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1 Berlin, 22. Juni 2011 Werner G. Fischer Berliner Gesellschaft fr Faschismus- und Weltkriegsforschung e.V. 1941 - Stalins Krieg? Auf welchen Krieg und wie bereitete sich die Sowjetunion in den Jahren 1939-1941 vor? Die vorliegende Verffentlichung geht auf einen Vortrag zurck, den der Autor am 8.Mai 2007 vor der Berliner Gesellschaft fr Faschismus- und Weltkriegsforschung e.V. gehalten hat. Aus Anlass des 70. Jahrestags des faschistischen berfalls auf die Sowjetunion hat der Autor seine Ausarbeitungen berarbeitet und zur Verffentlichung mit dem ntigen wissen-schaftlichen Apparat versehen. Generell muss man feststellen, dass das Interesse an dem Thema Sowjetische Vorbereitun-gen auf einen Krieg vor dem 22.Juni 1941 unter den professionellen Historikern und der f-fentlichkeit in Deutschland insbesondere im letzten Jahrzehnt relativ gering geworden ist. Keines der in dieser Zeit verffentlichten Bcher und Artikel zu dem Thema in russischer Sprache wurde bersetzt, geschweige denn die zahlreichen Dokumentenverffentlichungen. Einer der fhrenden Historiker der Bundesrepublik zum Thema Zweiter Weltkrieg, der Lei-tende wissenschaftliche Direktor und Leiter der Abteilung Zeitalter der Weltkriege am Mili-trgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam, Rolf-Dieter Mller schreibt z.B., dass die ff-nung der russischen Archive Anfang der neunziger Jahre viele Hoffnungen geweckt htten. Sensationelle Entdeckungen seien aber ausgeblieben, die wichtigsten Enthllungen seien nur eine Besttigung des im Westen vorhandenen Wissens. Man msse sich daher fragen, ob wir uns nicht eine allzu einseitige Betrachtung des deutsch-sowjetischen Krieges geleistet ha-ben.1 Eine vor allem auf Quellen gesttzte Darstellung wird zu anderen Ergebnissen kom-men mssen. Zu dem Thema gab und gibt es in der Sowjetunion und dem nachsowjetischen Russland (und auch in Deutschland, wenn auch deutlich schwcher) eine seit mindestens 1988 gefhrte Aus-einandersetzung, in der es um zwei eigentlich unvereinbare Thesen geht:Erstens: Stalin hat in den Jahren 1939 bis 1941 zu wenig fr die Vorbereitung der Sowjetuni-on auf eine militrische Auseinandersetzung mit Hitlerdeutschland getan. Dabei ist die ge-genwrtige Auseinandersetzung vor allem in Russland selbst wieder die Fortsetzung einer Debatte von Anfang der 60er Jahre in der Sowjetunion, die durch ein Buch von Aleksander Nekri2 zum 22. Juni 1941 ausgelst wurde. Sie wurde nach 1990, z. B. in dem Buch von Lew Besymenski Hitler und Stalin. Das Pokerspiel der Diktatoren Berlin3, wieder aufge-

1 Rolf-Dieter Mller: An der Seite der Wehrmacht. Hitlers auslndische Helfer beim Kreuzzug gegen den Bol-schewismus 1941-1945, Berlin 2007, S.8. 2 Nekri , Aleksandr: 22 ijunja 1941, Moskva 1965. In deutscher bersetzung und mit zustzlichen Materialien ber die damalige Debatte versehen:Nekritsch, Alexander/Pjotr Grigorenko: Genickschu. Die Rote Armee am 22. Juni 1941. Hrsg. und eingeleitet von Georges Haupt. Wien/Frankfurt/ Zrich 1969. 3 Besymenski, Lew: Stalin und Hitler : Das Pokerspiel der Diktatoren.Berlin 2002. (Archive des Kommunis-mus, Pfade des XX. Jahrhunderts ; 1). Original: Bezymenskij, Lew: Stalin pered schvatkoj, Moskva 2000. 2 griffen. Im besonderen wird Stalin vorgeworfen, die Warnungen durch die Nachrichtendienste und aus dem Ausland nicht beachtet zu haben. Zweitens: Stalin stand im Juni 1941 kurz vor einem Angriff auf Deutschland. Die zweite These wurde durch das Buch Der Eisbrecher (deutsch 1987, in Russland 1992) des sich Viktor Suvorov nennenden Vladimir Rezun, eines 1978 nach Grobritannien desertierten Hauptmanns der sowjetischen Militraufklrung, erneut angestoen. Auf ein wissenschaftli-ches Niveau gehoben wurde diese These durch eine Handvoll revisionistische Historiker der Bundesrepublik und sterreichs im Gefolge des Historikerstreits seit 1985 (u.a. Joachim Hoffmann, Walter Post, Ernst Topitsch und Werner Maser).4 Seit etwa 1990 wird die Debatte ber diese These mit kaum noch zu berschauenden Verffentlichungen als ungeplante Dis-kussion (so der Titel eines Sammelbandes von 1995)5 in der Sowjetunion und in deren Nach-folgestaaten geradezu erbittert gefhrt. Allein Suvorov hat seit 1992 in russischer Sprache mit inzwischen 5 Bchern eine Millionenauflage, die gegenwrtigen russischsprachigen wissen-schaftlichen Verffentlichungen haben Auflagen von 2000 5000 Exemplaren, oder sogar noch weniger.6 Grundlage der Analyse sind zeitgenssische Dokumente der sowjetischen Fhrung und in einigen Fllen Erinnerungen beteiligter Politiker und Militrs. Diese sind aber auerordentlich kritisch zu bewerten und mssen immer mit den Dokumenten der Jahre 1939-1941 selbst ver-glichen werden. Schwerpunkt der Darlegungen ist die Entwicklung des militrischen Instru-ments der Sowjetunion, der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee (auf Russisch: Krasnaja Rabocaja-Krestjanskaja Armija RKKA bzw. Krasnaja Armija KA), denn wie der Krieg die Fortsetzung der jeweiligen Politik ist, so ist die Beurteilung des Krieges bzw. die Vorbe-reitung auf einen Krieg ohne die Analyse des militrischen Instrumentes unvollstndig. Dane-ben werden die konomischen, die auenpolitischen und die geheimdienstlichen Vorausset-zungen fr die entsprechenden Entwicklungenbehandelt, soweit sie unmittelbaren Einflu hatten. Die Entwicklung der Roten Armee und deren politisch-militrischen Fhrung Die Rote Armee als militrisches Instrument der Politik der sowjetischen Fhrung hat in der Periode seit 1930 eine immer bedeutendere Rolle gespielt. Einerseits war dies der Entwick-lung der internationalen Lage geschuldet, vor allem seit 1933 mit der Entwicklung des ag-gressiven faschistischen Deutschlands, aber auch der Entwicklung in Asien, wo Japan expan-

4 Hoffmann, Joachim: Die Angriffsvorbereitungen der Sowjetunion 1941, in: Bernd Wegner (Hg.): Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt zum ,,Unternehmen Barbarossa", Mnchen 1991, S.367-388Hoffmann, Joachim: Stalins Vernichtungskrieg 1941-1945, 2. Aufl. Mnchen 1995; Post, Walter: Unternehmen Barbarossa; Hamburg/ Berlin/ Bonn 1995; Topitsch, Ernst: Stalins Krieg - Die sowjetische Langzeitstrategie gegen den Westen als rationale Machtpolitik. Herford 1993; Maser, Werner. Der Wortbruch. Hitler, Stalin und der Zweite Weltkrieg, Mnchen 1994. 5 Nevein, V.A. (Hg.): Gotovil li Stalin nastupatel'nuju vojnu protiv Gitlera? Nezaplanirovannaja diskussija. Sbornik materialov, Moskva 1995 6 Zur Diskussion in Russland siehe u.a.: Meltjuchov, M. I.: Predistorija velikoj otecestvennoj vojny, in: Istoriceskie issledovanija v Rossii. Tendencii poslednich let. in: G.A. Bordjugov (Hg.): Istorieskie issledovanija v Rossii. Tendencii poslednich let , Moskva 1996, S.278-307;Vo,Stefan:StalinsKriegsvorbereitungen1941:erforscht,gedeutetundinstrumentalisiert. Eine Analyse postsowjetischer Geschichtsschreibung. Hamburg 1998, behandelt recht polemisch eine Vielzahl von russischen Verffentlichungen, gibt fr die militrische Seite aber wenig her, da er keine Kenntnisse ber die Probleme besitzt; Schtzler, Horst: Der Groe Vaterlndische Krieg.Neue Sichten und Einsichten in Russland und seiner Geschichtsschreibung, Berlin 2010 behandelt die gesamte Periode 1939-1945. 3 siv wurde. Andererseits bot die forcierte Industrialisierung die materielle Grundlage fr die Umwandlung der Roten Armee zu einer modernen Armee. Das war eine komplizierte Ange-legenheit. Ich kann hier nicht darauf eingehen, dass es z.B. Anfang der dreiiger Jahre zu ei-ner heftigen Auseinandersetzung zwischen Stalin und dem damaligen stellvertretenden Volkskommissar fr Verteidigung Tuchaevskij, weil Forderungen nach einem so rasanten Ausbau der Roten Armee gestellt habe, die die Industrialisierung schwer beeintrchtigt htte. Ob das Auswirkungen auf den spteren Fall Tuchaevskij hatte , mag dahingestellt sein. 7

Zum Verstndnis der Entwicklung der sowjetischen Vorbereitungen auf den Krieg ist es not-wendig, die politischen Fhrungsorgane zu betrachten, also das, was in der deutschen Histo-riographie als Kriegsspitzengliederung bezeichnet wird. Meines Erachtens ist es unzurei-chend, alles auf einen mystifizierten Stalin zu reduzieren, obwohl natrlich Stalin unbestritten eine entscheidende Rolle in den Fragen Militr und Krieg einnimmt. Fr die Beurteilung der politischen Vorgnge in der sowjetischen Fhrung gibt es eine ausgezeichnete russische Ver-ffentlichung von Oleg Chlewnjuk8, die auerdem noch in einer hervorragenden deutschen bersetzung vorliegt.Bezeichnend fr Zeitraum 1939 - 1941 ist,dass das Politbro der KPdSU (14 Mitglieder und Kandidaten) seit dem Ende der dreiiger Jahre kaum noch zu formellen Sitzungen zusam-menkam (1937: 7 Sitzungen; 1938:5 Sitzungen; 1939: zwei, am 29.1.und am 17.12.), sondern sich in wechselnden Zusammensetzungen mit einem Kernbestand um Stalin und Molotov traf. Bei militrischen Fragen entschieden im wesentlichen 6 von den 14 Mitgliedern des PB (Sta-lin, Molotov, Voroilov, Kaganovi, Berija und Malenkov). Gleichzeitig wurden die meisten Beschlsse (meist als gemeinsame Beschlsse des ZK und des Rates der Volkskommissare ausgewiesen) in der Mehrheit im Umlaufverfahren gefasst. In der Anlage 01 ist die Struktur Politbro /Rat der Volkskommissare als oberste Entscheidungsspitze dargestellt. Im April 1937 wurde der seit 1923 existierende Rat fr Arbeit und Verteidigung der UdSSRaufgelst und ein Komitee fr Verteidigung (Komitet oborony, KO) der UdSSR beim Rat der Volkskommissare der UdSSR gebildet. Dem neuen Komitee gehrten u.a. an: W.M. Molotov (Vorsitzender), J.W. Stalin, L.M. Kaganovi, K.J. Voroilov, A.I. Mikojan, A.A. danow, N.I. Jeov, spter an dessen Stelle Berija. Im Unterschied zu den frheren In-stitutionen verfgte das Verteidigungskomitee ber einen bedeutenden administrativen Appa-rat (1939 etwa 250 Mitarbeiter), der Fragen der Mobilmachung und Ausrstung der Armee sowie der Vorbereitung der Volkswirtschaft auf die Mobilmachung zur Errterung im Komi-tee vorzubereiten und auerdem die Durchfhrung der Beschlsse des Komitees fr Verteidi-gung zu berwachen hatte. Die Ttigkeit des Komitees fr Verteidigung 1937 bis 1941 wurde bisher noch nicht wissenschaftlich behandelt, es ist nach wie vor ein weier Fleck der Ge-schichte. Die sich rasch entwickelnde Rstungsindustrie wurde von 1936 bis 1939 durch ein Volkskommissariat fr Verteidigungsindustrie unter Leitung des Bruders des Politbromit-

7 Siehe Samuelson, Lennart : Plans for Stalins war machine. Tukhachevskii and military-economic planning 1925-1941. Basingstoke, 2000 sowie: Ken, Oleg N.: Mobilisazionnoe planirovanie i politiceskie rezenija (konez 1920 seredina 1930-ch godov), St. Peterburg 2002 8 Chlewnjuk, Oleg W. : Das Politbro. Mechanismender politischenMacht inderSowjetunionder dreiiger Jahre, Hamburg 1998. Im Kapitel Das Politbro und der Rat der Volkskommissare am Vorabend des Krieges, S. 348-360, wird ausfhrlich auf das Zusammenwirken der politischen und militrischen Institutionen eingegan-gen. 4 glieds Kaganovi, Michail Kaganovi geleitet. Am 11. Januar 1939 wurde dieses Volkskom-missariat in 4 neue aufgeteilt: das VK fr Flugzeugindustrie (M. Kaganovi, seit 10.1.1940 A.I. achurin), das VK fr Schiffbau, das VK fr Bewaffnung und das VK fr Munition. Da-neben wurden Rstungsgter in einer Vielzahl weiterer Industrieministerien produziert. Das wichtigste Instrument fr den militrischen Bereich war ohne Zweifel auch in der Sow-jetunion das Volkskommissariat fr Verteidigung, (russische Abkrzung NKO - Narodnyj kommisariat oborony SSSR), seit dem 20.Juni 1934 so benannt, (vorher seit 1923 Volks-kommissariat fr Militr- und Marineangelegenheiten) unter dem seit dem 6.11.1925 als Volkskommissar amtierenden Kliment E. Voroilov (Anlage 02 Struktur des NKO). Am 7.5.1940 wurde in Folge des sowjetisch-finnischen Winterkrieges Semjon K. Timoenko zum Volkskommissar ernannt, der nicht Mitglied des Politbros wurde. Bereits 1937 war die See-kriegsflotte aus der RKKA ausgegliedert worden und unterstand einem eigenem Volkskom-missar fr die Seekriegsflotte der UdSSR (seit 29.4.1939 Admiral Nikolai Kuznecov). Auch das NKO unterlag vielfltigen Vernderungen der Organisationsstrukturen, deren sachliche Hintergrnde nicht immer erkennbar sind. Zu den wichtigen nderungen gehrte die Bildung eines Militrrates am 22. November 1934, der 80-100 Mitglieder hatte, in der Regel fhren-de Militrs (ein groer Teil unterlag den Suberungen) , aber auch Stalin und weitere politi-sche Funktionre selbst gehrten ihm an. Der Militrrat trat ein bis zweimal im Jahr zusam-men, um ber prinzipielle Fragen zu beraten. Dazu gehrte u.a. der Auftritt Stalins zur Be-grndung der Liquidierung der Militrverschwrung auf der Sondersitzung vom 1.-4.Juni 19379, die Tagung zur Auswertung des sowjetisch-finnischen Krieges und eine Tagung der fhrenden Militrs im Dezember 1940, die in den Memoiren von ukov und anderweitig er-whnt wird. Diese liegen inzwischen als Wortprotokolle gedruckt vor.10

Im Mrz 1938 wurde daneben ein Hauptmilitrrat beim Volkskommissar fr Verteidigung gebildet, in der Literatur werden die beiden Gremien hufig verwechselt. Beim Hauptmilitr-rat handelt es sich um das Kollegium des NKO, am Anfang gehrten ihm Vorosilov als Vor-sitzender und als Mitglieder Stalin, spter der Sekretr des ZK Malenkov, die Marschlle Bljucher, Budjonny, der Chef des Generalstabes, der Chef der Kaderverwaltung, sowie wech-selnde weitere Stellvertreter des Volkskommissars und als Sekretr ein stellvertretender Chef des Generalstabes an. Der Hauptmilitrrat, dessen Protokolle gedruckt vorliegen, trat 3-5 mal im Monat zusammen, seine letzte Sitzung fand am 20. Juni 1941 statt, bis Mitte 1939 nahm Stalin rgelmig an den Sitzungen teil.11 Zwischen dem 21.11. 1939 und dem 16.8.1940 fan-den keine Sitzungen des Hauptmilitrrates statt. Dies hing offensichtlich mit dem Krieg gegen Finnland zusammen. Whrend dieser Zeit wurde bei Stalin ein STAVKA (Oberstes Haupt-quartier) als Fhrungsorgan gebildet, ber dessen Funktionsweise bisher kaum etwas bekannt wurde.

9 "Nevol'niki v rukach Germanskogo Rejchsvera". Rec' I. V. Stalina v Narkome oborony, in:Istonik Nr.3/1994, S. 73- 82 10 Zimnjaja vojna / Rossijskaja Akademija Nauk, Institut Vseobej Istorii. Finljandskoe Istorieskoe Obestvo ; Kn. 2: I. V. Stalin i finskaja kampanija : (stenogramma soveanija pri CK VKP (6)) / otv. red. E. N. Kulkov ... Moskva, 1998; Zolotarev, V.A. u.a. (Hg.): Nakanune vojny. Materialy soveanija vyssego rukovodjaego sostava RKKA 23-31 dekabrja 1940 g. [Am Vorabend des Krieges. Dokumente derZusammenkunft der Fh-rungsspitze der Roten Armee vom 23-31. Dezember 1940], Russki Archiv 12/1, Moskva 1993 11 Glavnyj voennyj sovet RKKA. 13 marta 1938 g. - 20 ijunja 1941 g. : dokumenty i materialy. Hrsg. von Basik, I. I., Moskva 2004 5 Der Generalstab, bis 1935 Hauptstab genannt, war zunchst nur ein Organ von vielen im NKO. Eine erste Aufwertung erhielt er durch die Ernennung des Chefs des Generalstabes Jegorov zu einem der ersten fnf Marschlle der SU im Jahr 1935. Nach dessen Verhaftung 1937 erhielt der Generalstab unter aponikov, ebenso wie Jegorov ein ehemaliger zaristi-scher Oberst, immer zentralere Aufgaben. Im Zusammenhang mit der Auflsung der Haupt-verwaltung im NKO wurden im Juni 1940 alle Aufgaben der Mobilmachung und der generel-len Planung der Entwicklung der Streitkrfte in den Generalstab verlegt. Auerdem wurde die Verwaltung Aufklrung, die bisher direkt dem VK unterstand, dem Generalstab eingegliedert (Anlage 03). Im Juni 1941 hatte sich die Struktur des Generalstabes noch einmal erheblich verndert (Anlage 04). Alle diese Organe waren von Suberungen und stndigen Umorga-nisierungen stark betroffen. So wechselte allein der Chef des Generalstabes 1940 -1941 3 mal (aponikov bis August 1940, Mereckov bis Ende Januar 1941, ukov ab 1.2.1941). In der Diskussion um die sowjetischen Kriegsvorbereitungen1939 bis 1941 spielt ein nach 1990 erstmals verffentlichtes Dokument eine hervorragende Rolle. Es handelt sich um die sogenannten Erwgungen zum Plan der strategischen Entfaltung der Streitkrfte der Sowjet-union vom Mai 1941.12 Ich charakterisiere dieses Dokument als sogenannte Erwgungen, weil es keine berschrift trgt, zur Analyse im einzelnen komme ich spter. Dieses Schls-seldokument13 muss meiner Meinung nach, wie alle Dokumente, in einen greren Zusam-menhang gestellt werden. Daher sollen im folgenden -die Planungen zur Entwicklung der sowjetischen Streitkrfte, -die Mobilisierungs-Planungen fr Streitkrfte und Industrie und -die strategischen Planungen fr einen mglichen Einsatz der Streitkrftebehandelt werden.Die grundlegenden Planungen und die tatschliche Entwicklung der sowjetischen Streitkrfte in den Jahren 1939 bis 1941 Seit der Einfhrung der Fnfjahrplne war auch die Entwicklung der Roten Armee und die Vorbereitung der Sowjetunion auf einen mglichen Krieg in diese Rahmenplne einbezogen. Dazu gehrten die Perspektivplne der Entwicklung der RKKA, die Mobilmachungsplne fr die RKKA und die Seekriegsflotte, Entwicklungsplne fr die wichtigsten Waffengattungen (Luftstreitkrfte, Artilleriebewaffnung, Panzerentwicklung). Ende 1937 wurden vom Vertei-digungskomitee und dem Rat der Volkskommissare im Rahmen der Vorbereitung des 3. Fnf-jahrplanes die Plne fr die Jahre 1938 bis 1942 besttigt. Sie bildeten fr die hier behandelte

12 Das Dokument wurde inzwischen vielfach verffentlicht. Eine Faksimile-Verffentlichung erfolgte durch: Maser, Werner. Der Wortbruch. Hitler, Stalin und derZweite Weltkrieg, Mnchen 1994, S. 406ff.Dabei ist zu beachten, dass die Seiten nicht in korrekter Reihenfolge verffentlicht wurden, was wohl etwas ber die Rus-sischkenntnisse aussagt, deren sich Werner Maser rhmte. Weitere Verffentlichungen in russischer Sprache erfolgten in: Kiselev, V., Uprjamye fakty naala vojny, in: Voenno-istorieskij urnal, 1992, Nr. 2. , S.14 19 (unvollstndige Verffentlichung, aber nicht als solche gekennzeichnet; 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Vtoraja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998, S.215 220. In deutscher bersetzung wurde das Dokument verf-fentlicht durch:Danilov, V., "Hat der Generalsstab der Roten Armee einen Prventiveschlag gegen Deutschland vorbereitet?", in: sterreichische Militrische Zeitschrift, 1993, Nr. 1, S. 41-51.; Walter Post, Unternehmen Barbarossa. Deutsche und sowjetische Angriffsplne 1940/41, Hamburg/Berlin/Bonn 1995, S. 397ff. und Ueberschr, G. R., [Bezymenskij] Besymenski, L. (Hg.), Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Prventivkriegsthese, Darmstadt 1998, S. 186-193. Keine dieser Verffentlichungen ent-spricht den Prinzipien einer wissenschaftlichen Dokumentenedition. 13 Siehe die entsprechende Verffentlichungin der Internetseite 100(0) Schlsseldokumente zur russischen und sowjetischen Geschichte (1917-1991) der Bayerischen Staatsbibliothek. 6 Zeit bis zum deutschen berfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 eigentlich die gltige Planung. Ab Mitte der dreiiger Jahre befanden sich die bisherigen Territorialdivisionen (Mi-lizformationen mit kurzer Dienstzeit), die seit Mitte der 20er Jahre die Mehrheit der Truppen der RKKA bildeten, in der Umbildung zu Kaderdivisionen. Am 1.1.1938 waren von 96 Divi-sionen aber immer noch 34 Territorialdivisionen, Ende des Jahres waren alle in Kaderdivisio-nen umgewandelt. Zu den beschlossenen Plnen gehrte ein Plan der Entwicklung der Be-waffneten Krfte der UdSSR (nach Teilstreitkrften und Waffengattungen, insgesamt 30 Sei-ten), als Anlage enthielt dieser Plan den Mob-Plan fr 1938 1939 (Mobplan 22), die Ar-beiten daran sollten bis zum 1.5.1938 abgeschlossen werden.14 Die Entwicklung der Verbnde und der Bewaffnung wurde sehr detailliert dargelegt mit einer Gegenberstellung des Be-stands am 1.1.1938, den Jahren 1939-1940 und dem Ziel am 1.1.1943 sowohl fr die Frie-densarmee als auch fr den Kriegsbestand (dies noch einmal im Mob-Plan wiederholt mit der Aufteilung fr den westlichen und stlichen Kriegsschauplatz). Im Mob-Plan ist weiter aus-gewiesen die Planung der im ersten Kriegsjahr aufzustellenden militrischen Verbnde (zu den 96 Divisionen sollten weitere 60 Schtzendivisionen im Kriegsfall aufgestellt werden). Der Plan enthlt weiter die fr den Kriegsfall vorgesehene Einberufung von 14 bzw. 12 Ein-berufungsjahrgngen nach Militrbezirken, sowie die Zahl der aus der Volkswirtschaft im Kriegsfall zuzufhrenden Kfz und Zugmaschinen. Fr den Fnfjahresplan hielt sich der ge-plante Zuwachs der Friedensstrke der RKKA aber in einen berschaubaren Rahmen (vom 1.1.1938: 1, 6 Millionen zum 1.1.1943: 1,78 Millionen Mann). Bereits im Jahr 1938 kam es zu den Kampfhandlungen im Fernen Osten (Chassan und 1939 Chalchin Gol), die die Planungen zum Teil ber den Haufen warfen. Erst recht erwies sich nach den Einstzen der RKKA in dem Befreiungsfeldzug im September Oktober 1939 die bisherige Planung nicht mehr als gltig. Auf einer Sitzung des Hauptmilitrrates im Herbst 1939 wurden allerdings in diesem Zusammenhang schwere Mngel in den Streitkrften fest-gestellt. Die neue Struktur der Roten Armee sollte danach eine Friedensstrke von 2, 3 Milli-onen Mann umfassen. 170 Divisionen sollten sowohl im Frieden als auch im Kriegszustand den Kern der Landstreitkrfte bilden (davon 3 Motschtzen-Divisionen in der Mongolei, 15 Motorisierte Schtzen-Divisionen, bis Mitte 1941 zu bilden, 16 Gebirgs-Schtzendivsionen, der Rest Schtzendivisionen unterschiedlicher Auffllung). Die bisherigen 4 Panzerkorps sollten aufgelst werden. Die neu zu bildenden Motorisierten Divisionen sollten jeweils 257 Panzer erhalten. Daneben waren 29 selbstndige Panzerbrigaden (1 schwere, 3 mittlere, 16 leichte mit BT-Panzern und 9 mit T-26 Panzer) vorgesehen, die im Kriegszustand auf insge-samt 42 Panzerbrigaden aufgestockt werden sollten.15 ber Stalin und Molotov wurden diese Planungen dann als Beschluss des Rates der Volkskommissare besttigt.Whrend des Winterkrieges gegen Finnland vom 30. November 1939 bis Mrz 1940 erwies sich der besttigte Mob-Plan erneut als unzureichend. Zunchst war nur der Leningrader MB mobilgemacht worden, obwohl Generalstabschef aponikov Stalin davor gewarnt hatte, mit

14 Das Dokument in Russisch ist auf der Internetseite http://www.battlefield.ru/ru/documents/79-toe/322-plan-to-reorganize-red-army-1938-1942.html.vom 25.5.2011 zu finden und in: 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Vtoraja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akaad. A. N. Jakovleva, Bd. 2 S. 532-557 wiedergegeben. Eine deutsche bersetzung der Zusammenfassung der Strkeentwicklung der RKKA 1938-1.1.1943 findet sich in: Besymenski, Lew: Stalin und Hitler : Das Pokerspiel der Diktatoren. - Ber-lin 2002. (Archive des Kommunismus, Pfade des XX. Jahrhunderts ; 1), S. 97f.15 Glavnyj voennyj sovet RKKA. 13 marta 1938 g. - 20 ijunja 1941 g. : dokumenty i materialy. Hrsg. von Basik, I. I., Moskva 2004, S. 269 286. 7 zu geringen Krften anzugreifen.16Am 16.11.1939 waren 340 000 Mann, 2500 Geschtze, 1300 Panzer und 1700 Flugzeuge entfaltet.17 Spter mussten nach und nach immer mehr Truppen, zum Teil vllig unzureichend ausgestattet, in den Raum der Kampfhandlungen zu-gefhrt werden. Am 10. Februar 1940 waren die Truppen gegen Finnland auf 47 Schtzen- und mot. Divisionen, 2 Kavallerie-Divisionen, 2 motorisierte Kavallerie- Divisionen und 7 Panzerbrigaden, 2 motorisierte Schtzenbrigaden und sowie eine groe Anzahl Skibataillonen mit etwa 700 0000 Mann, 2300 Panzern und 5796 Geschtzen angewachsen. Mit den Krften der Baltischen Seekriegsflotte und den Versorgungstruppen waren es sogar etwa 1 Mio. Mann, d.h. etwa ein Drittel des Friedensbestandes der Roten Armee.18 Aus den vorliegenden Angaben ist ersichtlich, dass eine Vielzahl von neuen Einheiten und Verbnden gebildet wur-den, die im Mobilisierungs-Plan nicht vorgesehen waren. In einer Vorlage fr Stalin und Mo-lotov vom 9. Mai 1940 und dem dazu gehrenden Beschluss des Verteidigungskomitees wird festgestellt, dass die Strke der RKKA durch diese Mobilisierung die besttigte Strke der RKKA von 1939 um rund 680 000 Mann bertrfe, die durch Entlassungen wieder hergestellt werden sollte. Man wollte also so schnell, wie mglich, zur Friedensstrke von 3,3 Millionen Mann zurckkehren.19

Mobilmachungsplanung und Mobilmachung der Roten Armee 1939 - 1941 Die Entwicklung der Mobilmachungsplanung und -ttigkeit der Sowjetunion ist bis heute nur in geringen Mae erforscht. Unter Mobilmachung wird der bergang vom Friedenszustand zum Kriegszustand verstanden. Unter Mobilmachungsarbeit bzw. -ttigkeit wird die Planung der Auffllung der vorhandenen Truppenteile, Verbnde und Fhrungsorgane mit Menschen und Technik (im russischen matast) auf Kriegsstrke, die Vorbereitung der Neubildung von Truppenteilen usw. nach Beginn der Mobilmachung und die Vorbereitung der Bildung von Reserven verstanden. Auf der Grundlage entsprechender Vorschriften (zunchst von 1931, die schlielich 1940 ersetzt wurden) sollten jhrlich auf der Grundlage des gltigen Mob-Planes die Zuweisung von gedienten Reservisten und von Kfz., Zugmaschinen und Pferden aus der Volkswirtschaft geplant werden. Diese Planungsttigkeit sollte jeweils zum 1. Mai des folgenden Jahres abgeschlossen sein.Am 1. September 1939 wurde ein neues Wehrpflichtgesetz in Kraft gesetzt, dass den Dienst in den bewaffneten Krften der Sowjetunion (RKKA, Flotte, Grenztruppen und Innere Trup-pen) fr alle Brger der Sowjetunion ohne Einschrnkung der Rasse, des sozialen Status, der Nationalitt usw. vorsah. Die tatschliche Praxis sah allerdings, wie die Bestimmungen in den Jahren 1939 bis 1941 ausweisen, durchaus anders aus. So gab es Einschrnkungen fr poli-tisch Verurteilte und Spezialumsiedler, fr bestimmte Nationalitten (u. a. Polen, Deutsche, Finnen, Griechen usw.), die in der Regel nur in den Truppen der inneren Militrbezirke bzw. in Baueinheiten Dienst verrichten mussten bzw. die mittelasiatischen Nationalitten, die we-gen ihrer fehlenden Russischkenntnisse kaum einberufen wurden. Der Wehrdienst wurde in

16 Merezkow, Kyrill Afanasjewitsch: Im Dienst des Volkes, Berlin 1972, S. 185f 17 Der Entfaltungsplan des Oberbefehlshaber des Leningrader Militrbezirks, K.A. Mereckov, vom 29.10.1939 ist auf der Internetseite http://www.aroundspb.ru/finnish/docs/dir0plan.php (Datum 17.6.2011) verffentlicht. Die Direktive des Volkskommissars fr Verteidigungvom November 1939 befindet sich auf der Seite http://www.aroundspb.ru/finnish/docs/dir0205.php (17.6.2011) 18 Die Angaben nach: Aptekar, Pavel: Pervyj mesjac vojny auf der Internetseite: http://rkka.ru/oper/finn/begin.htm (Datum 17.6.2011) 19 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Vtoraja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. 608 -622, hier S. 621f. 8 aktiven Dienst (2-5 Jahre fr Soldaten und Unteroffiziere) und Reservedienst (bis zum 50. Lebensjahr fr Soldaten und Unteroffiziere) eingeteilt. Die Einberufung auf Befehl des Volkskommissars fr Verteidigung sollte jhrlich fr die 19jhrigen bzw. die 18jhrigen mit hherer Schulbildung (10 Klassen) zwischen dem 15.9. und dem 15.10. erfolgen. Nach dem aktiven Dienst konnten die Reservisten bis zum 35. Lebensjahr bis zu sechsmal fr zwei Mo-nate zum Reservedienst (Unteroffiziere bis 3 Monate) einberufen werden. Der aktive Offi-ziersbestand wurde durch freiwillige Meldungen ergnzt. Daneben gab es einen Reserveoffi-ziersbestand im wesentlichen aus Absolventen von Hochschulen und Universitten, die neben ihrem Studium eine militrische Ausbildung absolvierten und ebenfalls bis zum 35. Lebens-jahr bis sechsmal fr 3 Monate einberufen werden konnten.Im Mob-Plan 22 fr 1938 betrug die Friedensstrke 1.605.520 (fr 1.1.1943 1.780.000), die Kriegsstrke sollte 6.503.500 betragen, d.h. 4,9 Mio. Reservisten einberufen werden.20 Das Verhltnis von ausgebildeten und unausgebildeten Reservisten fr die einzelnen Planjahre ist bisher unbekannt. Im September 1939 war es zu einer Teilmobilmachung in 7 Militrbezirken (Leningrader, Belorussischer, Kiever, Kalininer, Oreler, Moskauer MB, Charkover) auf der Grundlage des besttigten Planes gekommen. Dabei sei deutlich geworden, dass sowohl die noch von 1931 stammenden Bestimmungen ber die Mobilmachung als auch der praktische Verlauf schwere Mngel aufwiesen.21 Im gleichen Dokument (bergabe-Akt vom Volks-kommissar Voroilov an den neuen Volkskommissar Timoenko im Mai 1940, datiert vom 7.12.1940) wird festgestellt, dass im Mai 1940 von den Reservisten 3,5 Millionen nicht mili-trisch ausgebildet seien und es bisher auch keine Planungen dafr gebe.22 Angaben, dass von 1938 innerhalb von 2 Jahren die Zahl der Reservisten bei den Unteroffizieren von 635.000 auf 939.000 und die der Soldaten von 9,4 Mio. auf 10,6, Mio. anwuchsen, stimmen nicht mit anderen Zahlen berein. Diese knnen allerdings exakt nur fr das Jahr 1940 nachgewiesen werden. Im Herbst des Jahres 1940 beschloss der Hauptmilitrrat rund 1,4 Mio. Mann zum Wehrdienst einzuberufen (davon 1 029 172 fr die Rote Armee, der Rest fr Flotte und NKVD) und ebenso viele gediente Reservisten (Unteroffiziere und Soldaten)zu entlassen.23 Fr den Belorussischen Besonderen Militrbezirk liegen fr das Jahr 1940 detaillierte Zahlen vor, die die Probleme der Einberufungen in den westlichen Gebieten Belorusslands deutlich machen. Hierzu gibt es Angaben zu den Nationalitten, zur sozialen Gliederung und zur poli-tischen Organisation der 1940 Einberufenen.24

Im August 1940 fasste der Hauptmilitrrat des NKO den Beschluss ber die Ausarbeitung eines neuen Mob-Planes (Mob-Plan 23), der zum 1. Juli 1941 fr die RKKA in Kraft treten sollte. Das Datum 1. Juli 1941 fr die Planung 1940/41 ist nicht, wie der revisionistische

20 Ebenda, S. 547f. 21 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Vtoraja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva , S. 624; auf Deutsch: Besymenski, Lew: Stalin und Hitler : Das Pokerspiel der Diktatoren. - Berlin 2002, S. 285f.22 Ebenda, S. 624,23 Glavnyj voennyj sovet RKKA. 13 marta 1938 g. - 20 ijunja 1941 g. : dokumenty i materialy. Hrsg. von Basik, I. I., Moskva 2004, Sitzung vom 16.8.1940 S. 287 290. Die Verteilung nach Militrbezirken enthlt ein Bericht des stellv. Chefs des Generalstabes Smorodinov vom 22. Oktober 1940, in: Nakanune :Zapadnyj osobyj voen-nyj Okrug ; (konec 1939 g. - 1941 g.) / ... Nacional'nyj Archiv Respubliki Belarus' ... [Sost. V. I. Adamuko ...] Minsk 2007, S. 23624 Direktiven des Stabes des Belorussischen Militrbezirks vom 16. Juli 1940 und vom 16.8.1940 und Bericht des Stabes zur Einberufung vom 10. November 1940, in: Nakanune :Zapadnyj osobyj voennyj Okrug ; (konec 1939 g. - 1941 g.) / ... Nacional'nyj Archiv Respubliki Belarus' ... [Sost. V. I. Adamuko ...] Minsk 2007, S. 112, S. 177, S. 279 - 294 9 Historiker Joachim Hoffmann argumentiert, ein Beweis fr den geplanten Angriff 1941, son-dern ein jhrlich zu wiederholender Termin, der durch die Verzgerungen der Planungen im Jahr 1940 nicht auf dem 1. Mai 1941, sondern erst auf den 1. Juli 1941 festgelegt wurde.25 Das beweisen Dokumente zur Mob.-Planung etwa des Leningrader Militrbezirks und weitere Mob.-Dokumente.26 Im Februar 1941 wurde schlielich der neue zentrale Mob-Plan Stalin und Molotov vorgelegt und durch offiziellen Beschluss besttigt und damit eigentlich am 22. Juni 1941 gltig.27 Dieser Mob-Plan, der wie der alte fr 1938-39 eine umfangreiche Zahlen-aufstellung der Verbnde, der geplanten Menschenressourcen nach Offizieren, Unteroffizie-ren und Mannschaften und der Waffenausstattung enthlt, enthlt langfristige Zielstellungen zum 1.1.1942. Aber selbst bei diesem Termin werden groe Lcken, insbesondere bei der geplanten Waffenausstattung z.B. bei Panzern, bei Flugzeugen, bei Kfz. und Zugmaschinen, bei Nachrichtenmitteln und bei Artilleriebewaffnung, vor allem Flak, festgestellt. Z.B. wre die geplante Panzerausstattung von 30 mechanisierten Korps mit 16700 Panzern T-34 und KV zum 1.1.1942 erst zu 24 bzw. 31% erfllt gewesen.28 Bei den Menschenressourcen (rund 1 Million Offiziere und 9 Million Unteroffiziere und Soldaten) wurden erstaunlicherweise nur relativ geringe Probleme gesehen, so zum Beispiel beim medizinischen Personal. Geplant wurde eine Kriegsstrke von 9 Millionen Mann, mit 1,136 Millionen Pferden, sowie rund 600 000 Kraftfahrzeuge und etwa 90 000 Zugmaschinen. Die Kraftfahrzeuge sollten im Mob-Fall zu 50% aus der Volkswirtschaft zugefhrt werden, bei Zugmaschinen waren es sogar 54%.29 Die Verteilung der Mob-Reserven bedeutete einen umfangreichen Ausgleich ber die Gren-zen der Militrbezirke hinweg, insbesondere aus den inneren Militrbezirken nach Westen (300-400 000 Mann) und vom Ural ostwrts nach Fernost (ca. 500 000).30 Diese Transporte mussten neben den vorgesehenen Truppenverschiebungen eingeplant werden. Geplant wurden auch die personellen und materiellen Verluste fr das 1.Kriegsjahr, so z.B. ein Verlust von 467 000 Offizieren, bei Infanterie und Panzertruppen 150%, bei Luftstreit-krften 200% des Anfangsbestandes. Fr den Ersatz der Verluste bei Unteroffizieren und Mannschaften wurden fr ein Jahr Krieg 3,8 Millionen Mann eingeplant.31 Bei Artillerie wur-den 25% Verlust der Ausstattung angenommen, fr Panzer und Flugzeuge gab es keine Vo-

25 Glavnyj voennyj sovet RKKA. 13 marta 1938 g. - 20 ijunja 1941 g. : dokumenty i materialy. Hrsg. von Basik, I. I., Moskva 2004, Sitzung vom 16.8.1940 S. 288; Hoffmann, Joachim: Stalins Vernichtungskrieg 1941-1945, 2. Aufl., Mnchen 1995, S. 42. 26 Der Kalenderplan zur Ausarbeitung des Mob-Planes 1941 des Leningrader Militrbezirks vom 21.3.1941 ist auf der Internetseitehttp://www.soldat.ru/doc/mobilization/plan.html (Datum 19.6.2011) verffentlicht. Die Direktiven des stellvertretenden Chefs des Generalstabes, Sokolovskij, vom 1.3.1941fr den Transkaukasischen Militrbezirk,vom 3./5.3.1941 fr den Westlichen Besonderen Militrbezirk und vom 7./13.3.1941 an den Oberkommandierenden der Fernostfront sind abgedruckt in: 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S.696-704, S.710-717, S.724-731.27 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S.607-650. Im Abdruck des Dokuments sind Fehler enthalten, so sind auf S.609 unter dem Abschnitt Nachrichtentruppen die Pioniertruppen verzeichnet. Offensichtlich wurde ein Abschnitt ausgelassen. Es gibt Diskussionen, ob derMob-Plan 1941 offiziell in Kraft gesetzt wurde, da kein Beschlu des Politbros und des Rates der Volkskommissare bisher verffentlicht wurde. Die Dokumente fr die Militrbezirke und in den Verbnden beweisen aber die Inkraftsetzung. 28 Ebenda, S. 619f. 29 Ebenda, S. 612, 620 30 Verteilung der geplanten Strken nach Militrbezirken: ebenda, S. 639 31 Ebenda, S. 615f. 10 raussagen. Der Mob-Plan 1941 war also eine Mischung aus Perspektivplan mit Zielen, weit ber den 1.1.1942 hinaus und Vorgaben fr den eigentlichem Mob-Plan. Nicht enthalten in dem Mob-Plan ist die Aufstellung der Mob-Reserven an Munition fr Schtzenwaffen, Artil-lerie und Fliegerbomben. Diese sind in anderen Dokumenten enthalten, z.B. im Beschluss des Rates der VK und des ZK vom 14.2.1941 ber die geplante Produktion im Jahr 1941. Die Reserven fr ein Kriegsjahr (z. B. bei Munition insgesamt 88 000 Waggonladungen ohne Fliegerbomben) wurden durch die Hauptverwaltung Artillerie nach langjhrigen Normativen geplant. Dabei wurden auch die vermutlichen Verluste bei Waffen fr ein erstes Kriegsjahr ausgewiesen und in der Produktion bzw. den Reserven geplant. Das Problem der Freistellun-gen von Reservisten fr die Industrie und andere Bereiche wurde im Mobilmachungsplan 1941 behandelt und dazu der Vorschlag gemacht, beim Verteidigungskomitee eine Kommis-sion einzurichten, die prinzipielle Entscheidungen treffen solle. Von 6,5 Millionen Dienst-pflichtigen in Industrie und Verwaltung sollten2,9 Millionen(44,6,%) von einer Einberu-fung freigestellt werden.32Auf der einen Seite waren im Mob-Plan Nr.23 viele Probleme nicht gelst, auf der anderen Seite gab es unmittelbar nach dem Planungsbeginn bereits wie-der neue Truppenaufstellungen, die nicht geplant waren. Am 23.April 1941 wurde beschlos-sen, 10 Panzerabwehrbrigaden mit jeweils 5322 Mann, 136 Geschtzen und fast 1000 Kraft-fahrzeuge und Zugmaschinen aufzustellen (5 fr den Kiever Besonderer MB, 3 fr den West-licher Besonderer MB, 2 fr den Baltischen Besonderen MB). Das sollte eindeutig die Vertei-digungsfhigkeit gegen starke Panzerangriffe strken. Daneben sollten die bisherigen Luft-landebrigaden zu 5 Luftlandekorps mit je 8000 Mann (gesamt 15 Luftlandebrigaden) verstrkt werden, fr den Kiever Besonderer MB 2, fr den fr den Kiever Besonderer MB, fr den Baltischen Besonderen MB und fr den Odessaer MB je 1 Luftlandekorps.33 Fr die Industrie wurde in der Regel gleichzeitig ein Mob-Plan zur Umstellung auf Kriegs-produktion erarbeitet, also 1937 fr 1939 und 1940 fr 1941.34 Der gleichzeitig mit dem Mob-Plan fr die Streitkrfte erarbeitete Mob-Plan fr die Industrie (bisher nicht verffentlicht) wurde aber erst im Juni 1941 im Verteidigungskomitee des Rates der Volkskommissare frm-lich besttigt. Fraglich ist, ob die Industrieministerien ihre Plne fr 1941 trotzdem bereits fertig hatten oder ob sie noch nach den Normativen von 1938 planten.Inzwischen ermglichen die vorhandenen Quellen , eine detaillierte Analyse derzahlenmi-gen, strukturellen und technischen Entwicklung der RKKA zwischen 1938 und Juni 1941 vorzunehmen, um die Umsetzung der jeweiligen strategischen Planungen beurteilen zu kn-nen. Die prinzipielle Entwicklung verlief wie folgt: In der Zeit zwischen 1938 und 1941 vergrerte sich der Friedensbestand der RKKA von 1.605520 Mann auf 3,783 Mio. Mann im Januar 1941 und auf ber 5 Mio. Mann im Juni 1941. Die Anzahl der Schtzendivisionen (SD), von denen noch 34 territoriale Miliz-Divisionen waren, stieg von 96 am 1.1.1938 auf 158 Anfang Juni 1940 und schlielich auf 195 SD im Juni 1941 und bildete nach wie vor die Hauptkampfkraft der Roten Armee (siehe Anlage 05)35 Die Struktur und Strke der Infanterieverbnde wurden in dieser Zeit mehrfach verndert. Zeitweilig sollte die Kriegsstrke einer Schtzendivision etwa 19 000 Mann umfas-

32 Ebenda, S. 628f. 33 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Vtoraja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva , S. 104-106. 34 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. 128f.: Beschlu des Rates der Volkskommissare vom 25.7.1940 zur Ausar-beitung des Mob-Planes frdie Industrie. 35 Isaev Aleksej V.: Antisuvorov. oskva, 2004, S. 94 11 sen, ab Herbst 1940 sank die Kriegsstrke auf 14 483 Mann. Zeitweilig waren ihnen ein Pan-zerbataillon eingegliedert, die die Infanterie aber zum Aufbau der Mechanisierten Korps ab-geben mussten. Sie hatten eine starke Artilleriebewaffnung (2 Artillerieregimenter, 1 Panzer-abwehrabteilung, 1 Flak-Abteilung). Die geplante Mob-Ausstattung mit Kraftfahrzeugen (1941: 558) und Zugmaschinen (1941: 99) sollte im Kriegsfall zu Zweidrittel aus der Volks-wirtschaft zugefhrt werden. Die Hauptmasse des Transportes erfolgte aber mit Pferden (rund 3000), wovon ebenfalls ein groer Teil insbesondere fr die Versorgungseinheiten aus dem Zivilbereich mobilisiert werden sollte.Besonders rasant entwickelt sich auch die Panzerwaffe.36 Dabei werden einerseits enorme Entwicklungen sichtbar, gleichzeitig aber auch viele Schwchen. So wurde nach dem Be-freiungsfeldzug 1939 zunchst beschlossen, die vorhandenen 4 Panzerkorps aufgelst wer-den. Dafr sollten 15 motorisierte Divisionen (275 Panzer, vorwiegend Typ BT) in Anleh-nung an die deutsche Struktur und mehr als 30 typenreine selbstndige Panzerbrigaden zur Verstrkung der Schtzenkorps aufgestellt werden. Am 6. Juli 1940 erfolgte dann unter dem Eindruck der deutschen Erfolge in Westeuropa der Beschluss zur Aufstellung von 8 bzw. 9 Mechanisierten Korps (MK, zunchst in den Dokumenten als Panzerkorps bezeichnet) mit je 2 Panzerdivisionen (PD) und 1 motorisierten Division(MD). Ein Mechanisiertes Korps sollterund 1000 Panzer umfassen. Die Aufstellung wurde bereits weitgehend mit schweren Panzern KV und mittleren T-34 Panzern geplant (insgesamt ca. 2000 KV und 4000 T-34). Die Produk-tion 1940 umfasste aber nur 243 KW und 115 T-34 (vorgesehen waren 600 T-34). Als Ersatz wurden die Panzerverbnde zunchst weitgehend mit leichten Panzern T-26 und BT ausgers-tet. Im Mob-Plan 1941 vom Februar 1941 wurde schlielich die Aufstellung von insgesamt 30 Mechanisierten Korps und 2 selbstndigen Panzerdivisionen (also 62 PD und 30 MD) festge-legt. Die Aufstellung und Aus- und Umrstung einer so gewaltigen Anzahl von Panzerver-bnden mit mehr als 37 000 Panzern und 300 000 Kfz. konnte nicht in einem Jahr erfolgen.37 Am 14. Mai 1941 machte der Chef der Verwaltung KFZ-Panzertruppen den Volkskommissar fr Verteidigung darauf aufmerksam, dass fr die Ausrstung der vorgesehenen 62 Panzerdi-visionen und 30 motorisierten Divisionen zustzlich mindestens 1200 76mm-Geschtze, 1000 45mm-Panzerabwehrkanonen, 4000 Maschinengewehre und 2700 Kraftfahrzeuge bentigt wrden.38In einem Vortrag fr den Volkskommissar fr Verteidigung berichtete der Chef der zustndigen Verwaltung Fedorenko ber den Stand der Umbewaffnung der Panzertruppen zum 1.6.1941, dass fr den Friedensstand 34950 und fr den Kriegszustand 37 886 Panzer vorgesehen wren. Zum 1.6. hatte die Rote Armee 23268 Panzer, darunter 545 KV und 969 T-34. Fr die Umbewaffnung und die weitere Entwicklung der Panzerwaffe sollten von der Industrie geliefert werden39:

36 Zur Entwicklung der Panzerwaffe in den Jahren 1939 bis 1941 gibt e seine Vielzahl russischsprachigerquel-lengesttigter Verffentlichungen. Hingewiesen werden soll besonders auf: Drig, Evgenij: Mechanizirovannye korpusa RKKA v boju. Istorija avtobronetankovich vojsk Krasnoj Armii v 1940-1941 godach . Moskva 2005, 830 S. und Drogovoz, Igor: eleznyj kulak RKKA. Tankovye i mechaiziovannoe korpusa Krasnoj Armii 1932 -41 gg., Moskva 1999. Drig betreibt ebenfalls seit 1999 die Internetseite Mechanizirovannye korpusa RKKA(http://mechcorps.rkka.ru) (Datum: 18.Juni 2011), die zahlreiches Dokumentenmaterial enthlt. 37 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. 619f.; Drig, Evgenij: Mechanizirovannye korpusa RKKA v boju. Istorija avtobronetankovich vojsk Krasnoj Armii v 1940-1941 godach . Moskva 2005, S. 50ff. 38 Drig. A.a.O. S.52f. 39 Zitiert nach: irokorad, Aleksandr B.: Tankovaja vojna na vostonom fronte. Moskva 2009, S.69 12

19421943 KV45007500 T-34800015000 T-50400010000 T-4020004000 Gesamt1850036500 Mit dieser gewaltigen Steigerung der Panzerproduktion sollte die Umbewaffnung Ende 1943 abgeschlossen sein.Zwar hatte die Rote Armee im Juni 1941 mehrals 23 000 Panzer, von denen etwa 18 000 gefechtsbereit gemeldet waren, aber die Mehrheit der Verbnde war in einem unfertigen Zu-stand, sowohl bei der Auffllung mit Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften, als auch mit Panzern, Artillerie, Flak, Kraftfahrzeugen,Zugmaschinen, Nachrichtengert usw. Sie waren berwiegend mit leichten Panzern lterer Produktion ausgestattet. Es fehlten insbeson-dere panzerbrechende Munition, Flakartillerie, Mannschafts- und Transport-Kfz., bewegliche Reparatur-Werksttten, Tankfahrzeuge, Nachrichtenmittel. Im Unterschied zu deutschen Pan-zern hattennicht alle sowjetischen Panzer Funkgerte, sondern nur etwa 30% aller Panzer. Auch die Personalzuweisung der Panzerverbnde war 1941 sehr unterschiedlich , insbesonde-re fehlten technische Spezialisten, aber auch allgemeine Kommandeure. Die Hauptmasse der Mechanisierten Korps und damit der Panzer war 1941 in den westlichen Militrbezirken stati-oniert. Betrachtet man aber den Anteil der Panzer nach Militrbezirken, so kann man nicht von einer strkeren Konzentration im Westen in der Zeit vor dem 22. Juni 1941 sprechen. Zwar stieg die Gesamtzahl aller Panzer vom 15.9.1940 von 23 560 auf 24 598 am 1. Juni 1941, aber der Anteil der westlichen Militrbezirke (Leningrader, Baltischer, Westlicher, Kiever, Odessaer) stieg nur von 54,4% (12 847) auf 56% (13 718). Etwa 25 % befanden sich im Fernen Osten und etwa 14% in den Inneren Militrbezirken. Eine Entfaltung fr einen An-griff im ersten Halbjahr 1941sieht anders aus!40 Die Verteilung nach Militrbezirken und Me-chanisierten Korps im Juni 1941 zeigt Anlage 06. Bei den Luftstreitkrften bestanden im Juni 1941 79 Fliegerdivisionen, auch hier zu einem groen Teil in Umstrukturierung und Umbewaffnung. Die enorme zahlenmige Ausweitung der Luftstreitkrfte und der Luftverteidigung in den Jahren 1935 bis 1939 hatte meines Erach-tens auch dazu gefhrt, dass neue Typen von Flugzeugen nur zgerlich entwickelt wurden. Kein einziger Typ, der im Plan von 1937 vorgesehen war, wurde entwickelt bzw. in die Be-waffnung aufgenommen. Die Flugzeugentwicklung litt auerdem noch unter den zahlreichen Verhaftungen 1937/38, die dazu fhrten, dass noch 1940 ein groer Teil der spter berhmt gewordenen Flugzeugkonstrukteure (z.B. Tupolev) als Hftlinge in einem Entwicklungsbro des NKVD arbeiteten. Erst spt wurde die Lage sowohl von der militrischen als auch von der politischen Fhrung erkannt und in einem enormem Tempo versucht, den vor allem Mitte 1940 (im Zusammenhang mit den militrischen Auseinandersetzungen in Westeuropa) er-kennbaren militrtechnischen und strukturellen Rckstand aufzuholen.41 Dies ist durch zahl-

40 Mel'tjuchov, M.I.: Upuennyj ans Stalina. Sovetskij Sojuz i bor'baza Evropu 1939-1941 gg. Dokumenty, fakty, sudenija. Moskva 2002, Anlagen 5 -8. In der 3. berarbeiteten Auflage von 2008 hat Meltjuchov die prozentualen Angaben weggelassen. 41 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, Beschluss des Rates der Volkskommissare vom 25.7.1940, S. 13 reiche Dokumente belegt und auch z. B. durch die Beratungen bei Stalin auf Grund der Besu-cherbcher, wo Flugzeugkonstrukteure, Fabrikdirektoren und Funktionre der Industrie fast tagtglich erwhnt werden, nachvollziehbar.42

Bei den Luftstreitkrften zeigen die Dokumente der Jahre 1939-1941 ebenfalls erhebliche strukturelle Mngel. Der bergang von der Brigadestruktur (etwa 90 Brigaden, 178 Regimen-ter) auf die Divisions- und Korpsstruktur erfolgte erst 1939. Das Problem der Verbindung von fliegenden Verbnden und Bodenstruktur nderte sich in dieser Zeit dreimal (erst Verbindung auf Brigade bzw. Regimentsebene, dann stationre Bodenstruktur, dann Verbindung auf der Divisions- bzw. Korpsebene). Dazu kam die dezentrale Fhrung von einer gemischten Divisi-on je Armee und mehreren reinrassigen Division je Militrbezirk und 4 zentralgeleiteten Flie-gerkorps (Fernflieger). Erst 1940 wurde beschlossen, die Jagdfliegerkrfte gegenber den Bombenfliegerkrften zu verstrken, es wurden Sturzkampffliegereinheiten eingefhrt und es wurden neue Flugzeugtypen fr den Kampf gegen Bodentruppen (Il-2) in die Bewaffnung aufgenommen. Die Reichweite der Jagdflugzeuge, die bis dahin bei 600 km lag, sollte auf 1000-1200 km erhht werden. Die Massierung von Flugpltzen im grenznahen Raum, die 1941 zur Vernichtung eines Groteils der Flugzeuge am Boden fhrte, ist auch diesen gerin-gen Reichweiten geschuldet, die lediglich eine Eindringtiefe von nur 200 bis 250 km erlaubte. Die Kaderentwicklung der Luftstreitkrfte litt besonders unter der enormen Ausweitung in krzester Zeit. Die Qualifikation der Piloten war im Durchschnitt gering, die Masse hatte we-nige Flugstunden, sie konnten nicht bei komplizierten Wetterbedingungen und in der Nacht eingesetzt werden. Jhrlich gab es zwischen 600 und 900 Flugzeugverluste durch Unflle und Katastrophen, was 1941 zur Ablsung des Chefs der Luftstreitkrfte und weiterer Komman-deure fhrte.43 Die Luftverteidigung, die nach 1939 von der Objekt- auf die Raumverteidi-gungumgestellt wurde, wurde in der Verwaltung Luftverteidigung zentralisiert, dennoch blieben die neugebildeten Verbnde den Militrbezirken unterstellt, die einen Chef Luftver-teidigung erhielten.44 Die Luftstreitkrfte/Luftverteidigung litt besonders unter den Mngeln des Nachrichtenwesens. Sie waren weitgehend auf die ffentlichen Nachrichtenverbindungen angewiesen. Das begnstigte am 15. 5. 1941 einen Zwischenfall, bei dem eine deutsche Ju 52 die westliche Staatsgrenze verletzte und schlielich in Moskau landete, ohne das es Meldun-gen der Luftverteidigung gab.45 Danach wurde der Chef der Luftverteidigung abgelst. Die 129f., Beschluss vom 5.11.1940, S. 342f., Beschluss ber die Produktion von Flugzeugen und Motoren im Jahr 1941 vom 7.12.1940, S. 441-443,42 Auf dem Empfang zum 60. Geburtstag von Vorosilov am 4.2.1941 uerte sich Stalin sehr kritisch zur Ent-wicklung der Luftstreitkrfte und verwies auf seine Arbeit mit Konstrukteuren und Werkdirektoren, siehe Dimitroff, Georgi: Tagebcher 1933 1943, Hrsg. von Berhard H. Bayerlein, Berlin 2000, S. 341f. Die Besu-cherhefte des Bros von Stalin weisen dies tatschlich aus, siehe Na prijome u Stalina. Tetradi (urnaly) zapisej liz, prinjatych I.V. Stalinym (1924-1953). Red. A.A. Cernobaev. Moskva 2008. 43 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Vtoraja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumen-ty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva , S.54ff. Bereits frher gab es deswegen Befehle des Volkskommissars, so vom 28. August 1940 in: Velikaja Oteestvennaja / [pod obej red. Zolotareva, V. A.] 2: [Prikazy Narodnogo Komissara Oborony SSSR] , Band 1: [1937 - 21 ijunja 1941 g.] Moskva, 1994, S S. 91-95, vom 22.12.1941, S. 198-203 Zur Entwicklung der Luftstreitkrfte der Roten Armee, siehe Aleksenko, Vasilij: Sovetskoe VVS nakanune i v gody Velikoj Oteestvennoj vojny, in: Aviacija i Kosmonavtika, 2000, Nr.2, S. 3-14, Nr.3, S.3-16, Nr. 4, S.3-15. Zur Flugzeugproduktion, siehe: Muchin, M.Ju.: Aviapromylennost SSSR v 1921-1941 godach, Moskva 2006.44 Velikaja Oteestvennaja / [pod obej red. Zolotareva, V. A.] 2: [Prikazy Narodnogo Komissara Oborony SSSR] , Band 1: [1937 - 21 ijunja 1941 g.] Moskva, 1994, Beschlu ber die Organisation der Luftverteidigung vom 25.1.1941, S. 569 572, Befehl ber die Einteilung in Luftverteidigungszonen vom 14.2.1941, S.231-234; Befehl vom 18.2.1941 ber die Gehilfen fr Luftverteidigung, ebenda, S. 238ff. 45 Ebenda, S. 276ff. 14 Nachrichtenverbindungen waren im wesentlichen als Oberleitungen entlang der Eisenbahnen und der Durchgangsstraen ausgebaut und wurden bei den Luftangriffen auf diese gleich mit zerstrt. Die Funkausstattung der Luftstreitkrfte war hnlich unbefriedigend wie die der der Panzertruppen.Personalentwicklung (Auswirkungen der Repression, Offiziersnachwuchs, Ausbildung) Die Ursachen und Folgen der Repression der Jahre 1936-1938 im Bereich der Roten Armee sind nach meiner Auffassung nicht so eindeutig, wie sie heute im allgemeinen dargestellt werden, aber es bleibt eine nach wie vor weitgehend unverstndliche, hufig rational nicht erklrbare und sehr widersprchliche Angelegenheit. So bereiteten die Untersuchungsorgane des NKVD selbst Ausknfte fr mgliche Anklageschriften gegen den Volkskommissar Voroilov und seinen Stellvertreter Marschall Budjonny vor. Rund 40 000 Offiziere wurden 1937/38 verhaftet, d.h. etwa 7% des Offizierskorps, aber etwa 6000 (nach anderen Angaben sogar bis zu 12 000) nach 1939 von ihnen wieder eingestellt. Insbesondere die obersten Mili-trs wurden zum grten Teil unter dem Vorwurf einer Militrverschwrung hingerichtet46. Gleichzeitig gingen die Verhaftungen in den Fhrungsrngen auch nach 1939 weiter (vor al-lem in den Luftstreitkrften bzw. der Luftverteidigung, u.a. Loktionov, Smukevi, tern). Ich sehe die Folgen aber weniger im Aderlass der Fhrungskrfte (Enthauptung der Roten Ar-mee), als im psychologisch-moralischen Bereich fr das gesamte Offizierskorps von 1941. Auf der anderen Seite wurde im August 1940 die Institution des dem Kommandeur gleichge-stellten Voenkom (Militrkommissar) abgeschafft und den Kommandeuren fr die politi-sche Arbeit Stellvertreter unterstellt.47 Das musste zu einer Aufwertung der Kommandeure fhren, ebenso wie die Einfhrung von Generalsrngen im Frhjahr 1940. Untersuchungen ber die Qualifikation der Kommandeure ab Bataillonskommandeur aufwrts, sowohl in den Landstreitkrften als auch in den Luftstreitkrften, dass sich 1941 der Anteil derjenigen Kommandeure mit akademischer Ausbildung sogar gegenber 1937/38 erhht hatte. Die Mehrheit dieser Kommandeure hatte eine Dienstzeit in der RKKA von 20 Jahren und mehr, bei den Bataillonskommandeuren hatten 81 Prozent zum mindestens zwischen 11 und 20 Dienstjahre. hnliches ist bei den Generlen des Jahres 1940 festzustellen (siehe Anlage 07).48 Natrlich sagen lange Dienstzeiten und hhere militrische Ausbildung nur teilweise etwas ber die tatschliche Qualifikation der Kommandeure und Offiziere des Jahres 1941 aus. Dasselbe gilt aber auch fr die hheren Kommandeure vor 1936, von denen die meisten auch vor allem durch die speziellen Erfahrungen des Brgerkrieg geprgt waren. Es gab 1940 und 1941 vielfache Klagen ber die Brgerkriegsmentalitt bei hheren Kommandeuren, die dem modernen Krieg nicht angemessen sei. Die enorme personelle Ausweitung der Roten Armee in diesen Jahren spielte ganz sicher eine grere Rolle fr die schlechte Qualitt des Offizierskorps vor allem im unteren und mittleren Bereich. So hatten 63% der Zugfhrer und Kompaniechefs im Sommer 1940 nur eine 6 mona-tige Ausbildung. 1939 hatten immer noch mehr als 40% der Kursanten an Offiziersschulen nur eine 7-Klassenausbildung, eigentlich wurden 10-Klassen vorausgesetzt. Am 1.1.1941 hat-

46 Angaben zu den repressierten Offizieren aller Kategorien befinden sich auf der Internetseite: http://www.rkka.ru/handbook/personal/repress/main.htm(Datum 18. Juni 2011) 47 Velikaja Oteestvennaja / [pod obej red. Zolotareva, V. A.] 2: [Prikazy Narodnogo Komissara Oborony SSSR] , Band 1: [1937 - 21 ijunja 1941 g.] Moskva, 1994, S. 182f. 48 Alekseenko, Vasilj: Sovetskie VVS nakanune i v gody Velikoj Oteestvennoj Vojny, in: Aviazija i kosmonavtika 2000-4, S. 12. Die Biographien der Kommandeure der Jahre 1940-1941 sind zusammengestellt in: Komandnyj i naalstvujuij sostav Krasnoj Armii v 1940-1941 gg. Materialy i dokumenty. Moskva 2005 15 te die RKKA ber 527.000 Offiziere, an den Offiziersschulen ( 2-Jahresausbildung) befanden sich weitere rund 93 000 Kursanten.Die technische Ausbildung der dienstpflichtigen Bevlkerung hatte sich seit Mitte der dreii-ger Jahre durch die Industrieentwicklung und die Mechanisierung der Landwirtschaft sehr erweitert. Dazu kam die Ausweitung der Ingenieurtechnischen Ausbildung durch militrische Schulen und Akademien. Andererseits musste die RKKA aber allein 1940 rund 5000 Ingeni-eur-Offiziere in die Industrie fr den Aufbau einer Abnahmeorganisation fr Waffen und Ausrstung abstellen. In den Panzereinheiten, bei den Luftstreitkrften und in der Flotte war der Anteil der Arbeiter unter allen Soldaten ber 50%, zum Teil sogar ber 60%, d.h. die Bauern waren in diesen Bereichen bereits in der Minderheit. Dennoch gab es Mangel an tech-nischen Spezialisten, die nochmalige Ausweitung der Offiziersschulen und Akademien auf diesen Gebieten nach 1939 brachte angesichts der Entwicklung der Panzertruppen und der Luftstreitkrfte nur Teilerfolge.Der politisch-moralische Zustand ist natrlich nur schwer zu messen: Im Zusammenhang mit dem Winterkrieg gegen Finnland erschienen Verffentlichungen, in denen die Forderung aufgestellt wird, dass sich der sowjetische Soldat nicht in Gefangenschaft begeben darf. Es gab nmlich wesentlich mehr sowjetische Kriegsgefangene in finnischer Hand als umgekehrt. Disziplinarprobleme, die bereits vor 1939 einen erheblichen Umfang der Fhrungsttigkeit des Kommandeurs-Bestandes ausmachten, gab es auch in den Jahren danach, wie eine Viel-zahl von Befehlen und Weisungen zeigen. Dazu wurde eine neue schrfere Disziplinarvor-schrift erlassen und Disziplinarbataillone errichtet.49 Hauptprobleme der Disziplin waren Trunkenheit, Nichtbeachten der Vorschriften im Dienst, insbesondere der Sicherheit bei der Ausbildung, unerlaubte Entfernung, Diebstahl und Unterschlagung.Zu den Vorstellungen von der Anfangsperiode eines Krieges in der sowjetischen politi-schen und militrischen FhrungDen Begriff der Anfangsperiode des Krieges gab es in der sowjetischen Militrwissenschaft in dem behandelten Zeitabschnitt noch nicht. Welches Kriegsbild, insbesondere ber die An-fangsphase der militrischen Auseinandersetzungen den sowjetischen strategischen Planungen 1940/41 zugrunde lag, ist bisher nur eingeschrnkt nachzuvollziehen. Es gibt ber die Vor-stellungen vom Beginn eines Krieges bisher keine zuverlssigen und fr die oberste Fhrung verbindliche Festlegungen. Aus einzelnen Hinweisen in den Entfaltungsplnen und den Di-rektiven der Militrbezirke kann auf folgende grundlegende Vorstellungen ber den Beginn eines Krieges in der sowjetischen Militrfhrung geschlossen werden: Die Deutschen mar-schieren im Zeitraum von 10-15 Tagen auf, deren Verbndete (insbesondere Rumnien und Finnland) bentigen mehr Zeit, inzwischen werden die Deckungstruppen der Roten Armee mobilgemacht bzw. inerhhter Friedensstrke an die Grenze vorgeschoben, wo sie die vor-bereiteten Grenzstellungen einschlielich der Befestigten Rume besetzen. Sie fhren die Grenzgefechte mit den angreifenden Gegner (in erster Linie der Wehrmacht). Inzwischen werden die Hauptkrfte der Roten Armee mobilgemacht und nehmen in einem Zeitraum bis zu dreiig Tagen die Ausgangslage fr die Gegenschlge ein. Danach setzt die erste Gegenof-fensive in den vorgesehenen Richtungen ein, fr die 30-40 Tage vorgesehen sind.

49 Befehl zur Disziplinarordnung vom 12.10.1940 in: Velikaja Oteestvennaja / [pod obej red. Zolotareva, V. A.] 2: [Prikazy Narodnogo Komissara Oborony SSSR] , Band 1: [1937 - 21 ijunja 1941 g.] Moskva, 1994,S. 179ff. 16 Andererseits wird in Vorschriften und anderen militrischen Verffentlichungen der Zeit durchaus davon ausgegangen, dass Kriege berraschend erffnet werden. Die neue Mobilma-chungsvorschrift vom Juni 1940 wird mit Stalin-Zitaten erffnet: Der Krieg gegen die SU, die sich in kapitalistischer Umkreisung befindet, kann unerwartet entflammen. Heute werden Kriege nicht erklrt. Sie knnen schnell beginnen. Daher msse die Rote Armee wie das ganze Volk in Mobilisierungsbereitschaft sein, angesichts der Gefahr eines militrischen Angriffs, damit unter keinerlei Umstnden unsere ueren Feinde uns berraschen knnen.Die Wahrnehmung des deutschen Aufmarsches ab Dezember 1940 und die Frage der berraschung Einige Ausfhrungen zu den sowjetischen Aufklrungsorganen in der Zeit 1939-1941 sind unbedingt notwendig, da auf diesem Gebiet immer noch besonders viele Sagen und Mythen verbreitet werden, die aber hier nicht im einzelnen untersucht werden knnen. Zunchst ist es wichtig festzuhalten, dass es zwei Hauptorgane gab: Die Aufklrung der RKKA in Gestalt der Verwaltung Aufklrung, diese zunchst unmittelbar dem Minister unterstellt, spter ab dem 27.6.1940 dem Generalstab eingegliedert. Diese fhrte die Truppenaufklrung, die Funkauf-klrung, die Agenturaufklrung und die Militrattachs. In Moskau fhrte sie z.B. in der deut-schen Botschaft den nachmaligen stellv. Auenminister der DDR, Gerhard Kegel, als Quelle, in Berlin den Botschaftsrat Scheliha, in Tokio war Richard Sorge Resident mit Quellen bis ins Amt des Ministerprsidenten, in Westeuropa existierten grere Gruppen in Brssel und Frankreich und in der Schweiz die Gruppe Dora, spter als Rote Kapelle bekanntgewor-den. Die Aufklrungsabteilungen der Stbe der westlichen Militrbezirke waren aktiv an der Aufklrung vor ihren MB mit Agenturen beteiligt. Ergebnisse gingen in die Aufklrungsbe-richte der Fhrungen der MB ein bzw. wurden als Einzelmeldungen an Zentrale geschickt. Die uere Aufklrung des Volkskommissariats des Inneren (NKVD) war zunchst als 5. Ab-teilung in der Hauptverwaltung Staatssicherheit organisiert. Ab 1939 wurde P.M. Fitin in Nachfolge des zum stellvertretenden Volkskommissars des ueren ernannten Vladimir G. Dekanozov (1940/41 Botschafter in Berlin) Leiter der 5. Abteilung. Im Februar 1941 wurde das NKVD in zwei Volkskommissariate (NKVD und Volkskommissariat fr Staatssicherheit/ NKGB, Volkskommissar V.N. Merkulov) aufgeteilt, die uere Aufklrung wurde 1. Verwal-tung des NKGB. Quellen fhrte die 1.Verwaltung - in Berlin: - den SS-Obersturmfhrer Lehmann (Breitenbach) im Reichssicherheitshauptamt; Arvid Harnack (Korsikanez) im Wirt-schaftsministerium, Harro Schulze-Boysen (Starina) in der Fhrung der Luftwaffe, weitere Quellen in Frankreich, in Prag, in Grobritannien (Cambridge Five), in den USA, in Rumni-en, in Ungarn, in Bulgarien (u.a. den Bulg. Botschafter in Moskau), in Jugoslawien, und in Italien. Die beiden Organisationen waren einerseits Konkurrenten, andererseits arbeiten sie aber auch zusammen, zumal hufig Personal von einer Institution zur anderen wechselte. Bei-de Organe hatten durch die Repression der Jahre 1936 bis 1938 erhebliche Verluste erlitten und begannen sich erst ab Mitte 1939 wieder zu konsolidieren, was sich in einem zunehmen-den Informationsfluss auswirkte. Leider gibt es bisher keine wissenschaftliche Analyse der Aufklrungsergebnisse oder wissenschaftliche Dokumentenverffentlichungen. So gute Mg-lichkeiten, wie 1933, als die Ansprache Hitlers vor den Generlen in Berlin bereits zwei Tage danach in Moskau als Dokument vorlag, hatte die sowjetische Aufklrung aber 1939-1941 nicht mehr, vor allem gab es keine dokumentarischen Informationen.Neben diesen Hauptorganisationen wirkten aber noch zahlreiche andere Institutionen an der Informationsgewinnung, so z. B. die Verwaltung Grenztruppen des NKVD in der Tiefe jen- 17 seits der Grenze, die Verwaltung Verkehr des NKVD (Eisenbahnaufklrung bis tief in das General-Gouvernement), die Verwaltungen Staatssicherheit der Grenzgebiete (z.B. Lening-rad, Ukraine, Belorussische Republik). Es sind inzwischen hunderte von Meldungen von die-sen Institutionen bekanntgeworden, die in der Regel als Einzel- oder Sammelmeldung an die oberste Fhrung (Berija, Merkulov, Stalin, Molotov, Voroilov bzw. Timoenko und die je-weiligen Generalstabschefs der Roten Armee) bermittelt wurden. Aus den Verffentlichun-gen muss man schlieen, dass Stalin weitgehend alle Meldungen ungefiltert erhielt. Analyti-sche Beurteilungen der Einzelmeldungen wurden bisher nur in sehr geringem Umfang be-kannt. Stalin soll solche Analysen verboten haben, aber auch das sind lediglich interessenge-leitete Aussagen aus wesentlich spterer Zeit. Die Verwaltung Aufklrung des Generalstabes der RKKA unter Golikov sandte zumindest seit Mitte 1940 monatlich und ab April 1941 so-gar 14tglich Analysen der Verteilung der militrischen Krfte Deutschlands und seiner Ver-bndeten an Stalin, Molotov, Berija, den VK fr Verteidigung und seine Stellvertreter, natr-lich auch an die Chefs des Generalstabes. Bei diesen Dokumenten wurde auch der Verteiler mit verffentlicht, so dass die Aussage ukovs, er habe keine Informationen von Golikov bekommen, da dieser nur an Stalin persnlich berichtete, eindeutig falsch ist.50 Aus den Do-kumenten geht sogar hervor, dass er auch Einzelmeldungen von Agenten der Verwaltung Aufklrung erhielt.51

Nach Angaben der Verwaltung Aufklrung des Generalstabes entwickelte sich der Aufmarsch der deutschen Truppen von 83-84 Div. (4.4.41), ber 95-100 Div. (25.4.41), auf 103-107 Div. (5.5.41), auf 114-119 (15.5.1941) und schlielich 120-122 Div.(1.6.41).52Tatschlich waren am 1.6.1941 aber erst 76 Infanteriedivisionen, 1 Kavallerie-Division und 3 Panzerdivisionen im Aufmarsch-Raum. Bis zum Frhjahr 1941 wurden die gegenber der Sowjetunion aufmar-schierten deutschen Truppen vom sowjetischen Generalstab um etwa das 2 1/2 - 3fache ber-schtzt. Ab April 1941 werden die aufmarschierten Truppen nur noch anderthalbfach ber-schtzt. Mitte Mai 1941 ging die sowjetische militrische Fhrung allerdings allein von 25 gegenber der SU aufmarschierten Panzer- und motorisierten Divisionen aus. Tatschlich waren zum 1. 6. 41 aber erst 4 dieser Divisionen im Aufmarsch-Raum. Die letzte deutsche Aufmarsch-Staffel mit 12 Panzer- und 12 motorisierte Divisionen wurde erst vom 3. Juni bis 23. Juni 1941 in den Angriffsraum verlegt. Aber eindeutig ist, von einer Unterschtzung des deutschen Aufmarsches durch die sowjetische militrische Aufklrung kann also keine Rede sein.Golikov analysiert auch andere Einzelmeldungen fr Stalin und kommt in einer vom 20.3.1941 zu der Schlussfolgerung, dass die Hinweise auf Kriegsvorbereitungen Deutschlands gegen die SU englische Desinformationen seien.53 Das ist bisher der einzige dokumentarische

50 Shukow, Grigori K.: Erinnerungen und Gedanken, Berlin 1970, Band 1, S.263 51 Siehe z.B. die Verteiler der Berichte in: Voennaja razvedka informirujet. Dokumenty razvedupravlenija Krass-naja ArmijaJan.1939-ijun 1941. Sostavitel V.A. Gavrilov. Moskva, 2008, Dokument 7.33 vom 4.4.1941; Doku-ment 7.38 vom 16.4.1941; Dokument 7.40 vom 20.4.1941; Dokument 7.47 vom 25.4.1941; Dokument 7.57 vom 5.5.1941. Die Spezialauskunft (Dokument 7.65) vom 15.5.1941 ber die Verteilung der deutschen Truppen lag unmittelbar den berlegungen zur strategischen Entfaltung der Roten Armee vom Mai 1941 zugrunde. Die Dokumente wurden zitiert nach der Verffentlichung im Internet: http://www.alexanderyakovlev.org/fond/issues/73220 vom 25.5.2011. 52 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Vtoraja. Sost. L.E. Resin i dr., Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. 46f., S.87,S. 119ff., S.171ff., S. 213ff., S.289ff.53 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Doku-menty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. 776ff. 18 Hinweis, dass in der politisch-militrischen Fhrung vorliegende Meldungen als englische Desinformationen eingeschtzt werden. Ein immer wieder benutztes angebliches Schreiben des stellvertretenden Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare und Volkskommissar des Inneren Berija an Stalin ber die Falschmeldungen der Verwaltung Aufklrung, insbesondere des Militrattaches in Berlin, ber einen drohenden deutschen Angriff als englische Desin-formation und die Besttigung eines mglichen Angriffsbeginns frhestens 1942 hat sich meines Erachtens nicht als Original erwiesen. Ob es sich dabei um eine Flschung aus der Zeit Chruovs handelt, msste gesondert untersucht werden. Die bisher verffentlichten Meldungen Berijas aus dem Bereich des NKVD ber den deutschen Aufmarsch an Stalin wi-dersprechen diesem angeblichen Brief.54 Auch alle weitere Aussagen, z. B. ber Stalins Ein-schtzung der Meldungen Schulze-Boysens und Richard Sorges als Desinformation sind sp-tere Berichte und mssen zumindest hinterfragt werden. Auch der Kalenderplan der Mel-dungen Korsikanec und Starina aus Berlin vom 17. Juni 1941, der auf Weisung Stalins auf-gestellt wurde, dokumentiert solche mglichen Einschtzungen nicht55. Eine hnliche Zu-sammenstellungen der Meldungen ber Kriegsvorbereitungen machte die Verwaltung Aufkl-rung des Generalstabes zur gleichen Zeit, die offensichtlich ebenfalls fr Stalin bestimmt war.56 Diese Aufstellungen zeigen meines Erachtens, dass Stalin sich noch einmal einen berblick ber die Meldungen ber deutsche Kriegsvorbereitungen machen wollte. Welche Schlussfolgerungen er zur damaligen Zeit er daraus zog, kann nur vermutet werden.Vom Baltischen Besonderen Militrbezirk und vom Westlichen Besonderen Militrbezirk liegen Detailmeldungen vor, die es ermglichen, den Wahrheitsgehalt der Meldungen ber festgestellte deutsche Verbnde und Truppenteile im Aufmarsch-Raum vor den jeweiligen Militrbezirken zu berprfen. Dabei zeigte sich, dass nur etwa ein Drittel der Informationen tatschlich stimmen. Unkenntnis besteht in der Struktur der deutschen Verbnde, hufig wer-den offensichtlich sowjetische Strukturen zugrunde gelegt.57 Dennoch kann man konstatieren, die Fhrung des Baltischen Besonderen Militrbezirks hat ab April 1941 den Aufmarsch der Heeresgruppe Nord und Teilen der HG Mitte im wesentlichen erkannt, allerdings im Endzeit-raum unterschtzt. Nicht festgestellt hat sie allerdings die Angriffsrichtungen und -zieleder deutschen Truppen.Zusammenfassend muss man feststellen: die oberste politische und militrische Fhrung der SU und der RKKA hatte gengend Informationen ber die deutschen Kriegsvorbereitungen

54 Siehe Bezymenskij (Besimensky), Lev A.: Der sowjetische Nachrichtendienst und der Kriegsbeginn von 1941, in: Gerd R Ueberschr /Lev A. Bezymenskij (Hrsg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kont-roverse um die Prventivkriegsthese, Darmstadt 1998, S. 110. Bezymenskij beruft sich auf Danilov, Valeri D.: Gotovil li Generalnyj tab Krasnoj Armii upredajuij udar po Germanii, in: Segodnja vom 28.9.1993. Nie-mand hat bisher eine eindeutige Archiv-Signatur fr diesen Brief angegeben. 55 Voenno-istorieskijurnal 6/1993, S. 18-30. In deutscher bersetzung verffentlicht in: Bezymenskij (Besimensky), Lev A.: Ausgewhlte sowjetische Dokumente, in: Gerd R Ueberschr /Lev A. Bezymenskij (Hrsg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Prventivkriegsthese, Dar-mstadt 1998, S. 199 212. 56 Voennaja razvedka informirujet. Dokumenty razvedupravlenija Krassnaja ArmijaJan.1939-ijun 1941. Sostavitel V.A. Gavrilov. Moskva, 2008, S. 701-713 57 Sbornik boevych dokumentov Velikoj oteestvennoj vojny. Vypusk 34: Dokumenty upravlenija pribaltiskogo osobovo okruga i severo-zapadnogo fronta ijun-ijul 1941 g. Moskva 1953, S. 18 20, S. 25-27. Die Angaben ber deutsche Truppen wurden anhand von Mller-Hillebrand, Burkhart: Das Heer 19331945. Entwicklung des organisatorischen Aufbaues. Band II. Die Blitzfeldzge 1939-1941. Das Heer im Kriege bis zum Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion im Juni 1941, Frankfurt am Main 1956, und Fall Barbarossa. Dokumentezur Vorbereitung der faschistischen Wehrmacht auf die Aggression gegen die Sowjetunion (1940/41) ausgewhlt und eingeleitet von Erhard Moritz, Berlin 1970, berprft. 19 und ber den Aufmarsch, allerdings keine dokumentarischen, wie mehrfach betont wird. Es stimmt eben nicht, dass die Weisung 21 im Januar 1941 auf dem Tisch Stalins lag, sondern nur mndlich bermittelte Hinweise auf deutsche Angriffsweisungen fr das Frhjahr 1941 liegen nachweislich vor. Diese Informationen sind aber nicht in allen Bereichen eindeutig (so wurde mehrfach Angriffstermine genannt, die dann nicht eintrafen, wofr es tatschliche Grnde in den nderungen der deutschen Plne gab, die aber nicht benannt wurden), sondern durchaus unterschiedlich interpretierbar. In den bekanntgewordenen Meldungen gab es auch Desinformationen und nicht der Wahrheit entsprechende Meldungen, sie spielen m. E. aber nur eine untergeordnete Rolle. Die unentschlossene Haltung Stalins im Frhjahr 1941 kam aber m.E. weniger aus dem Bereich der Interpretation der geheimen Informationen, sondern eher aus der politischen Lage (z.B. der schnelle Zusammenbruch Frankreichs, die Vorberei-tungen Englands und Frankreichs im Frhjahr 1940 auf Kampfhandlungen z.B. gegen Baku, die Entwicklungen auf dem Balkan und nicht zuletzt der Flug von He am 12.5.1941 nach Grobritannien). Die sowjetische Fhrung versuchte z.B. ber ihre nachrichtendienstlichen Mglichkeiten in Grobritannien die Hintergrnde des Hess-Fluges sehr nachdrcklich auf-zuklren, was ihr aber nicht mehr gelang. Die Plne der strategischen Entfaltung der Streitkrfte fr die Rote Armee. Von 1925 bis 1940 wurden im Hauptstab (spter Generalstab) der RKKA 15 Varianten ver-schiedener strategischer Plne erarbeitet bzw. berarbeitet.58 Am 24. Mrz 1938 legte der Chef des Generalstabes aponikov auf der Grundlage der besttigten Grundsatzplne fr 1938-1942 eine Ausarbeitung vor, ohne Adressat, ohne zusammenfassende berschrift, die sich als eine Variante der spter sogenannten berlegungen der strategischen Entfaltung der Jahre 1940/41 herausstellte.59 Bisher wurden folgende weitere berlegungen zur strategischen Entfaltung bekannt: -berlegungen zur strategischen Entfaltung vom Volkskommissar Timoenko und Ge-neralstabschef aponikov vom Sommer 1940 (das Datum ist nicht vermerkt, das Do-kument wird in den Verffentlichungen auf Juni, Juli bzw. vor dem 19.8.1940 da-tiert.60 (Anlage 08: Kartenskizze) -berlegungen zur strategischen Entfaltung vom 18.September 1940 von Volkskom-missar Timoenko und Generalstabschef Mereckov. Gleichzeitig wurden solche ber-legungen fr einen Krieg gegen Finnland vorgelegt.61 (Anlage 09: Kartenskizze Nrd-liche Variante; Anlage 10: Kartenskizze sdliche Variante)

58 Gareev, Machmut: Pravda i lo o naale vojny . Gotovil li Stalin upredajusij udar po Germanii v 1941 gody?, In: Nezavisimaja gazeta 22.6.200059 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Vtoraja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Doku-menty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. 557-571, Plan der strategischen Entfaltung der RKKA vom 24. Mrz1938, ausgearbeitet vom Chef des Generalstabes Boris aponikov. bersetzung in: Lew Besymenski Stalin und Hitler. Das Pokerspiel der Diktatoren Berlin 2002, S. 355 362. 60 Grundlegende berlegungen der Strategischen Entfaltung im Westen und im Osten fr 1940 und 1941 vom August 1940 (vor dem 19.8.), in: 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. 181-192. bersetzung ins Deutsche: Lew Bezymenski (Besimensky), Lev A.: Ausgewhlte sowjetische Dokumente, in: Gerd R Ueberschr /Lev A. Bezymenskij (Hrsg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Prventivkriegs-these, Darmstadt 1998, Plan vom Juni 1940 (Timoenko/ aponikov) S. 157 163 sowie bei Walter Post, Un-ternehmen Barbarossa. Deutsche und sowjetische Angriffsplne 1940/41, Hamburg/Berlin/Bonn 1995, Plan vom Juli 1941, S. 397-401. 61 Grundlagen der Strategischen Entfaltung im Westen und im Osten fr 1940 und 1941 vom 18.September 1940, in: 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek 20 -berarbeitung dieser berlegungen nach einer Diskussion mit Stalin am 5.Oktober 1940.62 -berlegungen zur strategischen Entfaltung vom 11.Mrz 1941 von Volkskommissar Timoenko und Generalstabschef ukov.63 -berlegungen zur strategischen Entfaltung vom Mai 1941 von Volkskommissar Timoenko und Generalstabschef ukov.64(Anlage 12: Kartenskizze) Die Dokumente wurden jeweils in einem Exemplar in der Operativ-Verwaltung des General der Roten Armee gefertigt (als Schreiber wurde fr die Plne von 1940 und 1941der stellv. Chef der Operativverwaltung Generalmajor Vasilevskij genannt). Die bisherigen Verffentli-chungen erfolgten nach den im Zentralarchiv des Verteidigungsministerium befindlichen Exemplaren65, enthalten aber Varianten, die mglicherweise durch fehlerhafte Abschriften, durch Druckfehler oder andere Fehler entstanden sind. Der Plan vom 11.Mrz 1941 ist bisher nicht vollstndig verffentlicht worden. Vom umstrittenen Plan vom Mai 1941 gibt es als Einzigem eine technisch schlechte Faksimile-Verffentlichung. Einige Autoren behaupten, dass es sich bei dem Plan vom 24.3.1938 um den noch 1941 gltigen, weil einzigen besttig-ten Kriegsplan der Sowjetunion handelt, andere meinen, der Plan vom 18. September 1940 sei der im Juni 1941 gltige Entfaltungsplan, die Vertreter der Prventivkriegsthese halten den Plan vom Mai 1941 fr gltig. Die bisherig vorliegenden Quellen lassen solche Schlsse aber nicht zu.Wichtig ist festzustellen, dass das Dokument von 1938 die generelle Struktur aller weiteren bisher bekanntgewordenen berlegungen bestimmt: Ausgangspunkt fr die strategische Planung des Generalstabes der Roten Armee sind die vorhandenen Krfte und Mittel, die nach der jeweiligen Beurteilung der Feindlage aufgeteilt werden. Das Ziel der berlegungen wird nur indirekt angesprochen und hat kaum Auswirkungen auf die Planung. Bei den Krften und Mitteln, die nur in Form der Aufteilung auf die Richtung (Westliche und stliche) und auf die spteren Fronten, spter bis zu den Armeen, auftreten, wird von einem Endzustand ausgegan-gen, der zum jeweiligen Zeitpunkt, wie eine nhere Untersuchung der Verteilung der Verbn-de beweist, nicht unbedingt erreicht sein musste. Ein Zeitbedarf zum Erreichen dieser im Plan angenommenen Ausgangslage (Aufmarsch und Entfaltung der Streitkrfte) wird berhaupt Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. 236 -253. Plan zu Finnland, ebenda S. 253-260. bersetzungen wurden verffentlicht von Lew Bezymenski (Besimensky), Lev A.: Ausgewhlte sowjetische Dokumente, in: Gerd R Ueberschr /Lev A. Bezymenskij (Hrsg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontro-verse um die Prventivkriegsthese, Darmstadt 1998, Plan vom 18.September 1940, S. 164 173 (Ohne Kenn-zeichnung fehlt ein groer Teil des Dokuments) sowie bei Walter Post, Unternehmen Barbarossa. Deutsche und sowjetische Angriffsplne 1940/41, Hamburg/Berlin/Bonn 1995, Plan vom 18. September 1940, S. 401-407. 62 Vernderungen zum Plan vom 18.September (nach dem 5.Oktober 1940) in: 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S.288-290. 63 Plan der strategischen Entfaltung im Westen und Osten vom 11.Mrz 1941, 1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Pervaja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. 741-746 (enthlt gekennzeichnete Auslassungen). bersetzungen wurden verffentlicht von Lew Bezymenski (Besimensky), Lev A.: Ausgewhlte sowjetische Dokumente, in: Gerd R Ueberschr /Lev A. Bezymenskij (Hrsg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Prventivkriegsthese, Dar-mstadt 1998, Plan vom 11.Mrz 1941, S. 177-182 (keine Kennzeichnung von nichtverffentlichten Teilen des Textes) sowieWalter Post, Unternehmen Barbarossa. Deutsche und sowjetische Angriffsplne 1940/41, Ham-burg/Berlin/Bonn 1995, Plan vom 11.Mrz 1941, S. 401-412. Diese bersetzung wurde nach den Verffentli-chungen im Voenno-Istoriceskij zurnal gefertig. 64 Siehe Funote 12 65 ZAMO, Fond 16, op.2851, delo 239, bzw. delo 241 (Plan vom 11.3.1941), delo 237 (Plan vom Mai 1941). 21 nicht angegeben. Lediglich der bergang zu der zweiten Phase der Kampfhandlungen, der bergang zum Gegenangriff, wird terminiert. Damit unterscheiden sich diese Dokumente deutlich von der Struktur den deutschen Planungen, etwa der Weisung 21.Die Struktur der berlegungen von Herbst 1940, Mrz und Mai 1941 ist im Wesentlichen gleichartig. Sie enthalten folgende Punkte:-Feststellung der Mglichkeit eines Krieges mit Deutschland und Japan als Hauptgeg-ner gegen die Sowjetunion, Einschtzung deren mglichen Verbndeten und der mili-trischen Krfte des Gegners,-Verteilung der eigenen Krfte im Osten, Sden und Westen und sonstige Richtungen,-Ziele der im Westen zu entfaltenden Hauptkrfte zur Zerschlagung der feindlichen Streitkrfte auf dessem Territorium.-Dann folgt die Aufteilung der Krfte im Westen auf die mit Kriegsbeginn im Westen zu bildenden Fronten (Nord-, Nordwest-, West- und Sdwestfront), deren Aufgaben und Ziele, sowie die Bestimmung der Reserven des Oberkommandos.-Gesondert wird jeweils der Osten behandelt.Es wird in diesen Dokumenten nicht sichtbar, ob es konkrete Auftrge der politischen Fh-rung dafr gegeben hat und welche Rolle diese Dokumente in der Diskussion mit Stalin und dem Fhrungskreis spielten. Nur fr den 5.Oktober 1940 ist eine Diskussion mit Stalin zu einem der Plne nachgewiesen. Alle anderen Angaben ber Reaktionen Stalins zu den bishe-rigen berlegungen fr die strategische Entfaltung als konkrete Kriegsplne beruhen auf Hrensagen, auf Erinnerungen aus wesentlich spteren Zeiten, werden aber immer wieder in die Diskussion als eindeutige Beweise eingefhrt. Die berlegungen vom Mrz 1941, die erstmals von ukov verantwortet wurden, sind leider so verkrzt verffentlicht worden, dass nicht beurteilt werden kann, worin sie sich von den Plnen vom September 1940 bzw. vom Mai 1941 unterscheiden. Die Krfteverteilung der Roten Armee nach den verschiedenen Pl-nen wurde vom Autor in Anlage 08 zusammengestellt. Mglicherweise beziehen sich die unter dem Sammeltitel Konec globalnyj li (Ende der globalen Lgen) verffentlichten Direktiven fr die Sicherung der Staatsgrenzen des Volkskommissars fr Verteidigung an die westlichen Militrbezirke bzw. die Dokumente der Militrbezirke vom Mai/Juni 1941, die 1996 in der Zeitschrift Voenno-istiorieskij zurnal verffentlicht wurden, auf den Entfaltungsplan vom Mrz 1941, jedenfalls stammen diese Direktiven aus der Zeit vom 6.-15.Mai 1941, also vor den berlegungen vom Mai 1941.66 Sie enthalten die Aufgaben der Sicherung der westlichen Staatsgrenzen zum Teil bis zum Regi-ment unter der Voraussetzung der vollstndigen Besetzung des Sicherungsstreifens und galten offensichtlich im Rahmen der Phase der Mobilisierung und der Verteidigungsphase (bis zum 30. Mob.-Tag).67 Entsprechende Dokumente der Armeen, Korps und Divisionen wurden bis-

66 Es kann aber durchaus sein, dass die Plne sich auf den Entfaltungsplan vom Mai 1941 beziehen, da es darin heit, dass der Volkskommissar bereits diesbezgliche Weisungen erteilt habe:1941 god. v 2-ch knigach. Kniga Vtoraja. Sost. L.E. Resin i dr.. Moskva 1998 (Rossija. XX vek Dokumenty. Pod red. Akad. A. N. Jakovleva, S. Abschnitt VI S. 219; bersetzung bei Lew Bezymenski (Besimensky), Lev A.: Ausgewhlte sowjetische Doku-mente, in: Gerd R Ueberschr /Lev A. Bezymenskij (Hrsg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Prventivkriegsthese, Darmstadt 1998, S. 191. 67 Gorkov, Ju. N., Semin Ju. N.: Konez globalnoy li: (enthlt: Befehl des VK der Verteidigung vom 14.5.1941 an den Kommandierenden der Truppen des Balt. BMB ber die Ausarbeitung eines Planes der Staatsgrenzen der Litauischen SSR und den Plan der Deckung des Territoriums des Balt. BMB fr die Periode der Mobilisierung, Konzentrierung und Entfaltung der Truppen den Bezirks), in Voenno-istorieskij urnal 2/1996; Gorkov, Ju. N., 22 her nicht verffentlicht, obwohl der Chef der operativen Verwaltung im Kiever Militrbezirke Bagramjan, angibt, dass die Dokumente bis zur Ebene Regiment (bei ihm offensichtlich auf der Grundlage des zentralen Entfaltungsplanes vom September 1940) angefertigt wurden. In diesen Dokumenten ist nichts von den geplanten Offensiven bzw. Gegenoffensiven vermerkt. Sie sollten bis zum 1. Juni 1941 fertiggestellt werden (Anlage 13: Skizze der Deckungstrup-pen nach den Plnen vom Mai/Juni 1941).Hauptproblem der berlegungen fr die strategische Entfaltung war nach der Einschtzung des Feindaufmarsches die Verteilung der sowjetischen Streitkrfte und ihre Schwerpunkte nrdlich oder sdlich des Polessje. Bereits im Plan von 1938 waren von aponikov beide Mglichkeiten erwogen worden, wobei der Aufmarsch beider Seiten mit nrdlichem Schwer-punkt und eine entsprechende nrdliche Gegenoffensive prferiert wurde. Die Erwgungen zur Strategischen Entfaltung vom 18. September 1940 enthalten ebenfalls diese beiden Vari-anten, wobei die Konzentration der feindlichen Hauptkrfte im Norden immer noch als die wahrscheinlichste angenommen wurde. Die feindliche Entfaltung mit sdlichem Schwerpunkt wird als nicht auszuschlieen zwecks Eroberung der Ukraine beurteilt. Zu diesem Zeitpunkt wird etwa ein Drittel der deutschen Krfte im Aufmarsch im Osten und Sdosten (etwa 85 ID und 9 PD) angenommen, gleichzeitig aber betont, dass die militrische Lage nach dem West-feldzug es ermgliche, bis zu zweidrittel der deutschen Krfte (140 ID, bis 17 PD, 8 motori-sierte, 5 leichte und 3 Luftlande-Divisionen, sowie an die 12.000 Flugzeuge ) gegen die sow-jetische Westgrenze zu konzentrieren. Fr den eigene Aufmarsch werden ebenfalls zwei Vari-anten ausgewiesen, die beide vollstndig ausgearbeitet werden sollen. Die Inkraftsetzung wird vom tatschlichen feindlichen Aufmarsch abhngig gemacht. Die Hauptkrfte der Roten Armee im Westen knnen - in Abhngigkeit von der jeweiligen Lage entwickelt werden - entweder sdlich von Brest-Litowsk, um mit einem machtvollen Schlag in den Frontabschnit-ten Lublin und Krakau und weiter Richtung Breslau schon in der ersten Phase des Krieges Deutschland von den Balkan-Staaten abzuschneiden, es so seiner wichtigsten wirtschaftlichen Fundamente zu berauben und mit Entschiedenheit auf die Balkanstaaten in der Frage ihrer Teilnahme am Krieg einzuwirken; oder nrdlich von Brest-Litowsk mit dem Auftrag, einen Schlag gegen die Hauptkrfte der deutschen Armee innerhalb der Grenzen von Ostpreuen zu fhren und letzteres zu erobern.Nach dem 5. Oktober 1940, an dem der Entfaltungsplan vom 18.Sept.1940 mit Stalin, Molo-tov und Voroilov beraten wurde, nderte die militrische Fhrung nach Hinweisen Stalins den Entfaltungsplan. Bei diesem Plan ist erstmals ein direkter Eingriff Stalins in die Planung nachzuweisen. Der Hauptschwerpunkt wurde jetzt eindeutig im Sden festgelegt, die SW-Front sollte etwa 2/3 aller Krfte im Westen (80 SD, 11 PD, 20 Panzerbrigaden, 5 MD, 7 KD und 140 Fliegerregimenter) erhalten. Das war die grte Krftegruppierung, die fr den S-den vorgesehen waren, 1941 wurden wieder weniger Verbnde fr die Sdwestfront geplant. Dann folgen die gleichen Ziele, wie im Entfaltungsplan vom 18. September 1940. Gleichzei- Semin Ju. N.: Konec globalnyj li: na sapadnom napravlenii. Operativnye plany sapadnich prigraninych veonnych okrugov 1941 goga svidetenstvujut: SSSR ne gotovilsja k napadeniju na Germaniju, in: Voenno-istorieskij urnal 3/1996 (Mai-Juni), S. 4 -17; Gorkov, Ju. N., Semin Ju. N.: Konec globalnyj li: ot ernogo morja do Karpat. Operativnye plany sapadnich prigraninych veonnych okrugov 1941 goda svidetenstvujut: SSSR negotovilsja k napadeniju na Germaniju, in Voenno-istorieskij urnal 5/1996, S. 2 -15;Gorkov, Ju. N., Semin Ju. N.: Konec globalnyj li: na sovetskom severo-sapade, in: Voenno-istorieskij urnal 6/1996, S. 2 7. Inzwischen sind diese Dokumente wiederholt, allerdings ebenfalls ohne die dazugehrenden Anlagen und ohne wissenschaftlichen Apparat, verffentlicht worden. 23 tig sollten aktive Handlungen der NW- und Westfront die deutschen Krfte in Ostpreuen binden.Der Entfaltungsplan vom Mai 1941, der als einzige als Faksimile-Verffentlichung vorliegt, unterscheidet sich durch folgenden Vorschlag von den bisher erwhnten Plnen: Wenn man in Betracht zieht, dass Deutschland sein Heer mit eingerichteten Rckwrtigen Diensten mobil gemacht hlt, so kann es uns beim Aufmarsch zuvorkommen und einen ber-raschungsschlag fhren. Um dies zu verhindern und die deutsche Armee zu zerschlagen (letz-teres durchgestrichen), erachte ich es fr notwendig, dem deutschen Kommando unter keinen Umstnden die Initiative zu berlassen, dem Gegner beim Aufmarsch zuvorzukommen und das deutsche Heer dann anzugreifen, wenn es sich im Aufmarschstadium befindet, noch keine Front aufbauen und das Gefecht der verbundenen Waffen noch nicht organisieren kann.68

Inzwischen ist festgestellt worden, das der Plan vom damaligen Chef der Operativen Verwal-tung des Generalstabes Generalmajor Vasilevskij geschrieben wurde und die Ergnzungen von der Hand des 1. Stellvertretenden Generalstabschef Generalleutnant Vatutin stammen sollen. Die Autoren, die die Prventivkriegsthese vertreten, gehen davon aus, dass die berlegungen vom Mai 1941 in Kraft gesetzt wurden und den Aufmarsch der sowjetischen Streitkrfte im Mai/Juni 1941 bestimmten. Warum dieses einzige als Faksimile verffentlichte Dokument von vielen Autoren auf den 15. Mai datiert wird, entzieht sich meinem Verstndnis, denn es ist weder datiert noch unterschrieben. Im Text wird als Termin fr den Stand der Angaben zu den feindlichen Krften der 15.Mai angegeben, also muss das Dokument aus spterer Zeit stammen, die Einfgungen, Streichungen usw. mssen noch spter datiert werden. Ist dieses Dokument der Beweis, dass Stalin und die militrische Fhrung zu diesem Zeitpunkt einen Prventivkrieg gegen Deutschland vorbereiteten? Es beweist m. E. zunchst nur: In der zwei-ten Maihlfte 1941 gab es solche berlegungen im Generalstab. Alle bisherigen Angaben, wie Stalin und die brige politische Fhrung zu diesen berlegungen stand, sind dokumenta-risch nicht bewiesen. Es gibt weder Beweise, dass es auf Hinweis Stalins erarbeitet wurde, noch gibt es Beweise, dass Stalin es abgelehnt hat, wie es auch keine dokumentarischen Be-weise gibt, Stalin habe es berhaupt nicht gesehen.69 Die strategischen Aufgaben fr die Rote Armee sind in diesem Dokument aber dieselben, wie in den Plnen vom Herbst 1940, inso-fern muss die Bedeutung generell relativiert werden. Tatschlich enthlt der Plan vom Mai 1941 im wesentlichen dieselben Feststellungen, wie der Plan vom Oktober 1940, nmlich den Sdschwerpunkt mit einem Gegenangriff aus dem ukrainischen Raum in Richtung Breslau. Interessant ist, dass das Dokument sowohl Hinweise auf den weiteren Ausbau der Luftstreit-krfte enthlt als auch Vorschlge fr den Ausbau der Befestigten Rume noch bis in das Jahr 1942. In der vorliegenden Form ist das Dokument nach meiner Auffassung ein Plan in Dis-kussion. Es ist ja nicht gerade logisch,gleichzeitig einen Prventivkriegsvorschlag vorzu-schlagen und gleichzeitig eindeutige Verteidigungsplanungen ber das Jahr 1941 hinaus.

68 bersetzung nach: Lew Bezymenski (Besimensky), Lev A.: Ausgewhlte sowjetische Dokumente, in: Gerd R Ueberschr /Lev A. Bezymenskij (Hrsg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Prventivkriegsthese, Darmstadt 1998, S. 187. 69 V. A. Anfilov beruft sich bei seiner Behauptung, dass das Dokument mit Stalin besprochen wurde auf seine Verffentlichung Razgovor zakoncil ugrozoj Stalina. Desjatneizvestnych besed s marsalomG. K. Zukovym v mae-ijune 1965 goda, in: Voenno-istorieskij urnal3/1995, S. 3 und datierte die mgliche Bespre-chung des Planes nach der Verffentlichung der Besucherhefte des Arbeitszimmers Stalins im Kreml auf den 19.Mai 1941 (derselbe, Dolgij put k Berliny in: Nezavisimoe voennoe obozrenie 1999 Nr. 17). 24 Gibt die Rede Stalins am 5. Mai 194170 , auf dem Empfang fr die Absolventen der Militr-aka


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