Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen: Stand der gForschung und Bedeutung für die Praxis
Prof. Dr. Andreas Beelmann
Universität Jena, Institut für Psychologieandreas beelmann@uni-jena deandreas.beelmann@uni jena.de
www2.uni-jena.de/svw/intervention_evaluation/
Vortrag auf der SPIN-Abschlusskonferenz am 22.5. in Hannover
Übernahme von Inhalten der Präsentation nur nach Genehmigung und unter Angabe der Quelle
ÜbersichtÜbersicht
1. Entwicklungsorientierte Prävention
2. Ergebnisse der Wirksamkeitsforschung
3. Merkmale erfolgreicher Präventionsarbeit
4. Zusammenfassung und Bedeutung für die PraxisPraxis
Grundannahmen der t i kl i ti t P ä tientwicklungsorientierten Prävention
1. Schwerwiegende Verhaltensprobleme treten nicht plötzlich auf, es gibt Vorläuferprobleme und Risiken, die relativ gut bekannt sindrelativ gut bekannt sind
2. Entwicklungsrisiken und Entwicklungsprobleme k li i E t i kl l fkumulieren im Entwicklungsverlauf
3. Kitas und Schulen als zentrale Bildungsinstitutionen sowie bieten gute Settings, Kommunen günstige Rahmenbedingungen für entwicklungsorientierte PräventionPrävention
4. Lernen findet mit fortschreitender Entwicklung unter l i h i ü ti B di t ttvergleichsweise ungünstigen Bedingungen statt.
Konzepte der Gewalt- und Kriminalitätsprävention
Interventionsebene Beispiele für präventive Maßnahmen
Sozial-, bildungs-, familien-und gesundheitspolitischeMaßnahmen
Maßnahmen zur Reduktion von Armut und Arbeitslosigkeit, allgemein verbesserte Bildungsmöglichkeiten und Gesundheitsversorgung, gesetzlicher Anspruch auf Betreuungsangebote
Polizeiliche und juristische Konsequenter Jugendschutz, hohe Aufklärungsraten bei Straftaten, d i t V fü b k it W ff Ei t k di B tMaßnahmen reduzierte Verfügbarkeit von Waffen, Einsatz szenekundiger Beamte,
verstärkte Polizeistreifen an Kriminalitätsschwerpunkten, Möglichkeiten der technischen Kriminalprävention (z.B. Videoüberwachung), verstärkte Kontrolle von Gewalt in Medien
Entwicklungsorientierte Prävention (Psychosoziale
Systematische soziale Förderung von Kindern und Jugendlichen, Lehrerbildung, Elterntrainingsprogramme; strukturierte Prävention (Psychosoziale
und pädagogische Maßnahmen)
Freizeitpädagogik und attraktive Jugendangebote; Frühfördermaßnahmen, Aufklärungs- und Medienkampagnen gegen Gewalt
Quelle: Beelmann & Raabe, 2007
Meta-analytische Ergebnisse zu Präventionsmaßnahmen bei Ki d d J dli h (B l 2006 )
1 2
Kindern und Jugendlichen (Beelmann, 2006 +)
Effektivität1.2
0.9
hoch
0.6
0.3
mittel
gering
0.0Alle
Programme Dissoziales Verhalten Allg. Entwicklungs-
förderungDrogen Sexueller
MissbrauchInternalisierende Probleme
Ergebnisse aus 28 Meta-Analysen zur Gewalt- und Kriminalitätsprävention (Beelmann & Raabe 2009)
1.0Effektstärke (d )
Kriminalitätsprävention (Beelmann & Raabe, 2009)
0.8 hoch
0.6mittel
0.4
0 0
0.2 gering
0.02 3 4 1 6 8 5 9 7 14 16 19 11 21 12 13 15 17 18 20
KindorientierteProgramme
Eltern- und familienorientierte
Schul- und gemeindeorientierteProgramme
Programmegemeindeorientierte
Programme
Daten aus dem 3-Jahres-Follow-up der Erlangen-Nürnberger Präventions und Entwicklungsstudie (Lösel Beelmann et al 2006)
14
Präventions- und Entwicklungsstudie (Lösel, Beelmann et al., 2006)
Prozent mit multiplen Verhaltensproblemen
11.812
14
8.0 7.88
10
3.2
5.0 5.1
4
6
0
2 TrainingsgruppeKontrollgruppe0
Kindertraining Elterntraining KombiniertesTraining
o t o g uppe
Meta-Analyse deutschsprachiger y p gPräventionsstudien
1. Wirksamkeitsuntersuchung mit mindestens Prä-Post-Design und b h d lt K t ll
Einschlusskriterienunbehandelter Kontrollgruppe
2. Präventive Zielsetzung :• die Verringerung von Verhaltensauffälligkeiten und - störungen
oder• die Verbesserung des Gesundheitsverhaltens• Keine Lernförderung/kognitiven FörderprogrammeKeine Lernförderung/kognitiven Förderprogramme
3. Psychologisch-pädagogische Prävention oder Gesundheitsförderung4. Durchführung der Untersuchung im deutschsprachigen Raum5 Alt d Kli t l bi 18 J h ( f S h l t f b ti t)5. Alter der Klientel bis 18 Jahre (ggf. an Schulstufe u.a. bestimmt)6. Ausreichende statistische Dokumentation der Effekte7. Publikation bis 2010
LiteratursucheLiteratursuche1 D t b k d d hi f1. Datenbanken: psyndex und psychinfo
– Kombination von drei Suchbegriffsgruppen• Inhalt der Maßnahme (Prävention GesundheitsförderungInhalt der Maßnahme (Prävention, Gesundheitsförderung,
Lebenskompetenz etc.), • Alter der Klientel (Kindheit, Adoleszenz etc.) • Evaluationsstudie (Wirksamkeit Erfolg Evaluation etc )• Evaluationsstudie (Wirksamkeit, Erfolg, Evaluation etc.)– Suche nach bestimmten Programmen z.B. Tripel P
2. Manuelle Suche in wichtigen Fachzeitschriften (12) g ( )3. Analyse bestehender Übersichtsarbeiten4. Analyse der Literaturverzeichnisse bereits gefundener
Studien
LiteratursucheCa.
3000 Dokumente
513 nähere Prüfung
k = 202 k = 2k = 92 k = 69
Ausschluss
k 202Methodische Gründe
k 2Nicht beschaffbar
k 92Inhaltliche Gründe
k 69Doppelpublikationen
146 Studien eingeschlossenmit insgesamt 173 Vergleichen (darunter 160 Postvergleiche)
Wirksamkeit nach Art der PräventionDeutschsprachige Präventionsstudien (1971 2010)Deutschsprachige Präventionsstudien (1971-2010)
0.5
0.6
k = 160
0.4
6080% Universell20% Gezielt
0 2
0.3
0.1
0.2
UniversellSelektiv
0.0Nach der Intervention
Indiziert
Quelle: Beelmann, Schmitt & Pfost (2013)
Meta-Analyse deutschsprachige Präventionsstudien(160 Studien von 1971 2010): Erfolgskriterien(160 Studien von 1971-2010): Erfolgskriterien
Quelle: Beelmann, Pfost & Schmitt, 2013
Meta-Analyse deutschsprachiger Präventionsstudien(160 Studien von 1971 2010): Präventionsanlass(160 Studien von 1971-2010): Präventionsanlass
Quelle: Beelmann, Pfost & Schmitt (2013)
Meta-Analyse deutschsprachiger Präventionsstudien (160 St di 1971 2010) P b i h(160 Studien von 1971-2010): Programmbereiche
Quelle: Beelmann, Pfost & Schmitt (2013)
Drei Dimensionen von Programmen:Drei Dimensionen von Programmen:Inhalte, Durchführung und Implementation
Inhaltliche Gestaltung (WAS)
Durchführungskonzept (WIE)
TatsächlicheImplementationGestaltung (WAS) (WIE) Implementation
Präventionsziele Intensität / Modus Methodik / Didaktik
Angebotsstruktur Konzepttreue
Kompetenzen und Defizite (Risiko-und Schutz-
Methodik / Didaktik Beginn / Timing Motivation der
Zielgruppe
Mitarbeit der Teilnehmer Engagement der Anwender Ressourcen
faktoren) Zielgruppe Administratoren
Allgemeine institutionelle Rahmenbedingungen
Politische Unterstützung
Merkmale wirksamer Programme:Merkmale wirksamer Programme:Inhaltliche Konzeption
Gute entwicklungspsychologische Fundierungg p y g g
Bezug zu wichtigen Risiko- und Schutzfaktoren (Entstehungsmodelle)(Entstehungsmodelle)
Kompetenz- /fähigkeitsbezogene Inhalte (z.B. soziale Kompetenz Bildung Erziehungskompetenzen etc )Kompetenz, Bildung, Erziehungskompetenzen etc.)
Multikomponenten- oder Mehrebenen-Modelle (Integration verschiedener Ansätze v a bei(Integration verschiedener Ansätze, v.a. bei Risikogruppen)
Wirksamkeit schulischer Trainingsprogramme nach g p ginhaltlich-konzeptioneller Fundierung
0.7
0.8
0.5
0.6
0.3
0.4
0.1
0.2AnsprechendWenig fundiert
0.0Sozial-
kognitiveSozial-
verhaltenVerhaltens-probleme
Wenig fundiert
FertigkeitenQuelle: Durlak et al. 2011
Merkmale wirksamer Programme gDurchführungskonzept
Strukturiertes, aufeinander aufbauendes Lernen,
Interaktive Durchführung
Hinreichende Intensität
Rechtzeitig und entwicklungsangemessen Rechtzeitig und entwicklungsangemessen
Ausreichende Motivation der Zielgruppe g pp
Effekte eines Programms zur Vorurteilsprävention bei Grundschülern in Abhängigkeit vom Trainingsverhalten der
Kinder (Beelmann et al., 2010)
14
16Kulturelles Wissen
4Soziale Distanz zu Fremdgruppen
12
14
2
3
8
10
1
2
6
8
Pre Post Follow-up0
Pre Post Follow-up
Training Group (Low Off-task)Training Group (High Off-task)Control Group
Training Group (Low Off-task)Training Group (High Off-Task)Control Group
Merkmale wirksamer Programme gImplementationsprobleme (Auswahl)
1. Kommunale/politische EbeneFinanzielle Ausstattung politische Unterstützung vernetzteFinanzielle Ausstattung, politische Unterstützung, vernetzte Angebote, nachhaltige Präventionsstrategien
2 Anbieter-Ebene2. Anbieter-EbeneWahrgenommene Notwendigkeit und Nutzen neuer Maßnahmen, Selbstwirksamkeit, Fähigkeit zur UmsetzungMaßnahmen, Selbstwirksamkeit, Fähigkeit zur Umsetzung (Konzepttreue), persönliches Engagement, Einstellungen zum Programm
3. Institutionelle MerkmaleRessourcen, Arbeitsklima, Entscheidungsprozesse, Koordinations- und Kommunikationsprozesse in den beteiligten Institutionen
Ergebnisse zum Einfluss von Rahmenbedingungen auf die Wirksamkeit von Präventionsprogrammen
0 8
Wirksamkeit von Präventionsprogrammen
0 4
0,6
0,8av
ior
0
0,2
0,4
uden
t Beh
a
0 4
-0,2
0
ange
in S
tu
0 8
-0,6
-0,4
Cha
Geringe UnterstützungHohe Unterstützung
-0,8Aggression Verhaltens-
regulationSozial-
emotionaleKompetenz
Aufmerksam-keitskontrolle
Quelle: Kam, Greenberg & Walls (2003)
Wirksamkeit schulischer Trainingsprogramme mit undWirksamkeit schulischer Trainingsprogramme mit und ohne Implementationsprobleme
0 8
1.0
0 6
0.8
0.4
0.6
0.2K i
0.0Fertigkeiten Sozialverhalten Verhaltens-
KeineProbleme erwähnt
problemeQuelle: Durlak et al. 2011
Ergebnisse der High/Scope Study: Kriminalität (bis 40 Jahre)
P GProgramm-Gruppe
Kontrollgruppe
48%33%
Gewalt
14%Drogen
34%
36%
Drogen
58%36%
Eigentum
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
Kosten Nutzen AnalyseKosten-Nutzen Analyse
Sozialsystem Bildung Verdienst Steuern Kriminalität
NutzenNutzen
166
Kosten
Gesamtnutzen = $258,888; $17.07 pro investiertem Dollar
$15.
1Kosten Einsparungen gehen zurück auf:93% männliche, 7% weibliche Teilnehmer
$0 $50.000 $100.000 $150.000 $200.000 $250.000 $300.000
Handlungsempfehlungen1. Entwicklungsorientierte Prävention lohnt sich
2 Präventionsmaßnahmen sind aber nicht voraussetzungsfrei2. Präventionsmaßnahmen sind aber nicht voraussetzungsfrei (d.h. keine einfache Programm-Anwendung möglich)
3 Ein fundiertes Präventionskonzept sowie günstige3. Ein fundiertes Präventionskonzept sowie günstige Rahmenbedingungen und politische/administrative Unterstützung sind Kernelemente erfolgreicher g gPräventionsarbeit
4 Von reinen Pilotprojekten oder kurzfristigen4. Von reinen Pilotprojekten oder kurzfristigen Präventionsprojekten ist abzuraten
5 Aufbau von Präventionsnetzwerken und Erarbeitung einer5. Aufbau von Präventionsnetzwerken und Erarbeitung einer lokalen Präventionsstrategie unter Einbezug der Beteiligten mit wissenschaftlicher Beratung g g
6. Kritisch-evaluative Haltung zur Qualitätssicherung nötig
Erfolgreiche Prävention
Wi h ft P h i l P i /P litikWissenschaft Psychosoziale Praxis/Politik
Entwicklung des Präventions-
konzepts
Implementationin die Regelversorgung
(Kita Schule u a )
Erprobung des Präventions-
konzeptskonzepts (Kita, Schule, u.a.)konzepts
LiteraturLiteratur Beelmann, A: (2006). Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse und Implikationen der integrativen Forschung. Zeitschrift für Klinischen Psychologie und Psychotherapie, 35, 152-162.
Beelmann, A. (2012). Perspektiven entwicklungsorientierter Kriminalprävention Forensische Psychiatrie Psychologie Kriminologie 6Kriminalprävention, Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 6, 85-93.
Beelmann, A., Pfost, M. & Schmitt, C. (2013). Prävention und G dh it fö d b i Ki d d J dli h Ei M t A l dGesundheitsförderung bei Kindern und Jugendlichen. Eine Meta-Analyse der deutschsprachigen Wirksamkeitsforschung. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie (im Druck).
Beelmann, A. & Raabe, T. (2007). Dissoziales Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Erscheinungsformen, Entwicklung, Prävention und Intervention. Göttingen: Hogrefe.
Beelmann, A. & Raabe, T. (2009). The effects of preventing antisocial behavior and crime in childhood and adolescence. Results and implications of meta-analysis and research reviews European Journal of Developmentalof meta analysis and research reviews. European Journal of Developmental Science, 3, 260-281.