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Page 1: Synthesizer für Miles - Adam Holzmanadamholzman.com/oldsite/adam_keyboards.pdf · 2008-03-10 · Miles Davis, die 1986 mit dem Album „Tutu“ begann. Fünf Jahre lang war er anschließend

Für Adam Holzman ist die Vielfalt in der Musikimmer schon verlockender gewesen als derPfad der reinen Lehre. Der 49-jährige Keyboarderaus New York und langjährige Musical Directorder Miles Davis Band hat in den Siebzigern überden Progressive Rock zum Jazz gefunden. Engage-ments in den Bands von Grover Washington Jr.,Chaka Khan und Wayne Shorter gehören ebensozu seiner abwechslungsreichen Laufbahn wieeine Aufnahme von „Carmina Burana“ mit Phi-lip Glass. Die für ihn lehrreichste Zeit verbrachteHolzman während der Zusammenarbeit mitMiles Davis, die 1986 mit dem Album „Tutu“begann. Fünf Jahre lang war er anschließend alsmusikalischer Leiter in Davis’ Band tätig. Inspi-riert von Billy Cobham und Chick Corea hat Holz-man den Jazz um Einflüsse aus Funk und Rock,

später Rap und Drum and Bass bereichert.Heute zeichnet er verantwortlich für einen rei-fen Fusion-Stil: weniger ungestüm und dicht alsin den Anfangstagen, dafür lässiger und präzi-ser gespielt. Die intensiven Auftritte seinerBand „Brave New World“ leben von einfalls-reicher Improvisation und Interaktion, die ihrMastermind präzise zu orchestrieren versteht.Statt Traditionen zu hüten, erweitert AdamHolzman dabei bis heute musikalische Hori-zonte.Das Interview mit Holzman führte für uns Lorenz Hargassner, der während der Europatourbei einigen Konzerten als Saxofonist bei „BraveNew World“ einspringt. (uk)Seit einigen Jahren sieht man dich inEuropa vor allem mit deiner eigenen Band

„Brave New World“, obwohl du immerwieder auch mit anderen Gruppen wie dervon Wallace Roney, Steps Ahead oder demMahavishnu Project unterwegs bist. Bist dulieber Sideman oder Bandleader? Ich mache beides gerne. Als Bandleader kannstdu natürlich tun, was du willst, hast die Kontrolleüber die Musik und die Wahl, mit welchen Musikern du spielst, aber dazu kommt eineMenge Verantwortung; Du musst dich um dieGagen, die Reisekosten, Hotels und Promokümmern, deine Leute bei Laune halten, usw.Als Sideman kann ich mich sozusagen zurück-lehnen und spielen, die Reisen genießen undso. Es ist um einiges weniger stressig, abernicht so befriedigend wie seine eigene Musikzu spielen.

026 musik interview

KEYBOARDS 1.2008

text: Lorenz Hargassner foto: Rainer Rygalik

MilesfürSynthesizer

Adam HolzmanVielfalt ist besser

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Wie entscheidest du eigentlich, welche Instrumente du auf eine Tour mitnimmst?Die Musik gibt das vor, meistens ziemlich ein-deutig. Ich bin fast immer mit meinem KorgKarma unterwegs, weil er sehr vielseitig ist.Aber ich spiele nie nur den Karma.Bei Wallace Roney war meine Herangehens-weise über das akustische Piano und ein FenderRhodes, kombiniert mit Synth-Texturen, sodassich den Karma auf dem Rhodes hatte undmanchmal sogar noch einen zweiten Synth aufdem Klavier für ein paar atmosphärische Extras.In so einem Fall versuche ich, alle vier Key-boards als ein großes Instrument zu verstehen.Es geht mir nicht darum, dass es immer mehrInstrumente werden, aber jeder Gig ist andersund erfordert andere Paletten von Sounds. Erstvor Kurzem habe ich entdeckt, dass jeder denMinimoog Voyager mag, ich verwende ihn jetztsogar bei manchen Straight-Ahead-Gigs!Wie genau setzt du ihn dann ein? Spielstdu damit auch mal ein „Sound-Solo“? Ja, aber schon vor allem für meine Solos beimMahavishnu Project. Keeping the Jan Hammerspirit alive! Er ist einer meiner Helden. Es gibtnichts, was mit dem Sound eines Minimoog zuvergleichen wäre, er ist beinahe menschlich.Aber wie ich herausgefunden habe, ist der Minimoog auch für eine Mengeanderes Zeug super zu gebrau-chen. Experimentelle Musik natürlich, aber auch für atmo-sphärische Texturen, fett klin-gende Bass-Lines, eine Mengeverschiedenes Zeug. Sein Touch-Pad öffnet auch Türen zu neuenIdeen und Sounds. Manchmalprogrammiere ich das Touch-Pad, sich wie ein Gate und Con-trol-Pitch zu verhalten, dannwird es fast zu einem Theremin. Und was sind deine „favori-tes“ für deine eigene Musik?Natürlich Minimoog Voyagerund Karma, aber ich würde lie-bend gerne auch ein Rhodes mitMIDI-Output haben. Das wärefür mich wirklich das Beste ausbeiden Welten, elektronisch undmechanisch. Außerdem würdeich sehr gerne mal mit meinemPPG reisen, aber dafür ist erwohl nicht mehr geeignet.Auf welche Weise haben diegroßen Musiker, mit denendu bisher gespielt hast,deine Musik beeinflusst?Meine eigene Musik ist offen-sichtlich von Miles beeinflusst,vor allem von der „Tutu“-Ära,von der ich ein Teil war. Seine

ganze Herangehensweisezu der Zeit – ernsthafteGrooves, dunkle Polychords,melodische Fragmente – arbeite ich seit Langem inmeine Musik ein. Ich kannnicht sagen, wer mich ammeisten inspiriert hat, aberich denke, Miles hat micham meisten beeinflusst.Wie bist du zu Miles gekommen?Ich hatte auf einigen Ses-sions für den MCA-Solo-künstler Randy Hall gespieltund Synthesizer program-miert. Er sang auf „The Manwith The Horn“. Miles kontaktierte Randy, uman einigen Stücken für das Album, das später„Tutu“ wurde, mitzuarbeiten. Randy nahm michfür einige Sessions mit. Miles war interessiertan dem ganzen Synthesizer-Ding – ich denke, ersah mich damals als einen jüngeren kreativenMusiker, der noch geformt werden konnte. Ichhatte eine Session mit ihm an einem Freitag(im Oktober 1985), und in der nächsten Wochefand ich mich auf der Tour mit seiner Band inEuropa wieder!

Er hat dich dann später ja sogar zum „Musi-cal-Director“ gemacht. Was für eine Art Jobwar das?Da ging es vor allem darum, seine Keyboard-Ideen in ein Arrangement zu transkribieren. Wirprobten das, und dann tauchte Miles auf und änderte alles wieder um! Ich habe das die gan-zen vier Jahre lang gemacht, die ich bei ihmwar, aber offiziell war ich erst Musical-Director,als Robert Irving die Band verlassen hatte, soum ’88.

Auf deiner aktuellen Plat-te „Jazz Rocket Science“(Nagel Heyer) finden sichauch einige programmier-te Teile, wie setzt du daslive um?Teils aus „wirtschaftlichenGründen“ und teils, weil ichwill, dass die Band „live“bleibt, machen wir die pro-grammierten Teile nicht aufder Bühne. Also stelle ich dieSongs um. Zum Beispiel kannein Song wie „Kryptonite“ mitseinem Drum’n’Bass-Grooveund den fortschreitendenAkkorden etwas verändertwerden, etwa an WeatherReport angelehnt. Aber man-che der Stücke funktioniereneinfach nicht ohne die Stu-dio-Elemente. „Wirtschaft-liche Gründe“ bedeutet, dassich wünschte, ich könnte miteinem Extrarack mit Synthe-sizern und einem riesigenSoundsystem reisen, das sogroße Monitore hätte, dasswir alle in Abstimmung mitden programmierten Ele-menten spielen könnten.Naja, vielleicht nächstes Jahr... (lacht). ↵

1.2008 KEYBOARDS

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„Brave New World“, 2006 live in Wien

Miles Davis und Adam Holzman, Mitte der 80er-Jahre

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