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aus: Wanner, Mikroskopischbotanisches Praktikum (ISBN 9783131499622) © 2010 Georg Thieme Verlag KG
Die SprossachseDie Sprossachse bringt die Blätter zum Licht, versorgt sie mit Wasser und Nährstoffen und transportiert die Assimilate bis zu den Wurzeln. Um diese Funktion zu erfüllen, sind etliche Eigenschaften nötig. Für den Wasser- und Assimilattransport dienen die Leitbündel, die in Bahnen von oben nach unten verlaufen. Im innenliegenden Xylem wird das Wasser (meist) von unten nach oben transportiert. Die Assimilate wandern im Phloem von oben nach unten. Bei der Mehrzahl der Pflanzen liegt das Phloem im Leitbündel außen (= kollaterales Leitbün-del).Gleichzeitig mit dem Längenwachstum der Sprossachse erfolgt meist auch ein Dickenwachstum, bei dem sich die Leitbündel mit vergrößern. Dies geschieht durch ein Kambium. Leitbündel mit Kambium sind offen kollateral – das gilt für alle Sprossach-sen von dikotylen Pflanzen. Monokotyle Pflanzen (z. B. Gräser) haben kein Dickenwachstum; ihre Leitbündel haben deshalb kein Kambium – sie sind geschlossen kollateral. Es gibt auch Leitbündel, bei denen das Xylem das Phloem (oder umgekehrt) ringförmig umgibt: Es sind konzentrische Leitbündel mit In-nen- oder Außenxylem.Die Leitbündel tragen wesentlich zur Stabilität der Sprossach-se bei: Die Tracheen und Tracheiden im Xylem haben dicke, verholzte Zellwände, und die Leitbündel sind häufig von einer sklerenchymatischen Leitbündelscheide umgeben. Die Zellen des Phloems sind typischerweise nicht verholzt.
linke Seite:oben links: Solanum tuberosum (Speisekartoffel) oben Mitte: Raphanus sativus ssp. sativus (Radieschen)oben rechts: Glycine max (Soja) Keimlingeunten links: Pulsatilla vulgaris (Küchenschelle)rechts Mitte: Aloe littoralis (Bergaloe)rechts unten: Equisetum spec. (Schachtelhalm)
rechte Seite:oben: Aristida pungens (Stechendes Dringras)unten: Ruscus androgyna (Kletternder Mäusedorn)
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Die Sprossachse
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13
Geschlossen kollate13.1
rales LeitbündelKurszielDarstellung des geschlossen kollateralen Leitbündels von Zea mays (Mais).
PräparationEs wird ein dünner Querschnitt durch die Sprossachse angefertigt. Die Schnitte werden mit Safranin und Astrablau ge-färbt (Abb. 13.1).
BeobachtungenBei niedriger Vergrößerung erkennt man, dass die Leitbündel gleichmäßig über den ganzen Spross verteilt und in ein großlu-miges Parenchym eingebettet sind (Abb. 13.2). Die Leitbündel sind geschlossen kollateral: Das Phloem liegt außen, das Xylem innen; sie haben kein (!) Kambi-um (Abb. 13.3). Das Phloem besteht aus Siebröhren und Geleitzellen; Phloempa-renchym kommt bei Monokotylen nicht vor. Die weitlumigen Gefäße des Xylems sind von Xylemparenchym umgeben; sie stehen über zahlreiche Tüpfel miteinan-der in Verbindung. Im Xylem findet sich meist ein wassergefüllter Interzellular-gang, der beim Streckungswachstum rhe-xigen (durch Zerreißen der Xylemprima-nen) entstanden ist (Abb. 13.3).
Die Leitbündel sind von einer sklerenchy-matischen Leitbündelscheide umgeben. Ihre Ausprägung hängt vom Alter und der Lage im Spross ab. In der Zone, in der Phloem und Xylem aneinanderstoßen, bleibt die interzellularenfreie Leitbün-
delscheide oft unverholzt als sogenannter „Durchlassstreifen“ (Abb. 13.3).
Zea mays (Mais) Maiskolben
Reagenzien
AstrablauSafranin
Botanischer Steckbrief
ArtZea mays (Mais); Fam. Poaceae (Süßgräser).
Namegr. zeia = Name für Ein-korn von Linné auf den Mais übertragen. Von den Indianern stammt das Wort mahiz.
HerkunftMexiko und Peru; Wild-form nicht bekannt.
InhaltsstoffeMaismehl ist arm an Lysin und Tryptophan – daher biologisch nicht wertvoll (Niacin-Avitaminose bei Dauergenuss). Maiskeimöl vitaminreich mit 30 % Öl- und 56 % Linolsäure.
StellenwertPflanze als Grünfutter und Silage. Körner als Fut-termittel und Nahrungs-mittel.
Ethanol
Ethanol
Safranin
Astrablau
Wasser
Abb. 13.1
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13.1 Zea mays: Geschlossen kollate rales Leitbündel
100 µm
A EpidermisHypodermis
Parenchym
PhloemXylem
Mark
B
10 µmLBS
LBS
IG
T
SR
SR
*
Abb. 13.2 Lichtmikroskopische Auf-nahme (A; HF, Färbung mit Safranin + Astrablau) und schematische Darstellung (B) eines Querschnittes durch die Sprossachse von Zea mays. Die Leitbündel sind über den ganzen Stän-gelquerschnitt verteilt; sie sind geschlossen kollateral.
Abb. 13.3 Lichtmikroskopische Auf-nahme eines geschlossen kollateralen Leitbündels von Zea mays (HF; Färbung mit Safranin + Astrablau). Das Phloem besteht aus Sieb-röhren (SR) und Geleitzellen (Pfeile). Im Xylem liegt ein wassergefüllter Interzellular-gang (IG). Häufig liegen ring-förmige Verdickungsleisten zerrissener Ringtracheiden in der Schnittebene (Stern). LBS = verholzte Leitbündel-scheide; T = Trachee.
Zeichnung
Übersichtszeichnung eines Sektors des Stängel-querschnittes („Torten-stück“).
Ein halbes Leitbündel zellulär, mit Farbangabe zu den verschiedenen Geweben.
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Die Sprossachse
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13
Offen kollaterales 13.2
LeitbündelKurszielDarstellung eines offen kollateralen Leit-bündels von Ranuculus repens (Hahnen-fuß).
PräparationEs wird ein Stängelquerschnitt angefer-tigt. Die Schnitte sollen genau senkrecht zur Längsachse des Stängels verlaufen, da die Gewebe sonst schräg angeschnitten werden. Es ist nicht notwendig, dass der Querschnitt den gesamten Stängel um-fasst; ein Ausschnitt genügt. Die Schnitte werden mit Astrablau und Safranin ge-färbt (Abb. 13.4).
BeobachtungenDer Spross von Ranunculus repens besitzt eine Epidermis mit Cuticula – Haare sind gelegentlich sichtbar. Das zwischen der Epidermis und den Leitbündeln liegende Gewebe ist die Rinde. Sie gliedert sich in zwei Bereiche: Das äußere Assimilations-parenchym mit Chloroplasten und das innere (chloroplastenfreie) Rindenparen-chym (Abb. 13.5 – 6).
Im Innern des Sprosses befindet sich das Markparenchym, das in der Mitte häufig zerrissen ist; es liegt dann eine Markhöh-le vor. Zwischen Mark und Rinde sind die Leitbündel ringförmig angeordnet. Das Gewebe zwischen den Leitbündeln wird als Markstrahlparenchym bezeichnet. Leit-bündelring und Mark bilden den Zentral-
zylinder. Alle Parenchymgewebe weisen große Interzellularen auf.
Ranunculus repens (Kriechen-der Hahnenfuß)
Reagenzien
AstrablauSafranin
Botanischer Steckbrief
ArtRanunculus repens (Krie-chender Hahnenfuß); Fam. Ranunculaceae (Hah-nenfußgewächse).
Namelat. rana = Frosch, ranun-culus Verkleinerungsform; lat. repens = kriechend. Hahnenfuß: die Blätter einiger Arten sind dem Fuß eines Hahnes ähnlich.
Herkunftnordhemisphärisch und außertropisch verbreitet.
InhaltsstoffeProtoanemonin, die frische Pflanze ist giftig, dies verliert sich beim Trocknen. Abgeschnittene Stängel rufen oft Hautrei-zungen hervor (Wiesen-dermatitis).
Ethanol
Ethanol
Safranin
Astrablau
Wasser
Abb. 13.4
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13.2 Ranunculus repens: Offen kollaterales Leitbündel
Ranunculus repens besitzt offen kollatera-le Leitbündel (Abb. 13.7 – 9). Phloem und Xylem sind durch einige Kambiumschich-ten voneinander getrennt. Die Leitbün-del sind von einer sklerenchymatischen Leitbündelscheide umgeben (Abb. 13.7 – 8 und Abb. 13.10). Da sie verholzt ist, färbt sie sich mit Safranin kräftig rot.
Das Phloem weist zum äußeren Teil des Stängels. Im Phloem sind großlumige Sieb-röhren zu erkennen. Die Siebplatten liegen nur selten in der Schnittebene. Zwischen den Siebröhren befinden sich die viel klei-neren Geleitzellen (Abb. 13.7 und Abb. 13.11 – 12). Ein Phloemparenchym, ty-
pisch für die meisten dicotylen Pflanzen, kommt bei Ranunculus repens nur rudi-mentär als Abgrenzung zur Sklerenchym-scheide vor. Die in der jungen Sprossachse zuerst angelegten Phloemelemente sind bei genauer Beobachtung unmittelbar un-ter der Leitbündelscheide als zerdrücktes Protophloem zu erkennen (Abb. 13.7).
Die Kambiumzellen zeigen eine charakte-ristische Form: Sie sind annähernd recht-eckig; ihre Wände sind nicht verdickt und nicht verholzt (Abb. 13.11 B). Wenn der Spross das Wachstum eingestellt hat – dies ist bei der „Ernte“ krautiger Pflan-zen meist der Fall –, verliert das Kambi-
100 µm
Epidermis
Assimilations-parenchym
Rindenparenchym
SklerenchymatischeLeitbündelscheide
PhloemKambiumXylem
SklerenchymatischeLeitbündelscheide
Markparenchym(Markhöhle)
Abb. 13.5 Lichtmikroskopische Aufnahme (HF) eines Stän-gelquerschnittes von Ranunculus repens (Färbung mit Astrablau + Safranin).
Abb. 13.6 Schematische Darstellung eines Stängelquer-schnittes von Ranunculus repens.
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Die Sprossachse
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13
50 µm
PPPP
SR
GZ
DS
P
K
PrX
XP
Sk
MP
X
T
RP
Sk
PrP
Abb. 13.7 Lichtmikroskopische Auf-nahme (HF) eines Leitbün-dels von Ranunculus repens (Färbung mit Astrablau + Safranin). DS = Durchlassstreifen GZ = Geleitzelle (Kreis) K = Kambium MP = Markparenchym P = Phloem PP = Phloemparenchymzelle PrP = Protophloem PrX = Protoxylem RP = Rindenparenchym Sk = Sklerenchym SR = Siebröhre T = Trachee X = Xylem XP = Xylemparenchym
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13.2 Ranunculus repens: Offen kollaterales Leitbündel
um sein charakteristisches Aussehen. Die Zellen werden in Parenchymzellen umge-wandelt.
Im Xylem fallen besonders die großlu-migen Tracheen auf. Sie stehen über Tüp-fel miteinander in Verbindung. Zwischen den Tracheen und am Rand des Xylems befinden sich Xylemparenchymzellen. Die in der jungen Sprossachse zuerst angeleg-ten Xylemelemente sind bei genauer Be-obachtung unmittelbar über der Leitbün-delscheide als Protoxylem zu erkennen; es ist nicht verholzt.
Im Bereich des Kambiums bleibt die in-terzellularenfreie Leitbündelscheide oft unverholzt als sogenannter „Durchlass-streifen“ (Abb. 13.7).
SklerenchymatischeLeitbündelscheide
SklerenchymatischeLeitbündelscheide
Trachee
Protoxylem
Xylem
Xylemparenchym
Kambium
Protophloem
Rindenparenchym
Phloem(Siebröhren, Geleit-zellen, Phloem-parenchym)
100 µm
Abb. 13.8 Schematische Darstellung eines Leitbündels von Ranun-culus repens.
Abb. 13.9 Rasterelektronenmikros-kopische Aufnahme eines Stängelquerschnittes mit Leitbündel von Ranunculus repens.
Zeichnung
Übersichtszeichnung eines Sektors des Stängel-querschnittes („Torten-stück“).
Ein halbes Leitbündel zellulär, mit Farbangabe zu den verschiedenen Geweben.
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