung dieser theoretischen Grundlage erfolgte über den Ansatz
von BECKER/ SCHRAMM, der vor allem durch die Einführung des sogenannten ‚hybriden
Bereichs’ zwischen Gesellschaft und Natur dazu beiträgt, die isolierte Betrachtungsweise
dieser beiden Sphären zu überwinden. Auch hier zeigte sich, dass sich dieser Ansatz – mit
Hilfe des Küstenschutzes als hybrider Bereich – auf das Wattenmeer anwenden lässt. Die
Abbildung der Operationalisierung für das Wattenmeer erfolgte mit Hilfe der dargestellten
Indikatoren sowie der dazugehörigen Daten, mit denen sich die Kopplungskonstellationen
zwischen Gesellschaft und Wattenmeer bestimmen ließen. Im Hinblick auf IKZM erlaubte es
dieser Ansatz sogar, den ersten vorsichtigen Versuch einer Anwendung des Konzepts der
Kopplungskonstellationen zu wagen.
Folgender Gesichtspunkt muss jedoch kritisch betrachtet werden:
Räumlich konzentrierte sich diese Arbeit auf das gesamte Wattenmeer, d.h. auf den
Küstenraum der Nordseeanrainerstaaten Dänemark, Deutschland und der Niederlande. Die
Indikatoren, welche die Kopplungskonstellationen kennzeichnen, stützen sich dagegen
überwiegend auf Daten, die für das schleswig-holsteinische Wattenmeer erhoben wurden.
(vergl. dazu Tabelle 19)
Begründen lässt sich dies vor allem damit, dass viele der verwendeten Daten nicht in der
amtlichen Statistik erhoben werden. Die Schwierigkeit erklärt sich auch damit, dass die
Datenlage in den drei Anrainerstaaten z.T. sehr unterschiedlich ist. Gleiches gilt für die
Zuständigkeiten im Bereich des Küstenschutzes, die von Staat zu Staat – in Deutschland z.T.
sogar von Bundesland zu Bundesland – anders geregelt sind. Um jedoch ein vollständiges
Bild von der Kopplungskonstellation zwischen Gesellschaft und Wattenmeer im gesamten
Untersuchungsgebiet zu erreichen, wäre die Integration von Daten notwendig, die sich nicht
auf Gebiete innerhalb administrativer Grenzen beschränken.32
32 Dies gilt insbesondere für Daten aus Dänemark und den Niederlanden. Hier spielt zudem die Sprachbarriere
eine Rolle. Doch auch englischsprachige Internetquellen aus diesen beiden Staaten liefern nur in geringem Ausmaß für die Arbeit verwertbares Datenmaterial. Zu nennen sind hier u.a.: Wadden Sea Forum, Danish
81 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
Verwendet wurden Daten aus: Indikator Dänemark Schleswig-
Holstein Hamburg Nieder-
sachsen Nieder-lande
Einwohner in Gebieten unterhalb von +5m NN
- + - - -
Sachwerte in Gebieten unterhalb von +5m NN
- + - - -
Fläche, die ohne Küstenschutzmaßnahmen von Sturmfluten akut bedroht wären
- + - - +
Wirtschaftliche Bedeutung einzelner Wirtschaftszweige:
- Tourismus - Fischerei
- -
+ +
- -
- -
- -
Kosten des Küstenschutzes: - absolut - Entwicklung
- -
+ +
+ +
+ +
- -
Privat betriebene Küstenschutzmaßnahmen
- - - - -
Priorität des Küstenschutzes - + - - - Partizipation von Akteuren - + - - - Bevorzugte Küstenschutzmaßnahmen
+ + - - -
Ansehen des Küstenschutzes + + + + + Flächenanteil bewirtschafteter Salzwiesen (% aller Salzwiesen)
- + - - -
Intensität der Bewirtschaftung - + - - - Länge eingedeichter Ästuare/ Flüsse (im Verhältnis zur Flusslänge)
- + - - -
Geschätzter Meeresspiegelanstieg
+ + + + +
Jährliche Erosionsrate + + - - - Veränderung des Tidenhubs - + - - + Tab. 19: Übersicht über die (regionale) Verfügbarkeit von Daten für die angegebenen Indikatoren (+ = Daten
waren für diesen Staat/ Bundesland verfügbar; - = Daten waren für diesen Staat/ Bundesland nicht verfügbar). Eigene Darstellung
In der vorliegenden Arbeit war es zudem nötig, einige Indikatoren – etwa zur Akzeptanz des
Küstenschutzes in der Bevölkerung – indirekt aus vorhandenen Daten abzuleiten. Gerade
solche Daten, die auf weiche Faktoren, wie etwa Akzeptanz oder Partizipation, abzielen, sind
bisher – wenn überhaupt – nur in sehr geringem Maße erhoben worden. Hier besteht also –
gerade was die Erhebung sozialwissenschaftlicher Daten angeht – ein gewisser
Forschungsbedarf.
Insofern ist die zunehmende trilaterale Koordination Dänemarks, Deutschlands und der
Niederlande auch im Hinblick auf eine Vereinheitlichung der erhobenen Daten
wünschenswert. Zurzeit konzentriert sich das gemeinsam angeregte Wattenmeermonitoring
Ministry of the Environment, NERI (National environmental Research Institute of Denmark), Royal Netherlands Institute for Sea Research, NetCoast oder InterWad. (Die entsprechenden URLs finden sich im Literaturverzeichnis.)
82 Mensch-Umwelt-Dynamik im Wattenmeer – Ökologische und sozio-ökonomische Indikatoren
(z.B. TMAP) jedoch noch auf den naturwissenschaftlichen Bereich. Die – nicht nur von GÖRG
– geforderte Überwindung der Trennung von natur- und sozialwissenschaftlicher
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