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Untersuchung der Ionenzusammensetzung ionisierter Schichten der Atmosphare l)

Von B. A. MIRTOV und V. G. ISTOMIN

1. Einleitung

Einer der wichtigsten Parameter der Ionosphare ist die chemische Zusammen- setzung ihrer Ionen. Die Untersuchung der Ionenspektren der Ionosphare (und damit ihrer Zusammensetzung) ist fiir die Losung einer Reihe von geophysikali- schen und astroph ysikalischen Problemen aul3erordentlich wichtig. Untersuchun- gen dieser Art konnen zur Klarung solcher grundlegender geophysikalischer und damit zusammenhkngender astroph ysikalischer Probleme, wie z. B. der solar- terrestrischen Beziehungen, beitragen.

Es ist sehr wahrscheinlich, daB sich die Ionenspektren in den niederen Breiten der Erde von denen ihrer Polargebiete (insbesondere bei Polarlichtern), vonein- ander unterscheiden. Dieser Unterschied mul3 durch verschiedene, in den ge- nannten Gebieten wirkende Mechanismen der Ionisation der Atmosphare her- vorgerufen werden, und zwar durch ultraviolette Einstrahlung in den niederen Breiten und durch Korpuskularstrahlung in den Polargebieten (insbesondere wahrend der Zeit der Polarnacht).

Die Untersuchung der Ionenzusammcnsetzung der Ionosphare kann weiterhin helfen, Probleme der Entstehung und Existenz ionisierter Schichten in ver- schiedcnen Hohen zu losen. Dies wird durch ein Studium der Bnderung der Ionenzusammensetzung im Verlaufe eines Tages (Tag und Nacht) und der hderungen dieser Zusammensetzung wahrend der tiefen Polarnacht ermog- licht, wo iiber ldngere Zeit ein solch stark ionisierendes Agens, wie die Ultra- violettstrahlung der Sonne fehlt.

SchlieBlich besteht, wenn man auf die Bedingungen der Ausbreitung von Radiowellen zuriickkommt, an der Kenntnis des Spelrtrums der Ionen ein be- stimmtes Interesse im Hinblick auf ihren Wirkungsquerschnitt bei StoBen mit Elektronen. Bei der Aufstellung einer vollstandigen Theorie der Ausbreitung von Radiowellen darf man diese StoBe offenbar nicht vernachlassigen, denn die Ionen-Wirkungsquerschnitte sind hierbei naturlich vollkommen andere als die Wirkungsquerschnitte neutraler Atome oder Molekule.

Gegenwartig verfiigen wir lediglich iiber allgemeines, mehr oder weniger rich- tiges qualitatives Material iiber die Zusammensetzung der ionisierten Schichten, das mit Hilfe indirekter Methoden gewonnen wurde. Mit diesen Methoden kann man jedoch das Wichtigstc nicht beurteilen : man kann namlich hochstens

l) Uspeehi fiz. Nauk 63, 227-238 (1957).

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qualitativ, nicht aber quantitativ etwas aussagen uber Veranderungen in der Zusammensetzung der Ionosphare.

Fur die Beobachtung dieser Veranderungen sind massenspektrometrische Untersuchungen erforderlich, die nur rnit Hilfe spezieller, in die zu untersuchende Schicht der Atmosphare gebrachter Meoapparaturen durchgefiihrt werden konnen. Die Schwierigkeiten des Transportes dieser Gerate in Hohen von 200-400 km und mehr machte bis in die Gegenwart solche Untersuchungen unmoglich und erst in jiingster Zeit erhielt die Durchfiihrung der Hohen- cxperimente eine zuverlassige Grundlage : es wurden Spezialgerate hergestellt, mit denen man die angefiihrten Messungen durchfiihren kann, und es wurden Wege gefunden, um diese Gerate in groBe Hohen zu tragen.

2. Der kunstliche Erdsatellit und das Studium der Ionenspektren in der Ionosphare

Gegenwartig sind zwei Wege zur Untersuchung der Ionenzusammensetzung der Ionosphare durch direkte Methoden devkbar und moglich : Der Aufstieg entsprechender Apparaturen mittels Raketen und die Ausnutzung eines kiinst- lichen Erdsatelliten. Der erste Weg wird bekanntlich bereits zur Gewinnung von Aussagen uber die Ionenzusammensetzung benutzt, liefert jedoch bedauer- licherweise nur sehr beschranktes Material, da die Dauer des Fluges der Rakete durch die uns interessierenden ionisierten Bereiche wenige Minuten nicht iiber- schreitet. AuBerdem ist es zur Zeit mittels einer Rakete schwer, wenn nicht hoff- nungslos, gleichzeitige Untersuchungen an hinreichend dicht gelegenen Punkten, einschlieolich solcher in schwer zuganglichen Gebieten der Erde, durchzufiihren. Auf dem zweiten Weg wird diese Messung der Ionenspektren durch ein Gerat vollzogen, das in einen kiinstlichen Erdsatelliten eingebaut ist. Gerade dieser Weg stellt sich bei den Untersuchungen iiber die Ionenzusammensetzung der Ionosphare als der aussichtsreichste dar.

Einer der entscheidenden Vorziige der Experimente, die rnit Satelliten aus- gefiihrt werden, liegt in der Dauer, wahrend der sich die MeSapparatur in den zu untersuchenden Schichten befindet. Diese Besonderheit ergibt in Verbin- dung mit der auSerordentlich groaen Geschwindigkeit des Satelliten ( x 8 km/ see) die Moglichkeit, an Punkten, die voneinander etwa 10000 km entfernt sind, wiederholt und fast gleichzeitig Beobachtungen durchzufiihren. Der zeitliche Unterschied zwischen Messungen in der Aquatorialzone und den Polargebieten betragt nicht mehr als 20 bis 30 Minuten. Das wiederholte Erscheinen des Satelliten iiber derselben Zone (Umlaufzeit etwa 90 min), gibt die Moglichkeit, die Anderung der Ionenzusammensetzung zeitlich zu verfolgen, wobei diese Anderung mit Bnderungen der Sonnenaktivitat im Ultraviolett oder den kor- puskularen Stromen zusammenhangt.

Ebensogut muB durch einen Satelliten das Problem der Ionenzusammen- setzung zur Tages- und Nachtzeit gelost werden konnen. Wahrend der 90 min seines Fluges durchquert der Satellit sowohl die Sonnenseite als auch die Schattenseite der Erde und kann dabei entsprechend das Tages- und Nacht- spektrum der Ionen messen.

Eine weitere Moglichkeit, die sich bei der Durchfiihrung von Untersuchungen mit dem Satelliten bietet, besteht darin, da13 dank der Ausdehnung seiner Bahn

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die Messungen der Ionenzusammensetzung in verschiedenen Hohen iiber der Erde durchgefiihrt werden konnen. Infolgedessen konnen die beiden wichtigsten Schichten der IonosphLre, die E- und F-Schicht, durch die Untersuchungen er- fafit werden. Der Satellit hat noch einen weiteren wesentlichen Vorteil. Die Rakete beginnt, wenn sie in verdiinnte Schichten der Atmosphare gelangt, groBe Mengen ,,parasit,arer" Gase abzugeben, die die Rakete in Form einer Gaswolke umgeben. Diese Wolke besteht aus Luft, in der sich die Rakete bis zum Aufstieg befand, aus Verbrennungsprodukten des Treibstoffes und auch aus Gasen, die sich durch intensive Verdampfung unverbrauchten Brennstoffes entwickeln. Wegen der Kiirze des Raketenexperimentes und wegen der enorm groBen Menge der die Atmosphare verunreinigenden Gase reicht, die Zeit nicht zum Verschwinden der Gaswolke aus, was sich natiirlich fur die Messungen, die an der Oberflache der Rakete durchgefuhrt werden, schadlich auswirkt.

Ganz anders liegen die Dinge bei einem Satelliten: Sorgfaltig luftdicht ab- geschlossen und von geringem Volumen ergibt sich ein Minimum an Gasabson- derung aus dem Innern; die Dauer des Aufenthaltes des Satelliten in den ver- diinnten Schichten gibt die Moglichkeit einer guten Sauberhaltung seiner Ober- flache und, was besoriders wichtig ist, seiner MeBgerate im Innern. Fur eine Untersuchung der 1onenzusa.mmensetzung hat diese vorteilhafte Eigenschaft cines Satelliten einen, wenn auch indirekten, so doch sehr wesentlichen EinfluB.

3. Einige allgemeine Fragen zur Durchfiihrung der Experimente

In den Bereichen der Atmosphare, in denen sich der liiinstliche Satellit auf- halt, ist die ihn umgebende Luft derart verdunnt, daB die freie Weglange der Molekiile 10 bis 100 m erreicht. Der Satellit selbst bewegt sich mit einer Ge- schwindigkeit, deren GroBenordnung die der gaskinetischeri Geschwindigkeit der Molekiile iibertrifft. Diese Umstande versetzen die Experimentatoren in eine sehr schwierige Lage nicht nur beziiglich der Auswahl passender MeBgerate, sondern auch hinsichtlich der Moglichkeit, storungsfreie Messungen desjenigen Bereiches durchzufiihren, in dem sich der Satellit bewegt.

Beim Studium der Ionenzusammensetzung der Ionosphare ist es auBerordent- lich wichtig zu wissen, ob das im Satelliten angeordnete MeBgerat die wahre oder eine fiktive Ionisation mi&. Es ist z. B. gut bekannt, daB der Flug von Meteoren durch die Erdatmosphare von einer intensiven Ionisation der Atmosphare be- gleitet wird. Tatsachlich fliegen die Meteore mit einer wesentlich groBeren Ge- schwindigkeit als 8 km/sec, und in den tieferen Schichten, in denen sich ein Satellit bewegt, kann man eine Ionisation beobachten. Es erscheint uns wegen der Wichtigkeit dieser Frage fur die Ergebnisse aller Experimente in der Iono- sphare erforderlich, darauf ausfiihrlich einzugehen. Um die Molekule seiner Um- gebung zu ionisieren, mu13 ein Korper eine Energie von mindestens etwa 15 eV besitzen. Der Satellit selbst besitzt diese Energie nicht und daher ist er nicht ixnmittelbar in der Lage, auftreffende Gasmolekiile zu ionisieren. Die Molekiile jedoch, die von der Oberflache des Satelliten mit einer Geschwindigkeit ab- prallen, die gleich der doppelten Geschwindigkeit des Satelliten ist (vollkom- men elastischer StoB), d. h. mit einer Geschwindigkeit von 16 km/sec, besitzen bereits eine fur einen IonisationsstoB vollkommen ausreichende Energie. Darin besteht die Gefahr. Um die Wahrscheinlichkeit dieser Gefahr abzuschatzen, muB

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geklart werden, ob die Gasmolekiile beim Aufprall auf schnell bewegte Ober- flachen elastische oder unelastische StoIje erleiden.

Gegenwartig ist es sehr schwer, diese Frage endgiiltig zu beantworten, da keine zuverlassigen experimentellen Ergebnisse iiber die Wechselwirkung eines Stoffes mit Gasmolekiilen von so grol3er Geschwindigkeit vorliegen. Nach einer Reihe indirekter Ergebnisse darf angenommen werden, daB der weitaus groSte Teil der Molekule unelastisch an der Oberflache des Satelliten reflektiert wird. So geht z. B. die gesamte neuzeitliche Theorie der Meteore (SPERROU, O P I K , HERLOFSON), von unelastischen StoDen des Meteors mit den Gasmolekiilen aus. Auch das Experiment bestatigt den unelastischen Charakter der Wechselwir- kung zwischen einer festen Oberflache und den Molekiilen eines Gases. Die Ober- flache adsorbiert die auf sie auftreffenden Molekiile, von der sie erst nach Ablauf <Liner bestimmten Zeit ( - sec) mit thermischer Geschwindigkeit ,,ab- dampfen" (LANGMUIR und KNU DSEN). Wir betrachten jedoch, wobei wir die spezifische Art des Experimentes und die Schwierigkeit einer eindeutigen Beant- wortung der Frage nach dem Charakter des StoSes beriicksichtigen, den un- gunstigsten Fall, in dem alle Molekiile, die mit dem Satelliten zusammenstoIjen, elastisch reflektiert werden.

Es sei N o die Konzentration der Molekiile im umgebenden Medium, so die Ober- flache des Satelliten, die durch die Molekiile bombardiert wird, vo die Geschwin- digkeit des Satelliten. In drr Zeit A T erteilt der Satellit A N Molekiilen eine intensive Bewegung 1

Tnfolge der ungeordneten Bewegung der Molekiile und der ungleichmal3ig reflek- tierenden Oberflache werden die reflektierten Molekiile in die vordere Hdf te ciner Kugel abgelenkt, deren Mittelpunkt durch den Ort des StoBes gegeben istl). Sie durchlaufen ungehindert eine Strecke von der GroIje der freien Weg- lange L der Molekiile, die der gegebenen Hohe zugeordnet ist; sie stoSen zum crstenmal auf einer halbkugelformigen Flache mit dem Radius A mit Molekiilen aus der Umgebung zusammen.

In der Zeit A T legt der Satellit die Entfernung A A zuriick, und folglich ereig- lien sich StoIje der ,,schnellen" mit ,,langsamen" Molekiilen aus der Umgebung in einer durch die Radien L und L + AL begrenzten Xugelschale. Das Volumen dieser Schale ist

AN = N,s,v,AT. (1)

V = 2 n L 2 . A A + A * A L 2 + - - A;3) . i Setzt man hier AA = 1 und beriicksichtigt, daIj A von der GroBenordnung lo4 ist, so kann man ohne grol3en Fehler alle Glieder in der Klammer auBer dem ersten, vernachlassigen. Damit wird

v = 2nA2. (2) Die Zahl 17 der ZusammenstoBe pro Volumeneinheit in der Zeit A T folgt aus (1) und ( 2 ) : A N Nos,voAT -

q = - - - - 2nA2 a

(31

l) Dies wird durch die Breite der ,,primiiren" Meteorspuren bestiitigt, die stets gut mit der GroBe der freien Wegliinge der Molekiile in der gegebenen HGhe ubereinstimmt..

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Aber nicht alle ZusammenstoBe fiihren zur Ionisation. Um die Zahl q* der ele- mentaren Ionisationsakte im untersuchten Einheitsvolumen zu erhalten, ist es daher erforderlich, in (3) einen Ionisationskoeffizienten a einzufiihren :

Um zu berechnen, welcher Anteil dieser zusatzlich gebildeten Ionen mit dem Satelliten zusammentrifft, wenden wir uns dem Bild 1 zu. I n dieser Abbildung ist der Mittelpunkt 0 der Kugel der Ort des ,,AusgangsstoBes". Von hier fiiegen die Molekiile mit der Geschwindigkeit 2v0 auseinander in die vordere Halb- sphare BB mit dem Radius R = A. Wahrend dieser Zeit legt der Satellit den Weg 112 zuriick (da seine Geschwindigkeit halb so groB wie die der schnellen Molekiile ist). Er befindet sich dann im Punkte A . Beriicksichtigt man, daB die entstandenen Ionen thermische Geschwindigkeiten besitzen, und daB die Ge- schwindigkeit des Satelliten um eine GroBenordnung hijher ist, so ist leicht zu sehen (Bild l), daI3 bei hinreichend grol3em 1 nur ein unwesentlicher Ted der durch den Satelliten erzeugten Ionen wieder rnit ihm zusammentrifft. Tatsach-

B Bild 1. Zur Wechselwirkung des Satelliten rnit den Luft- molekiilen in den oberen

Atmosphiireschichten.

lich erfolgt wegen der genannten Differenz der Ge- schwindigkeiten der erste StoB des Satelliten mit diesen Ionen im Abstand 1/22 vom Punkt D.

I n hinreichender Naherung 1aBt sich zeigen, da13 in diesem Pall Ionen nur von dem Ted der Oberflache B B auf den Satelliten auftreffen konnen, der durcli einen Kreis vom Radius 2/20 begrenzt ist. Auf diesem Ausschnitt der Flache BB befinden sich N* neu ent- standene Ionen und es ist

s1 wo

Setzt man die Ausdriicke fiir q* und s1 ein, so erhalt man

a No sovo A T N * = 8 * 102 *

Die Ionen N * , wie ubrigens auch alle anderen, bewegen sich in beliebigen Rich- tungen, und nur ein kleiner Teil von ihnen t r 8 t auf die OberflLche des Satelliten. Zur Vereinfachung der uberlegungen kann man so rechnen, als wiirden alle N * Ionen im Zentrum einer kleinen Kugel rnit dem Mittelpunkt in D konzentriert sein und, sich von dort nach allen Richtungen ausbreitend, den Satelliten ,,be- strahlen", der sich im Abstand eines ,,Primlir"-StoBes, d. h. im Abstand 2/22, von D befindet. In dieser Entfernung von D wird die Dichte 7;" der entstandenen Ionen

N * s2

$=-, (6 ) wo

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Setzt man die Ausdriicke fur N * und s2 in (6) ein, so ergibt sich

Es bleibt nur noch iibrig, in (7) die Zahlenwerte einzusetzen. Nach HERLOFSON ist fiir Meteore 01 x und N , x 1O1O fur eine Hohe von 250 km; rechnet man mit einem kugelformigen Satelliten von etwa 25 cm Radius, so wird so = s/2 = 4 - 104cm2. Die Geschwindigkeit des Satelliten ist v0 = 8 . 105cm/s und 1 = 104cm. Die Zeitspanne A T wahlen wir so, daB der Satellit in dieser Zeit 1 cm zuriicklegt, d. h., daB AT = 1/8 a sec ist. Dann ist

5.10-4 . 1010. 4 . l o 4 - 8 . 1 0 5 . - . 10-5 x 20 Ionen/cm3.

8 32 . 3,14. los 71: =

In dieser Weise entsteht infolge der Bewegung des Satelliten in der Nahe seiner Oberflache ein Beitrag kiinstlich erzeugter Ionen, deren Konzentration BOIonenl em3 betragt und klein im Vergleich zur Konzentration lo5- lo6 Ionenlcm3 der auf natiirliche Art erzeugten Ionen ist. Das liegt daran, dalj der Satellit gleichsam einen Tunnel durchdringt, dessen ,,Ionenw&nde" durch den Satelliten selbst ge- bildet werden. Dank der enorm groljen Geschwindigkeit des Satelliten und der groBen freien Weglange der Molekiile sind die neugebildeten Ionen in der groBen MehrzahI nicht in der Lage, den Satelliten wieder zu erreichen, und von diesem Gesichtspunkt aus bewegt sich der Satellit wie in einem ungestorten Medium.

Aus den oben dargelegten Rechnungen geht hervor, daB bei allen Arbeiten mit dem Satelliten die durch ihn bewirkte kiinstliche Ionisation des umgebenden Raumes vernachlassigt werden kann. Diese SchluBfolgerung gilt auch fur alle anderen Prozesse, die von Molekiilen bewirkt werden, die mit hohen Energien vom Satelliten abprallen (z. B. thermochemische Reaktionen und dgl.).

Eine zweite mesentliche Erscheinung, die durch die grolje Geschwindigkeit des kiinstlichen Satelliten hervorgerufen wird, besteht in der Anwesenheit eines hinter ihm auftretenden Hochvakuums. Dieses Vakuum entsteht dadurch, dalj die Geschwindigkeit des Satelliten um eine GroBenordnung die gaskinetische Geschwindigkeit der Molekiile iibertrifft. Bei seinem Flug schlagt der Satellit einen Tunnel in die Atmosphare, den die ihn umgebenden Molekule nicht sofort wieder ausfiillen konnen. Infolgedessen erzeugt der Satellit einen nach hinten gerichteten Kegel, in den nur Elektronen und eine kleinere Anzahl sehr schneller Molekiile eindringen konnen, die in einem Gas stets vorhanden sind. Eine Mes- sung der Ionenzusammensetzung der Ionosphare im Bereich dieses Kegels ist erfolglos, da die in den Kegel gerichteten MeBgerate wegen ungenugender Ionendichte versagen wiirden. Wenn die Satellitenachse im Raum nicht orien- tiert ist, so mulj man damit rechnen, dalj zeitweise die gesamte Apparatur in diesen ,,toten" Raum gerichtet ist und die Anzeigen gleich Null werden. Hieraus folgt aber nicht, da13 in der ungestorten Ionosphare die Ionisation fehlen wiirde. Bei einem orientierten Satelliten entfallt diese Gefahr und die genannten Mes- sungen konnen mit bedeutend groBerer Sicherheit durchgefiihrt werden.

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4. Die MeSgerate fur das direktc Studinm der Ionenzusammensetzung der oberen Atmosphare

Wahrend die Analysc der Gaszusammensetzung der Atmosphare auf mehrere unterschiedliche Arten durchgefiihrt werden kann, ist ein direktes Studium der Ionenzusammensetzung der oberen Atmosphare offenbar einzig und allein mit Hilfe einer massenspektroskopisehcn Methode moglich. Stellt man mit dem in der Ionosphare fliegenden Satelliten oder der Rakete, die jeweils einen Massenspek- trographen tragen, die Verbindung her und iibermittelt die Angaben durch Funk zur Erde, so kann man erwarten, iiber die Massenzusammensetzung der ionisierten Schichten Aufsehliisse zu erhalten.

Wie alle MeBgerate, die in Raketen oder in einen Satelliten eingebaut werden, muB der Massenspektrograph automatisch und moglichst tragheitsfrei arbeiten. AuBerdem muB an die Konstruktion von Geriiten dieser Art noch eine ganze Reihe spezifischer Anforderungen gestellt werden, und zwar : mechanische Halt- barkeit, uberlastungs- und Schwingungsfestigkeit, die Fahigkeit, kurzzeitige bedeutende Temperaturerhohungen auszuhdten, die Fahiglreit, bei hohcm Va- h u m zu arbeiten usw.

Die weit verbreitcten ,,magnetischen" Massenspektrographen - Gerate, in tlenen zur Massenaufspaltung der zu untersuchenden Probe sowohl das elek- trische als auch das Magnetfeld ausgenutzt werden - erscheinen fiir diesen Zweck wenig geeignet. Trotz aller Qualitaten der modernen magnetischen Massen- spektrographen (hohes Auflosungsvermogen, groBe Empfindlichkeit und relativ grol3e Genauigkeit der Spektralanalyse) besitzen sie eine Reihe von Mangeln, die ihren Gebrauch bei dieser Art von Experimenten auBerst erschweren. Der Analysator des magnetischen Massenspektrographen stellt ein ionenoptisches System dar, dessen unentbehrliche Elemente erstens der Magnet und zweitens eine Reihe von Blenden und Diaphragmen sind, die zur Bildung und Ausblen- dung des Ionenstrahles im Gerat diencn. Diese Umstande fiihren dam, daB Aus- maBe und Gewicht solcher Gerate erheblich werden und daB sie sorgfaltiger Justierung und Abstimmung bediirfen. Als weitere Schwierigkeit kommt der sehr geringe Ionenstrom hinzu, der im Auffanger des magnetischen Massen- spektrographen erhalten wird. Die Verstarkung der geringen Gleichstrome ist mit erheblichen experimentellen Schwierigkeiten verbunden, von denen eine die groI3e Zeitkonstante der gesamten Einrichtung darstellt, die ihrerseits der Abtastgeschwindigkeit des Massenspektrums eine Beschrankung auferlegt. An Hand der aufgezahlten Griinde kann man leicht verstehen, daB bis jetzt noch kein einziger erfolgreicher Aufstieg eines magnetischen Massenspektrographen mit einer Rakete bckannt geworden ist.

AuBer den magnetischen gibt es noch andere Arten von Massenspektrographen, die ohne Magnetfeld in dem die Ionen trennenden Teil (Analysator) auskommen. Eines dieser Gerate ist ein Hochfrequenz-Massenspektrograph, in dessen Analy- sator axiale elektrische Felder [ l ] benutzt werden, und eine seiner Abarten ist der Hochfrequenz-Massenspektrograph von BENNET [Z]. Dieses Gerat besitzt ein geniigendes Auflosungsvermogen, es kann zehnmal leichter als ein magneti- scher Massenspektrograph gebaut werden, es arbeitet schneller und gibt am Auffanger einen um 2-4 Ordnungen groljeren Strom [5]. Die Besonderheit des letztgenannten Gerates besteht darin, dalj es zu seiner Justierung und wahrend

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des Betriebes keinerlei mechanischer Regulierung bedarf. Ein Mange1 des Hoch- frequenzgerates besteht in seinem (verglichen mit dem magnetischen Massen- spektrographen) geringen Auflosungsvermogen. Fiir die Losung einer Reihe geophysikalischer Aufgaben, die weiter oben genannt wurden, reicht dieses Auf- losungsvermogen jedoch vollkommen am. Im Zusammenhang damit ist es wich- tig, die grundlegenden Eigenschaften des Hochfrequenz-Massenspektrographen hinsichtlich seiner Verwendungsfahigkeit in einem kiinstlichen Erdsatelliten ausfuhrlich zu erortern.

5. Der Hochfrcquenz-Massenspektrograph nach BENNET

Das Prinzip des Hochfrequenz-Massenspektrographen nach BENNET ist die Trennung der Ionen nach Geschwindigkeiten. Grundlegendcr Bestandteil des Gerates ist die Massenspektrographenrohre, ein Vakuumrohr besonderer Kon- struktion rnit einer groBeren Anzahl planparalleler Gitter.

Wir betrachten ein vereinfachtes Schema der Massenspektrographenrohre (Bild 2 ) . An das System, das aus drei parallelen, voneinander gleich weit ent- fcrnten Gittern besteht, wird eine negative,

gelegt. AuBerdem erhalt das mittlere Gitter sagezahnformige, beschleunigende Spannung B

eine hochfrequente Wechselspannung U = U, u=uo fsiflwt+e/ 6

sin(wt i. O ) , deren Amplitude klein gegen die Beschleunigungsspannung ist (U, < V ) .

Ein Ion, das dieses Gittersystem mit einer I 1 I

gewissen Geschwindigkeit durchfliegt, die von seiner Masse und der Gro5e der Beschleuni- gungsspannung im gegebenen Moment abhangt, gewinnt oder verliert eine gewisse Energie- menge, wahrend seine Geschwindigkeit in erster Niiherung ungeandert bleibt. Man kann zeigen

Energie aus dem Hochfrequenzfeld dieses Bild 2. Vereinfachtes Schema cines Dreigittersystems aufnimmt, das bei einer be- stimmten Phasenlage der Hochfrequenzspan- graphen. iiung in das System eintritt und es mit einer be- stimmten Geschwindigkeit vo durchquert. Diese optimale Geschwindigkeit wird der Reihe nach infolge des sagezahnformigenverlaufes der Beschleunigungsspan- nung den Ionen aller Massen in einem gewissen Bereich der Massenzahlen mitgeteilt.

Wenn nun in die Ionenstrecke ein viertes Gitter eingebaut ist, an das eine passende positive Bremsspannung gelegt wird, so lassen sich alle Ionen au5er jenen abfangen, die die maximale Energie aus dem Hochfrequenzfeld aufgenom- men haben, also gerade die, die das System mit der optimalen Geschwindigkeit durchlaufen haben.

Da die Geschwindigkeit eines Ions von seiner Masse und von der Beschleuni- gungsspannung abhiingt und da gleichzeitig die Werte der optimalen Ge- schwindigkeit fur das gegebene Gittersystem und die Gro5e der Beschleunigungs- spannung bekannt sind, la& sich die Masse der Ionen bestimmen, die den Poten-

I

[ 2 ] , daB nur ein solches Ion ein Maximum an -

Hochfrequenz-Massenspektro-

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tialberg des vierten Gitters iiberwinden und auf den Auffanger auftreffen konn- ten. Der Ionenstrom des Auffangers kann verstiirkt und von einem Registrier- gerat aufgezeichnet werden. Diese Kurve hat eine Reihe von Ionenstromspitzen, wobei jeder dieser Spitzen Ionen bestimmter Masse entsprechen.

Die Ionenmasse hangt in folgender Weise mit der beschleunigenden Kipp- spannung zusammen :

0,266 (8) v , &f =--.

SZf

wobei M die Massenzahl des Ions, V die GroRe der beschleunigenden Kippspan- nung in Volt, s der Abstand zwischen den Gittern in cm und f die Frequenz in MHz sind.

Praktisch arbeitet das beschriebene System unbefriedigend, daher stellt der Ionenanalysator im Hochfrequenz-Massenspektrographen nach BEKNET ein System aus drei Dreigittersystemen dar, die durch Driftraume getrennt sind. Diese Driftraume werden so groR gewahlt, daB die von einem Ion benotigte Flugzeit bei der optimalen (synchronen) Geschwindigkeit vo teilbar durch die

HFDrossel K/PP- - genera for

Bild 3. Schaltbild eines 7 -5 periodigen Hochfrequenz-Massenspektrographen

Periode der Hochfrequenzspannung ist. Dies ist erforderlieh, damit ein Ion, das das erste System bei optimaler Eingangsphase der Hochfrequenzspannung ein- getreten ist, in diesem und in den beiden iibrigen Systemen in Phase bleibt. Die GroRe des Driftraumes wird gewohnlich durch die Periodenzahl der Hochfre- quenzspannung (Zahl der Umlaufe), ausgedriickt, die der Flugzeit eines Ions durch den Driftraum entspricht.

Die Varianten der Analysatoren von Massenspektrographen dieser Art konnen verschiedene Periodenzahlen erhalten. So gibt es z. B. 9-7periodige, 5-9 perio- dige u n d 7 -5periodige Ausfiihrungen. Nach den vorliegenden Veroffentlichun- gen ist eine der besten Rohren bezuglich des Auflosungsvermogens eine Rohre in der 7 -5periodigen Ausfuhrung.

Ein vollstandiges Schaltschema der 7 -5periodigen Massenspektrographen- rohre ist in Bild 3 wiedergegpben. Die nus der gliihenden Kathode emittierten

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Elektronen werden vom Gitter 1 beschleunigt, fliegen in den Raum zwischen den Gittern 1 und 2 und ionisieren das in der Rohre befindliche Gas. Die entstandenen Ionen werden aus dem Ionisationsraum herausgesogen und durch das negative Potential der Gitter 3 und 4 und durch die Kippspannung der Gitter 5-13 des Analysators fortgesetzt beschleunigt. Zwischen die Driftraume A und B ist eine Potentialdifferenz gelegt, die so gewahlt wird, daB eine Geschwindigkeitserhohung tier Ionen, die in der zweiten Stufe des Analysators entsteht, kompensiert wird. Hinter dem Analysator befindet sich eine Gruppe von Gittern 14, 15 und 16, die eine positive Bremsspannung erhalten. Das folgende Gitter 17 mit hohem negativen Potential ist zur Unterdriickung von Sekundarelektronen erforderlich, die aus den Gittern der Rohre oder aus dem Auffanger herausgeschlagen werden konnten.

Charak te r i s t i s che E igenscha f t en des Gera t e s u n d se in Anwendungsgebie t

Der Hochfrequenzspektrograph kann zur Analyse sowohl neutraler als auch ionisierter Gase der Erdatmosphare, benutzt werden. Bei Benutzung des Gerates zur Ionenanalyse der Atmosphare ist keine Ionenquelle notig, da ihre Funktion von der Ionosphare selbst ubernommen wird.

Der Hochfrequenz-Massenspektrograph mit 7 -5periodiger Rohre hat eine Massenauflosung von 20 -25. Wir erinnern daran, daB das Auf losungsvermogen eines Massenspektrographen durch das Verhaltnis R = M / A H ausgedriickt werden kann, wo M die Massenzahl ist, der ein bestimmtes Maximum des Ionen- stromes entspricht, und A M dessen Breite in Einheiten der auf einem bestimm- ten Niveau (auf der halben Hohe des Maximums, auf der Grundlinie oder dgl.) gemessenen Massenzahlen ausdriickt. Im vorliegenden Fall ist das Auflosungs- vermogen des Gerates durch die Basis des Strommaximums bestimmt, und ein Auflosungsvermogen von 25 bedeutet, daB das Gerat z. B. Massen von 24 und 25 atomaren Masseneinheiten vollstandig trennt l).

Das Massenintervall, in dem das Gerat arbeitet, hangt, wie aus der Beziehung (8) hervorgeht, von den geometrischen Abmessungen des Analysators (Ent- f'ernung zwischen den Gittern der Dreigittersysteme), von der Arbeitsfrequenz und dem Anderungsbereich der Beschleunigungsspannung ab. So erfaBte z. B. tlas von TOWNSEND [3 ] beschriebene Gerat den Bereich von 5-48 atomaren Masseneinheiten.

Eine wichtige Eigenschaft des Gerates ist die Zeit, in der das Massenspektrum erhalten werden kann. Bei einem Hochfrequenzgerat betragt diese Zeit ungefahr 1 sec; sie kann notfalls leicht noch verkiirzt werden. Diese Eigenschaft des Ge- rates ist sehr wesentlich, wenn man an seine Verwendung in schnell fliegenden Objekten, Raketen oder kunstlichen Satelliten denkt.

Das Hohenintervall, in dem das Gerat arbeitet, hangt einerseits von den geo- metrischen Abmessungen des Rohres ab (die freie Weglange mu13 groBer oder gleich der LLnge des Hochfrequenzanalysators sein), andererseits von der Dichte tler Ionen, die in den Analysator gelangen. Aus dem Gesagten geht hervor, daB

1) Es muD bemerkt werden, dal3 rlieser Wert nur bei Benutzung des Geriites fiir die Analyse neutraler Gase gilt. Das Auflosungsvermogen eines Ionen-Massenspektrographen kann infolge von Ursachen, uber die weiter unten gesprochen wird, sehr von diesem Wert abweichen.

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der Hohenbereich uber der Erdoberflache fiir den Ionen-Massenspektrographen wie folgt begrenzt ist: von unten her durch eine Hohe der GroBenordnung 100 km (hier erreicht die freie Weglange der Molekiile die GroSenordnung 10 cm), und von oben her durch diejenige Hohe, bei der die natiirliche Ionen- dichte noch groS genug fiir eine normale Funktion des Gerates ist.

Eine elementare Rechnung zeigt, daB bei Konzentrationen der positiven Ionen von der Ordnung 105cm-3 der Ionenstrom des Auffangers Ampere erreichen kannl). Offenbar ist das Gerat auch noch bei kleineren Konzentrationen bis zu l O 3 ~ m - ~ verwendbar. Bekanntlich wird die Konzentration der geladenen Teilchen in der E- und F-Schicht auf groBenordnungsmaBig lo4- 10scm-3 ge- schatzt,. Damit sind die beiden Schichten, deren Hohe uber der Erdoberflache etwa 200 und 400 km betragt, den erwahnten Untersuchungen vollkommen zu- ganglich. Zur Zeit kann man die groBte Hohe, bis zu der der Ionen-Massen- spektrograph benutzt werden kann, noch nicht genau angeben, da vorlaufig nicht bekannt ist, in welcher Hohe die Ionenkonzentration kleiner als l O 3 ~ m - ~ wird .

I n den Jahren 1954-1955 wurden die ersten Aufstiege von Raketen mit Hochfrequenz-Massenspektrographen mit dem Ziel einer Analyse der Ionenzu- sammensetzung der oberen Atmosphare durchgefiihrt [4 , 5, 61. Durch diese Arbeiten konnten einige Daten uber das Massenspektrum der positiven und nega- tiven Ionen in Hohen bis zu 219 km gewonnen werden. Wir wollen die erhaltenen Ergebnisse hier nicht im einzelnen untersuchen und nur darauf hinweisen, daB sie einstweilen in hohem MaBe liickenhaft, unklar und sogar widerspruchsvoll erscheinen. Man kann wohl ohne Ubertreibung sagen, daB einstweilen alle Auf- stiege von Ionen-Hochfrequenz-Massenspektrographen experimentell-metho- dischen Charakter besitzen.

6. Einige spezielle Fragen der experimentellen Durchfiihrung

Soweit man nach dem veroffentlichten Material beurteilen kann, hat sich schon jetzt eine ernsthafte experimentelle Schwierigkeit herausgestellt, die die Be- nutzung des Hochfrequenz-Massenspektrographen nach BENNETT bei Experi- menten zur Bestimmung der Ionenzusammensetzung der oberen Atmosphare kompliziert. Es handelt sich um den EinfluD der Eigenladung, mit der sich die Rakete in der Ionosphare aufladt. Wenn sich die Rakete (oder der Satellit), in die ein Hochfrequenz-Massenspektrograph eingebaut ist, negativ aufladt, so hat das eine Anderung der Arbeitsweise des Geriites zur Folge. Erstens addiert sich diese negative Spannung ganz oder teilweise zu der negativen sagezahn- formigen Beschleunigungsspannung V (Gleichung (8)), wodurch sich die Massen- skala des Gerates nach der Seite der leichteren Massen hin verschiebt. Jedes einzelne Ion bestimmter Masse, das in den Analysator gelangt, ist diesem Zu- satz mehr oder minder ausgesetzt; inwieweit dies der Fall ist, hangt von der Feldverteilung rings um den Satelliten ab, sowie von der Entfernung, in der das Ion erzeugt wurde bzw. seinen letzten StoB erlitt. Als Folge davon tritt eine er- hohte ,,Geschwindigkeits"-Streuung der Ionen, die in den Analysator eintreten,

l) GrBBenordnung des Stroms. Er wurde beim Aufstieg eines Massenspektrographen rnit einer Rakete gefunden [4].

Untersuchung der Ioneneusammensetzung ionisierter Schichten der Atinosphiire 27 1

auf, und folglich auch eine Verschlechterung des Auflosungsvermogens des Gerates (Verbreiterung der Maxima des Massenspektrums). Zweitens subtrahiert sich die negative Spannung (ganz oder teilweise, je nach der Ursache) von der Bremsspannung der Massenspektrographenrohre und setzt dadurch das wirk- same Bremspotential herab. Dann konnen ,,falsche" (sogenannte harmonische) Maxima im Massenspektrogramm auftreten, wodurch die Auswertung erschwert oder gar unmoglich gemacht wird. Da die Ursache fur die Erscheinung der nega- tiven Ladung zur Zeit noch unklar ist und auf diesem Gebiet auch fast kein experimentelles Material vorliegt, ist eine Berechnung des Einflusses dieses Faktors schwierig 1).

Unter Berucksichtigung der positiven Ergebnisse, die mit einem Hochfre- quenz-Massenspektrographen in einer Rakete zu erzielen sind,ist leicht zu sehen, wie zweckmaBig der Einbau eines Gerates dieser Art in einen kunstlichen Erd- satelliten ist. Mit einem in einen Satelliten eingebauten Massenspektrographen kann man tatsachlich, wie schon erwahnt, ausfuhrliche Angaben iiber die Zu- sammensetzung der Ionosphare in verschiedenen Hohen (den Flughohen des Satelliten), zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten an verschiedenen Punkten uber der Erdoberflache gewinnen. Insbesondere kijnnen bei geeigneter Wahl der Bahn Daten iiber die schwer zuganglichen Polargebiete der Erdkugel erhalten werden. Hinsichtlich der Mengeder erhaltenen Informationen mu6 ein gelungener AbschuB eines Satelliten hunderten von Raketenexperimenten gleichwertig sein.

Man mu0 sich indessen dariiber klar sein, daB die experimentellen Schwierig- keiten, die mit der Benutzung eines Hochfrequenz-Massenspektrographen in einer Rakete verbunden sind, beim Einbau des Gerates in einen Satelliten um vieles wachsen. Zum Beispiel erschweren die durch die Eigenladung des Satel- liten hervorgerufenen Storungen der normalen Tatigkeit des Gerates in weit hoherem Grade Gewinnung und Auswertung von experimentellen Daten, da sich ja die Ladung in Abhangigkeit von der Flughohe des Satelliten, seinen geographi- schen Koordinaten und der Tageszeit andert. Insbesondere mu13 das in den Satelliten eingebaute Gerat offenbar unbedingt eine automatische Regelung der Bremsspannung zur Kompensation der Aufladung des Satelliten erhalten.

Eine spezifische Schwierigkeit, die die Durchfuhrung einiger Experimente mit einem Satelliten erschwert, ist seine groBe Bahngeschwindigkeit. Im Zusammen - hang damit sind schon einige damit verbundene Schwierigkeiten erliiutert worden. Wir gehen jetzt auf den unmittelbaren EinfluB der Geschwindigkeit des Satelliten auf die Funktion des beschriebenen Hochfrequenz-Massenspektro- graphen ein. Wir betrachten drei verschiedene Orientierungen des Eingangs- spaltes der Massenspektrographenrohre relativ zum Geschwindigkeitsvektor des Satelliten.

a ) Der E i n g a n g s s p a l t ist n a c h h i n t e n ge r i ch te t . Wie oben gezeigt wurde, bildet sich hinter dem Satelliten ein kegelformiger ,,Molekulschatten"

Als radikale Losung konnte eine mit dem Massenspektrographen verbundene Adage erscheinen, die die Eigenladung des Satelliten miBt und entsprechend der h d e r u n g der Ladung die Bremsspannung des Massenspektrographen iindert. Jedoch wird die erst- genannte Schwierigkeit, die Verschlechterung des Auflosungsvermogens des Geriites, da- durch nicht beseitigt.

272 B. A. MI.RTOV und V. G. ISTOMIN

aus. Auf den Analysator trifft nur eine sehr kleine Anzahl schneller Ionen, die zu einem normalen Betrieb des Geriites nicht ausreichen.

b) Der E i n g a n g s s p a l t i s t n a c h vo rne gc r i ch te t . In diesem Falle ist der in Richtung der Rohrenachse gelegenen thermischen Geschwindigkeits- komponente der Ionen die Geschwindigkeit v = 8 * 105cmjsec uberlagert. Diese Geschwindigkeit ruft keine zusiitzliche Streuung der thermischen Geschwindig- keit der Ionen hervor und verschlechtert die Massenauflosung nicht. Sie fuhrt lediglich auf der Massenskala zu einer gewissen Verschiebung der Maxima des Ionenstromes im GerBt nach der Seite kleinerer Massenzahlen. Diese Verschie- bung entsteht dadurch, da13 der Hochfrequenz-Massenanalysator seinem Wesen nach a19 Geschwindigkeitsfilter arbeitet, das zum Auffiinger nur Ionen hindurch- lafit, die den Analysator mit einer bestimmten (der synchronen) Geschwindig- keit passiert haben. Die sagezahnformige Spannung erteilt diese synchrone Ge- schwindigkeit der Reihe nach allen Ionen, deren Masse in den Arbeitsbereich des Gerates fallt. Wenn die Ionen bis zum Eintritt in den Analysator bereits eine geordnete Geschwindigkeitskomponente in Richtung der Rohrenachse be- sitzen, so wird die synchrone Geschwindigkeit fur alle Massen bei kleinerer Elektrodenspannung erreicht und folglich erscheinen die entsprechenden Maxima des Ionenstromes in Richtung leichterer Massen verschoben.

Die Verschiebung ist fur Ionen verschiedener Massen verschieden. Wir ver- suchen sie abzuschltzen. Die Zusatzgeschwindigkeit v = 8 lo5 cmlsec ist aqui- valent einer Anderung der beschleunigenden Kippspannung des Hochfrequenz- analysators urn den Betrag

wobei M die Ionenmasse, q = 4,8 - 10-1O CGSE die Ladung des Ions und v = 8,5 - 1O5cm/sec die Zusatzgeschwindigkeit sind. Fur einfach geladene Was- serstoffmolekulionen ( M = 2 ) erhalt man V L ~ ~ = O , G 8 V. Fur Argonionen

Der von TOWNSEN D [3] beschriebene Hochfrequenz-Massenspektrograph er- gab konstant ungefahr 5 Viatom. Masseneinh. In diesem Falle mii13ten infolge- dessen die Spitzen des Ionenstromes fur Wasserstoff um 0,136 atom. Massen- einh. und fiir Argon um 2,72 atom. Masseneinh. verschoben erscheinen. (Die relative Verminderung der Massenzahl ist G,8 yo.) Wenn also der Eingangsspalt des Massenspektrographen in die Plugrichtung des Satelliten weist, tindert sich die Konstante des Geriites um einen betrachtlichen Wert, der bei der Auswer- tung der Spektren beriicksichtigt werden muB.

c) Der E i n g a n g s s p a l t d e s K o c h f r e q u e nz - Mas s e n s p e k t r ogr a p h e n weis t i n e ine z u r F l u g r i c h t u n g d e s S a t e l l i t e n s e n k r e c h t e R ich tung . I n diesem Falle andert sich weder die Auflosung des Geriites noch seine Massen- skala. Es kann lediglich eine scheinbare Verkleinerung des relativen Gehaltes an schweren Ionen auftreten, die infolge einer ungleichmal3igen Ausblendung des Ionenbundels durch die Riiige der Eingangsgitter im vorderen Teil der Rohre (bis zum Hochfreyuenzanalysator) entsteht. Eine Abschatzung dieses Effektes ist nur moglich, wenn eine konkrete Konstruktion der Massenspektro- graphenrohre in Betracht gezogen wird und cine bestimmte Spannung der Ein-

( M = 40) F'L~,, = 13,6 V.

Untersuchung der Ionenzusaminensetzung ionisibrter Schichten der Atinosphlre 273

gangsgitter und des Korpers des Satelliten vorgegeben ist. Im Analysator seIbst ruft eine senkrecht zur Rohrenachse gerichtete Geschwindigkeitskomponente der Ionen diesen Effekt nicht hervor, da dort alle Ionen, die den Auffiinger er- reichen, sich mit Geschwindigkeiten bewegen, die nicht von ihrer Masse ab- hangen.

Aus dem Gesagten folgt, daB beim Einbau des Massenspektrographen in einen riiumlich orientierten Satelliten c) als bester, b) als noch annehmbarer, jedoch a) als vollkommen unzulassiger Weg erscheint. Bei nichtorientierten Satelliten mu0 man in jedem Zeitpunkt die Richtung des Eingangsspaltes des Massenspektrographen kennen und sie bei der Auswertung der erhaltenen Spek- tren beriicksichtigen.

Schwie r igke i t en t echn i sche r A r t

Wahrend die betrachteten Schwierigkeiten prinzipieller Art sind, bestehen beim Einbau des Massenspektrographen in einen Satelliten eine Reihe von Schwierigkeiten konstruktiver und technischer Art. Vor allen Dingen mu13 darauf hingewiesen werden, daB GroBe und Gewicht eines Hochfrequenz-Massenspektro- graphen noch zu hoch sind. So wog z. B. das Gerat von TOWNSEND [3] ein- schlieBlich der Stromversorgungsanlage fur wenige Minuten Betrieb (vertikaler Betrieb) 20 kg und nahm einen Raum von ungefahr 13 Litern ein.

Eine andere ernsthafte Einschrankung bei der Anwendung eines Massen- spektrographen in einem Satelliten hangt offenbar mit dem Aufnahmevermogen der Speichereinrichtung des RadiotelemeBsystems zusammen. Fur die Ober- mittlung eines Massenspektrums mit einigen 10 Ionenstrommaxima, sind Radio- telemeB-Kanale hoher Auflosung zu fordern. So wurden z. B. bei einem der Experimente rnit einem Hochfrequenz-Massenspektrographen [S] zur Ober- mittlung des Massenspektrums 3 Kanale mit etwa 300. Informationen in der Sekunde und ein Kana1 mit 1200 Informationen/sec benutzt. Die fur eine un- mittelbare obertragung von der Rakete aus gegenwartig zur Verfiigung stehen- den RadiotelemeBsysteme genugen den notigen Anspriichen beziiglich des zu ubermittelnden Informationsinhalts. Die Aufgabe jedoch, eine hinreichend auf- nahmefahige Speichereinrichtung zur Sammlung von Informationen wahrend des Fluges eines Satelliten zwischen zwei Empfangsstationen zu schaffen und diese Informationen in einer kurzen Zeitspanne zu ubermitteln, stellt offenbar eine erhebliche Schwierigkeit dar.

LITERATUR

[I] P. A. REDHEAD, Canad. J. Phys. 30, No. 2 (1952). [Z] W. H. BENNETT, J. appl Phys. 21, No. 2 (1950). [3] J. W. TOWNSEND, Rev. sci. Instrum. 23, No. 10 (1952). [4] C. Y. JOHNSON u. E. B. MEADOWS, J. geophys. Res. 60, 193 (1955). [S] C. Y. JOHNSON u. J. P. HEPPNER, J. geophys. Res. 60, 533 (1955). [S] E. B. MEADOWS, J. W. TOWNSEND, J. geophys. Res. 61, 576 (1956).

18 Kiinstliche Erdsatelliten


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