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für den Betroffenen nicht hinreichend erkennbar ist, wie er den verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechts-schutz erlangen kann. Dies zeigt für den vorliegenden Fall das Zusammenspiel der angegriffenen Entscheidungen mit den Entscheidungen im vorausgegangenen betreuungsge-richtlichen Verfahren. Während der Beschwerdeführer im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG, in dem die hier ange-griffenen Entscheidungen ergangen sind, keine Überprü-fung der Rechtmäßigkeit der Einwilligung des Betreuers erreichen konnte, weil nach der unbeanstandet geblie-benen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer die Rechtmäßigkeit dieser Einwilligung und die Frage, ob der Betroffene einwilligungsunfähig und die Behandlung er-forderlich und angemessen ist, allein durch das Betreuungs-gericht geprüft werden können, hatte sich, gleichfalls bis in die letzte Instanz unbeanstandet, das LG im betreuungsge-richtlichen Verfahren auf den Standpunkt gestellt, dass sich aus § 1906 BGB keine Befugnis des Betreuungsgerichts zu dahingehenden Feststellungen ergebe.

[73] II. Da die Beschlüsse des LG und des OLG, soweit angegriffen, das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG bereits mangels einer verfassungsmä-ßigen gesetzlichen Grundlage für den gebilligten Eingriff verletzen, kann offenbleiben, ob die Rechtsanwendung durch die Fachgerichte noch aus anderen Gründen Anlass zu verfassungsrechtlicher Beanstandung gibt.

[74] C. I. § 22 Abs. 1 S. 1 SächsPsychKG ist wegen der festgestellten Verfassungsverstöße für nichtig zu erklären. Die Voraussetzungen für eine bloße Unvereinbarerklärung liegen nicht vor (vgl. BVerfGE 128, 282, 321 f.; 129, 269, 284). Dasselbe gilt für die Voraussetzungen einer Erstre-ckung des Nichtigkeitsausspruchs (§ 78 S. 2 BVerfGG) auf andere Teile des § 22 SächsPsychKG.

[75] Die angegriffenen Entscheidungen sind gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG in dem bezeichneten Umfang aufzuheben, und die Sache ist an das LG zurückzuverweisen.

II. [Kosten]

DOI: 10.1007/s00350-013-3508-z

Vornahme einer digitalen Subtraktionsangiogra-phie bei einer superfiziellen Siderose – Aufklärung über die Erfolgschancen des diagnostischen Eingriffs

BGB § 823 Abs. 1

1. Zur Abklärung von Blutungsquellen bei der su-perfiziellen Siderose gibt es zu der digitalen Substrak-tionsangiographie keine Alternative.

2. Grundsätzlich ist die Einschätzung der Erfolgs-wahrscheinlichkeit eines Eingriffs für die Entscheidung des Patienten, ob er den Eingriff vornehmen lässt, ein gewichtiges Kriterium und muss daher Bestandteil der Aufklärung sein.

3. Sind keine fundierten Aussagen über eine generel-le oder individuelle Erfolgschance der Untersuchung möglich, reicht die Aufklärung über die Notwendig-keit des diagnostischen Eingriffs als letzte Möglichkeit und letzter Versuch, einen Ansatz für die Behandlung der schweren und fortschreitenden Behandlung zu fin-den, aus. (Leitsatz 2 vom Bearbeiter)OLG München, Urt. v. 31. 5. 2012 – 1 U 3884/11 (LG München I)

Problemstellung: „Salus et voluntas aegrotii supre-ma lex – Das Heil und der Wille des Kranken sind obers-

tes Gesetz.“ Dieser Grundsatz kommt insbesondere in der Pflicht des Arztes, den Patienten vor jeder diagnos-tischen oder therapeutischen Maßnahme aufzuklären, zum Ausdruck. Information und Zustimmung des Pati-enten basieren demzufolge in erster Linie auf ethischen Geboten. Daneben hat die Aufklärungspflicht des Arztes aber auch eine normative Wurzel: Das verfassungsrecht-lich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht des Patien-ten wird geboten durch Achtung und Schutz der Würde, die Freiheit des Menschen sowie sein Recht auf körper-liche Unversehrtheit, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 2 GG. Wesentlicher Ausfluss dieses Rechts auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit ist im Arzthaf-tungsrecht der Vorbehalt des Patienten, wonach er seine Zustimmung zu einer Behandlung erteilen, aber auch verweigern kann. Um eine sinnvolle Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechtes gewährleisten zu können, bedarf die Einwilligung aber der vorherigen ordnungs-gemäßen Aufklärung des Patienten (sog. informed con-sent). Die Aufklärung ist damit das bestimmende Merk-mal der Einwilligung.

Vor diesem Hintergrund kann ein jeder im Rahmen der Rechtsordnung über seinen Körper sowie das, was mit ihm geschieht, selbst frei bestimmen. So entschied das BVerfG in einem viel zitierten Urteil ( BVerfGE 52, 131, 175), dass „die Bestimmung über seine leiblich-see-lische Integrität […] zum ureigensten Bereich der Per-sonalität des Menschen [gehört]. In diesem Bereich ist er aus Sicht des Grundgesetzes frei, seine Maßstäbe zu wählen und nach ihnen zu leben und zu entscheiden. Eben diese Freiheit zur Selbstbestimmung wird durch Art.  2 Abs.  2 S.  1 GG besonders hervorgehoben und verbürgt.“

Fehlt es hingegen an einem solchen „informed con-sent“, so ist dies grundsätzlich als Verletzung des Be-handlungsvertrags zu werten, sodass die Behandlung – von Ausnahmen abgesehen – letztlich rechtswidrig erfolgt ist, und zwar unabhängig davon, ob sie indiziert war und lege artis durchgeführt wurde. Mit anderen Worten: Eine unterlassene, unvollständige oder falsche Aufklärung kann aus zivilrechtlicher Sicht sowohl zu einer vertraglichen wie zu einer deliktischen Haftung führen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an die medizinische Aufklärungspflicht durch das aktuelle Patientenrechtegesetz nunmehr in § 630 c sowie § 630 e BGB gesetzlich festgeschrieben wurden. Zudem begeht der Arzt eine rechtswidrige Körperverletzung gem. §§ 223 ff. StGB, wenn und so-weit sich der Eingriff im konkreten Fall nicht als ge-rechtfertigt erweist.

Zum Sachverhalt: In dem der Entscheidung zugrunde liegen-den Ausgangsverfahren klagte eine Patientin, die seit Jahren an ei-nem Schwankschwindel litt und sich deswegen in die Behandlung der Bekl. begab. Ein angefertigtes MRT des Schädels ergab eine ausgedehnte Mikroangiographie, den Verdacht auf kleine venöse Malformationen im Tentorium links mit Zeichen einer abgelaufe-nen Subarachnoidalblutung mit Hämosiderinablagerungen auf dem Kleinhirn. Zwei Wochen später wurde ein cranielles MRT erstellt, welches die Diagnose einer unklaren, superfiziellen Siderose ergab. Deswegen wurde die Patientin zur weiteren differentialdiagnosti-schen Abklärung auf eine neurologische Station verlegt. Die dort durchgeführten Computertomographien von Wirbelsäule und Kopf führten zum Nachweis von Blut im Wirbelkanal. Dieser Verdacht konnte durch eine Liquoruntersuchung erhärtet werden. Auf dieser Grundlage stellten die Bekl. die Indikation zu einer Angiographie. Im Beisein der Tochter fand ein Gespräch statt, in dem auf die Gefahr eines Schlaganfalls bei der DSA-Untersuchung hingewiesen wurde. Die später durchgeführte DSA blieb ohne Befund. Während der Untersuchung beschrieb die Kl. ein Kribbeln im linken Arm, nach Entfernen des Katheters auch Kribbelparästhesien. Nach Verlegung auf die Stroke Unit wurde ein Schlaganfall mit einer armbetonten

Eingesandt und bearbeitet von Rechtsanwalt Peter Wigge, Fachanwalt für Medizinrecht, Rechtsanwälte Wigge, Scharnhorststraße 40, 48151 Münster, Deutschland

Rechtsprechung604 MedR (2013) 31: 604–606

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geringgradigen Halbseitensymptomatik links diagnostiziert. Die Symptome bildeten sich zurück, traten dann aber erneut auf.

Die Kl. trug vor, sie sei im Vorfeld der Untersuchung nicht hinrei-chend über das mögliche Risiko eines Schlaganfalls infolge der DSA aufgeklärt worden. Ferner sei eine ordnungsgemäße Aufklärung über mögliche Behandlungsalternativen unterblieben, obwohl es an einer unbedingten therapeutischen Indikation für die DSA gefehlt habe. Vor diesem Hintergrund begehrte die Kl., die Bekl. gesamt-schuldnerisch zu einer Zahlung von Schmerzensgeld und Schadens-ersatz sowie einer monatlichen Rente zu verurteilen. Das LG wies die Klage in erster Instanz als unbegründet ab. Dagegen richtet sich die Berufung der Kl.

Aus den Gründen: Die zulässige Berufung erwies sich als unbegründet.

A. Die Berufung war zurückzuweisen, da die Kl. den Bekl. keinen Behandlungsfehler nachzuweisen vermochte und die Bekl. belegen konnten, dass die Kl. nach ausrei-chender Aufklärung wirksam in die Untersuchung einge-willigt hat.

I. Den Bekl. kann kein Behandlungsfehler zur Last gelegt werden.

Das LG hat mit zutreffenden Gründen auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens einen Behand-lungsfehler verneint. Die Bekl. haben weder bei der Indi-kationsstellung zur DSA noch bei der Durchführung der Untersuchung gegen den Facharztstandard verstoßen.

1. Der Sachverständige Dr. K. ist als Facharzt für Neuro-logie für die Beantwortung der Beweisfragen hinreichend kompetent. Die Kl. wurde in der neurologischen Klinik der Bekl. zu 1 behandelt. Die Vorwürfe gegen die Bekl. betrafen die Indikationsstellung und die Risikobewertung der Untersuchung sowie einfach gelagerte radiologische Fragestellungen. Da die Fragestellungen weitestgehend den neurologischen Bereich betrafen, war ein Sachverständiger aus dem neurologischen Bereich zu beauftragen.

2. Die in dem Befundbericht v. 21. 10. 2005 erwähnten Gefäßveränderungen stellten keine Kontraindikation für die DSA dar. Der Sachverständige betonte unter Würdi-gung des Befundberichtes v. 21. 10. 2005, der von athero-matösen Gefäßveränderungen mit höhergradiger Stenose der linken Arteria cerebri posterior spricht, dass faktisch keine Stenosen festgestellt worden sind und die beschriebe-ne Gefäßveränderung in einem Bereich liegt, der von der DSA nicht berührt werde. Zusammenfassend betonte der Sachverständige, dass die Voruntersuchungen keine Ge-sichtspunkte ergeben haben, die der DSA-Untersuchung entgegengestanden haben.

3. Andere als das verwendete jodhaltige Kontrastmit-tel standen nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht zur Verfügung. Weiter wies der Sachverständige da-rauf hin, dass keine allergische Reaktion der Kl. auf das Kontrastmittel, wie nach den Voruntersuchungen auch zu erwarten, festzustellen war.

II. Der Senat ist nach der Anhörung der Kl., der Bekl. zu 2 und 3 sowie der Einvernahme der Zeugin S. davon überzeugt, dass die Kl. hinreichend über das Risiko ei-nes Schlaganfalles sowie die Indikation der Untersuchung und der Erfolgschance, die Blutung zu finden, aufgeklärt wurde.

1. Die Zeugin S. hat die Angaben des Bekl. zu 2 bestä-tigt, dass er über das Risiko eines Schlaganfalles die Kl. aufgeklärt und auf Nachfrage das Risiko auf 1 % (wobei die Zeugin 0,5 % nannte) eingestuft hat. Weiter besteht kein Streit, dass der Bekl. zu 3 der Kl. erläutert hat, dass es keine Alternative zu dieser Untersuchung nach Ausschöpfung der nichtinvasiven Methoden gibt. Nach übereinstimmenden Aussagen der angehörten Parteien und der Zeugin S. er-folgten keine Ausführungen dazu, wie hoch die Chance ist, mittels der Angiographie die Blutungsquelle zu entdecken. Die weitere Aussage der Zeugin S., dass von vornherein klar war, dass die Blutungsquelle gefunden werde, steht

nicht nur zu ihrer obigen Bekundung, sondern auch zu den Ausführungen der Kl. und des Bekl. zu 3 im Widerspruch. Die Kl. hat in der mündlichen Anhörung vor dem Senat angegeben, dass nicht klar war, dass bei dieser Untersu-chung die Blutungsquelle aufgespürt wird, und hat damit die Darstellung des Bekl. zu 3 bestätigt, dass er diesbezüg-lich keine Garantie gegeben hat.

2. Die Aufklärung durch die Bekl. über die Risiken und Erfolgschancen war inhaltlich ausreichend.

Sinn und Zweck der ärztlichen Aufklärung über die Ri-siken eines bevorstehenden Eingriffes ist es, dem Patien-ten, der selbst bestimmen darf und soll, ob er sich einer Operation unterziehen will, die für seine Entscheidung notwendigen Fakten in einer für den medizinischen Lai-en verständlichen Form mitzuteilen. Erst derart informiert kann er eigenverantwortlich das Für und Wider abwägen. Daraus ergeben sich Folgerungen über Inhalt und Umfang dieser Aufklärung, gleichzeitig aber auch ihre Grenzen (BGH, r + s 1986, 96).

Eine den ärztlichen Heileingriff rechtfertigende Einwil-ligung setzt daher voraus, dass der Patient über den Verlauf des Eingriffes, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche echte Behandlungsalternativen, wobei auch ein Zuwarten oder Verzicht auf eine Operation eine Alternati-ve darstellen kann (vgl. BGH, NJW 1984, 1784), aufgeklärt worden ist.

Die Bekl. haben die Kl. unter Anwendung dieser Grund-sätze hinreichend aufgeklärt, um ihr eine eigenverantwort-liche Entscheidung über die Vornahme der Untersuchung zu ermöglichen.

a) Die Aufklärung, dass es zu der DSA keine Alternative gibt, war zutreffend.

Wie der Sachverständige ausgeführt hat, handelt es sich bei der superfiziellen Siderose um eine seltene Erkrankung, bei der durch Mikrosickerungsblutungen es zu Ablage-rungen auf der Oberfläche des zentralen Nervensystems kommt, wobei die Ablagerung eine toxische Reaktion von Nervenzellen hervorrufen und die Schädigung der Zel-len zu zerebellären Funktionsstörungen, insbesondere zu Hör- und Gleichgewichtsstörungen sowie einer Störung der Geistestätigkeit führt. Der Sachverständige legte weiter dar, dass eine kernspin-angiografische Darstellung für das Auffinden feinerer Gefäßmalformationen nicht ausreicht und daher die konventionelle angiographische Abklärung als Goldstandard in der Abklärung von Blutungsquellen bei der superfiziellen Siderose gilt.

Die Behauptung der Kl., dass die nichtinvasiven Diagno-semöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft gewesen wären, hat der Sachverständige nicht bestätigt. Der Sachverständi-ge konnte den Krankenunterlagen entnehmen, dass bei der Kl. für die Voruntersuchungen das bestmögliche Gerät mit der bestmöglichen Auflösung für die MRT-Angiografie verwendet worden ist.

Nachdem bei den Voruntersuchungen die Blutungsquelle nicht gefunden werden konnte, verblieb die DSA als letzte Möglichkeit, die Blutungsquelle zu entdecken und Ansätze für eine Therapie zu gewinnen, die ein Fortschreiten der Krankheit verhindert.

b) Die Aufklärung über die Erfolgschancen des diagnos-tischen Eingriffs ist nicht zu beanstanden.

Der Bekl. zu 3 hat gegenüber der Kl. im Rahmen des Aufklärungsgesprächs die Untersuchung als Versuch, die Blutungsquelle zu finden, dargestellt und keine Zahlen ge-nannt, d. h. keine näheren Angaben über die Erfolgschance ihr gegenüber geäußert. Grundsätzlich ist die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit eines Eingriffs für die Ent-scheidung des Patienten, ob er den Eingriff vornehmen lässt oder nicht, ein gewichtiges Kriterium und muss daher Be-standteil der Aufklärung sein. Voraussetzung ist allerdings, dass eine Aussage – sei es über die generelle oder indivi-duelle Chance – überhaupt getroffen werden kann. Sofern

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keine belastbaren Fallzahlen vorhanden sind oder der Er-folg so sehr von individuellen Faktoren abhängt, dass auf allgemeine statistische Erhebungen und Erfahrungen nicht zurückgegriffen werden kann, kann und darf ein Arzt in einem Aufklärungsgespräch keine Zahlen ins Blaue hinein benennen. Ein Arzt würde seine Pflicht, den Patienten zu-treffend und sachlich aufzuklären, verletzen, wenn er ohne wissenschaftliche Erkenntnis oder eigene klinische Erfah-rungen eine Erfolgswahrscheinlichkeit eines Eingriffes an-gibt. Wenn keine fundierten Aussagen über eine generelle oder individuelle Erfolgschance der Untersuchung möglich sind, reicht die Aufklärung über die Notwendigkeit des di-agnostischen Eingriffs als letzte Möglichkeit und letzten Versuch, einen Ansatz für die Behandlung der schweren und fortschreitenden Erkrankung zu finden, nach Auffas-sung des Senates aus.

Den Ausführungen des Sachverständigen kann nicht ent-nommen werden, dass eine konkrete Aussage dahingehend getroffen werden kann, dass die Untersuchung sehr selten zu[m] Auffinden kleinerer Blutungsquelle[n] führt. Zwar hat der Sachverständige sowohl bei der Anhörung vor dem LG als auch vor dem Senat betont, dass man mithilfe der Angiographie die Blutungsquelle selten oder hochgradig selten findet, hat jedoch auf Nachfragen vertieft dargelegt, dass es über die Erfolgschance keine verlässlichen Zahlen gibt und man im klinischen Alltag den Patienten seriös keine Zahlen über die Chance, mit Hilfe der DSA die Blu-tungsquelle zu finden, benennen könne. Vor dem Hinter-grund, dass es sich bei der superfiziellen Siderose um eine äußerst seltene Krankheit handelt, sind [die] Ausführungen des Sachverständigen gut nachvollziehbar, dass keine wis-senschaftlich begründeten oder auch nur durch klinische Erfahrung gewonnenen Aussagen über die Erfolgschance der Untersuchung möglich sind. Es konnte daher von den Bekl. nicht verlangt werden, die Erfolgschancen näher dar-zustellen oder gar zu beziffern. Nach Auffassung des Senates wäre im Gegenteil eine nicht wissenschaftlich begründete und auch nicht durch belastbare eigene klinische Erfahrung belegte Aussage über die Erfolgschancen angreifbar, da sie sachlich unzutreffend wäre.

c) Die Kl. ist hinreichend über das Risiko eines Schlag-anfalles aufgeklärt worden. Dies ergibt sich aus dem vorge-legten Aufklärungsbogen sowie der Anhörung der Parteien und der Aussage der Zeugin S. Der Sachverständige hat eine Komplikationsrate von 0,5 % als realistisch bewertet.

III. Es konnte daher dahingestellt bleiben, inwieweit die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Kl. auf den wäh-rend der DSA erlittenen Schlaganfall und inwieweit auf die fortschreitende Siderose zurückzuführen sind.

B.-D. [Nebenentscheidungen]

Anmerkung zu OLG München, Urt. v. 31. 5. 2012 – 1 U 3884/11 (LG München I)

Peter Wigge und Jan Harald Schütz

1. Inhalte der Aufklärung

Von der sog. therapeutischen Aufklärung, welche den Pa-tienten über prä- sowie postoperative Verhaltensmaßregeln zur Gewährleistung des Heilerfolgs („Patienten-Compli-ance“) informieren soll, ist die bereits erwähnte Selbstbe-stimmungsaufklärung (auch Eingriffsaufklärung genannt)

zu unterscheiden. Letztere untergliedert sich wiederum in die Diagnose-, Verlaufs- und Risikoaufklärung.

Die Diagnoseaufklärung, das heißt die Mitteilung des Befundes sowie die aus ihr resultierenden Prognosen, ist der Ausgangspunkt einer jeden Behandlung. Sie umfasst dabei auch die Mitteilung darüber, wie „sicher“ die Diagnose ist, da die Entscheidungsgrundlage des Patienten bei einer reinen Verdachtsdiagnose eine gänzlich andere ist, als bei einer exakten Diagnose. Davon zu trennen ist die Ver laufs-auf klärung. Sie erstreckt sich auf Art, Umfang und Durch-führung sowie die Indikation des beabsichtigten Eingriffs. Der Arzt muss seinem Patienten in diesem Zusammenhang ebenfalls seinen nach dem jeweiligen Stand des ärztlichen Wissens prognostizierbaren weiteren Gesundheitsverlauf ohne medizinische Behandlung im Vergleich zu seiner ge-sundheitlichen Situation nach erfolgtem Eingriff darlegen. Im Mittelpunkt der Aufklärungsproblematik steht die Ri-sikoaufklärung, welche den Patienten über die sich aus dem Eingriff ergebenden Belastungen und Komplikationen, die seine Lebensführung beeinflussen können, unterrichten soll. Deswegen muss mit dem Patienten neben den Erfolgs-chancen ebenso das Risiko des Fehlschlagens des Eingriffs erörtert werden, welches sich auch bei Beachtung der gebo-tenen Sorgfalt und fehlerfreier ärztlicher Behandlung nicht immer gänzlich vermeiden lässt.

Zur Vollständigkeit sei an dieser Stelle auf die wirtschaft-liche Aufklärungspflicht gem. § 630 c Abs. 3 BGB hinge-wiesen, wonach der behandelnde Arzt, wenn er positiv weiß oder ihm hinreichende Anhaltspunkte bekannt sind, verpflichtet ist, den Patienten darüber zu informieren, dass die voraussichtlichen Behandlungskosten ggf. nicht durch einen Dritten vollständig übernommen werden.

2. Umfang der Aufklärung

Der Umfang der erforderlichen Aufklärung lässt sich pauschal nicht festlegen, sondern hängt weithin von den Umständen des einzelnen Falles ab 1. Ausgangspunkt ist wiederum der Schutzzweck der Aufklärung: das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Der Patient muss Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung erfassen und das Für und Wider so verstehen können, dass ihm eine verständige Abwägung und dadurch die Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts möglich ist 2. Deswegen muss der behandelnde Arzt als primär Aufklärungspflichtiger zunächst in einem direkten Gespräch mit dem Patienten als Aufklärungsadressaten ermitteln, in-wieweit eine Aufklärung notwendig, zumutbar und gewollt ist, wobei er insbesondere die persönlichen Bedürfnisse und Eigenarten berücksichtigen muss. Mithin gilt das Prinzip der patientenbezogenen Information. Für die Risikoaufklä-rung folgt daraus einerseits, dass eine exakte medizinische Beschreibung mit Darstellung sämtlicher Erscheinungsfor-men der in Betracht kommenden Risiken nicht erforder-lich ist. Andererseits ist eine solche Grundaufklärung nur erteilt, wenn dem Patienten ein zutreffender Eindruck von der Schwere des Eingriffs und von der Art der Belastungen vermittelt wird, die für seine körperliche Integrität und Le-bensführung auf ihn zukommen.

Die Anforderungen an den Umfang der Aufklärung stei-gen somit mit den Risiken, die mit dem Eingriff verbunden sind 3. Entscheidend ist dabei primär die Schwere eventuel-ler Schäden infolge des Eingriffs für die Lebensführung des Patienten sowie der Umstand, dass ein Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet 4. Erst nachrangig ist auf die Komplika-

Rechtsanwalt Peter Wigge, Fachanwalt für Medizinrecht, Jan Harald Schütz, Wiss. Mitarb., Rechtsanwälte Wigge, Scharnhornststraße 40, 48151 Münster, Deutschland

Rechtsprechung606 MedR (2013) 31: 606–608

1) Vgl. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Aufl. 2009, S. 108 f.

2) Vgl. BGHZ 29, 176, 180; BGHZ 166, 336, 339.3) Vgl. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Aufl.

2009, S. 110.4) Vgl. BGH, NJW 2006, 2108, 2109.


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