Arbeits- und Sozialrecht aktuell 2017
Ihr Referent: Urs Peter Janetz Fachanwalt für Arbeitsrecht
Willkommen im ifb-Seminar:
Der neue § 611a BGB
§ 611a Arbeitsvertrag
(1) 1Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung
weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. 2Das
Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. 3Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine
Arbeitszeit bestimmen kann. 4Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der
Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. 5Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine
Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. 6Zeigt die tatsächliche Durchführung des
Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeich-
nung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
=> Anspruchsgrundlage ist nun der Arbeitsvertrag i.V.m. § 611a BGB (nicht mehr § 611 BGB)
Schriftform / Textform (AGB-Recht), § 309 Nr. 13 BGB (neu)
AGB • Gilt für neue AGB-Arbeitsverträge
• oder für alte AGB-Arbeitsverträge bei deren Änderung (str.)
Änderung: • Es darf keine strengere Form als Textform
vereinbart werden, außer in Verträgen, die notariell beurkundet werden müssen
Textform, §126b BGB
• Bedarf keiner Unterschrift
• z.B. Fax (auch ohne Unterschrift), maschinelle Briefe, E-Mail, Telegramm, SMS
Auswirkungen im ArbeitsR
• z.B. für Ausschlussfristen / Verfallklauseln, bei denen bisher häufig Schriftform vorgesehen war
• z.B. Vertragsänderungsklauseln
Reform der Entsenderichtlinie (EU-Kommission)
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Neu: 3 Hauptbereiche:
* Entlohnung entsandter AN (inkl. Unterauftragsvergabe)
* Vorschriften für Leih-AN
* Langfristige Entsendung
Entsandte AN sollen i.d.R. in den Genuss der gleichen Vorschriften über Entlohnung & Arbeitsbedingungen kommen, wie lokale AN, u.U. auch mehr als der (lokale) Mindestlohn, wenn AN vor Ort mehr erhalten
Im Aufnahmeland geltende Leih-AN-Vorschriften finden auch auf den dorthin entsandten AN Anwendung
Gesetz zur Lohngleichheit (Entwurf vom 11.01.2017)
Ziel: Anspruch von Frauen auf gleiches Entgelt bei gleicher Arbeit
• AGeb mit mehr als 200 Beschäftigten müssen auf Anfrage erläutern, nach welchen Kriterien sie wie bezahlen (§§ 10-16 LohnGG)
• § 13 LonhGG für BR / BA interessant
Individueller Auskunftsanspruch
• Private AGeb mit mehr als 500 AN sollen regelmäßig ihre Entgeltstrukturen auf Einhaltung der Entgeltgleichheit überprüfen
Betriebliches Verfahren zur Prüfung / Herstellung von Entgeltgleichheit
• AGeb mit mehr als 500 AN, die nach §§ 264, 289 HGB lageberichtspflichtig sind, müssen regelmäßig über den Stand der Gleichstellung & Entgeltgleichheit berichten.
• Die Berichte sind für alle einsehbar
Bericht zur Gleichstellung & Entgeltgleichheit
Schaffung einer klaren Rechtslage & Definition wesentlicher Begriffe
AÜG-Reform ab 01.04.2017 (1) - Höchstüberlassungsdauer
Höchst-über-
lassungs-dauer
§ 1 Abs. 1b AÜG n.F.:
Grundsätzlich 18 Monate
Personenbezogen(!)
§ 1 Abs. 1b AÜG n.F.:
Grundsätzlich 18 Monate
Personenbezogen(!)
Tarifvertragliche Ausnahme:
Verlängerung für tarifgebundene Entleiher, wenn der angewendete TV die Verlängerung erlaubt und konkrete Höchstüberlassungsdauer benennt
Tarifvertragliche Ausnahme:
Verlängerung für tarifgebundene Entleiher, wenn der angewendete TV die Verlängerung erlaubt und konkrete Höchstüberlassungsdauer benennt
Betriebsverfassungsrechtliche Ausnahme:
Auch nicht tarifgebundene AGeb können durch BV tarifliche Öffnungsklausel beanspruchen. Maximal jedoch 24 Monate, sofern TV nicht längere
Höchstdauern normiert.
Unterfällt der Betrieb mehreren TV, ist der repräsentative anzuwenden
Betriebsverfassungsrechtliche Ausnahme:
Auch nicht tarifgebundene AGeb können durch BV tarifliche Öffnungsklausel beanspruchen. Maximal jedoch 24 Monate, sofern TV nicht längere
Höchstdauern normiert.
Unterfällt der Betrieb mehreren TV, ist der repräsentative anzuwenden
3-monatige Unterbrechungszeit
3-monatige Unterbrechungszeit
Anrechnung auch von Zeiten in denen der Leih-AN schon vorher für anderen Verleiher im Entleiherbetrieb eingesetzt wurde
Anrechnung auch von Zeiten in denen der Leih-AN schon vorher für anderen Verleiher im Entleiherbetrieb eingesetzt wurde
„Nullstellung“ zum 31.03.2017 „Nullstellung“ zum 31.03.2017
Folge der Überschreitung:
Fiktion eines Arbeitsverhältnisses des LeihAN im Einsatzbetrieb, wenn der Leih-AN nicht widerspricht bzw. eine „Festhaltenserklärung“ entgegensetzt.
Folge der Überschreitung:
Fiktion eines Arbeitsverhältnisses des LeihAN im Einsatzbetrieb, wenn der Leih-AN nicht widerspricht bzw. eine „Festhaltenserklärung“ entgegensetzt.
Festhaltenserklärung des Leih-AN (§9 II AÜG n.F.):
* Zulässig erst wenn Monatsfrist nach §9 I Nr.1-1b AÜG n.F. angelaufen
* Leih-AN legt Erklärung persönlich bei BAfA vor
* Bestätigung BAfA über Identität Leih-AN und Vorlagedatum
Zugang bei Ver- oder Entleiher spätestens 3 Tage nach Vorlage bei BAfA
Festhaltenserklärung des Leih-AN (§9 II AÜG n.F.):
* Zulässig erst wenn Monatsfrist nach §9 I Nr.1-1b AÜG n.F. angelaufen
* Leih-AN legt Erklärung persönlich bei BAfA vor
* Bestätigung BAfA über Identität Leih-AN und Vorlagedatum
Zugang bei Ver- oder Entleiher spätestens 3 Tage nach Vorlage bei BAfA
AÜG-Reform ab 01.04.2017 (2) - Gleichstellungsgrundsatz
Gleichstellungsgrund-satz, § 8 AÜG n.F.
• „Equal Treatment & Equal Pay“- Grundsatz nach § 10 IV AÜG a.F.: Problem: Ermittlung des Vergleichsentgelts und dessen Bestandteile
• Vermutung des neuen § 8 AÜG: Enthält Leih-AN das für den Entleiherbetrieb bzw. dessen Branche (bei nicht tarifgebundenem Entleiher) übliche Tarifentgelt wird vermutet, dass „Equal Pay“ eingehalten ist. Für Sachbezüge im Entleiherbetrieb kann Wertausgleich in € erfolgen.
Ausnahme von Equal Pay, § 8 II AÜG n.F.
• Abweichung von Equal Pay (nicht Equal Treatment) durch TV zulässig, soweit der TV nicht die Mindeststundenentgelte der VO zu §3a II AÜG unterschreitet. Unterschreitet der TV die Mindeststundenentgelte, verbleibt es bei Equal Pay, d.h. nicht nur „Aufstockung“ zu Mindeststundenentgelt.
• TV kann in seinem Geltungsbereich auch von nicht tarifgebundenen AN / AGeb vereinbart werden.
Dauer der Ausnahmemöglichkeiten
von § 8 II AÜG n.F. gem. § 8 IV AÜG n.F.
• Grds. maximal 9 Monate
• Ausnahmsweise länger, wenn: - nach spätestens 15 Monaten ein „Equal-Pay“-Entgelt erreicht wird und - stufenweise Entgelterhöhung spätestens nach einer 6-wöchigen Einarbeitungszeit erfolgt
• TV kann in seinem Geltungsbereich auch von nicht tarifgebundenen AN / AGeb vereinbart werden
• Vorbeschäftigungszeiten bei demselben Entleiher, die nicht mindestens 3 Monate vor Einsatzbeginn liegen, sind hier anzurechnen
„Drehtürklausel“, § 8 III AÜG n.F.
• Abweichung gem. § 8 II AÜG n.F. ist nicht zulässig, wenn Leih-AN in den letzten 6 Monaten vor der Überlassung an den Entleiher als AN beim Entleiher oder einem Konzernunternehmen (§18 AktG) des Konzerns, dem der Entleiher angehört, ausgeschieden ist.
AÜG-Reform ab 01.04.2017 (3) – weitere wichtige Änderungen
Einsatz als Streikbrecher
• ist gem. § 11 V AÜG n.F. nicht mehr zulässig
• Auch wenn Leih-AN nicht als Streikbrecher eingesetzt wird, darf er im bestreikten Betrieb die Arbeitsleistung verweigern
Schwellenwerte im BetrVG
• Gem. § 14 II 4 AÜG n.F. zählen Leih-AN (ausgenommen § 112a BetrVG) bei Grenzwerten im BetrVG, EBRG, WO dazu
• Auch bei Unternehmensmitbestimmung (§ 14 II 5 AÜG n.F., aber erst ab einer Einsatzdauer von mehr als 6 Monaten (Satz 6)
Informationsanspruch BR bei
Fremdpersonaleinsatz
• §14 III AÜG: MBR (nur) bei Leih-AN gem. §99 BetrVG
• §80 II BetrVG n.F.: BR kann nun auch Verträge von Beschäftigten einfordern, die nicht AN des Betriebs sind (war bisher Rspr. des BAG)
AÜG-Reform ab 01.04.2017 (4) – Fallschirmlösung bei Werkverträgen
„Alte Praxis“
Problematik:
Agentur oder Personaldienstleister schließt Werk- oder Dienstvertrag ab.
Tatsächlich handelt es sich aber um AN-Überlassung
Folge (§10 AÜG a.F.):
Arbeitsverhältnis zwischen Leih-AN und Entleiher gilt als zustande gekommen.
Lösung:
Vorsorglich beantragte Verleiherlaubnis dienst als „Fallschirm“. Arbeitsverhältnis
wird notfalls im Nachhinein „umdeklariert“
Neuregelung, §11 AÜG n.F.
§11 II 3 AÜG n.F.: Leih-AN muss vor jedem Einsatz darauf hingewiesen werden, dass Leih-Arbeit vorliegt
Verdeckte Überlassung mit Erlaubnis wird der Überlassung ohne Erlaubnis
gleichgestellt. Es entsteht in beiden Fällen ein ArbVerh zwischen Leih-AN und Entleiher, §§9 Nr.
1a, 10 I 2 AÜG n.F.
Leih-Arbeit ohne ausdrückliche Bezeichnung als solche stellt eine OWi
gem. § 16 I Nr. 8 AÜG mit einer Geldbuße bis 1.000 € dar.
EU-Datenschutzverordnung (EU-DSGVO)
Ab wann? • Ab 25.05.2018: Einheitlicher Datenschutzstandard für ganz Europa und
damit weitgehende Ablösung des BDSG
Inhalte z.B.
• „Recht auf Vergessen“
• „Anspruch auf Datenübertragbarkeit“
• Zentrale Zusammenfassung allgemeiner Grundsätze
• Verpflichtung zur Datenminimierung, d.h. jedes erhobene Einzeldatum ist darauf zu prüfen, ob es wirklich für den Verarbeitungszweck erforderlich ist; also keine zweckfreie Vorratsdatenspeicherung
• Sehr hohe Geldbußen (bis 4 % des weltweiten Vorjahresumsatzes bzw. 20 Mio. Euro)
Gefahren
• Zunahme von europa- & weltweiten Datenverkehrs, da Zweck nicht nur Schutz persönlicher Daten, sondern auch freier Datenverkehr ist
• 99 textlich noch unverständlichere Artikel statt 48 unverständliche Paragraphen im BDSG
Nationaler Gesetzgeber?
• Ist an einigen Punkten gefordert, hat aber wegen der Bundestagswahl 2017 nur wenig Zeit
• Hat nur wenig Einflussmöglichkeiten
Betriebsräte • Sollten sich schnell einarbeiten und die neuen Regelungen schon in BVn
berücksichtigen. Insbesondere IT-BVn
Bundesteilhabegesetz (BTHG)
BTHG – Neue Struktur des SGB IX (n.F. mit neuen §§)
Teil 1
• Für alle Reha-Träger geltendes Reha- & TeilhabeR inkl. Verfahren
• Keine Splittung mehr zwischen verschiedenen Reha-Trägern
Teil 2 • EingliederungshilfeR
• bisher im SGB XII, nun nicht mehr Sozialhilfe- sondern Leistungsrecht
Teil 3 • SchwerbehindertenR (bisher Teil 2
des SGB IX)
• §§-Nummern ändern sich
Inkrafftreten der Änderungen des BTHG
30.12.2016
• Art. 2 BTHG: Neue Regelungen zur Stärkung der Rechte der SBV
• Art. 18 BTHG: Anpassungen im BetrVG zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen
01.01.2018
• Art. 1 BTHG: Große SGB IX-Reform
• Erst zum 01.01.2020: Teile der reformierten Eingliederungshilfen
• Art. 19 BTHG: Redaktionelle Änderungen der auf das SGB IX verweisenden Gesetze
Wandel der SBV-Rechte durch das BTHG
§95 II 3 SGB IX n.F. • Kündigung eines Schwerbehinderten ohne Beteiligung der SBV ist unwirksam
Klarstellung des Bundestagsausschusses:
• SBV hat bei fehlender Beteiligung der SBV (schon nach alter Rechtslage) einen Unterlassungsanspruch gegen den AGeb und kann ein Ordnungsgeld gegen den AGeb beantragen, welches nicht (wie bei § 23 III BetrVG auf 10.000 € b beschränkt ist)
Freistellung • Vollständige Freistellung der Vertrauensperson nicht mehr erst ab 200
Schwerbehinderten / Gleichgestellten, sondern bereist ab 100
Bürokraft • Nunmehr auch Anspruch auf Bürokraft bei Erforderlichkeit
Übergangsmandat bei Umstrukturierungen
• Nunmehr auch eigenes Übergangsmandat der SBV bei Umstrukturierungen, wie der BR es gem. § 21a BetrVG hat
Vereinfachte Wahl der Stufenvertretungen
• Wahl der Gesamt-, Konzern-, Bezirks-, Haupt-SBV nunmehr in jedem fall im vereinfachten Wahlverfahren, auch wenn keine räumliche Nähe vorliegt (war Voraussetzung nach bisheriger BAG-Rechtsprechung)
Aufwertung SBV-Stellvertreter
• Verhinderungs-Vertretung wie bei BR: Nunmehr auch bei (direkter) persönlicher Betroffenheit der Vertrauensperson (§ 94 I 1 SGB IX n.F. entsprechend neu formuliert)
„Heranziehung“ SBV-Stellvertreter
• In größeren Betrieb kann der Stellvertreter nun leichter für Aufgaben herangezogen werden (z.B. Betreuung in einem bestimmten Betriebsteil)
Schulung von Stellvertretern • Bisherige Einschränkung für Schulung des 1. Stellvertreters fallen weg.
• Auch weitere Stellvertreter haben Schulungsanspruch, wenn sie „herangezogen“ werden.
Schulungskosten • Kostentragungspflicht des AGeb auch für Schulung des / der Stellvertreter
klargestellt (§96 VIII 1,1 SGB IX n.F.)
Pflegeversicherung: Neue Pflegegrade (§ 14 SGB XI) ab 2017
Mobilität
• (körperliche Beweglichkeit)
Mobilität
• (körperliche Beweglichkeit)
Kognitive & kommunikative Fähigkeiten
• (verstehen & reden)
Kognitive & kommunikative Fähigkeiten
• (verstehen & reden)
Verhaltensweisen & psychische Problemlagen
• (z.B. Aggressivität, Unruhe)
Verhaltensweisen & psychische Problemlagen
• (z.B. Aggressivität, Unruhe)
Selbstversorgung
• (Körperpflege, An-/Auskleiden, Ernährung)
Selbstversorgung
• (Körperpflege, An-/Auskleiden, Ernährung)
Bewältigung von / & selbständiger Umgang mit krankheits- / therapiebedingten Anforderungen & Belastungen
• (z.B. Medikation, Arztbesuche)
Bewältigung von / & selbständiger Umgang mit krankheits- / therapiebedingten Anforderungen & Belastungen
• (z.B. Medikation, Arztbesuche)
Gestaltung des Alltagslebens & sozialer Kontakte
Gestaltung des Alltagslebens & sozialer Kontakte
Bereiche der
Funktionsstörungen:
In diesen wird der Schweregrad der
Beeinträchtigung erhoben und nach
einem definierten Schema mit Punkten
bewertet.
Daraus ergeben sich sodann im 2. Schritt
die Pflegegrade.
Pflegegrade & Leistungen
Ergänzende Leistungen
Pflegeversicherung - Leistungen