„Philipp sucht sein Ich.
Die Begleitung traumatisierter Mädchen
und Jungen.“
Wilma Weiß
ZTP Hanau
www.ztp.welle.website © ZTP Oktober 2015
© ZTP Oktober 2015
PädagogInnen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und Pflegeeltern suchen Antworten auf die zum Teil extremen Verhaltensweisen von traumatisierten Mädchen und Jungen
2002 gründen Volker Vogt und Martin Kühn die Webseite
www.traumapaedagogik.de
2003 erscheint die 1. Auflage von „Philipp sucht sein Ich.“
2004 fordert Primaria K. Purtscher traumadäquate Pädagogik/Behandlung in der Kinder – und Jugendpsychiatrie
In Fachdiensten von Einrichtungen nutzen FachberaterInnen die Erkenntnisse der Psychotraumatologie und anderer Bezugswissenschaften für die effizientere Unterstützung der lebensgeschichtlich belasteten Mädchen und Jungen
So fing es an
• Reformpädagogik
• Heilpädagogik
• Psychoanalytische Pädagogik
• Die Pädagogik der Befreiung
• Milieutherapeutische Konzepte
• Soziale Arbeit
• Psychotraumatologie
• Psychoanalyse
• Bindungs- und
• Resilienzforschung
• Therapeutische
Disziplinen
• Neurobiologie
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• Pädagogik des sicheren Ortes (Kühn 2007)
• Pädagogik der Selbstbemächtigung (Weiß 2009)
• Traumapädagogische Gruppenarbeit (Bausum 2009)
• Stabilisierung und (Selbst)Fürsorge für PädagogInnen als institutioneller
Auftrag (Lang 2009)
• Milieutherapeutische Konzepte (Gahleitner 2010)
• Psychoanalytische Pädagogik als Traumapädagogik (Wagner 2009)
Zentrale Konzepte der Traumapädagogik
Konzeptionelle Gemeinsamkeiten traumapädagogischer Überlegungen
Bedeutung der Bindung
Das Konzept des guten Grundes
Achtsamkeit
Individualisierung
Transparenz
Resilienzförderung
Partizipation
BAG Traumapädagogik 2011 © ZTP Oktober 2015
Was nutzt Mädchen und Jungen aus herausfordernden Lebenskontexten und was müssen wir bedenken
• Die Übertragung alter Erfahrungen
• Die Wirkkraft alter Bindungen
• Die veränderte Funktionsweise des Gehirns
• Die dissoziative Nichtreaktion
• Die traumatischen Erwartungen
• Das beeinträchtigte Rollenbild
• Unsere Gegenreaktionen
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Calvin & Hobbes
Sie brauchen Menschen, die ihr manchmal kreatives Bindungsverhalten verstehen
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Unteres Gehirn, Reptiliengehirn
Mittelhirn, limbisches System mit Amygdala
Präfrontaler Kortex
Das dreigliedrige Gehirn verändert seine Funktionsweise
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Was nutzt Mädchen und Jungen aus herausfordernden Lebenskontexten
• Selbstverstehen von Übertragungen, Bindungsmodellen und
traumaspezifischen Reaktionen
• Die Korrektur behindernder Normen
• Viele Bindungen
• Selbstwirksamkeit
• Schutz vor Re-Traumatisierung
• Nahrung und Pflege
• Selbstausdruck
• Soziale Teilhabe
• Gutes Rollenbild
• Körperwahrnehmung
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• Die Verhaltensweisen der Mädchen und Jungen sind normale
Reaktionen auf eine extreme Stressbelastung.
• Sie haben für ihre Vorannahmen, Reaktionen und Verhaltensweisen einen guten Grund.
• Wir unterstützen sie bei der Akzeptanz ihrer Wunden, Beeinträchtigungen und Schwierigkeiten.
• Sie haben in ihrem Leben bislang viel überstanden und geleistet.
• Wir stellen unser Fachwissen zur Verfügung (Profis), sie sind, Ihr seid die Experten für ihr Leben, für Bestehen in schwierigen Lebenslagen.
Die traumapädagogische Haltung
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Die Pädagogik der Selbstbemächtigung
Objekt der Bedürfnisse Erwachsener
Ferngesteuert durch Traumatische Erinnerungsebenen
Selbstbemächtigung durch Selbstregulation der Erinnerungsebenen
Subjekt: Ich bin Ich
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C. Cross-Mülller: Kopf hoch,
das kleine ÜBerlebensbuch
Weiß 2016
Die Förderung des (kognitiven) Selbstverstehens
Die Unterstützung der Selbstakzeptanz
Die Förderung der Selbstregulation
Die Förderung von Körperwahrnehmung
Die Entwicklung einer guten Geschlechtsrolle
Die Begleitung zu sozialen Teilhabemöglichkeiten
Die Pädagogik zur Selbstbemächtigung
- ein Kernstück der Traumaarbeit
© ZTP Oktober 2015
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„Ich hatte gelernt, dass der Versuch, die
eigenen geistig-seelischen Reaktionen auf
eine Erfahrung zu verstehen,
psychologisch äußerst konstruktiv sein
kann“
(Bettelheim 1982,, S. 21).
Das dreigliedrige Gehirn dissoziiert
Im Normalzustand
Bei chronischem (traumatischem) Stress
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Neuroendokrine
Neurochemische
Vizerale
Motorische
Abwehrreaktion
Das dreigliedrige Gehirn
Kinder verstehen das.
Kinder entlastet das.
Kinder können dann
mitreden.
„Das war nicht ich ,
das war mein
Reptiliengehirn“
„Das Erdgeschoss ist
viel größer, Ihr wisst
gar nicht, was da alles
drin ist.“
„Da hat sich
eine
Fernbedienung
reingehängt“
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Die Förderung des (kognitiven) Selbstverstehens
Die Unterstützung der Selbstakzeptanz
Die Förderung der Selbstregulation
Die Förderung von Körperwahrnehmung
Die Entwicklung einer guten Geschlechtsrolle
Die Begleitung zu sozialen Teilhabemöglichkeiten
Die Pädagogik zur Selbstbemächtigung
- ein Kernstück der Traumaarbeit
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Weiß 2003
Das hilfreiche Wort „Weil“ zur Unterstützung von Selbstakzeptanz
Das Wort weil lädt zum Antworten ein
Es lädt ein, über sich nachzudenken
Weil? Transportiert eine wertschätzende Haltung
Die Weilfrage ermöglicht die Suche nach alternativem
Verhalten
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Selbstakzeptanz
Die Förderung des (kognitiven) Selbstverstehens
Die Unterstützung der Selbstakzeptanz
Die Förderung der Selbstregulation
Die Förderung von Körperwahrnehmung
Die Entwicklung einer guten Geschlechtsrolle
Die Begleitung zu sozialen Teilhabemöglichkeiten
Die Pädagogik zur Selbstbemächtigung
- ein Kernstück der Traumaarbeit
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© ZTP Oktober 2015 Van der Kolk et. Al (2000): Traumatic
Stress
Das Kernkonzept einer Person von sich selbst
resultiert zu einem beträchtlichen Grad aus ihren
Fähigkeiten, innerpsychische Zustände zu regulieren.
Der Verlust selbstregulatorischer Prozesse führt zu
Störungen in der Ich-Wahrnehmung, zu
ungenügender Affektmodulation und Impulskontrolle
und zu Unsicherheit in Beziehungen.
(van der Kolk 2000, S. 173 ff).
Die Förderung des (kognitiven) Selbstverstehens
Die Unterstützung der Selbstakzeptanz
Die Förderung der Selbstregulation
Die Förderung von Körperwahrnehmung
Die Entwicklung einer guten Geschlechtsrolle
Die Begleitung zu sozialen Teilhabemöglichkeiten
Die Pädagogik zur Selbstbemächtigung
- ein Kernstück der Traumaarbeit
© ZTP Oktober 2015
Selbstregulation
Meine sekundären Trauma-symptome kennen
Möglichkeiten der Regulation einüben
Trigger und Stimuli identifizieren
Energie- und Stressniveau
wahrnehmen lernen
Körperempfindungen
wahrnehmen lernen
Trockenübungen zur Versorgung
der dissoziativen Symptome
Ankerungen einbauen
Notfallkoffer
Körperübungen
Überregung
Dissoziation
Erstarrung
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Empfindungen
• Empfindungen sind die
Sprache des
Reptiliengehirns
• Empfindungen sind
körpergewordene Gefühle
• Empfindungen sind das
Frühwarnsystem des
Körpers
Weiß 2016 © ZTP Oktober 2015
Wie spüre ich das: Lebekuchenmännchen zu Empfindungen
Dissoziative Zustände
Wie im Nebel sein
Träumen
Keine Angst spüren
Es tut nichts weh
Sich an die Decke beamen und von oben
zuschauen
Wie im Nebel rumlaufen
Ich bin wie in einer anderen Zeit
Ich stehe neben mir
Der Körper macht, was er will
Die Welt verschwimmt, wird unwirklich
Kurzzeitkoma
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Die Förderung des (kognitiven) Selbstverstehens
Die Unterstützung der Selbstakzeptanz
Die Förderung der Selbstregulation
Die Förderung von Körperwahrnehmung
Die Entwicklung einer guten Geschlechtsrolle
Die Begleitung zu sozialen Teilhabemöglichkeiten
Die Pädagogik zur Selbstbemächtigung
- ein Kernstück der Traumaarbeit
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Das Befreiende von Bewegung
Baut innere Erregungszustände ab
Verbessert den nächtlichen Schlaf
Fördert die Durchblutung des Gehirns
Lindert Konzentrationsstörungen
Setz vermehrt Botenstoffe, Neurotransmitter, im Gehirn frei
Unterstützt die Balance im autonomen Nervensystem
Trainiert das gesamte Herz- und Kreislauf-System
Verbessert Körperhaltung, Kraft und Ausdauer
Trägt zu einer besseren Informationsverarbeitung bei
Hemmt entzündliche Mechanismen im Körper
Setzt Wachstumsfaktoren zur Neubildung von Nervenzellen und Verbesserung der Synapsenbildung
Lenkt die Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt
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„…die wachsende
Fähigkeit, in unserer
Umgebung wie in
unserem Körper Dinge
zu ändern, ermöglichen
ein reiferes, potenteres
Verhalten.“
(Moshè Feldenkrais)
Feldenkrais (1992): Das starke Selbst.
Anleitung zur Spontaneität
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2015
Die Förderung des (kognitiven) Selbstverstehens
Die Unterstützung der Selbstakzeptanz
Die Förderung der Selbstregulation
Die Förderung von Körperwahrnehmung
Die Entwicklung einer guten Geschlechtsrolle
Die Begleitung zu sozialen Teilhabemöglichkeiten
Die Pädagogik zur Selbstbemächtigung
- ein Kernstück der Traumaarbeit
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Geschlechtersensible Traumapädagogik
Die Akzeptanz des eigenen Körpers und der Körperlichkeit
Die Entwicklung einer selbstbestimmten Sexualität
Die Auseinandersetzung mit kritischen männlichen und weiblichen
Geschlechtsrollenstereotypen
Die Auseinandersetzung mit weiblichen Vorbildern, insbesondere
der Mutter
Die Anerkennung weiblicher Emotionalität
Stärkung der Entscheidungsfreiheit der Mädchen
Entwicklung von eigenen Interessen
Selbstbestimmte Nähe und Distanzregelung in Liebesbeziehungen
und in Freundschaften
Entwicklung von Durchsetzungsvermögen
Umgang mit Kommunikationsmedien
Gesundheitsförderung
Zentrum für Traumapädagogik
[email protected] www.ztp.welle.website
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Weiß 2003
Die soziale Dimension der Selbstbemächtigung
• Traumabewältigung ist vor allem Selbstbemächtigung in sozialen
Beziehungen.
• Ein Austausch von schlechten Erfahrungen, das Wissen anderen
geht oder ging es auch so entlastet vom Gefühl der Vereinzelung,
von Scham und Gefühlen der Schuld.
• Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit in sozialen Gruppen stärkt
unser Selbst.
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„Das politische ist auch persönlich!“
„Trauma/Traumatisierung stellt
nicht nur eine individuelle
seelische Störung von Menschen
dar, sondern ist als Symptom
einer gesellschaftlichen Störung
zu begreifen!“
© ZTP Oktober 2015
Magret Dörr 2011 auf der Fachtagung der
BAG Traumapädagogik
Emanzipatorische Elemente
• Der Umgang mit Regeln (Koten 2015)
• Partizipation
entwickeln
• Sich einmischen – Mirno more – Care leaver – Jugendliche ohne
Grenzen – Sich an der Hilfe für die
Flüchtlinge beteiligen
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Ein anderer Weg
These 1:
Regelkataloge dienen der gefühlten Sicherheit der PädagogInnen.
These 2:
Wer eine Haltung hat braucht keine Regeln.
These 3:
Gerechtigkeit ist nicht, jeder bekommt das Gleiche, sondern jeder bekommt etwas von seinem.
These 4:
Jeder Mensch ist ein Individuum, daher kann Erziehung nur gelingen, wenn sie individuell gestaltet ist und die Expertenschaft des Kindes ernst nimmt
© ZTP Oktober 2015 www.ztp.welle.website/images/Regeln2015_Web.pdf
Die Expertenschaft
• Sie wissen viel über das
Überleben
• Sie wissen viel über
traumatischen Stress
• Sie wissen viel über gute
Pädagogik
• Sie haben kreative
Regulationsmechanismen
entwickelt
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Die Pädagogik der Selbstbemächtigung ist evidenzbasiert
Kinder Stiftung Tabaluga
Gahleitner et. al 2015
St. Mauritz KJH Münster
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Die Selbstbemächtigung – auch für uns eine Methode der Selbstfürsorge
• Ich lerne fühlen, empfinden und mein Energieniveau zu
regulieren
Achten auf Empfindungen
Empfindungen können Wohlbefinden, aber auch Stress
ankündigen, sie sind Früh(warn)melder
• Körperwahrnehmung
Körperwahrnehmung entschleunigt
Körperwahrnehmung und Bewegung dienen der
Gesundheitsfürsorge
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Was bringt die Traumapädagogik den PädagogInnen?
• Die Erkenntnis: Ich bin nicht
gemeint
• Handlungsfähigkeit durch die
Reflexion möglicher
Verwicklungen
• Das Wissen um die
Lebenskraft der Kinder
• Spaß bei den
traumapädagogischen Projekten
• Gemeinsame Sichtweise,
Erklärungsmuster
• Pädagogische Präsenz
• Selbstfürsorge durch das
Erkennen von Gegenreaktionen
• Selbstfürsorge durch die
Versorgung von eigenem Stress
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Traumapädagogik ist auch eine Bewegung
Für die Enttabuisierung von menschlichem Leid
Für die Entwicklung von gesellschaftlicher Empathie
Für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Kinder- und
Jugendhilfe
Für die Wertschätzung der Arbeit der psychosozialen Fachkräfte in der
Kinder- und Jugendhilfe
Vor allem für die Verbesserung der sozialen und gesellschaftlichen
Situation traumatisierter Mädchen und Jungen auch im Sinne eines
Nachteilausgleichs und
Für die Demokratisierung der Gesellschaft
© ZTP Oktober 2015