IWW1 KIT – Universität des Landes Baden-Württemberg und
nationales Großforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft
Institut für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung (IWW) Fachgebiet Netzwerkökonomie
www.kit.edu
Mobilität der Zukunft - Herausforderungen des demografischen Wandels für die Verkehrsinfrastruktur
Prof. Dr. Kay Mitusch
9. IGES Innovationskongress
27. Oktober 2011
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Agenda
Demografischer Wandel
Demografischer Wandel und Mobilität
Mobilität und Gesundheitsversorgung
Fazit
Kay Mitusch, KIT: Mobilität der Zukunft
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Agenda
Demografischer Wandel
Demografischer Wandel und Mobilität
Mobilität und Gesundheitsversorgung
Fazit
Kay Mitusch, KIT: Mobilität der Zukunft
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Für Deutschland wird ein deutlicher Bevölkerungsrückgang
prognostiziert (Bevölkerung in 1.000)
Quelle: Daten aus Statistisches Bundesamt (2009); eigene Abb.
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... dabei ändert sich der Altersaufbau der Bevölkerung
dramatisch
Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2008)
Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 2005 und 2050
Kay Mitusch, KIT: Mobilität der Zukunft
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Die regionale Bevölkerungsentwicklung bis 2020
Ergebnisse der BBR-
Bevölkerungsprognose:
• Bevölkerungswachstum gibt es nur noch
um die Großstädte und
Agglomerationszentren.
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Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2005)
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Bevölkerungsdynamik in Vergangenheit und Zukunft
Ergebnisse der BBR-
Bevölkerungsprognose:
• Vor allem im Westen erfolgt ein Wandel
der Dynamik. Für viele Gemeinden und
Regionen ist dies eine neue Erfahrung.
Kay Mitusch, KIT: Mobilität der Zukunft
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2005)
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Zunahme der Zahl der Hochbetagten (über 75)
Regionale Alterung:
• Alterungsprozess von Regionen ist
langfristig unumkehrbar.
• Überproportionale Zunahme der Alten in
den peripheren, dünn besiedelten
Regionen der neuen Länder.
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Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2005)
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Starker Rückgang der Schülerzahlen
Der Rückgang der Schülerzahlen
betrifft die Landkreise deutlich stärker
als die Großstädte - auch in noch
wachsenden Regionen
Kay Mitusch, KIT: Mobilität der Zukunft
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2005)
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Künftige Tragfähigkeit von Infrastruktureinrichtungen
Der demographische Wandel führt
zu Problemen der Tragfähigkeit von
Infrastruktureinrichtungen
• In dünn besiedelten Regionen mit
Entleerungstendenzen zeichnen sich
bereits heute Finanzierungsprobleme bei
der Infrastrukturversorgung ab.
• Auch einige verdichtete,
altindustrialisierte Regionen in
Westdeutschland sind davon betroffen.
• Zunehmende Versorgungsdefizite
verstärken die Abwanderungen und damit
die Tragfähigkeitsprobleme.
Kay Mitusch, KIT: Mobilität der Zukunft
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2005)
IWW11
Erreichbarkeit sozialer Infrastrukturen
Zentrale Orte als Standorte für
soziale Infrastruktureinrichtungen
nicht überall gleich gut erreichbar:
• 12 % der Bevölkerung braucht mehr als
45 Minuten Pkw-Fahrzeit zum nächsten
Oberzentrum und mehr als 15 Minuten
zum nächsten Mittelzentrum.
• Eine sehr ungünstige Lage zu den
zentralen Orten haben sehr dünn
besiedelte Regionen im Nordosten und
an den Grenzen.
Kay Mitusch, KIT: Mobilität der Zukunft
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2005)
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Erschließung durch den Öffentlicher Personennahverkehr
Die Versorgung mit ÖPNV-Angeboten
ist in Deutschland durchaus gut -
bereits Heute weisen jedoch einzelne
Regionen eine kritische
Zugänglichkeit auf
Kay Mitusch, KIT: Mobilität der Zukunft
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2005)
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Agenda
Demografischer Wandel
Demografischer Wandel und Mobilität
Mobilität und Gesundheitsversorgung
Fazit
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Mobilitätsansprüche eines steigenden Anteils Älterer
• Ältere sind heutzutage im Vergleich zu früheren Generationen mobiler
und agiler und haben höhere Pkw-Verfügbarkeit:
• Neue Herausforderungen an die Verkehrsgestaltung in städtischen
Räumen?
• Dennoch ist hier eine deutliche Abnahme der Individualmobilität zu
erwarten.
• Neue Herausforderungen an die Angebote des Öffentlichen
Personennahverkehrs (ÖPNV)
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Mobilitätsansprüche eines steigenden Anteils Älterer
• Ältere sind heutzutage im Vergleich zu früheren Generationen mobiler
und agiler und haben höhere Pkw-Verfügbarkeit:
• Neue Herausforderungen an die Verkehrsgestaltung in städtischen
Räumen?
• Dennoch ist hier eine deutliche Abnahme der Individualmobilität zu
erwarten.
• Neue Herausforderungen an die Angebote des Öffentlichen
Personennahverkehrs (ÖPNV)
• Aber: Gleichzeitig sinkt – in den strukturschwachen Regionen –
die Zahl der Gesamtnutzer des ÖPNV erheblich
Finanzierungsproblem des ÖPNV!
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Finanzierung ÖPNV
• Nutzerfinanzierung: 35%
• Öffentliche Zuwendungen: 65%
(darunter: Zuwendungen für Schülerbeförderung)
• Der weitaus überwiegende Anteil der Fördergelder fließt in die
Ballungsräume, da dort die großen Investitionsvorhaben und
Prestigeprojekte realisiert werden.
Das Finanzierungsproblem des ÖPNV in den strukturschwachen
Regionen betrifft beide Finanzierungskomponenten
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Beispiel: Finanzierung aus GVFG / Entflechtungsgesetz
in Bayern
• In Bayern …
… fließen über 80 Prozent der Fördermittel in die Ballungsräume
München und Nürnberg, obwohl dort nur ca. 30 Prozent der
Bevölkerung leben
… wohnen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung in Städten und
Gemeinden mit weniger als 50.000 Einwohner - dort landen weniger
als 10 Prozent der Fördermittel.
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Quelle: Striebich (2007)
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Auswege für den ÖPNV
• ÖPNV muss attraktiver und bedarfsgerechter werden, um stärkere
Nutzerfinanzierung zu ermöglichen („Verkehr finanziert Verkehr“)
• ÖPNV muss neue Mittel erschließen
• ÖPNV muss kostengünstiger werden
• Beispiele:
• Angebotsanpassungen
• Flexible Angebote (z.B. „Alternative Bedienung“)
• Kooperationsformen mit Krankenfahrten u.a.
• Integrierte Planung
• Mehr Transparenz und Wettbewerb
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Beispiel 1: Angebotsbündelung im Odenwaldkreis
durch Mobilitätsportal
Bündelung aller Angebot zu einem umfassenden Mobilitätsangebot
• Linienverkehr bleibt in der Grundlast unangetastet (Schülerbeförderung)
• Mobilitätsportal als (Internet-)Plattform, einheitliches und gebündeltes
Auftreten
• Mobilitätsgarantie für den Kunden mit großer zeitlicher und räumlicher
Ausdehnung (Mo-So 4 Uhr bis 1 Uhr)
• Erfüllung im Zweifelsfall durch die Bereitstellung einer Taxiverbindung
• Vorhandene RufBus-Leistungen werden integriert
• Gemeinsame Leitstelle
ermöglicht unternehmens-
übergreifende Disposition
Quelle: Dümmler (2011)
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Beispiel 2: Angebotsbündelung im Odenwaldkreis durch
Einbindung neuer Kooperationspartner
Neue Kooperationspartner: öffentliche / teilöffentliche Institutionen, mit Beteiligung des
Odenwaldkreises oder in dessen Einflussbereich
• Deutsches Rotes Kreuz
• Integra GmbH
• BAW Odenwaldkreis GmbH
• Zentrum Gemeinschaftshilfe
• Diakonisches Werk
Darüber hinaus Logistikunternehmen, wie:
• Deutsche Post
• Hermes Versand, UPS
Private Anbieter:
• Vermittelte Mitfahrgelegenheiten
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Quelle: Dümmler (2011)
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Beispiel 3: Gemeinsame Investitionen in die
Schieneninfrastruktur - Bad Saarow
Projekt:
• Verlängerung der Regionallinie 35 um ca. 1.100 m
• Einrichtung eines neuen Bahnsteigs
• Planungsbeginn ca. 2008; Eröffnung: 21.10.2011
Ziele:
• Erreichbarkeit des Helios-Klinikum verbessern
• Erschließung touristischer Ziele
Besonderheit I:
Laut Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg ist es die erste Vergrößerung des Bahnnetzes
der Region seit 1990!
Besonderheit II: Finanzierung
• Gemeinde Bad Saarow
• Land Brandenburg
• Helios-Klinikum
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Quelle: Presseberichte und Ministerium für Infrastruktur und
Landwirtschaft des Landes Brandenburg (2008)
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Agenda
Demografischer Wandel
Demografischer Wandel und Mobilität
Mobilität und Gesundheitsversorgung
Fazit
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Die Ausgangslage:
Steigende Fahrkosten GKV für Taxi- und Mietwagen
• In 2009 entfallen ca. 2,18 Prozent der gesamten Leistungsausgaben der
GKV auf das Segment der Fahrkosten1.
• Beispiel DAK: Kostenanstieg bei Fahrkosten 2009 gegenüber 2008 um
7,7%; im Teilbereich Taxi und Mietwagen sogar um 10,2%
• Weitere Steigerungen der Kosten zu erwarten.
1 Flugrettung, Krankentransportwagen, Rettungswagen, Notarztwagen, Taxen und Mietwagen (= Krankenfahrten) sowie sonstige
Fahrkosten.
0
100.000
200.000
300.000
400.000
500.000
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700.000
800.000
900.000
Fahrkosten Taxen und
Mietwagen, GKV in TEUR
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Die Idee
Übertragung von Know How aus dem Nahverkehr
• Auch beim ÖPNV ist ein Kostendruck sichtbar, der bereits zu
Einschnitten bei der Angebotsqualität führt.
• Gegensteuerung erfolgt durch erfolgreiche Konzepte wie Rufbus-
Lösungen, d.h. Fahrten nach Bedarf mit vorheriger Anmeldung, ohne
dass die genaue Nachfrage vorher bekannt ist.
• Realisiert wird dies mit Hilfe intelligenter Dispositions- und
Routingsysteme zur Kostensenkung bei Linienverkehren und
Spontanfahrten.
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Der Lösungsansatz
Ausgabensenkung durch Kooperation
• Kooperationsmodell für eine regionale Zusammenarbeit
zwischen Krankenkassen und Unternehmen des ÖPNV
• Nutzung des Know Hows von Nahverkehrsunternehmen beim
Management disperser Verkehre
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Zwei denkbare Lösungswege
• Nutzung operativer Optimierungsmöglichkeiten
• Regionale Umsetzung bei einzelnen Krankenkassen, z.B. auf Ebene von Landkreisen, Ländern
Kurz- bis mittelfristig
• Zusammenführung von ÖPNV-Budgets und SGB V Mittel für eine sektorübergreifende Organisation der Mobilitätlangfristig
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Kostenvorteile für die Krankenkasse
• Nutzung der Dispositionszentralen und -software der ÖPNV-
Unternehmen.
• Beschränkung auf nur einen regionalen Vertragspartner anstelle einer
großen Zahl von Taxi- und Mietwagenunternehmen.
• Risikoverlagerung des Einkaufs von Beförderungsleistungen auf den
Partner Nahverkehr.
• Senkung der Transaktionskosten je Beförderungsfall.
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Agenda
Demografischer Wandel
Demografischer Wandel und Mobilität
Mobilität und Gesundheitsversorgung
Fazit
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Ergebnis
Der ÖPNV in ländlichen Räumen hat eine Zukunft – indem er weiterentwickelt
wird…
• Die Anforderungen der verschiedenen Kundengruppen wandeln sich; alte
Verkehrs- und Einnahmestrukturen gehen unwiederbringlich zu Ende
Umfassende Analyse zukünftiger Bedürfnisse und Anforderungen
• Lösungen sind von der individuellen regionale Situation abhängig
Regionale Besonderheiten müssen berücksichtigt werden
• Neue Spielräume für Unternehmen eröffnen
rechtliche Rahmenbedingungen, Finanzierungsmodelle, etc.
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Ergebnis
Der ÖPNV in ländlichen Räumen hat eine Zukunft – indem er weiterentwickelt
wird…
• Einbeziehung externer Partner
Stärkung der Zusammenarbeit mit Krankenversicherungen,
Leistungsanbietern, Einzelhandel etc.
• Angebote müssen sich wandeln – vom klassischen Linienangebot zur
Mobilitätsdienstleistung von „Tür zu Tür“
Zusammenwirken aller Akteure erforderlich
Alle Beteiligten im ÖPNV müssen sich als Verbund von Systemdienstleistern
verstehen
Verkehrsunternehmen müssen in die neue Rolle
des „Mobilitätsdienstleisters“ hineinwachsen !
Kay Mitusch, KIT: Mobilität der Zukunft
IWW31
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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IWW32
Quellennachweise
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2005): Raumordnungsbericht 2005.
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2008): Bevölkerung. Daten, Fakten, Trends zum
demographischen Wandel in Deutschland.
Dümmler, O. (2011): Neue Ideen für einen besseren und effizienteren Nahverkehr im ländlichen
Raum, 5. ÖPNV Innovationskongress Freiburg.
Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (2008): Dellmann:
„Verlängerung der Regionallinie 35 zum Klinikum Bad Saarow ist möglich“,
Pressemitteilung 157/2008 vom 07.08.2008.
Statistisches Bundesamt (2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060.
Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung.
Striebich, M. (2007): Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), VCD-
Bayerntreffen, Nürnberg.
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