Chatten, Bloggen, Simsen, Gamen…Wie nutzen Jugendliche das Web 2.0?
Dr. Jan Schmidt
Senior Researcher für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation
Mainz, 01.10.2008
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Was wäre, wenn es kein Internet gäbe?
• „Ich glaube, man würde damit klar kommen. Aber wenn man wüsste, dass es das mal gab und dann abgeschafft wird, ich glaub, dann würde ich durchdrehen. [- Warum? -] Ich müsste dann auf Youtube-Videos und so verzichten, und die sind schon witzig. Oder Chat und so.“ [Mädchen, 14 Jahre]
• „Bei mir ist es, ich nutze halt das Internet einerseits sehr viel zur Kommunikation – Messenger läuft bei mir fast 24 Stunden am Tag, SchülerVZ ist natürlich auch hoch frequentiert. Aber zum Zweiten nutze ich das auch sehr viel, um mir halt Informationen zu beschaffen, die ich brauche.“ [Junge, 17 Jahre]
• „Es geht auch ohne Internet, man kann ja auch was machen, was man nicht im Internet macht. Man kann zum Beispiel Playstation spielen, oder Nintendo DS, es gibt alles mögliche. Man muss nicht immer in Internet rennen, sonst is man n Internet-Freak.“ (Mädchen, 13 Jahre)
[Zitate aus Gruppendiskussionen mit Jugendlichen in Hamburg und im Emsland]
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Worüber ich heute spreche
1. Schlaglicht: Wie nutzen Jugendliche das Internet?
2. Analyse: Worin besteht der Reiz des Web 2.0?
3. Ausblick: Wie verändert sich unser Verständnis von Privatsphäre?
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Bindung an Medien
25
22
18
15
9
6
4
0 5 10 15 20 25 30
Computer
Internet
MP3-Player
Fernseher
Bücher
Radio
Print kombiniert
• Computer und Internet sind für fast die Hälfte der 12-19jährigen in Deutschland unverzichtbares Medium
Abb. 1: Am wenigsten kann ich verzichten auf… (2007; in %)
Quelle: JIM-Studie 2007
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Nutzung des Internet
• Jugendliche nutzen das Internet vorwiegend als Unterhaltungs- & Kommunikationsmedium
• Instant Messaging unter Teenagern verbreiteter als E-Mail
58
18
24
75
72
85
19
62
18
82
25
30
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
überwiegend zur Unterhaltung
überwiegend um Informationen zu erhalten
sowohl als auch
Foren/Newsgroups/Chatten
Instant Messaging
14-19 Jahre
Onliner gesamt
Abb. 2: Internetnutzung (allgemein bzw. mindestens wöchentlich; in %)
Quelle: ARD/ZDF Onlinestudie 2008
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Junge Nutzer
• Web 2.0 wird bislang nur von Minderheit aller Onliner genutzt - allerdings deutlich überproportional von jungen Personen, insbesondere von Teenagern
0102030405060708090
100
BeruflicheNetzwerkplattformen (6%)
Private Netzwerkplattformen(25%)
Videoportale (51%) Wikipedia (60%)
14-19 20-29 30-39 40-49
50-59 60+
Abb. 3: Nutzung von Web 2.0-Anwendungen nach Altersgruppen (mindestens selten; in %)
Quelle: ARD/ZDF Onlinestudie 2008
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Was macht den Reiz des Web 2.0 aus?
Web 2.0 verändert Praktiken des
www.flickr.com/photos/44029537@N00/12760664/
– Identitätsmanagements (Darstellung individueller Interessen, Erlebnisse, Meinungen, Kompetenzen, etc.)
http://flickr.com/photos/mylesdgrant/495698908/
– Beziehungsmanagements (Pflege von bestehenden und Knüpfen von neuen Beziehungen)
http://www.flickr.com/photos/axels_bilder/1267008046/
– Informationsmanagements (Selektion und Weiterverbreitung von relevanten Daten, Informationen, Wissen- und Kulturgütern)
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Web 2.0 und Privatsphäre
Identitäts- und Beziehungsmanagement unterstützt
1. Vorrangig Pflege von sozialen Netzwerken (Peer Groups), in geringerem Maß auch Aufbau neuer Kontakte
2. Entstehen von Öffentlichkeiten unterschiedlicher Reichweite, insbesondere von persönlichen Öffentlichkeiten, in denen Themen von persönlicher Relevanz für (in der Regel) kleine Publika behandelt werden
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Beispiel Netzwerkplattform
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Web 2.0 und Privatsphäre
Identitäts- und Beziehungsmanagement unterstützt
1. Vorrangig Pflege von sozialen Netzwerken (Peer Groups), in geringerem Maß auch Aufbau neuer Kontakte
2. Entstehen von Öffentlichkeiten unterschiedlicher Reichweite, insbesondere von persönlichen Öffentlichkeiten, in denen Themen von persönlicher Relevanz für (in der Regel) kleine Publika behandelt werden
Indem Menschen im Internet Aspekte ihrer Person für andere zugänglich machen, verschieben sich Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen
– Besonderheiten der onlinevermittelten Öffentlichkeiten (nach Danah Boyd)– Dauerhaft– Durchsuchbar – Inhalte kopierbar– Unsichtbares Publikum
Diese Verschiebung erzwingt eigene Praktiken des „privacy management“, also der Regulierung des Zugangs zu Informationen über die eigene Person
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„Reale Welt“: Kontextabhängige Selbstpräsentation
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Differenziertes Identitäts- und Beziehungsmanagement 1
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Differenziertes Identitäts- und Beziehungsmanagement 2
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Fazit und Ausblick
1. Jugendliche und junge Erwachsene gehören zu den stärksten Nutzergruppen des Web 2.02. Neben der Unterhaltungsfunktion (Youtube o.ä.) schätzen sie vor allem die Möglichkeit, sich
selbst mit ihren Interessen, Hobbies o.ä. zu präsentieren und so bereits bestehende soziale Beziehungen über einen weiteren Kanal zu pflegen
3. Im Zuge dieser Entwicklung verschieben sich die Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen
Wir befinden uns mitten in einem Prozess der gesellschaftlichen Aushandlung von Routinen, Konventionen und Erwartungen über den Umgang mit diesen Grenzverschiebungen der Privatsphäre, der unterschiedliche Fragen aufwirft:
- Werden persönliche Daten bewusst oder unbewusst veröffentlicht? - Werden persönliche Daten von mir selbst oder Dritten veröffentlicht?- Sind persönliche Daten flüchtig oder persistent?- Inwiefern reguliert Software, inwiefern wird Software reguliert?
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Das Ende der Privatsphäre?
http://www.colinupton.com/illus/images/cyberillo1.jpg
http://www.flickr.com/photos/mrlerone/2360572263/
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Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Dr. Jan Schmidt
Hans-Bredow-Institut
Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg
www.hans-bredow-institut.de/webzweinull
www.schmidtmitdete.de
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Kontinuität und Koexistenz#17 von 17
Diskussionen um das Web 2.0 betonen (vermeintlich revolutionäre) Brüche der Internet-Entwicklung, doch tatsächlich finden sich zahlreiche Kontinuitäten in der Nutzung des Internet, das sich in den vergangenen zehn Jahren als Medium für Kommunikation, Information, Unterhaltung und Transaktionen etabliert hat
WeblogsSNS beruflich
SNS privat VideoportaleWikipedia Foren/Chats
Homebanking
0102030405060708090
100Nutzung ausgewählter Internetanwendungen (mindestens wöchentlich; in %)
Quelle: ARD/ZDF Onlinestudie 2008; SNS = „Social Network Sites“ - Netzwerkplattform (z.B. studiVZ)
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Passiv vs. Aktiv#18 von 17
Mehrzahl der Nutzer von Web 2.0-Anwendungen bleibt passiv-rezipierend; nur eine Minderheit trägt mit eigenen Inhalten bei
Quelle: Eigene Berechnung auf Grundlage der ARD/ZDF Onlinestudie 2008
70
30
Aktiv Passiv
Fotoportale (23%)
6
94
Aktiv Passiv
Videoportale (51%)
95
5
Aktiv Passiv
Wikipedia (60%)
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Weiterführende Literatur
– ARD/ZDF-Onlinestudie 2008– Van Eimeren, Birgit/Frees, Beate (2008): Internetverbreitung: Größter Zuwachs bei Silver-Surfern.
Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2008. In: Media-Perspektiven, 7/2008. Online: http://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/Eimeren_I.pdf
– Fisch, Martin/Gscheidle, Christoph (2008): Mitmachnetz Web 2.0: Rege Beteiligung nur in Communitys. In: Media-Perspektiven, 7/2008. Online: http://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/Fisch_II.pdf
– Boyd, Danah (2007): Incantations for Muggles: The role of ubiquitious Web 2.0 technologies in everyday life. Vortrag bei der O‘Reilly Emerging Technology Conference, San Diego, 28.3.2007. Online: http://www.danah.org/papers/Etech2007.html
– Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2007): JIM-Studie 2007. Jugend, Information, (Multi-Media). Stuttgart. Online: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf07/JIM-Studie2007.pdf
– Schmidt, Jan: Was ist neu am Social Web? Soziologische und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen. In: Zerfaß, Ansgar; Martin Welker; Jan Schmidt (Hrsg.) (2008): Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web. Zwei Bände. Köln: Van Halem Verlag