T h e F u t u r e o f F i n a n c eON THE MOVE
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NFCCC
Jahrbuch 2016
ORDENTLICHE MITGLIEDER
FÖRDERMITGLIEDER
STAND: APRIL 2016
WIR STEHEN FÜR DEN FINANZPLATZ FRANKFURT
I N SE L N DE R AU F M E R K SA M K E I T
K o m p e t e n z n e t z w e r k
V e r s i c h e r u n g s w i r t s c h a f t
ICF BANK
WM Gruppe
2 FMF JAHRBUCH 2016 FRANKFURT MAIN FINANCE
FRANKFURT MAIN FINANCE
MIT EINER STIMME FÜR DEUTSCHLANDS
FÜHRENDEN FINANZPLATZ
Frankfurt Main Finance ist die Stimme des
Finanzplatzes Frankfurt. Zu den mehr als 40 Mit
gliedern zählen neben dem Land Hessen die
Städte Frankfurt am Main und Eschborn, zahlreiche
namhafte Finanzmarktakteure und ihre Dienstleister
sowie private und öffentliche Hochschulen. Sie alle
bringen mit ihrer Mitgliedschaft ihre enge Verbunden
heit mit dem Finanzplatz sowie ihren Willen zum Aus
druck, Frankfurt am Main als nationales und internatio
nales Finanzzentrum ersten Ranges zu positionieren.
Gegründet im August 2008, hat Frankfurt Main
Finance in den vergangenen Jahren viel erreicht.
Im Frankfurt Main Finance Dialogforum wurden seit
dem vergangenen Jahr die Weichen für den Aus
bau des FinTech Zentrums gestellt. Darin haben sich
zahl reiche Institutionen zusammengeschlossen, um
ein nach haltiges FinTechÖkosystem in Frankfurt zu
etablieren. Außerdem unterstützt der Finanzplatzver
ein lokale Dienstleister darin, internationale Geschäfts
beziehungen aufzubauen und gibt umgekehrt dem
Finanzplatz ein Gesicht – beispielsweise gegenüber
Delegationen unserer Kooperations partner Busan,
Istanbul, Moskau und Peking. Darüber hinaus wurde
auf Initiative des Vereins die Gründung des Frankfurter
Instituts für Risiko management und Regulierung (FIRM)
vorangetrieben, das sich auf seinem Feld in kurzer Zeit
zu einer renommierten Instanz für Forschung und Aus
bildung entwickelt hat.
Ein wesentliches Instrument für die Vermarktung des
Finanzplatzes ist der Frankfurt Finance Summit, ein
Kongress, den Frankfurt Main Finance und FIRM seit
März 2011 gemeinsam ausrichten und der sich von
Beginn an als Treffpunkt der weltweiten Risiko und
RegulierungsCommunity etabliert hat. Hier kom
men einmal im Jahr Notenbankgouverneure, Regulie
rer, Vertreter der Aufsichtsbehörden, Finanz politiker,
Wissenschaftler und Praktiker zusammen, um sich
über aktuelle Fragen der Finanzmarktstabilität aus
zutauschen. Insbesondere mit dieser Veranstaltung
haben es beide Partner geschafft, Frankfurts Bedeu
tung als Zentrum für Finanzmarktstabilität und Banken
regulierung in der Eurozone zu unterstreichen. Der
Frankfurt Finance Summit ist heute als Dialogplattform,
die wichtige Impulse für die aktuelle Regulierungsdis
kussion setzt, nicht mehr wegzudenken.
Zudem bündelt und koordiniert Frankfurt Main Finance
die Kräfte von Land, Stadt und Finanzwirtschaft, wenn
internationale Standortentscheidungen getroffen wer
den. 2014 gelang dies beispielhaft mit der Ansiedlung
des RenminbiClearings am Finanzplatz. Auch wenn
Finanzdienstleister oder internationale Institutionen
Repräsentanzen in Europa planen, richtet der Ver
ein gemeinsam mit der Hessen Trade & Invest GmbH,
der FrankfurtRheinMain GmbH sowie den Wirtschafts
förderungen Frankfurt und Eschborn die Aufmerk
samkeit der Entscheider auf die Stadt.
Nicht zuletzt versteht sich Frankfurt Main Finance als
Beobachter des Geschehens im Umfeld der Finanz
branche, der Dialogplattformen schafft. Dazu gehö
ren Veranstaltungen wie die RenminbiKonferenz, das
FinanzplatzFrühstück, Podiumsdiskussionen oder das
vorliegende Jahrbuch zum Thema FinTech. Der inter
nationale Wettbewerb zwischen den Finanz zentren
wird noch weiter zunehmen, neue Wettbewerber
werden erstarken. Umso wichtiger wird es in Zukunft
sein, mit einer Stimme für den Finanzplatz zu spre
chen – und diese Stimme ist Frankfurt Main Finance.
MEHR ZUR FINANZPLATZINITIATIVE
AUF WWW.FRANKFURT-MAIN-FINANCE.COM
3 FMF JAHRBUCH 2016 FRANKFURT MAIN FINANCE
1 | ON THE MOVE
NEUER SCHWUNG FÜR DIE FINANZBRANCHE Lutz Raettig
8
HESSEN FÖRDERT FINTECHTarek Al-Wazir
10
DAS GEBIET RHEIN-MAIN- NECKAR IST DIE DEUTSCHE FINTECH-REGION MIT DER GRÖSSTEN DYNAMIKChristopher Schmitz und Jan-Erik Behrens
12
FINTECH-CENTERFRANKFURT AM MAINOliver Schwebel und Olaf Atja Lemmingson
16
FINTECHS – NEUE AKTEURE, NEUE HERAUSFORDERUNGENAndreas Dombret
18
2 | FINTECH & REGULIERUNG
FRAGEN UND PERSPEKTIVEN DES TECHNOLOGISCHEN WANDELS Uwe Neumann
20
„DIE ZWEITE FINTECH-WELLE SETZT IM MASCHINENRAUM DER FINANZINDUSTRIE AN“Round Table mit Sebastian Glock, Manuel Lorenz und Hassan Sohbi
22
GRUSSWORTE
VOLKER BOUFFIER UWE BECKER
6 7
3 | FINTECH IN DER PRAXIS
DEUTSCHLANDS FINTECH-ZENTRUM FORMIERT SICH Ein Ökosystem entsteht – Info-Grafik
26
FINANZTECHNOLOGIE – EVOLUTION ODER REVOLUTION DER MÄRKTE? Round Table mit Adrian Braun, Christo pher Oster, Gernot A. Overbeck, Timur Peters und Jochen Siegert
28
DEUTSCHE FINTECHS FÖRDERN WELTWEIT DIE FINANCIAL INCLUSION Ein Überblick
32
360T – VOM START-UP ZUM GLOBAL PLAYER Ein Porträt
34
DIE DIGITALISIERUNG DES FINANZSEKTORS Gastbeiträge von Thomas-Frank Dapp und Markus Pertlwieser, Franz Sebastian Welter, Robert Restani und Michael Reckhard
35
TRADITION MEETS FINTECH Interview mit Martin Gijssel, CEO der vwd group
40
BERICHTE AUS DER PRAXIS ❙ paydirekt – Einfach und sicher online bezahlen, Niklas Bartelt
❙ IT-Infrastrukturen stehen vor massivem Wandel, Alexander Deuss
❙ Innovation anpacken, GFT ❙ Trends – erkennen, partizipieren, setzen, main incubator
❙ FinTech Forum als Nukleus eines FinTech- Ökosystems in Frankfurt, Pankhuri Srivastava
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Lutz Raettig über Innovation und Wandel im Bankgeschäft
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4 FMF JAHRBUCH 2016 INHALT
5 | FINTECH IN DER WISSENSCHAFT
WIE WISSENSCHAFT DIE ENTWICKLUNG DER FINTECH- UNTERNEHMEN UNTERSTÜTZT Round Table mit den Professoren Peter Buxmann, Lutz Johanning, Wolfgang König und Christoph Schalast
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IMPRESSUM Wissenswertes, Termine, Veranstaltungen, Portale
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4 | FINTECH & FINANZIERUNG
WIE LÄSST SICH EIN FINTECH FINANZIEREN? Ein Überblick
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SPANNENDE GRÜNDUNGSIDEEN + PRIVATE INVESTOREN Interview mit Andreas Lukic, Vorstandsvorsitzender von Business Angels Frankfurt Rhein-Main e.V.
52
Die Inhalte namentlich gekennzeichneter Texte geben die Ansicht des jeweiligen Autors wieder und müssen nicht der Sichtweise des Heraus-gebers oder anderer Autoren entsprechen.
Vertreter der FinTech-Branche diskutieren die technologische
Entwicklung und die Konsequenzen für die Bankenlandschaft.
Vertreter der Kanzleien White & Case, Baker & McKenzie sowie Taylor Wessing
sprechen über Chancen und Risiken der Regulierung.
„Wir haben ein Missverhältnis zwischen privaten Investitionen und
spannenden Gründungsideen“, sagt Andreas Lukic.
Die Wissenschaft kann der Wirtschaft unter die Arme greifen,
wie Vertreter renommierter Universitäten erklären.
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28klimaneutralnatureOffice.com | DE-140-135567
gedruckt
5 FMF JAHRBUCH 2016 INHALT
6 FMF JAHRBUCH 2016 GRUSSWORTE
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den sieben Jahrzehnten seit Gründung des Landes Hessen ist Frankfurt am Main zum wichtigsten deutschen
Finanzzentrum, ja sogar zum wichtigsten in Kontinentaleuropa aufgestiegen. Ein Zentrum zwischen Tradition
und Innovation, das über ein hohes Maß an Dynamik verfügt, die wesentlich zu seiner Zukunftsfähigkeit beiträgt.
Die in Frankfurt ansässigen Unternehmen und Institutionen des Finanzsektors legen entscheidende Grundlagen
für ein erfolgreiches Wirtschaftsleben, gleichzeitig bieten sie vielen Menschen Beschäftigung. In Frankfurt be-
finden sich die Bundesbank und die Europäische Zentralbank, die Deutsche Börse und viele namhafte Banken.
Mit der „European Insurance and Occupational Pensions Authority“ (EIOPA) ist die Stadt daneben beispiels-
weise auch für die europäische Versicherungswirtschaft das Aufsichts- und Stabilitätszentrum.
Auf dieser Grundlage bietet die Region beste Voraussetzungen für Weiterentwicklungen im Bereich der Finanz-
welt und dafür, dass auch in Zukunft neue Chancen genutzt werden können. Ein ganz aktuelles Stichwort ist
der FinTech-Sektor. Es geht um solide und erfolgreiche, durch Verantwortung, Nachhaltigkeit und Langfristig-
keit geprägte Entwicklungen des Finanzplatzes Frankfurt und damit des Wirtschaftsstandorts Hessen. Dieses
Ziel verfolgt die Hessische Landesregierung mit großer Entschlossenheit. Denn als Zentrum der Finanzwirtschaft
ist Frankfurt für unser Land, aber auch weit darüber hinaus, von entscheidender Bedeutung.
Ich gehe davon aus, dass Frankfurt Main Finance auch weiterhin ein aufmerksamer Begleiter der Entwicklungen
bleiben wird. Das vorliegende Jahrbuch spiegelt diese Aufmerksamkeit facettenreich wider.
Volker Bouffier
Hessischer Ministerpräsident
Ein ganz aktuelles Stichwort ist der FinTech-Sektor …
7 FMF JAHRBUCH 2016 GRUSSWORTE
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Jahrbuch 2016 thematisiert die Herausforderungen, denen sich die Finanzbranche zukünftig stellen muss.
Dabei steht die Entwicklung im FinTech-Sektor für den Finanzplatz Frankfurt besonders im Fokus.
Frankfurt am Main hat für die kreative FinTech-Szene einiges zu bieten. Zum einen ist die Mainmetropole als
internationale und weltoffene Stadt der kurzen Wege mit vielfältigen und hochqualitativen Betreuungs- und
Bildungseinrichtungen sowie Kultur- und Freizeitangeboten attraktiv für Arbeitgeber und Beschäftigte gleicher-
maßen. Auch die hochqualitative Infrastruktur ist ein entscheidender Standortvorteil.
Zum anderen ist die Nähe zum bestehenden Bankensektor gerade für FinTechs interessant und nützlich. Am
Finanzplatz Frankfurt sind gebündelte Ressourcen zugänglich, hier finden sich viele Talente mit weitreichenden
Finanzkenntnissen.
Im vergangenen Jahr wurde auch in Frankfurt viel über die FinTech-Szene und deren Unterstützung diskutiert.
So wäre die Schaffung eines zentralen Anlaufpunktes für alle Beteiligten, ein sogenanntes „FinTech- Center“,
ein wichtiger Schritt, um die Szene zu unterstützen und zu vernetzen. Es bedarf einer Plattform, um die
fragmentierte Szene zusammenzuführen. Bei der Stärkung des Frankfurter FinTech-Ökosystems leistet die
Wirtschaftsförderung Frankfurt wertvolle Arbeit.
Erfreulich ist, dass die Frankfurter FinTech- und Gründerveranstaltungen sich dynamisch und konzeptionell
vielseitig entwickelt haben. Bereichernd ist hierbei auch der Blick über den Tellerrand. Davon konnte ich mir
beim „Tech Ecosystem Dialogue“ im Herbst des vergangenen Jahres selbst ein Bild machen. Deutsche und
israelische FinTech-Start-ups in Frankfurt und Tel Aviv haben sich in Kooperation mit der Goethe-Universität
Frankfurt ausgetauscht und vernetzt.
Gemeinsam mit dem Land Hessen ist Frankfurt einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Frankfurt ist
„On the Move“: auf einem guten Weg, ein attraktiver und innovativer Standort und damit ein Global Player der
Gründerszene zu werden. Als europäische Finanzhauptstadt ist Frankfurt eine „natürliche Wahl“ für die Zukunft
als europäischer FinTech-Hub.
Uwe Becker
Stadtkämmerer Frankfurt am Main
Frankfurt am Main hat für die kreative FinTech-Szene einiges zu bieten …
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Mit innovativen Ideen haben FinTech-Unternehmen in den vergangenen
Jahren alle Themen des Bankgeschäfts besetzt, vom Zahlungsverkehr
mit Mobile Payment über die klassische Verwaltung der Vermögens-
anlagen, den Handel mit Wertpapieren, den Online-Abschluss von
Versicherungen bis hin zum Crowdfinancing. Dabei hat die Tatsache, dass nach dem
Ausbruch der Finanzkrise das Vertrauen in die Branche erheblich beschädigt war,
den Aufstieg der neuen Akteure extrem begünstigt. So ist mit insgesamt 23,5 Milli-
arden US-Dollar an Risikokapitalinvestitionen, davon 27 Prozent im Verbraucherkre-
ditgeschäft, 23 Prozent im Zahlungsverkehr und 16 Prozent im Bereich Unterneh-
menskredite, allein in den Jahren 2013/14 enormes Kapital in die Fintech-Branche
geflossen (Oliver Wyman: Fintech 2.0: Neue Chancen für Finanzdienstleister, 2015,
S. 4). In Deutschland lagen die Investitionen in FinTech 2013 noch bei 80 Millionen
Euro und sind 2015 auf 576 Millionen Euro gestiegen (Ernst & Young: German Fin-
Tech landscape: opportunity for Rhein-Main-Neckar, 2016, S. 4). Inzwischen haben
auch viele etablierte Banken das Thema Digitalisierung auf der Agenda und schla-
gen, wenn auch noch zögerlich, die Brücke von traditionellen hin zu technologisch
neuartigen Modellen. Eine Zusammenarbeit mit den FinTech-Unternehmen scheint
erfolgversprechend – mit Vorteilen für beide Seiten.
SYNERGIEN BIETEN POTENZIALKlassische Finanzdienstleister müssen im Regelfall auf die bestehende Infrastruk-
tur Rücksicht nehmen und können deshalb oft nur langsam agieren. Zugleich
wird die Bankenbranche in ihrem kreativen Spielraum gebremst, weil ein gro-
ßer Teil der IT-Kapazitäten auf die Umsetzung von Regulierungs- und Sicher-
heitsvorschriften oder das Jahressteuergesetz verwendet wird. Im Vergleich
Die Finanzbranche ist in Bewegung: FinTech-Unternehmen sorgen für Innovation und Wandel. Von ihrem Schwung können traditionelle Institute profitieren. Deren langjährige Expertise im Bankgeschäft und in der Regulierung wiederum kann den jungen Start-ups den Rücken für mehr Entwicklung frei halten. Der Finanzplatz Frankfurt bietet optimale Voraussetzungen für erfolgreiche Kooperationen.
von Dr. Lutz Raettig
NEUER SCHWUNG für die
FINANZ- BRANCHE
8 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
WAS IST FINTECH?
Organisationen, die
innovative Geschäfts-
modelle und Techno-
logie verbinden, um
Finanzdienstleistungen
zu aktivieren, zu
verbessern und
disruptiv zu verändern.
LINKS ZUM THEMA
Fintech 2.0: Neue
Chancen für
Finanzdienstleister
http://bit.ly/1P6fQz4
MobilePayment
http://pwc.to/1SLrQvN
Der Bankenverband
zur Regulierung von
FinTech-Unternehmen
http://bit.ly/1Pp0F4s
German FinTech land-
scape: opportunity for
Rhein-Main-Neckar
http://bit.ly/1TLiDpx
zu traditionellen Finanzinstituten können die jungen
Start-ups ganz ohne Sorgen um Altlasten aus der Fi-
nanzkrise antreten. Die Stärke der FinTech-Unterneh-
men besteht darin, Finanzdienstleistungen mit neusten
Technologien zu verbinden. Dabei sind sie sehr wand-
lungsfähig und passen sich schnell an die Bedürfnisse
des Marktes an. Das Ziel der FinTech-Unternehmen ist,
den Kundennutzen auszudehnen und zu verbessern.
Doch die bestehende Struktur der etablierten Insti-
tute bietet auch umfassende Wettbewerbsvorteile. So
bringen die Banken aufgrund ihrer Historie und jahr-
zehntelanger Erfahrung ein hohes Maß an Expertise
in den verschiedenen Geschäftsbereichen ein. Au-
ßerdem haben sie sich einen sehr breiten und treuen
Kundenstamm erarbeitet. Viele dieser Kunden begeg-
nen gerade den jungen FinTech-Unternehmen mit gro-
ßer Skepsis. Einer repräsentativen Umfrage zufolge
möchten 40 Prozent der Menschen auch in Zukunft
kein Mobile Payment nutzen (PwC: Mobile Payment,
2015, S. 3).
Bringt man die Stärken und Schwächen von Banken
und FinTech-Unternehmen zusammen, steckt in der
Kooperation enormes Potenzial. Das unverbrauchte,
positive Image von FinTech-Unternehmen kann zum
Beispiel dabei helfen, das angeschlagene Bild der Ban-
ken in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit wieder zu
verbessern. Außerdem können die Finanzinst itute
maßgeblich von der Innovationsstärke der FinTech-
Unter nehmen profitieren, die aufgrund ihrer einfachen
Strukturen dem immer schnelleren Innovationstempo
binnen kurzer Zeit gerecht werden. Da die Entschei-
dungsprozesse im Management und in der IT der Ban-
ken vergleichsweise träge sind, lohnt es sich zu warten
und neue, bewährte Geschäftsmodelle am Markt ein-
zukaufen. Bisher sind die Banken damit jedoch noch
sehr zögerlich. Die FinTech-Unternehmen wiederum
können die Banklizenz der etablierten Institute nutzen
und von deren Know-how beim Thema Regulierung
profitieren. Müssen sie sich alleine mit den umfassen-
den gesetzlichen Vorschriften auseinandersetzen, kos-
tet dies Zeit, Geld und Expertise, die es erst aufzu-
bauen gilt.
REGULIERUNG SCHAFFT VERTRAUENWenig Beachtung in puncto Regulierung fanden bis-
lang allerdings die FinTech-Unternehmen, die unab-
hängig von einer Bank agieren. Hier ist ein mögliches
Szenario, dass die jungen Unternehmen zwar Bank-
dienstleistungen anbieten, selbst aber keine Bank sein
wollen. Dieses Vorgehen birgt Gefahren. Denn Bank-
geschäft ohne Kontrolle und verlässliche Regeln zer-
stört einmal mehr das Vertrauen von Verbrauchern und
Öffentlichkeit. Entsprechend wird die Forderung nach
IN DEUTSCHLAND LAGEN DIE INVESTITIONEN IN FINTECH 2013 NOCH BEI 80 MILLIONEN EURO UND SIND 2015 AUF 576 MILLIONEN EURO GESTIEGEN.Ernst & Young: German FinTech landscape: opportunity for Rhein-Main-Neckar, 2016, S. 4
mehr Regulierung der FinTech-Unternehmen immer
lauter. So spricht sich der Bankenverband in seinem
Positionspapier zur Regulierung von FinTech-Unter-
nehmen (2015) ausdrücklich dafür aus, dass gleiches
Geschäft gleichen Regeln unterliegen sollte und folg-
lich auch unabhängige FinTech-Unternehmen ent-
sprechend ihres Leistungsangebotes reguliert wer-
den sollten.
Während sich in Europa und Deutschland Politik, Kar-
tellbehörden und für die Regulierung verantwortlich
zeichnende Institutionen auf die Bedürfnisse und Be-
sonderheiten der FinTech-Unternehmen einstellen, um
Standards zu setzen und Transparenz zu schaffen,
spielt der Standort Frankfurt seine beträchtlichen Vor-
teile aus. Denn der Finanzplatz vereint Regulierungs-
und Branchenkompetenz auf der Finanzseite (Fin) und
bietet darüber hinaus das technologische Know-how
(Tech). Als FinTech-Zentrum kann Frankfurt zudem ei-
nen Zuwachs an Rechtsberatung durch spezialisierte
Anwälte verzeichnen. Ein weiterer Vorteil in Frankfurt
ist die unmittelbare Nähe zu etablierten Finanzinstitu-
ten und den Regulierungsinstanzen.
TRADITION UND INNOVATION WACHSEN ZUSAMMENEs ist also Bewegung in der Branche und am Finanzplatz
Frankfurt zu spüren, doch nicht nur beim Zusammen-
wachsen von traditionellen und neuen Modellen so-
wie in Fragen der Regulierung. Weitere spannende
Themen sind zum Beispiel, wie das erforder liche
infrastrukturelle Umfeld geschaffen wird, wie sich neue
FinTech-Ideen finanzieren lassen und welchen Beitrag
die Wissenschaft leisten kann. Unter dem Motto „On
the Move“ legt das vorliegende Frankfurt Main Finance
Jahrbuch 2016 den Schwerpunkt auf die Digitalisie-
rung und ihre Konsequenzen und bietet umfassende
Einblicke in Praxis und Theorie.
Dr. Lutz Raettig ist Sprecher des Präsidiums von
Frankfurt Main Finance e. V. und Aufsichtsratsvorsit-
zender der Morgan Stanley Bank AG in Frankfurt am
Main.
9 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
Hessen fördert FinTech
von Tarek Al-Wazir
Hessischer
Minister für Wirtschaft,
Energie, Verkehr und
Landesentwicklung
Wie das Land Hessen dazu beiträgt, ein lebendiges FinTech-Ökosystem in der Region zu schaffen.
Online Ident-Verfahren, die eine rein internet-
basierte Kontoeröffnung ermöglichen; vollauto-
ma tisierte Konto- und Versicherungswechsel-
services mit anschließender Kündigung von
Altverträgen; banklose Bezahlsysteme, Krypto-
währungen und Blockchain – die Digitalisierung
erfasst zunehmend auch den Finanz sektor und
stellt insbesondere Banken, Börsen und Ver-
sicherungen in immer kürzer werdenden Zeit-
räumen vor neue Herausforderungen. Historisch
gewachsene und bewährte Geschäftsmodelle
werden mit einer enormen Dynamik in Frage ge-
stellt und einem fundamentalen Wandel unter-
worfen. Von dieser Entwicklung betroffen sind
zentrale Bereiche wie der Zahlungsverkehr, die
Anlagenverwaltung, das Kreditgeschäft, die Ka-
pitalmarktfinanzierung, der Wertpapierhandel
und dessen Abwicklung sowie das Versiche-
rungsgeschäft.
Gleichzeitig verändern sich durch die neuen
technologischen Möglichkeiten die Bedürfnis-
se und das Verhalten von Kunden grundlegend.
Viele Kunden sind mittlerweile sehr gut vernetzt
und können von fast jedem Ort auf das Internet
zugreifen. Insbesondere die junge Generation
erwartet daher zu Recht, dass auch die Finanz-
branche mit dem technologischen Wandel Schritt
hält. Die Finanzwirtschaft kann und darf sich dem
Zusammenführen von modernen Technologien
mit Finanzdienstleistungen nicht verschließen.
Bestehende Strukturen, Abläufe und Produkte
müssen im Hinblick auf neue technologische
Innovationen und technische Möglichkeiten fort-
während überprüft und entsprechend weiterent-
wickelt werden. Es werden Investitionen in neue
Produkte, Prozesse, Technologien und Sicherheit
notwendig. Dieser Wandel eröffnet aber auch
erhebliche Chancen. Denn Effizienzsteigerungen
in Verbindung mit den weiterhin hohen Margen
im Finanzdienstleistungsbereich bieten neuen
Wettbewerbern große Anreize zum Markteintritt
und führen zu einem massiven Wachstum dieses
Sektors. 2015 hat sich die Höhe entsprechender
Investitionen verdreifacht. Die Anzahl von jungen
Finanztechnologie-Unternehmen ist ebenfalls
erheblich gestiegen. Der kürzlich veröffentlichte
Annual Review of Global Banking von McKinsey
zeigt die Bedeutung neuer Finanztechnologie ein-
drucksvoll. Danach könnten FinTechs in der
nächsten Dekade bis zu 60 Prozent des Gewinns
traditioneller Banken im Privatkundengeschäft
sowie 40 Prozent ihres Umsatzes übernehmen.
Diesen Veränderungen muss sich auch der
Finanzplatz Frankfurt stellen. Denn es gilt auch
hier: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der
Zeit.“ Als Hessische Landesregierung haben wir
daher ein großes Interesse daran, den Wandel
aufzugreifen und dazu beizutragen, dass das
hier bestehende Potenzial genutzt wird, um den
Finanzplatz zu einem international führenden
FinTech-Hub weiterzuentwickeln. Unser Handeln
steht dabei unter der Prämisse, dass die Zielset-
zung und der Prozess nicht „von oben verord-
net“, sondern von unten – aus der „FinTech-Sze-
ne“ selbst – angeschoben sind.
Maßstäbe setzenDie Metropolregion Frankfurt hat ideale Voraus-
setzungen, sich zu einem internationalen Fin-
Tech-Hub zu entwickeln. Keine andere Region
Deutschlands oder Europas bietet eine ähnliche
geografische Verknüpfung von Informations- und
Kommunikationstechnologie mit Finanzdienst-
leistungen. Dies gilt sowohl für Ausbildung und
Forschung – dem Ursprung von Innovationen –
als auch für die Industrien selbst.
Die Region beheimatet renommierte und inter-
national anerkannte wirtschaftswissenschaftli-
che Fakultäten wie die Goethe-Universität und
die Frankfurt School of Finance & Management
sowie herausragende Adressen für IT mit der
Universität und der Hochschule Darmstadt. Hin-
zu kommen Forschungszentren, die im Bereich
IT-Sicherheit – einem Schlüsselthema im Zeit-
1 0 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
alter digitaler Finanzdienstleistungen – weltweit
Maßstäbe setzen. Diese akademische Expertise
verfügt mit dem Finanzplatz über einen direkten
Zugang zu enormem Investitionskapital und zur
Finanzkraft der Banken und Investoren.
Aber der Finanzplatz ist weit mehr als ein poten-
zieller Geldgeber und Wachstumsförderer der
FinTechs. Auch die Nachfrage nach innovativen
Finanzdienstleistungen wächst – sei es zur Nut-
zung innovativer B2B-Lösungen, die Geschäfts-
prozesse vereinfachen und optimieren, oder
seien es B2C-Lösungen, die Geschäftsprozesse
den veränderten Bedürfnissen der Kunden an-
passen und zukunftsfähig machen. Hier lockt
Geschäft. Kurzum: In Frankfurt trifft die Innova-
tionskraft von FinTechs auf die Finanzkraft und
das Know-how des wichtigsten Finanzplatzes der
Eurozone und Kontinentaleuropas.
Industrieseitig gibt es neben Weltmarktführern
wie der Software AG und SAP auch zahlreiche
hochspezialisierte und erfolgreiche IT-Dienst-
leister in unmittelbarer Nähe des Finanzplatzes.
Zudem ist die IT-Infrastruktur sehr gut. Mit dem
DE-CIX sitzt in Frankfurt der weltweit größte In-
ternetknoten mit einem Datenverkehr von bis zu
5 Terabits pro Sekunde. 40 Prozent der Groß-
rechenzentren in Deutschland stehen in Frank-
furt. Das sind harte Standortvorteile für Big-
Data-Technologien. Immer mehr Global Player im
Cloud-Computing-Markt bauen ihre Rechenzen-
tren in Frankfurt. In der zentralen globalen ope-
rativen Einheit des Global Legal Entity Identifier
Systems (GLEIS) laufen die digitalen Barcodes
der Marktteilnehmer von Finanztransaktionen
weltweit zusammen – auch diese Zentrale des
von der G 20 initiierten Projektes hier in Frankfurt
ist Financial Technology im materiellen Sinne.
Die aufgeführten Standortvorteile bieten gerade
für neue Finanztechnologien enorme Chancen.
Und diese Chancen werden bereits heute um-
fassend genutzt. Denn im Unterschied zu den
typischen Gründerstädten waren es in Frankfurt
bisher weniger Start-up-Unternehmen, sondern
vielfach etablierte Finanz- oder IT-Dienstleister,
die innovative Finanztechnologien entwickelt
haben. Eine Isolierung des Themas FinTech auf
Start-ups greift daher zu kurz und wird dem The-
ma insbesondere in materieller Hinsicht in keiner
Weise gerecht.
Gründer fördernIm Interesse der Fortentwicklung des Finanz-
platzes Frankfurt muss und will die Hessische
Landesregierung stärker dazu beitragen, den
Start-up-Bereich und die Gründerszene zu för-
dern, um auch die Talente aus Hochschulen
sowie die hochkompetenten Mitarbeiter der
Finanzindustrie mit eigener Geschäftsidee am
Finanzplatz Frankfurt zu halten. Gemeinsam mit
allen Akteuren am Finanzplatz – insbesondere
den FinTechs, den Gründerzentren, der Stadt
Frankfurt, den Hochschulen sowie den etablier-
ten Finanzdienstleistern, Frankfurt Main Finance
– arbeitet sie bereits daran, Frankfurt zu einem
FinTech-Hub auszubauen. Dank der Vielzahl
hochengagierter Akteure hat sich das Ökosys-
tem in den letzten Jahren erheblich entwickelt.
Die Frankfurter FinTechs, Organisatoren von
FinTech-Veranstaltungen sowie universitäre und
private Inkubatoren leisten hervorragende Arbeit.
Zunächst gilt es, die Erfordernisse der hochdyna-
mischen FinTech-Branche kennenzulernen und
herauszufinden, wie das Land den FinTech-Hub
bestmöglich unterstützen kann. Das Land kann
darüber hinaus wesentlich dazu beitragen, die
Vielzahl bestehender Aktivitäten zu koordinieren
und zu bündeln, um das sich dynamisch ent-
wickelnde FinTech-Ökosystem weiter voran-
zubringen. In den bisherigen Gesprächen hat
sich ein Punkt besonders herauskristallisiert:
Die Einrichtung und Etablierung eines zentralen
Ortes, der FinTechs unter anderem günstigen
und attraktiven Büro raum, Möglichkeiten zur
Vernetzung und zum Austausch sowie Zugang
zu Beratung und Investoren bietet.
Das Land besitzt ein breites Spektrum an In-
strumenten, um zur Fortentwicklung der Unter-
nehmen und des FinTech-Standorts beizutra-
gen. Start-ups und Ausgründungen fördern wir
insbesondere durch zinsvergünstigte Darlehen,
Gründerfonds, Beteiligungen und Bürgschaften.
Durch entsprechende Programme können auch
der Aufbau und Betrieb eines FinTech-Clusters
unterstützt werden. Zudem werden wir die For-
schung und Kooperation zwischen den Hoch-
schulen an der Schnittstelle von Finance und IT
stärken. Von herausgehobener Bedeutung, gerade
für junge FinTech-Unternehmen, ist das Thema
Regu lierung. Hier beginnen erste Gespräche zwi-
schen Aufsicht, öffentlicher Hand und Start-ups, die
zu einer positiven Entwicklung beitragen werden.
Stärken vermarktenInsgesamt sollte ein lebendiges Ökosystem
entstehen, das verschiedene von Finanzplatz-
akteuren betriebene Start-up-Zentren beinhaltet,
die unterschiedliche Ausrichtungen und Profile
vorweisen und sich gegenseitig Anregung geben
können. Dem Land stehen viele Instrumente zur
Verfügung, um diesen Prozess aktiv zu unter-
stützen. Darüber hinaus wird das Land dazu
beitragen, die Vernetzung der FinTech-Aktivitä-
ten der Region zu stärken, dies sowohl durch
die Förderung von Forschung und Kooperation
zwischen Hochschulen und Forschungszentren
an der Schnittstelle von Finance und IT als auch
durch die Unterstützung beim Aufbau und Be-
trieb eines FinTech-Clusters durch Programme
im Rhein-Main-Gebiet. Zudem wird das Land ei-
nen Anteil dazu leisten, die vorhandenen Stärken
und Vorteile, die die Region bereits schon heute
bietet, auf nationaler und internationaler Ebene
besser zu vermarkten.
In Frankfurt trifft die Innovations kraft von FinTechs auf die Finanz kraft und das Know-how des wichtigsten Finanzplatzes der Euro-Zone und Kontinentaleuropas.
1 1 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
Das Gebiet Rhein-Main-Neckar ist die deutsche FinTech-Region mit der größten Dynamik von Christopher Schmitz und Jan-Erik Behrens
Der deutsche FinTech-Markt ist deutlich gewachsen – und die Region Rhein-Main-Neckar verfügt über gute Vorausset-
zungen, sich zu einem führenden europäischen FinTech-Hub zu entwickeln. Das geht aus einer Studie hervor, die von der
Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Ernst & Young (EY) durchgeführt und von Frankfurt Main Finance
(FMF) in die Wege geleitet wurde. In der Studie geht es um die deutsche FinTech-Branche und die Bereiche, in denen
es Wachstumspotenziale gibt. Als Grundlage der Analyse dienten Interviews, die mit deutschen und internationalen Fin-
Tech-Unternehmen, Anlegern, Marktexperten, Aufsichtsbehörden und öffentlichen Einrichtungen geführt wurden.
Silicon Valley
London
Singapur
New YorkFrankfurt
Wichtigster Standort für Start-ups weltweit, mit einer hoch ent wickelten, unterschiedlich stark ausgereiften FinTech-Landschaft in allen Segmenten und ausge-zeichnetem Zugang zu Kapital.
FinTech-Hub Nummer eins in Europa mit starkem Wachstum, angesiedelt in einem herausragenden Um-feld in einem der zwei weltweit wichtigsten Finanzzentren.
Größter Hub in Asien mit starker staatlicher Unter-stützung zur Förderung eines innovativen FinTech-Öko-systems über Direktinvesti-tionen, Steuervergünstigun-gen und Maßnahmen, die die Region für Unternehmen attraktiv machen.
Weltweit wichtigstes Finanz zentrum mit der höchsten Beschäftigtenzahl (gefolgt von London) in der FinTech-Branche.
Großer kontinentaleuro päischer FinTech-Hub inmitten der führenden Wirtschaftsmacht in Europa, der im Vergleich zu anderen Standorten immer mehr aufholt.
1 2 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
Internationale FinTech-Hubs
Das starke Wachstum des Finanztechnologiemarktes
ist ein weltweites Phänomen und wird in der Finanz-
dienstleistungsbranche mit größter Aufmerksamkeit be-
obachtet. Man darf erwarten, dass die FinTech-Unterneh-
men die Transformation der Finanzdienstleistungsbranche
als Katalysator vorantreiben und infolgedessen nicht nur
talentierte Mitarbeiter und Kapital anziehen werden, son-
dern auch Beschäftigungsimpulse geben werden. Der
deutsche FinTech-Markt hat sich etwas später und an-
fangs langsamer entwickelt als andere FinTech-Märkte
weltweit, gilt jedoch mittlerweile als ein Markt mit großem
Wachstumspotenzial. Dies zeigt der deutliche Aufwärts-
trend des Geschäftsvolumens von FinTechs, das von 80
Millionen Euro im Jahr 2013 auf 200 bis 250 Millionen
Euro im Jahr 2014 und auf mehr als 576 Millionen Euro
im Jahr 2015 angestiegen ist – der viel beachtete Verkauf
der Frankfurter Handelsplattform 360T an die Deutsche
Börse für 725 Millionen Euro im Jahr 2015 bleibt bei dieser
Rechnung sogar außer Acht.
Der deutsche FinTech-Markt in einem globalen Kontext
In der weltweiten FinTech-Benchmarking-Studie von EY,
die vom britischen Finanz- und Wirtschaftsministerium in
Auftrag gegeben wurde, nahm Deutschland unter den
acht international führenden FinTech-Standorten Platz
Nummer 5 ein; dabei lag Deutschland mit deutlichem
Abstand hinter den führenden Regionen London, Silicon
Valley und New York, aber nur knapp hinter Singapur.
Mittelfristig geht man jedoch davon aus, dass Deutsch-
land aufgrund seiner Wirtschaftskraft und seines Markt-
potenzials im Vergleich zu den heutigen führenden Regi-
onen aufholen wird.
Aus der Studie geht hervor, dass die Anzahl der Be-
schäftigten von FinTech-Unternehmen in Deutschland
2015 bereits bei 13.000 lag. Das deutlichste Kennzei-
chen für das Wachstum der deutschen FinTech-Branche
ist jedoch das Investitionsvolumen im Jahr 2015, das
mit Anlagen in Höhe von 576 Millionen Euro in die
FinTech-Branche im gesamteuropäischen Vergleich
nur von Großbritannien mit 778 Millionen Euro über-
troffen wurde. In Anbetracht der relativen Ausgereiftheit
des Londoner FinTech-Ökosystems scheint dieser Vor-
sprung jedoch nicht sonderlich groß.
Neben den größten weltweiten FinTech-Hubs haben
auch andere Städte, beispielsweise Stockholm und
Tel Aviv, bereits erfolgreich ihre eigenen Profile und ihr
Angebot in diesem Bereich entwickelt. In der jüngeren
Vergangenheit hat es in Deutschland und in den
Mit 22 % war das Wachstum
in der Region Rhein-Main-
Neckar 2015 höher als in
allen anderen Gegenden
Deutschlands.
Gesamtheit der deutschen FinTech-Unternehmen nach Städten in %
28%
22%14%
Berlin: „Hip und trendy“
Frankfurt: „Tor zur Welt“
München: „Hoher Lebensstandard“
1 3 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
Deutsche FinTech-Hubs
angrenzenden Ländern, beispielsweise in Luxemburg
und in der Schweiz, rege Aktivitäten gegeben, um die
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sich als po-
tenzieller künftiger FinTech-Hub ins Gespräch zu brin-
gen. In unserer Analyse haben wir festgestellt, dass
die Hauptstärken des deutschen FinTech-Marktes in
der allgemeinen Verfügbarkeit von Kapital, dem stabi-
len Finanzmarkt und dem Wohlstand der Gesellschaft
bestehen.
Die deutsche FinTech-Landschaft
Die deutsche FinTech-Landschaft ist ein sehr dyna-
mischer Markt und weist einige nationale Besonder-
heiten auf; im Allgemeinen ähneln die Geschäftsmodelle
jedoch weitgehend denen der anderen europäischen
und internationalen FinTech-Märkte. Man muss da-
bei beachten, dass die deutsche FinTech-Landschaft
noch in den Kinderschuhen steckt; seit 2013 ist der
FinTech-Markt um über 70 % gewachsen und setzt sich
im Moment aus etwa 250 Unternehmen zusammen.
In den vergangenen Jahren wurde die FinTech-Bran-
che sowohl weltweit als auch in Deutschland vor allem
von Geschäften in den Bereichen Payments und Kre-
ditvergabe dominiert. Dies zeigte sich insbesondere an
der Anzahl der Transaktionen und am Investitionsvolu-
men in beiden Segmenten. Angeboten wird eine Fülle
von weniger komplexen Lösungen, wie beispielsweise
Portaldienste oder einfache Plattformlösungen. Diesen
Segmenten wird jedoch kein großes Wachstumspoten-
zial zugestanden.
Ausgehend von den durchgeführten Interviews kann
man in der FinTech-Branche von einem weiteren
Wachstum in Segmenten ausgehen, die eine erhöh-
te B2B-Effizienz, Monetarisierung von Daten und Ver-
brauchertransparenz versprechen. Insbesondere in den
Segmenten Personal Finance, Blockchain und analyti-
sche Lösungen wird Wachstum erwartet. Als weiterer
Bereich mit Wachstumspotenzial gilt das Teilsegment
Versicherungen, das im Moment gerade erst von der
FinTech-Branche in Deutschland entdeckt wird.
Kryptowährung und Blockchain: Künftig werden
in allgemeinen Finanzzusammenhängen Block-
chain-Konzepte voraussichtlich in allen Ökosyste-
men und Anwendungsszenarien eine wichtige Rolle
spielen, bei denen es um die Vermögensübertragung
gegen Bezahlung geht (und nicht nur im Zusammen-
hang mit Kryptowährung), d. h. in Form von digitalen
Konten für Zahlungstransaktionen, Handelsfinanzie-
rung oder Wertpapierhandel, Clearing und Settle-
ment.
B2B-Serviceabwicklung: Es wird erwartet, dass
B2B-Produkte und -Services in Zukunft deutlich
stärker nachgefragt werden als B2C-Produkte,
beispielsweise Finanzinfrastruktur usw.
Versicherungen (InsurTech): Die Versicherungstech-
nologie wird erst seit kurzem von der FinTech-Bran-
che abgedeckt. Ähnlich wie im B2B-Sektor wird
auch im Bereich Versicherungen ein starkes Wachs-
tum der FinTech-Unternehmen erwartet. Deutsch-
land nimmt in diesem Segment eine internationale
Führungsposition ein.
Regulierung (RegTech): Bei der technologischen
Unterstützung der Regulierung spielt Deutschland
ebenfalls eine Führungsrolle.
Allgemein haben wir zwei Hauptgeschäftsmodelle für
FinTech-Unternehmen ermittelt: ein kooperatives Mo-
dell (strategische Partnerschaft zwischen Finanzinstitu-
ten und FinTech-Unternehmen) und ein unabhängiges
Modell (Ersatz von traditionellen Bankprodukten durch
Finanzprodukte von FinTechs). Laut unserer Analyse
geht man bei FinTech-Geschäftsmodellen, die auf der
Zusammenarbeit mit anderen Partnern (andere Fin-
Tech-Unternehmen oder Finanzdienstleister) beruhen,
von einem starken Wachstum, einer Bereicherung der
Servicelandschaft und/oder der gemeinsamen Nutzung
von Kapazitäten aus.
Standorte von FinTech-Unternehmen in Deutschland
Die deutschen FinTech-Unternehmen sind über das
ganze Land verteilt, und es hat sich bisher noch kein
einzelner „FinTech-Hub“ herausgebildet. Dies wird oft
als relativer Nachteil gegenüber anderen internationa-
len Finanztechnologiezentren gesehen. Innerhalb von
Deutschland findet sich die stärkste Konzentration von
FinTech-Unternehmen in Berlin, in der Region Rhein-
Main-Neckar, in München und in Hamburg.
Die Region Rhein-Main-Neckar konnte in den zurück-
liegenden drei Jahren die größte Wachstumsdynamik
verzeichnen. 2015 stieg die Zahl der deutschen Fin-
Tech-Unternehmen um 22 % an; 22 % dieser Unterneh-
men hatten im Rhein-Main-Neckar-Gebiet ihren Sitz.
Außerdem wird die Region Rhein-Main-Neckar als der
fachlich qualifizierteste Standort gesehen, an dem un-
verzichtbare Kompetenzen und Know-how in den Be-
reichen Finanzdienstleistungen und B2B zur Verfügung
stehen.
Berlin ist mit 28 % der FinTech-Unternehmen nach
wie vor das größte deutsche FinTech-Zentrum. Die
Stadt gilt als der angesagte, moderne Start-up-Hub in
Deutschland mit ausgeprägtem Know-how im Bereich
E-Commerce und einer sehr lebendigen Start-up-At-
mosphäre. In München haben 14 % der deutschen
FinTech- Unternehmen ihren Sitz; die Stadt gilt als das
1 4 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
Zentrum für innovative Technologielösungen und als
beliebter Anlegerstandort; München wird allgemein als
Stadt mit hoher Lebensqualität gesehen.
Eine große Herausforderung: Das unterschiedlich ver-
teilte Know-how führt in Deutschland zu einer Aufspal-
tung der FinTech-Branche, was im Vergleich zu stark
konzentrierten Zentren wie London oder Silicon Valley
als Nachteil gesehen wird. Gemäß den Interviews und
der durchgeführten Analyse verfügt die Region Rhein-
Main-Neckar jedoch dank ihrer Nähe zur etablierten
Finanzdienstleistungsbranche über das natürliche
Potenzial, der deutsche FinTech-Hub zu werden.
FinTech-Chancen in der Region Rhein-Main-Neckar
Bei unseren Gesprächen erhielten wir das Feed-
back, dass eine erfolgreiche Weiterentwicklung der
Region Rhein-Main-Neckar zum FinTech-Hub eine
klare und weltweit anerkannte Positionierung auf dem
FinTech-Markt erfordert. Die Interviewpartner sprachen
sich dafür aus, dass man nicht einfach nur andere
Standorte imitieren sollte (indem man beispielsweise
das „hippe“ Ökosystem von Berlin kopiert). Stattdes-
sen sollte ein glaubwürdiges und nachhaltiges Angebot
entwickelt werden, das die existierenden Stärken der
Stadt Frankfurt und der Region Rhein-Main-Neckar er-
gänzt und auf ihrer bereits vorhandenen finanztechnolo-
gischen Orientierung aufbaut. Bei der Entwicklung einer
langfristigen Positionierung müsste daher der Schwer-
punkt auf Services gelegt werden, die zu den natür lichen
Stärken der Region passen oder darauf aufbauen, an-
statt andere FinTech-Hubs einfach nur nachzuahmen:
Internationaler FinTech-Gateway in
Deutschland:
Entwicklung einer engen Zusammenarbeit und eines
Netzwerks mit anderen internationalen FinTech-Hubs
(zum Beispiel Tel-Aviv, Singapur, Süd-Korea) mithilfe
von Universitätsprojekten, gemeinsamen Tagungen
und Veranstaltungen und diesbezügliche Unterstüt-
zung in Deutschland.
Konzentration auf B2B-Geschäftsmodelle,
darunter RegTech:
Konzentration auf B2B-Geschäftsmodelle, beispiels-
weise durch Infrastrukturinnovationen und Verbesse-
rungen im Bereich Datenanalyse durch die Kom-
bination von Technologie und Expertise im Bereich
Finanzdienstleistungen.
Nutzung der Nähe zu Finanzdienstleistern:
Enge Zusammenarbeit zwischen den traditionel-
len Finanzdienstleistungsinstituten und FinTech-
Unternehmen auf der Grundlage von integrierten
Geschäftsmodellen und mithilfe von
Prestige projekten und der direkten Unterstützung
und Mentoring-Leistungen für Start-ups, um zur
Verbesserung der „Customer Journey“ beizutragen.
Dialogforum FinTech Rhein-Main
FMF rief im Spätsommer 2015 das „Dialogforum
FinTech“ ins Leben, eine Plattform zur Beschleunigung
und Koordination der unterstützenden Maßnahmen in
der Region Rhein-Main-Neckar. Mit dieser Initiative wer-
den allgemein folgende Ziele verfolgt:
Entwicklung eines Zielkonzepts für den Rhein-Main-
Neckar-FinTech-Hub, beispielsweise die Erstellung
eines Aktionsplans, der auf der FinTech-Studie und
den Ergebnissen der Initiative beruht.
Einbeziehung aller größeren örtlichen und regio-
nalen Interessengruppen und Multiplikatoren des
FinTech-Segments und der öffentlichen Hand
sowie der Politik.
Schaffung eines breiten örtlichen und regionalen
Engagements der Marktteilnehmer und der öffent-
lichen Behörden zur Förderung des Zielkonzepts
und der Umsetzung der ermittelten Maßnahmen.
Die Initiative wird auf freiwilliger Basis von mehr als 50
privaten und öffentlichen Einrichtungen unterstützt, um
die FinTech-Region Rhein-Main-Neckar zu stärken. Zu
diesen Einrichtungen gehören führende Banken und
Finanzdienstleistungsunternehmen, Rechtsanwalts-
kanzleien und Beratungsunternehmen, Verbände, An-
leger, Inkubatoren, Portaldienste, öffentliche Einrich-
tungen und Universitäten sowie andere Teilnehmer und
Interessengruppen des FinTech-Marktes.
Die Initiative ist in 11 Arbeitsgruppen unterteilt. Diese
Gruppen arbeiten an Themen wie der Identifizierung und
Entwicklung eines FinTech-Centers in Frankfurt, örtli-
chen und regionalen Services für FinTech-Unternehmen
sowie regionalen Weiterbildungsangeboten und wissen-
schaftlichen Angeboten von Universitäten. Die Ergeb-
nisse der Initiative werden in den Arbeitsgruppen be-
stätigt und anschließend dem Lenkungsausschuss der
Initiative vorgelegt, der sich aus den leitenden Vertretern
größerer regionaler Finanzinstitute und öffentlicher Ein-
richtungen zusammensetzt. Der Lenkungsausschuss
empfiehlt daraufhin ein Zielkonzept für die Entwicklung
des FinTech-Hubs Frankfurt und unterstützt parallel
dazu regionale Aktivitäten zum Aufbau eines Ökosys-
tems für den FinTech-Hub.
Weitere Informationen finden Sie auf http://bit.ly/1TLiDpx
Christopher Schmitz ist Partner und Jan- Erik
Behrens Executive Director von EY Transaction
Advisory Services.
1 5 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
Der Begriff „FinTech“ steht für „Financial Technolo-
gies“ – und dass Unternehmen der Finanzwirtschaft
in Frankfurt gut beheimatet sind, steht außer Frage.
Die unter diesen Sammelbegriff fallenden Technolo-
gien rund um alternative Finanzdienstleistungen sind
seit 2009 weltweit explosiv gewachsen und revoluti-
onieren die globale Finanzwelt. Dieser Hype er-
fasst auch Frankfurt am Main seit Ende 2014.
Als kontinentaleuropäisches Finanzzent-
rum hat sich Frankfurt am Main zu einer
Anlaufstelle für FinTech-Start-ups ent-
wickelt. Im Vergleich zu internationalen
FinTech-Hubs wie London und Tel Aviv
oder auf nationaler Ebene Berlin, wo sich
die FinTech-Landschaft vorwiegend auf
B2C-Lösungen konzentriert, ist die lokale
Szene in der Region Frankfurt-Rhein-Main
aufgrund der hohen Bankendichte beson-
ders im B2B-Bereich stark ausgeprägt.
Der Standort Frankfurt am Main bietet den
FinTech-Start-ups einen hochqualifizierten Know-
how-Pool, die Nähe zur Regulierung, das IT-Fach-
wissen sowie immer mehr Büroräume in Form von
„Co-Working Offices“. Kostennachteilen gegenüber
den häufig günstigeren Büromieten in Berlin oder
einem niedrigeren Gehaltsniveau setzt Frankfurt eine
hoch effiziente Infrastruktur entgegen: Frankfurt hat
mit dem De-Cix nicht nur den wichtigsten Internet-
knotenpunkt Europas, sondern bietet durch seine ver-
gleichsweise geringe Fläche kurze Wege innerhalb der
Stadt und kann durch die Nähe zum Flughafen eine
internationale Ausrichtung gewährleisten. Englisch ge-
hört zum City-Alltag. Die FinTech-Start-ups können
folglich vom Standort Frankfurt am Main als interna-
tionalem Finanzzentrum und „Key Enabler“ profitie-
ren. Etablierte Player erschweren zwar den Marktein-
tritt der alternativen Finanzdienst leistungen von jungen
Neue Technologien rund um alternative Finanzdienstleistungen revolutionieren die Finanzwelt – global und in Frankfurt am Main.
von Oliver Schwebel und Olaf Atja Lemmingson
FinTech-Center Frankfurt am Main
1 6 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
FinTechs, dennoch zeigen Erfolgsgeschichten wie der Kauf der
360Treasury Systems AG für 750 Millionen Euro durch die Deut-
sche Börse AG in 2015, dass eine Kooperation zwischen FinTech
und der „Old Economy“ naheliegend ist und die Bankennähe neue
Chancen für den gesamten Markt beinhaltet. Außerdem hat das Fin-
Tech-Segment ein großes Potenzial, ein unabhängiger Alternativ-
markt für traditionelle Finanzdienstleistungen zu werden.
Veranstaltungen unterstützen die Entwicklung der SzeneDie dynamische Entwicklung der Szene sowie der lokale enge Aus-
tausch mit anderen FinTech-Start-ups und etablierten Unternehmen
der Finanzbranche zeigen sich durch die zunehmenden Veranstal-
tungsreihen vor Ort. Die Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH un-
terstützt die Szene nicht nur finanziell, sondern fördert ebenso einen
intensiven Dialog mit der Stadt Frankfurt am Main, dem Land Hes-
sen und Frankfurt Main Finance e.V., um eine gemeinsame neutrale
Plattform zu schaffen. Des Weiteren sind die main incubator GmbH
mit der Veranstaltungsreihe „Between the Towers“ und die Maleki
Group GmbH durch die Organisation der „EURO Finance Tech“ ak-
tiv bei der Vernetzung der Szene. Außerdem zeigt die Goethe-Uni-
versität großes Engagement durch die Organisation diverser Veran-
staltungen, etwa des „Tech Ecosystems Dialogue“ mit Einbeziehung
der Tech-Szene Tel Aviv, dem Unibator und der Erstellung einer „Inno-
vation Map“, um die FinTech-Landschaft besser erfassen zu können.
Die Szene an sich zeigt sich besonders aktiv in diversen „Meet-ups“
von FinTechs für FinTech-Start-ups, die seit Sommer 2015 regelmäßig
und mit stark wachsenden Teilnehmerzahlen die Szene beleben. Hier
sind die Initiatoren die FinTech-Unternehmen Savedroid und endava.
Beim Roundtable Meeting vom 30. September 2015 in den Räum-
lichkeiten der Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH konnten sich
erstmals Vertreter von FinTech-Start-ups, Inkubatoren, Hochschulen,
der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen zur aktuellen FinTech-
Situation am Standort austauschen. Folgende Ergebnisse und
Forderungen aus dem Meeting wurden festgehalten und in die
folgenden Veranstaltungen und Foren getragen:
• Schaffung eines zentralen Anlaufpunktes (FinTech-Center)
• Frankfurter FinTech- und Gründer-Veranstaltungen haben sich
dynamisch und konzeptionell vielseitig entwickelt
• Frankfurt am Main bietet eine ausgezeichnete, hochwertige Infra-
struktur und Know-how. Es muss sich durch seine Qualität von
der Berliner Quantität abheben
• Erfordernis einer Plattform, um die fragmentierte Szene zusam-
menzuführen, bevorzugt durch einen öffentlichen und neutralen
Ansprechpartner
• Dringend erforderliche PR und Imageverbesserung für Frankfurt
am Main als FinTech-Standort
FinTech-Center in Frankfurt soll etabliert werdenEine zunehmende Dynamik kam ab November 2015 in die Fin-
Tech-Landschaft Frankfurt: Frankfurt Main Finance e. V. setzte
das „ Dialogforum FinTech“ auf. Das Hessische Ministerium für Wirt-
schaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung unter der Leitung
des Hessischen Staatsministers Tarek Al-Wazir setzte sich bei der
„Euro Finance Tech“ Konferenz am 21. November 2015 an die Spitze
der aktiven Förderer der FinTech-Szene. Ein besonderes Augenmerk
liegt auf der schnellen, qualitativen und bedarfsgerechten Etablierung
eines FinTech-Centers in Frankfurt am Main. Da die FinTech-Cen-
ter-Projekte sehr unterschiedlich sind, und der Markt zum Teil noch
fragmentiert ist, stellt die Initiative Al-Wazirs eine wichtige Basis zur
Bildung einer neutralen Plattform dar. In einem Einladungsschreiben
des Hessischen Ministeriums wurde aufgerufen, Projektideen für ein
FinTech-/Start-up-Center bis zum 20. Januar 2016 einzureichen. Am
27. Januar 2016 fand im Präsidiumsgebäude der Goethe- Universität
erstmals eine öffentliche Vorstellung der eingereichten Konzepte für
ein FinTech-Center am Finanzplatz Frankfurt statt. Im Sinne der Neu-
tralität wurde eine Arbeitsgruppe mit sieben Vertretern aus unter-
schiedlichen Bereichen gegründet. Nun ist es Aufgabe der Mitglieder
der Arbeitsgruppe, die vorgestellten Konzepte vergleichbar zu ma-
chen, Kooperationen anzuregen und somit den Prozess der Umset-
zung eines geeigneten Konzepts zu beschleunigen. Dies wird auch
durch den Oberbürgermeister und den Wirtschaftsdezernenten der
Stadt Frankfurt am Main unterstützt, die bei einem FinTech-Round-
table am 2. Februar 2016 im Rathaus die Bedeutung der FinTech-Ent-
wicklung hervorhoben. Oberbürgermeister Peter Feldmann sieht für
Frankfurt eine große Chance: Ein FinTech-Center würde eine er-
hebliche Strahlkraft für den FinTech-Standort Frankfurt bedeuten.
Wirtschaftsdezernent Markus Frank unterstützt die Forderung nach
den richtigen Rahmenbedingungen: „Die aktive Beteiligung der po-
litischen Institutionen, vor allem Land Hessen und Stadt Frankfurt
am Main, wird in der FinTech-Landschaft gewünscht. Das erfordert
auch die Bereitstellung von Ressourcen, um die Infrastruktur und das
Image von Frankfurt für FinTech zu entwickeln.“
Oliver Schwebel ist Geschäftsführer und Olaf Atja Lemmingson
Leiter IBC Zielbranchen bei der Wirtschaftsförderung Frankfurt.
„Eine Kooperation zwischen FinTech und der ‚Old Economy’ ist naheliegend, und die Bankennähe in Frankfurt bietet neue Chancen für den gesamten Markt.“
1 7 FMF JAHRBUCH 2016 ON THE MOVE
tipps und Empfehlungen innerhalb der Netz-
gemeinschaft geteilt werden. Auch rund um
den Zahlungsverkehr entstehen technologie-
getriebene Geschäftsmodelle, beispielsweise
bei mobilen Bezahlverfahren oder bei inter-
nationalen Geldtransfers. Zahlreiche nützliche
Anwendungen helfen beispielsweise Kunden,
via Smartphone jederzeit einen Überblick über alle
Bankkonten zu behalten; andere bieten Software-
lösungen für Smart-Data-Anwendungen in Ban-
ken und Sparkassen. Der Versuch, diese bunte
und lebendige Vielfalt vollständig erfassen zu
wollen, bleibt vergebens.
FinTechs sind derzeit in aller Munde. Ihnen ist gemein,
dass sie mit innovativen, IT-basierten Geschäftsideen
an den Markt drängen, die ihren Kunden erhebliche
Zeit- und Kosteneinsparungen versprechen
sowie stets verfügbar und konsequent an
deren indi viduellen Bedürfnissen ausgerich-
tet sind. Damit stoßen FinTechs in nahezu alle
Be reiche des Bank- und Finanzwesens vor. In
den Geschäftsfeldern „Finanzierung und Geld-
anlage“ wachsen beispielsweise Plattformen zur
Kreditvermittlung, zur Finanzierung von Start-
ups und mittelständischen Unternehmen und
zum „Social Trading“ heran, bei dem Anlage-
Den Finanzplatz Frankfurt hat der „Hype“ um FinTechs
gleich mehrfach aufgewühlt. Mit dem Innovations-
potenzial der FinTechs verbinden sich berechtigte
Hoffnungen, Kundenbedürfnisse konsequenter be-
friedigen zu können, das Finanzwesen leistungsfähiger
zu machen und neues Wachstum zu fördern. Daran
knüpfen sich offene Fragen hinsichtlich des Förde-
rungsbedarfs und der Bereitstellung eines potenten
Ökosystems im Wettbewerb mit anderen Finanzplät-
zen um diese jungen Unternehmen an. Auf die einzel-
nen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute erzeu-
gen FinTechs einen merklichen Druck, ihre Strategien
zu überdenken oder bereits eingeschlagene Wege zu
rechtfertigen.
Konkurrent oder Partner?Die Herausforderungen, vor die FinTechs etablierte
Finanzinstitute stellen, sind nicht leicht auf einen ge-
meinsamen Nenner zu bringen. Sicherlich be-
deuten neue Mitspieler, sofern sie sich mit
ihren Geschäftsmodellen in der Bran-
che tatsächlich etablieren können,
eine schärfere Konkurrenz um
Kunden und Konditionen. Zu-
gleich ist es für eine Bank oft
schwierig, aus strategischer Sicht zu
bewerten, ob die „Neulinge“ als Konkurrenten oder
als künftige Partner einzustufen sind, denn die neuen
Wettbewerber zeichnen sich durch eine Fülle unter-
schiedlicher Geschäftsmodelle aus. Schließlich findet
der Wettbewerb nicht nur zwischen ihnen und den
etablierten Banken, sondern auch unter den neuen
Finanz marktakteuren statt.
Darüber hinaus besteht Unsicherheit, in welche Rich-
tung sich der Bankensektor überhaupt entwickeln
wird. Wie könnte Banking 4.0 im Jahr 2025 aussehen?
FinTechs können als Konkurrenz, kooperative Part-
ner oder auch als Disruptoren, also als Anbieter eines
neuen und im Markt überlegenen Geschäftsmodells in
FINTECHS – NEUE AKTEURE, NEUE HERAUSFORDERUNGEN
Technologische Innovationen stoßen in das Bank- und Finanzwesen vor. Wie lassen sich dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen?von Dr. Andreas Dombret
1 8 FMF JAHRBUCH 2016 On THe MOve
Erscheinung treten, denen die etablierten Banken und
Sparkassen mit herkömmlichen Angeboten und beste-
hender Infrastruktur kaum effektiv begegnen können.
Damit stellt sich den Kreditinstituten ohne Frage ein
her ausforderndes unternehmerisches Umfeld und zwingt
sie bereits heute dazu, strategische Entscheidungen
zu treffen, um für den künftigen Umgang mit FinTechs
gewappnet zu sein. Hierzu gehört, dass nötige Anpas-
sungsprozesse etwa mit Blick auf die IT-Infrastruktur,
die Produktpalette, die Filial- und Standortstrategie
oder auch die Rekrutierung von Mitarbeitern erdacht
und konsequent umgesetzt werden. Die Banken-
aufsicht legt hierauf im Moment ein besonderes
Augenmerk.
Daneben stellt sich für die Finanzaufsicht auch eine
grundlegende Frage: Sind angesichts der vielen und
teils tiefgreifenden Innovationen die richtigen Rahmen-
bedingungen gesetzt? Die Antwort auf diese Frage
hängt maßgeblich von den Zielen ab, die die Aufseher
vor Augen haben. Ungeachtet der bereits erwähnten
und allemal zukunftsträchtigen Frage, welche gesamt-
wirtschaftliche Bedeutung FinTechs einnehmen können
und werden, ist das übergeordnete Ziel der Finanzauf-
sicht unverändert geblieben: die Sicherstellung eines
stabilen Finanzsystems. Die Rahmenbedingungen sind
so zu setzen, dass die eingegangenen Risiken auch den
Maßstab für einen fairen Wettbewerb zwischen allen
Marktteilnehmern definieren. Der Grundsatz „same busi-
ness, same risk, same rules“ ist das Credo, an dem sich
die internationale Regulatorik bereits heute orientiert. Ich
für meinen Teil befolge dieses Credo aufs Engste.
Sorgfältig auf Risiken achtenMan darf es aus Sicht der Bankenaufsicht keinesfalls
darauf beruhen lassen, Innovationen ausschließlich von
ihrer schillernden Seite her zu betrachten. Die Finanz-
krise hat uns deutlich vor Augen geführt, dass wir bei
noch wenig erprobten Produkten und Dienstleistungen
besonders sorgfältig auf Risiken und Nebenwirkungen
achten müssen. Das gilt nicht zuletzt auch für die Leis-
tungen der Informationstechnologie, wo – wie überall
sonst auch – Fehler und Missbrauch möglich sind. Ge-
stiegene Cyberrisiken sind nur eine der Nebenwirkun-
gen, ebenso geht es um die Behandlung vertraulicher
Daten oder ungeahnte Folgen algorithmenbasierter
Bankdienstleistungen. Eine systematische Bevorzu-
gung neuer Technologien lässt sich daher regulatorisch
nicht begründen. Vielmehr ist nach meiner festen Über-
zeugung eine Regulierung geboten, die Technologien
neutral behandelt und genau dann greift, wenn Instru-
mente und Institutionen unverhältnismäßige Risiken
produzieren.
Es ist daher eine wesentliche Herausforderung der
Regulierung, auch für scheinbar neue Formen der
Finanzintermediation und der Bank- und Finanz-
dienstleistungen das Rad nur dort neu zu erfinden,
wo das alte Rad keine Bodenhaftung mehr hat. Die
bis heute gut erprobte Unterscheidung zwischen
den regulierten Kredit-, Finanzdienstleistungs- sowie
Zahlungsinstituten und den unregulierten Akteuren
ist eine risikobezogene Grundlage, die faire Wettbe-
werbsbedingungen über die verschiedenen Marktteil-
nehmer hinweg schafft. Behält man die Risiken eines
Geschäftsmodells im Blick, lässt sich für eine Kredit-
vermittlungsplattform, für einen Zahlungsdienstleister
oder für jede andere, konkrete Geschäftsidee beur-
teilen, unter welchen Umständen sich eine Erlaubnis-
pflicht und weitere regulatorische und aufsichtliche
Konsequenzen ergeben. Eine regulatorische Sonder-
behandlung von FinTechs per se ist daher weder er-
strebenswert noch gesetzeskonform. Hat ein FinTech
seine innovative Geschäftsidee konkret ausgearbei-
tet, so steht die Bundesbank mit ihren Hauptverwal-
tungen als regionaler Ansprechpartner für Erlaubnis-
fragen zur Verfügung.
Finanzaufseher müssen ihr Augenmerk auf diejenigen
Innovationen richten, deren Risiken im Rahmen der be-
stehenden Aufsichtssystematik noch nicht hinreichend
erfasst werden. Nur so kann die Aufsicht ihren Auftrag
wahrnehmen, die Risiken für das Finanzsystem mög-
lichst frühzeitig zu erkennen und alle Marktakteure risi-
koadäquat zu beaufsichtigen. Damit leistet sie letztlich
einen Beitrag zu einem angemessenen und nachhalti-
gen Wirtschaftswachstum und zum Wohlstand aller.
Die eingegangenen Risiken müssen den Maßstab für einen fairen Wettbewerb definieren.
Dr. Andreas Dombret
ist Vorstandsmitglied der
Deutschen Bundesbank.
1 9 FMF JAHRBUCH 2016 On THe MOve
Fragen und Perspektiven des technologischen Wandels
Dass die Digitalisierung eine ganze Branche aufrütteln kann,
hat sich bereits in der Print- und Musikindustrie sehr deut-
lich gezeigt. Nun ist auch die Finanzbranche an der Reihe,
sich dem technologischen Wandel zu stellen.
Der Begriff FinTech hat bereits große Wellen geschlagen. Die
damit einhergehenden Veränderungen betreffen allerdings
nicht nur FinTechs und etablierte Finanzdienstleister, sondern
auch die Aufsicht. Die BaFin stellt sich den neuen Herausfor-
derungen bereits seit einiger Zeit; allerdings sind noch diverse
Fragestellungen zu beantworten. Drei Aspekte kennzeichnen
den Rahmen um die zukünftige FinTech-Arbeit der BaFin.
Erstens ist es Ziel der BaFin, sich auf die Bedürfnisse der jun-
gen Unternehmen bestmöglich einzustellen. Die BaFin war in
der Vergangenheit eine Klientel gewohnt, die bereits mit inten-
siver juristischer Unterstützung und aufsichtsrechtlicher Ex-
pertise aufwartete. FinTechs dagegen zäumen das Pferd von
anderer Seite her auf. Sie haben das technische Know-how
und bieten kreative Lösungen entlang des Bedürfnisprofils
des Kunden an. Dabei identifizieren sie Teilbereiche des klas-
sischen Geschäfts, die sie durch kundenfreundliche Lösungen
ersetzen oder mit smarten Anwendungen ergänzen. Aufsichts-
rechtliche Vorgaben waren allerdings überwiegend nicht im
Fokus der FinTechs, und die Herangehensweise und Bedürf-
nisse der oftmals jungen FinTech-Unternehmen waren bisher
nicht im Fokus der BaFin. Somit sind nun beide Parteien gefor-
dert. Innerhalb der BaFin konnten Verfahrensweisen entwickelt
werden, die es ermöglichen, auf die Belange der FinTechs
bedarfsgerechter einzugehen. Zum einen ist es besonders
wichtig, dass sich die Unternehmer schon vor einem persön-
lichen Kontakt zur BaFin über mögliche regulatorische Pflichten
informieren können. Und das auch ohne juristisches Studium.
Daher geht es um die adressatengerechte Aufbe reitung der
Informationen, die für die Unternehmer für die Aufnahme ihres
Geschäfts maßgeblich sind. Zum anderen betrifft dies eine
moderne und serviceorientierte Kommunikation zwischen den
Unternehmern und der BaFin. Dabei ist es eine Selbstverständ-
lichkeit, dass die Dynamik im FinTech-Markt auch eine gewisse
Reaktionsgeschwindigkeit der BaFin erfordert.
Spielregeln vorgeben
Dies bedeutet aber nicht – und hierbei handelt es sich um
die zweite Kernbotschaft – dass die BaFin die Spielregeln
für FinTechs ändern kann und darf. Liegt das Geschäfts-
modell eines FinTechs im erlaubnispflichtigen Bereich, hat die
BaFin im Gegenzug die Erwartung, dass die entsprechenden
Regeln eingehalten werden. Somit ist eine adressatengerech-
te Kommunikation nicht mit einem Garant für eine möglicher-
weise gewünschte Erlaubnisfreiheit gleichzusetzen. Unterliegt
ein Geschäftsmodell der Erlaubnispflicht und damit auch der
laufen den Aufsicht der BaFin, steht sie dem Unternehmen – ob
von Dr. Uwe Neumann
2 0 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG
FinTech oder nicht – natürlich auch bei Fragen und Unsicher-
heiten zur Seite. Gleichzeitig darf die Qualität der Antworten
auf Erlaubnisanfragen nicht unter den zeitlichen Erwartungen
der Unternehmer leiden. Der Markt der FinTechs ist schnell-
lebig und heiß umkämpft. Dessen ist sich auch die BaFin be-
wusst. Dennoch ist jede Entscheidung unter den bestehenden
regulatorischen Vorgaben sorgfältig und oftmals im Einzelfall
zu prüfen, um eine umfassende und korrekte Antwort geben
zu können.
In diesem Zusammenhang wird die BaFin oft auch an den
Tätigkeiten der britischen Financial Conduct Authority (FCA)
gemessen. Diese geht derzeit einen interessanten Weg. So
schafft die FCA unter der Fahne der Wirtschaftsförderung
einen „Sandkasten“, innerhalb dessen ausgewählte Start-ups
ihre Geschäftsmodelle unter abgemilderten Aufsichtsstan-
dards testen können. Dagegen sieht sich die BaFin derzeit
vielfach der Kritik ausgesetzt, mit den strengen Anforderungen
Innovationen im eigenen Land zu verhindern. Die Antwort der
BaFin darauf ist klar und unumgänglich: Die BaFin hat kein
Mandat zur Wirtschaftsförderung und würde mit einer „Aufsicht
light“ für FinTechs gegen ihre gesetzlichen Pflichten verstoßen.
Dies bezieht sich auf alle Unternehmen, unabhängig davon,
in welcher Phase des Lebenszyklus sie sich befinden. Zudem
können Interessenskonflikte zwischen der Unternehmensför-
derung und dem kollektiven Verbraucherschutz entstehen.
Abstufungen in Bezug auf regulatorische Anforderungen sind
in den deutschen Aufsichtsgesetzen aber bereits vorgesehen.
Denn nicht jedes Geschäftsmodell bedarf einer sogenannten
Vollbanklizenz nach dem Kreditwesengesetz. Vielmehr gibt
es nach dem dort verankerten „Baukastenprinzip“ im Rah-
men gesetzlicher Möglichkeiten auch Erlaubnisse für einzelne
Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen. Diese bedeuten
auf der einen Seite zwar Grenzen für die Geschäftstätigkeiten
der Unternehmen, auf der anderen Seite geht damit ein ab-
gestufter Pflichtenkatalog einher. Dabei kann an bestimmten
Regeln nicht gerüttelt werden. In den Bereichen, in denen der
Gesetzgeber lediglich den Rahmen vorgibt, gehört es zu den
aufsichtlichen Standards der BaFin, die Anforderungen an die
Unternehmen vom Risiko und der Komplexität der Geschäfte
abhängig zu machen und damit dem Gedanken der Proportio-
nalität Rechnung zu tragen.
Trends im Blick haben
Drittens zeichnet sich ab, dass FinTechs als Katalysatoren den
Prozess der Digitalisierung, Automatisierung und Personalisie-
rung im Finanzsektor auf lange Sicht vorantreiben werden. Zum
einen verändern sich mit den Angeboten der FinTechs auch die
Erwartungen, die Verbraucher an die etablierten Unter nehmen
stellen. Zum anderen eröffnen sie Möglichkeiten, Prozesse effi-
zienter und kostengünstiger zu gestalten. Dies kann sich auf
das zukünftige Produkt- und Dienstleistungsangebot, die Ein-
kommensquellen und die Geschäftsmodelle der Finanzdienst-
leister auswirken. Somit ist es auch Aufgabe der BaFin, die
Entwicklungen der unter Aufsicht stehenden Unter nehmen zu
begleiten und gleichermaßen das Verständnis regulatorischer
Vorgaben an die laufenden Veränderungen anzupassen. Hier
gilt es, die aktuellen Trends im Blick zu behalten und deren
Relevanz für die Beaufsichtigung der Banken, Versicherungen
und Wertpapierdienstleister abzuschätzen.
Letztendlich bringt der technologische Wandel neue Fragen
und Perspektiven mit sich, denen sich nicht nur die jungen und
die etablierten Unternehmen zu stellen haben. Auch die BaFin
geht mit der Zeit, indem sie sowohl die aufsichtliche Perspek-
tive als auch die Behörde als „Verwaltungsapparat“ an diese
Herausforderungen anpasst. So gibt es bereits Initiativen zu
jedem der drei genannten Aspekte innerhalb des Hauses. Ziel
ist es, die Entwicklungen am Finanzmarkt im Blick zu behalten
und dabei den Unternehmen mit modernen Mitteln und einer
adressatengerechten Kommunikation als Ansprechpartner zur
Verfügung zu stehen. Dazu nutzt die BaFin klare Regeln, um
die Einhaltung von Aufsichtsstandards nachzuhalten. Denn
diese Regeln schaffen Vertrauen in das deutsche Finanz-
system, sowohl für Unternehmen als auch für den Verbraucher.
Dies bedeutet, dass es als Qualitätsmerkmal verstanden wer-
den kann, eine Geschäftserlaubnis nach aufsichtsrechtlichen
Erfordernissen zu erhalten und der laufenden Aufsicht durch
die BaFin zu unterliegen.
Dr. Uwe Neumann ist Leiter „Strategie und Risiko“ im Präsidialbe-
reich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
„Es kann als Qualitätsmerkmal gelten, eine Geschäftserlaubnis unter der Aufsicht der BaFin z u erlangen.“
2 1 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG
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inenraum der Finanzindustrie an“
Eine Kultur der kurzen Wege schadet nicht, gerade in einem so schnell lebigen Business.
DR. SEBASTIAN GLOCK, LOCAL PARTNER BEI WHITE & CASE
Die Regulierung von FinTechs beschäf-
tigt die verantwortlichen Be-hörden sowie die Akteure in der
Finanz- und Technologiebranche. Für die FMF-Redaktion kamen Dr. Sebastian
Glock, Dr. Manuel Lorenz und Hassan Sohbi der Kanzleien White & Case, Baker &
McKenzie sowie Taylor Wessing am runden Tisch zusammen, um Chancen und Risiken
zu diskutieren.
Wie sieht die Regulierung von FinTechs in Deutschland der-zeit aus?
SEBASTIAN GLOCK: Es gibt keine spezielle Regulierung
für FinTechs. Es handelt sich um innovative Start-up-
Unternehmen, die oft neue Dienstleistungen erbrin-
gen. Diese Dienstleistungen fallen möglicherweise
unter bestimmte Regulierungstatbestände. Wenn Fin-
Techs Dienstleistungen aus dem Finanzsektor erbrin-
gen, werden sie auch wie ein Finanzdienstleister reguliert.
MANUEL LORENZ: Man kann auch sagen, dass FinTechs dann un-
ter die Regulierung fallen, wenn sie sich an den Markt wenden,
und weniger, wenn sie zum Beispiel intern Dienstleistungen
gegenüber Banken erbringen. Das ist eine wichtige Differen-
zierung. Und dann muss man in der Tat die aus den Richt-
linien ersichtlichen Regulierungstatbestände der Reihe nach
durchgehen. Momentan sehen wir bei den FinTechs in erster
Linie Geschäftsmodelle, die unter die Finanzmarktrichtlinie fal-
len, weil sie auf Wertpapieren oder Finanzinstrumenten basieren.
Dazu gehören etwa Robo-Advisors oder Handelsplattformen für
Fondsanteile.
Wenn es sich um eine zu regulierende Aktivität handelt, was passiert dann in der Praxis?
LORENZ: Es gibt verschiedene Modelle, die sich in der Praxis bewährt
haben. Eine Möglichkeit ist, dass ein FinTech-Unternehmen eine soge-
nannte Fronting-Bank oder White-Label-Bank einsetzt. Diese verfügt über
eine Lizenz, und das FinTech fällt somit nicht mehr unter die Regulierung. Es
gibt aber durchaus viele FinTechs, die der Regulierung nicht
über diesen Weg ausweichen wollen.
2 2 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG
HASSAN SOHBI: In der Tat beobachten wir aktuell,
dass die ersten FinTechs, die unter die Regulierung
fallen, bereits beispielsweise eine Banklizenz bean-
tragen. Andere tun sich noch etwas schwer. Aus meiner
Sicht ist das zum einen eine Haltungsfrage. Man fürchtet,
durch Regulierung nicht mehr so innovativ sein zu können.
Zum anderen scheut man vielleicht auch den Aufwand,
der damit verbunden ist, ohne diesen Aufwand genau zu
kennen. Gerade in der Anfangsphase ist das ein wichtiges
Thema. Hier könnte man ansetzen, um einem jungen Un-
ternehmen mit einer angepassten Form der Regulierung
über diese Hürde hinwegzuhelfen.
Ist der Start für FinTech-Unternehmen hier schwieriger als im Ausland?
LORENZ: Grundsätzlich ist die Regulierung in Europa weit-
gehend vereinheitlicht. Aber es bestehen dennoch Unter-
schiede. Erstens glaube ich, dass sich die deutsche Auf-
sicht nicht selbst als Standortfaktor betrachtet und damit die
Regu lierten auch nicht als Kunden. Zweitens lehnt die BaFin
eine Beraterrolle ab. Das heißt, es findet kein Dialog mit den
FinTechs statt. Und drittens betreibt man eine extensive Aus-
legung der Regulierung. Das ist zum Beispiel in Großbritan-
nien anders, wo man im Rahmen eines Verbraucherschutz-
mandats alles fördert, was verbraucherfreundlich ist. Auch
FinTechs, weil sie verbraucherfreundliche Lösungen bieten.
GLOCK: Man darf nicht vergessen, dass Regulierung neben
anderen Standortfaktoren einen Beschleunigungseffekt hat.
Ein Unternehmer überlegt sich in der Anfangsphase sehr
genau, wo er ein gründerfreundliches Umfeld findet. Un-
sere Regulierung basiert auf gesetzlichen Grundlagen aus
einer Zeit, in der es noch keine FinTechs gab. Eine Reak-
tion hierauf könnte sein, das Regulierungsmandat ent-
sprechend auszulegen oder gesetzlich zu öffnen, wenn
man zu dem Ergebnis käme, dass es nicht ausreichend
Spielraum bietet.
Wäre das Sandkasten-Modell eine Lösung?LORENZ: Beim Sandkasten-Modell würde man davon ab-
sehen, ein reguliertes Geschäftsmodell vom Start weg
einer unmittelbaren Regulierung zu unterwerfen. Das
heißt, die Aufsicht verzichtet in der Anfangsphase auf
den Lizenzantrag. Dafür verspricht Mit einer angepassten Form der Regulierung könnte man jungen Unternehmen über die erste Hürde hinweghelfen.
HASSAN SOHBI, LEITER DER MIDDLE EAST PRACTICE GROUP VON TAYLOR WESSING IN DEUTSCHLAND
In einer Sprechstunde oder Informationsveranstaltungen könnten FinTechs mit der BaFin in einen Dialog kommen.
DR. MANUEL LORENZ, PARTNER BEI BAKER & MCKENZIE
2 3 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG
das Unternehmen, sein Ge-
schäftsmodell in einem sehr eng
begrenzten Rahmen und un-
ter informeller Beaufsichtigung
des Regulierers auszuüben. Da-
rüber müssen die Kunden infor-
miert sein und trotzdem zustim-
men. Man vermeidet also zu Beginn,
wo noch gar nicht feststeht, ob das
Geschäftsmodell in dieser Form erfolg-
reich ist, den mit einer Lizenz verbundenen
hohen Aufwand. In Deutschland beträgt die Be-
arbeitungszeit der BaFin nach Vorlage vollständiger Unter-
lagen sechs Monate. Diese Zeit könnten FinTechs nutzen, um ihr
Modell am Markt auszuprobieren. Die Regulierung käme später,
wenn es sich als erfolgreich erwiesen hat.
SOHBI: Prinzipiell halte ich eine Regulierung „light“ für FinTechs
in der Anfangsphase für sinnvoll. Allerdings kann ich mir keine
Finanz industrie vorstellen, weder jetzt noch in Zukunft, die un-
reguliert ist. Aber FinTechs sollten mit schnellen Bearbeitungs-
zeiten rechnen können. Außerdem täte mehr Aufklärung gut. Denn
bei vielen FinTechs mangelt es gar nicht so sehr an Geld, sondern
es sind eher die zeitliche Komponente und die Un sicherheit, wes-
halb sie sich auf die Suche nach einer White- Label-Bank machen.
Deshalb würde ich einen aktiven Austausch mit der BaFin befür-
worten, mit der Zusicherung, in zwei Monaten grünes Licht zu
geben, wenn alles passt.
GLOCK: Am Anfang stellt sich immer die Frage des Aufwands. Das
gilt auch für den Fall, dass ein FinTech aus Regulierungsgrün-
den eine Fronting-Bank sucht. Diese muss ja auch erst gefun-
den werden, dann sind Verträge zu schließen, das Modell muss
implementiert werden und so weiter. Ob mit Fronting-Bank oder
eigener Lizenz: in beiden Fällen bestehen erhebliche Hürden, nur
um zu testen, ob das Geschäftsmodell so überhaupt am Markt
platziert werden kann, oder ob es noch verändert werden muss.
Welches Risiko besteht für eine Fronting-Bank?LORENZ: Streng juristisch gesehen bleibt die Bank für das Ge-
schäftsmodell verantwortlich und muss sich entsprechend ab-
sichern. Sie muss also das Geschäftsmodell verstehen. Es ist
ein Irrglaube, dass sich mit einer Fronting-Bank die Regulierung
wirklich umgehen lässt. Man ver-
meidet den Erlaubnistatbestand
und die direkte Beaufsichtigung
durch die BaFin. Aber die Bank
muss dem FinTech auferlegen,
sich an die Regulierung zu hal-
ten, die für die Bank gilt.
Wäre eine stufenweise Erhöhung der Re-gulierung eine Alternative?
GLOCK: Eine Regulierungstreppe wäre kompli-
ziert, unter anderem weil die FinTech-Geschäfts-
modelle sehr unterschiedlich sind. Man könnte aber unter
dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes bestimmte Schutz-
größen definieren, so wie es beim Kleinanlegerschutzgesetz der
Fall ist. Wenn ein FinTech eine gewisse Größe erreicht hat, müsste
es dann einer vollen Regulierung unterliegen.
LORENZ: Das Kleinanlegerschutzgesetz ist übrigens das erste
Beispiel dafür, dass FinTech sich tatsächlich in Regulierung nie-
dergeschlagen hat. Denn hier wurden Sonderregelungen für
Crowd funding getroffen. Im Zuge einer weiteren Verschärfung
der Regulierung für Finanzdienstleister und Banken hätte man
sonst Geschäftsmodelle behindert, die man an sich für förde-
rungswürdig hält.
Der Verbraucherschutz beim Thema Crowdfunding ist umstritten. Bin ich hier als Anleger tatsächlich schutzlos?LORENZ: In erster Linie bestanden für das Crowdfunding Informati-
onserfordernisse, die für andere Zwecke gedacht sind. Insbeson-
dere den Prospekt benötigt man nicht für diese Art von Geschäft.
Deshalb ist die BaFin klärend eingeschritten, zumindest für den
Erwerb relativ kleiner Forderungen. Interessanterweise wurden
aber im Kleinanlegerschutzgesetz auch Größenordnungen defi-
niert, die zum Teil an das persönliche Einkommen anknüpfen.
Das heißt, die Schutzbedürftigkeit wird unter anderem daran fest-
gemacht, wieviel Prozent seines verfügbaren Einkommens ein
Anleger investiert.
Wie kann ich als FinTech Rechtssicherheit für meine Geschäftsidee erreichen?LORENZ: Der offizielle Weg besteht darin, eine Erlaubnisanfrage bei
der BaFin zu stellen. Das kann aber dauern. Deswegen war der
Robo-Advisors sind Tools für die online-basierte
Vermögensanlage.
Arbeitet ein FinTech mit einem bereits lizensierten Kreditinstitut zusammen, spricht man von Fronting
Bank oder White-Label Bank.
BaFin ist die Abkürzung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
Crowdfunding, deutsch auch Schwarm-finanzierung, ist eine Art der Geldbeschaffung
über eine Vielzahl von Personen, die in der Regel aus Internetnutzern besteht.
BEGR
IFFE
2 4 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG
Hinweis zutreffend, dass die Bearbeitung gerade bei Lizenzanfra-
gen nicht so lange dauern darf. Hier könnte Personal bei der BaFin
helfen, das mit den FinTech-Geschäftsmodellen intensiv vertraut
ist. Oder ein FinTech-Beauftragter, der schnell und auch mal in-
formell Auskunft geben kann. Weitere Möglichkeiten wären eine
Sprechstunde oder Informationsveranstaltungen der BaFin, da-
mit man in einen Dialog kommt und schnell eine verbindliche Ant-
wort erhält. Der andere Weg wäre eine Anfangsberatung durch
einen Anwalt. Damit kann schon viel geklärt werden.
Auch der Datenschutz ist ein viel diskutiertes Thema. Schränken die Regeln FinTechs in Deutschland zu sehr ein?LORENZ: Einige FinTechs haben sehr naive Vorstellungen davon,
was man alles mit den Daten anstellen kann. Es ist auch fraglich,
ob sich dieses Thema in Zukunft von alleine erledigt, weil die junge
Generation angeblich keinen Wert mehr auf Datenschutz legen
wird. Deswegen völlig zu Recht: Datenschutz ist die zweite, ganz
große Baustelle, die sicherlich schwer lösbar ist. Oder
eben doch, der Kunde muss nur zustimmen.
SOHBI: Das ist genau der Punkt. Fin-
Techs oder E-Commerce-Unter-
nehmen auf der einen Seite
haben natürlich ein starkes In-
teresse an den Daten, aber
weniger Interesse daran, die
Verbraucher um Zustim-
mung zu bitten. Auf der an-
deren Seite gehen aber die
internetaffinen Kunden in-
zwischen sorgsamer mit
ihren eigenen Daten um. Hier
bildet sich gerade ein neues
Bewusstsein für dieses Thema
heraus, und meine These ist,
dass man in Zukunft sogar Geld da-
für bekommen wird, wenn man Daten
preisgibt.
GLOCK: Die Logik, Daten grundsätzlich zu schützen, ist sinnvoll,
es sei denn, der Einzelne stimmt einem geringeren Schutz seiner
Daten zu, wenn er eine bestimmte Leistung in Anspruch nehmen
will. Das legt die Entscheidung in die Hand des Verbrauchers.
Angesichts der vielen Behörden vor Ort wird Frankfurt oft als Regulie-rungshauptstadt der Europäischen Union bezeichnet. Ist das für Fin-Techs ein Vorteil? LORENZ: Natürlich ist es gut, wenn der Regulierer nicht so weit
weg ist. Außerdem kann man darauf hoffen, dass man sich über
einen Austausch von Ideen wechselseitig befruchtet. Aber es
gibt in Frankfurt auch eine ganze Reihe weiterer vorteilhafter
Standortfaktoren für FinTechs. Dazu gehört vor allem die Nähe
zum Kunden und zu potenziellen Geschäftspartnern, vor allem
für Geschäftsmodelle, die sich in erster Linie an andere Finanz-
dienstleister richten. Und natürlich gibt es die Hochschulen im
Rhein-Main-Gebiet.
GLOCK: Ich glaube auch, dass eine Kultur der kurzen Wege nicht
schadet, gerade in einem so schnelllebigen Business.
SOHBI: Ich würde hier sogar noch etwas differenzieren. In der
ersten Welle haben FinTechs zunächst etwas
relativ Selbstverständliches genommen
und in modernerer Form aufberei-
tet. Dazu gehören zum Beispiel
Lending-, Zahlungs- oder
Girokonto-Plattformen. Diese
Ideen sind teilweise an an-
deren Standorten ent-
standen. Doch die zweite
Welle der FinTechs setzt
mit B2B- oder B2C-Ge-
schäftsmodellen genau
im Maschinenraum der
Finanzindustrie an. Hier-
bei sollte Frankfurt einen
Standortvorteil haben,
denn hier befindet sich der
Maschinenraum dieser Indus-
trie. Dennoch wären zusätzliche
Marketingmaßnahmen für Frankfurt
als FinTech-Standort hilfreich. Außer dem
sollte man einen Rahmen schaffen, in den sich
auch Venture-Capital-Fonds integrieren, die in FinTech
investieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
VON
LINK
S: D
R. MANUEL LORENZ, HASSAN SOHBI, DR. SEBASTIAN GLOCK
2 5 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & REGULIERUNG
Essen
Duisburg
Düsseldorf
Dortmund
Würzburg
Aschaffenburg
Frankfurt am Main
Mainz
Karlsruhe
Stuttgart
München
Köln
Bonn
Main
Neckar
Rhein
Mannheim
VerstärkerDer Unibator gilt als „Brutstätte für Innovation“ der
Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er fördert die
Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse bis hin
zu marktreifen Produkten und Dienstleistungen. Wei-
tere Beispiele sind das Digital Innovation Lab, die
Gründer maschine GmbH und das Gründungszentrum
HIGHEST der TU Darmstadt. Auch Events dienen als
Verstärker, etwa das Ebspreneurship Forum 2015.
Netzwerke… dienen dem Austausch von Wissen und Erfahrung
und dem Knüpfen von wichtigen Kontakten. Dieses
Ziel verfolgen zum Beispiel das Entrepreneurship
Cluster Mittelhessen und das House of IT e. V.
Start-ups... in der FinTech-Branche bringen frischen Wind in
die Finanzwelt. Sie entwickeln Mobile-Payment-Tools
für die Financial Inclusion von Menschen in Entwick-
lungsländern (Seiten 32 – 33), intelligente Software
für vorausgefüllte Überweisungen (Seite 45) oder
Payments-Services, neuartige Auszahlungsplattfor-
men und Finanzierungsmodelle für Technikprodukte
( Seiten 46 – 47).
Forschung und WissenschaftMit exzellenter und gleichzeitig praxisnaher For-
schung und Lehre in den Bereichen Wirtschafts- und
Finanzwissenschaften, neue Technologien und Entre-
preneurship wird die Grundlage für High Potentials
geschaffen. Lesen Sie dazu die Seiten 54 – 59.
Frankfurt ist eng mit der traditionellen Finanzwelt verknüpft. Nun siedeln sich auch immer mehr
Start-ups an. Die Rhein-Main-Neckar-Region bündelt Tradition und Innovation, Finanz-
expertise und neue Technologien, Praxis und Wissenschaft. Nach und nach
entsteht ein neues Ökosystem.
Deutschlands FinTech- Zentrum formiert sich
21
152
64
9
2 6 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Verbraucherschutz
Immobilien- und Hypothekenfinanzierung
Versicherungs-wirtschaft
Vermögensverwaltung
Regierungs- undEntwicklungsfinanzierung
Institutionelles Geschäft
Privatkundengeschäft
Investmentbanking und Kapitalmarktgeschäft
Bundesbank
Regulierung
Genossenschaftsbanken
Bausparkassen
Auslandsbanken
Start-ups
IT- Infrastruktur
Ratingagenturen
Forschung undWissenschaft
Sparkassen undLandesbanken
Privatbanken
Investoren
Netzwerke
Verwahrstellen
VerstärkerBeratungs-gesellschaften
Börse
152
6421
9
2 7 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Quelle: Unibator Innovation Map, IHK-Forum Rhein-Main
Finanztechnologie – Evolution oder Revolution der Märkte?
Wir erhoffen uns neue Kooperationen im FinTech-Umfeld, die langfristig in innovative Geschäftsmodelle münden.
ADRIAN BRAUN, VORSTANDSMITGLIED DER ICF BANK
Die Adaptionsbereitschaft für Finanztech-nologie ist bei Banken und im Mittelstand in den letzten Jahren gestiegen.
T IMUR PETERS, GESCHÄFTSFÜHRER VON DEBITOS
Lässt sich die Entwicklung der Finanztechnologie fortschreiben? Werden disruptive Technologien das Verhalten der Konsumenten grundlegend verändern und welche Konsequenzen entstehen daraus für die Bankenlandschaft? Diese Fragen diskutierte die FMF-Redaktion mit Adrian Braun, Dr. Christopher Oster, Dr. Gernot A. Overbeck, Timur Peters und Jochen Siegert.
Der FinTech-Sektor wächst nachhaltig. Welche Auswirkungen hat das auf die traditionelle Finanzdienstleistungsbranche?Adrian Braun: Die Aussichten sind nicht zwangsläufig schlecht.
Ich sehe das ähnlich wie vor 15 bis 20 Jahren, als der Ein-
zelhandel die Möglichkeiten des Internets erkannt hat. Man-
chen Anbietern ist es damals gelungen, sich zu positionieren,
vielleicht sogar besser als vorher, anderen hingegen nicht.
Einige traditionelle Finanzdienstleister oder Banken beschäf-
tigen sich bereits intensiv mit neuen Technologien. Auch die
ICF Bank stellt sich seit Jahren auf Änderungen ein. Aufgrund
bestimmter Strukturen fällt es uns als Handelsbank unter Um-
ständen leichter als großen Banken, flexibel auf sich ändernde
Rahmenbedingungenzu reagieren.
Positionieren Sie sich speziell für FinTech-Unternehmen?Braun: Die ICF Group arbeitet derzeit an einem Konzept „Fin-
Tech Hub“ für Start-up-Unternehmen in diesem Umfeld. Die
Unterstützung umfasst alle relevanten Bereiche, mit denen
sich FinTech-Unternehmen vor der Realisierung ihrer unter-
nehmerischen Ideen konfrontiert sehen. Das Angebot reicht
von flexiblen und modularen Rechenzentrumsdienstleistungen
im Hosting-Bereich über die professionelle Gestaltung von Soft-
ware und Datenbankmodellen bis hin zur fachlichen Beratung bei
bank- und börsenrelevanten Themen. Die ICF Gruppe erhofft sich
durch diesen Ansatz neue Kooperationen im FinTech-Umfeld, die
langfristig in innovative Geschäftsmodelle münden.
Wie entwickeln sich aktuell die verschiedenen FinTech-Segmente?Jochen Siegert: Die erste FinTech-Welle war sehr von Geschäfts-
modellen aus den USA getrieben, also Payment und Lending.
Die Hoffnung war, das Geschäftsmodell entweder auf dem
deutschen Markt zu skalieren, oder vom amerikanischen Vor-
bild-Unternehmen aufgekauft zu werden. Inzwischen sehen
wir die zweite oder dritte Generation an Lösungen, die sich
stärker auf den Markt vor Ort konzentrieren. Diese Unterneh-
men finde ich viel spannender.
Die Volumina, die auf den inter - natio nalen Märkten bewegt werden, sind auf einem ganz anderen Niveau.
DR. CHRISTOPHER OSTER, CEO VON CLARK
2 8 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Es wäre wünschenswert, sich mit Blick auf die Regu-lierung zu überlegen, wie sich ein Umfeld schaffen lässt, in dem Start-ups schneller wachsen können.
DR. GERNOT A . OVERBECK, CEO UND GRÜNDER VON F INTURA
Viele europäische Start-ups sind sehr erfolgreich, weil sie gleich von Beginn an international gedacht haben.
JOCHEN S IEGERT, VORSTAND UND COO BE I TRAXPAY
Christopher Oster: Versicherungen sind ein spannendes Feld. Ich
habe mich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Das ist ein rie-
siger Markt von rund 200 Milliarden Euro in Deutschland, der
zu 95 Prozent offline stattfindet. Gleichzeitig ist die Kundenzu-
friedenheit unglaublich niedrig und liegt bei circa 33 Prozent.
Besser können die Voraussetzungen für ein Start-up kaum
sein, deswegen hat Clark hier das Geschäftsmodell angesetzt.
Gernot A. Overbeck: Fintura hat sich ganz bewusst auf das Seg-
ment Lending konzentriert, das ein Bestandsvolumen von
1,4 Milliarden Euro in Deutschland aufweist. Wir haben allerdings
ein komplett anderes Geschäftsmodell entwickelt als amerikani-
sche Unternehmen, weil wir festgestellt haben, dass kleine und
mittlere Unternehmen Kredite bei Banken und nicht bei alterna-
tiven Quellen aufnehmen möchten und weil Konditionen, die wir
mit Bankpartnern bieten können, besser sind als die von Peer-to-
Peer-Lendern. Deshalb ist unsere Lösung eine Vergleichsplatt-
form für Konditionen und Produkte. In diesem Bereich schätzen
wir das Neugeschäftsvolumen in Deutschland auf 120 Milliarden
Euro jährlich. Doch das ist erst der erste Schritt. Jetzt ver gleichen
wir Bankprodukte wie Kredite, in Zukunft wollen wir Kundenpro-
dukte wie Maschinenfinanzierungen vermitteln.
Dann ist der klassische Berater also auch für FinTech-Kunden immer noch wichtig?Oster: Unsere Zielgruppe sind Menschen, die ihr Hauptgirokonto
bereits online führen. Die Frage dahinter ist, wenn jemand
seine Bankgeschäfte und Zahlungsströme online abwickelt,
warum verwaltet er nicht auch seine Versicherungen online?
Das betrifft knapp die Hälfte der Deutschen, und wir haben Zu-
lauf aus allen Altersgruppen. Damit wurde unsere ursprüngli-
che Hypothese widerlegt, dass wir uns zunächst an Menschen
zwischen 20 und 40 Jahren richten.
Welche Faktoren muss ein FinTech berücksichtigen, um zu überleben?Overbeck: Das richtige Geschäftsmodell zählt. Die Frage ist, ob
und wie ein FinTech wirklich Nutzen für den Kunden schafft.
Und natürlich braucht es ein Team, das sich extrem schnell auf
die Kundenbedürfnisse und die Marktanforderungen einstellt.
Was ist mit dem Thema Regulierung?Oster: Bei diesem Thema werden FinTechs am meisten unter-
schätzt, denn hier passiert deutlich mehr, als man denkt.
Natürlich kommen wir sehr schnell zu einer Lizenz, aber das
liegt auch daran, dass wir die Unterlagen sehr schnell zusam-
mentragen und hinterher sind, dass alles funktioniert. Außer-
dem ist bei Start-ups die Reaktion auf das Feedback unheim-
lich schnell, denn es können von heute auf morgen Prozesse
angepasst und Sicherheitsstandards erhöht werden.
Timur Peters: Hier gibt es in der Bevölkerung sogar ein gewis-
ses Momentum, das wir mitnehmen und als Branding-Vorteil
nutzen können. Denn wir haben ein Produkt nach deutschen
Compliance-Standards, das wir auch im europäischen Ausland
oder international ausrollen können.
2 9 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Mehr dazu unter www.frankfurt-main-finance.com/fintec_praxis
Overbeck: Dennoch wäre es wünschenswert, sich mit Blick auf
die Regulierung zu überlegen, wie sich ein Gesamtumfeld
schaffen lässt, in dem Start-ups schneller wachsen können.
Dafür brauchen wir weniger Regulierung in den Bereichen
Arbeitsgesetzgebung und Datenschutzbestimmungen. Es ist
ein juristisches Problem, einen normalen Studenten zu be-
schäftigen, der bereit ist, sich bei einem Start-up richtig zu
engagieren. Interessierte Kundengruppen mit einer E-Mail kalt
anzuschreiben bringt Abmahnungen von Anwälten, die von
Kunden engagiert worden sind, die sich für eigene Abmah-
nungen in der Vergangenheit rächen wollen.
Deutschland ist kein einfacher Markt für digitale Services. Wie schwierig ist es, Kunden zu erreichen und die Kundenzahl hoch zu skalieren?Peters: Im B2B-Markt sind sowohl Akquise als auch Skalierbar-
keit sehr viel schwieriger als bei Endkunden. Denn das Produkt
von Debitos, eine Online-Forderungsbörse, auf der Unterneh-
men ihre Forderungen im transparenten Auktionsverfahren
verkaufen können, ist schwerer vermittelbar. Dennoch ist die
Adaptionsbereitschaft für Finanztechnologie bei Banken und
im Mittelstand in den letzten Jahren auch dank der neuen Auf-
merksamkeit für FinTechs in der Presse gestiegen. Aber wir
müssen die Teilnehmer weiterhin davon überzeugen, etablierte
Strukturen aufzubrechen. Oft ist es so, dass nicht unbedingt
der beste Dienstleister genutzt wird, sondern derjenige, der
momentan im Unternehmen dafür angedockt ist. Werden Pro-
zesse schlanker und effektiver gestaltet, bedeutet das unter
Umständen, Stellen abbauen zu müssen. Und das ist immer
noch das größte Hindernis.
Braun: Wir beobachten schon seit längerer Zeit, dass die klas-
sischen und oft langfristigen Beziehungen zwischen Kunden
und Dienstleistern im Finanzsektor immer mehr aufbrechen.
Die Produkte sind sehr viel austauschbarer geworden, und
der Kostendruck bei sinkenden Margen ist immens. Hier kön-
nen zusätzliche Services, nachgelagerte Dienstleistungen und
intelligente Abwicklungswege, die unter anderem dazu bei-
tragen, die Transaktionskosten zu reduzieren, einen echten
Mehrwert schaffen, der auch von traditionellen Banken ge-
schätzt wird.
Siegert: Der B2C-Markt ist sicher einfacher. Man investiert zum
Beispiel in die Suchmaschinenoptimierung und kann sofort ein
paar Kunden akquirieren. 100.000 Kunden werden dann in
Deutschland groß gefeiert, in den USA sind das aber Peanuts.
Das zeigt, dass die Deutschen ein grundlegendes Problem mit
der Technologieadaption haben. Sie brauchen länger, wenn
aber die Schwelle überschritten ist, läuft die Skalierung schnel-
ler. FinTechs müssen da einen langen Atem haben.
Vorteile des FinTech-Hubs Frankfurt Nähe zum Kapitalmarktgeschehen Breite Basis an Finanzdienstleistern als Partner & Wissensträger Stabile Unternehmen in der Region Hochschulnetzwerk & High Potentials Enorme Rechenzentrum-Infrastruktur Zugang zu wichtigen Institutionen
I
NFO
S
FinTech-Gründer: Timur Peters und Dr. Gernot A. Overbeck nach dem Round-Table-Gespräch
3 0 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Welche weiteren Unterschiede gibt es im Vergleich zu internationalen FinTech-Märkten?Oster: Die Volumina, die auf den Märkten bewegt werden, sind auf einem ganz anderen
Niveau. Aber auch die Finanzierung läuft anders. Bereits in der ersten Finanzierungsrunde,
wenn es nur eine Idee, ein Team und eine Powerpoint-Präsentation gibt, fließen bereits Be-
träge, die ein FinTech-Unternehmen in Deutschland nur bekommt, wenn das Produkt komplett
am Markt ist und sich die Akquise-Kanäle schon bewiesen haben. Ein weiterer Vorteil ist, dass
man in den USA mit einem Produkt und einer Lizenz prinzipiell einen Markt mit 300 Millionen
Verbrauchern ansprechen kann. In Europa benötigt man für jedes Land eine Lizenz, ein Büro,
sprachlichen Support.
Siegert: Das muss nicht unbedingt ein Wettbewerbsnachteil sein. Im e-Commerce-Bereich gab
es viele Start-ups aus Europa, die in die USA gegangen sind und dort auch sehr erfolgreich
waren, weil sie gleich von Beginn an international gedacht haben. In Deutschland tun wir uns
schwer, weil wir zuerst den deutschen Markt knacken wollen, dann gehen wir nach Österreich,
Frankreich und so weiter. Vielleicht denken wir einfach zu deutsch.
Welche Vorteile bietet Frankfurt als FinTech-Standort?Siegert: Im FinTech-Bereich spielt es eine sehr große Rolle, dass wir in Frankfurt direkt am
Kapitalmarktgeschehen dran sind und die Banken und die Deutsche Börse in der Nähe haben.
Außerdem haben wir viele stabile Unternehmen in der Region.
Overbeck: Ein potenzieller Vorteil ist eine Umgebung für Start-ups, in der man sich aus tauschen
und Erfahrungen teilen kann. Ein weiterer Vorteil ist ein Hochschulnetzwerk, das High Poten-
tials bietet, die gerne in ein Start-up kommen und über die eine Zusammen arbeit mit den
Lehrstühlen stattfindet. Der dritte Punkt ist, dass in der Region auch Venture Capital verfügbar
sein müsste. Das gilt es zu entwickeln.
Braun: Zusätzlich bietet Frankfurt unschätzbare Vorteile durch die Rechenzentrum-
Infrastruktur.
Welche Rolle wird FinTech in zehn Jahren spielen?Peters: In der deutschen FinTech-Branche wird es sicher einige Konsolidierungen geben und
auch Geschäftsmodelle, die sich nicht durchsetzen konnten. Es wird vielleicht auch eine
Vermengung von Banken, FinTechs und IT-Unternehmen entstehen, das zeichnet sich jetzt
schon im Bereich der Cloud-Services ab. Ich hoffe natürlich, dass einige deutsche Anbieter
es schaffen, einen europaweiten Markt aufzubauen und sich am Ende weltweit durchsetzen.
Braun: Wir werden mit unseren Produkten und Dienstleistungen verschiedene Vertriebs-
wege und -strategien beschreiten und dabei sowohl die Themen Preisführerschaft als auch
Qualitäts führerschaft im Fokus haben. Aufgrund unterschiedlicher Kundenbedürfnisse im
Hinblick auf Art und Umfang der benötigten Servicequalität sehen wir Potenzial für beide
Ansätze.
Siegert: Vieles können wir gar nicht voraussehen. Ein Smartphone zum Beispiel ist nicht nur
ein Telefon, sondern mit dieser neuen Technologie hat sich unser gesamtes Verhalten ver-
ändert. Wenn das im Bereich FinTech eintritt, wird das gesamte Koordinatensystem komplett
ver schoben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Eine Technologie wird als disruptiv be-zeichnet, wenn sie eine etablierte Technologie, ein be stehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung weitgehend oder vollständig verdrängt.
Der englische Begriff „Payment“ wird oft für das Segment Zahlungsabwicklung im Finanz-dienstleistungssektor verwendet.
Im Finanzdienstleistungssektor steht der eng-lische Begriff „Lending“ häufig für das Seg-ment Kreditvergabe.
Mit „B2B“ wird die Bezeichnung „Bu-siness-to-Business“ abgekürzt. Sie steht für Ge-schäftsbeziehungen zwischen mindestens zwei Unternehmen.
„B2C“ ist die Abkürzung für „Business-to- Customer“ und beschreibt Geschäfts be ziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten be-ziehungsweise Endkunden.
Skalieren bedeutet in der Wirtschaft, dass Unter nehmen expandieren. Die Nachfrage steigt, sie bekommen mehr Aufträge, erwirtschaften einen höheren Gewinn und können mehr Per-sonal einstellen.
„Peer-to-Peer-Lending“ ist die englische Bezeichnung für Kredite, die direkt von Privat-personen an Privatpersonen als Privatkredite ver-geben werden, ohne dass ein Finanzinstitut als Vermittler auftritt.
BEG
RIF
FE
3 1 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Deutschland und die anderen EU-Länder sind gut mit
Finanzdienstleistungen versorgt. Die Statistik der Deut-
schen Bundesbank weist für 2014 über 100 Millionen
Girokonten aus. Über die Hälfte davon sind bereits als
Onlinekonten verfügbar. Zudem stehen in Deutschland
fast 57.000 Geldautomaten und über 10.000 Bank-
stellen mit Service- und Beratungsleistungen zur Ver-
fügung. Deshalb wird die Weiterentwicklung finanzwirt-
schaftlicher Leistungen für Privatpersonen hierzulande
vor allem auf Effizienz, Convenience und Kostenvor-
teile abzielen. Die sogenannte Financial Inclusion, die
Menschen ohne Bankkonto dessen Einrichtung und
damit den Zugang zu Zahlungsverkehr und Kreditauf-
nahme ermöglicht, spielt in den Ländern der EU eine
eher untergeordnete Rolle.
„Finanzieller Analphabetismus“ weit verbreitet
Global betrachtet sieht das anders aus. Weltweit ver-
fügen nach Angaben der World Bank Group nur 62
Prozent der Personen über 15 Jahre über ein Bank-
konto. Rund zwei Milliarden Menschen sind damit
von finanzwirtschaftlichen Prozessen ausgeschlos-
sen. Vor allem in den Entwicklungsländern Afrikas und
Südostasiens gelten große Teile der Bevölkerung als
finanzielle Analphabeten.
Fast die Hälfte aller Er-
wachsenen in Indien etwa
hat kein Bankkonto. An
geregelten Kreditprozes-
sen nehmen nur 6 Prozent
der Bevölkerung teil. Die-
se Probleme sind typisch
für viele Entwicklungs-
länder: Eine geringe Bank-
filialdichte insbesondere in
ländlichen Regionen, lang-
wierige und bürokratische
Kontoantrags verfahren und mangelnde finanzielle
Bildung verhindern den Zugang zum Zahlungsverkehr.
Die finanzielle Eingliederung dieser Menschen halten
Experten der World Bank Group für dringend erforder-
lich, um das Wirtschaftswachstum dieser Länder zu
fördern und die Bevölkerungsarmut zu verringern. Eine
Teilnahme am Finanzsystem ist die Voraussetzung, um
Geschäfte zu starten und zu entwickeln, in die Bildung
der Kinder zu investieren und finanzielle Rückschläge
auszugleichen.
FinTechs öffnen Zugänge zum Finanzsystem
Die von FinTech-Unternehmen entwi-
ckelten neuen Technologien spielen bei
der angestrebten Financial Inclusion
mittlerweile eine wichtige Rolle. Dabei
profitieren diese Unternehmen davon,
dass sich der Zugang zum Internet
und zu Telekommunikationsleistungen
in vielen Entwicklungsländern deutlich
verbessert hat und der Onlinekanal
als Plattform für Bankleistungen an
Attrak tivität gewinnt. Indien verzeich-
nete nach Angaben der Internet and
Mobile Association of India (IAMAI) im
Dezember 2015 über 400 Millionen
Inter netnutzer, von denen 94 Prozent für
den Zugang auch ihr Mobiltelefon wäh-
len. Ganz ähnlich ist es in Afrika, wo die
Verbreitung des Mobilfunks disruptive
Veränderungen bewirkte. Der Kontinent
versteht sich mittlerweile als „Mobile
Continent“ – trotz gerade in ländlichen
Regionen schwieriger technischer Rah-
menbedingungen. Über 600 Millionen
Mobilfunknutzer hat die Region Sub-
sahara-Afrika heute, rund 930 Millionen
werden laut Ericsson Mobility Report bis
Ende 2019 erwartet. Schon heute zei-
gen 58 Prozent der Mobilfunknutzer in
der Region ein großes Interesse an der
Nutzung von Mobile Banking und elek-
tronischen Geldbörsen. In Kenia bei-
spielsweise wird das mobile Zahlungs-
system M-PESA bereits von über zwei
Dritteln der Bevölkerung genutzt.
DEUTSCHE FINTECHS FÖRDERN WELTWEIT DIE FINANCIAL INCLUSIONAnders als in Deutschland und der Europäischen Union (EU) haben große Bevölkerungsteile in Entwicklungsländern keinen Zugang zum Zahlungsverkehr. FinTech-Unternehmen entwickeln neue Technologien, um diese Menschen in finanzwirtschaftliche Prozesse zu integrieren.
In Subsahara-Afrika zeigen 58 Prozent der Mobilfunknutzer großes Interesse an Mobile Banking und elektronischen Geldbörsen.
3 2 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Neue Prozesse für Kontoeröffnung und Kreditvergabe
Die Ansatzpunkte für FinTech-Unternehmen sind viel-
fältig. So können wichtige Geschäftsprozesse wie
Legi timation, Identitätsprüfung und Vertragsabschluss
unter Einsatz moderner Finanztechnologie neu gestal-
tet werden. Seit 2012 bietet WebID Solutions europa-
weit rechtskonforme Vertragsabschluss- und Identifi-
kationsprodukte an, die vollständig online abgewickelt
werden können. Im Rahmen eines Joint Ventures mit
einer der größten Privatkundenbanken führt das Un-
ternehmen eine Face-to-Face-online-Identifikation in
Indien ein und revolutioniert damit den dort bisher übli-
chen Kontoeröffnungsprozess. Die Initiative ist Teil des
staatlichen „Volksvermögensprogramms“, mit dem
größere Teile der Bevölkerung besser mit grundlegen-
den Finanzdienstleistungen versorgt werden sollen.
Auch im Bereich der Kreditvergabe sind deutsche
FinTech-Unternehmen international engagiert. Die
Frankfurter awamo GmbH hat sich zum Ziel gesetzt,
die Vergabe von Mikrokrediten in Entwicklungsländern,
insbesondere in Afrika, deutlich zu verbessern und
auszuweiten. Wegen der geringen Filialdichte nehmen
Bauern und Kleinunternehmer Kredite meist bei Mikro-
finanzinstituten (MFI) auf. Aufgrund papierbasierter
Verfahren entstehen dabei Probleme – zum Beispiel im
Bereich der Identitätsprüfung –, die zu hohen Kredit-
ausfallquoten führen und sich in entsprechend hohen
Zinsen von über 60 Prozent niederschlagen. awamo
unterstützt die MFI durch eine Lösung zur Digitalisie-
rung der Kreditvergabe, indem das Unternehmen eine
mobile, robuste und bezahlbare Komplettlösung aus
Hard- und Software zur Verfügung stellt. Durch die
Technologie können die Kreditnehmer anhand ihres
Fingerabdrucks identifiziert werden. Kundendaten
und Kreditanträge werden digital erfasst, so dass das
Kredit portfolio mit Echtzeitdaten gesteuert werden
kann. Durch die zentrale Analyse der Kundendaten
kann die Kreditwürdigkeit der potentiellen Kreditneh-
mer besser eingeschätzt werden. Im Ergebnis profitie-
ren alle Beteiligten von niedrigeren Transaktionskosten,
einem transparenteren Kreditvergabeprozess und
einer fairen Kreditvergabe.
Die Beispiele zeigen, wie deutsche FinTech-Unterneh-
men die digitalen Strukturen in Entwicklungsländern
nutzen, um bestehende finanzwirtschaftliche Prozes-
se sicherer, effizienter und einfacher zu gestalten. Sie
leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Financial
Inclusion und zu einer verbesserten Versorgung der
Bevölkerung in Entwicklungsländern mit klassischen
Finanzdienstleistungen.
Weltweit haben viele
Menschen kein Bankkonto
Keine Angabe
0,4 – 20
20 – 39
39 – 63,2
63,2 – 87,5
87,5 – 100
Konto bei einem Finanzinstitut
(% Alter 15+) Jahr: 2014
Quelle: Weltbank, 2016
3 3 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Als am Neuen Markt 2000 die Lichter ausgingen, grün-
dete Carlo Kölzer am Finanzplatz Frankfurt die inter-
netbasierte Devisen handelsplattform 360T. Die Idee
des Firmengründers war, das FinTech nicht nur auf die Be-
dürfnisse von Banken, sondern auf die Bedürfnisse von Unter-
nehmen zuzuschneiden. 360T ermöglicht den transparenten
und sicheren elektronischen Handel von Fremdwährungen,
Geldmarktprodukten sowie Währungs- und Zinsderivaten auf
technisch höchstem Niveau.
Inzwischen wird die Plattform mit einem Liquidity-Pool von
über 200 Banken von rund 1.500 Kunden in mehr als 75 Län-
dern weltweit genutzt. Dazu gehören institutionelle Kunden,
Broker, Banken und internationale Konzerne. Ihnen wird wäh-
rend der gesamten Phase des Tradingprozesses volle Trans-
parenz und damit Kontrolle ihrer Transaktionen ermöglicht.
Die angefragten Preise können in deutlich höherer Geschwin-
digkeit zur Verfügung gestellt und verglichen werden, als dies
im früheren Telefonhandel möglich war. Insgesamt bedeutet
das eine deutliche Kosten- und Zeitersparnis, wobei zusätz-
lich sämtliche regulatorischen Anforderungen erfüllt werden.
Etwa 70 Milliarden Euro werden heute täglich in verschiedens-
ten Währungen über 360T gehandelt.
Wachstum setzt sich fort
Der Umsatz von 360T ist seit der Gründung im Jahr 2000 jähr-
lich gewachsen. Auf diese Weise hat sich ein digitaler Global
Player am Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Frankfurt am
Main etabliert, der trotz marktbedingter Schwierigkeiten seit
dem Gründungsjahr konkurrenzfähig wurde. Während Wett-
bewerber nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 mit
sinkenden Handelsumsätzen zu kämpfen hatten, erreichte
360T im Oktober 2004 die Gewinnschwelle.
Weiteres Wachstum ist geplant, sowohl geografisch als auch
durch die Einführung weiterer Produkte für bestehende und
neue Zielgruppen. Das Potenzial und die Qualität des Unter-
nehmens erkannte auch die Deutsche Börse. Im Oktober 2015
kaufte sie 360T für 725 Millionen Euro. Diese Übernahme bietet
die Chance, der einzige Anbieter im Devisenbereich zu sein,
der von illiquiden Deviseninstrumenten bis hin zu hochliquiden
Futures alles auf und außerhalb von regulären Handels plätzen
anbieten kann. Das Ziel ist es, die ganze Breite der Handels-
mechanismen sowie das dahinter gelagerte Clearing* und
Collateral Management** bereitzustellen.
International aufgestellt
360T ist tief in der Wirtschaft verankert, 29 von 30 DAX-
Unter nehmen nutzen die Plattform für ihre Devisen geschäfte.
Das Unternehmen beschäftigt heute rund 215 Mitarbeiter
weltweit. Neben der Zentrale in Frankfurt und weiteren Büros
in Europa etablierte 360T Standorte in Amerika, der Region
Asien-Pazifik und Indien. 2015 wurde 360T bei den FX Week
Best Banks Awards, einer der wichtigsten inter nationalen
Auszeichnungen im Devisen markt, zum besten „Professional
E-Trading Venue“ und „Best Vendor for Trading Technology“
gekürt.
Der Markt schrumpft und die Konkurrenz stagniert, doch die Devisenhandelsplatt-form 360 Treasury Systems AG (360T) verzeichnet beständiges Wachstum. Mit einem täglichen Handelsvolumen von durchschnittlich 70 Milliarden Euro be-legt 360T Rang drei der weltweit größten Devisenhandelsplattformen. Ein Porträt.
Etwa 70 Milliarden Euro werden
heute täglich in verschiedensten
Währungen über 360T gehandelt.
360TZUM GLOBAL PLAYER
VOM START-UP
3 4 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS Als CLEARING* bezeichnet
man das Verfahren der Übermitt-
lung, der Abstimmung und die Be-
stätigung von Zahlungsaufträgen
vor dem Zahlungs ausgleich.
COLLATERAL MANAGE-
MENT** umschreibt den Prozess
der Reduzierung des Kontrahen-
tenrisikos durch die Hinterlegung
von Sicherheiten.
DIE DIGITALISIERUNG
des Finanzsektors
Traditionelle, alteingesessene Finanz-institute stehen für eine langjährige Expertise im Bankgeschäft und ver-fügen über eine treue Kundenbasis. Nach und nach halten jedoch auch bei ihnen neue Technologien Einzug, wie Beispiele der Deutschen Bank, der DZ BANK, der Frankfurter Spar-kasse und der Wirtschafts- und Infra-strukturbank Hessen zeigen.
Deutsche Bank: Neue Wege der Vernetzung .............. S. 36
DZ BANK setzt auf Innovationsmanagement
und Vernetzung mit FinTechs ....................................... S. 37
Frankfurter Sparkasse: Moderne Retailinstitute –
am Schnittpunkt zwischen Erfahrung und Innovation .. S. 38
Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen:
Etablierte Player und FinTechs nähern sich an ............ S. 39
3 5 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
A temberaubend: Nur mit diesem Adjektiv lässt sich die
Umwälzung branchenübergreifender Geschäftsmodelle an-
gemessen charakterisieren, die durch die Digitalisierung aus-
gelöst wurde. Im Vergleich zu analogen Innovationszyklen hat
sich die Dynamik enorm beschleunigt. Viele haben das anfäng-
lich unterschätzt – die Finanzindustrie ist da keine Ausnahme.
Als Reaktion auf die hohe Innovationsdynamik positionieren
sich auf vielen Märkten zunehmend internationale Digitalplatt-
formen. Die Monetarisierungs-Strategie dieser sogenannten
digitalen Ökosysteme beruht in erster Linie auf dem Prinzip
des „Walled Garden“: „Umzäunte Gärten“ halten den Nutzer
in einer in sich geschlossenen Onlinewelt, die Daten liegen in
der hauseigenen Cloud, es gibt eigene Browser und Hard-
ware. Die eigene Hardware und die konzerneigenen Betriebs-
systeme garantieren den Nutzern sehr hohen Komfort. Die
Gleichung lautet: Je länger die Konsumenten auf der Plattform
verweilen, desto einfacher lassen sich die Verkaufsstrategien
in attraktive Gewinne ummünzen. Die Plattformen überwinden
so traditionelle Hierarchiegrenzen und gehen neue Wege der
Vernetzung. Neben den digitalen Plattformen drängen auch
zahlreiche FinTechs in diesen Markt. Ihre Strategie basiert
ebenfalls auf dem harmonischen Ineinandergreifen von Hard-
und Software. Solche FinTechs docken an die Wertschöpfung
digitaler Ökosysteme an, indem sie kompatible Technologien
sowie geeignete Programmierschnittstellen verwenden und
diese optimal verzahnen. Die entscheidende Frage lautet, ob
dies nicht auch eine Strategie für den Bankensektor sein könnte.
Finanzdienste als Apps bereitstellenEin neues digitales Banken-Ökosystem würde in eine Plattform
mit einem breiten Angebot an eigenen und fremden Finanz-
diensten münden, sicher und bequem zu beziehen als Ban-
king-Apps in einem offen zugänglichen App Store. Der Kunde
müsste die Finanzplattform nicht mehr verlassen, er bekäme
viele Finanzdienste als Apps individuell auf seine jeweilige
IT-Umgebung zugeschnitten.
Die Banken arbeiten intensiv an Digitalisierungsstrategien,
die sämtliche Geschäftsbereiche einbeziehen und geeignete
interne sowie externe Schnittstellen bereitstellen. Zwei Para-
meter sind dabei wichtig: Erstens wollen die Kreditinstitute die
neuen Technologien kostengünstig und zügig integrieren und,
zweitens, wollen sie unvoreingenommen auch mit potenziellen
Wett bewerben zusammenarbeiten können. Den Banken bietet
die Digitalisierung zudem die Chance, sich beim Datenschutz
eine internationale Vorreiterrolle zu sichern, wenn sie dauer-
haft garantieren, dass sie personenbezogene Daten weder an
Dritte verkaufen noch für andere Projekte zweckentfremden.
Die Digitalisierung ist deshalb auch eine Chance für die Banken,
das noch besser zu tun, was ihre Aufgabe ist: eine gute,
vertrauens volle Beziehung zu ihren Kunden zu pflegen und deren
finanzielle Bedürfnisse und Wünsche bestmöglich zu bedienen.
Thomas-Frank Dapp arbeitet als Senior Economist
für DB Research, und Dr. Markus Pertlwieser ist
Chief Digital Officer bei der Deutsche Bank AG.
Neue Wege DER VERNETZUNG
von Thomas-Frank Dapp und Dr. Markus Pertlwieser
3 6 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Die Neugierde auf neue Geschäftsmodelle der Financial
Technology hat die Finanzwirtschaft inzwischen auch in der
Breite erreicht. Nachdem über viele Jahre die Auseinander-
setzung mit Regulierungsanforderungen die Branche domi-
nierte, sind Innovation und Digitalisierung in der Priorität
deutlich gestiegen.
Banken fahren dabei eine mehrgleisige Strategie. Einerseits
lassen sie sich durch die Ideen vieler weltweit aktiver Start-
ups inspirieren. Hält man die Produkte oder Technologien für
geeignet für die eigenen Zielgruppen, gibt es heute verschie-
denste Optionen einer Zusammenarbeit mit FinTechs. Diese
reichen von reinen Dienstleistungsverträgen über umfassen-
dere Kooperationen und Minderheitsbeteiligungen bis hin zum
Kauf ganzer Firmen.
Kreatives Potenzial erkennenAuf der anderen Seite erkennen viele Banken das kreative
Potenzial ihrer eigenen Mitarbeiter. Hier setzt auch die DZ
BANK AG mit ihrem strategischen Innovationsmanage-
ment an. Aufgaben sind insbesondere das Monitoring der
Innovations aktivitäten der Gruppe, das Trend-Scouting für
die systematische Erfassung neuer Marktaktivitäten und neue
Formen der Innovationsarbeit. Ein Beispiel: Im Frühjahr findet
der erste GENOHackathon von DZ BANK, Fiducia & GAD IT
und ADG statt. Dabei kommen aus der genossenschaftlichen
Finanz gruppe verschiedene Fachleute, wie Softwareentwick-
ler, Produkt spezialisten, Anwender und Berater zusammen,
um in Teams Konzepte und erste Prototypen zu entwickeln.
Zur Weiter führung der aus solchen Formaten entstehenden
Innovationsansätze denkt die Bank derzeit auch über ein Inno-
vationslab nach.
Ein weiterer Ansatz ist die Vernetzung mit der FinTech-Szene.
Die DZ BANK kooperiert zum Beispiel mit iZettle, um Kleinunter-
nehmern die Annahme von Kartenzahlungen zu ermög lichen.
Über die Kooperation mit dem Accelerator Axel Springer Plug
and Play werden mit Start-ups innovative Geschäftsideen ent-
wickelt. Und auch das eigene FinTech, das Onlinebezahlver-
fahren der deutschen Kreditwirtschaft, pay direkt, ist seit Ende
2015 erfolgreich am Start.
Franz Sebastian Welter ist Abteilungsdirektor Innovation &
Digi talisierung bei der DZ BANK AG.
DZ BANK setzt auf Innovationsmanagement UND VERNETZUNG MIT FINTECHS
von Franz Sebastian Welter
3 7 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Nur Bares ist Wahres. Dieses Sprichwort klingt wie aus
einer anderen Zeit. Denn in vielen (Lebens-) Bereichen ge-
winnt die virtuelle Realität an Bedeutung – auch, wenn es ums
Geld geht. Mit einem Klick werden gewaltige Geldmengen
von einem Ende der Welt ans andere verschoben; kontakt-
loses Zahlen, Kontoführung via Smartphone-App: fast schon
Schnee von gestern. Die neuen Stars der Finanzmärkte sind
die FinTechs, Revolutionäre auf dem Weg zur Vorherrschaft in
der Finanzwelt. Und in der Tat können FinTechs mit innova-
tiven, oft mutigen Ideen fruchtbare Entwicklungen anstoßen,
den Wettbewerb bereichern.
Reale und digitale Welt erfolgreich verknüpfenDoch vom Impulsgeber bis zur Marktführerschaft ist es ein
weiter Weg. Gerade im Retail-Geschäft sind die klassischen
Kreditinstitute mit Filialnetz und Beratern aus Fleisch und Blut
zentraler Bestandteil der Finanzmärkte – und werden es auf
absehbare Zeit auch bleiben. Denn erstens wollen die meis-
ten FinTechs ohnehin keine Vollbanken sein; sie zeichnen sich
durch Flexibilität aus und funktionieren nicht in festen Struk-
turen. Zweitens bestimmen regulatorische Anforderungen die
Arbeit der Banken. FinTechs unterliegen diesen Regeln bisher
meist nicht, obwohl sie teils ähnliche Geschäftsmodelle verfol-
gen. Sobald sich dies ändert, verengen sich ihre Spielräume
erheblich. Drittens verknüpfen klassische Kreditinstitute die
reale und digitale Welt immer erfolgreicher. Das Online-Chat-
Team, dessen Berater per Text- und Video-Chat von unseren
Kundinnen und Kunden kontaktiert werden können, oder die
Video- Legitimation, welche die Kontoeröffnung mit vor die PC-
Kamera gehaltenem Personalausweis ermöglicht, gehören
längst zum Alltag der Frankfurter Sparkasse. Wir verbessern
unser Angebot ständig, etwa beim Online-Marketing oder bei
der Entwicklung neuer Produktwelten.
Wir erreichen unsere Kunden genau dort, wo sie sich befin-
den – beim ständigen Grenzgang zwischen realer und vir-
tueller Welt. Wir verknüpfen digitale Innovationen mit unserer
jahrzehntelangen Erfahrung. Nicht alles, was digital möglich
ist, muss auch sinnvoll sein. Wenn es ums Geld geht, zählen
Kompetenz und Vertrauen – von Mensch zu Mensch.
Robert Restani ist Vorstandsvorsitzender
der Frankfurter Sparkasse.
Moderne Retailinstitute – AM SCHNITTPUNKT ZWISCHEN ERFAHRUNG UND INNOVATION
von Robert Restani
3 8 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
M it den Unternehmen der Finanztechnologie treten neue
Teilnehmer im Bankensektor in den Markt ein. Sie verbin-
den Schnelligkeit mit Innovation, haben in den vergangenen
Jahren bereits viele Geschäftsideen entwickelt und konnten
sich erfolgreich am Markt etablieren. Inzwischen positionie-
ren sich FinTechs als Wettbewerber, aber auch als mögliche
neue Geschäftspartner der etablierten Player der Finanz-
branche – und die Annäherungsgedanken beruhen durchaus
auf Gegen seitigkeit.
Hessen bietet gute VoraussetzungenAus Politik und Wirtschaft mehren sich daher die Stimmen,
die Frankfurt am Main zur zentralen FinTech-City in Deutsch-
land und Europa weiterentwickeln wollen. Hierfür sind die
Voraussetzungen denkbar gut: Hessen, als deutscher Start-
up- Meister unter den Flächenländern, bietet gute Bedingun-
gen für Kooperationen aufgrund der schieren Nähe zu den
etablierten Anbietern. Technisch bietet die Mainmetropole
mit dem weltweit leistungsfähigsten Internetknoten ebenfalls
beste Voraussetzungen.
Und nicht zuletzt: Hessen ist immens finanzstark – ein weiteres
Plus für Gründer auf der Suche nach Investoren, denn es ge-
hört zu den Erkennungs- und Erfolgsmerkmalen der FinTechs,
viele Geschäftsansätze parallel zu entwickeln und die Kunden
entscheiden zu lassen, welche Lösung sie bevorzugen. Das
kostet mehr, als nur einen Weg zu beschreiten, allerdings birgt
dieses Vorgehen auch nicht die Gefahr, auf diesem einen Weg
umfassend zu scheitern.
Um den entscheidenden Schritt zur FinTech-City Frankfurt tat-
sächlich erfolgreich zu gehen, ist es erforderlich, dass alle be-
teiligten Interessengruppen an einem Strang ziehen und auch
mit Blick auf die internationale FinTech-Szene und potentielle
Investoren ein geschlossenes Bild abgeben. Der Anfang ist ge-
macht: Frankfurt sowie die Rhein-Main-Region sind auf gutem
Weg, mit den FinTechs eine symbiotische Beziehung einzu-
gehen. Profitieren werden davon am Ende alle: die Gründer innen
und Gründer, der Kunde und der Wirtschaftsstandort Hessen.
Dr. Michael Reckhard ist Mitglied der Geschäftsleitung
der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen.
Etablierte Player und FINTECHS NÄHERN SICH AN
von Dr. Michael Reckhard
3 9 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
T r a d i t i o n m e e t s F i n T e c h
Mit innovativen Technologielösungen lassen sich klassische Finanzdienstleistungen revolutionieren – so das Credo vieler FinTechs, die mit neuen Ideen für frischen Wind in der Finanzbranche sorgen. Begleitet von großer medialer Aufmerksamkeit nimmt der FinTech-Zug Fahrt auf. Davon profitieren nicht zuletzt die etablierten Anbieter. Martin Gijssel, CEO der vwd group, erläutert im Gespräch mit der FMF-Redak-tion, wie sich Innovationsgeist und Erfahrung optimal ergänzen.
Wie viel FinTech steckt in vwd?
Martin Gijssel: 100 Prozent. Wir bieten Technologie für die Finanz-
industrie, und das seit 1949. Als Unternehmen haben wir uns immer
wieder verändert – von der Nachrichtenagentur zum Anbieter von
Finanz informationen zum Technologiepartner. Das ist Teil unserer
Geschichte. Heute profitieren wir davon, dass mit FinTech ganz
andere Eigenschaften assoziiert werden. Digitalisierung ist das ent-
scheidende Stichwort. Für uns heißt das, Prozesse für unsere Kun-
den zu digitalisieren und dadurch effizienter zu machen.
Bei welchen Prozessen setzen Sie an?
Gijssel: Der klassische Beratungsprozess ist im Fokus wie auch die
ganzen vor- und nachgelagerten Prozesse. Effiziente Umsetzung
regulatorischer Anforderungen ist ein anderes wichtiges Feld. Wir
sehen es als unsere Aufgabe, unsere Kunden entlang der kom-
pletten Wertschöpfungskette mit ausgereiften Technologielösungen
zu unterstützen, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren
können. Entsprechend bieten wir eine große Bandbreite an Pro-
dukten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und aus erster
Hand, was uns von vielen FinTechs unterscheidet.
Start-ups sind klein und entsprechend schnell und kreativ in
der Umsetzung neuer Ideen. Wie können Sie da mithalten?
Gijssel: Auf den ersten Blick scheint das ein Vorteil: Das Ent-
wickeln neuer technologischer Ideen lässt sich sehr gut mit einer
Start-up-Mentalität verbinden. Mit der Idee ist es aber noch nicht
getan, die eigentliche Arbeit kommt erst danach, wenn es nämlich
darum geht, stabile Prozesse zu entwickeln, die sich in die be-
stehenden Systeme unserer Kunden einbinden lassen. Ent scheidet
der Kunde, wofür er bereit ist Geld auszugeben, sind Stabilität und
Sicherheit immer wichtige Faktoren. Um das als Anbieter alles ab-
decken zu können, arbeiten bei uns rund 150 Entwickler mit ganz
unterschiedlichen Kompetenzen.
Aber verschärfen die FinTechs nicht die Konkurrenz unter
den Technologieanbietern?
Gijssel: Ja sicher, aber das muss für uns kein Nachteil sein. Wir sehen
immer öfter, dass ein FinTech mit einer sehr spezifischen Lösung an
den Markt kommt und über dieses innovative Tool berichtet wird.
Martin Gijssel, CEO der vwd group, im Interview mit der FMF-Redaktion.
4 0 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Martin Gijssel ist seit September 2015 CEO der vwd group.
Zuvor war er mehr als 18 Jahre in leitender Position bei
FactSet Research Systems Inc.; zuletzt als Managing Director
of International Investment Management Sales.
Die vwd group ist einer der europaweit führenden Anbieter für
Informations- und Technologielösungen und spezialisiert auf
kundenindividuelle Anforderungen im Asset Management, Retail
und Private Banking sowie im Wealth Management.
Es ist ein Spagat: innovativ und schnell sein, aber gleichzeitig viel Funktionalität und Sicherheit bieten. Da muss man immer wieder die richtige Balance finden.
Unsere Produktmanager schütteln dann den Kopf, weil wir ein sol-
ches Tool längst in einer unserer Lösungen integriert haben, aber
keiner das je ins Schaufenster gestellt hat.
Ist bessere Vermarktung also Ihr Hebel?
Gijssel: Das gehört dazu, hilft aber nur, wenn das Produkt gut ist.
Beispielsweise haben wir einen Robo Advisor entwickelt, den wir
unter dem Namen vwd finance guide vermarkten. Es ist ein Online-
tool, das unsere Kunden – Banken, Vermögensverwalter und Asset
Mana ger – in ihrem Beratungsgeschäft einsetzen können. Damit
bieten wir genau die Lösung, die unser Kunde braucht, um sich für
die steigende Nachfrage der Endkunden in der Onlinebe ratung zu
rüsten. In der Vermarktung hilft es uns sehr, dass dieses Thema
derzeit en vogue ist. Das ist aber nur der Türöffner. Überzeugen
müssen wir mit den Leistungen, die in einem solchen Produkt
stecken. Da müssen wir einfach mehr liefern als die vielen Start-
ups, die um die Gunst der Endanleger werben.
Weil von Ihnen als erfahrenem Technologieanbieter mehr
erwartet wird?
Gijssel: Ja, viele unserer Kunden arbeiten schon lange mit uns zu-
sammen und erwarten, dass wir ihre spezifischen Anforderungen
auch umsetzen können. Der vwd finance guide ist so konzipiert,
dass sich damit nicht nur ein paar wenige, sondern alle Asset-
klassen abdecken lassen und die Produktauswahl sehr individuell
gestaltet werden kann. Grundlage dafür ist die Kennzahlenlogik
kombiniert mit der Asset-Allokation-Strategie unserer Kunden. Das
unterstützt auch eine effiziente laufende Betreuung im Nachgang,
die regulatorischen Anforderungen können einfacher erfüllt wer-
den. Im Wettbewerb mit den jungen FinTechs können wir uns durch
mehr Funktionalität und mehr Service differenzieren, weil wir das
Know-how, die Erfahrung, aber auch die internen Strukturen und
Prozesse dafür haben.
Macht das Ihre Lösungen nicht etwas schwerfälliger?
Gijssel: Unsere Kunden sind professionelle Marktteilnehmer, in der
Regel seit langem am Markt positioniert, da liegt es fast in der
Natur der Sache, dass Lösungen komplexer sein müssen, als dies
für die meisten Endanlegertools erforderlich ist. Wir verbinden die
bewährten Geschäftsmodelle mit innovativen Lösungen. Natürlich
ist es ein Spagat: innovativ und schnell sein, aber gleichzeitig viel
Funktionalität und Sicherheit bieten. Da muss man immer wieder
die richtige Balance finden. Wichtig für uns ist, beides zu können
und unsere Erfahrung zu nutzen für die Veränderungen, die die jun-
gen FinTechs für die Finanzbranche bringen.
Vielen Dank für das Gespräch.
4 1 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Das Einkaufen im Internet gehört auch in Deutschland inzwischen
zum Alltag vieler Menschen. Der Umsatz im E-Commerce steigt da-
her von Jahr zu Jahr – im Jahr 2015 wuchs der Onlinehandel mit
Waren mit rund 12 Prozent erneut überdurchschnittlich. Eine Ent-
wicklung, die Experten dem E-Commerce auch für die kommenden
Jahre prognostizieren.
Für die Käufer stellt sich nach jeder Kaufentscheidung dabei die
Frage „Und wie bezahle ich?“ Nicht selten kommt es an diesem
Punkt zum Abbruch des Kaufvorgangs, weil sich der Käufer mit den
angebotenen Zahlungsoptionen unwohl fühlt. Das „Stehenlassen“
eines vollen Warenkorbs ist im virtuellen Raum ja schließlich kein
Problem. Die Gründe hierfür sind so vielfältig wie das Angebot an
Zahlarten, die Kunden und Betreibern von Online-Shops zur Verfü-
gung stehen.
Ein zentrales Kriterium für die Akzeptanz eines Online-Bezahlverfah-
rens ist die Gewährleistung der Sicherheit. Online-Bezahlsysteme
sind in Deutschland zwar etabliert, der eigenen Bank oder Sparkasse
wird in Sachen Datenschutz und Bankgeheimnis jedoch nach wie vor
die höchste Kompetenz zugeschrieben. Und laut Steinbeis Research
Center wünscht sich mit 80 Prozent der Löwenanteil der Befragten
die eigene Bank als Anbieter eines mobilen Bezahlsystems.
Ein Online-Bezahlverfahren
der deutschen Banken und
Sparkassen
Darauf hat die deutsche Kreditwirtschaft reagiert:
Nach 13 Monaten Konzeptions- und Entwick-
lungszeit ist mit paydirekt im August 2015 das
bankeigene Online-Bezahlverfahren paydirekt gestar-
tet. Zunächst mit einer Pilotphase, in der die beteiligten
Institute Schritt für Schritt an Bord geholt wurden. Parallel
wurde paydirekt „auf Herz und Nieren“ geprüft. Schließlich
hatte man den Kunden nicht weniger versprochen, als ein den
Qualitätsansprüchen der deutschen Banken und Sparkassen
genügendes System. Im Klartext: ein System, das in Sachen
Sicherheit und Datenschutz den aus dem Online-Banking gewohn-
ten Standards entspricht.
Im Unterschied zu vielen anderen Online-Bezahlverfahren ist bei
paydirekt kein externer Dritter eingeschaltet. Bezahlt ein Käufer sei-
ne Ware mit paydirekt, geht die Zahlung direkt von seinem Girokon-
to auf das Konto des Händlers – ohne Umweg. Alle sensiblen Daten
wie zum Beispiel die Kontonummer bleiben dabei in der sicheren
Bankumgebung – es gilt das strenge deutsche Bankgeheimnis.
Und selbstverständlich werden weder Warenkorbdaten noch das
Käuferprofil an Dritte weitergegeben.
Schon die Registrierung für paydirekt erfolgt in der vertrauten On-
linebanking-Umgebung der eigenen Bank. Einfach, schnell und
ohne zusätzliches Identifizierungsverfahren. Der Kunde legt selbst
Nutzernamen und Passwort fest und bestätigt das Ganze mit sei-
nem gewohnten TAN-Verfahren. Das Bezahlen ist in der Regel dann
mit zwei Klicks erledigt: Im Onlineshop paydirekt auswählen, Nut-
zernamen und Passwort eingeben – fertig.
Ausgabenkontrolle und Käuferschutz
Durch die direkte Verbindung mit dem Girokonto ist es für den Nut-
zer einfach, Transparenz über seine Ausgaben zu behalten. Jede
mit paydirekt abgewickelte Zahlung erscheint klar erkennbar in sei-
nem gewohnten Kontoauszug. Auf
Wunsch informiert die paydirekt-App
zusätzlich über jede Kontoaktivität
per Push-Nachricht. In der aktuellen
ersten Version zeigt die App alle Trans-
aktionen und bietet einen „Notknopf“
für den Fall, dass eine Transaktion nicht
vom Nutzer veranlasst wurde.
Und wird eine Ware nicht geliefert, kann
der Käufer über das pay direkt-Kundenportal
seinen Käuferschutz in Anspruch nehmen.
Weist der Händler den Versand der bestell-
ten Ware nicht nach, bekommt der Kunde den
Mit paydirekt ist im August 2015 das Online-Bezahl verfahren der deutschen Kreditwirtschaft gestartet.
„Bezahlt ein Käufer seine Ware
mit paydirekt, geht die Zahlung
direkt von seinem Girokonto
auf das Konto des Händlers –
ohne Umweg.“
PAYDIREKT – EINFACH UND SICHER ONLINE BEZAHLEN von Dr. Niklas Bartelt
4 2 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Käufer wählt im Webshop des Händlers paydirekt als Zahlungs-
verfahren aus
Webshop / Händler leitet Bezahlvor-gang ein und stellt paydirekt Rech-
nungsdaten bereit
Käufer loggt sich bei paydirekt ein und bestätigt die angezeigte Zahlung. paydirekt stellt Anfrage zur Zahlungs-
autorisierung bei der Käuferbank
Käuferbank autorisiert Zahlung und sendet Bestätigung an paydirekt. Bei Bedarf wird vom Käufer ein 2. Sicher-
heitsfaktor abgefragt
Webshop / Händler erhält Zahlungsgarantie
Käufer erhält Kaufbestätigung
paydirekt stellt Daten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs bereit und sen-det diese an Händler- und Käuferbank
Händlerbank reicht auf dem Händler-konto eine paydirekt-Zahlung ein
KLICK
KLICK
Kaufbetrag samt etwaiger Versandkosten direkt auf seinem Girokonto
gutgeschrieben. Ein weiterer, für die Sicherheit im paydirekt- System
nicht unerheblicher Aspekt: Alle Händler, die paydirekt in ihren Shops
als Bezahlverfahren anbieten – und anbieten werden – haben als
Kunden einer deutschen Bank oder Sparkasse die entsprechenden
Legitimationsverfahren nach deutschem Recht durchlaufen.
Einfache Weiterentwicklung durch
modernes Plattformdesign
paydirekt wird auch dank seiner modernen und flexiblen IT-Plattform
bei Kunden wie Händlern punkten. Die zugrunde liegende IT-Platt-
form zeichnet sich dank Microservice-Architektur und Event-ge-
triebener Datenhaltung durch eine hohe Flexibilität und Agilität aus.
Weitere Funktionalitäten und neue Services lassen sich so schnell
realisieren und dank eines Continuous-Delivery-Konzepts auch zügig
an den Kunden bringen. Gerade in einem dynamischen Markt wie der
Online-Zahlungsabwicklung ist dies wichtig, um neue oder weiterent-
wickelte Funktionen schnell und effizient liefern zu können.
Zum Jahresende 2015 hatten bereits rund 1.000 Institute paydirekt
freigeschaltet, unter ihnen die Volks- und Raiffeisenbanken und die
großen Privatbanken wie Commerzbank, comdirect, Deutsche Bank,
HVB, Postbank und viele weitere. Mit dem Start der Sparkassen im
April 2016 ist die Startphase beendet, und mehrere Millionen zusätz-
licher Kunden können paydirekt nutzen. Noch steht das System am
Anfang, aber schon die ersten Erfahrungen zeigen eine hohe Sys-
temstabilität und schnelle, einfache Transaktionen. Das Feedback der
ersten Händler und Käufer ist durchweg positiv.
Die Zukunft im Blick
Nachdem die Technik läuft und alle Funktionen ausreichend getestet
sind, steht 2016 das Wachstum auf Händlerseite im Fokus, um den
Nutzern ein attraktives Händlerportfolio bieten zu können. Eine Maß-
nahme, die vor allem kleineren Händlern den Zugang erleichtern wird,
ist die Einführung des Händlerkonzentratoren-Modells. Ein Händler-
konzentrator übernimmt für kleinere Anbieter die Verhandlungen mit
den beteiligten Banken. So kann der Händler paydirekt einfach anbin-
den und hat alles aus einer Hand, quasi als „Rundum-sorglos-Paket“.
Auch für die Käufer ist eine Reihe von Weiterentwicklungen in Pla-
nung. Auf der Liste stehen unterschiedliche Themen von Weiterent-
wicklungen im Käuferportal bis hin zum mobilen Bezahlen. Mit seiner
modernen und flexiblen Plattform kann paydirekt schnell auf die Be-
dürfnisse seiner Nutzer ausgerichtet werden und bietet damit den
deutschen Banken und Sparkassen die Voraussetzung, als Anbieter
von Online-Bezahlverfahren mittel- und langfristig konkurrenzfähig
zu sein.
Dr. Niklas Bartelt ist Geschäftsführer der paydirekt GmbH.
Bezahlen mit paydirekt in nur zwei Klicks1
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4 3 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Alle Finanzmarktteilnehmer werden in den nächsten
Jahren gezwungen sein, noch stärker in neue Techno-
logien und die dazu notwendige IT-Infrastruktur zu
investieren. Treiber sind nicht nur das stark wach-
sende regulatorische Umfeld und der Zwang zur
Erhöhung der Kosteneffizienz. Vielmehr stellt die
hohe Innovationskraft der jungen FinTech-Unter-
nehmen die „klassischen“ Marktteilnehmer zuneh-
mend vor neue Herausforderungen.
Chancen in digitaler Umwälzung erkennenEine dieser technologischen Herausforderungen ist mit Be-
stimmtheit die sich bereits vollziehende Digitalisierung des
Wertpapierhandels. Insbesondere die dem BitCoin zugrunde-
liegende Blockchain-Technologie könnte zu massiven Umwäl-
zungen in der Finanzindustrie führen. „Die Blockchain ist“, so
beschreibt es die Süddeutsche Zeitung vom 12. Januar 2015
am verständlichsten, „ein digitaler Kontoauszug für Transak-
tionen zwischen Computern, die jede Veränderung genau er-
fasst, sie dezentral und trans-
parent auf viele Rechner
verteilt und speichert.“
Wertpapiertransaktio-
nen könnten so Peer-
to-Peer* und ohne
Zwischenschaltung
von zum Beispiel
Banken oder Bro-
kern durchgeführt
werden. Diese wären
schlicht überflüssig.
Gleiches gilt für Börsenbetreiber und Verwahrstellen.
Sowohl die UBS als auch die Deutsche Bank AG
haben im letzten Jahr die Begebung einer Anlei-
he über die Blockchain, einen sogenannten Smart
Bond**, erfolgreich intern getestet. Gegen den
flächendeckenden Einsatz dieser Technologie
sprechen heute zum einen das noch ungeklärte
regulatorische und juristische Umfeld und zum
zweiten die mangelnde Skalierbarkeit und Ge-
schwindigkeit. Und genau hier liegt auch die
große Chance für die innovativen Wertpapier-
häuser: Dem Markt entsprechende
Produkte und IT-Infrastruk-
turen zur Verfügung zu
stellen.
Von Frankfurt aus bietet die ICF BANK AG
ihren institutionellen Kunden einen direkten
Zugang zum globalen Handel an 55 Börsen und
über zehn OTC-Plattformen. Zur Ausführung der
Wertpapier-Aufträge nutzt die ICF BANK AG das im
eigenen Haus entwickelte Orderrouting- und Han-
delssystem ICFOMS©. Dieses System gewährleistet
unter anderem die vollständige Orderübermittlung
und -überwachung sowie die vollelektronische Er-
stellung der zugehörigen Wertpapierabrechnung.
Eine der Grundvoraussetzungen für den Erfolg von
ICFOMS© und vergleichbaren Produkten ist das Vor-
handensein einer entsprechenden IT-Infrastruktur.
Diese sollte aus Sicht des Kunden insbesondere fol-
gende Anforderungen erfüllen:
Dynamische und automatisierte Skalierung
Time-to-Market
Garantierte Hochverfügbarkeit und individuelle
Service-Level
Kosteneffizienz durch budgetierbare
und transparente IT-Kosten
Multi-Market-Fähigkeit
Erfüllung maximaler technischer Standards und
Sicherheitsanforderungen
Flexible Vertragsgestaltung – keine Bindungsfristen
für den Nutzer
Dieser Katalog ist natürlich nicht abschließend und verän-
dert sich stetig. Während zum Beispiel vor wenigen Jahren
noch für fast jeden Handelsplatz zur Anbindung eine eigene
Infrastruktur aufgebaut wurde, ist die Multi-Market-Fähigkeit
heute Standard. Die Umsetzungszeit oder Realisierungspha-
se der einzelnen IT-Infrastrukturprojekte hat sich von durch-
schnittlich sechs Monaten auf heute wenige Wochen verkürzt.
Gleichzeitig hat der Kostendruck für den Anbieter stark
zugenommen.
Der technologische Fort-
schritt führt zu steigenden
Anforderungen an Wertpapier-
handelssysteme und ihre IT-
Infrastruktur – ein Praxis-
bericht der ICF BANK AG.
Als Peer-to-Peer* wer-den Verbindungen von Rechner zu
Rechner in Netzwerken bezeichnet. In einem reinen Peer-to-Peer-Netz sind alle
Computer gleichberechtigt und können so-wohl Dienste in Anspruch nehmen als auch zur
Verfügung stellen.Unter Smart Bonds** versteht man vollauto-matisierte Anleihen, bei denen Emittent und Käufer ohne Mittelsmann direkt in Kontakt treten. Auch
Couponzahlungen und Tilgungen laufen automatisch ab.
IT-Infrastrukturen stehen vor
massivem WandelVON ALEXANDER DEUSS
Alexander Deuss ist Leiter
Institutionelle Kundenbe-
treuung bei der ICF BANK
AG Wertpapierhandelsbank.
4 4 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
INNOVATION_anpacken
Fit sein im Wandel wie ein FinTech – um stets nah an neuen technologischen Ent wicklungen
und dem Puls der Zeit zu sein, setzt die GFT Technologies SE mit CODE_n auf eine globale
Innovationsplattform und unterstützt Start-ups aus Praxis und Wissenschaft.
Die GFT vereint seit 1987 technologisches Know-how und
Branchenexpertise. Bisweilen hat sich das Unternehmen alle
zehn Jahre neu erfunden. Gestartet als Experte für die Ent-
wicklung grafischer Oberflächen, gelang zur Jahrtausend-
wende die internationale Positionierung als Internet-Spezialist
– heute entwickeln und betreiben die Mitarbeiter maßgefertig-
te IT-Lösungen für die Finanzindustrie. Der Wandel ist bei der
GFT Normalität geworden, und Innovation ist ein absolutes
Muss. „WIR HABEN FRÜH ERKANNT, DASS UNSERE KUN-DEN OFT NICHT GENAU WISSEN, WIE MAN INNOVATIONEN ANPACKT. ALSO HABEN WIR DIESE KOMPETENZ IN UNSER BERATUNGSANGEBOT INTEGRIERT“, erklärt Bernd-Josef
Kohl, Executive Director bei der GFT.
In der Praxis hat sich dabei CODE_n, kurz für „Code of the
New“, als Innovationsquelle etabliert. 2011 vom Vorstands-
vorsitzenden Ulrich Dietz als Wettbewerb für Start-ups im
Rahmen der CeBIT initiiert, ist CODE_n zu einer globalen
Innovationsplattform für ambitionierte Gründer und führende
Unternehmen herangewachsen. Neben dem jährlich stattfin-
denden Wettbewerb gehören dazu auch regelmäßige Events,
eine web basierte „Matchmaking“-Plattform sowie der Inno-
vationscampus CODE_n SPACES in Stuttgart. „DIE IDEE IST, INNOVATOREN, ABER AUCH ERFAHRENE UNTERNEHMEN MITEINANDER ZU VERNETZEN“, sagt Kohl.
EINZIGARTIGER MARKTZUGANG
Das Engagement bei CODE_n eröffnet
der GFT einen einzigartigen Marktzugang.
„WIR WISSEN FRÜHZEITIG, AN WEL-CHEN NEUEN ENTWICKLUNGEN GERA-DE GEARBEITET WIRD, UND BRINGEN DIESES WISSEN IN DIE INNOVATIONS-BERATUNG UNSERER KUNDEN EIN“,
beschreibt Kohl. Über CODE_n wurde die
GFT beispielsweise auf Gini aufmerksam.
Das Unternehmen hat eine intelligente Software entwickelt: Beim
Scannen oder Fotografieren von Dokumenten werden in Echt-
zeit strukturierte Informationen wie Kontonummern, IBAN und
Verwendungszweck entnommen und semantisch in ein digitales
Überweisungsformular übertragen. „WIR HABEN DEN NUTZEN DIESER TECHNOLOGIE FÜR DIE FINANZBRANCHE ERKANNT UND ANSCHLIESSEND DEN KONTAKT ZU VERSCHIEDENEN BANKEN HERGESTELLT. AUCH IN DEN VON UNS PROGRAM-MIERTEN BANKING-APPS SETZEN WIR DARAUF“, so Kohl.
Die offene Herangehensweise der GFT an das Thema Innova-
tion zeigt sich auch in der Unterstützung eines Spin-offs der
Universität Tübingen. Hier berät das Unternehmen bei der Ent-
wicklung einer multifunktionalen Bankkarte, die die herkömm-
liche EC- oder Kreditkarte mit einem TAN-Generator aufrüstet.
Das neu entwickelte Display-TAN-Verfahren ist sicher vor Troja-
nern und vereinfacht das Bezahlen per Smartphone. Die Bank-
karte, die man im Regelfall immer im Geldbeutel bei sich trägt,
erzeugt die nötigen Sicherheitscodes (TAN) und zeigt diese
sowie weitere Bankdaten wie Kontonummern auf einem in die
Bankkarte integrierten Display an. Die aufgerüstete Bankkarte
kommuniziert per Bluetooth-Funkverbindung mit dem Smart-
phone und ist so geschützt vor Virenangriffen.
„IN TESTS HAT SICH GEZEIGT, DASS NUTZER DIE MULTI-FUNKTIONALE BANKKARTE GUT FINDEN – GERADE WEIL
SIE SICHER UND ZUGLEICH KOMFOR-TABEL IST. NUN SIND DIE BANKEN AM ZUG: SIE MÜSSEN SICH FÜR DIE EINFÜH-RUNG DER NEUEN TECHNOLOGIE ENT-SCHEIDEN, DAMIT DIE KUNDEN DAVON PROFITIEREN KÖNNEN“, sagt Kohl. Die
Praxis zeigt, dass sich gerade im Finanz-
sektor Innovationen immer mehr durch-
setzen. Wer den Wandel erkennt und die
Treiber versteht, kann die Kunden optimal
unterstützen.
Die CODE_n SPACES in Stuttgart bieten Start-ups zu geringen Miet-Nebenkosten eine profes-sionelle Arbeitsumgebung 2.0 inmitten kreativer Räumlich-keiten und den Zugang zu einem lebendigen Netzwerk. Jedes be-reits gegründete Unternehmen kann sich bewerben – die einzige Voraussetzung ist ein digitaler Geschäftsansatz.www.code-n.org/spaces.html
4 5 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Dafür sorgen, dass die Kunden der Commerzbank
und die Bank selbst frühzeitig von technischen
Neuerungen im Bankgeschäft profitieren – vor
diesem Hintergrund begleitet der main incubator
vielversprechende FinTechs bis zum Markteintritt
und darüber hinaus. Zusätzlich hat der Inkubator
für die Entwicklung der FinTech-Szene die Event -
reihe „Between the Towers“ ins Leben gerufen.
TRENDSErkennen SetzenPartizipieren
Between the Towers.FinTechCity_Frankfurt ist eine im Oktober 2014 gestartete Initiative zur Stär-kung des FinTech-Ökosystems. In einer monatlichen Ver-anstaltungsreihe werden in der Bankenstadt Frankfurt am jeweils ersten Dienstagabend im Monat FinTechs, Inves toren, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik vernetzt, erstklassig informiert und die Szene damit entwickelt:
k k Dafür sorgen, dass die Kunden der Commerzbank
TRENDSDie Main Incubator GmbH, kurz main incubator, ist eine hun-
dertprozentige Tochtergesellschaft der Commerzbank mit Sitz
in Frankfurt am Main. Seit der Gründung im Oktober 2013 und
der Aufnahme des operativen Geschäfts im März 2014 ver-
folgt das Unternehmen drei Ziele: Trends erkennen, an Trends
partizipieren und Trends gestalten. „Das Team ist klein und
agiert wie ein Start-up, sehr hemdsärmelig und vor allem kos-
tenbewusst“, erklärt Christian Hoppe, Founder Director und
Geschäftsführer des main incubators.
Bei seinem operativen Start war der main incubator in Konti-
nentaleuropa der erste Inkubator einer Großbank für FinTech-
Start-ups. „Das Investment Committee, das über das finan zielle
Engagement entscheidet, ist überwiegend extern besetzt.
Diese Besetzung ist äußerst selten, denn sie garantiert, dass
das Produkt und das Team ins Zentrum der Entscheidung
rücken“, betont Hoppe. Hat ein FinTech eine passende Lösung
zu bieten, fungiert der main incubator über strategische Invest-
ments als Wegbegleiter bis zur Markteinführung und darüber
hinaus. Dabei strebt der main incubator keine Mehrheiten und
keine Exklusivität an. „Wir wollen nicht, dass bei den FinTechs
eine Umwandlung von Unternehmern zu Angestellten stattfin-
det, das könnte ihr Potenzial gefährden“, so Hoppe. Zusätzlich
ist der main incubator als Company Builder tätig.
STRATEGISCHE INVESTMENTS BIETEN UNTERSTÜTZUNG
Der Vorteil des main incubators besteht darin, dass er früh zeitig
digitale Innovationen im Bankgeschäft in die Commerzbank
und zu deren Kunden bringen kann. Dafür prüft das Unter-
nehmen Start-ups ab einer Konzeptphase daraufhin, ob deren
innovative Banking-Produkte und Lösungen einen Mehrwert
für die Commerzbank-Kunden oder die Bank selbst bieten.
1.DIENSTAG IM MONAT
www.between-the-towers.com
„Wir haben dabei schwerpunktmäßig Lösungen für den
B2B-Bereich im Blick“, sagt Hoppe. „Hat ein FinTech eine ge-
eignete Lösung im Angebot, gehen wir mit diesem eine länger-
fristige Partnerschaft über ein strategisches Investment ein.“
Davon profitieren die FinTechs in mehrfacher Hinsicht. Denn
der main incubator bietet ihnen Kapital mit Hebelwirkung: Zu-
gang zu den Geschäfts- und Firmenkunden der Commerzbank,
Beteiligungskapital, Know-how im Bankgeschäft und – wenn
gewünscht – auch Büro- und Infrastruktur im Gebäude des
Inkubators. „Diese Nähe hat den Vorteil, dass sich Start-ups
mit uns sofort austauschen oder an Experten vermittelt wer-
den können. Auf diese Weise lassen sich Probleme schneller
lösen“, ist Hoppe überzeugt. Damit wird die Time-to-Market für
die FinTechs verkürzt. Die Konditionen der Beteiligung und der
gemeinsamen Zusammenarbeit werden mit den Start-ups indi-
viduell festgelegt.
Seit seinem Start hat der main incubator bereits rund 340 Fin-
Techs gesichtet und mittlerweile vier strategische Investments
getätigt. Dazu gehört Traxpay, ein Payments-Service-Provider,
der es Unternehmen ermöglichen soll, jederzeit und global
auf alle synchron gehaltenen transaktionsbezogenen Daten
zuzugreifen. So lassen sich zum Beispiel an Überweisungen
weitere Informationen wie Dokumente anhängen und mit dem
Rechnungswesen verknüpfen. Zu den FinTechs, die der main
incubator unterstützt, gehört auch Gini, ein junges B2B-Soft-
ware-Start-up, das Unternehmen eine semantische Dokumen-
tenanalyse anbietet. Selbst unstrukturierte Dokumente wie
Scans oder Fotos von Rechnungen, Belegen oder Verträgen
können in Echtzeit analysiert und darin enthaltene Daten extra-
hiert werden. Gini ist mit seiner innovativen Lösung aktuell be-
reits ein Leitunternehmen in diesem Gebiet. Im Februar 2016
wurde es etwa zum „FinTech des Jahres 2015“ gewählt.
Weitere strategische Partnerschaften bestehen mit OptioPay
und ByeBuy. OptioPay bietet eine neuartige Auszahlungsplatt-
form, über die es zum Beispiel Zahlungen von Unternehmen
an deren Kunden oder Mitarbeiter abwickelt und den Wert, die
Flexibilität sowie die Transparenz von Auszahlungen erhöht,
indem es höherwertige Gutscheine zahlreicher bekannter Ein-
zelhändler und Dienstleister als Auszahlungsoption anbietet.
ByeBuy bietet Privat- und Firmenkunden ein neues Finanzie-
rungsmodell für Technikprodukte. Es orientiert sich in erster
Linie an den Bedürf-
nissen seiner Kunden
und ist somit flexibler
als das klassische Lea-
sing oder Kaufen von
Produkten. Zu einem
monatlich festgesetzten
Betrag ohne Mindest-
vertragslaufzeit und Vor-
auszahlungen können
Unternehmen je nach
Projektbedarf ihre Mitarbeiter mit
iPhones, Kameras oder Tablets ausstatten.
REGELMÄSSIGER AUSTAUSCH BENÖTIGT
Die Erfahrung des main incubators zeigt, dass Hilfestellung in
Form von Kapital und strategischer Unterstützung zwar wichtig
ist, dass FinTechs aber auch eine Plattform für das regel mäßige
Networking und den Austausch über aktuelle Themen be nötigen.
„Wir haben sehr genau geschaut, welche Player es für ein ak-
tives FinTech-Ökosystem braucht – FinTechs, Banken, IT, Wirt-
schaft, Wissenschaft, Politik, Medien – und dann ‚Between the
Towers. FinTechCity_Frankfurt‘ ins Leben ge rufen“, erläutert Dr.
Solveig Köbernick, Marketing Managerin des Inkubators. „Über
den monatlichen, inhaltlichen Austausch zwischen diesen Play-
ern wird der Nährboden für ein aus sich heraus wachsendes Fin-
Tech-Ökosystem geschaffen. Diese Form des engen und regel-
mäßigen Networkings gab es bisher nicht.“ Dabei habe man
bewusst Frankfurt als Standort gewählt, ergänzt Hoppe, denn die
Finanzmetropole vereine Know-how in Wirtschaft, Banking, IT und
Wissenschaft mit potenziellen Kapitalgebern und der Nähe zu
Presse, Politik und Regulierungsinstanzen. „Das sind ausgezeich-
nete Bedingungen, damit sich Frankfurt zum kontinentaleuropäi-
schen Zentrum für die innovative Start-up-Szene im Finanzdienst-
leistungsbereich und damit für das Banking 2.0 entwickelt“, fasst
Hoppe zusammen.
Der Erfolg von „Between the Towers“ ist dafür eine schöne
Bestätigung: Seit dem Start der Veranstaltungsreihe im Okto-
ber 2014 wurden 18 Events organisiert – mit wachsender
Besucherzahl und inzwischen insgesamt 2.300 Teilnehmern.
Seit Oktober 2015 ist die Veranstaltungsreihe sogar in der
D-A-CH-Region auf Tour und hat bereits in München und Berlin
stattgefunden. Weitere Events sollen folgen.
Inkubatorist ein Begriff, der ursprünglich
aus der Medizin kommt: ein
Brutkasten für Frühgeborene,
der für ihr Heran wachsen ein
optimales Klima schafft. Da-
mit Start-ups erfolgreich in
das Geschäftsleben starten,
stellen Inkubatoren eine Um-
gebung mit optimalen Bedin-
gungen bereit.
4 7 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
ca. 390 FinTech-Start-ups
in der DACH-Region
ca. 270 FinTech-
Start-ups in Deutschland
über 500 vom FinTech Forum
gescreente Start-ups
160 Start-ups „On-stage“
über 15
teilnehmende Länder
über 8.000 Newsletter-Empfänger
http://www.fintechforum.de/about-us/
VON PANKHURI SRIVASTAVA
Rückblende 2012. In den Türmen der Banken und Finanzdienst-
leister in Frankfurt ist man intensiv damit beschäftigt, die Auswir-
kungen der unterschiedlichen weltweiten Krisen aufzuarbeiten:
Finanzmarktkrise, Eurokrise und so weiter. Zeit, an das Banking von
morgen zu denken, bleibt in den Top-Etagen der Hoch häuser kaum.
Social Media als Schlagwort greift zwar um sich, ist aber über-
wiegend bei der jüngeren Generation en vogue, die Smartphones
früher verwendet als die meisten Manager. In Banken herrscht über-
wiegend noch der gute alte Blackberry vor, der ohne Touchscreen
und Apps am besten funktioniert.
Der Begriff FinTech ist zu diesem Zeitpunkt in den Banken
gänzlich unbekannt. Samarth Shekhar, Co-Gründer des FinTech
Forums, erinnert sich: „Auf die ersten FinTech-Firmen stieß ich
noch während meiner Unternehmenskarriere und half ihnen hier
und da in meiner Freizeit mit meinem Netzwerk in die Bankenwelt
aus. Die Start-ups waren glücklich, und ich war von diesem neuen
Gebiet fasziniert. Kurz darauf gründete ich meine eigene Firma,
TechFluence.“ Shekhar intensiviert die Recherchen und stellt bald
fest, dass es über die Bundesrepublik verstreut sehr viele Start-ups
gibt, die an innovativen Geschäftsmodellen für den Finanzsektor
arbeiten, zum Beispiel die Fidor Bank in München, Smava in Berlin
oder 360T in Frankfurt.
4 8 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
// DIE ERSTE STUDIE ZU FINTECH ENTSTEHT
Im Jahr 2013 publiziert TechFluence die erste Studie zu Fin-
Venture-Capital-Gesellschaften und Investoren. Gemein sam
mit Frank Schwab gründet Shekhar die Initiative „FinTech
Forum DACH“, die aus praktischen Erwägungen im Air-
dem deutschsprachigen Raum, also Deutschland, Öster reich
und der Schweiz, beschränkt. Auslöser waren die von den
Start-ups immer wieder genannten Schwierig keiten beim
Abschluss von Finanzierungsrunden. Ähnlich wie Fin-
Tech-Start-ups sind Wagniskapitalgeber und Investoren in
Deutschland überregional verteilt, sodass das FinTech Fo-
rum als FinTech-Hub die Brücke zwischen beiden Welten
bildet und das Event selbst die Plattform für Begegnungen.
Das Konzept der Veranstaltung war und ist so einfach wie
überzeugend. 20 FinTech-Start-ups mit Finanzierungsbedarf
werden vom FinTech Forum ausgewählt, sich im Rahmen
von Sieben-Minuten-Präsentationen vorzustellen. Damit
diese Pitches bestmöglich gelingen können, erhalten die
ausgewählten Start-ups das Angebot, die Präsentation mit
einem vom FinTech Forum gestellten Mentor zu besprechen
und eventuell zu proben. Die Mentoren sind Mitglieder des
FinTech Forum-Teams oder stammen aus dem Netzwerk,
je nachdem, welche Bedürfnisse das jeweilige Start-up hat.
Gespräche zum Geschäftsmodell oder weiteren Themen. Für
die ehrenamtlich agierenden Mentoren ist dies eine gute Ge-
legenheit, interessante Start-ups und deren Gründer intensiv
kennenzulernen.
Investoren bietet dieses bisher in Deutschland einzigartige
eventbezogene Mentoring eine zusätzliche Sicherheit, quali-
tativ hochwertige FinTech-Pitches zu erleben. Seit 2013 haben
über 160 Start-ups auf dem FinTech Forum präsentiert, mehr
als 500 wurden dafür gescreent.
// DIE NACHFRAGE STEIGT
Nach den ersten beiden Veranstaltungen war schnell klar,
dass sich das FinTech Forum thematisch nicht auf den
DACH-Raum beschränken lässt, da sowohl von Seiten der
Investoren als auch der Start-ups die Nachfrage aus Europa
immer größer wurde. Dementsprechend wurde der Fokus
ausgeweitet und auf kontinentaleuropäische Start-ups ge-
des heutigen FinTech Forums gestrichen. Die Mission ist al-
lerdings gleich geblieben: Das FinTech Forum will Finanz-
deshalb Marktteilnehmer in diesem Bereich dabei, zukunfts-
fähige Finanzdienstleistungen zu entwickeln, indem das
FinTech Forum für diesen Bereich relevante, aussichtsrei-
der Finanzindustrie, Investoren, Mentoren und Meinungs-
machern zusammenbringt.
Nach insgesamt acht Ausgaben des FinTech Forums in
Frankfurt, Wien und London sowie mehr als 160 Start-ups
„on stage“ war das Feedback sowohl von Seiten der Investo-
ren als auch der Start-ups sehr gut. Durch die Arbeit des Fin-
Tech Forums sind viele neue relevante Kontakte entstanden,
konnten Geschäftsmodelle präzisiert und Finanzierungsrun-
den abgeschlossen werden.
Das FinTech Forum bietet insbesondere Unternehmen in
einem frühen Stadium eine sehr gute Möglichkeit, sich in
die Szene zu vernetzen, wertvolle Kontakte aufzubauen und
für die laufende oder anstehende Finanzierungsrunde ge--
Tech Forum kein „closed shop“, sondern die Anwesenheit
von Journalisten und Bloggern stellt Publizität her. „Neben
den wertvollen Investorenkontakten kommt es beim FinTech
Forum auch immer wieder zu Erstbegegnungen von direkten
Wettbewerbern unter den Start-ups. Im Wettbewerb stehen-
de Gründer gehen ganz anders miteinander um als konkur-
rierende Banken miteinander“, sagt Michael Mellinghoff,
der als Start-up-Vertreter, als Mentor und Senior Advisor
für das FinTech Forum und heute zusätzlich als Manager für
TechFluence das FinTech Forum mitgestaltet und damit alle
Facetten der Veranstaltung kennt.
Das Wall Street Journal/Financial News hat das Potenzial des
FinTech Forums frühzeitig erkannt und Shekhar bereits im
Jahr 2014 in die Liste der „40 Innovators Shaping the Future
of Finance“ aufgenommen. Das FinTech Forum-Team ist
regelmäßig in Jurys, auf Konferenzen und in der Presse ver-
treten und hat namhafte Sponsoren.
// WAS EIN FINTECH-START-UP BRAUCHT
Die Erfahrung des FinTech Forums zeigt, dass sich die Be-
dürfnisse der Start-ups über die einzelnen FinTech-Segmen-
te hinweg ähneln. Neben den klassischen Start-up-Themen
Finanzierung und Teambuilding kommt im FinTech-Bereich
sehr frühzeitig die Herausforderung der Regulierung hinzu.
muss sie teuer eingekauft oder durch das Netzwerk erwor-
ben werden. Ersteres erhöht den Kapitalbedarf insbesondere
in der Frühphase, letzteres belastet das knappste Gut eines
guten Start-ups: Zeit. Vor diesem Hintergrund ist die Stand-
ortwahl für ein FinTech-Unternehmen von besonderer Be-
deutung, insbesondere wenn das Geschäftsmodell auf Inter-
nationalisierung ausgelegt ist. Da Frankfurt in diesem Punkt
viele Vorteile bietet, ist dies einer der wesentlichen Gründe
dafür, dass Frankfurt die Heimatstadt des FinTech Forum ist.
Pankhuri Srivastava
arbeitet im Research Management
bei TechFluence.
4 9 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER PRAXIS
Wie lässt sich ein FinTech finanzieren?
Wer ein FinTech gründet, für den stellt sich schnell die Frage nach der Finanzierung. Je nach Entwick-lungsphase des Unternehmens bestehen hierfür verschiedene Möglichkeiten.
In den wenigsten Fällen verfügen Gründer über aus-
reichend Eigenkapital, um ohne fremdes Geld zu-
rechtzukommen. Besteht jedoch die Möglichkeit
des Bootstrapping, wie die eigenständig finanzierte
Firmen gründung ohne Fremdkapital bezeichnet wird,
bietet sie Vor- und Nachteile. Zu den Stärken zählt die
Motivation. Steckt viel eigenes Geld im Unternehmen,
möchte der Gründer beste Ergebnisse erzielen und
stolz darauf sein, den Durchbruch aus eigener Kraft
geschafft zu haben. Außerdem ist so die größtmög-
liche Entscheidungsfreiheit für den Unternehmer ge-
währleistet, denn die Anteile des Unternehmens ver-
bleiben bei ihm und gehen nicht in den Besitz von
Investoren über. Gleichzeitig birgt die unternehme-
rische Freiheit Risiken, denn Gründer sind beim Boot-
strapping oft auf sich selbst gestellt und arbeiten ohne
das Know-how von anderen.
Von Förderprogrammen profitieren
Wird für die Unternehmensgründung Fremdkapital be-
nötigt, bestehen zahlreiche Fördermöglichkeiten. Da-
bei müssen oft Fristen beachtet werden, weshalb man
sich bereits vor der Gründung über die entsprechen-
den Angebote informieren sollte. Viele staatlich ge-
förderte Programme basieren auf Darlehen zu günsti-
gen Konditionen. Etwas seltener sind Fördergelder, die
nicht zurückgezahlt werden müssen. Wichtige Förder-
programme auf einen Blick bietet das Bundesminis-
terium für Wirtschaft und Energie. Wer Fördermög-
lichkeiten für Existenzgründer in Anspruch nehmen
möchte, kann etwa vom Startgeld für Gründungsvor-
haben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) profi-
tieren. Der Bund, die Länder, Kommunen und die Eu-
ropäische Union bieten ebenfalls Fördermöglichkeiten
oder Bürgschaften für Darlehen an. Eine kostenlose
Beratung für Gründer über die verschiedenen Förder-
programme bietet beispielsweise die Wirtschafts- und
Infrastrukturbank Hessen.
Auch der Kredit bei der Hausbank zählt zu den Me-
thoden, das nötige Kapital für die Unternehmensgrün-
dung zu beschaffen. Dafür ist ein umfassender Bu-
sinessplan erforderlich. Sofern die Gründungsidee
gut ausgearbeitet und erfolgversprechend ist, be-
stehen für die Bewilligung eines Kredites gute Chan-
cen. Grundsätzlich wird die Hausbank jedoch auf
private Sicherheiten und eine entsprechende Boni-
tät bestehen.
Je nach Entwicklungsphase des Unternehmens ist
der Kapitalbedarf unterschiedlich hoch. Entspre-
chend gibt es unterschiedliche Finanzierungsrunden,
bei denen sich der Gründer von interessierten Kapital-
gebern unterstützen lassen kann. Die erste Finanzie-
rungsrunde für das Unternehmen umfasst in der Regel
100.000 bis 1 Million Euro und wird als Seed-Finanzie-
rung bezeichnet. Diese wird oft von Business Angels
oder ähnlichen Unterstützern getätigt (siehe Interview
Seite 52). Sie stehen Gründern nicht nur mit Kapital,
sondern auch mit ihrem Know-how zur Seite. Die jun-
gen Unternehmer können am Erfahrungsschatz der
Business Angels teilhaben und deren Netzwerke und
Kontakte nutzen, was sich oft in der frühen Gründer-
phase als deutlich wertvoller erweisen kann als das
Kapital selbst.
Die Finanzierung über Crowdfunding erfreut sich einer
immer größer werdenden Beliebtheit. Crowdfunding
oder Schwarmfinanzierung bedeutet, dass die finan-
zielle Last auf sehr viele Schultern verteilt wird. In aller
Regel bestehen die Investoren aus Internetnutzern, da
zum Crowdfunding meist im Internet aufgerufen wird.
Dabei wird zwischen mehreren Arten unterschieden.
Das klassische Crowdfunding ist insbesondere in der
Kreativwirtschaft verbreitet. Geldgeber erhalten für
ihre finanzielle Unterstützung ein Dankeschön, das je
nach Höhe der vergebenen Summe umfangreicher
ausfällt. Dies kann alles möglich sein, von einer klei-
nen Dankeschön-Karte bis hin zu einer Version des
fertigen Produkts.
Beim Crowdinvesting werden die Geldgeber dagegen
zu Investoren und erhalten einen Anteil am Unterneh-
men oder eine Gewinnbeteiligung. Ziel der Investoren
ist in der Regel ein späterer Exit. Dagegen bieten Geld-
geber beim Crowdlending einen Kredit mit einem fes-
ten Zinssatz und einer festen Laufzeit an. Für Unter-
nehmer besteht hier der große Vorteil vor allem darin,
dass keine Banken für eine Kreditvergabe überzeugt
werden müssen.
5 0 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & FINANZIERUNG
Überblick über Förderprogramme: http://bit.ly/1oThv6l
Aktive Unterstützung und Kapitalbedarf in der Gründungsphase
In puncto Geschäftsidee beraten lassen
Es ist auch möglich, sich von einem Inkubator oder einem Accele-
rator unter die Arme greifen zu lassen. Ein Inkubator unterstützt ein
Start-up mit Venture Capital und stellt oft eine Büroinfrastruktur zur
Verfügung. Außerdem beraten Inkubatoren bei der Entwicklung der
Geschäftsidee. Accelerator-Programme dagegen finden sich meist
an Universitäten, bei Venture-Capital-Gesellschaften oder in der In-
dustrie. Dabei erhält der junge Unternehmer gezielte Förderung so-
wie Unterstützung von einem Mentor. Im Gegenzug übernimmt der
Accelerator in der Regel Anteile am Start-up.
Weitere Finanzierungen werden meist von professionellen Ven-
ture-Capital-Gebern getragen, und nennen sich Serie-Finanzierun-
gen. Dabei statten Investoren Gründer je nach Entwicklungsphase
ihres Produkts oder ihrer Dienstleistung mit entsprechendem Kapital
aus. Die Serie-A-Finanzierung umfasst etwa zwischen 500.000 und
3 Millionen Euro. Häufig werden die Investoren neben dem Erwerb
von Firmenanteilen auch beratend tätig. So wird der finanzielle Spiel-
raum des Unternehmens sukzessive ausgeweitet. Im Gegenzug tra-
gen die Gründer auch Verantwortung für die Kapitalgeber, die über
den Entwicklungsstand stets informiert sein möchten. In der Regel
steigen Venture-Capital-Geber erst in späteren Entwicklungsphasen
ein, wenn das Risiko gesunken ist.
Günstigere Bedingungen für Investoren schaffen
Viel diskutiert wird aktuell die Möglichkeit, günstigere Bedingungen
für Investoren zu schaffen, die Geld für Start-ups aufwenden. Dabei
sollen sich vor allem die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedin-
gungen für Venture-Capital-Geber verbessern.
Befindet sich das Unternehmen in einer steilen Wachstumsphase mit
breiter Marktakzeptanz und sprunghaftem Anstieg der Nachfrage, ist
ein Börsengang oder Exit möglich. Ein Börsengang ist eine Möglich-
keit, dem Unternehmen durch Ausgabe von Aktien neue finanzielle
Mittel zuzuführen und damit weiteres Wachstum zu finanzieren. Ein
Exit bedeutet, dass die Investoren oder ursprünglichen Gründer bei
einer guten Bewertung des Unternehmens ihre Unternehmensanteile
mit dem höchstmöglichen Gewinn verkaufen. Mit dem Verkauf stei-
gen sie als Gesellschafter aus dem Unternehmen aus.
aktiv
e U
nter
stüt
zung
Gründung Seed
ASerie Serie
B
Unterstützungsbedarf Kapitalbedarf
10.000 – 200.000 EUR
100.000 – 1 Mio. EUR
500.000 – 3 Mio. EUR
Über 3 Mio. EUR
Zeit
5 1 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & FINANZIERUNG
Herr Lukic, kann jeder ein Business Angel werden?
Andreas Lukic: Jede Privatperson kann Business Angel werden, die
einige Zehntausend bis einige Hunderttausend Euro aufwärts in junge
Unternehmen investieren kann und möchte. Außerdem sollte diese Per-
son idealerweise auch Zeit, relevantes Wissen und Kontakte haben,
um junge Gründer zu unterstützen. Das kann jemand sein, der sich mit
Finanzierung und Gründung bereits auskennt, aber auch ein wohlha-
bender Mensch, den wir bei der Durchführung beraten.
Warum sollte man Start-ups mit privatem Kapital unterstüt-
zen?
Lukic: Eine Investition in Start-ups kann eine gute Alternative zu Aktien
und Anleihen sein. Außerdem ist es eine Anlageform mit langer Tra-
dition in Deutschland. Bereits Johannes Gutenberg hatte jemanden,
der seine Druckerpresse privat und unternehmerisch finanziert hat.
Auch Siemens oder Zeppelin und genau genommen etwa 90 Pro-
zent der deutschen Industrie waren bis zum Zweiten Weltkrieg der-
art privat gründerfinanziert. Leider haben wir diese Kultur in Deutsch-
land seitdem verlernt.
Aber es gibt doch auch andere Finanzierungsmöglichkeiten für
junge Unternehmen …
Lukic: Für einen jungen Unternehmer, der nicht gerade Immobilien ge-
erbt hat oder besitzt, kommt der typische Bankkredit nicht in Frage,
weil die Sicherheiten fehlen. Über die Börse oder den Anleihenmarkt
funktioniert die Finanzierung in dieser Größenordnung auch nicht. Das
Gleiche gilt für Venture Capital, denn hier bewegen wir uns heutzu-
tage schon bei Volumina von zwei bis fünf Millionen Euro aufwärts.
Dafür müsste man als Unternehmer bereits eine hohe Bewertung ha-
ben. Was bleibt, ist Eigenkapital, und das ist nach relativ kurzer Zeit
schon aufgebraucht. Deswegen sind private Kapitalgeber, also Bu-
siness Angels, so wichtig.
Wie lässt sich das Business-Angel-Modell fördern?
Lukic: Wir haben ein Missverhältnis zwischen privaten Investiti-
onen und spannenden, skalierbaren und nach Jahren des Aufbaus
Neben Know-how und Kontakten ist das Kapital der wichtigste Faktor bei der Gründung eines FinTech- Unter nehmens. Private Investoren spielen dabei eine wichtige Rolle. Über diese sogenannten Business Angels hat die FMF-Redaktion mit Andreas Lukic, Vorstandsvorsitzender von Business Angels Frankfurt Rhein-Main e.V., gesprochen.
„Bereits Johannes Gutenberg hatte jemanden,der seine Druckerpresse privat und unternehmerisch finanziert hat.“
Spannende Gründungsideen
+ private Investoren
auch exitfähigen Gründungsideen. Das
könnte man beheben, indem man die
Business-Angels-Idee bekannter macht
und die Menschen an das Modell her-
anführt. Wir erklären Interessierten zum
Beispiel, was ein Beteiligungsvertrag ist
und wie man eigene Interessen wahren
kann. Und natürlich muss man eine Platt-
form schaffen, wo sich Gründer und In-
vestoren kennenlernen und schauen, ob
die Chemie passt. Deshalb organisie-
ren wir regelmäßige FinTech-Business-
Angel-Zusammenkünfte am Finanzplatz
Frankfurt, aber auch in anderen Bran-
chen. Aktuell arbeiten wir daneben an
einem Gründerhaus.
Nach welchen Kriterien wählen Sie
interessierte Privatinvestoren aus?
Lukic: Um als Privatinvestor bei uns Mit-
glied zu werden, bewirbt man sich, dann
folgen mehrere persönliche Gespräche
und Veranstaltungsteilnahmen. Unser
Ziel ist, Business Angels zu bekommen,
die das nicht nur aus Gründen des Mar-
ketings oder der Steuervergünstigung
tun, sondern aus echtem Interesse. Sie
müssen auch einen Kodex unterschrei-
ben. Dieser Filter funktioniert.
Und die potenziellen Gründer?
Lukic: Wir sind inzwischen als Bu-
siness-Angel-Netzwerk bekannt und
die potenziellen Gründer kommen auf
uns zu. Im Jahr 2015 hatten wir rund
950 Bewerbungen, für 2016 erwarten
wir sogar noch mehr. Auf unserer Web-
seite gibt es ein Formular, das uns aus-
gefüllt zugeschickt werden muss. Au-
ßerdem veranstalten wir zum Beispiel
Sprechtage an Universitäten und halten
Vorträge an Hochschulen, Forschungs-
und Gründerzentren. Unser Auswahl-
komitee macht dann ein gründliches
Screening, bevor wir Gründer und Inve-
storen zusammenbringen.
Wie geht es dann weiter?
Lukic: Circa 10 Prozent der Unterneh-
men, die in unserer Matching-Veran-
staltung präsentieren, beziehungsweise
etwa 1 Prozent der Bewerber insgesamt
finden bei uns einen Investor. Das mag
sich zunächst nach wenig anhören, ist
jedoch eine durchaus übliche Quote. Aber auch ohne
Beteiligung bringt eine Präsentation oft wertvolle Kon-
takte oder Tipps. Wir holen auch immer das Feedback
der Anwesenden zur Überzeugungskraft der vorgestell-
ten Konzepte, zur Qualität der Präsentation und zum
persönlichen Auftreten ein. Das leiten wir dann an die
Unternehmen weiter, zusammen mit Fragen der Inve-
storen, die direkt nach der Präsentation gestellt wur-
den. Wir halten das als Standortbestimmung für junge
Unter nehmen für immens wertvoll.
Was muss passieren, damit erfolgreiche FinTechs
im Rhein-Main-Gebiet bleiben und später nicht
ins Ausland abwandern?
Lukic: Neben Zugang zu Kapital und einer angemes-
senen Regulierung benötigt man einen zentralen Ort
in Frankfurt, wo die Fäden und Kontakte zusammen-
laufen. Dort allerdings braucht man zum Beispiel auch
passenden Wohn- und Arbeitsraum. In den USA oder
in London ist das aktuell viel besser gelöst. Tatsäch-
lich wollen die Gründer aber meist da bleiben, wo sie
geboren sind oder wo sie zur Hochschule gegangen
sind. Wenn wir jetzt zügig reagieren, können wir eine
weitere Abwanderung verhindern und eventuell sogar
umkehren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Business Angels sind Menschen, die Gründer-
teams oder Wachstumsunternehmen Kapital,
Know-how und Kontakte gegen eine Beteiligung
am Unternehmenserfolg zur Verfügung stellen.
In der Regel investiert ein Business Angel über-
schaubare Beträge in innovative Unternehmen,
wenn ihn das Konzept interessiert und das Team
überzeugt.
Business Angels Frankfurt Rhein-Main e.V.
verfügt über ein Netzwerk von über 100 Mitgliedern.
Das Ziel ist, Business Angels im Rhein-Main-
Gebiet zu aktivieren, zu unterstützen und mit
spannenden Unternehmen zusammenzubringen.
http://bit.ly/23YSQwX
Ein Exit ist der Ausstieg von Investoren und / oder
den Gründern aus dem Unternehmen mit möglichst
hohem Gewinn.
5 3 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH & FINANZIERUNG
Mit FinTech ist im Finanzsektor gerade eine Art „industrielle Revolution“ in Gang.
Prof. Dr. Christoph Schalast
Am Finanzplatz Frankfurt sind jetzt mehr Kooperation, mehr Interaktion und mehr Vertiefung gefordert.
Prof. Dr. Wolfgang König
Wir brauchen eine Kultur des akzeptierten Scheiterns, in der wir mehr wagen und aus-probieren. Auch wenn es einmal schiefgeht.
Prof. Dr. Lutz Johanning
Wenn wir die politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kompetenzen in der Rhein-Main-Region bündeln, können wir zu einem Top-Standort für FinTechs in Europa werden.
Prof. Dr. Peter Buxmann
WISSENSCHAFT Wie
die Entwicklung der FinTech-Unternehmen unterstützt
Ihre Universitäten stehen für neue Technologien, Finanzwissen, Management und Entrepreneurship. Warum ist FinTech für die Wissenschaft interessant?
Christoph Schalast: Bislang hat die intensive Regulierung in
Deutschland oft wie ein Schutzschild gegen neue Technolo-
gien gewirkt, doch das wandelt sich gerade. FinTech wird die
Bankenlandschaft in den kommenden Jahren fundamental
verändern, denn die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Aus
akademischer und praktischer Sicht ist das sehr spannend.
Noch ist die Regulierungsintensität in Deutschland aber eine große Herausforderung für FinTech-Unternehmen. Können Universitäten ihre Studenten darauf vorbereiten?
Peter Buxmann: Unsere Studenten haben Lust auf innovative
Technologie, gute Ideen und die Entwicklung neuer Geschäfts-
modelle. Mit regulatorischen Fragestellungen beschäftigen sie
sich nach meinen Erfahrungen weniger intensiv.
Ist FinTech-Start-up-Unterstützung mit Blick auf Regulierung sinnvoll und realisierbar?
Wolfgang König: An der Goethe-Universität gibt es dafür spezi-
fische Lehrveranstaltungen und Treffen, auch mit internationalen
Teilnehmern. Aber Regulierung ist ein schwieriges Thema.
Lutz Johanning: Es ist eine große Herausforderung, regu-
latorische Anforderungen technologisch effizient umzuset-
zen. Effi ziente Prozesse sind aber notwendig, damit die
Kostenlast für die Finanzunternehmen nicht zu hoch wird.
Dabei kann die Wissenschaft unterstützen, weil sie alter-
native, effi zient umsetzbare regulatorische Anforderungen
vorschlagen kann. Die Veränderungen an sich müssen aber
insbesondere sehr stark aus der Branche heraus vorange-
trieben werden.
FinTech-Unternehmen können helfen, Prozesse schlanker zu ge-stalten. Mit disruptiven Ideen stehen Sie aber auch im Wettbe-werb zu den Banken …
Schalast: Einen destruktiven Wettbewerb sehe ich nicht, denn
die Banken müssen sich modernisieren und die neuen Tech-
nologien aufnehmen und integrieren. Das passiert bereits am
Finanzplatz Frankfurt. Man muss nur aufpassen, dass die
guten Ideen sich auch weiterentwickeln können und nicht zu
früh weggekauft werden.
Buxmann: Einen gewissen Wettbewerb sehe ich schon. Aber
vielleicht tut er den traditionellen Banken auch gut. Ich habe
in einer Vielzahl von Gesprächen erfahren, dass sie sich viele
Gedanken darüber machen, wie sie innovativer werden kön-
nen und wie sie – beispielsweise auf der Basis von Daten –
neue Geschäftsmodelle entwickeln können. Es wird auf jeden
Fall spannend, wie sich Banken und FinTechs zukünftig auf-
stellen und zusammenarbeiten werden.
Schalast: Aus rechtlicher Sicht gibt es beim Thema Cloud
natür lich einige Punkte zu beachten – zum Beispiel Geheim-
haltungspflichten, insbesondere das Bankgeheimnis. Aber
dafür könnte man Lösungen finden. In den USA und Groß-
britannien bestehen diese juristischen Schranken auch, werden
dort aber weniger als Problem empfunden.
Mehr dazu unter www.frankfurt-main-finance.com/fintec_science
Um Finanztechnologie erfolgreich auf den Markt zu bringen, erfordert es Know-how
in vielen Bereichen. Dabei kann die Wissenschaft der Wirtschaft unter die Arme
greifen, wie die Professoren Peter Buxmann, Lutz Johanning, Wolfgang König und
Christoph Schalast im Round-Table-Gespräch mit der FMF- Redaktion aufzeigen.
5 5 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER WISSENSCHAFT
Sind die Behörden im Ausland weniger streng?
Johanning: In London oder Luxemburg ist man nicht weniger
streng, aber die Verantwortlichen der Aufsichtsbehörden
verstehen sich auch als Dienstleister der Industrie. Die
Folge kann sein, dass viele Unternehmen zum Beispiel nach
Luxemburg abwandern. Dort herrscht zudem eine offenere
Think-Tank-Mentalität. Die Aufsichtsbehörden versuchen sehr
viel stärker, zusammen mit den
Unternehmen vorauszudenken.
Im Vergleich dazu halten wir uns
hier in Deutschland noch sehr
zurück.
König: Die Erfahrung zeigt, dass
sich Institutionen wie die Euro-
päische Zentralbank oder die
Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht sehr stark auf
ihren Strukturierungsauftrag kon-
zentrieren. Es wäre tatsächlich
eine Option, dass wir als Wissen-
schaftler zusammen mit diesen
Behörden sehr viel intensiver die
wettbewerbsrelevan ten Aspekte der Regulierung diskutieren.
Das betrifft sowohl die Start-ups als auch etablierte Marktteil-
nehmer. Denn die Banken schaffen die heute gegebene Regu-
lierungsdichte vielfach nicht mehr, das muss man sehen.
Johanning: Ein Austausch wäre hier sehr sinnvoll. Denn das
Ziel des Regulators ist grundsätzlich gut. Er fördert Standards
und Transparenz, damit der Markt funktioniert und ein gleich-
berechtigtes Miteinander von Anbietern und Nachfragern
möglich ist. Es kommt auf die Umsetzung der Regulierung und
die Aufsichtspraxis an.
Wie könnte das in der Umsetzung aussehen?
Johanning: Warum, um hier ein globales Beispiel anzuführen,
muss jede Bank eigenständig das Risiko ihrer Portfolien berech-
nen? Die Risikosteuerung ist ein Bankthema, aber die Berech-
nung könnte eine bankübergreifend standardisierbare Dienstleis-
tung sein. Auf diese Weise könnte man unglaubliche Effizienzen
heben und gleichzeitig der Regulierung entgegenkommen. Denn
damit wären die Risiken der Banken und Asset Manager viel ver-
gleichbarer. FinTech und Standardisierung können enorm helfen.
Wird FinTech die Finanzbranche revolutionieren?
Johanning: Mit dem Finanzsektor rückt die nächste Branche
in den Fokus von neuen Technologien. Die Frage ist, welche
Möglichkeiten bestehen, um Prozesse einfacher zu gestalten
und Innovation aufzubauen. Dabei kann die Wissenschaft un-
terstützen.
Sind dabei Kryptowährungen wie Bitcoin oder die Block-chain-Technologie von akademischer Relevanz?
König: Wir haben zwar inzwischen Kryptowährungen, aber die
Entwicklung ist nicht ganz so durchgängig positiv, wie das von
den Initiatoren vorgesehen war. Auch bei Blockchain bin ich –
Stand heute, aber wir müssen ja auch noch hinzulernen – eher
zurückhaltend. Ich glaube nicht, dass wir in absehbarer Zeit
die mit dieser Technologie verbundenen Kommunikationsan-
forderungen auch nur halbwegs bewältigen können. Denn es
ist einfach gigantisch, was als Kommunikationsleistung notwen-
dig wäre, um das System ordentlich zum Laufen zu bringen.
Was ist hier der nächste Entwicklungsschritt?
König: Der nächste Schritt werden nach klassischem Mus-
ter, aber stärker verteilt arbeitende Datenbanksysteme sein.
Blockchain scheint noch weit entfernt von einer tatsächlichen
praktischen Umsetzung in einem relevanten Anwendungsum-
feld zu sein.
Johanning: Auch ohne Blockchain bieten die neuen Technolo-
gien umfassende Möglichkeiten. Schauen wir uns nur die un-
endlich lange Prozesskette beim Kauf eines Wertpapierfonds
an. Hier können wir sehr viel schneller werden und eine höhere
Transparenz schaffen. Da stehen Änderungen bevor, die einen
Wandel der gesamten Branche mit sich bringen. Es werden
neue Standards eingeführt, und wenn die jungen Verbraucher
lernen, damit umzugehen, hat man schnell eine neue Infra-
struktur und Marktstruktur.
Schalast: In Korea zum Beispiel setzen schon rund 50 Pro-
zent der FinTechs auf Blockchain. Solche Technologien werfen
natür lich wieder regulatorische Fragen auf, und wir sind von
einer Umsetzung noch weit entfernt. Dennoch kann man dort
sehen, was es bedeutet, den Sprung in die Digitalisierung zu
vollziehen, und dass im Finanzsektor gerade eine Art „indus-
trielle Revolution“ in Gang ist.
Prof. Dr. Peter Buxmann
ist Inhaber des Lehrstuhls
für Wirtschaftsinformatik an
der Technischen Universität
Darmstadt. Zudem ist
er Leiter des Gründungs-
zentrums HIGHEST
(Home of Innovation, GrowtH,
EntrepreneurShip and
Technology Management).
5 6 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER WISSENSCHAFT
König: Deutschland verschließt sich der schnellen Digitalisie-
rung bislang in vielen Bereichen, nicht nur im Finanzsektor. Wir
als Hochschulen haben also auch die Aufgabe, deutlich zu
machen, welche Rolle die Digitalisierung in der internationalen
Wettbewerbssituation spielt.
Welche weiteren Möglichkeiten haben Hochschulen, um allge-mein den Know-how-Transfer von FinTechs in die Wirtschaft zu fördern?
Schalast: In der Frühphase der Start-ups ist Mentoring sehr
wichtig. Wir versuchen zum Beispiel, unseren Studenten beim
Thema Entrepreneurship unter die Arme zu greifen.
Buxmann: Wir haben an der TU Darmstadt das Gründungszen-
WHU – Otto Beisheim School of Management – Unternehmertum lernen und Gründer-Spirit erleben
Die WHU – Otto Beisheim School of Management bietet Studienangebote und regelmäßige Veranstaltungen zu den Themen
Gründung, Innovationsmanagement, Unternehmensfinanzierung, Bankmanagement und Kapital markt an. Auch die Forschung
an der WHU legt einen starken Fokus auf diese Bereiche.
An der WHU kann man Gründung und Unternehmertum nicht nur theoretisch exzellent lernen, sondern auch einen einzigartigen
Gründer-Spirit erleben. Denn viele WHU-Studenten gründen eigene Unternehmen oder arbeiten schon während des Studiums als
Praktikanten in Start-ups. Als WHU-Absolvent erhält man Zugang zu einem einzigartigen Ehe maligen-Netzwerk, das stark durch
eine Gründungs- und Unternehmermentalität geprägt ist.
www.whu.edu
Frankfurt School of Finance & Management – führend und international akkreditiert
Die Frankfurt School of Finance & Management ist eine führende, international akkreditierte Business School mit Sitz im Finanzzen-
trum Frankfurt am Main. Sämtliche Lehr-, Forschungs- und Beratungsangebote der Stiftungshochschule bewegen sich im Span-
nungsfeld von Finance & Management. Seit vielen Jahren setzen sich Professoren, Studierende und Alumni in Lehre, Forschung
und Beratung mit der Digitalisierung der Bank- und Finanzbranche und den damit verbundenen Innovationen auseinander. Auch
die ausgeprägte Managementkompetenz, insbesondere zu allen Themen rund um Corporate Finance, fließt mit ein. Gründer wer-
den an der Frankfurt School in allen Phasen unterstützt und begleitet: bei der Erstellung des Business Plans und des Finanzie-
rungskonzepts, bei der Unternehmensgründung und in der Phase der Wachstumsfinanzierung. All dies sind Kompetenzen, die
FinTechs besonders nachfragen und die für ihren Erfolg entscheidend sind.
www.frankfurt-school.de
trum HIGHEST aufgebaut. Da-
mit waren wir einer von 12 Ge-
winnern des deutschlandweiten
Wettbewerbs „Die Gründerhoch-
schule“ des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Energie. Eine
Aufgabe des Zentrums besteht
darin, gemeinsam mit den Fach-
bereichen Studierende dafür
zu sensibilisieren, dass es neben dem Berufsstart in einem
Unternehmen oder einer Doktorarbeit noch einen dritten Weg
gibt, nämlich die Unternehmensgründung. Daher wollen wir
zukünftig die Themen Gründung und Entrepreneurship als
Wahlmöglichkeit für alle Studiengänge anbieten.
Prof. Dr. Lutz Johanning
ist seit 2007 Inhaber des
Lehrstuhls für Empirische
Kapitalmarktforschung an der
WHU – Otto Beis heim School
of Management, Vallendar.
Er ist unter anderem Mitglied
im Advisory Board des Euro-
pean Finance Forums (EFF).
5 7 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER WISSENSCHAFT
Johanning: An der WHU ist die Gründungsquote bei den Absol-
venten schon sehr hoch. Die WHU ist eine Unternehmer-Hoch-
schule, und deshalb ist das bereits Teil unserer Kultur. Aber
das ist in Deutschland sicher eher eine Ausnahme. Deshalb
sind Dialogforen mit den handelnden Akteuren und spezielle,
auf den Aufbau von Netzwerken ausgerichtete Mentoring-Pro-
gramme wichtig. Darüber hinaus sollten wir versuchen, eine
Kultur des akzeptierten Scheiterns zu schaffen.
Weil Scheitern gleich negativ behaftet ist?
Johanning: Wir Deutschen sind in diesem Punkt sehr konser-
vativ. Wer scheitert, ist schnell stigmatisiert. Wir müssen mehr
wagen und ausprobieren, auch wenn das einmal schief geht.
Das können wir in der Aus- und Weiterbildung vermitteln.
König: Wir sind eingebettet in ein gesellschaftliches Umfeld,
das nicht durchgängig gründerfreundlich ist. Im Gegenteil, un-
sere grundlegende Mentalität ist zurückhaltend, bewahrend.
Im Notfall sind wir auch mutig und sehen, dass es dann funk-
tioniert. Aber bevor dieser Punkt erreicht ist, dauert es
manchmal sehr lange.
Welchen Beitrag kön nen die Uni-versi täten leisten, um Frank furt und die Rhein-Main-Region als FinTech-Standort zu stärken?
König: Mehr Kooperation,
mehr Interaktion, mehr Ver-
tiefung, eine Verlänge rung
von Wertschöpfungs ketten –
das sind die inhaltlichen
Herausforderungen, vor de-
nen wir am Finanzplatz
Frank furt stehen.
Schalast: Dabei sollten wir
auf jeden Fall zusammen-
arbeiten. Die Dichte an Spitzen-Forschungsinstituten im Rhein-
Main-Gebiet ist einzigartig. Wenn man diese Kräfte bündelt, bie-
tet das sehr viele Möglichkeiten.
Buxmann: Es ist sehr sinnvoll, dass die Hochschulen im Rhein-
Main-Gebiet sich zusammentun, und die Kompetenzver-
teilung ist relativ klar. Die Goethe-Universität sowie das
House of Finance haben eine Vielzahl von Lehrstühlen
und ent sprechende Expertise im Finanzbereich, die WHU
den Schwerpunkt Entrepreneurship und die TU Darmstadt
Know-how etwa in den Bereichen IT und Digitalisierung.
Das ergänzt sich hervorragend.
Johanning: Darüber hinaus ist es gut, einen Standort wie Frank-
furt zu haben, wo die Fäden zusammenlaufen. Dazu gehört auch
eine stärkere internationale Ausrichtung. Wir haben in Deutsch-
land traditionell eine gute technische Ausbildung, de facto ist
die Qualität unserer Finanzdienstleistungen häufig sogar besser
als im Ausland. Aber dort kommen wir oft gar nicht an. In den
Im Gespräch (von links nach rechts): Prof. Dr. Christoph Schalast, Prof. Dr. Peter Buxmann, Prof. Dr. Lutz Johanning und Prof. Dr. Wolfgang König
Prof. Dr. Christoph
Schalast ist Rechtsanwalt
und Notar. Er leitet den M&A
Master-Studien gang an der
Frankfurt School of Finance
& Management und ist Chair-
man der jährlichen Konfe-
renzen „NPL FORUM“ und
„M&A und Private Equity“.
Prof. Dr. Wolfgang König
hat die Professur für Be-
triebswirtschaftslehre, Wirt-
schaftsinformatik und
Informationsmanagement an
der Goethe-Universität Frank-
furt inne. Zusätzlich ist er ge-
schäftsführender Direktor des
House of Finance und Vorsit-
zender des interdisziplinär ar-
beitenden Forschungsinstituts
in Public-Private Partnership
E-Finance Lab.
5 8 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER WISSENSCHAFT
internationalen Gremien zum Beispiel ist die deutsche Stimme
zu still. Das ist schade, weil es eine gute, inhaltlich fundierte
Stimme ist. Das können wir meines Erachtens verbessern.
Wo werden FinTech und der Finanzplatz Frankfurt in zehn Jahren stehen?
Buxmann: Ich sehe das sehr optimistisch. Wir haben hervor-
ragende Voraussetzungen, dass sich in Frankfurt und Um-
gebung viele FinTech-Unternehmen ansiedeln. Wenn wir die
politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kom-
petenzen in der Rhein-Main-Region bündeln, können wir zu
einem Top-Standort für FinTechs in Europa werden. Mit der
Ausrichtung auf die Finanzbranche ist dafür kein anderer
Standort besser geeignet.
Schalast: In zehn Jahren wird FinTech normal sein. Entschei-
dend ist, dass wir ein positives Ökosystem schaffen sowie die
Vernetzung mit Regulatoren, Universitäten, Banken und Unter-
nehmen. Wenn das gelingt, hat Frankfurt als FinTech-Zentrum
eine Chance.
Johanning: Was uns noch fehlt, ist ein bundespolitisches klares
Bekenntnis für den Standort und die Finanzbranche. Denn da-
für steht Deutschland noch nicht, sondern eher für technisch
orientierte Sektoren. Doch ohne eine funktionierende Finanz-
branche gibt es keine funktionierende Wirtschaft. Deshalb
muss klar sein, wie wichtig ein Finanzstandort wie Frankfurt ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Goethe-Universität – die Finanzmärkte umfassend begreifen Bislang wurden FinTechs im Rahmen des Inkubators und
Gründerzentrums der Goethe-Universität, dem Unibator,
gefördert. 2015 wurde ein FinTech-Programm mit moderner
I nfrastruktur ins Leben gerufen, das auch für FinTech-
Gründer außerhalb der Universität zugänglich ist. Zusätz-
lich werden FinTechs vor allem durch das professionelle
Mentoren- und Partnernetzwerk unterstützt.
Gründer erhalten an der Goethe-Universität das notwen-
dige analytische Rüstzeug, um die Finanzmärkte umfas-
send zu begreifen. Mit dem House of Finance,
dem E-Finance Lab, zahlreichen Ph.D.-
und Master- sowie Bachelor-Program-
men ist die Goethe-Universität deutsch-
landweit führend. Mittlerweile werden
auch spezifische Kursformate und Fin-
Tech-Anwendungen im Bereich der
Entrepreneurship-Lehre für über 600 Stu-
denten pro Jahr angeboten.
www.uni-frankfurt.de
Technische Universität Darmstadt – hervorragende technikorientierte Studiengänge
Die technikorientierten Studiengänge wie Informatik,
Maschinenbau, Elektro- und Informationstechnik sowie
die interdisziplinären Studiengänge Wirtschaftsinformatik
und Wirtschaftsingenieurwesen der TU Darmstadt ge nießen
einen hervorragenden Ruf – das zeigen die vielen sehr
guten Platzierungen in Rankings. Künftig können Studie-
rende unabhängig vom gewählten Studiengang Lehr-
veranstaltungen in den Bereichen Entrepreneurship und
Gründungen besuchen.
Das Gründungszentrum HIGHEST (Home of Innovation,
GrowtH, EntrepreneurShip and Technology Management)
unterstützt potenzielle Gründer mit dem Ziel, Gründungs-
aktivitäten und Innovationen zu fördern, um Deutschland
und die Region Rhein-Main insbesondere in den Bereichen
High-Tech und Digitalisierung – also auch im FinTech-Be-
reich – international wettbewerbsfähig und fit für die Zukunft
zu machen.
www.tu-darmstadt.de
5 9 FMF JAHRBUCH 2016 FINTECH IN DER WISSENSCHAFT
Let‘s Talk PaymentsWissensplattform mit aktuellen Untersuchungen und Whitepapers zum Thema Bezahlservices.http://bit.ly/1ROX97t
wurden 2015 deutschlandweit in FinTech-
Unternehmen investiert, berücksichtigt man
den Kauf von 360T durch die Deutsche Börse.
Damit belegt Deutschland beim Investitions-
volumen Rang 3 in der Welt. http://bit.ly/1nt7cEf
73% der Millennials würden eine Finanz-
dienstleistung von Google, Amazon, Apple
oder PayPal spannender finden als von
ihrer Hausbank. Die Millennials sind die
erste Generation, die mit dem Computer
aufgewachsen ist. Mehr zum Thema unter
http://bit.ly/1gp93Q9
2,4 Mrd. Euro
betrug das FinTech-Markt-
volumen 2015. Deutschland
belegt damit Platz 5 weltweit.
4Diesen Rang belegt Deutschland
unter den größten FinTech-Stand-
orten der Welt. In Europa liegt es
hinter Großbritannien auf Platz 2.
Um 22 % auf 56
stieg 2015 die Zahl der FinTechs
im Raum Rhein-Main-Neckar,
der unter den großen Regionen
Deutschlands – Berlin, Frankfurt,
München – am schnellsten wächst.
FinTech-Themenspecialauf Gründerszene.de mit Nachrichten aus der Branche. http://bit.ly/1pb6gGr
Veranstaltungen 2016RETHINKING BANKING – reloaded, Euroforum 13./14.10.2016 http://bit.ly/1RlYkYX
DVFA FINTECH FORUM 10.10.2016 http://bit.ly/1VoUqRK
BETWEEN THE TOWERS. FINTECHCITY_FRANKFURT jeden 1. Dienstag im Monat http://bit.ly/16svDKs
Tägliches FinTech-BriefingWissenswertes, Trends und
Nachrichten bietet dieser
tägliche Newsletter von BI
Intelligence.
http://bit.ly/1QBWJ52
FinTech Industry Outlook 2016Die Finanzwelt verändert
sich permanent.
Ein Überblick in Info-Grafiken.
http://bit.ly/1QbXWli
Etwa13.000 Menschen arbeiteten 2015 in 250 deut-schen FinTech-Unternehmen. Damit belegt Deutschland Rang 4 weltweit. http://bit.ly/1nt7cEf
1,2 Mrd. Euro
I M P R E S S U MHerausgeberFrankfurt Main Finance e.V.Zum Laurenburger Hof 7660594 Frankfurt am MainTelefon: +49 69 9441 80 31Telefax: +49 69 9441 80 19www.frankfurt-main-finance.com
VerantwortlichHubertus Väth
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BildnachweiseDreamstime.com: S. 53 (Cacaroot); d-maps.com: S. 26–27; Fotolia.com: Titel (majivecka), S. 10–11 (Alex, Nmedia), S. 18 (iko), S. 34 (henriklundgren), S. 47 (Tisskananat); Axel Gaube: S. 4–5, 22–25, 28–31, 40–41, 52, 54–59; Getty Images Inter-national: S. 37–39 (Image Source, jayk7, Colin Anderson); GFT: S. 45; Victor Hsu: S. 42–43; Noun Project: Titel (Shahriar Emil, Marc Anderson, Roberto Chiaveri, Martha Ormiston, Yamini Ahlu-walia, Elizabeth Lopez, Daniel Liamas Soto, Mani Amini, Rory Macrae, Ecogex, Scott Lewis), S. 12–15 ( Adrian de la Natividad, Haridass, Austin Condiff, Gregor Crešnar, Samuel Q. Green), S. 50–51 (Hari-dass, Wilson Joseph, mcarranza, Gregor Crešnar); Swetlana Stametow: Titel, S. 3–5, 8–9, 20, 60–61; Borut Trdina: S. 32; Veer.com: S. 36 (Kheng Ho Toh), S. 48 (Oleg Rodionov); Wikipedia: S. 12 + 33 (Welt-karte), S. 13 (Deutschlandkarte), S. 16 (Bembel)
DruckDruck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG, Auflage: 2.000 Exemplare
Frankfurt, März 2016
BLOGS
http://www.finmeetstech.com/blog http://www.financezweinull.de/blog http://bankstil.blogspot.de http://paymentandbanking.com
beträgt der FinTech Adoption Index von EY. Er zeigt, wie hoch die Nutzung von FinTech-Produkten bei digital aktiven Kunden liegt.
http://bit.ly/1SafcpO
15,5 %