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2. November 2014 ISSN 1436-607X

Magazin der Evangelisch-methodistischen KircheMagazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

Als die Mauer � el:Sonderausgabe zum 9. November 2014

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Plauen: Der Anfang vom Ende Geboren 1989: Was 25-Jährige denken

Gedenken: Gottesdienste, Lesungen, Konzerte

Vor 25 Jahren wurde in vielen Orten der damaligen DDR Ge-schichte geschrieben: Menschen gingen auf die Straße und protestierten gegen ein Regime, dessen Ungerechtigkeit immer mehr sichtbar wurde. Am Ende � el die Berliner Mauer – und damit die DDR. Ihren Anfang nahmen die Proteste in den Friedensgebeten, die seit 1980 in Leipzig, später auch in anderen Städten stattfanden. Die »Friedliche Revolu-tion« des Jahres 1989 begann am 5. Oktober in Plauen mit Friedensgebeten, an die sich am 7. Oktober die erste inof� -

zielle Massendemonstration innerhalb der DDR anschloss. Als dann am 9. Oktober in Leipzig zwischen 70.000 und 100.000 Menschen friedlich gegen die Machthaber demons-trierten, war die Geschichte nicht mehr aufzuhalten. Bei alledem haben auch Gemeinden und Einzelne aus der EmK eine große Rolle gespielt. Diesen mutigen Menschen sind die folgenden Seiten gewidmet, auf denen wir noch-mals an die Ereignisse vor 25 Jahren erinnern.Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Volker Kiemle

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SPEZIAL 2SPEZIAL 2 ::: 25 Jahre Friedliche Revolution

Die Kirchen der Stadt, darunter auch die EmK-Erlöserkirche, hatten damals schon länger die Türen für regelmäßige Friedensgebete am

Sonnabend geöffnet und den Menschen Raum und Stimme gegeben. »An jenem Sonnabend gingen wir das erste Mal auf die Straße«, erinnert sich Klaus Stra-ka an diesen Tag. Der heute im Ruhestand in Halle (Saale) lebende Pastor, war damals neu in Plauen. »Wir waren Mitte September nach Plauen gezogen«, erzählt er. Dass kurze Zeit später Geschichte geschrieben wür-de, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Der »9. Oktober« mit der Montagsdemonstration in Leipzig sei zwar in die deutsche Geschichte eingegan-gen, aber als Ausgangspunkt der Friedlichen Revoluti-on müsse eigentlich die Demonstration in Plauen gel-ten, die dort zwei Tage zuvor stattfand.

Das betont auch der amerikanische Historiker John Connelly, der »Plauen als die erste ostdeutsche Stadt, die einen geeinten Willen zur Wende ausdrückte« be-schreibt. Die friedliche demonstrierende Menge mit über 15.000 Menschen sei das »Signal für Leipzig« ge-wesen, sagt Straka. Er selbst habe durch eine Art »Flüs-

terpropaganda« erfahren, dass sich da etwas ereigne. »Ich hörte im Haus, dass einer sagte ›um 15 Uhr tref-fen sich die Leute in der Stadt‹.« »Da muss ich hin« war seine sofortige Reaktion. Zu diesem Zeitpunkt ha-be sich schon »eine Völkerwanderung« auf der Straße zum Rathaus bewegt.

Dem für Ruhe und friedliches Auftreten werbenden damaligen lutherischen Superintendenten Thomas Küttler sei es zu verdanken, dass die Demonstration friedlich blieb. Er hatte mit dem Oberbürgermeister verhandelt und erreicht, dass es zu Gesprächen mit ausgewählten Demonstranten kam. Aus den Teilneh-mern dieser ersten Gespräche, zu denen auch Straka gehörte, entwickelte sich der spätere »Runde Tisch« und die weiteren friedlichen Umwälzungen in Plauen und Umgebung.

Applaus statt AmenNeben vielen Christen hätten auch unzählige Men-schen ohne kirchliche Erfahrungen an Friedensgebeten teilgenommen. »Das war daran zu erkennen, dass sie statt ›Amen‹ am Schluss eines Gebetes zu sagen immer applaudierten«, erzählt er schmunzelnd. Eine besondere Erfahrung sei die ausdauernde Teilnahme an den Frie-densgebeten gewesen. »Dass die Menschen über ein halbes Jahr lang jeden Samstag bis zu den Wahlen im März zum Friedensgebet kamen, erstaunt mich immer noch«, sagt Straka. »Ich bin überzeugt, dass die Kir-chen wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Re-volution stattfand und friedlich blieb.«

Im Rückblick auf jene Ereignisse stellt er seiner Ge-meinde ein großartiges Zeugnis aus: »Ich hatte eine prächtige Unterstützung durch meine Gemeinde.« Ob-wohl er durch die sich aus den Demonstrationen und der Teilnahme am Runden Tisch ergebenden öffentli-chen Aufgaben in der Gemeinde nicht mehr so präsent sein konnte, habe ihn die Gemeinde ermutigt, die poli-tischen und gesellschaftlichen Veränderungen mitzuge-stalten. »Ich bin froh, dort gewesen zu sein«, fasst er jene Zeit als prägenden Teil seiner persönlichen Erfah-rungen ganz schlicht zusammen. Klaus Ulrich Ruof

Der Mauerfall begann in PlauenDer 9. November 1989 ist als Tag des Mauerfalls in die Geschichte eingegangen. Doch die Friedliche Revolution begann früher, und viele Glieder der EmK waren direkt beteiligt: Am 7. Oktober 1989 gab es in Plauen die erste inof� zielle Massendemonstration innerhalb der DDR. Dabei hat der damalige lutherische Superintendent maßgeblich dazu beigetragen, dass die Lage friedlich blieb. Mit einem ökumenischen Gottesdienst gedachten über 800 Besucher in der EmK-Erlöserkirche an diese auslösenden Ereignisse.

meine wende

Beim Zeitzeugengespräch in der Plauener EmK diskutierten am 5. Oktober der Bürger-rechtler und Künstler Klaus Hopf (rechts), Superintendent a .D. Thomas Küttler (2. v. r.) und Pastor i. R. Klaus Straka (links). Es moderierte Eva-Maria Zehrer.

In Leipzig demonstrieren 500 Menschen für Reformen in der DDR.53 Personen werden inhaftiert. Die Folge sind in mehreren DDR-Städten Fürbitteandachten und ein Schweigemarsch.

Erich Honecker versichert: »Die Mauer wir in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen.«

15.1.1989 19.1. 11.2.

Ungarn beschließt den Abbaudes Grenzzauns zu Österreich.

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SPEZIAL 2SPEZIAL 2 ::: 25 Jahre Friedliche Revolution

Die Kirchen der Stadt, darunter auch die EmK-Erlöserkirche, hatten damals schon länger die Türen für regelmäßige Friedensgebete am

Sonnabend geöffnet und den Menschen Raum und Stimme gegeben. »An jenem Sonnabend gingen wir das erste Mal auf die Straße«, erinnert sich Klaus Stra-ka an diesen Tag. Der heute im Ruhestand in Halle (Saale) lebende Pastor, war damals neu in Plauen. »Wir waren Mitte September nach Plauen gezogen«, erzählt er. Dass kurze Zeit später Geschichte geschrieben wür-de, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Der »9. Oktober« mit der Montagsdemonstration in Leipzig sei zwar in die deutsche Geschichte eingegan-gen, aber als Ausgangspunkt der Friedlichen Revoluti-on müsse eigentlich die Demonstration in Plauen gel-ten, die dort zwei Tage zuvor stattfand.

Das betont auch der amerikanische Historiker John Connelly, der »Plauen als die erste ostdeutsche Stadt, die einen geeinten Willen zur Wende ausdrückte« be-schreibt. Die friedliche demonstrierende Menge mit über 15.000 Menschen sei das »Signal für Leipzig« ge-wesen, sagt Straka. Er selbst habe durch eine Art »Flüs-

terpropaganda« erfahren, dass sich da etwas ereigne. »Ich hörte im Haus, dass einer sagte ›um 15 Uhr tref-fen sich die Leute in der Stadt‹.« »Da muss ich hin« war seine sofortige Reaktion. Zu diesem Zeitpunkt ha-be sich schon »eine Völkerwanderung« auf der Straße zum Rathaus bewegt.

Dem für Ruhe und friedliches Auftreten werbenden damaligen lutherischen Superintendenten Thomas Küttler sei es zu verdanken, dass die Demonstration friedlich blieb. Er hatte mit dem Oberbürgermeister verhandelt und erreicht, dass es zu Gesprächen mit ausgewählten Demonstranten kam. Aus den Teilneh-mern dieser ersten Gespräche, zu denen auch Straka gehörte, entwickelte sich der spätere »Runde Tisch« und die weiteren friedlichen Umwälzungen in Plauen und Umgebung.

Applaus statt AmenNeben vielen Christen hätten auch unzählige Men-schen ohne kirchliche Erfahrungen an Friedensgebeten teilgenommen. »Das war daran zu erkennen, dass sie statt ›Amen‹ am Schluss eines Gebetes zu sagen immer applaudierten«, erzählt er schmunzelnd. Eine besondere Erfahrung sei die ausdauernde Teilnahme an den Frie-densgebeten gewesen. »Dass die Menschen über ein halbes Jahr lang jeden Samstag bis zu den Wahlen im März zum Friedensgebet kamen, erstaunt mich immer noch«, sagt Straka. »Ich bin überzeugt, dass die Kir-chen wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Re-volution stattfand und friedlich blieb.«

Im Rückblick auf jene Ereignisse stellt er seiner Ge-meinde ein großartiges Zeugnis aus: »Ich hatte eine prächtige Unterstützung durch meine Gemeinde.« Ob-wohl er durch die sich aus den Demonstrationen und der Teilnahme am Runden Tisch ergebenden öffentli-chen Aufgaben in der Gemeinde nicht mehr so präsent sein konnte, habe ihn die Gemeinde ermutigt, die poli-tischen und gesellschaftlichen Veränderungen mitzuge-stalten. »Ich bin froh, dort gewesen zu sein«, fasst er jene Zeit als prägenden Teil seiner persönlichen Erfah-rungen ganz schlicht zusammen. Klaus Ulrich Ruof

Der Mauerfall begann in PlauenDer 9. November 1989 ist als Tag des Mauerfalls in die Geschichte eingegangen. Doch die Friedliche Revolution begann früher, und viele Glieder der EmK waren direkt beteiligt: Am 7. Oktober 1989 gab es in Plauen die erste inof� zielle Massendemonstration innerhalb der DDR. Dabei hat der damalige lutherische Superintendent maßgeblich dazu beigetragen, dass die Lage friedlich blieb. Mit einem ökumenischen Gottesdienst gedachten über 800 Besucher in der EmK-Erlöserkirche an diese auslösenden Ereignisse.

meine wende

Beim Zeitzeugengespräch in der Plauener EmK diskutierten am 5. Oktober der Bürger-rechtler und Künstler Klaus Hopf (rechts), Superintendent a .D. Thomas Küttler (2. v. r.) und Pastor i. R. Klaus Straka (links). Es moderierte Eva-Maria Zehrer.

In Leipzig demonstrieren 500 Menschen für Reformen in der DDR.53 Personen werden inhaftiert. Die Folge sind in mehreren DDR-Städten Fürbitteandachten und ein Schweigemarsch.

Erich Honecker versichert: »Die Mauer wir in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen.«

15.1.1989 19.1. 11.2.

Ungarn beschließt den Abbaudes Grenzzauns zu Österreich.

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Im Anschluss an das Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche demonstrieren 600 Menschen für ihre Ausreise, die ihnen daraufhin gewährt wird.

Oppositionelle kündigen denBoykott der für den 7. Mai geplanten DDR-Kommunalwahlen an.

3 SPEZIAL25 Jahre Friedliche Revolution :::

Der Mauerfall begann in Plauen

Wir verbrachten unseren Urlaub im Sommer 1989 mit Freunden aus dem

Erzgebirge am Balaton in Ungarn. Angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen diskutierten wir, wie es wohl weitergehen würde mit un-seren beiden Staaten. »Wer weiß, ob dies unsere letzte Chance war, nach Ungarn zu reisen?«, mutmaß-ten unsere Freunde. Von der Wie-dervereinigung Deutschlands wag-ten wir nicht zu träumen.

An jenem 9. November waren mein Mann und ich wieder im Ur-

laub, und zwar auf den Azoren, einer Inselgruppe im Atlantik. Ob-wohl wir nur wenige Worte der portugiesischen Landessprache ver standen, schauten wir täglich die Nachrichten an, um die Wetter-karte zu sehen. An jenem Abend erregten andere Bilder unsere Auf-merksamkeit. War das möglich? Menschen tanzten und feierten an der Berliner Mauer? Wir griffen zum Telefon und ließen uns bestäti-gen: Die Grenze zwischen Ost und West war offen. »Da werden wir sein wie die Träumenden«, das galt gewiss für diesen Abend und für die kommenden Tage. Sogar auf den Azoren war die Maueröffnung die Sensation. Fremde Men schen gratulierten uns.

Einige Monate später trafen wir uns als Mitglieder der Kinderwerke aus den beiden Zentralkonferen-zen. Wir diskutierten über die zu-künftige gemeinsame Arbeit. Plötz-lich sagte einer aus der Ostdeut-schen Konferenz: »Stopp! Merkt ihr nicht, dass ihr aus dem Westen ständig redet? Ihr seid mir zu

Viele Gemeindepartnerschaften hielten während der Teilung Deutschlands die Verbin-dung zwischen der EmK in Ost und West aufrecht. Manche sind nach der Wiedervereini-gung abgebrochen, wie Bischö� n Rosemarie Wenner bedauert.

schnell. Für uns hier ändert sich ge-rade alles. Wir brauchen Zeit.«

Nun sind 25 Jahre vergangen, seit wir im Freudentaumel die Grenzöffnung feierten. Wir sind zusammengewachsen. Das gilt für die Gesellschaft und für die Evan-gelisch-methodistische Kirche. Die Zeit hat die Unterschiede aber nicht eingeebnet, und das ist gut so! Wer eine Diktatur erlebt hat, bleibt Gott sei Dank wachsam, wenn es um Meinungsfreiheit und Minderheitenrechte geht. Wir »Wessis« haben ein paar Jahre Vorlauf, was das Miteinander von Menschen aus vielen Kulturen in unserem Land angeht. Indem wir auf unsere unterschiedlichen Er-fahrungen hören und miteinander nach dem fragen, was uns leitet, lernen wir, Kirche im 21. Jahrhun-dert zu sein. Der Dank für den 9. November 1989 und für alles, was Gott uns seither schenkte darf uns auch be� ügeln, vom Fall weiterer Mauern zu träumen und gegen scheinbar übermächtige Unrechts-strukturen aufzustehen.

meine wende wendemeinemeinemeine wendemeinemeine wendemeine

Da ich in Baden-Württemberg aufgewachsen bin, habe ich viele der Schwie-rigkeiten, die die Einheit bis heute hat, nicht so genau mitbekommen.

Es fühlt sich komisch an, daran zu denken, dass Deutschland, so wie ich es kenne, erst genauso lange existiert, wie ich lebe. All die Schmerzen, die ein geteiltes Land, und vor allem seine Bürgerinnen und Bürger aushalten mussten, wurden mir erst bewusst, als ich Menschen und ihre Geschichte aus den neuen Bundesländern kennengelernt habe. Die Möglichkeit, Leute in ganz Deutschland zu besuchen, ist für mich selbstverständlich und auch für alle, die jünger sind als ich. Ich kann nur vermuten, wie es sich anfühlt, wegen staatlicher Vorgaben unfrei und eingeschränkt zu leben. 1989 lehrt mich, Neubeginn und Heilung anzustreben, aber auch Erinnerungen zu bewahren und zu würdigen. Diesen Prozess emp� nde ich als andauernd. Wir sind zur kontinuierlichen Annäherung herausgefordert, sowohl politisch und sozial als auch theologisch.Almuth Zipf · Duke (USA)

GEBOREN 198919891989

Möglichkeit, Leute in ganz Deutschland zu besuchen, ist für mich selbstverständlich und auch für

23.2. 13.3. 29.3.

DDR-Oppositionsgruppen fordern die Freilassung des inhaftierten tschechischen Bürgerrechtlers Václav Havel.

Ungarn beschließt den Abbaudes Grenzzauns zu Österreich.

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Am 9. November jährt sich zum 25. Mal der Fall der Berliner Mauer. Christen in ganz Deutsch-land feiern dieses Ereignis mit zahlreichen Ak-

tionen und Gottesdiensten. Sie wollen Gott danken und loben, dass er dieses Wunder vollbracht hat. An-lässlich des Jubiläums nehmen Pilger an einer Gebets-wanderung entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze teil. Sie ist Teil der Initiative »Danken.Feiern.Beten«.

Die Wanderung begann am »Tag der deutschen Ein-heit« (3. Oktober) an zwei verschiedenen Orten – in Posseck bei Hof und in Lübeck. Seitdem pilgern zwei Gruppen von Süden und Norden aufeinander zu. Am 9. November werden sie in Braunlage im Harz zusam-mentreffen und einen Gottesdienst feiern. Auf dem Weg entlang der früheren Zonengrenze – sie wurde wegen des Schießbefehls der DDR-Grenztruppen auch »Todesstreifen« genannt – nehmen sich die Pilger Zeit für Andachten und Gebete. »Gegen die Angst und den Terror, den dieser Todesstreifen damals verbreitet hat, setzen wir heute unsere Freude und unseren Dank für das Wunder der Einheit«, erklärte der Koordinator der Initiative »Danken.Feiern.Beten«, Lorenz Reithmeier (Seevetal bei Hamburg). Die täglichen Etappen betra-

Die zentrale Gedenkveran-staltung zum Mauerfall wird am 9. November in

Berlin statt� nden. Sie beginnt in der Gedenkstätte Berliner Mauer (Bernauer Straße). In der dortigen Kapelle wird Bundeskanzlerin An-gela Merkel bei einer Morgenan-dacht sprechen. Zu den geladenen Gästen gehören Zeitzeugen und Bürgervereine. Die Kanzlerin wird

Gebete und Gottesdienste zum Mauerfall vor 25 Jahren

gen zwischen 16 und 22 Kilometer. Bisher haben sich rund 200 Personen an der Wanderung beteiligt, berich-tete Frank Bauer (Augsburg) vom Koordinierungsteam auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Der älteste Teilnehmer ist 80 Jahre und legt die gesamte Nordroute zurück. Bauer zufolge beteiligen sich auch Kinder und Jugendliche. Ziel sei es, ihnen ein geschichtliches Bewusstsein zu vermitteln, »was sich vor 25 Jahren ereignet und was Gott für ein Wunder getan hat«. Die Teilnehmer beteten unter anderem da-für, »dass Gott unser Land segnet und es zum Segen für andere werden kann«.Schirmherren bzw. -frauen sind jeweils für ihren Lan-desbereich die Ministerpräsidenten Torsten Albig (Schleswig-Holstein), Reiner Haseloff (Sachsen-An-halt), Christine Lieberknecht (Thüringen) und Horst Seehofer (Bayern). Seehofer schreibt in seinem Gruß-wort, die Teilnehmer der Gebetswanderung verstün-den die Wende von 1989 und die friedliche Wiederver-einigung Deutschlands als Wirken Gottes in der Ge-schichte: »Gemeinsam wollen sie auch darum bitten, dass unser Land weiter zusammenwächst und gesund wird an Leib und Seele. In dieser Hoffnung weiß ich mich mit ihnen einig.« idea

auch eine neue Dauerausstellung in dem umgebau ten Dokumentati-onszentrum der Gedenkstätte ein-weihen. Die Feierlichkeiten umfas-sen ferner einen Festakt, ein Bür-gerfest am Brandenburger Tor und ein Gedenken an die Maueropfer.

Während des Jubiläumsfestes be-leuchten 8.000 weiße Luftballons auf 15 Kilometern den ehemaligen Mauerverlauf als »Lichtgrenze«.

Christen pilgern bis zum 9. November entlang des ehemaligen »Todesstreifens«

Berlin: Kanzlerin spricht bei einer Morgenandacht

Ein letztes Mal wird an der Berliner Mauerauf zwei � üchtende Jugendliche geschossen.

Bei den Kommunalwahlen in der DDR werden erstmals erhebliche Wahlfälschungen nachgewiesen.

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Am 9. November jährt sich zum 25. Mal der Fall der Berliner Mauer. Christen in ganz Deutsch-land feiern dieses Ereignis mit zahlreichen Ak-

tionen und Gottesdiensten. Sie wollen Gott danken und loben, dass er dieses Wunder vollbracht hat. An-lässlich des Jubiläums nehmen Pilger an einer Gebets-wanderung entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze teil. Sie ist Teil der Initiative »Danken.Feiern.Beten«.

Die Wanderung begann am »Tag der deutschen Ein-heit« (3. Oktober) an zwei verschiedenen Orten – in Posseck bei Hof und in Lübeck. Seitdem pilgern zwei Gruppen von Süden und Norden aufeinander zu. Am 9. November werden sie in Braunlage im Harz zusam-mentreffen und einen Gottesdienst feiern. Auf dem Weg entlang der früheren Zonengrenze – sie wurde wegen des Schießbefehls der DDR-Grenztruppen auch »Todesstreifen« genannt – nehmen sich die Pilger Zeit für Andachten und Gebete. »Gegen die Angst und den Terror, den dieser Todesstreifen damals verbreitet hat, setzen wir heute unsere Freude und unseren Dank für das Wunder der Einheit«, erklärte der Koordinator der Initiative »Danken.Feiern.Beten«, Lorenz Reithmeier (Seevetal bei Hamburg). Die täglichen Etappen betra-

Die zentrale Gedenkveran-staltung zum Mauerfall wird am 9. November in

Berlin statt� nden. Sie beginnt in der Gedenkstätte Berliner Mauer (Bernauer Straße). In der dortigen Kapelle wird Bundeskanzlerin An-gela Merkel bei einer Morgenan-dacht sprechen. Zu den geladenen Gästen gehören Zeitzeugen und Bürgervereine. Die Kanzlerin wird

Gebete und Gottesdienste zum Mauerfall vor 25 Jahren

gen zwischen 16 und 22 Kilometer. Bisher haben sich rund 200 Personen an der Wanderung beteiligt, berich-tete Frank Bauer (Augsburg) vom Koordinierungsteam auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Der älteste Teilnehmer ist 80 Jahre und legt die gesamte Nordroute zurück. Bauer zufolge beteiligen sich auch Kinder und Jugendliche. Ziel sei es, ihnen ein geschichtliches Bewusstsein zu vermitteln, »was sich vor 25 Jahren ereignet und was Gott für ein Wunder getan hat«. Die Teilnehmer beteten unter anderem da-für, »dass Gott unser Land segnet und es zum Segen für andere werden kann«.Schirmherren bzw. -frauen sind jeweils für ihren Lan-desbereich die Ministerpräsidenten Torsten Albig (Schleswig-Holstein), Reiner Haseloff (Sachsen-An-halt), Christine Lieberknecht (Thüringen) und Horst Seehofer (Bayern). Seehofer schreibt in seinem Gruß-wort, die Teilnehmer der Gebetswanderung verstün-den die Wende von 1989 und die friedliche Wiederver-einigung Deutschlands als Wirken Gottes in der Ge-schichte: »Gemeinsam wollen sie auch darum bitten, dass unser Land weiter zusammenwächst und gesund wird an Leib und Seele. In dieser Hoffnung weiß ich mich mit ihnen einig.« idea

auch eine neue Dauerausstellung in dem umgebau ten Dokumentati-onszentrum der Gedenkstätte ein-weihen. Die Feierlichkeiten umfas-sen ferner einen Festakt, ein Bür-gerfest am Brandenburger Tor und ein Gedenken an die Maueropfer.

Während des Jubiläumsfestes be-leuchten 8.000 weiße Luftballons auf 15 Kilometern den ehemaligen Mauerverlauf als »Lichtgrenze«.

Christen pilgern bis zum 9. November entlang des ehemaligen »Todesstreifens«

Berlin: Kanzlerin spricht bei einer Morgenandacht

Ein letztes Mal wird an der Berliner Mauerauf zwei � üchtende Jugendliche geschossen.

Bei den Kommunalwahlen in der DDR werden erstmals erhebliche Wahlfälschungen nachgewiesen.

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In Magdeburg ziehen Bürger in drei Sternmärschen zum Dom und feiern dort einen ökumeni-

schen Dankgottesdienst. Startorte sind ehemalige Einrichtungen der Stasi und der SED.

Die drei Märsche haben jeweils ein Stichwort: Einheit, Freiheit und Wunder. Die ersten eintreffenden 25 Paare mit einem Partner aus dem Westen und einem aus dem Osten Deutschlands erhalten Blu-men. In der oberfränkischen Stadt Hof erinnern evangelische und ka-tholische Christen zusammen mit Gästen aus der Partnerstadt Plauen (Vogtland) in einem Dankgottes-dienst an den Mauerfall. In Berg-neustadt laden die örtliche Evange-lische Allianz und die christlichen Gemeinden der Stadt aus diesem Anlass ein, Gott zu danken und zu bitten. Der Wiesbadener Stadtkir-chenpfarrer Jeffrey Myers regt an, am 9. November zu einer »stillen Andacht« in die Marktkirche zu kommen, um dort eine Kerze anzu-zünden und für den Frieden in der Welt zu beten. Er stellte zehn Bibel-stellen zum Thema »Mauer« zu-sammen. So heißt es in Psalm 18,30: »Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.«

25 Jahre Friedliche Revolution Veranstaltungen in der EmK

Landes- und freikirchliche so-wie ka tholische Gemeinden laden am 9. November zu ei-

nem Gottesdienst im Mauerpark ein. »Viele Menschen haben die Mauer zum Einsturz gebracht – mit vielen möchten wir feiern«, heißt es in der Ankündigung. Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemein-den veranstaltet seinen Gedenkgot-tesdienst in Berlin-Weißensee.

Magdeburg: Sternmärsche zum ökumenischen Gottesdienst

Gottesdienste in Berlin

Zur Erinnerung an die Friedliche Revolution vor 25 Jahren � nden auch in EmK-Gemeinden zahlreiche Veranstaltungen statt. Folgende Termine wurden uns genannt:

Annaberg-Buchholz ::: 4. November, 19.30 Uhr, Kirche am Emilienberg, Gedenkveranstaltung zum 25. Jahrestag des ersten Friedensgottesdienstes am 4. November 1989 in der Kirche am Emilienberg.

Bad Lobenstein ::: 5. November, 19 Uhr, Ökumenischer Gottesdienst zum Gedenken an 25 Jahre Mauerfall.

Crottendorf ::: 11. November, 19.30 Uhr, Crottendorf, August-Bebel-Str. 231c, Die Friedliche Revolution aus der Sicht eines Pfarrers, mit Edmund Käbisch (Lesung und Diskussion im Rahmen der Friedensdekade 2014).

Schleiz ::: Quergasse 4, 9. November, 9 Uhr, Gottesdienst zum Gedenken an den Mauerfall.

Zittau ::: 9. November, Tag der Besinnung: Marienkirche, 10 Uhr, Ökumenischer Gottesdienst zur Eröffnung der Friedensdekade 2014 in ganz Deutschland unter dem Motto: Befreit zum Widerstehen. Anschließend Gedenkveranstaltung am Standort der ehemaligen Synagoge Lessingstraße.

Programm im Theater Zittau: 15 Uhr »Indianer« 17.15 Uhr Lesung eines ungarischen Zeitzeugen 17 Uhr »Mehr als ein Schrei im Wind«, Neue Lieder aus der alten DDR von und mit Henrik Lauerwald 18 Uhr Film: »Die Legende von Paul und Paula« 20.30 Uhr Lesung: »Die Legende vom Glück ohne Ende« (2. Teil) 22 Uhr Musik in den Kirchgemein-den / Initiative Erinnerung und Versöhnung

10. November, Weberkirche,19.30 Uhr, »Andere, die das Land so sehr nicht liebten«.

Bei den Kommunalwahlen in der DDR werden erstmals erhebliche Wahlfälschungen nachgewiesen.

In der UdSSR wird Parteichef Michail Gorbatschow zum Parteichef mit besonderen Vollmachten gewählt.

Der evangelische Kirchenbund appelliert an die SED-Führung, die Unstimmigkeiten bei den Kommunalwahlen aufzuklären.

Demonstration in Ost-Berlin gegen die Fälschung der Kommunalwahlen. Verhaftungen durch die Staatssicherheit.

Massaker an Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Tags darauf Festnahmen in Ost-Berlin bei Protest gegen das Vorgehen der chinesischen Polizei. Die Gewerkschaft »Solidarnosc « gewinnt Wahlen in Polen.

Gerichtliche Prüfung von Entscheidungen zu Ausreiseanträgen durch DDR-Bürger ab sofort erlaubt.

Gorbatschow gesteht jedem sozialistischen Staat seine eigene Entwicklung zu.

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Kirchliche Basisgruppen demonstrieren an einem Kirchentag in Leipzig gegen den Wahlbetrug in der DDR.

Die überfüllte Ständige Vertretung der BRD in Ost-Berlin stellt den Besucherverkehr ein. 130 DDR-Bürger wollen ihre Ausreise erzwingen.

Erich Honecker: »Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf«.

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SPEZIAL 6

Man tut gut daran, seinen Er-innerungen zu misstrauen.

Diese Weisheit ist für mich gerade mit Erfahrungen vom 9. November 1989 verbunden. Zur gleichen Zeit, als sich die Mauer öffnete, tagte der Bischofsrat unserer Kirche und noch Jahre später erzählten mir Bi-schofskollegen, wie lebhaft sie sich daran erinnern, wie sich damals Bi-schof Minor und ich vor Freude weinend in den Armen lagen.

Nur: Ich war gar nicht beim Bi-schofsrat. Ich hatte es vorgezogen, eine Einladung zur gleichzeitig ta-genden Synode der EKD anzuneh-

men und verbrachte die denkwür-digen Tage in Bad Krotzingen bei Freiburg i. Br. Wenn ich aber mei-nen eigenen Erinnerungen ein Stück weit trauen darf, dann waren meine Emp� ndungen geprägt von fast ungläubigem Staunen, tiefer Freude, aber auch einer gewissen Ratlosigkeit, wie das nun alles wei-tergehen würde.

Man hat gerade den evangelischen Kirchen vorgeworfen, sie hätten den Glauben an die Wiedervereinigung aufgegeben und seien da rum damals zunächst ratlos und unentschlossen im Blick auf die Zukunft dagestan-den. Ich sehe das anders: Gerade weil wir gelernt haben, die nationale Einheit nicht mehr als quasi bibli-sche Verheißung anzusehen, die wir von Gott im Gebet er� ehen müss-ten, und stattdessen versucht haben, den Auftrag zu leben, den uns Gott in einem zweigeteilten Deutschland stellt, konnten wir die Wiederverei-nigung als Wunder Got tes erfahren.

Ich versuche immer wieder, die-sen Gedanken auch koreanischen Freunden zu vermitteln, die fragen, wie sie noch wirkungsvoller für die

An zwei Orten gleichzeitg war Dr. Walter Klaiber, als vor 25 Jahren die Mauer � el. Nicht nur das ist für den damaligen Bischof der EmK in der BRD noch heute eine Mahnung, auch den eigenen Erinnerungen zu misstrauen.

Wiedervereinigung ihres Landes beten können. Für mich war und ist die deutsche Einheit ein unver-dientes Geschenk, das wir empfan-gen durften, als wir es nicht mehr erzwingen wollten. Daraus er-wächst für mich auch die bleibende Verp� ichtung, sie in Verantwor-tung vor Gott zu gestalten. Mit die-ser Aufgabe sind wir noch nicht fertig – auch nicht 25 Jahre nach der Öffnung der Mauer.

Was sich für mich an Erinnerun-gen mit diesem Datum verbindet, endet auch nicht mit dem emotiona-len Hochgefühl im November 1989. Das war nur der Anfang einer langen Geschichte. Vor allem seit 1992, als mir auch die Verantwortung für die Ostdeutsche Konferenz übertragen wurde, habe ich viele Begegnungen mit Menschen gehabt, die mich an ihren schwierigen Erlebnissen in der DDR, aber auch ihren guten Erfah-rungen mit Gott in dieser Zeit haben teilhaben lassen. Dass wir gelernt ha-ben, einander zu verstehen, das war für mich eine beglückende Erfah-rung, auch wenn wir dabei manch-mal an Grenzen gestoßen sind.

meine wende wendemeinemeinemeine wendemeinemeine wendemeine

1989 geboren zu sein bedeutet für mich, in einem Jahr geboren zu sein, das für einen großen Umbruch steht. Ich habe selbst natürlich keinerlei Erinnerungen an den Mau-

erfall und alles drumherum. Wenn ich Dokumentationen darüber sehe, kommt mir das alles ziemlich unwirklich vor. Ich kann mir einfach nicht vorstellen wie das gewesen sein muss, � nde es aber sehr interessant davon zu hören und darüber mit »Zeitzeugen« zu reden. Ich denke, dass die deutsche Einheit nach wie vor nicht 100-prozentig vorhanden ist. Es gibt noch viele Vorurteile auf beiden Seiten. Es gibt den Solidaritätszuschlag und verschiedene Tarifverträge für West und Ost. Da ist mit

Sicherheit noch Luft nach oben ...Darüber, was »typisch West« ist, hab ich mir als Wessi ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht. Vielleicht manchmal ein bisschen Arroganz und Überheblichkeit. Aber auch Freiheit und Unbeschwertheit. Bei »typisch Ost« fallen mir als Erstes die für mich als Baye-rin befremdlichen Dialekte ein :) Und eine starke Verbundenheit mit der Heimat und der Familie. Aber auch das große Wertlegen auf gewissen Luxus wie tolle Autos, Urlaube oder Klamotten. | Lena Chmel · Nürnberg

GEBOREN 198919891989

Einheit nach wie vor nicht 100-prozentig vorhanden ist. Es gibt noch viele Vorurteile auf beiden Seiten. Es gibt den Solidaritätszuschlag und verschiedene Tarifverträge für West und Ost. Da ist mit

Sicherheit noch Luft nach oben ...Darüber, was »typisch West« ist, hab ich mir als Wessi ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht. Vielleicht manchmal ein bisschen Arroganz und Überheblichkeit. Aber auch Freiheit und Unbeschwertheit. Bei »typisch Ost« fallen mir als Erstes die für mich als Baye-rin befremdlichen Dialekte ein :) Und eine starke Verbundenheit mit der Heimat und der Familie. Aber auch das große Wertlegen auf gewissen Luxus wie tolle Autos, Urlaube oder Klamotten.

::: 25 Jahre Friedliche Revolution

Page 7: unterwegs spezial

Kirchliche Basisgruppen demonstrieren an einem Kirchentag in Leipzig gegen den Wahlbetrug in der DDR.

Die überfüllte Ständige Vertretung der BRD in Ost-Berlin stellt den Besucherverkehr ein. 130 DDR-Bürger wollen ihre Ausreise erzwingen.

Erich Honecker: »Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf«.

9.7. 8.8. 14.8. 19.8. 22.8. 24.8.

SPEZIAL 6

Man tut gut daran, seinen Er-innerungen zu misstrauen.

Diese Weisheit ist für mich gerade mit Erfahrungen vom 9. November 1989 verbunden. Zur gleichen Zeit, als sich die Mauer öffnete, tagte der Bischofsrat unserer Kirche und noch Jahre später erzählten mir Bi-schofskollegen, wie lebhaft sie sich daran erinnern, wie sich damals Bi-schof Minor und ich vor Freude weinend in den Armen lagen.

Nur: Ich war gar nicht beim Bi-schofsrat. Ich hatte es vorgezogen, eine Einladung zur gleichzeitig ta-genden Synode der EKD anzuneh-

men und verbrachte die denkwür-digen Tage in Bad Krotzingen bei Freiburg i. Br. Wenn ich aber mei-nen eigenen Erinnerungen ein Stück weit trauen darf, dann waren meine Emp� ndungen geprägt von fast ungläubigem Staunen, tiefer Freude, aber auch einer gewissen Ratlosigkeit, wie das nun alles wei-tergehen würde.

Man hat gerade den evangelischen Kirchen vorgeworfen, sie hätten den Glauben an die Wiedervereinigung aufgegeben und seien da rum damals zunächst ratlos und unentschlossen im Blick auf die Zukunft dagestan-den. Ich sehe das anders: Gerade weil wir gelernt haben, die nationale Einheit nicht mehr als quasi bibli-sche Verheißung anzusehen, die wir von Gott im Gebet er� ehen müss-ten, und stattdessen versucht haben, den Auftrag zu leben, den uns Gott in einem zweigeteilten Deutschland stellt, konnten wir die Wiederverei-nigung als Wunder Got tes erfahren.

Ich versuche immer wieder, die-sen Gedanken auch koreanischen Freunden zu vermitteln, die fragen, wie sie noch wirkungsvoller für die

An zwei Orten gleichzeitg war Dr. Walter Klaiber, als vor 25 Jahren die Mauer � el. Nicht nur das ist für den damaligen Bischof der EmK in der BRD noch heute eine Mahnung, auch den eigenen Erinnerungen zu misstrauen.

Wiedervereinigung ihres Landes beten können. Für mich war und ist die deutsche Einheit ein unver-dientes Geschenk, das wir empfan-gen durften, als wir es nicht mehr erzwingen wollten. Daraus er-wächst für mich auch die bleibende Verp� ichtung, sie in Verantwor-tung vor Gott zu gestalten. Mit die-ser Aufgabe sind wir noch nicht fertig – auch nicht 25 Jahre nach der Öffnung der Mauer.

Was sich für mich an Erinnerun-gen mit diesem Datum verbindet, endet auch nicht mit dem emotiona-len Hochgefühl im November 1989. Das war nur der Anfang einer langen Geschichte. Vor allem seit 1992, als mir auch die Verantwortung für die Ostdeutsche Konferenz übertragen wurde, habe ich viele Begegnungen mit Menschen gehabt, die mich an ihren schwierigen Erlebnissen in der DDR, aber auch ihren guten Erfah-rungen mit Gott in dieser Zeit haben teilhaben lassen. Dass wir gelernt ha-ben, einander zu verstehen, das war für mich eine beglückende Erfah-rung, auch wenn wir dabei manch-mal an Grenzen gestoßen sind.

meine wende wendemeinemeinemeine wendemeinemeine wendemeine

1989 geboren zu sein bedeutet für mich, in einem Jahr geboren zu sein, das für einen großen Umbruch steht. Ich habe selbst natürlich keinerlei Erinnerungen an den Mau-

erfall und alles drumherum. Wenn ich Dokumentationen darüber sehe, kommt mir das alles ziemlich unwirklich vor. Ich kann mir einfach nicht vorstellen wie das gewesen sein muss, � nde es aber sehr interessant davon zu hören und darüber mit »Zeitzeugen« zu reden. Ich denke, dass die deutsche Einheit nach wie vor nicht 100-prozentig vorhanden ist. Es gibt noch viele Vorurteile auf beiden Seiten. Es gibt den Solidaritätszuschlag und verschiedene Tarifverträge für West und Ost. Da ist mit

Sicherheit noch Luft nach oben ...Darüber, was »typisch West« ist, hab ich mir als Wessi ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht. Vielleicht manchmal ein bisschen Arroganz und Überheblichkeit. Aber auch Freiheit und Unbeschwertheit. Bei »typisch Ost« fallen mir als Erstes die für mich als Baye-rin befremdlichen Dialekte ein :) Und eine starke Verbundenheit mit der Heimat und der Familie. Aber auch das große Wertlegen auf gewissen Luxus wie tolle Autos, Urlaube oder Klamotten. | Lena Chmel · Nürnberg

GEBOREN 198919891989

Einheit nach wie vor nicht 100-prozentig vorhanden ist. Es gibt noch viele Vorurteile auf beiden Seiten. Es gibt den Solidaritätszuschlag und verschiedene Tarifverträge für West und Ost. Da ist mit

Sicherheit noch Luft nach oben ...Darüber, was »typisch West« ist, hab ich mir als Wessi ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht. Vielleicht manchmal ein bisschen Arroganz und Überheblichkeit. Aber auch Freiheit und Unbeschwertheit. Bei »typisch Ost« fallen mir als Erstes die für mich als Baye-rin befremdlichen Dialekte ein :) Und eine starke Verbundenheit mit der Heimat und der Familie. Aber auch das große Wertlegen auf gewissen Luxus wie tolle Autos, Urlaube oder Klamotten.

::: 25 Jahre Friedliche Revolution

900 DDR-Bürger � iehen über die österreichisch-ungarische Grenze in den Westen.

Erich Honecker: »Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf«.

Deutsche Botschaft in Pragwegen Überfüllung geschlossen.

In Budapest erhalten 108 Botschafts-� üchtlinge die Ausreiseerlaubnis.

Die Bürgerinitiative »Neues Forum wird gegründet.Ungarn öffnet seine Grenzen in den Westen.

SED weist kirchliche Forderungen nach Reformen zurück.

Hans-Dietrich Genscher verkündet den 7.000 Flüchtlingen der Prager Botschaft die Erlaubnis zur Ausreise.

24.8. 10.9. 30.9. 2.10. 7.10.20.9.

20.000 Menschen demonstrieren in Leipzig. Gewaltsames Einschreiten der Staatsmacht.

Michail Gorbatschow bei Feier zum 40-jährigen Bestehen der DDR: »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben«.

Ich emp� nde mein Geburtsjahr nicht wirklich besonders, da ich selbst dieses Jahr ja nicht bewusst erlebt habe. Ich weiß, dass die Friedliche Revolution in

der Geschichte etwas Besonderes war, aber ich habe dies ja als Wendekind nicht bewusst mit-erlebt. Den jetzigen Stand der Einheit � nde ich nicht wirklich zufriedenstellend, da es noch immer Ungleichbehandlung gibt. Gerade bei den Löhnen fällt dies besonders auf und auch der Begriff »Ossi« und »Wessi« ist noch immer im Sprachgebrauch. Typisch Ost � nde ich, dass man Sachen oft mehrmals benutzt, vieles aufhebt und nicht gleich alles wegwirft. Jedoch treten die Ostdeutschen oft nicht so selbstsicher auf und haben nicht so ein großes Selbstbewusstsein wie die Westdeutschen. Die wiederum denken, dass die im Osten »hinterm Mond« leben; als Ostdeutscher � ndet man im Westen oft schlecht Anschluss und Anerkennung. Typisch für die alten Bundesländer ist außerdem, dass es weniger Kitaplätze gibt und dort Frauen öfters mit ihren Kindern zu Hause sind, außerdem werden deutlich höhere Löhne bezahlt« | Stef� Seupel · Crottendorf

GEBOREN 198919891989Jahr ja nicht bewusst erlebt habe. Ich weiß, dass die Friedliche Revolution in

immer Ungleichbehandlung gibt. Gerade bei den Löhnen fällt dies besonders auf und auch der

Um es vorweg zu sagen: »Mein« Wendedatum ist der 10. Okto-

ber 1989. An diesem Tag geschah in Leipzig die Wende von der Konfron-tation zur vorsichtigen Öffnung, von der Gewalt zur Diskussion, vom bornierten Machtdenken der SED zu konstruktiver Suche nach neuen Wegen. Als Kerzen und Blumen über Polizeihelme und Schutzschil-de siegten, wurde ein neuer Geist of-fenbar. Mit Hoffnung und Bangen gingen wir die ersten Schritte, ver-suchten uns im Neuland.

Was vorher undenkbar erschien, konnte versucht werden. Ein Re-

dakteur der Dresdner »UNION« – Tageszeitung der Ost-CDU – bat mich um ein Interview. Er fragte nach Chancen und Zielen in der neuen Situation, Hoffnungen und Gefahren für eine gesellschaftliche Erneuerung. Gemeinsam haben wir sorgfältig formuliert, Mut und Vorsicht gegeneinander abwägend. Denn die alte Macht und ihr Appa-rat waren ja durchaus noch intakt. Das Interview erschien auf der Titel-seite. Zum ersten Mal schlug ei ne Ta-geszeitung – sonst ein Organ des Propagandasystems – neue Töne an.

Aus den Gemeinden kamen er-mutigende Nachrichten. Sie waren mitten im öffentlichen Geschehen. Bürgerforen wurden abgehalten, Bürgervereinigungen gegründet – oft in unseren Kirchen und immer mit aktiver Beteiligung unserer Ge-schwister. Sie nahmen die neuen Möglichkeiten als ein Geschenk Gottes und schickten sich an, was wir über Jahre im Glauben gehofft und erträumt hatten, in praktischer Verantwortung zu verwirklichen.

Die »Wende« war ein unver-hofftes und überraschendes Ge-

Für Rüdiger Minor, 1989 Bischof der EmK in der DDR, ist das eigentliche Wendedatum der 10. Oktober 1989. An diesem Tag siegten Kerzen und Blumen über Polizeihelme und Schutzschilde, die Staatsmacht lenkte vorsichtig ein.

schenk für uns, aber sie traf uns nicht ganz unvorbereitet. Bausteine für das Neue hatte es schon gege-ben. Friedensgruppen, Bürgerrecht-ler und Umweltbewusste hatten schon länger – meist unter dem Dach der Kirchen – vorgedacht. Die Dokumente der »Ökumeni-schen Versammlung« können gera-dezu als ein Alternativprogramm zur DDR-Wirklichkeit verstanden werden. Wir lernten ganz prak-tisch, dass Gottes Geist ein Geist der Freiheit ist, so wie wir Freiheit der Rede und demokratische For-men in den Gemeinden, Kreisen und Arbeitsgruppen zu aktuellen Fragen schon lange praktiziert hat-ten, oft unter dem allgegenwärti-gen Auge und Zugriff der »Stasi«. In der neuen Situation waren es die Christen, die an den Runden Tischen, in Bürgerkomitees und neuen poli-tischen Organen eine wichtige Rol-le übernahmen. Denn sie hatten Erfahrung mit der Demokratie und konnten Ideen einbringen. Die »Stadt auf dem Berge« (Matthäus 5,14) war nicht verborgen.

Rüdiger Minor Dresden / Atlanta (USA)

meine wende wendemeinemeinemeine wendemeinemeine wendemeine

25 Jahre Friedliche Revolution ::: 7 SPEZIAL

Page 8: unterwegs spezial

Größte nicht-staatliche Demonstration der DDR-Geschichte: Fast eine Million Menschen in der Ost-Berliner Innenstadt.

Die Grenzen zur Bundesrepublik werden geöffnet. Tausende strömen zu den Grenzübergängen und werden in beide Richtungen unbehelligt durchgelassen.

Rücktritt der SED-Parteispitze.Honecker, Mielke und andere werden aus der Partei ausgeschlossen.

Hans Modrow wird neuer Ministerpräsident.Öffnung der Sperrzonen in Berlin und an der Küste.

SPEZIAL 8 ::: 25 Jahre Friedliche RevolutionSPEZIAL 8

Ich wurde im Jahr 1989 geboren und als 89er gab es zwei Dinge, derer ich mir immer sehr bewusst war: Erstens habe ich, zumindest in der Theorie, zweimal erlebt wie die

deutsche Nationalmannschaft Weltmeister wurde, und zweitens bin ich Teil des ersten gesamtdeut-schen Geburtenjahrganges, auch wenn dies formal nicht ganz richtig ist. In meinem Bewusstsein gibt es nur ein Deutschland. Ich kann deshalb auch gar nicht genau sagen, wann mir eigentlich bewusst geworden ist, dass es ein geteiltes Deutschland gab. Geographisch gibt es heute keine Teilung mehr und doch gibt es bis heute eine Teilung der Generationen. Während ich beim Nachdenken über die

DDR nur noch an Trabbis, Bananen und einen untergegangenen Unrechtsstaat denke, spricht meine Eltern- und Großelterngeneration noch von »drüben«, von der DDR. Ich glaube, die DDR wird in den Worten und Gedanken von vielen Deutschen noch einige Jahre weiterleben. Doch der entscheidende Schritt zur absoluten Wiedervereinigung der deutschen Gesellschaft wurde schon im Jahre 1989 gemacht, denn wir Kinder dieser Generation leben in einem einigen, tatsächlich demokratischen Deutschland und dafür bin ich sehr dankbar. | Christian Oberlis · Frankfurt

Als »Kind des vereinten Deutschlands« ist es einem selbst oft nicht bewusst, wie sehr die Mauer sowohl eine sichtbare als auch eine psychische Trennung und Mauer für die

Menschen damals dargestellt hat. Dank des Mauerfalls bzw. der Wiedervereinigung war es meinen Eltern, die bis dahin noch in Ost-Deutschland gewohnt haben, möglich zu ihren Verwandten in den Westen bzw. ins Schwabenland zu ziehen, wo ich dann auch geboren wurde.Meiner Meinung nach ist die »deutsche Einheit« noch nicht vollständig abgeschlossen. In vie-len Köpfen herrscht immer noch eine Einteilung in »Ost« und »West«. Sichtbar wird diese Tren-nung auch in vielen Studien und Statistiken, wo oft beispielsweise noch unterschieden wird in »alte« und »neue« Bundesländer. Weiter fällt auf, dass es sowohl bezüglich der Bildung als auch der Gehälter gravierende Unterschiede gibt. Viele Berufsstarter bevorzugen deshalb eine Anstellung im Westen, da hier die Verdienstmöglichkeiten unterm Strich deutlich besser sind. Typisch »West« ist für mich ein LKW (schwäbisch für Leberkäswecken). Zu den typisch »ostdeutschen« Dingen gehört für mich im Gegensatz dazu die Currywurst ;-). Irgendwann im Laufe der Schulzeit hört und lernt man viel über die deutsche Geschichte, die Anfänge, die Weimarer Republik, das uneinheit-liche Deutschland und später die Wiedervereinigung. Da ist die Vorstellung einfach faszinierend, dass die eigenen Eltern die Wiedervereinigung und die Emotionen der Menschen vor 25 Jahren miterlebt haben, und dass das Teil ihrer Geschichte geworden ist. | Christine Wichmann · Heidenheim

»Du bist geboren und kurz drauf ist die Berliner Mauer gefallen.« Diesen Satz habe ich als Kind immer wieder von meinen Eltern gehört. 1989 ist ein besonderes Jahr für

Deutschland und mein Geburtsjahr. Mir ist das früh bewusst geworden, da meine Paten aus Zwickau kommen und letztlich nur durch den Fall der Mauer Besuche im Westen möglich wurden. Im Gymna-

sium hat mich daher alles interessiert und fasziniert, was mit der DDR oder dem Kommu-nismus zu tun hatte. Filme wie »Goodbye Lenin« oder »Das Leben der Anderen« haben dies noch verstärkt.»Typisch Ost« ist für mich der Trabi, Sächsisch, der Kommunismus und Kontrolle. »Typisch West« ist dagegen für mich der Kapitalismus, Freiheit, Demokratie und Vielfalt. 1989 wur-den Ost und West in einem Hau-Ruck-Verfahren zu einer Einheit erklärt. Das war damals berechtigt und notwendig, doch im Nachhinein, denke ich, wäre es sinnvoll gewesen, die beiden Systeme langsamer zu vereinen. Denn nicht alles war im Osten schlecht und nicht

alles war im Westen gut. Meines Erachtens ist die deutsche Einheit immer noch im Werden, aber ich bin gespannt, wie das Ganze in weiteren 25 Jahren aussehen wird. | Mareike Bloedt · Stuttgart

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geworden ist, dass es ein geteiltes Deutschland gab. Geographisch gibt es heute keine Teilung mehr und doch gibt es bis heute eine Teilung der Generationen. Während ich beim Nachdenken über die

DDR nur noch an Trabbis, Bananen und einen untergegangenen Unrechtsstaat denke, spricht meine Eltern- und Großelterngeneration noch von »drüben«, von der DDR. Ich glaube, die DDR wird in den Worten und Gedanken von vielen Deutschen noch einige Jahre weiterleben. Doch der entscheidende Schritt zur absoluten Wiedervereinigung der deutschen Gesellschaft wurde schon im Jahre 1989 gemacht, denn wir Kinder dieser Generation leben in einem einigen, tatsächlich demokratischen Deutschland und dafür bin ich sehr dankbar.

die Mauer sowohl eine sichtbare als auch eine psychische Trennung und Mauer für die Menschen damals dargestellt hat. Dank des Mauerfalls bzw. der Wiedervereinigung war es meinen

Deutschland und mein Geburtsjahr. Mir ist das früh bewusst geworden, da meine Paten aus Zwickau kommen und letztlich nur durch den Fall der Mauer Besuche im Westen möglich wurden. Im Gymna-

sium hat mich daher alles interessiert und fasziniert, was mit der DDR oder dem Kommu-nismus zu tun hatte. Filme wie »Goodbye Lenin« oder »Das Leben der Anderen« haben dies noch verstärkt.»Typisch Ost« ist für mich der Trabi, Sächsisch, der Kommunismus und Kontrolle. »Typisch West« ist dagegen für mich der Kapitalismus, Freiheit, Demokratie und Vielfalt. 1989 wur-den Ost und West in einem Hau-Ruck-Verfahren zu einer Einheit erklärt. Das war damals berechtigt und notwendig, doch im Nachhinein, denke ich, wäre es sinnvoll gewesen, die beiden Systeme langsamer zu vereinen. Denn nicht alles war im Osten schlecht und nicht

alles war im Westen gut. Meines Erachtens ist die deutsche Einheit immer noch im Werden, aber ich

Die SED-Führung signalisierterstmals Dialogbereitschaft.

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Erich Honecker tritt zurückNachfolger wird Egon Krenz.

300.000 Menschen demonstrieren in den Straßen Leipzigs.

120.000 Menschen demonstrieren in Leipzig – erstmals ohne Zwischenfälle.

10.10.…