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Page 1: Nasenvorhofsmißbildung bei doppelseitiger Choanalatresie

Aus der Universitatsklinik ffir ttals-/Nasen-,und Ohrenkranke Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. A. SSlFS]~RT).

N a s e n v o r h o f s m i S b i l d u n g be i d o p p e l s e i t i g e r l ] h o a n a l a t r e s i e .

V o n

HANs-WoLFGANG SCHULZ- SCHONHAGEN,

Mit 3 Tex~abbildungen.

(Eingegangen am 13. Juni 1949.)

Am 2 .4 .48 wies uns ein auswgrtiger Facharzt ein 4 Monate altes Miidchen ein, bei we lchem das rechte Vestibulum nasi durch eine hor izon ta lges te l l t e Gewebsbrficke in 2 Etagen geteilt wurde. Er deklarierte es als ,,Casus rarus" und nach Durchsicht der uns zugi~ngigen Literatur kSnnen wir dies nur bestgtigen; denn es lieB sich kein iihn]ieh gelagerter Fall finden. Bei unserer Pat ient in handelt es sich um die 4 Monate alte Elvira K., deren Vater Hilfsarbeiter ist.

Anamnese. Nach Angaben der Mutter sind weder bei den beiden Geschwistern der kleinen Patientin noch sonst in der Verwandtsehaft MiBbildungen sowohl im Gesicht als auch an anderen K6rperregionen gesehen worden. Das Kind wurde ausgetragen und kam wie seine beiden Gesehwister durch Kaiserschnitt zur Welt. E s ist noch nicht vorher krank gewesen. Die Mutter suchte den Facharzt auf, da das Kind einen st~ndigen Sekretflug aus den Nasenl6chern zeigte, immer mit weir offenem Munde a tmete und beim Trinken nieht an der Brust blieb. Auch die Erni~hrung mit der Flasche war miihsam, es wurde daher mit dem LSffel ern~hrt.

Be/und. Lebhaftes Kind in leidliehem Allgemeinzustand, doch mit den Zeichen einer Rachitis (t%osenkranz).

Wie die Abb. 1 zeigt, ist das linke Vestibulum nasi ~uBerlich normal geformt, wiihrend es rechts etwa doppelt so weit ist. Dieses Lumen wird durch eine Gewebsbrticke in 2 ungleich groBe Teile geteilt, von denen der obere etwa halb so welt ist wie der untere. Knochenein- lagerungen lassen sieh in dieser Briicke nicht tasten. Die Rhinoskopia anterior zeigt links ein normales Vestibulum und nach Entfernung des im nnteren Nasengang reichlich vorhandenen Sehleims auch im Nasenlumen normale Verh~ltnisse. l%echts zeigt sich die 0bere Etage Ms kurzer Blindsaek, w~hrend der unteren ebenfMls naeh Entfernung des glasigen Sehleims sich das Lumen normal zeigt. Eine Sonde gelangt, in den linken unteren Nasengang eingeftihrt, bei 37 m m auf einen festen

Arch. Ohr- usw. Heilk. u, Z. t ta ls- nsw. t{eilk. ]3d. 155. 46a

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Widerstand, der auch nach Sondierung des mittleren Nasengangs nicht zu iiberwinden ist. Im rechten unteren Nasengang st513t die Sonde b e i 3 4 mm ebenfalls auf ein uniiberwindliches Hinderni's. Der obere Teil des rechten Vestibulums ist auf 6 mm zu s0ndieren. In der MundhShle linden sieh Vorhof, Zahnleiste, Mundboden und Zunge regelrecht. Der harte Gaumen ist vSllig geschlossen, d ieUvula normal geformt, eine subraukSse Ganmenspalte ist nieht festzustellen. Im 1N'asenrachenraum wird eine grol3e I~achenmandel palpiert. Gaumen-

Abb. 1. Elvira 1K., ~ Monate alt.

bSgen, Tonsillen und hintere I~achenwand sind regelrecht. Sonst land sich weder in unserem Fachgebiet noch am Stamm und den Extremi- tgten tin Anhalt ffir eine MiBbildung. Wir fiillten nun bei liegendem Kinde jedes Nasenlumen einzeln mit Jodipin (20%) und fanden sie rSntgenologisch gut darstell}oar (Abb. 2 und 3). Gleichzeitig zeigte sich, dab beide Choanen v611ig geschlossen sind, und zwar in H6he der sekund~ren Choane.

Die Blutuntersuchung nach W A S S E ~ A ~ ~ar negativ (Untersuchung vom 4 .5 .48 des Instituts ffir experimentelle Krebsforschung ~r . ]7 531).

Am 20 .4 .48 wurde mittels Seherenschlag (Prof. Dr. A. SETF~T) die Gewebsbrficke ausgelSst und histologiseh untersucht. Dabei land sich: . . . . . Gewebe vom Charakter der Regio vest~bularis mit groBen Talgdrfisen, aueh Sehleimdrfisen. Weiter findet sieh Knorpelgewebe in Form versehieden groBer Stiiekchen" (Prof. SCttMI:NCKE, Patho- logisches Institut, Einlauf-Nr. 1900/48).

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Es handelt sich also um eine Mil3bildung im Vestibulum nasi, gepaart mit einer beiderseitigen Choanalatresie. I m V0rdergrund steht nun die Frage, ob eine der MiBbildungen durch die andere bedingt ist.

Abb. 2. R S n t g e n a u f n a h m e des Schi%dels, r ech te Sei tc . N a s e n l n m e n mit 20%igem J o d i p i n gefi i l l t .

Abb. 3. RSntgen~ufnM~me des Seh~dels , l i n k e Seite . N a s e n l u m e n m i t 20%igem J o d i p i n g'effillt.

1NTach PHLEFS und PETER kann es als erwiesen gelten, dab dieses nicht der Fall ist; denn die prim~re Choane, die in der 6. Embryon~l- woche angelegt ist, wgndelt sich unter Hinzutreten yon Teilen der prim~ren MundhShle in die sekundgre Choane der~rt, dab der sekund~re ha,rte Gaumen welter nach hinten und unten auswgchst und sich in

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der 12. Embryonalwoche mit der Gegenseite vereinigt und geschlossen hat. Dami t sind die sekundi~ren Choanen gebildet. Eine Urs~che fiir eine angeborene Choanalatresie mut~ also vor dieser Zeit eingetreten sein. Andererseits wird d~s Vestibulum nasi im 2. Embryonalmonat wieder verschlossen. HOVORKA nimmt an, durch einen ,,gallertigen Pfropf"; PHLEPS dagegen vermute t einen ,,soliden Epithelstr~ng". Dieser Verschluit bleibt bis zum 6. Embryonalmon~t bestehen End ]Sst sich dann dutch Zelldegeneration ~uf. Wi~hrend nach PnTE~ die Choanalatresie darauf zuriickgefiihrt wird, daG d e r sekund~re harte Gaumen in seiner Weiterentwicklung eine falsche Richtung - - zum KeilbeinkSrper hin - - einschlug, gl~uben wir annehmen zu diirfen, da ] die Mil~bildung des Vestibulum nasi andererseits auf eine ungentigende Zelldegeneration zuriickzuffihren ist. D~ die Cho~nalentwicklung aber im 3. Monat schon abgeschlosse~ ist, so dfirfte kaum ein Zusammenhang bestehen mit der Mii~bildung des erst im 6. Embryonalmonat in seiner Entwicklung fertigen Vestibulum nasi. Ob intrauterir/e Entziindungen, Narbenstr~nge oder der Druck der Nabelschnur etwa zu dieser Mil]- bildung ffihrten, kann nicht entschieden werden.

Literatur. I-Iovo~x~_: Wien. klin. Wschr. 5. Jahrg., 57i. - - PEteR: Atlas der Entwicldung

der Nase und des Gaumens beim Menschen. Jena 1913; - - P~L]~PS: Z. Ilals- Usw. ttk. 4, 298.


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