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Page 1: Tooling zur schrittweisen methodischen Fundierung des RE in KMU

Tooling zur schrittweisen methodischen Fundierung des RE in KMU

Thorsten Merten und Simone BursnerHochschule Bonn-Rhein-Sieg

53757 Sankt Augustin

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1 Einleitung

1.1 Motivation

Strukturiertes und methodisch fundiertes RE kann inkleinen und mittelstandischen Software-Unternehmen(im Folgenden KMU) aus mehreren Grunden ein-gefuhrt werden. Beispiele hierfur sind Firmenwachs-tum, Kundenvorgaben, Fluktuation oder intrinsischeMotivation des KMU.

Wachsende Firmen konnen ab einer gewissen Mit-arbeiterzahl von ca. 15-20 Personen nicht mehr aufeine rein verbale Kommuninkation von Anforderun-gen zuruckgreifen und mussen explizites RE bzw. ent-sprechende Prozesse einfuhren [2]. Eine Forderungvon Stakeholdern, bspw. seitens des Kunden, nachbestimmten Vorgehensweisen oder Dokumenten (wiePflichten- oder Lastenheft) konnen KMU motivieren,die Erstellung dieser Dokumente in einem struktu-rierten RE-Prozess zu betreiben. Die Gefahr beimplotzlichen Ausscheiden eines Team-Mitglieds (auchbekannt als Truck-Faktor [8, S. 41]) stellt eine wei-tere mogliche intrinsische Motivation von KMU dar,Anforderungswissen oder sonstiges Wissen zu doku-mentieren.

1.2 Ziel

Die Akquise neuen methodischen Wissens ist furKMU in Wachstumsphasen schwierig und mussschrittweise erfolgen [3]. Ziel des in diesem Beitragvorgestellten Toolings ist es, KMU in diesem Prozesszu unterstutzen.

1.3 Kontext

Betrachtet werden KMU, die RE nicht (explizit) prak-tizieren bzw. keine Anforderungsdokumentationen er-stellen. Stattdessen werden Aufgaben bzw. Anforde-rungen uber Ticketsysteme organisiert. Die Produkt-und/oder Individualsoftware-Entwicklung wird ubereinen langeren Zeitraum betrieben.

2 Problemstellung

Nach Erfahrung der Autoren verbinden in 1.3 cha-rakterisierte KMU methodische Veranderung mit ent-sprechender Tool-Unterstutzung, um Praktikabilitatim Projektgeschaft sicherstellen zu konnen. Gleichzei-tig ist es schwierig neue Tool-Unterstutzung in KMU

einzufuhren, da die vorhandene Tool-Umgebung eta-bliert und haufig uber langeren Zeitraum durch En-gagement einzelner Mitarbeiter auf eigene Arbeits-weise zugeschnitten wurde. Daher stoßt methodi-sche Veranderung im RE unter Einsatz neuer Tool-Unterstutzung auf wenig Akzeptanz. Es stellen sichsomit die Fragen:

• Wie lasst sich systematisches RE moglichstleichtgewichtig an bisherige Arbeitsweisen anglie-dern?

• Wie lasst sich vorhandenes Tooling entsprechenderweitern?

3 Losungsansatz

Der vorgestellte Ansatz realisiert eine RequirementsEngineering Erweiterung (RE Plugin) exemplarischfur das Ticketsystem Redmine1 mit dem Ziel, die vor-handene Arbeitsweise in KMU nicht zu storen undstattdessen Erweiterungen zu Vorhandenem zu offe-rieren.

KMU konnen uber das RE Plugin eine strukturier-te Anforderungsspezifikation erstellen. Zur Spezifika-tion stehen individuell anpassbare Schablonen fur Zie-le, Szenarien, Use Cases, etc. zur Verfugung. Es ent-stehen dabei typisierte Anforderungsartefakte zur Do-kumentation von Anforderungen verschiedener Art.Zwischen diesen kann der Anwender zur Dokumentati-on von Rationale entsprechende Beziehungen (Traces)definieren. Traceability wird sowohl zwischen Anfor-derungen als auch zwischen Tickets und Anforderun-gen unterstutzt. Gerade die Verknupfung von Anfor-derungen und Tickets ist vielversprechend [1]. UnterVerwendung von Sunburst und Netmap Visualisierun-gen steht eine neuartige Visualisierung von Traces zurVerfugung [6].

4 Weiterfuhrende laufende Arbeiten

Die Bereitstellung der skizzierten Tool-Unterstutzungalleine kann die Anwendung von RE-Methoden inKMU nicht motivieren, daher werden die folgendenForschungsthemen aktuell bearbeitet:

• Integration eines regelbasierten Systems in dasRE Plugin zur Unterstutzung der Anwender im

1http://www.redmine.org

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Abbildung 1: Bildschirmfoto des RE Plugins eingebet-tet in das Redmine Ticketsystem

gesamten Spezifikationsprozess inkl. Traceability.Moglich ist eine Anpassung an den firmenspezifi-schen Kontext.

• Analyse von Tickets aus Open-Source-Projektenund Erstellung eines prototypischen Wizards zurstrukturierten Ableitung von Anforderungsarte-fakten wie Use Cases aus Ticket-Beschreibungen.

• Weiterfuhrende Unterstutzung der Traceabilityund deren Veranschaulichung durch neue Visua-lisierungskonzepte.

5 Fazit und Ausblick

Gemaß bisherigen Anwenderfeedbacks erscheinen vorallem die regelbasierte Assistenz sowie eine starkereVerknupfung und Automatisierung zwischen Ticketsund RE-Artefakten besonders vielversprechend.

Ein regelbasierter Assistent wurde fur den Task-basierten Ansatz nach Lauesen [5] entwickelt. Dieserist angelehnt an die Idee von HeRa [4], jedoch u.a. er-weitert durch die Berucksichtigung von Anforderungs-artefakten unterschiedlichen Typs [7]. Es werden Re-gelsatze fur weitere Ansatze wie Cockburn’s Use Ca-ses erstellt und ein Editor fur die Bearbeitung vonRegeln entwickelt, um den Aufbau firmenspezifischenmethodischen Erfahrungswissens durch Endanwenderzu ermoglichen.

Weiterhin ergab die Analyse von 150 Datensatzenaus Ticket-Datenbanken verschiedener Open-Source-Projekte, dass auch in Freitextfeldern mit Zielenund Szenarien gearbeitet wird. Der Ticket-Editor desProjektmanagement-Tools Redmine wurde prototy-pisch erweitert, um die Daten entsprechend struktu-riert erfassen zu konnen. Im Versuch konnte gezeigtwerden, dass 46% der analysierten Tickets mit die-sem prototypischen Editor als systematische Anfor-derungsartefakte erfasst werden konnten, weitere 41%konnten mit kleinen Anderungen strukturiert erfasstwerden. Eine großere Studie soll nun die Praktikabi-litat in KMU herausstellen.

Es werden aktuell Industriepartner gesucht, umweitere Ticketsysteme und Algorithmen analysie-ren zu konnen und daruber eine starkere Vernet-zung und Automatisierung zwischen Tickets undRE-Artefakten herbeizufuhren. Interessierte Indus-triepartner konnen daruber hinaus helfen, das REPlugin, das aus dem BMBF-geforderten Forschungs-projekt KoREM entstand, als freies Tool weiterzu-entwickeln, um in Produktivumgebunden noch bessereingesetzt werden zu konnen. Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg selbst fordert diesen Ausbau mit einer Po-tenzialforderung fur ein Jahr.

Literatur

[1] Helming, J. ; Koegel, M. ; Naughton, H.: To-wards traceability from project management tosystem models. In: Fourth International Work-shop on Traceability in Emerging Forms of Soft-ware Engineering. Washington, DC, USA : IE-EE Computer Society, 2009 (TEFSE ’09). – ISBN978–1–4244–3741–2, 11–15

[2] Jantunen, S.: The Benefit of Being Small: Ex-ploring Market-Driven Requirements EngineeringPractices in Five Organizations. In: ICB-ResearchReport. Essen : Universitat Duisburg Essen, Oc-tober 2010 ( 40), S. 131–140

[3] Kamsties, E. ; Hormann, K. ; Schlich, M.: Re-quirements engineering in small and medium en-terprises. In: Requirements Engineering 3 (1998),S. 84–90

[4] Knauss, E. ; Lubke, D. ; Meyer, S.: Feedback-driven requirements engineering: The HeuristicRequirements Assistant. In: Software Engineering,2009. ICSE 2009. IEEE 31st International Confe-rence on, 2009. – ISSN 0270–5257, S. 587 – 590

[5] Lauesen, S.: Software Requirements: Styles andTechniques. Addison-Wesley Longman, Amster-dam, 2002. – ISBN 9780201745702

[6] Merten, T. ; Juppner, D. ; Delater, A.: Im-proved representation of traceability links in re-quirements engineering knowledge using Sunburstand Netmap visualizations. In: Managing Requi-rements Knowledge (MARK), 2011 Fourth Inter-national Workshop on, 2011, S. 17 –21

[7] Merten, T. ; Schafer, T. ; Bursner, S.: UsingRE Knowledge to Assist Automatically during Re-quirement Specification. In: Seventh InternationalWorkshop on Requirements Engineering Educati-on and Training (REET), 2012

[8] Williams, L. ; Kessler, R. R.: Pair Program-ming Illuminated. Addison-Wesley, 2002


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