Strafrecht BT
Straftaten gegen die Freiheit(2. Teil)
Vorlesung vom 23. November 2009
HS 2009
Ass.-Prof. Dr. Jonas WeberInstitut für Strafrecht und KriminologieUniversität Bern
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Straftaten gegen die Freiheit (4. Titel) – Übersicht
Vierter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit
Art. 180: DrohungArt. 181: NötigungArt. 182: MenschenhandelArt. 183: Freiheitsberaubung und EntführungArt. 184: Erschwerende UmständeArt. 185: GeiselnahmeArt. 186: Hausfriedensbruch
> Straftaten gegen die Freiheit gemäss Art. 180 bis 186: Freiheitsdelikte im engeren Sinn
> Rechtsgut: Freiheit der Willensbildung und der Willensbetätigung sowie Fortbewegungsfreiheit
- = Freiheit des einzelnen Menschen, das zu tun oder zu lassen, wozu er sich selbst entschliesst
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Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183) – AllgemeinesArt. 183: Freiheitsberaubung und Entführung1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem
in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht, (Freiheitsberaubung)wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung entführt, (Entführung)wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2. Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist. (Spezialfall der Entführung)
> Zwei Tatbestände in einem Artikel: Freiheitsberaubung in Ziff. 1 Abs. 1 und Entführung in Ziff. 1 Abs. 2 sowie Ziff. 2
> Rechtsgut: körperliche Fortbewegungsfreiheit> Spezialfall der Nötigung> Dauerdelikt: vollendet mit Entzug der Freiheit; beendet mit Wiederer-
langung der Freiheit
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Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1) – Tat- bzw. Angriffsobjekt
Art. 183: Freiheitsberaubung und Entführung1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem
in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,(…)
> Tat- bzw. Angriffsobjekt: jeder Mensch, der den Willen zur Fortbewe-gung haben kann
- Voraussetzung: Fähigkeit, sich bezüglich des Aufenthaltsortes einen Willen zu bilden; nicht gegeben etwa bei Säuglingen, Bewusstlosigkeit, Trunken-heit, Drogenrausch
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Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1) – Tathandlung
Art. 183: Freiheitsberaubung und Entführung1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem
in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,(…)
> Festnahme: jede Aufhebung der Freiheit, den gegenwärtigen Aufent-haltsort zu verlassen
> Gefangenhalten: Fortsetzung einer Freiheitsentziehung, wenn die ursprüngliche Festnahme rechtmässig (z.b. aus strafprozessualen Gründen) oder nicht einmal tatbestandsmässig (z.B. fehlender Vorsatz; versehentliches Einschliessen) war
> "in anderer Weise die Freiheit entziehen" (Generalklausel)
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Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1) – Erfolg
Art. 183: Freiheitsberaubung und Entführung1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem
in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,(…)
> Erfolg: Freiheitsentzug
> Befreiung muss dem Opfer nicht absolut unmöglich sein; es reicht aus, dass Befreiung unverhältnismässig gefährlich oder schwierig ist
> Dauer: "gewisse zeitliche Erheblichkeit"; "mind. 10 Minuten" (BGE 89 IV 87)
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Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1) – UnrechtmässigkeitArt. 183: Freiheitsberaubung und Entführung1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem
in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht,(…)> Unrechtmässigkeit bei Art. 183 ein Tatbestandsmerkmal> Rechtmässigkeit der Freiheitsentziehung insbesondere aus
strafprozessualen Gründen oder wegen privatrechtlicher Selbsthilfe- gegenbenenfalls rechtmässiger Freiheitsentzug durch staatliche
Organe: Polizeigewahrsam, Untersuchungshaft; Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer strafrechtliche Massnahme; fürsorgerischer Freiheitsentzug gemäss Art. 397a ZGB
- Bsp. für Freiheitsentzug durch PrivateArt. 170 StPO BE: Anhaltung durch Privatpersonen1 Jedermann ist berechtigt, eine bei der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens ertappte oder unmittelbar danach geflüchtete Person anzuhalten.
2 Die angehaltene Person ist unverzüglich der Kantonspolizei zu übergeben.
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Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1) – Subjektiver Tatbestand> Vorsatz
- Wissen und Willen bezogen auf Freiheitsentziehung und auf Unrechtmässigkeit
> Irrtum hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen einer gesetzlich zulässigen Verhaftung: Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 13
> fahrlässige Freiheitsberaubung (versehentliches Einsperren) ist nicht strafbar, begründet jedoch in der Regel Garantenpflicht aus Ingerenz (und u.U. aus Vertrag), die dann u.U. zu einer Strafbarkeit wegen Gefangenhaltens durch (unechtes) Unterlassen führt
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Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1) – Konkurrenzen> Verhältnis zur Nötigung gemäss Art. 181
- Art. 183 Ziff. Abs. 1 geht vor, wenn sich das Verhalten des Täters auf die Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit beschränkt
- echte Konkurrenz, wenn Freiheitsberaubung dazu dient, ein weitergehendes Verhalten zu erzwingen als bloss die Duldung des Freiheitsentzugs (zusätzliches Nötigungsziel)
> Verhältnis zur Körperverletzung gemäss Art. 122/123, zum Raub gemäss Art. 140 und zur Vergewaltigung gemäss Art. 190: unechte Konkurrenz, wenn Freiheitsberaubung blosse Begleiterscheinung; echte Konkurrenz, wenn Freiheitsberaubung darüber hinaus geht
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Entführung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 2) – Objektiver Tatbestand: Tathandlung
Art. 183: Freiheitsberaubung und Entführung1. (…)wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung entführt,(…)
> Entführung: Verbringen einer Person an einen anderen Ort, wo die Person in der Gewalt des Täters oder eines Dritten steht
- Ortsveränderung für eine gewisse Dauer- Opfer ist in seiner persönlichen Freiheit soweit beschränkt, dass
es nicht die Möglichkeit hat, unabhängig vom Opfer an seinen gewohnten Aufenthaltsort zurückzukehren
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Entführung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 2) – Objektiver Tatbestand: Tatmittel
Art. 183: Freiheitsberaubung und Entführung1. (…) wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung entführt, (…)
> numerus clausus der Tatmittel (Unterschied zur Freiheitsberaubung)> Gewalt
- unmittelbare Einwirkung auf den Körper eines Menschen- beugende Gewalt (vis compulsiva) ausreichend- relative Kriterien (abhängig von der Person des Opfers) zu
berücksichtigen
> Drohung- psychische Einflussnahme auf das Opfer- ausdrücklich oder implizit- muss einen Nachteil betreffen, auf dessen Eintritt der Täter ein
Einfluss zu haben vorgibt
> List: Täuschung über Ziel und/oder Zweck der Ortsveränderung
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Entführung (Art. 183 Ziff. 2) – Obj. Tatbestand: besondere Schutzbedürftigkeit des Opfers
Art. 183: Freiheitsberaubung und Entführung2. Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig,
widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist.
> bei besonderer Schutzbedürftigkeit entfällt die Einschränkung auf die in Ziff. 1 Abs. 2 genannten Tatmittel (Gewalt, Drohung, List)
> besondere Schutzbedürftigkeit wird (abschliessend) in drei Fällen angenommen
- Urteilsunfähigkeit: bezogen auf das durch Art. 183 geschützte Rechtsgut der Fortbewegungsfreiheit
- psychische Widerstandsunfähigkeit- Alter unter 16 Jahren: Urteils- und Widerstandsunfähigkeit wird
vom Gesetz zwingend vermutet
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Entführung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2) – Subjektiver Tatbestand> Vorsatz
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Freiheitsberaubung und Entführung – Qualifika-tion: Erschwerende Umstände (Art. 184)
Art. 184: Erschwerende UmständeFreiheitsberaubung und Entführung werden mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft,wenn der Täter ein Lösegeld zu erlangen sucht,wenn er das Opfer grausam behandelt,wenn der Entzug der Freiheit mehr als zehn Tage dauert oderwenn die Gesundheit des Opfers erheblich gefährdet wird.
> Qualifikation bezieht sich auf Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1Abs. 1) und Entführung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2)
> Rechtsfolge: Erhöhung der Strafrahmenuntergrenze von 1 Tag auf 1 Jahr Freiheitsstrafe
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Freiheitsberaubung/Entführung – Erschwerende Umstände (Art. 184): LösegeldArt. 184: Erschwerende Umstände
(…) wenn der Täter ein Lösegeld zu erlangen sucht, (…)
> Lösegeld: Wertträger- "zu erlangen sucht": Täter muss konkrete Forderung erhoben
haben; ein entsprechender Erfolg ist jedoch nicht notwendig- Forderung kann zu beliebigem Zeitpunkt während der Dauer der
Freiheitsberaubung bzw. Entführung gestellt werden- Adressat der Lösegeldforderung:
– Opfer der Freiheitsberaubung oder der Entführung selbst– Angehörige des Opfers (Familie, Freunde) (umstritten, ob
dann nicht bereits Geiselnahme)– nicht erfasst bei Art. 184: beliebige Dritte (dann Geiselnahme)
> Konkurrenz: Lösegeld-Qualifikation der Freiheitsberaubung/ Entführung geht der Erpressung gemäss Art. 156 als lex specialis vor
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Freiheitsberaubung/Entführung – Erschwerende Umstände (Art. 184): Grausame Behandlung
Art. 184: Erschwerende Umstände
(…) wenn er das Opfer grausam behandelt, (…)
> grausame Behandlung des Opfers: Zufügung besonderer Leiden körperlicher oder seelischer Art, die über das Mass an Entbehrungen hinausgehen, das schon zur Verwirklichung des Grundtatbestands gehört
> z.B.: Scheinexekution, extreme Hitze oder Kälte, Nahrungsentzug…> Konkurrenzen
- einfache Körperverletzung und Tätlichkeiten werden durch die Qualifikation konsumiert
- schwere Körperverletzung: echte Konkurrenz
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Freiheitsberaubung/Entführung – Erschwerende Umstände (Art. 184): Dauer von mehr als 10 Tagen
Art. 184: Erschwerende Umstände
(…) mehr als zehn Tage dauert(…)
> Dauer von mehr als zehn Tagen- Strafschärfung soll den Druck auf den Täter erhöhen, sein
Unterfangen bald abzubrechen- Argument bei Verhandlung mit dem Täter um die Freilassung des
Opfers
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Freiheitsberaubung/Entführung – Erschw. Um-stände (Art. 184): erhebl. Gesundheitsgefährdung
Art. 184: Erschwerende Umstände
(…) wenn die Gesundheit des Opfers erheblich gefährdet wird.
> Erhebliche Gesundheitsgefährdung- muss Gefährdung überschreiten, die mit Freiheitsberaubung bzw.
Entführung per se verbunden- geht weniger weit als Lebensgefährdung- z.B.: Unterbringung in ungesunden Räumen, unzulängliche
Ernährung, Unterlassen von notwendiger medizinischer Versorgung
> echte Konkurrenz zur Gefährdung des Lebens gemäss Art. 129
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Geiselnahme (Art. 185) – Allgemeines
Art. 185: Geiselnahme
1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen,wer die von einem anderen auf diese Weise geschaffene Lage ausnützt, um einen Dritten zu nötigen,wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
> Kombination des Angriffs auf die Fortbewegungsfreiheit der Geisel mit der Absicht, einen Dritten dadurch zu nötigen
> zwei Tatbestände- eigentliche Geiselnahmen: Ziff. 1 Abs. 1- sukzessive Mittäterschaft und Trittbrettfahrer: Ziff. 1 Abs. 2
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Eigentliche Geiselnahme (Art. 185 Ziff. 1 Abs. 1) – Objektiver Tatbestand: TathandlungArt. 185: Geiselnahme
1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, (…)
> bemächtigen- Freiheitsberaubung (gemäss Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1) - Entführung (gemäss Art. 183 Ziff. Abs. 2)- sonstwie
– sehr kurzfristige Geiselnahme; "menschliches Schutzschild"– Ersatzgeisel, die sich "freiwillig" in die Gewalt des Geiselneh-
mers begibt– Geisel, die wegen Unfähigkeit zur Willensbildung hinsichtlich
ihres Aufenthaltsortes nicht Opfer einer Freiheitsberaubung gemäss Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 sein kann (z.B. Säuglinge und Kleininder)
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Geiselnahme (Art. 185) – sukzessive Mittäter-schaft u. Trittbrettfahrer (Ziff. 1 Abs. 2): obj. TB
Art. 185: Geiselnahme
1. (…) wer die von einem anderen auf diese Weise geschaffene Lage ausnützt, um einen Dritten zu nötigen, (…)
> Ausnützung einer durch einen Geiselnehmer geschaffenen Situation zur Nötigung eines Dritten
> zwei Konstellationen- Sukzessive Mittäterschaft: entgegen den allgemeinen Regeln wird
der erst nach der "Bemächtigung" (eigentliche Geiselnahme) hinzutretende Mittäter für das vor seinem Tatbeitritt verwirklichte Unrecht bestraft
- Trittbrettfahrer: hat mit der Geiselnahme bzw. der Bemächtigung tatsächlich gar nichts zu tun; versucht jedoch die Geiselnahme für seine eigenen Zwecke auszunutzen
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Geiselnahme (Art. 185) – subjektiver Tatbestand: Vorsatz und Nötigungsabsicht
Art. 185: Geiselnahme
1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, (…)
> Vorsatz -Abs. 1: Wissen und Willen betreffend Bemächtigung-Abs. 2: Wissen um Situation der Geiselnahme und Willen, sich als Geiselnehmer auszugeben
> Absicht, mit der Geiselnahme einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen
-nicht das bemächtigte Opfer selbst (Art. 183 i.V.m. Art. 184 Abs. 2)-BGer / Teil der Lehre: jede Person, die nicht mit Geisel identisch ist; d.h. auch Angehörige des Opfers
-Teil der Lehre (u.a. Stratenwerth): nur beliebig herausgegriffene Person, ohne familiäre oder persönliche Verbundenheit zur Geisel
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Geiselnahme (Art. 185) – Qualifikation: Qualifizierte Drohung (Ziff. 2)
Art. 185: Geiselnahme(…)2. Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht,
das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln.
> Qualifizierte Drohung- Inhalt der Drohung: Tötung; schwere Körperverletzung (entspricht
Art. 122); grausame Behandlung (entspricht Art. 184 Abs. 3)- muss gegenüber dem zu nötigenden Dritten geäussert werden;
unerheblich, auch Geisel davon Kenntnis bekommt- Druck (auf den Dritten) muss dadurch erheblich grösser werden,
als bereits vom Grundtatbestand vorausgesetzt; "ausserordent-liche Zwangslage"
- wenn Geisel von qualifizierter Drohung Kenntnis erhält: Wirkung auf die Geisel mitzuberücksichtigen; z.B. psychische Belastung
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Geiselnahme (Art. 185) – Qualifikation: Besonders schwere Fälle (Ziff. 3)
Art. 185: Geiselnahme(…)3. In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen
betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden.(…)> besonders schwere Fälle
- insb. wenn viele Menschen als Geiseln von der Tat betroffen: mind. 20 Personen
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Geiselnahme (Art. 185) – Rücktritt vom vollendeten Delikt (Ziff. 4)
Art. 185: Geiselnahme(…)4. Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er
milder bestraft werden (Art. 48a).(…)> Rücktritt vom vollendeten Delikt
- erforderlich: Rücktritt von der Nötigung und Freilassung der Geisel– d.h. nach vollendeter Geiselnahme, aber vor Eintritt des
Nötigungserfolgs- Rücktritt braucht nicht freiwillig zu sein; kann auf Verhandlungs-
druck hin erfolgen- Funktion: Opferschutz; "Goldene Brücke" zurück in die Legalität
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Geiselnahme (Art. 185) – Weltrechtsprinzip (Ziff. 5)
Art. 185: Geiselnahme
(…)
5. Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.
> nicht erforderlich, dass Delikt am Tatort mit Strafe bedroht ist (Verzicht auf die beidseitige Strafbarkeit)
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Geiselnahme (Art. 185) – Konkurrenzen
> Verhältnis zu Art. 181 und 183: unechte Konkurrenz; Art. 185 geht als lex specialis vor
> Verhältnis zu Art. 184: Art. 185 geht aufgrund der hohen Strafdrohung vor; Unrechtsgehalt von Art. 184 kann in einer Bestrafung gemäss Art. 185 mitabgedeckt werden
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Allgemeines
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
> Rechtsgut: Hausrecht = Recht darüber zu entscheiden, wer sich inbestimmten Räumlichkeiten (lokalisierte Freiheitssphären) aufhalten darf
> in der Praxis sehr häufig als Begleitdelikt bei einem Einbruchdiebstahl
> Antragsdelikt; Vergehen
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Objektiver Tatbestand: geschützte Räumlichkeiten
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt (…)
> Haus: jede fest und dauernd mit dem Boden verbundene Baute mit einer oder mehreren Räumlichkeiten; Wohn- oder andere Zwecke
> Wohnung: vorwiegend Wohnzweck; braucht nicht Teil eines Hauses zu sein (z.B. auch Zelt, Wohnwagen, Hausboot)
> abgeschlossener Raum eines Hauses: braucht nicht verschlossen, sondern bloss umschlossen zu sein; Zimmer eines Untermieters, Hotelzimmer
> unmittelbar zu einem Haus gehörender umfriedeter Platz, Hof od. Garten> Werkplatz: hinreichend deutliche Grenzen erforderlich
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Objektiver Tatbestand: Berechtigter
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus (…) unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, (…)
> Berechtigter: Person, der das Verfügungsrecht über das geschützte Objekt zusteht
- Verfügungsrecht kann auf dinglichem Recht (z.B. Eigentum), auf obligatorischem Recht (z.B. Miete) oder auf öffentlich-rechtlichem Verhältnis (z.B. Schulleiter) beruhen
- Abwägung einzelner Verfügungsrechte– insb.: Verhältnis Hauseigentümer / Mieter– Problem: wenn eine gleichwertige Berechtigung mehreren
Personen zusteht (Ehegatten, Wohngemeinschaft, …)
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Objektiver Tatbestand: Tathandlung (1. Var.: Eindringen)Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus (…) unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, (…)> Zwei Varianten der Tathandlung: Eindringen oder Verweilen> Eindringen wider den Willen des Berechtigten
- Eintreten bzw. Betreten eines Raumes auf irgendeine Art- Einwilligung des Berechtigten: tatbestandsauschliessend- Wille kann sich aus den Umständen ergeben (muss nicht explizit
geäussert worden sein): geschlossene Türe, Hausglocke...- umstritten: Betreten von Räumlichkeiten zu einem nicht bestim-
mungsgemässen Zweck (z.B. Ladendiebstahl)– BGer: vom bestimmungsgemässen Zweck abweichende (inne-
re) Absicht als solche reicht für die Tatbestandsmässgkeit aus– Lehre: abweichende Absicht muss von aussen erkennbar sein
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Objektiver Tatbestand: Tathandlung (2. Var.: Verweilen)Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus (…) unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, (…)
> Verweilen trotz Aufforderung, sich zu entfernen- entgegen vorangegangener ausdrücklicher Aufforderung, den
hausrechtlich geschützten Raum zu verlassen- während einer gewissen Dauer- = nach aussen zu erkennen geben, sich nicht um die
Aufforderung durch den Berechtigten zu kümmern
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Unrechtmässigkeit des Eindringens
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus (...) unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, (...)
> sowohl das Eindringen als auch das Verweilen müssen unrechtmässig sein
> Unrechtmässigkeit des Eindringens als Kriterium des objektiven Tatbestands
- nicht gegeben, wenn der "Täter" ein Recht besitzt, kraft dessen er den entgegenstehenden Willen des Berechtigten nicht zu beachten braucht; etwa aus strafprozessualen (z.B. Hausdurchsu-chung) oder betreibungsrechtlichen (z.B. Pfändung) Gründen
> gegebenenfalls sind zusätzlich allgemeine Rechtfertigungsgründe auf der Ebenen der Rechtswidrigkeit zu prüfen; insbesondere Notstand gemäss Art. 17
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Subjektiver Tatbestand > Vorsatz; wobei Eventualvorsatz ausreicht
> Irrtum über das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtmässigkeit des Eindringens: Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 13
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Konkurrenzen
> Einbruchdiebstahl: echte Konkurrenz zwischen Hausfriedensbruch und Diebstahl gemäss Art. 139 (sowie u.U. Sachbeschädigung gemäss Art. 144); ausnahmsweise unechte Konkurrenz, wenn Hausfriedensbruch im Einzelfall die besondere Gefährlichkeit gemäss Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 begründet; dann ist der Hausfriedensbruch durch die Qualifikation des Diebstahls bereits abgegolten
Art. 139: Diebstahl1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung
wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. (...)
3. Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen bestraft, (...) wenn er sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.