Transcript
Page 1: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

Sozialistische Monatsschrift für Dresden

linksjugend [’solid] BlickwechselDIE LINKE. Dresden

Haustürgespräche in Prohlis

03 1209

1116

November2016

Über soziale und sozialisierte Verluste

editorial

[email protected]

von Jens Matthis

al

von Silvio Lang

[email protected]

Liebe Genossinnen und Genossen,

in dieser Ausgabe unserer Mit-gliederzeitung widmen wir uns im Fraktionsteil der Mietenproblema-tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo, unser bereits 2013 er-folgreiches Direktkandidaten-Duo, gehen 2017 wieder für uns ins Rennen. Darüber freue ich mich.

Wir wagen aber auch den Rück-blick auf die letzten Wochen, in denen in Dresden doch so einiges los war. Bei all der Aufregung um pöbelnde Pegidisten am 03. Okto-ber und sächsisches Staatsversagen im Fall al-Bakr ist aber leider me-dial und auch bei uns fast unterge-gangen, was sowohl rund um den 3. Oktober als auch rund um den Pegida-Geburtstag wieder viele ehrenamtlich, antirassistisch und antifaschistisch Organisierte ge-leistet haben. So gab es bereits am 02. Oktober eine kraftvolle Demo unter dem Titel „Nationalismus ist keine Initiative“, in der die kri-tiklose Eventisierung von natio-nalstaatlichem Pathos thematisiert wurde. Und nur zwei Wochen spä-ter, am 17.10., gingen über 8000 Menschen mit der Gruppe „Herz statt Hetze“ auf die Straße, um ein Zeichen gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit zu setzen.

All den Menschen (nicht selten gleichzeitig auch Genoss_innen), die hinter diesen Initiativen ste-hen, gilt es, Danke zu sagen. Weil sie dieses einfache und doch so wichtige Wort viel zu selten von offi zieller Seite zu hören bekom-men und weil Anerkennung wich-tig ist, um auch andere, die sich mit der guten Sache gemein fühlen, aber noch nicht genug Mut aufge-bracht haben, weiter zu motivieren.Deswegen: Danke! Macht wei-ter so. Lasst nicht nach, DIE LINKE steht an Eurer Seite.

Auch mal Danke sagen! Nicht mal ein Jahr trennt uns von

der nächsten Bundestagswahl.Die Umfragen werden langsam wieder spannender. Die Auseinandersetzungen werden härter. Natürlich vor allem die Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, aber natürlich auch man-che Diskussion in der eigenen Partei.Schließlich geht es um so viel.

Wir befi nden uns in einer neuen po-litischen Situation, die wir uns nicht ausgesucht haben und die weder an-genehm noch einfach ist. Ganz Eur-opa muss die schlimmste politische Rechtsentwicklung seit den 1930er des letzten Jahrhunderts verzeichnen. Was heute wieder in Ungarn oder Po-len geschieht, ist beängstigend. Aber zur Sorge Anlass geben eben auch die entsprechenden Entwicklungen in Fran-kreich und Großbritannien, in Nordeur-opa, in der Schweiz oder in Österreich. Und zunehmend auch in Deutschland.

Wenn man über diese Rechtsentwick-lung spricht, muss man selbstver-ständlich über eine Wirtschafts-, Sozi-al- und Finanzpolitik reden, die dieses Abdriften nach rechts erst möglich gemacht hat. Genauso, wie man über eine brandgefährliche Außen- und Si-cherheitspolitik reden muss, die immer mehr Leute in diesem Land beunru-higt und leider einen Teil davon auch rechten Demagogen in die Arme treibt.

Gerade in Sachsen und gerade in Dres-den haben wir in den letzten Jahren ei-niges an bitteren Erfahrungen sammeln können. Ich brauche die unsäglichen Vorkommnisse am 3.Oktober ja nur zu nennen und gar nichts weiter dazu sagen.

Dass ausgerechnet Dresden deutsch-landweit zum Symbol und zum ab-stoßenden Exempel dieser Rechts-entwicklung geworden ist, das erfüllt uns einerseits mit Scham und mit Wut, andererseits auch mit Nachdenk-lichkeit hinsichtlich der Ursachen. Aber auch mit der Entschlossenheit, das nicht länger zulassen zu wollen.

Die Wahlergebnisse in Dresden zur Bundestagswahl im nächsten September werden weit über Sachsen hinaus eine besondere Beachtung fi nden. Deshalb hat die Dresdner LINKE eine beson-

dere Verantwortung. Die Kreiswahl-versammlungen am 22.10.2016 sind dem Vorschlag des Stadtvorstandes gefolgt und haben im Bundestagwahl-kreis 159 (Dresden I) Katja Kipping und im Wahlkreis 160 (Dresden II/ Bautzen II) Tilo Kießling aufgestellt.

Beide KandidatInnen sind in Dresden politisch gut bekannt

Bereits bei der Bundestagswahl 2013 sind wir mit Katja und Tilo angetre-ten. Wir haben mit den beiden einen sehr engagierten Wahlkampf geführt, zwar keinen Wahlkreis gewonnen, sind aber in beiden mit deutlichem Abstand zur SPD Zweiter geworden und haben in beiden deutlich mehr Personen- als Zweitstimmen erzielt. Das Ziel, Andreas Lämmel und Arnold Vaatz endlich abzulösen, konnten wir nicht erreichen, aber wir sind ihm ein kleines Stück näher gekommen und wir glauben, es steht einer Partei gut zu Gesicht, nicht nach ein oder zwei Versuchen aufzugeben, sondern ein-fach an der Aufgabe dranzubleiben und das auch in personeller Kontinuität.

Es geht nicht um die Erfolge der Ver-gangenheit, da haben beide einiges vor-zuweisen. Wir setzen in der Kombina-tion aus erfolgreicher Bundestagsarbeit

und erfolgreicher Kommunalpolitik nicht nur auf Platz, sondern auf mehr. Wir wissen natürlich, dass unsere Bäume bis zum nächsten Septem-ber nicht in den Himmel gewach-sen sind. Aber wir wollen auch keine Chance verstreichen lassen.

Das Parteiensystem ist in Bewegung. Bei den letzten Berliner Abgeord-netenhauswahlen lagen in einzel-nen Wahlkreisen vier Bewerber fast gleichauf. Letztlich gewann jemand mit ca. 20% das Direktmandat. Es ist heute völlig spekulativ, wie in elf Monaten die Konstellation in Dres-den sein wird und ob dann unsere Bewerberin und unser Bewerber eine Chance haben werden. Aber sollte es diese Chance geben, dann wollen wir mit Personen präsent sein, die diese Chance auch nutzen können. Gerade weil die Gesamtentwicklung so beunruhigend ist, kommt es umso mehr darauf an, Zeichen zu setzen.

Jens Matthis ist Vorsitzender der LINKEN. Dresden

DIE LINKE. Dresden setzt mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 auf Kontinuität, politische Erfahrung, Prominenz, Kompetenz und Erfolg

Foto

: Rob

ert W

ünsc

he

Wie der Staat die Kirchen fi nanziert

Zeichen setzen

Katja Kipping und Tilo Kießling wurden mit 91,7 % und 86,3 % vom Stadtparteitag als starkes Duo für die Bundestagswahl in Dresden gewählt.

Page 2: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

Seite 2 11 / 2016Debatte

Europa. Tag und Nacht„Nuit Debout“ – die „Nacht, in der wir aufstehen“. So hieß die Bewegung in Frankreich, die genau das tat: aufste-hen und protestieren. Ursache für die Proteste war ein Gesetzesvorschlag der französischen Arbeitsministerin. Dieser bedeutete: mehr Arbeitsstunden, ein-fachere Kündigung, weniger Rechte für die Arbeitnehmer*innen. Am 31. März war dann aber doch alles anders als zuvor. Nach den „üblichen“ Protesten blieben fast 400.000 Gegner*innen der Reform einfach auf dem Platz der Repu-blik in Paris sitzen. Manche verglichen schon die „Nuit-Debout-Bewegung“ mit den linken Parteien Syriza und Podemos in Griechenland und Spanien, andere nannten „Nuit Debout“ das franzö-sische Occupy. Doch aller Proteste zum Trotz verabschiedete die französische Regierung die Arbeitsmarktreform.

Guillaume Paoli setzt sich am 9. No-vember mit den Protesten in Frankreich auseinander. Ende der 1990er erra-ng Paoli Bekanntheit als Theoretiker der „Glücklichen Arbeitslosen“. 2003 machte er sich als „Demotivationstrai-ner“ selbständig. Von 2008 bis 2013 war er im Leipziger Centraltheater als bundes- und vielleicht weltweit erster Hausphilosoph tätig. Dort leitete er die „Prüfgesellschaft für Sinn und Zweck“ und betrieb eine rege besuchte „philo-sophische Praxis“. Aktuell machte er mit seinem Aufruf zur Gründung einer neuen Volksbühnen von sich reden.

Erfolgreicher und andauernder schei-nen die Entwicklungen in Spanien zu verlaufen, die Raul Zelik am 7. De-zember u.a. analysiert. „Podemos“ – „Wir können“ – war 2014 in mitten der spanischen Wirtschaftskrise ent-standen und der Politik der europä-ischen Institutionen mit linken Positi-onen entgegen zu treten. „Podemos“ gewann nach den Europawahlen 2014 an Kraft und unterstützte erfolgreich basisdemokratische Aktivist*innen auf kommunaler Ebene. So wurde zum Beispiel die Aktivistin Ada Col-au 2015 Bürgermeisterin in Barcelona.

Raul Zelik ist Schriftsteller, Journalist, Übersetzer und Politikwissenschaft-

ler. 1997 veröffentlichte er seinen De-bütroman „Friss und stirb trotzdem“, in dem der Tod des rechtsextremen Ger-hard Kaindl behandelt wird. Ab 1999 folgten Romane und Sachbücher zu Lateinamerika, 2001 ein Drehbuchpro-

von Stefanie Götze

Schriftsteller und Philosoph Guillaume Paoli

Mittwoch | 9. November| 19 UhrVortrag und Diskussion

Frankreich und seine ProtesteMit Guillaume Paoli (deutsch-französischer Schriftsteller und Philosoph)

WIR-AG |Martin-Luther-Straße 21 | 01099 Dresden

jekt mit dem Regisseur Detlev Buck. Der Durchbruch gelang Zelik mit dem Roman „Berliner Verhältnisse“, der 2005 für den Deutschen Buchpreis no-miniert war. Parallel hierzu war und ist Zelik als Sozialwissenschaftler tätig.

Gefährliche Transformation„Die eine Seite predigt Klassenkampf, die andere Seite praktiziert ihn.“ Mit diesem Zitat des irischen Dramatikers und Sozialisten George Bernard Shaw aus dem Jahr 1921 führt Owen Jones in ein Kapitel seines Buches „Prolls — die Dämonisierung der Arbeiter-klasse“ ein. Wenige Zeilen später be-richtet Jones über ein Gespräch, das er mit Neil Kinnock geführt hat. Ob die Konservativen die wahren Klassen-kämpfer seien, wollte er vom vom ein-stigen Chef der Labour-Party wissen. „Nein, das mussten sie nie sein“, ant-wortete Kinnock und fuhr fort: „Denn wir haben Frieden mit ihnen geschlos-sen, ohne zu bemerken, dass sie mit uns nicht Frieden geschlossen hatten.“

Prolls, die deutsche Entsprechung für das englische Wort Chavs, ist ein auch in Deutschland häufi g zu hörendes Wort und es ist zu einem rhetorischen Kampf-begriff der Herrschenden geworden, den auch die Beherrschten gern mitjohlen, so lange sie noch nicht ganz unten ange-kommen sind. Im Deutschen ist es gar noch eine Nummer schärfer, leitet sich es hier doch — anders als im Englischen — direkt vom Wort Proletarier, bzw. Proleten ab, einst eine positive Selbstbe-schreibung aus der Arbeiterbewegung. Die Dämonisierung der Arbeiterklasse, die Owen Jones in seinem Buch be-schreibt, die Transformation vom „Salz der Erde“ zum „Abschaum der Gesell-schaft“ läuft indes in Deutschland mit ebenso erschreckendem Erfolg, wie sie der Autor für Großbritannien illustriert.

Einen bemerkenswerten Unterschied gibt es dennoch und der macht es für Deutschland noch schwieriger.

In Großbritannien war es mit Marga-ret Thatcher immerhin eine Konser-vative, welche zum Angriff auf die Arbeiterklasse blies, die von dieser erkämpften sozialen Rechte Stück für Stück demontierte, die Gewerkschaften marginalisierte, das Bildungssystem schrumpfte, das Öffentliche privatisier-te und mit kräftiger Unterstützung der Medien alle, die dabei unter die Räder gerieten, dem Hohn, Spott und auch dem Hass der Gesellschaft preisgab. In Deutschland hingegen wurde dieser

Job gleich von der Sozialdemokratie selbst übernommen. Hatte die britische Sozialdemokratie nur, was schlimm ge-nug ist, hilfl os bei der Zerstörung der Gesellschaft zugeschaut, später aller-dings unter Tony Blair das Werk voll-endet, so waren es in Deutschland SPD und Grüne in schöner Eintracht mit CDU und FDP, welche mit der Agen-da 2010 die Selbstentleibung der deut-schen Arbeiterbewegung exekutierten.

Owens Jones‘ Buch erregte 2012 eine für ein politisches Sachbuch enorme Auf-merksamkeit, erschien es doch unter dem Eindruck der britischen Jugendkrawal-le im Jahr zuvor, in deren Gefolge die

von Uwe SchaarschmidtVerachtung, die man der Unterschicht bislang entgegenbrachte, in puren Hass, Allmachtsfantasien, ja gar Mordhetze seitens der Reichen umschlug. Jones erzählt dies mit angsterregender Ge-nauigkeit und man erinnert sich noch gut, wie die Berichte über die Krawal-le und Plünderungen in Großbritannien auch die deutschen Fernsehschirme voll machten. Es war damals dem deut-schen Kabarettisten Erwin Pelzig vor-behalten, die Frage zu stellen: „Und ich möchte ganz genau wissen, aber ganz genau, was eigentlich der Unterschied sein soll, zwischen einem jugend-lichen Plünderer in London und den Gewinnzielen der Deutschen Bank.“

„Prolls“ ist ein hochaktuelles Buch. Jones beschreibt, was passieren kann, wenn man die Reichen tun lässt, was sie gerne tun, wenn man Milieus gegenei-nander aufhetzt, wenn man sich einreden lässt, es gäbe keine Klassengegensätze mehr und das Wort Solidarität durch die schamlose Lüge „We are one nation“ er-setzt. Er skizziert auch sehr genau, wie sie es tun, die Parallelen zu Deutschland sind beängstigend, gerade im Zusam-menhang mit dem Aufstieg der AfD.

Owen Jones Prolls — Die Dämonisierung der Arbeiterklasse 320 Seiten, gebundenISBN 978-3-940884-79-418,90 Euro

Mittwoch | 7. Dezember| 19 UhrVortrag und Diskussion

Mit Podemos zur demokratischen Revolution? Krise und Aufbruch in EuropaMit Raul Zelik (Publizist)

WIR-AG |Martin-Luther-Straße 21 | 01099 Dresden

Otto Griebel, Die Internationale (1930), Deutsches Historisches Museum, Berlin

Page 3: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

11 / 2016 Seite 3DIE LINKE. Dresden

Über soziale und sozialisierte VerlusteDIE LINKE hat jüngst im Bundestag einen Vorschlag unterbreitet: Zukünftig sollen die Gesamtbezüge einer Füh-rungskraft nicht mehr als das 20-Fache der untersten Gehaltsgruppe im gleichen Unternehmen betragen dürfen. Kurzum: Wir wollen Managerbezüge begrenz-en. Wir wollen eine Vergütungsober-grenze. Wenn also ein Manager mit 1 Million Euro am Ende des Jahres nach Hause gehen will, dann muss die Reini-gungskraft oder der Pförtner in diesem Unternehmen wenigstens ein Zwanzig-stel davon bekommen, sprich 50.000 Euro im Jahr. Schließlich sind es die Beschäftigten, die die Gewinne mit er-wirtschaften. Ich meine: Wer die unteren und mittleren Gehaltsgruppen nicht or-dentlich bezahlen kann, der hat auch keine Millionenvergütung verdient.

Um eines klarzustellen: Es geht uns nicht um einen Einheitslohn; es soll natürlich eine Staffelung der Gehäl-ter geben. Wer mehr Risiko in Kauf nimmt, kann auch mit einer höheren Vergütung rechnen. Jedoch müssen Ein-satz und Entlohnung noch irgendwie in einem Verhältnis stehen. Das Verhält-nis ist doch hierzulande komplett aus den Fugen geraten. Die Vorstände der DAX-Unternehmen verdienen 75-mal so viel wie ein einzelner Beschäftigter mit durchschnittlichem Einkommen. Natürlich verdienen sie nicht so viel, sondern sie bekommen nur so viel.

Das kann man doch nicht mehr mit Leistung erklären. Schauen wir uns einmal ganz konkret die Gesundheits-branche an. Der Vorstand eines privaten Krankenauskonzerns erhält im Jahr 4,4 Millionen Euro. Das ist mehr als das 200-Fache dessen, was ein Krankenpfl e-ger bekommt, wenn er denn Tarifl ohn bekommt. Die Frage ist doch: Leistet ein einzelnes Vorstandsmitglied tatsächlich mehr als das 200-Fache eines Kranken-

pfl egers oder einer Krankenschwester, der bzw. die Nachtschichten macht und auch am Wochenende im Einsatz ist?

Zweierlei Maß

Immer mehr Menschen in diesem Land haben das Gefühl, dass die Mit-te und die oberen Führungsetagen mit zweierlei Maß gemessen werden. Menschen, die wenig bis nichts haben, werden schon bei kleinsten Fehlern zur Kasse gebeten oder sind im Fall einer Pechsträhne ganz schnell von Armut bedroht. Einem Hartz-IV-Be-ziehenden, der seine Betriebskosten-rückzahlung nur einige Monate zu spät meldet, droht schnell ein Bußgeld. Einem Kleinstunternehmer droht im Fall einer Auftragslücke - vielleicht witterungsbedingt - sehr schnell die In-solvenz, ohne dass der Staat einspringt.

Gegenbeispiel Deutsche Bank: Die muss sich nicht nur wegen mutmaßlicher Be-teiligung an verschiedenen kriminellen Machenschaften wie Steuerbetrug oder Geldwäsche vor Gerichten verantwor-ten, sie befi ndet sich auch tief im Minus.

Und es wird schon darüber spekuliert, ob nun wieder der Staat aushelfen muss. Dabei hatte diese Bank in den ver-gangenen Jahren Gewinne. Aber was ist mit diesen Gewinnen passiert? Die sind vorrangig in Form von Boni an Investmentbanker ausgeschüttet worden.

Ich meine, es ist nicht hinnehmbar, dass diejenigen, die die größten Schäden anrichten, die höchsten Vergütungen bekommen, aber die Folgen der Schä-den allein die Beschäftigten oder die öffentliche Hand ausbaden müssen.

Mehr Abstieg als Aufstieg

Die LINKE unterbreitet den Vorschlag einer Vergütungsobergrenze auch vor dem Hintergrund einer großen Einkom-mensungleichheit hierzulande. Auf der einen Seite gibt es extreme Armut und auf der anderen Seite extremen Reich-tum. Einst glaubten viele an den Fahr-stuhleffekt des Kapitalismus, wonach alle Schichten in der Gesellschaft als Ganze kontinuierlich nach oben be-fördert werden, es also nach und nach allen besser geht. Inzwischen, das zeigen verschiedene Studien wie der WSI-Verteilungsbericht fährt der Fahr-stuhl für die Mitte eher nach unten als nach oben. Für die Mittelschichten ist es inzwischen wahrscheinlicher, abzustei-gen als aufzusteigen. Viele befürchten, dass es ihren Kindern schlechter geht.

Wenn dieses Land für immer mehr Menschen zu einer Abstiegsgesellschaft wird, dann dürfen wir uns damit nicht zufriedengeben. Die gute Nachricht ist: Es gibt Alternativen zu dieser Entwick-lung. Mehr Einkommensgerechtigkeit ist möglich. Die Vergütungsobergrenze, die wir als Linke hier vorschlagen, ist ein Instrument dafür. Ja, wir als Linke sagen auch: Was dieses Land braucht, ist ein grundlegender Kurswechsel. Armut beseitigen, die Mitte besserstel-len, Reichtum begrenzen das ist das Gebot der Stunde. Dafür kämpfen wir als LINKE mit aller Entschiedenheit.

Wahlergebnisse zur LandesvertreterversammlungListe weiblich:Kris KaufmannKristin HofmannAnnekatrin KlepschSarah BuddebergPia BarkowMargot GaitzschCornelia ErnstAnne GielandCornelia EichnerAnja EichhornKerstin WagnerFranziska FehstSarah WiedermannJayne-Ann IgelAnne HolowenkoHeidrun Angermann

gemischte Liste:Jens MatthisAndré SchollbachTilo WirtzTilo KießlingMaximilian KretzschmarSilvio LangUwe SchaarschmidtThomas GrundmannBirger HöhnHans-Jürgen MuskulusMagnus HechtThomas FeskeMaurice DevantierDieter GaitzschMartin HilbigChristopher ColditzFrank UrbanKay SchaarschmidtJenny KeckFlorian PauligRonny Rehm

Wahlergebnisse zum LandesparteitagListe weiblich:Katja KippingAnnekatrin Klepsch Kris KaufmannKristin HofmannSarah BuddebergCornelia Ernst Margot Gaitzsch Pia BarkowAnne GielandFranziska Fehst

Ersatzdelegierte:Cornelia EichnerKerstin Wagner Jayne-Ann Igel Anne Holowenko Jenny KeckAnja EichhornHeidrun Angermann

gemischte Liste:Jens MatthisThomas Grundmann Tilo Wirtz André SchollbachSilvio LangMaximilian Kretzschmar Uwe Schaarschmidt Birger Höhn Magnus Hecht

Ersatzdelegierte:Hans-Jürgen MuskulusThomas FeskeMaurice DevantierMartin HilbigFrank UrbanKay SchaarschmidtDirk WagnerJenny KeckFlorian PauligGeorg WehseRonny RehmHolger Knaak

Wahlergebnisse zum Landesrat

Dirk Wagner

Reingard JokischKatharina Hanser

Wahlergebnisse zur LandesseniorinnenkonferenzRosemarie GrieseRotraut NähterChrista KafkaKlaus Hofmann

von Katja Kipping

Katja Kipping bei ihrer Rede auf dem Stadtparteitag der Dresdner LINKEN am 22. Oktober Foto: Robert Wünsche

Foto

: Rob

ert W

ünsc

he

Herzlichen Dank an alle Genossinnen und Genossen, die vor und auf dem Stadtparteitag für die reibungslose Organisation sorgten und beim Einlass, in der Wahlkommission, der Tagungsleitung und der Kinderbetreuung zum Gelingen der Versammlung beitrugen!

MdB Katja Kipping ist Bundesvorsit-zende der Partei DIE LINKE

Page 4: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

DIE LINKE. Dresden11 / 2016 Seite 4

Sie sind nicht vergessen…Sie sind nicht vergessen, die Mil-lionen Opfer des Nationalsozi-alismus. Die Initiative „Stolper-steine“ agiert schon in vielen deut-schen Städten und auch im Ausland.Vor Kurzem wurden in Dresden wie-der für elf Personen bzw. Familien solche Denkanstöße verlegt. Auch in unserem Ortsamtbereich Plauen fand in einem feierlichen Rahmen mit den nächsten Angehörigen der Margareta Beate Schmits die Verlegung der klei-nen Messingplatte im Gehweg auf der Nürnberger Straße 28 statt. Ihre Tochter Ingrid war aus Hamburg an-gereist. Die 86-jährige alte Dame war sehr gerührt von der Anteilnahme der Dresdner am Schicksal ihrer Mutter.

Mit bewegenden Worten zeichnete der Vorsitzende des Vereins Stolpersteine, Claus Dethleffs den Lebens- und Lei-densweg der Frau nach. Wer war Mar-gareta Beate Schmits? Geboren 1902 in Schweden als Margareta Egerström. Als

junge Frau zog sie zum Kunststudium nach Dresden. Sie lernte ihren Mann kennen, sie heirateten und sie zog nach Berlin. 1930 kam ihre Tochter Ingrid auf die Welt. Nach vier Jahren war die heile Welt zu Ende. Der Mann Herbert Schmits verließ sie wegen einer an-deren Frau. Er ließ sich scheiden und sie zog mit ihrer Tochter Ingrid nach Dresden in die Nürnberger Straße 28g.

von Renate Herfert

Aktion Stolpersteine

Herzlichen Glückwunsch zu Deiner Wahl als Direktkandidat, Tilo! Du bist schon vor vier Jahren in diesem Wahlkreis angetreten, der recht-selbisch sehr unterschiedlich, grad auch durch die Ortschaften, ge-prägt ist. Was hast Du im Jahr 2013 bereits für Erfahrungen gesammelt und wie wirst Du die Herausforde-rung 2017 angehen?

Vielen Dank für die Glückwünsche und vielen Dank auch für das Ver-trauen der Genossinnen und Genos-sen auf der Kreiswahlversammlung.Vor vier Jahren gab es einen Wahlkampf der besonderen Art: Die CDU versuchte jede öffentliche Debatte zu unterbinden und damit ihren Vorteil voll auszuspie-len. Sie hatte kaum Konkurrenz auf der bürgerlichen Seite, denn die FDP war im absoluten Tief. Seit dem ist viel passiert, vor allem die erstarkende AfD verändert das Gefüge. Deswegen wird es wohl kein so “ruhiger” Wahlkampf mehr werden.

Ich habe vor vier Jahren versucht, in den unterschiedlichen Gebieten des Wahlkreises präsent zu sein. Das ist, natürlich, die Neustadt mit unserem dort sehr hohen absoluten Wählerinnen- und Wähleranteil gewesen, das sind die ländlichen Gebiete des Kreises Baut-zen und der Dresdner Ortschaften, das ist der wohlhabende Elbhang und der ganz anders gestellte Stadtteil Gorbitz. Das wird im jetzigen Wahlkampf viel mehr nötig sein, denn um unsere Politik zu erläutern und Verbündete unter den Menschen des Wahlkreises zu gewinnen ist der direkte Kontakt ganz wesentlich.

Du bist durch Deine Stadtratsarbeit in Dresden für viele kein Unbe-kannter, gerade durch Deine lang-jährige Arbeit im Jugendhilfebe-reich und als Finanzexperte bei den Haushaltsberatungen. Mit welchen Themen wirst Du für DIE LINKE im Wahlkreis antreten?

Nun, die grundlegenden Themen un-seres Wahlkampfes wird sicherlich die Partei DIE LINKE mit ihrem Wahlpro-gramm bestimmen. Es wäre vermes-sen, hier besser als die Partei sein zu wollen. Was ich für meinen Wahlkampf und meine Person herausstellen kann, ist mein Erfahrungsschatz in der prak-tischen Umsetzung programmatischer Ziele. Denn was nützten die besten Programme, wenn die Menschen un-sere Politikerinnen und Politiker nicht für fähig hielten, so viel wie möglich davon umzusetzen? Erfolgreiche Po-litik muss konkret werden, konkret in den Forderungen, konkret im Ergeb-nis für die Wählerinnen und Wähler.

Was mir besonders am Herzen liegt, worüber ich reden möchte, wenn mich Leute fragen, warum ich für DIE LIN-KE antrete, wäre allerdings folgendes: Ich fi nde meine Partei besonders deswe-gen gut, weil sie sich mit Konsequenz gegen Ungleichheit wendet, weil meine Genossinnen und Genossen sich an der Seite all der Menschen sehen, die man zu den Benachteiligten zählt. Und ich mag meine Partei, weil sie wie auch ich Krieg und Militarismus verabscheut. Die größte, existenziellste Gefahr für Menschen in unserem Land wäre ein Krieg. Und es ist abstoßend, wie leicht-sinnig viele führende Politikerinnen und Politiker anderer Parteien unser Land wieder in die Nähe kriegerischer Auseinandersetzungen führen. Wer ver-bal aufrüstet, wer Kriege wieder denk-bar macht, spielt mit unserem Leben.

Dein CDU-Gegenkandidat heißt Arnold Vaatz – ein Urgestein der Konservativen. Wird Vaatz Dein di-rekter Kontrahent und wie sieht es

mit dem Kandidaten für die AfD aus – wirst Du die direkte Konfrontation mit der AfD suchen?

Die “Direkte Konfrontation” klingt nach Show und Boxring. Wenn es nötig ist, muss man den Kandidaten der AfD auch öffentlich und hörbar widersprechen. Und dort, wo Menschen zu speziellen Themen Kandidierende vergleichen wollen, kann man sich dem sicher nicht entziehen und sollte das auch nicht. Aber eigentlich ist das nicht meine Auffas-sung von Politik: So wie Marktschreier aus der Politikbude heraus zu werben, es möge doch bitte dieses oder jenes Angebot gekauft werden. Nein, ich halte Menschen, welche DIE LINKE oder mich wählen, zuallererst für Ver-bündete in einem gemeinsamen Kampf für eine bessere Gesellschaft. Solche Verbündeten gewinnt man nicht durch verteilte Kugelschreiber oder gewon-nene Rededuelle. Ich will diese Verbün-deten suchen, sie bestärken, sie bitten, selbst wirksam zu werden und ich will ihnen die Sicherheit geben, dass ich ein guter Verbündeter für sie bin. Hier im Stadtrat und auch später im Bundestag.

Was wünschst Du Dir von Deinem Dresdner Stadtverband für den Wahlkampf?

Ich werde ein Team brauchen, das mich den Wahlkampf über begleitet und mir hilft, den Wahlkampf für meine Per-son verbunden mit dem Wahlkampf für die Partei durchzustehen. Ich wün-sche mir Solidarität und Kollegiali-tät, wenn Fehler passieren und Lob, wenn etwas gut gelingt. Ich wünsche mir, dass ab jetzt jeder und jedem im Wahlkreis gesagt wird “Der Kieß-ling kann das, der wäre gut für uns!”.

Fragen Max Kretzschmar

1938 unternahm sie mit ihrer Toch-ter eine Urlaubsreise an die Adria. Bei einem Schiffsausfl ug wurde ihre Er-krankung zum ersten Mal sichtbar. Sie wollte über die Reling klettern und ins Wasser springen. Das verhinderten an-dere Passagiere. Auch der Sturz aus dem Hotelfenster misslang. Sie wur-de in eine Klinik in Triest gebracht. Danach kam sie von einer Anstalt in

die nächste, auch nach Dresden. 1939 wurde sie zwangssterilisiert, wie es das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nach-wuchses verlangte. Danach nahm das Drama seinen tödlichen Verlauf. Am 1. September desselben Jahres trat der Eu-thanasiebefehl Hitlers in Kraft. Unheil-bar Kranke, auch Geisteskranke sollten den „Gnadentod“ bekommen. 1941 kam sie in ihre letzte Anstalt, das war Wiesengrund in Tschechien. Im August des Jahres verstarb sie, offi ziell hieß es Lungenentzündung. Die tatsächliche Todesursache dürfte dagegen eine Man-gelversorgung und bzw. oder die Tötung durch Medikamente gewesen sein.

Es bedarf noch viele solcher Denk-anstöße damit die Geschich-te nicht in Vergessenheit ge-rät. Das ist unsere Verpflichtung.

Renate Herfert ist Mitglied im Ortsvor-stand der LINKEN in Plauen

“Der Kießling kann das, der wäre gut für uns!”Stadtrat Tilo Kießling ist auf dem Stadtparteitag der LINKEN. Dresden zur Bundestags-wahl 2017 als Direktkandidat im Wahlkreis Dresden II gewählt worden. Ein Gespräch über das, was nun kommt.

Foto: Robert Wünsche

Foto: Archiv

Page 5: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

Fraktion im Dresdner Stadtrat

Vom konservativen Selbstbild Dresdens

DRUCKSACHE #09 0302

N o v e m b e r 2 0 1 6

Tilo Wirtz

1116

Newsletter

04 Die Prießnitz für alleJacqueline Muth

www.linke-fraktion-dresden.de

Wohnen in Dresden muss bezahlbar bleibenBeim sozialen Wohnungsbau herrscht in Sachsen seit Jahren Stillstand. Der Trend der Vorjahre setzt sich fort. Wie eine schriftliche Frage von mir an die Bundesregierung zu Tage förderte, wurde auch 2015 im Freistaat keine einzige Sozialwohnung gefördert. Das sächsische Innenministerium gibt in-zwischen zu, dass es zwischen 2000 und 2015 schlicht keine Notwendigkeit sah, in den sozialen Wohnungsbau zu inve-stieren. Doch gerade Dresden ist das be-ste Argument dafür, endlich einen Neu-start im sozialen, gemeinnützigen Woh-nungsbau zu starten. Zwischen 2009 und 2014 um ganze 34 Prozent. Damit ist Dresden nicht nur trauriger Spitzenreiter in Sachsen beim Thema Mietenexplosi-on, sondern kann auch mit vielen west-deutschen Städten locker „mithalten.“

Sicher: In Dresden haben wir noch kein Mietniveau wie in Hamburg, München Berlin, aber wir sind auf dem besten Weg dahin. Und es sollte nicht verges-sen werden, dass auch mal Berlin für bezahlbares Wohnen bekannt war. Das kann auch in Dresden schnell kippen.

Die Folgen sind bekannt: Wer sich das Leben in der Innenstadt nicht mehr leisten kann, wird an den Stadt-rand verdrängt. Im schlimmsten Fall droht sogar die Obdachlosigkeit. Fast 1000 Zwangsräumungen gab es im vergangenen Jahr in Dresden. Damit fand jede fünfte Zwangsräumung in Sachsen in der Landeshauptstadt statt.

Was an sozialem Wohnungsbestand im gesamten Freistaat noch da ist, ver-schwindet zusehends. 2013 waren nur noch 7.000 von einstmals über 200.000 Sozialwohnungen übrig. Wie viele es mittlerweile sind, kann oder möchte mir die Bundesregierung nicht mehr beantworten. Vieles spricht jedoch da-für, dass die Abwärtsspirale weiter geht.

Auf der anderen Seite ist Sachsen ganz vorn dabei, wenn es um den Abriss geht. Im Rahmen des euphemistisch betitelten Bundesförderprogramms „Stadtumbau Ost“ wurden allein in Sachsen zwischen 2012 und 2014 fast 14.000 Wohnungen abgerissen. Damit liegt Sachsen an der Spitze aller ostdeutschen Bundesländer. Der Bund stellt jedes Jahr Geld für den sozialen Wohnungsbau bereit. Allein Sachsen bekam über die Jahre jährlich

60 Millionen Euro von der Bundesregie-rung, um Sozialwohnungen zu bauen. Aber: Das Geld wurde anders investiert.

Schlusslicht im Neubau, Meister im Abriss. So lässt sich die Wohnungspo-litik im Freistaat auf den Punkt bringen. Der SPD-Innenexperte Albrecht Pal-las betont zudem, man wolle nicht die gesamten Mittel, die der Bund für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt, auch dafür ausgeben. Es gäbe ja immerhin noch andere Probleme. Eine skandalöse Aussage, wie ich finde.

Denn schon jetzt gibt die Landesre-gierung das Geld, was sie für den so-zialen Wohnungsbau bekommt, lieber für die Eigenheimförderung aus. 2014 ließ sie fast 25 Millionen Euro kom-plett verfallen. Bis heute gibt es kein Förderprogramm, mit dem in Dresden auch nur eine Sozialwohnung gefördert wurde. Ich hoffe, dass die angekündi-gte Richtlinie nun endlich kommt, fast alle Bundesländer waren da besser.

Für Dresden sieht die Landesregie-rung ca. 20 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau vor. Klingt viel, wird aber nur für ein paar hun-dert Wohnungen reichen und da-mit den Verlust kaum ausgleichen.In Dresden hat man aber verstanden und verlässt sich nicht auf die Landes-regierung. Die Mehrheit aus LINKEN, SPD, Grünen und Piraten setzten wie-der verstärkt auf den sozialen Woh-nungsbau. Eine neue städtische Woh-nungsbaugesellschaft soll gegründet werden, noch in diesem Jahr 800 neue und bis 2025 insgesamt 8.000 neue bezahlbare Wohnungen entstehen.

von Caren LayOft wird der rot-grün-roten Rathauskooperation vorgewor-fen, bei Bauprojekten, insbe-sondere im Wohnungsbau zu sehr auf die Bremse zu treten.

Mehr Wohnungen zu fordern und dann bei Projekten wie Hafen-city und Marina Garden einen Gang zurückzuschalten — das widerspreche sich doch, meinen da eifrige Kommentatoren. Da-bei ist diese Haltung nur eines: konsequent. Denn: Für Luxus-wohnungen braucht es keine rot-grün-rote Stadtratsmehrheit. Und wenn diese entgegen aller Vernunft im Hochwassergebiet hochgezogen werden sollen, dann leisten wir Widerstand.

Wir wollen etwas anderes: Wir wollen bezahlbaren Wohnraum überall in der Stadt — Mietwohn-raum für untere Einkommens-schichten, für Familien, Senio-rinnen und Senioren, Menschen mit Behinderung. Wohnprojekte bedeuten für Investoren unter diesen Bedingungen weniger Profi t. Umso mehr ist Dresden ge-fordert, endlich selbstbewusster gegenüber Investoren und Woh-nungsspekulanten aufzutreten, um Mindestanforderungen an sozialer Durchmischung und an Bedarfsgerechtigkeit zu formulieren. Wir können und sollten es uns endlich leisten.

Deshalb haben wir in der letzten Stadtratssitzung den Verkauf eines 7000-m²-Grundstücks am Sach-senplatz abgelehnt, um es für den kommunalen Wohnungsbau zu erhalten. Deshalb pochen wir bei Luxusprojekten wie Hafencity auf den Hochwasserschutz. Und des-halb bauen wir wieder kommu-nale Wohnungen. Es ist auch das Kräftemessen zwischen privaten Investoren und öffentlicher Hand, zwischen einer Stadtratsmehrheit für öffentlichen, sozialen Woh-nungsbau auf der einen Seite und einem neoliberalen Privatisie-rungsblock auf der anderen Seite des Stadtrats. Wir haben die He-rausforderung angenommen, weil wir wissen: die Dresdnerinnen und Dresdner stehen hinter uns.

Kommentar

von André Schollbach

Ko

MdB Caren Lay ist stellvertretende

Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Mieten-, Bau- und

Wohnungspolitik von DIE LINKE. Im

Bundestag

Foto: Petra Discherl / pixelio.de

Page 6: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

LINKE Fraktion 11 / 20162

Mit diesem Newsletter informiert DIE LINKE. Fraktion gleich im Anschluss an die aktuelle Ratsitzung alle Interessenten per Mail über die wichtigsten Entscheidungen des Stadtrates: www.linke-fraktion-dresden.de/presse/newsletter

Page 7: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

LINKE Fraktion11 / 2016 3

Vom konservativen Selbstbild Dresdensvon Tilo Wirtz

Die gegenwärtige Stimmung in der Stadt steht am vorläufi gen Ende eines dreihundertjährigen Niederganges

Die These ist gewagt und genauso ge-wagt ist es, in der Öffentlichkeit das Selbstverständnis und den Ruf Dresdens mit einem so dicken Fragezeichen zu versehen. Aber in der Tat spricht einiges dafür, dass die Selbstwertzweifel und die Skepsis gegenüber fast jeder Art von Zukunft und Moderne in der Stadtgesell-schaft damit zu tun haben, dass dreihun-dert Jahre lang die Zukunft nichts Gutes mehr brachte, vielmehr am Ende immer eine neue Etappe des Niederganges und des Bedeutungsverlustes, ja am Ende der Zerstörung stand. Daraus folgt das Bestreben, dass neuer Glanz nur aus der Revitalisierung der Vergangenheit ent-stehen könne. Lässt sich dies belegen?

Dreihundert Jahre konsequent auf der Verliererseite

Der Zenit der Macht und des Reichtums Sachsens und seiner Hauptstadt Dresden wird allgemein mit Kurfürst Friedrich August I., genannt „der Starke“, identi-fi ziert, nachdem der sächsische Kurfürst 1697 in Personalunion zum König von Polen gekrönt wurde. Sachsen stand in der Reihe der europäischen Großmächte auf Augenhöhe. Der sächsische Hof und die hier in Dresden lustwandelnden Eli-ten überboten sich in der Zurschaustel-lung von märchenhaften Reichtümern, Verschwendung und Pomp, während auf der Kehrseite die Untertanen bru-tal unterdrückt und ausgebeutet wur-den. Doch der erfolgreiche Griff nach der polnischen Königskrone war mit dem Verzicht auf die Führung der pro-testantischen Reichsstände verbunden, eine Rolle, die bezeichnenderweise Brandenburg-Preußen übernahm, da der sächsische Hof zur Erringung der Macht im katholischen Polen zum Ka-tholizismus übertreten musste. Polen wurde fi nanziell zum Fass ohne Boden. Außerdem blieb der Thron in Polen nicht unumstritten. Wie dem auch sei, im Stadtbild Dresdens zeugen bis heu-te identitätsstiftend unter anderem der Zwinger, das Taschenbergpalais und das Grüne Gewölbe mit den Preziosen des Hofjuweliers Melchior Dinglinger von der Pracht- und Machtentfaltung jener Epoche, später kamen die Katholische Hofkirche und die Frauenkirche hinzu.

Beginn des Verfalls – Siebenjähriger Krieg

Schon ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass Sachsen-Polens Lage nicht unhei-kel war, befand sich doch Sachsen ein-gezwängt zwischen Brandenburg-Preu-ßen im Norden und Österreich im Sü-den, während Polen noch zusätzlich die Begehrlichkeiten Russlands und Schwe-dens weckte. Schon der Sohn Augusts des Starken, der in der beschriebenen Situation unterschiedlicher Interessen mehrerer konkurrierender europäischer Großmächte versuchte, seine Positi-on mit Hilfe der Waffen zu bewahren, verlor im Ergebnis des Siebenjährigen Krieges Polen wieder, während Sach-sen von den Brandenburgern besetzt war und für einen erheblichen Teil der Kriegskosten beider Seiten aufzukom-men hatte, was zu einer nachhaltigen Verarmung und Verschuldung führte.

Die Zeit der französischen Revoluti-on und der napoleonischen Kriege

Nach dem Siebenjährigen Krieg hat-te Sachsen für ein halbes Jahrhundert sein Pulver verschossen und die Kriegs-folgen zu bewältigen. Hielt es sich zu-nächst aus den Nachwirren der franzö-sischen Revolution heraus, wurde es 1806 bei Jena-Auerstädt von den Ent-wicklungen eingeholt. Im Ergebnis der diesmal gemeinsam mit Preußen verlo-renen Schlacht bei Jena geriet Sachsen im Rheinbund in die Abhängigkeit von Frankreich, rechtzeitig um den Zeit-punkt nicht zu verpassen, in dem Napo-leon seinerseits zu verlieren begann. Der Höhepunkt der Auseinandersetzungen fand vom Frühjahr bis zum Herbst 1813 in Sachsen statt und kumulierte in der so-genannten Völkerschlacht von Leipzig. Dass die sächsischen Truppen auf dem Schlachtfeld noch die Fronten wechsel-ten und zu den Verbündeten überliefen konnte nicht verhindern, dass Sachsen auf dem Wiener Kongress einmal mehr zur Verhandlungsmasse der europä-ischen Großmächte wurde. Nur knapp unter Verlust von zwei Dritteln seines Territoriums und eines Drittels seiner Bevölkerung konnte die Fortexistenz des Landes, nun immerhin mit „Geenich“ durchgesetzt werden. Wiederum hatte das Land und damit seine Residenzstadt Dresden an den Kriegsfolgen zu tragen.

Deutsche Einigung – wiederum konsequent auf der Seite der Ver-lierer

Zielsicher wie die anderthalb Jahrhun-derte bisher entschied sich Sachsen 1866 im Preußisch-Österreichischen Krieg zur Parteinahme für den späteren Verlierer Österreich. Das Lavieren zwi-schen verschiedenen Mächten hatte da-mit vorläufi g ein Ende gefunden, indem Sachsen und damit Dresden in das neue Deutsche Reich unter Führung Berlins eingebunden wurde. Neben dem poli-tischen Geschehen ist das neunzehnte Jahrhundert in Sachsen von einer stür-mischen wirtschaftlichen und damit sozialen Entwicklung gekennzeichnet. Neben dem Barock hatte bis 1945 vor

allem die Semperschule das Stadtbild in Dresden geprägt und später der Historis-mus der Gründerzeit. Charakteristisch für diese Epoche war der Widerspruch zwischen wirtschaftlichem Fortschritt und politischer Rückständigkeit und die Unfähigkeit, die sozialen Frage nach-haltig zu lösen. Am Vorabend des 1. Weltkrieges und damit des Unterganges der Herrschaft der Wettiner nach neun-hundert Jahren stand eine Verschuldung Sachsens aus der Übernahme der ban-krott gegangenen ursprünglich privat-wirtschaftlichen sächsischen Eisenbahn und ein Zensuswahlrecht, welches das Stimmgewicht nach Steueraufkom-men wertete und welches Frauen von vornherein von der Wahl ausschloss.

Die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts – von der Unsicher-heit in die völlige Zerstörung

Anders als bei der Bewältigung der Kriegsfolgen bisher kam nach 1918 der einmalige Bruch in der staatlichen Kontinuität in Sachsen dazu, nachdem die Herrschaft der Wettiner nach über neunhundert Jahren endete und die Re-publik ausgerufen wurde. Die Boden-schätze des Erzgebirges, jahrhunderte-lang Fundament für den Reichtum des Landes und damit Dresdens, gingen zur Neige. Zwar wurde im Dresdner Stadt-teil Übigau im 19. Jahrhundert die erste deutsche Dampflokomotive gebaut, allerdings 1926 in Chemnitz schon die letzte in Sachsen, denn nun zeigten sich Strukturschwächen in der sächsischen Wirtschaft, die in ihrer Kleinteiligkeit nicht mehr mit den Ruhrbaronen und der Berliner Konkurrenz mithalten konnte. Infl ation und Weltwirtschaftskrise trafen Sachsen und damit immer auch Dresden hart und bereiteten dem Faschismus den Weg, dessen Untergang mit wenigen Wochen Abstand von der fast völligen Zerstörung Dresdens begleitet wurde. 1945 hatte die Entwicklung Dres-dens damit ihren Tiefpunkt gefunden.

Die falschen Besatzer

1945 wurde das besiegte und weitge-hend zerstörte Deutschland in Besat-

zungszonen aufgeteilt, wobei Sachsen vollständig in den Machtbereich der sozialistischen Sowjetunion geriet. Be-reits daraus resultierte die Abwanderung von Menschen und Ressourcen in die Westzonen, woran sich seit der Grün-dung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zunächst nichts änderte. Ex-emplarisch für Sachsen ist das aus Leip-zig nach Frankfurt/Main abgewanderte Verlagswesen oder die Abwanderung von Audi nach Ingolstadt. Konsequent den Bruch mit der Vergangenheit wa-gend entschieden die nun die Macht ausübenden Sozialisten, Dresden mo-dern aufzubauen – und brüskierten da-mit die nach wie vor tonangebenden bürgerlichen Schichten in Dresden.

Vom vermeintlich warmen Nest der Wiedervereinigung in die kalte Luft der Globalisierung

Euphorisch, beispielhaft sind die Bilder vom 23.12.1989 vor der Ruine der Frau-enkirche, gingen Dresden und Sachsen in die Wiedervereinigung. Ein viertel Jahrhundert später zeigt sich, dass die Wiederrichtung von baulichen Sym-bolen vergangener Tage nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Stadt Ge-genstand von Kapitalinteressen ist, poli-tische Entscheidungen sich engen Rah-menbedingungen und Zielen der europä-ischen Bürokratie und den Optionen von Förderprogrammen unterwerfen müs-sen, während die kommunale Eigenstän-digkeit allenfalls auf dem Papier besteht. Dass ausgerechnet die in ihrer Substanz aus der geschmähten baulichen Leistung des Sozialismus bestehende WOBA Hauptziel des Verwertungsinteresses des „verzweifelt anlagesuchenden“ Kapitals ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Es ist Zeit, zu bilanzieren und die Stadt realistisch nach vorne zu denken, als eine unter gleichen, die gelernt hat, dass man gemeinsam mit anderen viel erreichen, gegen andere aber alles verlieren kann.

Foto: Ulrich Merkel / pixelio.de

Page 8: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

11 / 20164 LINKE Fraktion

kolumne

ganz hinten links

von Jens Matthis

mne

n

[email protected]

ImpressumHerausgeber: Fraktion DIE LINKE Dr.-Külz-Ring 19, 01067 DresdenE-Mail: [email protected]. André SchollbachSatz und Layout: Max Kretzschmar Mitarbeit an dieser Ausgabe: Thomas Feske, Tilo Wirtz, Jens Matthis, Caren Lay, André Schollbach, Jacqueline MuthFotos: pixelio.de, Max KretzschmarDruck: Lausitzer Rundschau Druckerei CottbusAufl age dieser Ausgabe: 6.000 ExemplareVertrieb: Schneller ist besser! Logistik GmbH - Siblog

Die Prießnitz für alleMenschen in ihre Stadtteilentwicklung einzubeziehen, ist eines der Hauptanliegen linker Politik. Jacqueline Muth beschreibt anhand der Prießnitzaue in der Dresdner Neustadt, wie frühzeitige Beteiligung der Anwohner_innen gelingen kann.

von Jacqueline MuthNachfragen lohnt sich und auch, sich einzubringen bei The-men im eigenen Stadtteil .So stellte ich mir jüngst die Frage, wa-rum eigentlich bei einer angekündigten Maßnahme zum Hochwasserschutz in der Äußeren Neustadt zuerst die früh-zeitige Einbindung der Bevölkerung so gar nicht geplant war. Immerhin handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in die Umgebung des kleinen Flüsschens Prießnitz und immerhin kennen viele Neustädter_innen diese Prießnitz und dürften sich sehr wun-dern, wenn da „plötzlich“ Bagger rollen.

So erfuhr ich zunächst, das Vorhaben sei zweimal im Ortsbeirat vorgestellt wor-den. Und außerdem sei die Maßnahme dringlich, unverhandelbar und auf einem noch sehr frühen Planungsstand. Leider befürchte ich (und weiß es aus eigenem Erleben), dass der Ortsbeirat mitnich-ten allen Bewohnern eines Stadtteils als öffentliche Sitzung vertraut ist. Das sollte sich ändern! Die Tagesordnung wird im Internet veröffentlicht, die Teilnahme an einer Sitzung kann mit-unter unterhaltsam sein. Wer die Tages-ordnung kennt, wer vielleicht mit den Ortsbeiräten des eigenen Vertrauens hin und wieder im Gespräch ist, kann die Sitzung sogar für interessant halten und erfährt hier Dinge, die am nächsten Tag erst in der Zeitung stehen (meist im kommunalen Teil) — oder eben gar nicht. Weil sie ja „nur die Bewohner eines einzigen Stadtteils interessieren“.

Wer Fragen hat, kann sich auch aus dem Publikum heraus melden und diese stellen oder auch Stellung beziehen zu gehörtem. Natürlich im gesitteten Rah-men. Zur Prießnitz-Umgestaltung jeden-falls vermutete ich mit einiger Sicher-heit, dass dieses Thema vielleicht mehr Menschen interessieren könnte als dieje-nigen, die mehr oder weniger verpfl ich-tet sind, am Ortsbeirat teilzunehmen.

Ich organisierte also einen Themena-bend dazu und lud die Projektverant-wortliche aus dem Umweltamt als Sachverständige ein. Frau Hornung kam mit dem Abteilungsleiter Herr Seifert,

seinerseits Experte auf dem Gebiet des Hochwasserschutzes. Zusätzlich kamen etwas 25 Gäste, eine ordentliche Anzahl Interessierter. Erste Etappe des Abends war eine Vorortbegehung, die bereits sehr informativ war und viele Rückfra-gen klären konnte. So erfuhren wir, an welchen Stellen die Ufer der Prießnitz besonders zerstört sind, welche Bäu-me gesund, welche schon sehr alt sind.In der Diskussionsrunde in der Wir AG wurde dann auch klar, mit welchem Interesse die Gäste kamen. Eine Ver-tretergruppe der Kleingärtner schil-derte ihre Sorgen: ihre Gärten werden womöglich verschwinden müssen, Ersatz werde durch die Stadt gesucht. Falls möglich, wollen sie ihre Gär-ten behalten, oder zumindest nicht zu weit entfernt „umgesiedelt“ werden.

Einige Hausbesitzer informierten sich interessiert, inwiefern die Maßnah-men ihre Grundstücke betreffen. Ei-nige Vertreter_innen des „Neustadt Art Festival“ wollten gern wissen, inwiefern das alljährliche Kunste-vent in Zukunft Einschränkungen oder womöglich neue Möglichkeiten erfährt - ist doch der geplante Ab-schnitt regelmäßiger Veranstaltungsort.

Einige Anwohner_innen informierten sich ganz allgemein über die Maßnah-me — man will ja schließlich auf dem Laufenden bleiben. Ich bin sehr froh und dankbar, die unterschiedlichen Inte-ressengruppen auf diese Weise kennen-gelernt und gleichzeitig zum Austausch und zur Diskussion beigetragen zu ha-ben. Wer weiß, was im eigenen Kiez stattfi ndet — nicht nur die Probleme, auch die Möglichkeiten — wird schnell erkennen, wo er oder sie sich einbringen kann und will. Frühzeitige Beteiligung wird so fast automatisch dazu führen, dass Stadtentwicklung unter Einbezie-hung der Bevölkerung stattfi ndet und nicht über deren Köpfe hinweg. Wich-tig dabei ist, zu verstehen, dass Ein-beziehung zu einem frühen Zeitpunkt zwar die meisten Möglichkeiten bietet zur Einbindung von Ideen und Wün-schen. Zugleich sind hier aber auch die Unsicherheiten noch groß: Planungen sind noch abstrakt, Zeitpläne können sich ändern, Auskünfte sind vage. Hier braucht es Umsicht und Verständnis von beiden Seiten: durch die Planenden wie auch die Betroffenen. Wichtig ist in jedem Fall, dass hier Gespräche entste-hen, Kontakte geknüpft, Erkenntnisse gewonnen werden. Darauf kommt es an.

Dresden ist eine libe-rale Stadt. Jedenfalls ganz im Allgemeinen.

Liberal kommt von latei-nisch „liber“. Und „liber“ heißt zu deutsch „frei“.

Deshalb nennt sich ja in Deutschland die Freie Demo-kratische Partei auch Die Li-beralen. Oder auch umgekehrt.

Zum Beispiel hat Dresden einen liberalen Oberbürger-meister. Der hat sich die Frei-heit genommen, als Oberbür-germeister zu vielen Dingen frei seine Meinung zu sagen. Manches war seltsam, manches auch zweifelhaft. Vieles aber auch goldrichtig. So teilte er nach dem Desaster vom 3. Oktober unmissverständlich mit: „Meinungsfreiheit muss-te für vielerlei herhalten in letzter Zeit, gerade in unserer Stadt. Meinungsfreiheit ist unerlässlich für eine demo-kratische Gesellschaft. Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine Demokratie. Sie funktioniert aber auch nicht ohne einen achtsamen und respektvollen Umgang miteinander, ohne die Achtung der Menschenwürde.“ Das sind klare Worte.

Der gleichen liberalen Partei wie der Oberbürgermeister gehört seit vielen Jahren aber auch ein Stadtrat an, der sich als eifriger Unterstützer und Stichwortgeber von PEGIDA einen Namen gemacht hat, der sich die Freiheit nimmt, im Stadtrat und im Internet kräftig Stimmung zu machen und so ziemlich jede Falschmeldung weiter zu verbreiten. Trauriger Höhepunkt war die Unterstüt-zung für einen obskuren Ver-ein, der sich urplötzlich für DEUTSCHE Obdachlose und Bedürftige interessierte, sonst eigentlich keine FDP-Ziel-gruppe. Als die Dresdner Tafel die Unterstützung versagte, weil es offensichtlich darum ging, hier Obdachlose und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen, musste sich der Chef der Tafel dafür von diesen Verein Beschimpfungen und Todeswünsche gefallen lassen. Und besagter FDP-Stadtrat widerspricht noch nicht ein-mal, geschweige denn, dass er andere Konsequenzen ziehen würde. Dresdner Liberalität.

Manuela Sägner u. Cornelia Eichner02.11.201616:30 bis 18 UhrRathaus Plauen

Tilo Wirtz 10.11.201616 bis 18 UhrStadtteilladen Sofa 9 Stresemannplatz 9

Pia Barkow u. Maurice Devantier15.11.201615 bis 16:30 UhrElbcenter, Leipziger Str. 121

Kerstin Wagner 17.11.201612 bis 14 Uhr Wasaplatz

Tilo Kießling18.11.201615 bis 17 UhrSchillerplatz

Termine im November

Termine im November

Die Prießnitz im Dresdner Stadtteil Albertstadt Foto: wikipedia.org

Page 9: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

linksjugend [’solid] DresdenSeite 9 11 / 2016

Canvassing - Haustürgespräche in ProhlisUm mit Anwohner*innen ins Gespräch über Sorgen, Nöte und Wünsche zu kommen, wurde eine bundesweite Ak-tion des aufsuchenden „Wahlkampfs“ mit Beginn in Dresden gestartet. Ge-spräche an Haustüren, auch vor der hei-ßen Wahlkampfphase, sollten es werden.

Ziel war es, einerseits als Partei DIE LINKE bürgernah zu agieren und so Menschen für die Partei zu begeistern, aber andererseits auch für uns selber zu wissen, was die Menschen bewegt und was wir uns für unsere Arbeit und unser Engagement zu Herzen nehmen müssen.

Zuerst bin ich wie andere auch mit gemischten Gefühlen an die Sache herangegangen, es schwirrten Frage im Kopf, wie es denn auf die Men-schen wirkt, wenn auf einmal frem-de Menschen vor der Haustür stehen und mit einem reden wollen, und ob es denn zu unser eigenem Nutzen ist.

Auf der anderen Seite ist es eine neue Art um mit Bürger*innen in Kontakt zu kom-men, etwas Neues, was noch entdeckt werden muss — diese Möglichkeit hatte mich dann doch gereizt teilzunehmen.

Stattgefunden hat dann alles am 24. September, einem Samstag, am Vor-mittag und zum späten Mittag, danach gab es noch eine Auswertungsrunde in den Räumen eines Stadtteilprojektes.

Doch bevor wir überhaupt starten konn-ten fand ein intensives Training am Vortag statt, dort beschäftigten wir uns mit den Zielen der Haustürgespräche, möglichen Gesprächsthemen, die in

Prohlis angesprochen werden können und wir übten mehrere Gesprächsdurch-läufe anhand eines Leitfadens, der von der Bundesebene erstellt worden war.

Bis dahin hatte ich mit einer großen Unsicherheit zu kämpfen, da es schon was anderes ist mit Fremden — spezi-ell über Politik — zu reden, was ich sel-ber so noch nie gemacht habe. Jedoch war dieses Training eine super Vorbe-

reitung, da man so auch noch Fehler machen und sich auf mögliche Ant-worten und Fragen vorbereiten konnte.

Am nächsten Tag ging es dann auch sofort los, die meisten Ehrenamtlichen sind in 2er-Teams vor die Haustüren, aber auch einzeln. Am Ende jedes Ge-spräches war es unser Ziel, die Men-schen zu einem Polit-Frühstück mit Katja Kipping und Margot Gaitzsch ein-zuladen (welche sich auch an der Aktion beteiligt haben), um so die Möglichkeit zu einem direkten Gespräch zu geben.Während der Gespräche habe ich gemerkt, dass es keinen Grund zur Unsicherheit oder Besorgnis gibt.

Insgesamt ist die Aktion meiner Mei-nung erfolgreich verlaufen, es kam zu interessanten Gesprächen und wich-tigen Information für uns und die Partei.Ich denke, dass man offener mit dieser Art von Kommunikation und Kontakt zu Anwohner*innen sein sollte und man es auch wiederholen kann und soll.

Florian ist 16, Schüler am Gymnasium, Mitglied im Koordinierungskreis der Linksjugend Dresden und Parteimitglied.

Georg, als ich Dich um das Inter-view gebeten habe, war Deine erste Reaktion „Ja, wenn das für euch relevant ist.“ Gegenfrage: Warum sollte es nicht?

Georg Wehse: Zum einen, weil sich der Großteil der fußballverrückten Dresdner für den Glamourfußball eines anderen Vereines interessiert und andererseits der triste Fußballalltag eines Dresdner Siebtligisten nicht die Bühne bietet, um die großen und kleinen politischen Fra-gen der Zeitgeschichte zu diskutieren.

Wie bist Du zum DSC gekommen?

Vor 16 Jahren wurde ich schon mal zu einem Testspiel geschleift, es spielte Laubegast gegen Hertha BSC im Phi-lipp-Müller-Stadion. Wie alle jagte ich den Autogrammen von Preetz und Co. hinterher, die blau-gelben Dresdner blieben aber blass. Ganz anders war das, als meine Freundin und ein Kum-pel fragten, ob ich mit ins Rudolf-Har-big-Stadion kommen wolle. Der dahin-siechende Stadtprimus spielte gegen die Wiederauferstandenen. Mein Vater wollte mich zunächst nicht gehen las-sen, weil er dachte, der BFC gastiere. Als ich ihn aufklärte, dass der Sport-club spiele, ließ er mich ziehen. Das Derby endete 2:2. Meine Eltern muss-ten also entscheiden und mir ein Tri-kot auf den Gabentisch legen. Dieses war letztlich gestreift in schwarz-rot.

Nun sitzt Du in der Abteilungslei-tung Fußball und übernimmst dort die Fanbetreuung. Klingt toll, aber was steckt dahinter?

Das stimmt nicht ganz. Ich vertrete die Fans im Vorstand und bin für die Kom-munikation zuständig. Fanbetreuung im

klassischen Sinne ist beim familiären Ambiente des DSC weniger von Nöten. Dafür ist der Sportclub bei vielen seiner Projekte auf Unterstützung durch Fans angewiesen. Andererseits darf ich mich im Vorstand auch um die Mitgliederbe-treuung kümmern. Das ist leider nicht

so einfach, da uns das Herzstück jeder Vereinsarbeit fehlt – das Vereinsheim. Gemeinsame Stammtische, Spielea-bende oder andere Veranstaltungen lassen sich so nur schwer organisieren.

Stichwort Fankultur: Was bedeutet das für Dich?

Die Fußballwelt ist in so mancherlei Hinsicht zu einer Parallelwelt verkom-men. Das ist keine neue Entwicklung. Fußball ist vor allem eine von Männ-lichkeitsritualen bestimmte Kultur, zu der man am Wochenende stößt, um mal richtig die Sau raus zu lassen: Etwa, um die ungeliebten Fans des Gegners als „Juden“ und die gegnerischen Spieler als „Schwuchteln“ zu diffamieren. Wer dagegen ankämpft, ist schnell der Nest-beschmutzer. Diejenigen, die Probleme beim Namen nennen, werden oft als die eigentlichen Probleme betrachtet. Ich

bin froh, dass es beim DSC einen Kon-sens gibt, der jegliche Form der grup-penbezogenen Menschenfeindlichkeit sowie Gewalt ablehnt. Wir kommen ins Stadion, um unsere Mannschaft zu unterstützen und nicht, um den Gegner zu schmähen. Selbstironischer und po-

Familiär statt FußballglamourDer frühere Linksjugend-Vorsitzende Georg Wehse engagiert sich als Fußballtrainer beim Dresdner Sportclub (DSC). Anders als bei manchem großen Verein steht der Siebtligist für eine tolerante und selbstironische Fankultur.

von Florian

sitiver Support sind unsere Leitlinie. Außerdem organisiert der DSC tolle Events, wie das Kick-Racism-Turnier in Zusammenarbeit mit dem Auslän-derrat, das in diesem Jahr die fünfte Auflage hatte! Andererseits spielen wir mit unserer Freizeitmannschaft ge-gen Refugee-Teams, was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, aber lange kein gesellschaftlicher Standard. Denn vom Verein in ihrem Stadtteil wurden die Jungs leider mit dem Verweis auf ihren nationalen Charakter abgewiesen.

Vor ein paar Jahren warst Du als Vorsitzender der Linksjugend Dresden aktiv: Was ist der größte Unterschied zwischen einem Ehren-amt im politischen und sportlichen Bereich?

Die Debattenkultur ist eine andere. Im Jugendverband waren die Leu-

te zum großen Teil in der Lage, sich an Regeln zu halten, um konstruktive Debatten zu führen. Da die meisten Menschen, die einen Fußballverein mitgestalten, keine jahrelangen Er-fahrungen in der Gremienarbeit ha-ben, ist es manchmal schwieriger, eine zielführende Sitzung abzuhalten.

Engagement, gerade im Ehrenamt, lebt ja meist von einer Vision: Wo steht der DSC mit Dir in 5 Jahren?

Ohne Moos nix los. Angesichts unserer Konkurrenzsituation – wir spielen mei-stens gegen Mannschaften aus dem ländlichen Raum Ostsachsens – ist es schwierig, konstant ein Niveau zu hal-ten. Der soziale Zusammenhalt in den ländlichen Gemeinden ist höher und die Bereitschaft des lokalen Tycoons, mal ein paar Cent in seinen lokalen Club zu stecken, ist eher vorhanden als in Dresden. Stattdessen spielen für uns meist zugezogene Studenten. In den Grenzgebieten Sachsens sind es dagegen oft Polen und Tschechen, die hoffen, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Sie betrachten ihre Clubs als Sprungbrett ins gelobte Land. Den-noch hat das Ganze seinen Charme. Vor kurzem gastierten wir in der sorbischen Metropole Crostwitz. Die sorbischen Ansagen versprühten Europapokalfl air und die Herzlichkeit der sorbischen Minderheit war unglaublich. Ich hoffe außerdem, dass sich unsere Fanszene weiter positiv entwickelt. Diese hat sich in den letzten Jahren stark verändert, vor allem extrem verjüngt. Es wäre schön, wenn sich noch mehr Menschen für unsere Fankultur begeistern könnten.

Interview: Silvio Lang

Fair, familiär, fußballverrückt: Der Nachwuchs spielt von A- bis G-Jugend und bei den Minis

Infos zum DSC im Internet: dresdner-sc.de

Mit Katja Kipping (Bildmitte) und Wahlkreisstadträtin Dr. Margot Gaitzsch (ganz rechts) beim Klinkenputzen in Prohlis Foto: Uwe Schaarschmidt

Foto: dresdner-sc.de

Page 10: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

ImpressumHerausgeber: DIE LINKE. DresdenGroßenhainer Straße 93, 01127 Dresden, Tel.: 0351 8583801 Fax: 0351 8583802, www.dielinke-dresden.deE-Mail: [email protected]. Jens MatthisSatz und Layout: Max KretzschmarMitarbeit an dieser Ausgabe: Silvio Lang, Jens Matthis, Maximilian Kretzschmar, Uwe Schaarschmidt, Stefanie Götze, Katja Kipping, Renate Herfert, Initiativgruppe be-trieb&gewerkschaft, Florian, Carsten Frerk, Ursula ZierzFotos: Pixelio.de, Lausitzer Rundschau Druckerei GmbH, CottbusAufl age dieser Ausgabe: 6.000 Exemplare, Vertrieb: Siblog, Schneller ist besser!

Interkultur11/ 2016 Seite 11

Gut gestartet!Landesarbeitsgemeinschaft Asyl und Migration

Bereits im Februar dieses Jahres fand das erste Auftakttreffen der Landes-arbeitsgemeinschaft Asyl und Migra-tion im Haus der Begegnung statt. Die Initiatorinnen Juliane Nagel und Cornelia Ernst luden zu einem ersten Vernetzungs- und Aktivierungstreffen ein. Ziel war die Verständigung über gemeinsame Vorhaben und Schwer-punkte, zusammen mit Genoss*innen und Sympatisant*innen, die im Be-reich der Flüchtlings- und Migrations-politik aktiv sind. Daraus erwachsen ist die Konzeption und Entwicklung eines Standpunktepapiers zur Integra-tion und Teilhabe von Migrant*innen. Sowohl die sächsische Staatsregierung als auch der Landesverband von Bünd-nis 90/ Die Grünen arbeiten bereits an solchen Konzepten. Zugleich existieren in der LINKEN sowohl auf Bundes- und Landesebene sowie lokal, integrations/migrationspolitische Konzepte. Für die Erarbeitung eigener Positionen wollen wir das Paper dabei langfristig nicht nur in einem kontinuierlichen Prozess einbinden und fortschreiben, sondern mit unterschiedlichen Strukturen, auch innerhalb unserer Partei, gemeinsam diskutieren und weiterentwickeln.

Dabei geht es weniger um eine Orien-tierung an Detail-Integrationskonzep-ten sondern um die Entwicklung einer gemeinsamen Idee von Zuwanderung und gleichberechtigter Teilhabe. Kon-kret werden zu unterschiedlichsten Gesichtspunkten unseres gesellschaft-lichen und politischen Lebens migra-

tions-und integrationspolitische Frage-stellungen besprochen, u.a. Rassismus und Diskriminierung, Gleichstellung und besonders Schutzbedürftige, Inte-gration in den Bereichen Arbeit, Bil-dung und Sprache sowie die speziellen Rahmenbedingungen in Sachsen und auf europäischer Ebene. Dazu stehen

von Anja Eichhornbereits erste fertige Bausteine, die in den kommenden Wochen weiter prä-zisiert werden sollen. Eine eigens da-für gegründete Redaktionsgruppe ko-ordiniert den redaktionellen Prozess. Ziel ist eine Fertigstellung des Papiers bis voraussichtlich Ende des Jahres.

Das nächste Treffen wird voraussicht-lich Mitte November in Dresden stattfi n-den. Eingeladen sind alle Interessierten, die Lust haben sich an den Prozessen und gemeinsamen Debatten zu betei-ligen. Ein herzliches Dankeschön gilt an dieser Stelle Kristin Hofmann in der Stadtgeschäftsstelle und dem Stadtver-band in Dresden für die Unterstützung und die Bereitstellung der Sitzungsräu-me. Solltet ihr Fragen haben, dann mel-det euch unter: [email protected]. Ansprechpartner*innen sind MdL Juliane Nagel und Anja Eichhorn im Europabüro Conny Ernst. Schreibt uns gern! Der genaue Termin für das näch-ste Treffen wird zeitnah über die ent-sprechenden Verteiler bekannt gegeben. Wir freuen uns in jedem Fall auf weitere konstruktive Treffen und die spannende Zusammenarbeit.Foto: Takver – Refugees Welcome Ballons/ Welcome refugees balloons - Refugee vigil Broad-

meadows (Creative Commons)

Helft Kuba, die furchtbaren Zerstörungen zu lindern!Der Hurrikan Matthew wütete auf Kuba besonders in den Provinzen Camagüey, Las Tunas, Holguin, Granma, Santiago de Cuba und Guantanamo. Der Balkon des Ostens stand damit ständig unter Alarmbereitschaft. 230.000 Personen wurden evakuiert und in provisorische Unterkünfte, die sich in 235 Zentren sowie in Wohnungen von Angehörigen und Nachbarn befi nden, untergebracht. Es entstanden verheerende Schäden an Wohngebäuden, Einrichtungen, Stra-ßen, der Infrastruktur, so dass viele Menschen vor dem Nichts standen und stehen. Durch die gut organisierte und trainierte Katastrophenhilfe des Staates mit der Bevölkerung, die Unterstützung der staatlichen-, zivilen- und militä-rischen Kräfte sind keine Menschenle-ben zu beklagen. Das ganze Land eilte zu Hilfe. In Baracoa trafen Brigaden unterschiedlicher Bereiche ein, um die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten und mit dem gesamt-en Wiederaufbau zu beginnen. Unter den Zerstörungen, die der Hurrikan Matthew angerichtet hat, ist besonders die Brücke über dem Toa Fluss her-vorzuheben. Von der ursprünglich 200

Meter langen Brücke sind nur noch 50 Meter übrig geblieben, was verdeutlicht, in welchem Zustand sich die gesamte Ortschaft befi ndet. Die Helfer kom-men beim Säubern der unterbrochenen Straßen, den Sanierungsmaßnahmen in den Ortschaften, der Müllabfuhr, dem Zersägen zu Boden gefallener Bäume und ähnlichen Aufgaben zum Einsatz.Obwohl Kuba selbst von Hurrikan „Matthew“ schwer getroffen wurde, leistet das Land inzwischen seit dem 08.10.2016 mit „38 medizinischen Angehörigen der 24. Brigade des Internationalen Kontingents „Hen-

AG Cuba Si Dresden/ DIE LINKESpendenkonto bei der Ostsächsische Sparkasse Verw.- Zweck: „Milch für Kubas Kinder/ GuantanamoIBAN: DE93 850 50 300 312 018 3074

von Ursula Zierz

ry Reeve“ einen Hilfseinsatz gegen Seuchen und Katastrophen“ in Ha-iti, wo bereits 100 Menschen durch Matthew ums Leben kamen und wo indessen die Cholera ausgebrochen ist.

Als AG Cuba Si Dresden schließen wir uns dem Aufruf des Netzwerkes „Kuba in Deutschland“ an und appellieren an alle Leser, durch eine Spende die ver-heerenden Schäden in Kuba zu lindern und den Solidaritätseinsatz der kuba-nischen Mediziner auf Haiti zu unter-stützen. Auch kleine Beiträge helfen!Saludos solidarios!

Cuba Si informiert

In Dresden gibt es in der LINKEN seit einiger Zeit keine Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft mehr, die sich in die Arbeit der entsprechenden Landes-AG einbringen könnte. Dieser Zustand ist für unsere Dresdner Stadt-parteiorganisation mehr als bedauer-lich, denn es gibt massenhaft Themen, in denen linke gewerkschaftliche Posi-tionen zunehmend untergehen. Einige Beispiele dafür: Allgemeine Tariffl ucht und damit zusammenhängende Loh-nungleichheit Ost/West. Knappe Per-sonalbemessung und einkalkulierte Arbeitshetze wie zum Beispiel in den Krankenhäusern. Europäische Solidari-tät in und durch Gewerkschaftspolitik. Kritische Konsum- und Vergabepolitik. Mangelnde Möglichkeit, gegen syste-matische Benachteiligung vorzugehen, wie mit einem Verbandsklagerecht. Ein Termin für unser erstes Treffen wird in naher Zukunft bekannt gege-ben. Auch wer am 19. 11. 2016 an der Gesamtmitgliederversammlung der Landes-AG betrieb&gewerkschaft in Leipzig (11.00 Uhr in der GEW-Ge-schäftsstelle, Nonnenstraße 58) teil-nehmen möchte, kann sich wegen ei-ner Mitfahrgelegenheit gern melden.

(IG betrieb&gewerkschaft)

Neugründung der AG betrieb&gewerkschaft in Dresden

Die neue AG Internationaltreff der LIN-KEN in Dresden darf unsere auslän-dischen Mitbürger zum multikulturellen Austausch herzlich willkommen heißen.In einer solidarischen Atmosphäre wer-den alltägliche und politische Themen auf Deutsch, Englisch, Russisch und und und diskutiert. Auch viele Fragen wer-den behandelt: Was kann ich persönlich bewegen? Wie kann ich mich in meiner neuen Heimat politisch engagieren? Wie

kann ich mich weiter entwickeln? Was heißt Solidarität bei den Linken? Und viel mehr. Unser Treffen fi ndet vom 18:00 bis 19:30 Uhr an jedem dritten Montag ab 14. November 2016 im Semi-narraum 2 im Johannstädter Kulturtreff e.V. in der Elisenstraße 35 in Dresden statt. „Einzeln sind wir Worte, zusam-men sind wir ein Gedicht“. Kommt und bringt eure Freunde und gute Laune mit!

„Einzeln sind wir Worte, zusammen sind wir ein Gedicht“

von Ruslan Yavorski

AG Internationaltreff in der Johannstadt gegründet

Der Johannstädter Kulturtreff in der Elisen-straße 35 in der Dresdner Johannstadt ist ein soziokulturelles Zentrum, in dem seit vielen Jahren ein vielfältiges interkultu-relles Programm zum Mitmachen einlädt.

Page 11: Sozialistische Monatsschrift für Dresden · tik mit dem Titelartikel von Caren Lay, sowie natürlich dem ver-gangenen Stadtparteitag und den Kreiswahlversammlungen. Katja und Tilo,

BlickwechselSeite 12 11 / 2016

Wie der Staat die Kirchen fi nanziertUm zu verstehen, warum man-che Dinge so sind, wie sie der-zeit sind, ist es oft sinnvoll, in der Geschichte zurückzuschauen.

Am 8./9. November 1918 meuterten die Matrosen der kaiserlichen Marine in Kiel gegen eine weitere Kriegsfüh-rung und trugen diesen Widerstand nach Berlin, nach München… wo sich Arbeiter- und Soldatenräte bildeten. Der Kaiser und die königlichen Lan-desherren sahen sich zum Rücktritt ge-nötigt und Philipp Scheidemann sowie Karl Liebknecht riefen die Republik aus.

Aus den Wahlen zur Verfassungs-gebenden Nationalversammlung in Weimar entstand ein ‚demokratischer Frühling‘ mit einer Mehrheit für SPD, Zentrum und Deutscher Demokra-tischer Partei (DDP). Unter den vie-len Fragen, die diese Nationalver-sammlung zu klären hatte, ging es auch darum, was mit der bestehenden Staatskirche und der „Einheit von Thron und Altar“ geschehen sollte.

Die Mehrheit war für eine Trennung von Staat und Kirche, oder, wie es ei-ner der wichtigsten Köpfe der Natio-nalversammlung, der Theologe Fried-rich Naumann von der DDP, pointiert sagte: „Freie Kirche im freien Staat!“ Das hieß dann in den Verfassungsar-tikeln „Es besteht keine Staatskirche“ (Art. 137, 1 WRV), die institutionelle Trennung, und „Die auf Gesetz, Ver-trag und besonderen Rechtstiteln be-ruhenden Staatsleistungen an die Re-ligionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf“ (Art. 138, 1 WRV), die fi nanzielle Tren-nung. Oder mit den Worten Friedrich Naumanns gesagt: „Was wir aber als Mitglieder der Kirche nicht mehr haben wollen, ist die Bezahlung der kirch-lichen Oberbeamten durch den Staat. Die Kirche muss sagen können: Wir wollen unsere Konsistorialräte selbst bezahlen. Also hier Schluss damit!“

Im Reichsministerium des Innern in Berlin machte man sich an die Arbeit und bereits am 25. Mai 1921 schickte der Reichsfi nanzminister einen vorläu-fi gen Gesetzentwurf für die Ablösung, d. h. Beendigung der Staatsleistungen an

seine Länderkollegen. Doch die bereits seit dem I. Weltkrieg ansteigende Infl ati-on, die seit Mitte 1922 schneller anstieg, explodierte im Januar 1923 zu einer Hyperinfl ation, die alle fi nanziellen Pla-nungen über den Haufen warf. Im Som-mer 1924, als Wirtschaft und Währung wieder Stabilität erreicht hatten, legte der Reichsfi nanzminister dann einen ausgearbeiteten Entwurf zur Ablösung der Staatsleistungen vor, der sich aber nicht gegen die mittlerweile geschaf-fenen Fakten behaupten konnte. Ende März 1924 hatte der Freistaat Bayern ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl vereinbart. Man hatte in Berlin beim Ju-

stizministerium angefragt, ob dagegen Einwände beständen und hatte ‚grünes Licht‘ bekommen – es war die kurze Amtszeit eines Politikers aus der Baye-rischen Volkspartei. So konnte in Art. 10 dieses Konkordates festgeschrieben werden, dass die Staatsleistungen – die mittlerweile als Personalzuschüsse ver-einbart worden waren – weiterhin in vol-ler Höhe gezahlt werden, auch wenn es zu einer Ablösung kommen sollte. Diese Passagen waren und sind verfassungs-widrig, weil ein vorrangiges Reichs-grundsätzegesetz noch nicht beschlos-sen worden war (Reichsrecht bricht Lan-desrecht), der Ablösebefehl der Reichs-

von Dr. Carsten Frerk

V.i

.s.d

.P.:

Ma

rce

l B

rau

ma

nn

www.linksfraktion-sachsen.de

Wie der Staat die Kirchen finanziert. Eine kritische Bilanz mit Dr. Carsten Frerk, Rico Gebhardt und André Schollbach.

Die Kirche und die Kassen4. November Kulturrathaus Dresden, Königstraße 15 Beginn: 19 Uhr, Eintritt frei

verfassung zudem missachtet worden war und durch die Personaldotationen die abgeschaffte Staatskirche wieder etabliert wurde. Doch es interessierte nur Wenige, man hatte andere Probleme.

Und so ging des Siegeszug der konser-vativ-Klerikalen ungehindert weiter. Im Reichskonkordat von 1933 wurde dann als Voraussetzung der Ablösung ein „freundschaftliches Einvernehmen“ zwi-schen Staat und Kirche vereinbart – will die Kirche nicht, gehe gar nichts. Das zieht dann seine Spur bis in die Verfas-sung des Freistaates Sachsen von 1992, in dem das ‚Kunststück‘ gelingt in Art. 109 die Ablösung, also Beendigung der Staatsleistungen festzulegen und dann in Art. 112 zu beschließen, diese Staats-leistungen „werden gewährleistet“.

Die Basis für dieses Geschehen ist ein ausgeprägter Lobbyismus der Kirchen. Im Vortrag mehr dazu.

Dr. Carsten Frerk ist Politologe, Journalist und Autor

Zur PersonDr. Carsten Frerk, Jahrgang 1945, absolvierte sein Universitätsstudium der Ger-manistik, Kunstgeschichte und Politischen Wissenschaften in Freiburg (Breisgau) und Westberlin. Studienaufenthalte führten ihn an die University of Essex/Colche-ster in Großbritanien und an die University of Michigan/Ann Arbor in den USA. Nach Diplom und wissenschaftlicher Arbeit als Dozent an der FU Berlin mit dem Fachgebiet Innenpolitik, Empirische Sozialforschung und Komparatistik erfolgte im Jahre 1979 seine Promotion mit summa cum laude in Politikwissenschaften. Danach wurde Dr. Carsten Frerk Lehrbeauftragter an der FU Berlin. Ab 2005 war Frerk als Leiter der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland tätig, wurde ein Jahr später Lehrbeauftragter an der Universität Lüneburg und gründete

den Humanistischen Pressedienst. Seit 1993 arbeitet Dr. Carsten Frerk als freier Autor, Journalist und Texter. Er ist Autor zahlreicher Buchprojekte wie „Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland“ (2002), „Violettbuch Kirchenfi nan-zen. Wie der Staat die Kirchen fi nanziert.“ (2010) und „Gottes Werk und unser Beitrag. Kirchenfi nanzierung in Österreich.“ (zusammen mit Christoph Baumgar-ten, Wien 2012), durch die er sich seinen Ruf als Kirchenfi nanzexperte erwarb.Sein jüngstes Rechercheprojekt der vergangenen beiden Jahre beschäf-tigt sich mit dem Thema „Kirchen und Christen als politische Akteure - Christlicher Lobbyismus in Deutschland“. Im Jahr 2015 erschien sein aktuelles Buch „Kirchenrepublik Deutschland. Christlicher Lobbyismus.“


Recommended