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Die Umkehrung der benachbarten AnordnungZu Ulrich Riedels Arbeiten der letzten Jahre
„Ein Gotteseinfall. Eine Idee mit Hörnern. Sie sah demjenigen ähnlich, von dem sie kam, dem Unsichtbaren und Geistigen, dessen die Welt war und der Herr auf Erden war allenthalben So probierte denn Mose feurigen Kopfes in loser Anlehnung an die Marken der Sinaileute Zeichen aus an der Felswand für die lallenden, prallenden und knallenden, die zischenden und gischenden, schnurrenden und murrenden Laute mit seinem Stichel, und als er die Sigel in einer gewissen Gefälligkeit wohl unterschieden beisammen hatte sieh, da konnte man die ganze Welt damit schreiben, das, was da Raum einnahm, und was keinen Raum einnahm, das Gemachte und das Gedachte, reinweg alles.“1
Es ist nicht bekannt, ob Ulrich Riedel von derselben unbändigen Freude über seine Erfindung einer besonderen Form des Alphabets erfasst wurde wie der Moses in Thomas Manns alttestamentarischer Erzählung. Das zu thematisieren ist er wohl nicht der Typ – schliesslich schuf er anlässlich seiner Ernennung zum Meisterschüler in der Klasse Tony Cragg/ Florian Slotawa eine Arbeit mit dem Titel ICH HABE NICHTS ZU SAGEN/ I HAVE NOTHING TO SAY.
Diese Verweigerungshaltung gegenüber dem Wunsch des Publikums nach persönlichem Ausdruck und authentischem Zeugnis stellt Riedel nicht zufällig in die Tradition der konkreten Kunst und Minimal Art, die sich diesen Forderungen ebenfalls entzog. So teilen Riedels Arbeiten mit der konkreten und minimalistischen Kunst denn auch neben der der Verwendung quasi-industrieller Herstellungsverfahren zur Reduktion von persönlicher Handschrift die modulare Gestaltung und Serialität.Gemeinsam ist den Arbeiten auch ein klares, rationales und vermittelbares Regelwerk als Grundlage, welches sie von der intuitiven Gestaltung expressiver Tendenzen abhebt.
Zweck dieses Regelwerks war und ist bei den Vertretern der konkreten Kunst ein eminent pädagogischer Impetus. So sprach der ehemalige Bauhauslehrer Josef Albers (1888-1976) angesichts der Divergenz von Wissen und Wahrnehmung im Falle seiner 1950 begonnenen, umfangreichen Serie der „Homage to the Square“ von „Factual Fact“ und „Actual Fact“: Wir wissen zwar, dass die Bilder dieser Serie aus mehreren ineinander geschachtelten, quadratischen Farbfeldern bestehen („Factual Fact“); dennoch erscheint es uns, als schwebten die unterschiedlich farbigen Quadrat in räumlicher Distanz voreinander („Actual Fact“). Das Ziel dieser Unterscheidung war es, die Bedingtheit unserer Wahrnehmung durch die physiologisch-psychologische Wirkung der Farben zu verdeutlichen.
Auch weisen Riedels Werke eine Nähe zu Design und Produktgestaltung auf, wie man sie beispielsweise im Schaffen des Konkreten Max Bill (1908-1994) und des Minimalisten Donald Judd (1928-1994) findet. Beide scheuten sich nicht, neben ihrem bildkünstlerischen und plastischen Werk auch Gebrauchsgegenstände zu schaffen, die ihre künstlerischen Vorstellungen unmittelbar in den Alltag tragen sollten und damit zur modernen Utopie einer Gestaltung der gesamten Lebenswelt gehören. Entsprechend konnte Ulrich Riedel bei seinem Lehrer Tony Cragg lernen, dass Ornament kein Verbrechen ist, und wurde bei Florian Slotawa im entspannten Umgang mit Alltagsprodukten und ihren skurrilen Abkömmlingen in dessen Werken geschult.
Doch als Kind seiner Zeit – gewissermassen Ur-Enkel von Max Bill – wird Riedel nur mehr bedingt von pädagogischem Eros und sozialreformerischem Anspruch umgetrieben. Denn die Ideen der Avantgarde vom Künstler als allwissendem Heiler und voranmarschierendem Revolutionär sind in die Jahre gekommen, und die Suche nach der guten Form für die breite Masse ist längst keine Domäne der Künstler mehr, sondern wird von Designern und Marketingfachleuten zur Absatzsteigerung betrieben. Riedel verwendet die aufgeführten Vorgaben denn auch anders als seine Vorgänger nicht für formale Analysen oder solche des Sehaktes, sondern für die Untersuchung von sozialen Konventionen der digitalen Gesellschaft, ihrer Produkte und deren Heilsversprechen.1 Mann, Thomas: „Das Gesetz“, in: ders.: Sämtliche Erzählungen, Frankfurt am Main 1963, S. 642–696, S. 687f.
So thematisierte die 2010 entstandene Arbeit S M L XL das reduzierte Design des auch im Kunstbereich allgegenwärtigen Statussymbols Laptop. Anders als beispielsweise bei Automobilen, wo demonstrativer Konsum durch Elemente wie Spoiler etc. dem Besitzer einen Statusgewinn bringen soll, ist in der Computerbranche die Gestaltung inzwischen auf einem Standard angelangt, gemäß dem gerade das Schmucklose, Reduzierte, durch die Farbe Weiß oder unbearbeitet erscheinendes Metall sich selbst bis zum Verschwinden Bringende das Gesuchte ist. Dementsprechend sind Riedels vier Reliefobjekte den Titel gebenden Größenangaben S, M, L, XL zum Trotz völlig identisch – eine vermeintlich demokratische Gleichheit, die Vorstellungen vom besonderen Künstlerindividuum obsolet erscheinen lässt, der aber in Wahrheit die teuer zu bezahlenden Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Computer Hohn sprechen.
Andere Regelwerke sind bei Riedel basiert auf Schrift als Informationsmedium; hierfür entwickelte er einen Code aus der simplen Form eines in Gehrung angeschnitten quadratischen oder rechteckigen Vierkantstabes. Dieser Vierkantstab steht je nach Wendung des Anschnittes und Länge des Stabes für einen Buchstaben des Alphabetes. Dass es dabei nicht um eine esoterische Geheimschrift geht, zeigt, dass neben den so entstehenden Reliefs jeweils die Schrifttafel mit dem entsprechenden Text zu sehen ist. Nur wird der Betrachter die Elemente nicht gleich als unterschiedliche Erscheinungsformen derselben Information identifizieren. Hat er dies getan, so wird seine Aufmerksamkeit automatisch auf das Faktum der Information selbst gelenkt. Diese beruht im digitalen Zeitalter samt und sonders auf einfachsten Grundelementen wie + und -, ja und nein, 0 und 1 etc., wie auch in Riedels kinetischer Arbeit ME – WE der Wechsel vom Ich zum Wir nur einer 180° Drehung des ersten Buchstabens bedarf.
Diese Indifferenz gegenüber den Inhalten der Sätze zeigt sich daran, dass sie entweder wie bei ICH HABE NICHTS ZU SAGEN/ I HAVE NOTHING TO SAY das Vorhandensein einer Botschaft von vornherein ausschliessen. Andere erscheinen auf den ersten Blick zwar semantisch gefüllt, aber erweisen sich bei näherem Hinsehen als Konstrukte, deren Schwerpunkt in der Syntax liegt. So ist der Satz THE QUICK BROWN FOX JUMPS OVER THE LAZY DOG, dem die gleichnamige
Arbeit zugrunde liegt, ein Pangramm, also ein Satz, in dem jeder Buchstabe des Alphabets vorkommt. Der Text SATOR AREPO TENET OPERA ROTAS hingegen ist ein Satzpalindrom, das man als magisches Quadrat vorwärts und rückwärts, horizontal und vertikal lesen kann. Die Gestalt dieser Sätze ist demnach ihrem Inhalt gegenüber mindestens gleichrangig. In ihrer tautologischen Geschlossenheit gleichen sie den Kippfiguren, die Riedel immer wieder – so beispielsweise in Eigenheimwand, 2010, oder Coco und Igor, 2011 – verwendet.
Derartige Umschlagmuster, also Muster, die immer wieder zwischen den verschiedenen Figur-Grund-Verteilungen hin- und herkippen, gehören zu den bevorzugten Themen der modernen Kunst, wie sich beispielsweise an Josef Albers’ Variationen zum sogenannten „Neckerschen Würfel“2 zeigen lässt. Diese optisch reichen Muster, bei denen jeder Anteil zugleich Figur und Grund ist und jede Linie zugleich nach aussen und innen Randwirkung hat, sind die Basis aller Ornamentik. Sie irritieren bewusst die unwillkürliche, „Ordnung“ stiftende Orientierung, welche zum Beispiel Bäume und ihr symmetrisches Spiegelbild im Wasser gegen jede Vernunft zu einer Einheit zusammenschliesst oder getarnte Dinge verschwinden lässt, obwohl sie doch da sind.3
Diese Fähigkeit der Umschlagmuster macht sie auch für zeitgenössische Künstler wie Riedel höchst attraktiv. Denn sie können als Beleg für die Einsicht gelten, dass es keine „richtige“ Sicht im Einklang mit der Natur des Sehens und des Sichtbaren gibt, keine unter der irrationalen Oberfläche der sichtbaren Realitäten liegende Rationalität.4 In der Vermittlung dieser Erkenntnis liegen denn wohl auch Grund und Sinn für Ulrich Riedels eingangs konstatierte Verweigerungshaltung.
Dr. Heinz Stahlhut
1 Beim Neckerschen Würfel handelt es sich um eine Würfelzeichnung, bei der alle Kanten gleich stark ausgezogen sind. Je nachdem, wohin der Betrachter seine Aufmerksamkeit lenkt, erscheinen bald die einen, bald die anderen Kanten als die vorderen. Der Neckersche Würfel ist eine Kippfigur und ein Beispiel für umkehrbare perspektivische Täuschungen
3 Merleau-Ponty, Maurice: „Das Kino und die neue Psychologie“ (1945), in: ders.: Sinn und Nicht-Sinn, München 2000, S. 65–83, S. 66.
4 Meyer, Christian: „Wahrnehmung und relative Blindheit“, in: Bildlicht. Malerei zwischen Material und Immaterialität, hrsg. von Wolfgang Drechsler und Peter Weibel, Ausst.Kat. Museum des 20. Jahrhunderts Wien, Wien 1991, S. 21–37, S. 24ff.
„Ein Gotteseinfall. Eine Idee mit Hörnern. Sie sah demjenigen ähnlich, von dem sie kam, dem Unsichtbaren und Geistigen, dessen die Welt war und der Herr auf Erden war allenthalben So probierte denn Mose feurigen Kopfes in loser Anlehnung an die Marken der Sinaileute Zeichen aus an der Felswand für die lallenden, prallenden und knallenden, die zischenden und gischenden, schnurrenden und murrenden Laute mit seinem Stichel, und als er die Sigel in einer gewissen Gefälligkeit wohl unterschieden beisammen hatte sieh, da konnte man die ganze Welt damit schreiben, das, was da Raum einnahm, und was keinen Raum einnahm, das Gemachte und das Gedachte, reinweg alles.“1
Es ist nicht bekannt, ob Ulrich Riedel von derselben unbändigen Freude über seine Erfindung einer besonderen Form des Alphabets erfasst wurde wie der Moses in Thomas Manns alttestamentarischer Erzählung. Das zu thematisieren ist er wohl nicht der Typ – schliesslich schuf er anlässlich seiner Ernennung zum Meisterschüler in der Klasse Tony Cragg/ Florian Slotawa eine Arbeit mit dem Titel ICH HABE NICHTS ZU SAGEN/ I HAVE NOTHING TO SAY.
Diese Verweigerungshaltung gegenüber dem Wunsch des Publikums nach persönlichem Ausdruck und authentischem Zeugnis stellt Riedel nicht zufällig in die Tradition der konkreten Kunst und Minimal Art, die sich diesen Forderungen ebenfalls entzog. So teilen Riedels Arbeiten mit der konkreten und minimalistischen Kunst denn auch neben der der Verwendung quasi-industrieller Herstellungsverfahren zur Reduktion von persönlicher Handschrift die modulare Gestaltung und Serialität.Gemeinsam ist den Arbeiten auch ein klares, rationales und vermittelbares Regelwerk als Grundlage, welches sie von der intuitiven Gestaltung expressiver Tendenzen abhebt.
Zweck dieses Regelwerks war und ist bei den Vertretern der konkreten Kunst ein eminent pädagogischer Impetus. So sprach der ehemalige Bauhauslehrer Josef Albers (1888-1976) angesichts der Divergenz von Wissen und Wahrnehmung im Falle seiner 1950 begonnenen,
umfangreichen Serie der „Homage to the Square“ von „Factual Fact“ und „Actual Fact“: Wir wissen zwar, dass die Bilder dieser Serie aus mehreren ineinander geschachtelten, quadratischen Farbfeldern bestehen („Factual Fact“); dennoch erscheint es uns, als schwebten die unterschiedlich farbigen Quadrat in räumlicher Distanz voreinander („Actual Fact“). Das Ziel dieser Unterscheidung war es, die Bedingtheit unserer Wahrnehmung durch die physiologisch-psychologische Wirkung der Farben zu verdeutlichen.
Auch weisen Riedels Werke eine Nähe zu Design und Produktgestaltung auf, wie man sie beispielsweise im Schaffen des Konkreten Max Bill (1908-1994) und des Minimalisten Donald Judd (1928-1994) findet. Beide scheuten sich nicht, neben ihrem bildkünstlerischen und plastischen Werk auch Gebrauchsgegenstände zu schaffen, die ihre künstlerischen Vorstellungen unmittelbar in den Alltag tragen sollten und damit zur modernen Utopie einer Gestaltung der gesamten Lebenswelt gehören. Entsprechend konnte Ulrich Riedel bei seinem Lehrer Tony Cragg lernen, dass Ornament kein Verbrechen ist, und wurde bei Florian Slotawa im entspannten Umgang mit Alltagsprodukten und ihren skurrilen Abkömmlingen in dessen Werken geschult.
Doch als Kind seiner Zeit – gewissermassen Ur-Enkel von Max Bill – wird Riedel nur mehr bedingt von pädagogischem Eros und sozialreformerischem Anspruch umgetrieben. Denn die Ideen der Avantgarde vom Künstler als allwissendem Heiler und voranmarschierendem Revolutionär sind in die Jahre gekommen, und die Suche nach der guten Form für die breite Masse ist längst keine Domäne der Künstler mehr, sondern wird von Designern und Marketingfachleuten zur Absatzsteigerung betrieben. Riedel verwendet die aufgeführten Vorgaben denn auch anders als seine Vorgänger nicht für formale Analysen oder solche des Sehaktes, sondern für die Untersuchung von sozialen Konventionen der digitalen Gesellschaft, ihrer Produkte und deren Heilsversprechen.
So thematisierte die 2010 entstandene Arbeit S M L XL das reduzierte Design des auch im Kunstbereich allgegenwärtigen Statussymbols Laptop. Anders als beispielsweise bei Automobilen, wo demonstrativer 1 Mann, Thomas: „Das Gesetz“, in: ders.: Sämtliche Erzählungen, Frankfurt am Main 1963, S. 642–696, S. 687f.
Konsum durch Elemente wie Spoiler etc. dem Besitzer einen Statusgewinn bringen soll, ist in der Computerbranche die Gestaltung inzwischen auf einem Standard angelangt, gemäß dem gerade das Schmucklose, Reduzierte, durch die Farbe Weiß oder unbearbeitet erscheinendes Metall sich selbst bis zum Verschwinden Bringende das Gesuchte ist. Dementsprechend sind Riedels vier Reliefobjekte den Titel gebenden Größenangaben S, M, L, XL zum Trotz völlig identisch – eine vermeintlich demokratische Gleichheit, die Vorstellungen vom besonderen Künstlerindividuum obsolet erscheinen lässt, der aber in Wahrheit die teuer zu bezahlenden Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Computer Hohn sprechen.
Andere Regelwerke sind bei Riedel basiert auf Schrift als Informationsmedium; hierfür entwickelte er einen Code aus der simplen Form eines in Gehrung angeschnitten quadratischen oder rechteckigen Vierkantstabes. Dieser Vierkantstab steht je nach Wendung des Anschnittes und Länge des Stabes für einen Buchstaben des Alphabetes. Dass es dabei nicht um eine esoterische Geheimschrift geht, zeigt, dass neben den so entstehenden Reliefs jeweils die Schrifttafel mit dem entsprechenden Text zu sehen ist. Nur wird der Betrachter die Elemente nicht gleich als unterschiedliche Erscheinungsformen derselben Information identifizieren. Hat er dies getan, so wird seine Aufmerksamkeit automatisch auf das Faktum der Information selbst gelenkt. Diese beruht im digitalen Zeitalter samt und sonders auf einfachsten Grundelementen wie + und -, ja und nein, 0 und 1 etc., wie auch in Riedels kinetischer Arbeit ME – WE der Wechsel vom Ich zum Wir nur einer 180° Drehung des ersten Buchstabens bedarf.
Diese Indifferenz gegenüber den Inhalten der Sätze zeigt sich daran, dass sie entweder wie bei ICH HABE NICHTS ZU SAGEN/ I HAVE NOTHING TO SAY das Vorhandensein einer Botschaft von vornherein ausschliessen. Andere erscheinen auf den ersten Blick zwar semantisch gefüllt, aber erweisen sich bei näherem Hinsehen als Konstrukte, deren Schwerpunkt in der Syntax liegt. So ist der Satz THE QUICK BROWN FOX JUMPS OVER THE LAZY DOG, dem die gleichnamige Arbeit zugrunde liegt, ein Pangramm, also ein Satz, in dem jeder Buchstabe des Alphabets vorkommt. Der Text SATOR AREPO TENET OPERA ROTAS hingegen ist ein Satzpalindrom, das man als magisches
Quadrat vorwärts und rückwärts, horizontal und vertikal lesen kann. Die Gestalt dieser Sätze ist demnach ihrem Inhalt gegenüber mindestens gleichrangig. In ihrer tautologischen Geschlossenheit gleichen sie den Kippfiguren, die Riedel immer wieder – so beispielsweise in Eigenheimwand, 2010, oder Coco und Igor, 2011 – verwendet.
Derartige Umschlagmuster, also Muster, die immer wieder zwischen den verschiedenen Figur-Grund-Verteilungen hin- und herkippen, gehören zu den bevorzugten Themen der modernen Kunst, wie sich beispielsweise an Josef Albers’ Variationen zum sogenannten „Neckerschen Würfel“2 zeigen lässt. Diese optisch reichen Muster, bei denen jeder Anteil zugleich Figur und Grund ist und jede Linie zugleich nach aussen und innen Randwirkung hat, sind die Basis aller Ornamentik. Sie irritieren bewusst die unwillkürliche, „Ordnung“ stiftende Orientierung, welche zum Beispiel Bäume und ihr symmetrisches Spiegelbild im Wasser gegen jede Vernunft zu einer Einheit zusammenschliesst oder getarnte Dinge verschwinden lässt, obwohl sie doch da sind.3
Diese Fähigkeit der Umschlagmuster macht sie auch für zeitgenössische Künstler wie Riedel höchst attraktiv. Denn sie können als Beleg für die Einsicht gelten, dass es keine „richtige“ Sicht im Einklang mit der Natur des Sehens und des Sichtbaren gibt, keine unter der irrationalen Oberfläche der sichtbaren Realitäten liegende Rationalität.4 In der Vermittlung dieser Erkenntnis liegen denn wohl auch Grund und Sinn für Ulrich Riedels eingangs konstatierte Verweigerungshaltung.
Heinz Stahlhut
1 Beim Neckerschen Würfel handelt es sich um eine Würfelzeichnung, bei der alle Kanten gleich stark ausgezogen sind. Je nachdem, wohin der Betrachter seine Aufmerksamkeit lenkt, erscheinen bald die einen, bald die anderen Kanten als die vorderen. Der Neckersche Würfel ist eine Kippfigur und ein Beispiel für umkehrbare perspektivische Täuschungen
3 Merleau-Ponty, Maurice: „Das Kino und die neue Psychologie“ (1945), in: ders.: Sinn und Nicht-Sinn, München 2000, S. 65–83, S. 66.
4 Meyer, Christian: „Wahrnehmung und relative Blindheit“, in: Bildlicht. Malerei zwischen Material und Immaterialität, hrsg. von Wolfgang Drechsler und Peter Weibel, Ausst.Kat. Museum des 20. Jahrhunderts Wien, Wien 1991, S. 21–37, S. 24ff.
132/II
2007 | gebeiztes Holz | stained wood
55 x 60 x 50 cm
s m l xl
2010 | beschichteter Stahl, Acrylglas, Lichttechnik | coated steel, acrylic glass, light
45 x 247 x 8 cm, vierteilig | four pieces
me/we
2010-11 | beschichteter Stahl, Aluminium, Motor (1 rpm), Zeitschaltuhr | coated
steel, aluminum, motor (1 rpm), timer clock
18 x 18 x 5 cm, Edition 7+1
Ich habe nichts zu sagen. I have nothing to say.
2009 | lackiertes Holz, Acrylglas, Lichttechnik | lacquered wood, acrylic glass, light
133 x 345 x 210 cm, vierteilig | four pieces
DOIMI EPMAM OTOXO (DEO OPTIMO MAXIMO)
2009 | lackiertes Holz, vergoldetes Kupferblech, Stahl, Acrylglas, Lichttechnik | lacquered
wood, gold plated copper sheet, steel, acrylic glass, light
200 x 160 x 110 cm, zweiteilig | two pieces
Der Sämann Arepo (Sator Arepo)
2010 | beschichtetes Furniersperrholz | coated veneer ply wood
100 x 380 x 110 cm, dreiteilig | three pieces
Taegukki
2009 | Holz, Acrylglas, Inkjektprint, Lichttechnik | wood, acrylic glass, inkjet print, light
40 x 240 x 120 cm, dreiteilig | three pieces
Eigenheimwand
2010 | geöltes Birkenholz | oiled birch wood
275 x 285 x 22 cm, siebzigteilig | seventy pieces
Ein Doppelhaus und seine vier halben Doppelhaushälften
2009 – 11 | lackiertes MDF, Acrylglas mit Inkjetprint, Lichttechnik | lacquered MDF, acrylic
glass with inkjet print, light
Größe variabel | variable dimension, siebenteilig | seven pieces
makrokristallin
2011 | lackiertes Holz | lacquered wood
20 x 15 x 13 cm; 40 x 30 x 26 cm; 80 x 60 x 52 cm; 160 x 120 x 104 cm
Ich sage ja immer, bei ( … ) Symmetrie fängt das Kunsthandwerk an.
2011 | Ahornholz | maple wood
30 x 30 x 30 cm
Coco & Igor
2011 | geöltes Buchenholz | oiled beech wood
200 x 210 x 30 cm, je sieben Teile | seven pieces each
The quick brown fox jumps over the lazy dog. (270°)
2011 | Ahornholz, Acrylglas, Folienplot | maple wood, acrylic glass, film plot
35 x 21 x 20 cm & 35 x 21 x 1 cm, zweiteilig | two pieces
schwarzaufweiß
2011 | lackiertes Holz, Acrylglas, Lichttechnik | lacquered wood, acrylic glass, light
50 x 163 x 175 cm, zweiteilig | two pieces
Gott sei Dank.
2011 | geöltes Holz, vergoldetes Kupferblech, Acrylglas, Folienplot | oiled wood,
gold plated copper sheet, acrylic glass, film plot
40 x 48 x 96 cm & 40 x 48 x 24 cm, zweiteilig | two pieces
Ich traeume jetzt.
2011 | geöltes Eichenholz, Folienplot | oiled oak wood, film plot
12 x 100 x 24 cm, zweiteilig | two pieces
zwei hoch neunundneunzig
2012 | geöltes Birkenholz | oiled birch wood
330 x 340 x 12 cm, 99 + 1 Teile | 99 + 1 pieces
633825300114114700748351602688
2012 | geöltes Gabunholz | oiled gabun wood
88 x 120 x 40 cm
Ulrich Riedel ist 1979 in Berlin geboren, wo er lebt und arbeitet.
Ausbildung
2001–02 Studium der Philosophie und Kunstgeschichte, Humboldt-Universität zu Berlin
2002–07 Studium der Bildenden Kunst bei Michael Schoenholtz, Tony Cragg, Florian Slotawa und David Evison,
Universität der Künste, Berlin
2006 Sokrates Stipendiat, Sydney College of Fine Arts, Australien
2007 Absolvent der Klasse Tony Cragg
2007-11 Studium des Lehramts Großfach Bildende Kunst
2006–11 Tutor der Metallwerkstatt der UdK
2007–11 Tutor der Holzwerkstatt der UdK
2008–09 Meisterschülerjahr
2009 Ernennung zum Meisterschüler der Klasse Tony Cragg/ Florian Slotawa
2011 Studienabschluss an der Universität der Künste Berlin; Erstes Staatsexamen
Einzel- und Doppelausstellungen (Auswahl)
2012 tiefen und höhen, Kunstverein Würzburg
2012 zweihochneunundneunzig, Berlin Art Projects
2011 schwarzaufweiß, Galerie Frey, Wien
– Translations, mit Yasam Sasmazer, Gesellschaft für Bildende Kunst Trier e. V.
2010 me/we, Berlin Art Projects, Berlin
2006 Uphigher, Sydney College of Fine Arts, Sydney, Australien
Gruppenausstellungen (Auswahl)
2011 Art VS Disseny Disseny VS Art, Lluc Fluxa, Palma de Mallorca
– Folge der Generationen, Motorenhalle, Dresden
2009 DOMGOLD, Berliner Dom, Berlin
2007 Wish you were here, Meisterschülerausstellung, UdK, Berlin
– I like to move it, Heidestraße 50, Berlin
2004 Von Stein bis Styropor, Koreanische Botschaft, Berlin
Ulrich Riedel was born in Berlin, where he lives and works, in 1979.
Education
2001–02 Studied Philosophy and History of Art, Humboldt-Universität zu Berlin
2002–07 Studied Fine Arts with Michael Schoenholtz, Tony Cragg, Florian Slotawa and David Evison,
Universität der Künste, Berlin
2006 Socrates awardee, Sydney College of Fine Arts, Australia
2007 Graduate class of Tony Cragg
2007-11 Studied teaching post Großfach Bildende Kunst
2006–11 tutor work shop/ metal, UdK
2007–11 tutor work shop/ wood, UdK
2008–09 master class with Tony Cragg/ Florian Slotawa
2009 nomination master student
2011 degree at Universität der Künste Berlin; state examination
Selected Solo and Double Exhibitions
2012 tiefen und höhen, Kunstverein Würzburg
2012 zweihochneunundneunzig, Berlin Art Projects Gallery, Berlin
2011 chwarzaufweiß, Frey Gallery, Vienna
– Translations, with Yasam Sasmazer, Gesellschaft für Bildende Kunst Trier e. V.
2010 me/we, Berlin Art Projects Gallery, Berlin
2006 Uphigher, Sydney College of Fine Arts, Sydney, Australia
Selected Group Exhibitions
2011 Art VS Disseny Disseny VS Art, Lluc Fluxa, Palma de Mallorca
– Folge der Generationen, Motorenhalle, Dresden
2009 DOMGOLD, Berliner Dom, Berlin
2007 Wish you were here, Meisterschülerausstellung, UdK, Berlin
– I like to move it, Heidestraße 50, Berlin
2004 Von Stein bis Styropor, Koreanische Botschaft, Berlin
Neuer Arbeitsraum | New working space
Berlin Art Projects GmbH & Co. KG
Mehringdamm 33, 10961 Berlin
www.berlinartprojects.de
Text: Dr. Heinz Stahlhut
Redaktion: Anna v. Bodungen, Ulrich Riedel
Fotos: Bernd Borchardt
Gestaltung : Christine Gehrke
Produktion: XXX
Auflage: XXX
Juni 2012
ISBN?
© Berlin Art Projects / Ulrich Riedel