DOI: 10.1111/j.1610-0387.2008.06589.x Fallberichte 303
© The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag, Berlin • JDDG • 1610-0379/2008/0604-0303 JDDG | 4˙2008 (Band 6)
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ZusammenfassungDas Erythema elevatum et diutinumist eine seltene ätiologisch ungeklärtechronisch entzündliche Erkrankungder Haut mit dem histologischen Bildeiner leukozytoklastischen Vaskulitis.Klinisch finden sich symmetrisch an-geordnete zunächst weiche, späterfeste, livid-rote bis braun-rote Papelnund Plaques von teils knotigem Cha-rakter. Die Hautveränderungen sindstreckseitig betont und oftmals über den Gelenken angeordnet. Beifrühem Einsatz werden therapeuti-sche Erfolge mit Dapson, Kortikoste-roiden und Antibiotika beschrieben.Im Folgenden berichten wir über ei-nen eindrucksvollen Fall einesErythema elevatum et diutinum mitungewöhnlicher klinischer Ausprä-gung bei einem Patienten mit Multi-plem Myelom.
Schlüsselwörterleukozytoklastische Vaskulitis – mono-klonale Gammopathie – neutrophileDermatose – Dapson
EinleitungDas Erythema elevatum et diutinum(EED) manifestiert sich klinisch durchzumeist asymptomatische gerötete bis li-vidrote derbe Papeln, Knoten und Pla-ques mit typischem symmetrischen Ver-teilungsmuster an den Akren undStreckseiten der Extremitäten. Die Ätio-logie der Erkrankung ist ungeklärt,primär wird eine infektallergische Vasku-litis kleiner Gefäße diskutiert. Aufgrunddes Nachweises von zirkulierenden Im-munkomplexen wird sie dem Formen-kreis der Immunkomplexvaskulitidenzugeordnet. Häufig werden Assoziatio-nen mit Multiplem Myelom, monoklo-naler Gammopathie, Autoimmuner-krankungen (rheumatoide Arthritis,Morbus Crohn und Wegnersche Granu-lomatose) und chronischen Infektionen(Streptokokken, Hepatitis B und HIV)beschrieben [1, 2, 3, 5, 9].
FallberichtAnamneseEin 77-jähriger Mann stellte sich mit seitsechs Monaten bestehenden knotigenHautveränderungen an den Streckseitender Finger und den Ellenbogen vor. Erklagte über stärkste druck- und bewe-gungsabhängige Schmerzen sowie eineBewegungseinschränkung der befallenenGelenke. Anamnestisch bekannt warenzu diesem Zeitpunkt eine monoklonaleGammopathie unklarer Signifikanz, einnicht insulinpflichtiger Diabetes melli-tus Typ II und eine periphere arterielleVerschlusskrankheit mit Unterschenkel-Amputation rechts. Fünf Monate späterzeigten sich deutlich progrediente Haut-läsionen an den Händen sowie neueHautknoten am Oberschenkelstumpfrechts (Abbildung 1a und 1b). Im glei-chen Zeitraum wurde die Diagnose einesMultiplen Myeloms vom Typ IgA kappagestellt.
Klinischer BefundAn beiden Händen betont über denStreckseiten der Finger I bis IV sowie anden Ellenbogen fanden sich 0,5 bis 1,0 cmgrosse rot-livide Knoten von derberKonsistenz (Abbildung 1a und 1b), wel-che im Verlauf von fünf Monaten zu biszu 6 cm großen knotig-gewundenen teilsulzerierten Tumoren konfluierten (Abbil-dung 2). Später zeigten sich außerdembis zu 2 cm große erythematöse Knotenmit Teleangiektasien am Oberschenkel-stumpf rechts.
SummaryErythema elevatum diutinum is a rarechronic inflammatory skin disease ofunknown etiology with a histopathol-ogy of a leukocytoclastic vasculitis.Clinical findings involve symmetricallivid-erythematous to red-brownpapules and plaques or noduleswhich are initially soft but becomefirmer. The skin lesions are locatedover extensor surfaces and often overjoints. Early treatment with dapsone,corticosteroids and antibiotics issometimes effective. A patient withmultiple myeloma displayed unusuallesions of erythema elevatumdiutinum.
Keywordsleukocytoclastic vascultis – mono-clonal gammopathy – neutrophilicdermatoses – Dapsone
Ungewöhnliches Bild eines
Erythema elevatum et diutinum
Erythema elevatum diutinum with unusual
clinical appearance
Evelyn Soubeiran, Jörg Wacker, Ingrid Haußer, Wolfgang HartschuhUniversitäts-Hautklinik Heidelberg
JDDG; 2008 • 6:303–305 Eingereicht: 21. 5. 2007 | Angenommen: 16. 9. 2007
Histologischer BefundIn der Hämatoxylin-Eosin-Färbung fandsich im mittleren und unteren Koriumein gemischtzelliges interstitielles Infil-trat mit Überwiegen von neutrophilenGranulozyten, daneben auch Lympho-zyten und Histiozyten mit einigen mehr-
kernigen Riesenzellen (Abbildung 3).Vereinzelt zeigte sich perivaskulär gelege-ner Kernstaub mit Hyalinisierung klei-ner Blutgefäße (Abbildung 4). In denVerlaufsbiospien bestand ein nahezuidentisches Bild mit zunehmender fibro-tischer Umwandlung des Koriums.
Die elektronenmikroskopische Untersu-chung (Abbildung 5) zeigte ein aus neu-trophilen Granulozyten bestehendes In-filtrat, daneben fanden sich Makrophagensowie Plasmazellen. Die normalen fibrillären Bestandteile des Zytoplasmaswaren weitgehend verdrängt, elastischeFasern rarefiziert und das Kollagen lagnur in Form dünner Fibrillen eingebettetin teils dichte globuläre Amyloidablage-rungen vor.
Therapie und VerlaufUnter Berücksichtigung des klinischenBildes und der Histologie stellten wir dieDiagnose eines Erythema elevatum et di-utinum. Unter einer Lokaltherapie mit lokalenSteroiden der Klasse III und IV sowie In-jektionen von Triamcinolonacetonidzeigten sich die Hautveränderungen pro-gredient. Nach Beendigung der Chemo-therapien des Multiplen Myeloms wurdedaher eine Therapie mit Dapson begin-nend mit 50 mg täglich eingeleitet. Auf-grund des ungenügenden Ansprechenstrotz Dosissteigerung auf 150 mg täglichbeendeten wir diese Therapie nach sechsMonaten. Bei zunehmenden Schmerzenund Bewegungseinschränkungen ent-schieden wir uns zur Exzision einigerKnoten am Ellenbogen links und DigitusIII der linken Hand mit Spalthauttrans-plantation. Damit konnte eine lokale Be-schwerdefreiheit erzielt werden. Eine Ex-zision aller Hautknoten war infolge derdiffizilen Lokalisation nicht möglich.
DiskussionDer von uns vorgestellte Fall eines EEDist insofern ungewöhnlich, als dass sichdieser ältere Patient mit sehr derben exo-phytischen, teils ulzerierten Hautknotenpräsentierte. Meist sind die Hautläsio-nen des EED asymptomatisch, unser Pa-tient beklagte jedoch einen starkenDruck- und Bewegungsschmerz. Des-weiteren ungewöhnlich ist der rasch pro-grediente Verlauf mit histologischemNachweis einer dichten Fibrose, welchesich typischerweise in fortgeschrittenenErkrankungsstadien darstellt [4, 8]. Ab-hängig von der Bestandsdauer überwiegtin frühen Läsionen eine leukozytoklasti-sche Vaskulitis (Abbildung 3 und 4) [4, 8].Histologische Differentialdiagnosen je-des EED stellen neutrophilenreiche Der-matosen, bei alten Läsionen auch Neo-plasien oder Dermatofibrome dar [7, 8](Tabelle 1).
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Abbildung 1: 0,5 bis 1,0 cm große konfluierende rot-livide Knoten am Digitus III der linken Handbei Erstvorstellung (a) und fünf Monate später (b).
Abbildung 2: Konfluierende knotig-gewundenederbe Tumoren von bis zu 6 cm Größe an der ge-samten Zirkumferenz der Finger II–IV der lin-ken Hand.
Abbildung 4: Gemischtzelliges interstitielles In-filtrat aus neutrophilen Granulozyten, vereinzelteMakrophagen und Kernstaub, deutliche Fibrose(Färbung Hämatoxylin Eosin, Vergrößerung40fach).
Abbildung 3: Gemischtzelliges interstitielles In-filtrat im mittleren und unteren Korium in fibro-siertem Bindegewebe (Färbung Hämatoxylin Eo-sin, Vergrößerung 10fach).
Abbildung 5: Elektronenmikroskopie: DermalesBindegewebe mit Amyloidablagerungen (kurze,starre unverzweigte Fibrillen). Dazwischen liegeneinzelne Längsschnitte von Kollagenfibrillen mitcharakteristischer Längsstreifung.
Die Therapie der Erkrankung wirddurch ihren chronischen Verlauf mitNeigung zu Rezidiven erschwert. Jedochkann es selbst nach 5–10 Jahren zuSpontanheilungen kommen. Über er-folgreiche antiinflammatorische Therapienmit Glukokortikoiden, Niacinamid, Te-trazyklin, Chloroquin, Dapson sowiePlasmapherese wurde berichtet [1, 5, 6, 9].Da bei unserem Patienten eine Behand-lung mit Steroiden erfolglos blieb, wurdeneben operativen Maßnahmen eine The-rapie mit Dapson eingeleitet, welcheauch in höherer Dosierung sine effectublieb. Das fehlende Therapieansprechenkönnte mit dem fortgeschrittenenKrankheitsstadium und Vorliegen einerstarken Fibrosierung erklärt werden.Eine Assoziation mit IgA-Paraproteinä-mien wurde in über 20 Fällen des EEDbeschrieben [5]. Diese Untergruppe vonPatienten benötigt eine engmaschigeLangzeitüberwachung aufgrund dermöglichen Progression der zunächst gut-artigen monoklonalen Gammopathie inein Multiples Myelom, da die Hauter-krankung der Diagnose des MultiplenMyeloms vorausgehen kann. Bemer-kenswert erscheint, dass die Therapie desMyeloms keinen Einfluss auf den Verlaufder Hautveränderungen genommen hat.Die Chemotherapien konnten lediglicheine „stable disease“ des Myeloms errei-chen. Bei einem Patienten mit EED undB-Zell-Lymphom berichteten Futei undKonohana [10] von einer komplettenAbheilung des EED unter Chemothera-pie des Lymphoms. In weiteren Kasuisti-ken wurde von einer Abheilung des EED
bei assoziierter Colitis ulcerosa nach Ko-lektomie und unter glutenfreier Diät beieinem Patienten mit Zöliakie berichtet[8]. Aufgrund der Seltenheit der Erkran-kung fanden sich keine weiteren Litera-turangaben zum Verlauf des EED unterTherapie eines Multiplen Myeloms. Das Bewusstsein für ungewöhnliche kli-nische Verläufe des EED, wie in unseremFall mit harten fibrosierten schmerzhaf-ten Hautknoten einhergehend, hilftFehldiagnosen zu vermeiden. Aufgrundder oben genannten Assoziationen zu sys-temischen Erkrankungen sollte bei EED immer eine entsprechende Ab-klärung erfolgen. Die konservative The-rapie des EED gerade in fortgeschritte-nen Fällen und bei Therapieresistenz derassoziierten Grunderkrankung kannnach unserer Erfahrung unbefriedigendverlaufen. Vielleicht sollte ein operativesVerfahren hier häufiger in Betracht gezo-gen werden. <<<
InteressenkonfliktKeiner.
KorrespondenzanschriftDr. med. E. SoubeiranUniversitäts-HautklinikVoßstrasse 2D-69115 HeidelbergTel.: +49-62 21-56 70 11Fax: +49-62 21-56 54 06E-Mail: [email protected]
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Fallberichte 305
JDDG | 4˙2008 (Band 6)
Tabelle 1: Klinische und histologische Differentialdiagnosen desErythema elevatum et diutinum.
Klinische Differentialdiagnosen Histologische Differentialdiagnosen
Granuloma anulareSarkoidosePseudolymphomWegener GranulomatoseMultizentrische Retikulohistiozytose
Sweet-SyndromNeutrophile rheumatoide DermatitisGranuloma eosinophilicum facieiPyoderma gangraenosumDermatofibrom