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  • 8/3/2019 Zur Reform der Mehrwertsteuer

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    Professor Dr. Rolf Peffekoven

    Zur Reformder MehrwertsteuerZurck zu einer generellen Konsumbesteuerung

    Esel

    9%MwSt.

    aulesel

    7%MwSt.

    DasRichtigeTun.de/Mehrwertsteuer

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    Vorwort

    Noch nie war unser Steuerrecht so wenig durchschaubar wie heute. Es ist ungerecht, hemmt Wachstum

    und erzeugt teure Brokratie. Vertrauen in gerechte Verhltnisse schat nur ein klares, nachvollziehbares

    Steuersystem. Dazu gehrt auch eine einache Mehrwertsteuer.

    Eine Reorm ist dringend geboten. Denn r Unternehmen wie Behrden bedeuten die vielen und teilweise

    absurden Ausnahmen und Sonderregelungen erheblichen organisatorischen Mehrauwand und vielach

    Rechtsunsicherheit. Der angestrebte soziale Ausgleich durch die gespaltenen Steuerstze kommt ot nicht

    zum ragen, weil eben nicht nur d ie Bezieher niedriger Einkommen, sondern auch Spitzenverdiener von der

    Subvention einzelner Gter und Dienstleistungen protieren.

    Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschat hat ein Gutachten in Autrag gegeben, um diese notwendige

    Reormdiskussion konstruktiv voranzutreiben. Pro. Dr. Rol Peekoven, em. Direktor des Instituts rFinanzwissenschat der Johannes Gutenberg-Universitt Mainz, schlgt vor, die Mehrwertsteuer weitgehend

    zu vereinheitlichen: Auer Mieten und Pachten sollen alle Gter und Dienstleistungen mit einem einheitlichen

    Satz von 16 Prozent besteuert werden.

    Durch den Wegall der systematisch widersinnigen Begnstigungen kann die Mehrwertsteuer-Brokratie

    entschlackt werden. Das Modell von Pro. Rol Peekoven lsst sich annhernd aukommensneutral

    realisieren. Selbst Haushalte mit geringen Einknten werden durch die Vereinachung der Mehrwertsteuer

    kaum sprbar belastet. Damit zeigen wir einen marktwirtschatlichen Weg au, der r all e Seiten von Vorteil

    ist. So unktioniert Soziale Marktwirtschat: einache Regeln und airer Wettbewerb.

    Gerade in der Steuerpolitik brauchen wir mutige Fortschritte ot hilt dabei der gesunde Menschen-

    verstand. Wir wnschen uns eine oene Debatte ber ordnungspolitische Reormperspektiven des

    Steuersystems und stellen mit dem Gutachten zur Mehrwertsteuer einen ersten Vorschlag zur Diskussion.

    Hubertus Pellengahr

    Geschtshrer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschat

    PS: Weitere Inormationen rund um die Vereinachung des Steuersystems und den einheitlichen

    Mehrwertsteuersatz nden Sie unter www.DasRichtigeun.de/Mehrwertsteuer

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    Zusammenfassung

    Vorbemerkung

    Ausgangspunkt ist der Koalitionsvertrag: hier wird Handlungsbedar bei den ermigten Mehrwertsteuer-

    stzen identiziert. Der Koalitionsvertrag bringt das Tema Mehrwertsteuer zwar au die agesordnung

    macht aber nicht deutlich, in welche Richtung eine Reorm gehen soll. Sowohl Koalitionsparteien wie

    auch weitere Interessengruppen ordern zustzliche Ausnahmen und Sonderermigungen. Zum Beispiel

    r Gastronomie und Energie (FDP), den Fernverkehr (Grne), Getrnke und Medikamente (Bund der

    Steuerzahler).

    Die Mehrwertsteuer steht deshalb r eine Richtungsdebatte: Kommt es zukntig zu neuen und zustzlichen

    Ausnahmen, Sonderregelungen, Bevorzugungen und Wettbewerbsverzerrungen? Oder kommt es zu einer

    Vereinheitlichung und Vereinachung der Steuer?

    Soziale Marktwirtschat heit: Einache Regeln. Fairer Wettbewerb. Die Mehrwertsteuer muss wieder

    marktwirtschatlich geregelt werden: Einach und air.

    Ausgangslage

    Das heutige System weicht vom ursprnglichen Modell der Konsumbesteuerung ab. Viele Ausnahmen

    hren zu Wettbewerbsverzerrungen, da einzelne Gter, Branchen oder Rechts- und Organisationsormen

    subventioniert werden. So ist die Mehrwertsteuer ber die Jahre zu einem Einallstor zur Bedienung von

    Sonderinteressen geworden. Auerdem werden neben Konsumgtern auch Investitionen, vor allem die der

    entlichen Hand besteuert. Dies ist aber wachstumshemmend.

    Das Aukommen der Mehrwertsteuer betrug im Jahr 2009 etwa 180 Mrd. Euro. Durch die ermigten

    Steuerstze entstand ein Steuerausall von etwa 20 Mrd. Euro. Die Steuerauslle au Grund der

    Steuerbereiungen betrugen in etwa 15 Mrd. Euro. Das vorgelegte Gutachten geht von der Prmisse aus,

    dass eine Reorm der Mehrwertsteuer nicht zu einer Erhhung des Steueraukommens hren und somit

    nicht der Haushaltskonsolidierung dienen soll. Vielmehr ist es das Ziel, durch eine Vereinachung des

    Steuersystems mehr Wettbewerbsneutralitt herzustellen und Ezienzreserven zu heben. Bevor eine mglicheHaushaltskonsolidierung ber die Anhebung des Normalsatzes angestrebt wird in der Diskussion ist eine

    Erhhung von 19 v. H. au 25 v. H. , soll te der Staat die Steuerhinterziehung und Steuersubventionen bei

    der Mehrwertsteuer abbauen.

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    Fazit: Kein passgenauer sozialer Ausgleich

    Ein zielgerichteter sozialer Ausgleich, egal ob durch Steuerbereiung oder Ermigung, unktioniert nicht, da

    diese Vergnstigungen teilweise nicht an d ie Konsumenten weitergegeben werden, sondern es sich l ediglich um

    Unternehmens-Subventionen handelt. Dort, wo die Steuerermigung an Konsumenten weitergegeben wird,

    kommt sie aber allen und nicht nur sozial schwcheren Gruppen zugute. Der soziale Ausgleich kann olglich

    nicht ber die Mehrwertsteuer gewhrleistet, sondern muss ber das Einkommensteuer- und ransersystem

    erreicht werden.

    Weitere Kritikpunkte am heutigen System

    Weitere Probleme des heutigen Systems sind Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Schwarzarbeit

    (auch abhngig von der Hhe des Steuersatzes). Das hrt zu Ausllen bei der Mehrwertsteuer, bei der

    Einkommensteuer und den Sozialversicherungsbeitrgen. Hinzu kommen erhebliche Brokratiekosten:

    Erhebungs- und Kontrollauwand der Steuerbehrden sowie Erhebungs- und Meldeauwand derUnternehmen.

    Systembrche hren zu komplizierten Abgrenzungsproblemen, u. a. bei der Frage des Vorsteuerabzugs.

    Unternehmen, die steuerbereit und damit nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, werden versuchen,

    die in den Vorleistungen steckende Mehrwertsteuer an die Endverbraucher weiterzureichen (verstecke

    Mehrwertsteuer).

    Bereit von der MwSt. ( 4 UStG) sind unter anderem:

    Wohnungsvermietung

    rztlicheLeistungen

    SozialeLeistungen

    Finanzdienstleistungen

    LeistungengemeinntzigerEinrichtungen

    Das Reormmodell des Mehrwertsteuersystems von Pro. Dr. Rol Peekoven

    1. Weitgehender Wegall der Steuerbereuungen nach 4 UStG:

    AlleSteuerbefreiungenbisaufVermietungundVerpachtungsowiedieUmstze,dieunterdas

    Grunderwerbsteuergesetz und das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, werden gestrichen. Grund:

    Praktikabilitt (Mieten) und Vermeidung von Doppelbesteuerung (Grunderwerb und Lotterie).

    DurchdenWegfallderSteuerbefreiungvon rztlichenLeistungenwerden injedemFalldiedirekten

    Kosten im Gesundheitswesen steigen. Deshalb wren wohl hhere Zuschsse an die gesetzlichen

    Krankenversicherungen erorderlich. Dies kann ordnungspolitisch aber gerechtertigt werden, weil die

    tatschlichen Kosten des Gesundheitswesens bisher (Steuerbereiung) ebenalls durch die Steuerzahler

    augebracht werden.

    2. Streichen des gesamten ermigten Mehrwertsteuersatzes

    SieheAnlage2zu12Abs.2Nr.1und2UStG

    3. Sozialer Ausgleich: zielgenauer und efzienter gestalten

    Verteilungspolitische Ziele sollen durch den direkten Transfer an Bezieher niedriger Einkommen

    gewhrleistetwerden,alsoSubjekt-stattObjektfrderung.

    WegenderStreichungderSteuerbefreiungenundderermigtenStzemssteeszueinerNeuberechnung

    des Existenzminimums kommen. Daraus olgt eine Erhhung des Grundreibetrags bei der Einkommen-

    steuer und die Anhebung von Sozialtransers (z. B. Hartz-IV-Stze).

    DiesersozialeAusgleichistzielsicherer,ezienterundwirtschaftlicher.

    4. Senkung des Regelsteuersatzes au 16 Prozent

    DieVereinfachung des Steuersystems und eine weitgehende Angleichung auf einen Regelsteuersatz

    erwirtschatet etwa 30 bis 35 Mrd. Euro. Hiermit kann eine Senkung des Regelsteuersatzes au 16 Prozent

    renanziert werden. Die Kosten r die Senkung des Regelsteuersatzes um drei Prozentpunkte betragen

    etwa 24 Mrd. Euro.

    Links

    Umsatzsteuerrecht online:

    http://www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980/

    Anlage 2 (Ausnahmen und Ermigungen):

    http://www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980/anlage_2_83.html

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    Zur Reorm der Mehrwertsteuer

    Zurck zu einer generellen Konsumbesteuerung

    Gutachten

    erstellt im Autrag der

    Initiative Neue Soziale Marktwirtschat

    von

    Proessor Dr. Rol Peekoven

    em. Direktor des Instituts r Finanzwissenschat derJohannes Gutenberg-Universitt Mainz

    2010

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    Inhaltsverzeichnis

    I. Ausgangslage .............. ............... .............. .............. ............... .............. .............. ............... .............. ....... 13

    II. Reormnotwendigkeiten bei der Umsatzsteuer: ein berblick......................................................... 17

    1. Regelung der Gesetzgebungshoheit und der Ertragshoheit ..........................................................17

    2. Kamp gegen die Steuerhinterziehung ........................................................................................ 18(1) ransaktionen im EU-Binnenmarkt ................................................................................18(2) ransaktionen im Inland ................................................................................................. 19

    3. Reormanstze ............................................................................................................................ 20

    III. Zum System der Mehrwertsteuer .....................................................................................................21

    IV. Systembrche in der Mehrwertsteuer ............................................................................................... 25

    1. Steuerliche Behandlung des Auenhandels .................................................................................25

    2. Steuerliche Behandlung der Investitionen ................................................................................... 25

    3. Steuerliche Behandlung des privaten Konsums ........................................................................... 26(1) Steuerbereiungen ........................................................................................................... 26(2) Nullsteuersatz .................................................................................................................27(3) Ermigte Steuerstze .....................................................................................................27(4) Zusammentreen und Wirkungen von Steuervergnstigungen .......................................28

    4. Steuerliche Behandlung des staatlichen Sektors ...........................................................................29

    V. Fr den Abbau der Steuervergnstigungen ........................................................................................ 31

    1. Zur Rechtertigung ..................................................................................................................... 31

    2. Streichung von Steuerbereiungen ............................................................................................... 32

    3. Streichung des ermigten Steuersatzes ....................................................................................... 34(1) Die derzeitige Regelung .................................................................................................. 34(2) Probleme der ermigten Steuerstze ..............................................................................35

    (3) Zwischenergebnis ........................................................................................................... 38

    VI. Reormvorschlag ............... .............. .............. ............... .............. ............... .............. .............. ............ 40

    Anhnge der Mehrwertsteuerrichtlinie................................................................................................... 42

    Literaturverzeichnis ............. ............... .............. .............. ............... .............. ............... .............. .............. 44

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    I. Ausgangslage

    Nach dem Koalitionsvertrag1 zwischen CDU, CSU und FDP vom 26.10.2009 soll in der lauenden

    Legislaturperiode dieUmsatzsteuer andie modernenAnforderungenangepasstwerden. Alskonkrete

    Reormelder nennt der Vertrag die Ausweitung des Prinzips der Ist-Besteuerung (anstelle der Soll-Besteuerung),

    die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung kommunaler und privater Anbieter sowie die Umsatzbesteuerung von

    Postdienstleistungen. Daneben gibt es nach Meinung der Koalitionre Handlungsbedar bei den ermigten

    Mehrwertsteuerstzen. Eine Kommission soll eingesetzt werden, die sich mit der Systemumstellung bei

    der Umsatzsteuer sowie dem Katalog der ermigten Mehrwertsteuerstze beasst. Dabei geht es letzten

    Endes darum, au der einen Seite die Steueransprche des Staates durch Bekmpung des Steuerbetrugs und

    durch Verbesserung der Zahlungsmoral durchzusetzen, au der anderen Seite aber ber die Vermeidung von

    Wettbewerbsverzerrungen Arbeitspltze zu sichern und Investitionen zu ermglichen, also wachstumspolitische

    Akzente zu setzen.

    Die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer)2 wird aber in den nchsten Jahren auch aus einem weiteren Grund imInteresse der Steuerpolitik stehen. Wenn die dringend gebotene Konsolidierung der entlichen Haushalte,

    also der Abbau der strukturellen Dezite im staatlichen Gesamthaushalt, nicht ber Ausgabenkrzungen

    erreicht werden kann was zweiellos vorzuziehen wre , werden Steuererhhungen unumgnglich sein.

    Angesichts der Gre des Konsolidierungsbedars kommen dar schlielich nur die Einkommen- und

    Krperschatsteuer au der einen Seite, oder die Umsatzsteuer au der anderen Seite inrage. Sowohl in der

    Politik als auch in weiten Bereichen der Wissenschat gilt dabei unter wachstumspolitischem Aspekt die

    Erhhung der Umsatzsteuer als eher akzeptabel. Die Begrndung dar lautet:

    Die Umsatzsteuer ist eine Konsumsteuer, belastet also den Konsum, nicht aber die wachstumspolitisch-

    besonders relevanten Investitionen.3

    Die Umsatzsteuer wird von Unternehmen ber entsprechende Preiserhhungen au die Konsumenten-

    (voll) berwlzt. Mithin ist die Umsatzsteuer r die Unternehmen ein sie nicht belastender

    durchlauender Posten.

    Ob diese beiden Voraussetzungen tatschlich erllt sind, wird im Folgenden im Einzelnen zu berpren

    sein. Vorab kann bereits estgehalten werden: In der derzeitigen Ausgestaltung ist die Umsatzsteuer keine reine

    Konsumsteuer, sondern ein Gemisch von (indirekter) Konsumsteuer und (indirekter) Einkommensteuer. Obdie volle berwlzung gelingt, hngt im Wesentlichen von den Marktverhltnissen, der Wettbewerbssituation,

    derallgemeinenKonjunkturlageunddemKursinderGeldpolitikab.ZudemhatderGesetzgeberdurch

    die vielen Ausnahmen und Sonderregelungen und die damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen selbst

    nicht unerheblich dazu beigetragen, die volle berwlzung der Umsatzsteuer zumindest zu erschweren.

    Dazu trgt auch derverschrfteWettbewerbimeuropischenBinnenmarkt bei,jedenfallsdort,wo die

    Umsatzsteuer nach dem Ursprungslandprinzip (Direktimporte) erhoben wird. Gelingt die berwlzung aber

    nicht, wird die Umsatzsteuer zu einer Unternehmensteuer und zwar zu einer gewinnunabhngigen Steuer, die

    wachstumspolitisch als besonders negativ zu beurteilen ist.

    1 Koalitionsvertrag (2009), S. 14.

    2 Zur Abgrenzung der Begrie vgl. unten S. 21 .

    3 Zu einer Gegenposition vgl. Peekoven (2009), S. 426 .

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    Aus wettbewerbs- und wachstumspolitischen Grnden werden in der letzten Zeit immer wieder steuerliche

    Vergnstigungen im Rahmen der (allgemeinen) Umsatzsteuer geordert. Mit dem Hinweis au die europische

    Wettbewerbssituation ist im Koalitionsvertrag bereits angekndigt worden, dass beabsichtigt sei, ab dem

    1.1.2010 r Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe den Mehrwertsteuersatz au 7 %

    zu ermigen. Inzwischen ist dies durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.20094 auch

    verwirklicht worden. Das hatte bereits Forderungen zur Folge, den ermigten Steuersatz auch r andere

    LeistungenundfrandereBrancheneinzufhren.DasHotel-undGaststttengewerbefordert(vorallemmit

    Hinweis au administrative Mehrbelastungen5)denermigtenSteuersatzaufdiebrigenLeistungendieses

    Gewerbes auszuweiten, um weiterhin r eine Gesamtleistungen (z. B. bernachtung mit Frhstck und

    Vollpension) einen einheitlichen Umsatzsteuersatz erheben zu knnen. Die Deutsche Bahn AG verlangt r ihre

    Leistungen(imFernverkehr)mitHinweisaufdieWettbewerbssituationinEuropaebenfallsdenermigten

    Steuersatz. Einige gesetzliche Krankenkassen untersttzt von Politikern wollen ihre Finanzprobleme

    dadurch lsen, dass die Umsatzsteuer au Medikamente ermigt wird. Mit einer Absenkung des Steuersatzes

    knnten angeblich rund 3,2 Mrd. Euro eingespart werden.6 Mglicherweise ist mit der Einhrung des

    ermigten Steuersatzes r Hotelbernachtungen ein Damm gebrochen: Immer neue Forderungen nachsteuerlicher Entlastung sind wahrscheinlich nur noch abzuweisen, wenn eine entschlossene Reorm der

    Mehrwertsteuer durchgehrt wird.

    Die Europische Union, die die Gesetzgebungshoheit der Mitgliedslnder bei der Umsatzsteuer durch

    mehrere Richtlinien erheblich einschrnkt, erlaubt, dass aus beschtigungspolitischen Grnden der Kreis

    der Gter und Dienstleistungen, die bei der Umsatzsteuer ermigt besteuert werden knnen, ausgeweitet

    werdendarf(z.B.aufLeistungenderRestaurants,aufhaushaltsnaheDienstleistungenundganzgenerell

    r lokale und arbeitsintensive Dienstleistungen). Der deutsche Gesetzgeber hatte davon zwar bisher keinen

    Gebrauch gemacht. Im Jahre 2008 ist allerdings r die Entgelte von Skilitbetreibern und Bergbahnen der

    ermigte Steuersatz eingehrt worden; dem olgte nunmehr die quantitativ bedeutendere Vergnstigung

    (von etwa 1 Mrd. Euro) r bernachtungen in Beherbergungsbetrieben.

    Nach einer Studie des Bundesministeriums der Finanzen 7 entelen im Jahre 2007 knapp 6,5 v. H.

    des gesamten Umsatzsteueraukommens au Umstze, die dem ermigten Steuersatz unterliegen.

    Geht man davon aus, dass dieser Anteil auch r 2010 gilt, dann wrde bei einem geschtzten

    Umsatzsteueraukommen von 180 Mrd. Euro8 der ermigte Steuersatz einen Steuerausall von etwa 20

    Mrd. Euro verursachen9 angesichts der Konsolidierungserordernisse sicher kein zu vernachlssigender

    Betrag. Zudem zeigt sich damit, dass der ermigte Steuersatz bei der Umsatzsteuer eine der grtenSteuervergnstigungen in Deutschland ist.10 Deren Ausma hat in den letzten Jahren quantitativ schon

    dadurch zugenommen, dass der Abstand zwischen dem (seit 1.7.1983 unvernderten) ermigten

    Steuersatz und dem (seit 1.1.1993 wiederholt angehobenen) Normalsatz immer grer geworden ist.

    4 BGBl. I, 2009, S. 3950.

    5 Die administrativen Schwierigkeiten sind r einige Politiker, die zuvor der Steuervergnstigung zugestimmt hatten, inzwischen der Anlass r Vorschlge,die Steuersenkung zurckzunehmen oder zumindest auszusetzen.

    6 Vgl.DeutscherzteZeitungvom15.2.2010,S.1.DortwirdderBundestagsabgeordneteSpahn(CDU/CSU-Fraktion)wiefolgtzitiert:Eskannnicht sein,dasPornoheftchenundSchnittblumendenermigtenSatzhaben,etwasLebenswichtigeswieArzneimittelabernicht.SoeinfachistderVergleich allerdingsnicht,schondeshalbnicht,weildieLeistungendergesetzlichenKrankenversicherungenberBeitrgenanziertwerden.

    7 Bundesministerium der Finanzen (2007a), S. 10.

    8 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (2009a), S. 43 .

    9 Hierbei sind nur grobe Schtzungen mglich: Das statistische Material ist unzureichend, Reaktionen der Betroenen au Streichung des ermigten Satzessind kaum zu prognostizieren.

    10 Vgl. dazu Boss-Rosenschon (2008), S. 13 .

    Die Steuerauslle augrund der Steuerbereiungen bei der Umsatzsteuer drten sich au einen Betrag

    von etwa 15 Mrd. Euro summieren 11.

    Das (partielle oder vollstndige) Streichen des ermigten Steuersatzes und auch der vielen Steuerbereiungen

    wrdezwarzuMehraufkommenfhren.Dasistjedochvlliganderszu beurteilenals einaufAnheben

    des normalen Steuersatzes zurckzuhrendes Steuermehraukommen. Im ersten Fall werden Subventionen

    gestrichen, was wettbewerbs- und wachstumspolitische Vorteile bringen wird. Im zweiten Fall wird aus

    skalischen Grnden (vor allem r Zwecke der Konsolidierung) ein Mehraukommen angestrebt, was

    wachstumspolitisch eher negativ zu beurteilen ist. 12 Im ersten Fall sollte das entstehende Mehraukommen r

    die Absenkung des Normalsatzes oder r erhhte oder zustzliche ranserzahlungen genutzt werden, die beim

    Streichen des ermigten Satzes z. B. aus verteilungspolitischen Grnden erorderlich werden knnten.

    Den Koalitionren ist zuzustimmen, dass es Handlungsbedar bei den ermigten Mehrwertsteuerstzen gibt.

    Ob die Richtung, die mit der Vergnstigung r die Betreiber von Skiliten und Bergbahnen (2008) und

    frHotelbetriebe(2009)jetzteingeschlagenwurde,auswettbewerbs-undwachstumspolitischenGrndenrichtig ist, muss im Einzelnen berprt werden. Diese Frage soll sogar einen Schwerpunkt des olgenden

    Gutachtens bilden.

    11 Die Angaben sttzen sich au den 21. Subventionsbericht der Bundesregierung und au den Kieler Subventionsbericht. Vgl. Bundesministerium derFinanzen (2007), S. 11 .; Boss-Rosenschon (2008, S. 13 .

    12 Vgl. Peekoven (2009), S. 426 .

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    II. Reformnotwendigkeiten bei der Umsatzsteuer: ein berblick

    1. Regelung der Gesetzgebungshoheit und der Ertragshoheit

    Die Umsatzsteuer ist nach Art. 106 Abs. 3 GG eine Gemeinschatsteuer. Das Gesetzgebungsrecht liegt gem

    Art.105Abs.2GGbeimBund(konkurrierendeGesetzgebung);nderungenderUmsatzsteuerbedrfen

    jedochderZustimmungdesBundesrates(Art.105Abs.3GG).AmAufkommenderUmsatzsteuersindder

    Bund,dieLnderunddieGemeinden13 derzeit (2010) wie olgt beteiligt (sog. tatschliche Anteile14):

    Bund: 54,0 v. H.

    Lnder: 44,0v.H.

    Gemeinden: 2,0 v. H.

    Die Anteile knnen durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedar, gendert werdenund sind nach den Verteilungsgrundstzen des Art. 105 Abs. 3 und Abs. 4 GG estzusetzen. Au die damit

    zusammenhngendenProblememusshiernichteingegangenwerden,zumaldazueineumfangreicheLiteratur

    vorliegt.15DurchdiejetztanvisierteReformderUmsatzsteuerwrdenzudemdieseProblemeimPrinzipnicht

    tangiert; hierbei geht es vielmehr um eine (zweiellos wichtige) Frage der innerstaatlichen Finanzbeziehungen

    zwischenBund,LndernundGemeinden,dieseitJahrenaufderReformagendaderBundesregierungsteht,

    aber bedingt durch die Fderalismuskommissionen I und II (leider) nicht angegangen worden ist.

    Auch au die Absicht der Koalitionsparteien, den Ersatz der heutigen Gewerbesteuer durch einen hheren

    Anteil am Umsatzsteueraukommen zu pren, muss hier nicht eingegangen werden. Diese Frage ist ebenalls

    inder LiteraturseitJahrenausdiskutiert.16 Wenn man den Gemeinden eigene Gestaltungsrechte in der

    Steuerpolitik erhalten und sichern will, ist die hhere Beteiligung der Gemeinden am Umsatzsteueraukommen

    kein geeignetes Modell r eine Reorm der Kommunalnanzen; dies gilt umso mehr, als EU-rechtlich

    eine Dierenzierung der Umsatzsteuer au Gemeindeebene die aus Grnden der Steuerautonomie der

    Kommunen zu ordern wre nicht zulssig ist.

    Die Gesetzgebungsbeugnis des Bundes ist durch die Mehrwertsteuerrichtlinien der EU insbesondere die 6.

    Mehrwertsteuerrichtlinie17 erheblich eingeschrnkt. Die Harmonisierungsbestrebungen der EU im Bereich

    der Besteuerung sind bei der Umsatzsteuer am weitesten ortgeschritten. Die wichtigsten Regelungen sind:das einheitliche Besteuerungsverahren (Mehrwertsteuer), die vereinheitlichte Bemessungsgrundlage, die

    Mindesthhe r den normalen (zurzeit: 15 v. H.) und r die ermigten Steuerstze (zurzeit: 5 v. H.),

    das Verbot von (ber den Normalsatz) erhhten Steuerstzen und die Begrenzung der Zahl d er ermigten

    Stze sowie die Festlegung des Kreisesder Lieferungen und Leistungen sowie der Unternehmenund

    Krperschaten, die von der Mehrwertsteuer bereit werden mssen oder knnen oder r die ein ermigter

    13 Die (vom Bund) an den EU-Haushalt abzuhrenden Mehrwertsteuereigenmittel stellen keine Beteiligung der EU am Mehrwertsteueraukommen dar;es handelt sich dabei v ielmehr um einen Finanzbeitrag, der au der Grundlage der vereinheitlichten Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer erhoben wird.

    14 DietatschlichenAnteilevonBund,LndernundGemeindenamUmsatzsteueraufkommenerrechnensichausdengesetzlichfestgelegten Umsatzsteueranteilen.DabeiwerdendieBeteiligungsstzefrBundundLnderaufdasnachAbzugderVorabbetrgefrdieArbeitslosenversicherung,

    r die gesetzliche Rentenversicherung und r die Gemeinden verbleibenden Umsatzsteueraukommen angewendet. Zu den Einzelheiten vgl.Bundesministerium der Finanzen (2009), S. 76 .

    15 Fr viele Peekoven(1985), S. 55.

    16 Vgl. Peekoven (2005), S. 135 .

    17 Europische Union (2006).

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    Steuersatz angewendet werden dar. Jede nationale Reorm der Umsatzsteuer muss sich im Rahmen dieser

    EU-Rechtsvorgaben abspielen. Soern im Folgenden Reormschritte empohlen werden, die gegen heutiges

    EU-Recht verstoen, wird die Umsetzung naturgem schwierig und nur ber (erolgreiche) Initiativen der

    Bundesregierung au EU-Ebene mglich sein. Dabei ist auch zu bercksichtigen, dass dort bei Entscheidungen

    in Steuerragen Einstimmigkeit erorderlich ist.

    2. Kampf gegen die Steuerhinterziehung

    Die hohen Steuerauslle bei der Umsatzsteuer, denen sich die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag zuwenden

    will, sind im Wesentlichen au drei Fakten zurckzuhren:

    Die Steuerhinterziehung bei den ransaktionen im Europischen Binnenmarkt.-

    Die Geschfte ohne Rechnungen (Schwarzarbeit) bei Leistungen vor allem an Endverbraucher,-

    insbesondere bei haushaltsnahen Dienstleistungen und bei Handwerkerleistungen in privaten (vor allem

    den selbst genutzten) Wohnungen.

    Die Steuerumgehung wegen der vielen Steuerbereiungen und der Dierenzierung des Steuersatzes.-

    Im zweiten Fall sind die Unternehmen, die Geschte ohne Rechnung abwickeln, nicht primr an der

    Hinterziehung der Umsatzsteuer interessiert, die r sie nur einen durchlauenden Posten darstellt. Sie haben

    zwei andere Motive: Sie verschaen sich Wettbewerbsvorteile gegenber steuerehrlichen Anbietern und werden

    die entsprechenden Umstze auch nicht als Betriebseinnahmen deklarieren. Deshalb kommt es zu Ausllen bei

    der Einkommensteuer und bei den Sozialversicherungsbeitrgen.

    (1) Transaktionen im EU-Binnenmarkt

    Besonderes Gewicht drte bei der Steuerhinterziehung dem ersten Aspekt zukommen, der mit dem

    innerhalb des EU-Raumes geltenden Erhebungsverahren zu erklren ist (sog. Karussellgeschte).

    Dort hat man sich bei ransaktionen zwischen umsatzsteuerpfichtigen Unternehmen grundstzlich

    au die Erhebung der Umsatzsteuer nach dem Bestimmungslandprinzip geeinigt. Das heit:

    InnergemeinschaftlicheLieferungenbleiben imLieferlandsteuerfrei( 4Nr.1b UStG)undwerden

    alsinnergemeinschaftlicheBezgeimjeweiligenBezugslandbesteuert(1Abs.1Nr.5UStG).Damit

    wird erreicht, dass miteinander konkurrierende Gter auch bei national unterschiedlichen Umsatz-

    steuerstzen der gleichen Umsatzsteuerbelastung unterliegen. Der damit erorderliche Grenzausgleich

    wird heute nicht mehr an den Binnengrenzen der EU durchgehrt. Stattdessen wird es ber das

    (administrativ auwendige und den Missbrauch rdernde) System der zusammengeassten Meldungen

    mithile der USt-Identikationsnummern praktiziert.

    FrTransaktionender nicht-umsatzsteuerpichtigenWirtschaftssubjekte(nicht umsatzsteuerpichtige

    Unternehmen und Konsumenten) gilt dagegen im Grundsatz das Ursprungslandprinz ip: Die Umsatzsteuer

    wird im Produktionsland erhoben. Ausnahmen gibt es allerdings beim Kau von Kratahrzeugen und im

    Versandhandel; hierr gilt wiederum das Bestimmungslandprinzip. Bei Direktimporten der Konsumenten

    kann es bei Unterschieden in den Steuerstzen zu Wettbewerbsverzerrungen kommen.

    Bisher ist es nicht gelungen, ein einheitliches und ezientes Erhebungsverahren r den europischen

    Binnenmarkt einzuhren. Das knnte wohl nur das sog. Binnenmarktprinzip sein. Dabei wird

    dieUmsatzsteuer imjeweiligen Produktionslanderhoben unddas Aufkommenan dendortigen

    Fiskus abgehrt. Der Vorsteuerabzug ist ber die EU-Binnengrenzen hinweg mglich, und das

    insgesamt in der EU anallende Aukommen wird anschlieend ber ein Clearing-Verahren (anhand

    makrokonomischer Gren18) au die Mitgliedslnder der EU verteilt. Alle Versuche, dieses System

    einzuhren, sind bisher daran gescheitert, dass man sich au die konkreten Regelungen eines Clearings

    nicht einigen konnte. Hier besteht nach wie vor erheblicher Reormbedar. Schon bei rheren

    bernahmen der EU-Prsidentschat hat die Bundesregierung dieses Tema au ihre Agenda gesetzt,

    ohnejedochirgendeinenErfolgerzielenzuknnen.Dennochsolltesiesichweiterdarumbemhen,

    au EU-Ebene zur Verwirklichung des Binnenmarktprinzips mit Clearing zu kommen.

    (2) Transaktionen im Inland

    Steuerhinterziehung gibt es allerdings auch bei inlndischen ransaktionen. Ein erster Fall ist der

    missbruchlicheAbzugvonVorsteuer.Dazukommtesz.B.,wenneinLieferantdieMehrwertsteuernicht

    abfhrt,derLeistungsempfngerdieseaberalsVorsteuergeltendmacht.Dabeiistzubercksichtigen,

    dass dies mglich ist, ohne dass eigene Umstze gettigt wurden. Hierdurch ergibt sich r den Staat ein

    Ausallrisiko.

    Umsatzsteuerauslle sind zudem bei Insolvenzen zu erwarten: Nicht gezahlte Umsatzsteuer (beim

    Lieferanten)oderzuvielerstatteteVorsteuer(beimEmpfnger)sindimInsolvenzfallinderRegelvon

    der Finanzverwaltung nicht mehr einzutreiben.

    Steuerauslle durch Schwarzarbeit drten sogar weiter zunehmen, wenn der Regelsteuersatz

    wie immer wieder vorgeschlagen wird angehoben werden sollte. Die Versuche, dies durch die

    Steuervergnstigung nach 35 a EStG in den Gri zu bekommen, drten wenig erolgreich sein.

    Steuerehrliche nehmen diese Vergnstigung mit, bisherige Nutznieer der Schwarzarbeit werden sich

    durch die vergleichsweise niedrigen Hchstbetrge nicht von ihren illegalen Praktiken abhalten lassen.

    Das Erzielen eines Mehraukommens bei der Umsatzsteuer inolge Steuersatzerhhung und damit der

    angestrebte Konsolidierungseekt werden insoweit konterkariert.

    18 Vgl. Sachverstndigenrat (1994), Zi. 303.

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    20 21

    3. Reformanstze

    ZurVermeidungderSteuerausflleunddesSteuerbetrugsknntentechnischenderungenimSystemder

    Umsatzsteuererhebung zweiellos beitragen. Hierr sind in den letzten Jahren Modelle entwickelt und in

    Planspielen bereits berprt worden. Mit dem Reverse-Charge-Modell wird die Steuerschuld au den

    Leistungsempfngerverlagert,dergegenberderFinanzverwaltungdiegeschuldeteUmsatzsteuerbernimmt

    und diese gleichzeitig als Vorsteuer geltend machen kann. De acto entallen also alle Zahlungen zwischen

    Unternehmen(Leistungsempfngern)undderFinanzverwaltung.WoaberkeineSteuerngeschuldetwerden,

    daknnen sieauchnichthinterzogenwerden.Nurbei Leistungen anEndverbraucher undstaatliche

    EmpfngerwrdeesbeimheutigenZahlungsverfahren(durchdenLeistungserbringer)bleiben.DasReverse-

    Charge-Modell wird aber nur unktionieren, wenn es mit einem Kontrollverahren (ber sog. R-Nummern)

    kombiniert wird. Im Ergebnis kme es damit zu einem dem Meldeverahren bei innergemeinschatlichen

    ransaktionen (anhand der Identikationsnummern) hnlichen und wohl ebenso auwendigen Verahren.

    EineandereLsungzurBekmpfungderSteuerausfllebeiderUmsatzsteuerwredergenerellebergangzurIst-Besteuerung anstelle der Soll-Besteuerung. Die Umsatzsteuer ist dann nicht schon bei Rechnungsstellung

    (Soll-Besteuerung), sondern erst dann llig, wenn die Rechnung tatschlich bezahlt wird (Ist-Besteuerung).

    Ebenso wre der Vorsteuerabzug erst vorzunehmen, wenn die Rechnung bezahlt ist. Auch dieses Verahren ist

    allerdings ohne einen Cross Check nicht Erolg versprechend: Anhand von Identikationsnummern mssten

    alle ransaktionen an die Finanzverwaltung gemeldet werden.

    Die Vermeidung der hohen Steuerauslle die Ausallquote wird au etwa 10 v. H. eines hypothetischen

    Steueraukommens (ohne Steuerauslle) geschtzt ist nicht nur eine Frage der Steuergerechtigkeit, sondern

    auch ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Bevor diese ber die Anhebung des Normalsatzes in der

    Diskussion ist eine Erhhung von 19 v. H. au 25 v. H. angestrebt wird, sollte man die Steuerhinterziehung

    und auch die Steuersubventionen bei der Mehrwertsteuer abbauen. Daneben sollte die Bundesregierung

    dieBemhungenumeinetechnischenderungbeiderUmsatzsteuererhebungfortsetzen.Dieseknnen

    allerdings nicht im nationalen Alleingang, sondern nur au EU-Ebene gelst werden. Deshalb wird darau

    im Folgenden nicht weiter eingegangen werden.19

    19 Zu den Einzelheiten vgl. Sachverstndigenrat (2005), Zi. 454 .

    III. Zum System der Mehrwertsteuer

    Die bisher synonym verwendeten Begrie Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer mssen zunchst

    gegeneinander abgegrenzt werden. Umsatzsteuern sind indirekte (im Unternehmensbereich erhobene) Steuern

    au die dort abgewickelten Umstze, die den Zweck verolgen, letzten Endes die privaten Konsumausgaben

    steuerlich zu belasten. Das kann nur gelingen, wenn die im Unternehmenssektor erhobene Umsatzsteuer

    voll im Preise der Konsumgter au die Konsumenten weitergegeben (berwlzt) wird. Der o ene Ausweis

    der Umsatzsteuer au den Rechnungen ist kein Beleg r die berwlzung, da nicht bekannt ist, wie sich der

    Nettopreis inolge der Besteuerung verndert hat.

    Umsatzsteuern knnen au die Brutto- oder die Nettoumstze der Unternehmen erhoben werden; dies kann

    au einer Stue oder au mehreren oder au allen Stuen im Produktionsprozess geschehen.20

    Dem olgenden Schema ist zu entnehmen: Die Mehrwertsteuer ist der Gruppe der Netto-Allphasen-

    Umsatzsteuern (Value Added axes) zuzurechnen. Durch die Steuerbereiung r die Investitionen soll erreichtwerden, dass nicht das Nettosozialprodukt zu Marktpreisen, sondern der Konsum (Nettosozialprodukt zu

    Marktpreisen minus Investitionen21) belastet wird. Eine solche Netto-Allphasen-Umsatzsteuer nennt man

    auch Mehrwertsteuer vom Konsumtyp. Das ist das Reerenzsystem r die heute innerhalb der Europischen

    Union erhobene Mehrwertsteuer, an dem sich auch Reormen ausrichten mssen: Der gesamte private

    Konsum, aber auch nur dieser, wird mit einem einheitlichen Steuersatz belastet. Davon weicht

    allerdings die derzeit praktizierte Regelung zum eil erheblich ab, was vor allem au Steuerbereiungen und

    Steuersatzdierenzierungen zurckzuhren ist. Insoern liegt der Reormbedar auch ganz besonders in

    diesen Bereichen.

    Dass eine Mehrwertsteuer nur dann Wettbewerbsneutralitt sichert, wenn sie dem Reerenzsystem entspricht,

    istseitLangembekannt.SohattederwissenschaftlicheBeiratineinerEntschlieungzurEinfhrungder

    Mehrwertsteuer (1963) darau hingewiesen, dass Wettbewerbsneutralitt nicht gesichert sei, wenn das System

    der Mehrwertsteuer durch besondere Bevorzugungen, Erleichterungen und Bereiungen durchbrochen wird22.

    Auch der EU-Rat vertritt die Auassung: Die grte Einachheit und Neutralitt eines Mehrwertsteuersystems

    wird erreicht, wenn die Steuer so allgemein wie mglich erhoben wird und wenn ihr Anwendungsbereich alle

    Produktions- und Vertriebsstuen erasst.23 Wunsch und Wirklichkeit (insbesondere auch au europischer

    Ebene) liegen hier oensichtlich weit auseinander. Die Mehrwertsteuer ist ber die Jahre zu einem Einallstor

    zur Bedienung von Sonderinteressen geworden.

    20 Zu den Formen der Umsatzbesteuerung vgl. Pohmer (1980), S. 659 .

    21 Das gilt zunchst nur r eine geschlossene Volkswirtschat. Zur Behandlung der Exporte und Importe im Falle der oenen Volkswirtschat vgl. S. 14.

    22 Wissenschatlicher Beirat (1973), S. 309.

    23 Europische Union (2006), S. 1.

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    22 23

    System der Konsumbesteuerung24

    24 Auer nach dem Kriterium direkte/indirekte Besteuerung knnte auch noch nach allgemeinen und speziellen Verbrauchssteuern unterschieden werden.Die Umsatzsteuer zhlt vonseiten der Konzeption betrachtet zu den allgemeinen Steuern.

    Formal kann man sich die Zusammenhnge wie olgt veranschaulichen:

    Mit der Mehrwertsteuer soll der private Konsum (C) steuerlich belastet werden; die Besteuerung setzt aber

    an Nettoumstzen (genauer: am geschaenen Mehrwert) im Unternehmensbereich und gesamtwirtschatlich

    betrachtet am Nettosozialprodukt zu Marktpreisen an. Deshalb mssen die gesamtwirtschatlichen Aggregate,

    die nichtzum privaten Konsum zhlen, steuerrei gestellt werden. Das sind: die privaten Investitionen (I),

    die Ausgaben des Staates r Gter und Dienstleistungen (G), was der Summe aus staatlichem Konsum und

    staatlichen Investitionen entspricht, und die Exporte (X). Au der anderen Seite mssen ransaktionen, die

    zwar zum privaten Konsum, nicht aber zur inlndischen Produktion zhlen, der Umsatzsteuer unterworen

    werden. Das sind die Importe (M)25.

    Y = C + I + G + X M (1)

    C = Y I G X + M (2)

    Symbole:Y = Nettosozialprodukt zu MarktpreisenC = privater KonsumG = Ausgaben des Staates r Gter und Dienstleistungen

    X = ExportM = Import

    Eine Mehrwertsteuer, die tatschlich reine Konsumbesteuerung (Besteuerung des privaten Konsums)

    ist, msste demnach zweierlei garantieren: Der gesamte private Konsum, aber auch nur dieser, muss der

    Mehrwertsteuer unterliegen. Anders betrachtet:

    Der gesamte private Konsum muss lckenlos durch die Mehrwertsteuer erasst werden.(1)

    Smtliche privaten Investitionen (I) mssen steuerrei bleiben.(2)

    Smtliche Ausgaben des Staates r Konsum und Investitionen (G) mssen steuerrei sein.(3)

    Der Export muss steuerrei gestellt und der Import der Mehrwertsteuer unterworen werden.(4) 26

    25 Streng genommen mssen nur die importierten Konsumgter besteuert werden. Da der Vorsteuerabzug aber auch r importierte Investitionsgter erlaubtist, kann der gesamte Import steuerlich belastet werden.

    26 DasgiltebensofrdieinnergemeinschaftlichenLieferungenbzw.dieinnergemeinschaftlichenErwerbe.

    Konsumbesteuerung

    Direkte Konsumbesteuerungbei Konsumenten erhobenBemessungsgrundlage: C

    = Ausgabensteuer

    Besteuerung von Bruttoumstzenau allen Stuen: Bruttoallphasen-USt.

    au der Einzelhandelsstue: Einzelhandelssteuer

    Indirekte Konsumbesteuerungim Unternehmensbereich erhobenBemessungsgrundlage: Umstze

    = Umsatzsteuern (USt.)

    Besteuerung von Nettoumstzen

    au allen Stuen: Netto-USt.Gesamtwirtschatl. BMG: aller Wertschpungen

    = Nettosozialprodukt ( Volkseinkommen)Nettoumsatzsteuer v. Einkommenstyp

    = indirekte Einkommensteuer

    Ziel: KonsumbesteuerungFreistellung der Investitionen

    Volkseinkommen Investitionen = Konsum

    Nettoumsatzsteuer v. Konsumtyp= Mehrwertsteuer (MwSt.)

    Value Added Tax (VAT)

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    24 25

    IV. Systembrche in der Mehrwertsteuer

    Wird gegen diese Grundstze aus welchen Grnden auch immer verstoen, verliert die Mehrwertsteuer

    ihren Charakter als allgemeine Konsumsteuer und wird zu einer Mischung aus (indirekter) Einkommensteuer

    und (indirekter) Konsumsteuer. Damit entstehen wachstums- und wettbewerbspolitische Nachteile, die das

    gemeinhin positive Urteil ber d iese Steuer stark relativieren.

    1. Steuerliche Behandlung des Auenhandels

    Die Forderung (4) wird dadurch erreicht, dass grundstzlich im Auenwirtschatsbereich und im europischen

    BinnenhandeldasBestimmungslandprinzipangewendetwird.Wiebereitserwhnt,giltdiesjedochnichtfr

    die ransaktionen der nichtumsatzsteuerpichtigenWirtschaftssubjekte,hiergiltdasUrsprungslandprinzip

    (mit Ausnahme der Besteuerung von Kratahrzeugen und des Versandhandels). Dadurch bleiben eile

    derinnergemeinschaftlichenBezgesteuerfrei,undTeilederinnergemeinschaftlichenLieferungenwerdenbesteuert. Beides entspricht nicht dem Konzept einer allgemeinen Konsumbesteuerung.

    2. Steuerliche Behandlung der Investitionen

    Bei steuerpfichtigen Unternehmen bleiben die Investitionen wegen des Vorsteuerabzugs steuerrei. Bei

    steuerbereiten Unternehmen oder Kleinunternehmen, die die Regelung des 19 UStG in Anspruch nehmen,

    werden Investitionen dagegen besteuert. Inwieweit diesen Unternehmen die berwlzung gelingt, ist nicht

    eindeutig zu entscheiden. entliche Investitionen werden entgegen der Forderung (3) besteuert, sodass auch

    wachstumspolitisch erwnschte entliche Investitionen im Inrastrukturbereich und im Bildungswesen der

    Mehrwertsteuer unterliegen, whrend Investitionen im ( steuerpfichtigen) Unternehmensbereich nicht belastet

    werden. Dem soll durch einige Steuerbereiungen nach 4 UStG Nr. 21 und 22 a UStG augenscheinlich

    entgegengewirkt werden. Die Steuerbereiung von unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden

    Leistungen(Nr. 21) sowievon Vortrgen, Kursenund anderenVeranstaltungenwissenschaftlicher oder

    belehrender Art. (Nr. 22 a) werden gelegentlich damit gerechtertigt, umsatzsteuerlich nicht zwischen der

    Bildungvon Humankapitalund derjenigenvon Sachkapitalim Unternehmensbereichdiskriminieren zu

    wollen.27 Viel wichtiger ist dagegen die Unterscheidung, dass die Umsatzsteuer bei Sachinvestitionen nach

    Investoren dierenziert diese sind im privaten Unternehmensbereich steuerrei, nicht aber im entlichenBereich. Daran ndern reilich die genannten Steuerbereiungen berhaupt nichts.

    27 Vgl. Wissenschatlicher Beirat (2008), S.349.

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    26 27

    3. Steuerliche Behandlung des privaten Konsums

    Da die Umsatzsteuer eine indirekte Konsumbesteuerung darstellt, wird die Steuer im Unternehmensbereich

    erhoben und soll ber entsprechende Preiserhhungen bei den Konsumgtern au die Endverbraucher

    berwlztwerden. In der derzeitpraktizierten Umsatzsteuerbleiben jedochTeiledes privatenKonsums

    entgegen der Forderung (1) ganz oder teilweise steuerrei. Dazu werden verschiedene Methoden

    eingesetzt, die entsprechend dem Besteuerungskonzept im Unternehmenssektor ansetzen mssen. Diese

    Steuervergnstigungen unterscheiden sich im Ansatzpunkt und vor allem auch im Ausma der damit

    tatschlich erreichten Entlastung des Konsums.

    (1) Steuerbefreiungen

    Einzelne Unternehmen werden von der Mehrwertsteuer bereit; sie stehen damit de acto auerhalb

    desMehrwertsteuersystems.Beispiele sind dieWohnungsvermietung,rztliche Leistungen,sozialeLeistungen, Finanzdienstleistungen, Leistungen gemeinntziger Einrichtungen. Die Freistellung

    einzelner Unternehmen hat allerdings nur Wirkungen r die Gesamtsteuerbelastung, wenn diese

    direktanEndverbraucherliefern.BeiLieferungenanandere(steuerpichtige)Unternehmenkommtes

    aufdernchstenProduktionsstufezueinemNachholeekt:EinenichtvomLieferanteninRechnung

    gestellteUmsatzsteuerkannderBezieherderLeistungauchnichtalsVorsteuergeltendmachen.

    Die steuerbereiten Unternehmen werden wie Endverbraucher behandelt, obwohl sie das ganz

    augenscheinlich nicht sind. Ein solches Unternehmen zahlt in seinen Inputs die ihm in Rechnung gestellte

    Mehrwertsteuer, ohne den Vorsteuerabzug praktizieren zu dren. Dieses Unternehmen wird versuchen,

    diegezahlteUmsatzsteuerimPreisseinerLeistungenweiterzugeben.GelingtdiesbeiVerkufenanandere

    Unternehmen,kannderKufer,derdieseLeistungenverarbeitet,dieaufihnberwlzteUmsatzsteuer

    nicht als Vorsteuer geltend machen, weil sie au der Rechnung nicht ausgewiesen wird. Insoweit wird

    er Steuer von der Steuer zahlen mssen. Dieser r die Bruttoallphasen-Umsatzsteuer typische

    Kaskadeneekt gilt daher also auch r die Mehrwertsteuer, obwohl ihre Einhrung gerade mit dem

    Argument geordert wurde, mit der Mehrwertsteuer knne der unerwnschte Kaskadeneekt vermieden

    werden.28 Die Steuerbereiungen stellen deshalb einen Systembruch in der Mehrwertsteuer dar.

    LieferndiesteuerbefreitenUnternehmenanEndverbraucher,sowerdensieebenfallsversuchen,dieindenInputs steckende Vorsteuer zu berwlzen. Soern das gelingt, werden auch die Endverbraucher mit der

    Mehrwertsteuer belastet. Die Monopolkommission spricht von versteckter Mehrwertsteuer, die zwar

    nicht explizit als Steuer ausgewiesen wird, aber dennoch eine Steuerleistung ist29. Steuerbereiungen

    garantieren also keineswegs, dass die Endverbraucher nicht doch mit Mehrwertsteuer belastet werden;

    allerdings ist das Ausma der Belastung vllig unklar auch dies wieder hnlich den Wirkungen einer

    Bruttoallphasen-Umsatzsteuer. Wegen den ungenauen Wirkungen sind Steuerbereiungen generell

    kritisch zu beurteilen.

    28 Vgl. wissenschatlicher Beirat (1974), S. 235 .

    29 Monopolkommission (2009), S. 45.

    (2) Nullsteuersatz

    In manchen Fllen sind Unternehmen zwar mehrwertsteuerpfichtig, sie dren allerdings bei ihren

    eigenen Umstzen den Nullsatz anwenden, und der Vorsteuerabzug ist r sie zugelassen. Solche

    Unternehmen bleiben grundstzlich im System der Mehrwertsteuer, r ihre Verkue gilt lediglich

    einSteuersatzvonnull.Dasistdie beimExportderzeitpraktizierteLsung.Hierbeisprichtman

    vom Nullsteuersatz oder von zero tax rating. Nur mit dieser Methode kann man erreichen, dass der

    AbnehmerderLeistungtatschlichvonderMehrwertsteuerbefreitist.ImAuenwirtschaftsverkehrist

    dasbeabsichtigt;deshalbistderNullsteuersatzfrExporteundfrinnergemeinschaftlicheLieferungen

    zwecks Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips auch angebracht.

    NebendemExportwirdderNullsteuersatzineinigenLndernauch fr Verkufean Konsumenten

    gewhrt. Hier garantiert er zwar, dass die entsprechenden Konsumgter mehrwertsteuerrei bleiben;

    nach der Idee der Mehrwertsteuer (generelle Belastung des gesamten privaten Konsums) ist er allerdings

    systemremd und knnte hchstens mit der Verolgung bestimmter wirtschatspolitischer Ziele (z. B. inder Verteilungspolitik) gerechtertigt werden. Das mag auch die Erklrung sein, warum in Deutschland

    auerbeimExportunddeninnergemeinschaftlichenLieferungenderNullsteuersatznichtgewhrtwird.

    Die EU sieht darin hchstens eine vorbergehende Regelung in den Mitgliedstaaten, die vor dem Beitritt

    zur Gemeinschat in ihrem Steuersystem die Nullsteuerstze kannten.30 Interessant sind die Argumente,

    die die EU-Kommission gegen die Nullsteuerstze vorbringt: Wrden diese extensiv genutzt, dann wren

    damit erhebliche Probleme verbunden: Erosion der Bemessungsgrundlage, Wettbewerbsverzerrungen und

    die Notwendigkeit eines relativ hohen Regelsatzes bei der Mehrwertsteuer, um ein bestimmtes Aukommen

    zu sichern.31 Das sind allerdings Argumente, die auch gegen den ermigten Steuersatz sprechen.32

    (3) Ermigte Steuerstze

    Mit der Satzspaltung ( ermigter Steuersatz) soll erreicht werden, dass bestimmte Konsumgter weniger

    starkmitderMehrwertsteuerbelastetwerden.Dasgelingtallerdingsnurdann,wennderLieferant

    die Steuerermigung in vollem Umang an den Endverbraucher weitergibt, seine Bruttopreise also

    entsprechend der Steuervergnstigung senkt. ut er das nicht, dann ist die Vergnstigung ber den

    ermigten Steuersatz eine Subventionierung der Unternehmen, die l etzten Endes nicht zu vertretenist.Im Zusammenhangmit derjngsten Senkungdes Steuersatzes frbernachtungen inHotels

    wird gerade dieser Aspekt immer wieder herausgestellt. Vertreter des Hotel- und Gaststttenverbandes

    (Dehoga) sind sogar der Meinung, es knne gar nicht Ziel sein, die bernachtungspreise eins zu eins zu

    senken33,einTeilderMehrwertsteuervergnstigungmssefrjahrelangzurckgestellteInvestitionen

    verwendet werden. Deutlicher kann man den Subventionscharakter der Steuerermigung eigentlich

    nicht herausstellen. Falls wirklich Investitionen gerdert werden mssten, wren wohl andere

    Instrumente, z. B. ein Investitionsbonus, erorderlich gewesen.

    30 Zu einem berblick vgl. Europische Kommission (2009).

    31 Vgl. Europische Gemeinschat (1977); ait (1988), S.54 .

    32 Vgl. aushrlicher S. 35 .

    33 o. V. (2010): Dehoga Tringen ordert weitere Steuersenkungen, www.mdr.de/thueringen

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    28 29

    (4) Zusammentreffen und Wirkungen von Steuervergnstigungen

    Das Zusammentreen verschiedener Vergnstigungen kann zu geradezu absurden Ergebnissen hren,

    wie der wissenschatliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen anhand des Beispiels der

    huslichen Essensversorgung (Essen au Rdern) dargestellt hat:34 Au diesem Markt konkurrieren

    anerkannteVerbnde der freienWohlfahrtspege,d erenLeistungen von der Umsatzsteuerbefreit

    sind und die keinen Vorsteuerabzug geltend machen knnen, gemeinntzige Vereine, die den

    Vorsteuerabzug beanspruchen knnen und dem ermigten Steuersatz unterliegen sowie privat-

    gewerbliche Unternehmen, r die die Regelbesteuerung (Vorsteuerabzug und Regelsatz) gilt. Ob der

    erste Anbieter eine weitergehende Vergnstigung erhlt als der zweite, ist nicht eindeutig zu entscheiden;

    derdrittewirddagegeninjedemFalldiskriminiert.Eskommtalsozu Wettbewerbsverzerrungen,

    die allokationspolitisch in keiner Weise zu begrnden sind. Zweielhat ist auch, ob die steuerlichen

    VorteilediehilfsbedrftigenEmpfnger,frdiesiejagedachtsind,berhaupterreichen.DasFazit

    des wissenschatlichen Beirats ist ebenso kurz wie berzeugend: Die umsatzsteuerliche Frderung

    gemeinntziger Krperschaten ist vom Ansatz her verehlt.35 ber den konkreten Fall hinaus lsst sichfesthalten:SteuerbefreiungensolltenzumindestanderArtderLeistung,abernichtanderArtundder

    Rechtsorm des Unternehmens anknpen.

    Die damit angesprochenen Zusammenhnge zeigen sich deutlich am sog. Mehrwertsteuerprivileg

    der Deutschen Post AG. Nach 4 Nr. 11 b UStG sind die unmittelbar dem Postwesen dienenden

    Umstze der Deutschen Post AG von der Umsatzsteuer bereit. Die Steuerbereiung der Deutschen

    Post gilt r alle Universaldienstleistungen nach Post-Universaldienstleistungsverordnung. Im

    GegensatzzurDeutschenPostmssen andereAnbieter frihre LeistungUmsatzsteuerberechnen.

    Die Monopolkommission hat anhand von Beispielen veranschaulicht, dass die Ungleichbehandlung zu

    Wettbewerbsverzerrungen hrt und keineswegs die Steuerreiheit r die Konsumenten sichert. 36

    Auch dieses Beispiel besttigt noch einmal: Wenn schon Steuerbereiungen bei der Umsatzsteuer

    gewhrtwerden, sollte mansienichtan Unternehmen(Post), sondernan bestimmteLeistungen

    (Postdienstleistungen) binden und zwar an solche, die unmittelbar an Konsumenten (und mglichst

    nur an Konsumenten) abgegeben werden. Das hat im brigen der wissenschatliche Beirat

    beim Bundesministerium der Finanzen37 bereits im Jahr 1962, also deutlich vor Einhrung der

    NettoumsatzsteuerinDeutschland(1968)sogesehen.EineUmsatzsteuerbefreiungfrdieLieferungen

    von Wasser und Energie wiewohl l ebensnotwendige Gter lehnte der Beirat ab, weil der Verbrauchprivater Haushalte nicht sauber vom Verbrauch in Unternehmen abgetrennt werden knne. Eine

    SteuerbefreiungnurfrdieLieferungenvonWasserundEnergiedurchdieentlicheHandwollte

    der Beirat schon gar nicht akzeptieren, weil diese gegen das Gebot der Wettbewerbsneutralitt der

    Umsatzbesteuerung spreche38. Das sollte auch heute noch so gelten.

    34 Vgl. Wissenschatlicher Beirat (2008), S. 346.

    35 Ebenda, S. 347.

    36 Monopolkommission (2009), S. 44 .

    37 Wissenschatlicher Beirat (1974), S. 258 .

    38 Ebenda, S. 259.

    4. Steuerliche Behandlung des staatlichen Sektors

    Verkue der Unternehmen an den Staat (entlicher Konsum und entliche Investitionen) unterliegen

    entgegen Forderung (3) der Mehrwertsteuer, ohne dass der Staat einen Vorsteuerabzug praktizieren knnte;

    Verkue an den Staat werden also wie Einzelhandelsumstze behandelt. Sales to government are treated as

    a retail sale.39 Nach der Systematik der Konsumbesteuerung mssten diese Kue eigentlich steuerbereit

    werden; das knnte man erreichen, wenn man au diese ransaktionen wie beim Export den Nullsatz

    erhebenwrde.DaswirdinderLiteraturgelegentlichallerdingsalseinevllignutzloseVerkomplizierung

    (a needless complication)40 bezeichnet. Ob der Staat r seine Kue Mehrwertsteuer zahlen muss oder nicht,

    sei unter skalischem Aspekt gleichgtig: Das, was (angesichts der Steuerpficht) r die Kue des Staates an

    Mehrwertsteuer zu zahlen sei, entspreche genau dem Aukommen des Staates aus diesen ransaktionen. Das

    Budget des Staates (der gesamtstaatliche Haushalt) werde praktisch nur verlngert; die Umsatzbesteuerung

    stelle keine Belastung dar.

    DieserSachverhaltgertfreilichineinanderesLicht,wennmandenfderativenAufbauderBundesrepublikund das dort geltende Verteilungssystem der Umsatzsteuer beachtet: Die Gemeinden, die ber 60 v. H.

    der entlichen Investitionen erbringen, zahlen dar Umsatzsteuer; sind aber (tatschlich) nur zu 2 v. H.

    am Umsatzsteueraukommen beteiligt. Eine Steuerbereiung r den staatlichen Sektor wrde zu einem

    heimlichen Finanzausgleich hren, der so in der Verassung nicht vorgesehen ist und sicher zu einer

    Neuverteilung des Umsatzsteueraukommens nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG hren wrde.

    Wenn man die entliche Hand wie einen Endverbraucher behandelt, ist es zwar konsequent, seine

    Leistungendort,woeraufMrktengegenEntgeltanbietetvonderUmsatzsteuerpichtzubefreien.

    Damit schat man aber die schon angesprochenen Wettbewerbsverzerrungen, wenn die entliche Hand

    in Konkurrenz zu privaten umsatzsteuerpfichtigen Unternehmen steht. Das sicher bekannteste Beispiel ist

    die Umsatzsteuerreiheit r die Deutsche Post, was den privaten Briezustellern einen Wettbewerbsnachteil

    verschat hat, der letztlich entscheidend dazu beigetragen hat, dass hier ein wachstumspolitisch durchaus

    erwnschter Wettbewerb erst gar nicht entstehen konnte. Nach der Privatisierung der Deutschen Post wre

    es lngst an der Zeit gewesen, das Unternehmen in die volle Mehrwertsteuerpficht einzubeziehen.41 Oenbar

    sind zumindest Schritte in diese Richtung geplant.

    Die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie der Europischen Gemeinschat sah bereits vor, dass zwar grundstzlich der

    staatliche Sektor (einschlielich der kommunalen Ebene und der dem entlichen Recht unterliegendenUnternehmen)vonderMehrwertsteuerbefreitseinsolle,nichtjedochindemFalle,indemdieSteuerbefreiung

    zu einer signikanten Strung des Wettbewerbs hren wrde.42 Diese berlegung hilt nicht viel weiter,

    dennhierbeihandeltessichumeineLeerformel,weilnichtgeklrtist,waseinesignikanteStrungdes

    Wettbewerbsist.KonsequentwrenureineLsung,alleentlichenUnternehmen,dieLeistungenamMarkt

    gegen Entgelt anbieten, in die volle Steuerpficht einzubeziehen, ihnen dann aber auch den Vorsteuerabzug

    einzurumen.

    39 ait (1988), S. 76.

    40 Ebenda, S. 75.

    41 AndereliberalisierteNetzindustrienimBereichderDaseinsvorsorgeunterliegenderUmsatzsteuer,soseitdem1.1.1996dieLeistungender DeutschenTelekomAG(4Nr.11aUStG),ebensowerdenLieferungenvonStromundGasmitdemRegelsatzbesteuert.

    42 Vgl. Europische Union (1977), Art. 4(5) . Vgl. auch ait (1988), S. 77.

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    V. Fr den Abbau der Steuervergnstigungen

    1. Zur Rechtfertigung

    Steuervergnstigungen bei der Umsatzsteuer sind vor allem die Steuerbereiungen gem 4 UStG und die

    ermigten Steuerstze gem 12 Abs. 2 UStG. Fr die Rechtertigung werden zwei Argumente vorgetragen:

    Die Preise bestimmter Gter sollen gesenkt werden, um damit die Bezieher niedriger Einkommen zu entlasten

    oder die Nachrage nach solchen Gtern zu erhhen, denen der Staat meritorischen Charakter beimisst.

    Im ersten Fall lautet die Argumentation wie folgt: Die Bezieher niedriger Einkommen geben

    erahrungsgem einen relativ groen eil ihres Einkommens r Konsum aus; ihre Konsumquote

    (Relation Konsumausgaben zu vergbarem Einkommen) liegt also hoch. Wer nur ein sehr niedriges

    Einkommenhat(z.B.einEmpfngervonHartz-IV-Leistungen,einRentner,einStudierender),mag

    sogar sein gesamtes Einkommen r Konsum ausgeben (mssen). Die Konsumquote ist dann gleicheins.FreinsolchesWirtschaftssubjektwrdedieMehrwertsteuerwieeineindirekteEinkommensteuer

    wirken,diediesteuerlicheLeistungsfhigkeitnichtbercksichtigenkann.DerMehrwertsteuerkommt

    somit eine verteilungspolitisch unerwnschte regressive Wirkung zu. Viele sehen im Rahmen der

    Mehrwertsteuer eine geeignete Gegenmanahme in der Steuerbereiung (z. B. r die Mietausgaben) oder

    im ermigten Steuersatz (z. B. r Nahrungsmittel), weil damit gerade die Gter verbilligt werden, die

    im Verbrauchsbudget der Bezieher niedriger Einkommen eine vergleichsweise groe Rolle spielen.

    ImzweitenFallwirddarauf hingewiesen, dass bei Gtern mit positiven externenEekteneine

    Subventionierunggebotenseinkann.StattSubventionenandieAnbieterdieserLeistungenzuzahlen,

    kann man auch ber einen ermigten Steuersatz eine Preissenkung herbeihren und dadurch eine

    strkere Nachrage hervorruen. Wie bei allen Subventionen sind auch Steuervergnstigungen nur

    dann allokationspolitisch zu begrnden, wenn der Markt unvollkommen unktioniert und mit der

    Steuervergnstigung ein besseres wirtschatliches Ergebnis, genauer: die Internalisierung der positiven

    externen Eekte, erreicht werden kann. Im Grunde geht es um sog. meritorische Gter, bei denen der

    Staat ein greres Angebot herbeihren will, als es bei marktmiger Preisbildung zustande kme.

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    2. Streichung von Steuerbefreiungen

    Wenn man nur die beiden hier angesprochenen Rechtertigungen r die Steuerbereiungen gem 4 UStG

    im Grundsatz r traghig hlt, sind selbst bei einer weiten Auslegung der Zielsetzungen viele der heute

    gewhrten Steuerbereiungen nicht zu rechtertigen und mssten schon deshalb gestrichen werden.

    Aus dem Katalog nach 4 UStG gilt dies vor allem r olgende Steuerbereiungen:43

    Nr. 6 Lei stungenderEisenbahnendesBundes

    Nr. 8 Gewhrung und Vermittlung von KreditenNr. 11 tigkeit der Bausparkas senvertre ter, Versicherungsver treter und Versicherungsmakler

    Nr. 14 tigkeit als Arzt, Zahnarzt und andere heilberufiche tigkeiten

    Nr. 15 Umstze der gesetzlichen rger der Sozialversicherung

    Nr. 16 Umstze der Krankenhuser, Diagnosekliniken etc. Nr. 18 LeistungenderamtlichanerkanntenVerbndederfreienWohlfahrtspege

    Besonders umstritten ist dabei die Streichung der Steuerbeeiung der Umstze aus der tigkeit als Arzt,

    Zahnarzt, Heilpraktiker und aus hnlichen heilberufichen tigkeiten (Nr. 14), d er Umstze der rger der

    Sozialversicherung (Nr. 15) und der Umstze der Krankenhuser, Alten- und Pfegeheime (Nr. 16). Das wrde

    zwar betrchtliche Mehreinnahmen von rund 12 Mrd. Euro bringen, aber gleichzeitig zu Kostensteigerungen

    im Gesundheitswesen und damit zu einer Anhebung der Beitrge oder zu erhhten Staatszuschssen an

    die Sozialversicherungen hren. Unter dem Konsolidierungsaspekt bringt die Streichung also nicht viel. 44

    Darum geht es aber auch gar nicht: Solange das Gesundheitswesen ber Beitrge nanziert wird, sollten aus

    Ezienzberlegungen die tatschlich anallenden Kosten den Verursachern angelastet werden und nicht in

    vermindertem Steueraukommen versteckt und au die Gesamtheit der Steuerzahler verteilt werden. Zudem

    tragenbeiderheutigenRegelungauchdieLnderundGemeindeneinenTeilderSteuermindereinnahmen,

    nanzieren also Ausgaben, r die sie eigentlich nicht zustndig sind.

    Umstritten wird auch die Streichung der Steuerbereiung r Wohlahrtseinrichtungen (Nr. 18) sein.

    Allerdings gibt es dar weder gemeinschatsrechtliche Bindungen noch konomische (allok ationstheoretische)

    Begrndungen. Dieses Tema ist in einem Gutachten des wissenschatlichen Beirats im Einzelnen abgehandelt

    worden.45 Zudem spricht r die Streichung, dass wenn berhaupt Steuerbereiungen eingehrt werden nichtUnternehmen(Wohlfahrtsverbnde),sonderndievonihnenerbrachtenLeistungensteuerbefreitwerden

    mssen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.46

    Die brig bleibenden Steuerbereiungen werden mit der verteilungspolitischen Zielsetzung (Vermeidung der

    Regressionswirkung) und mit dem allokationspolitischen Ziel (Internalisierung positiver externer Eekte)

    gerechtertigt. Dabei wird in der Regel die Steuerbereiung r die Umstze aus Vermietung und Verpachtung

    positiv beurteilt: Die Ausgaben r Mietzahlungen machen vor allem r Bezieher niedriger Einkommen einen

    43 Die Bereiungstatbestnde sind hier nur in Kurzorm wiedergegeben. Zu den Einzelheiten vgl. den Wortlaut von 4 UStG.

    44 Vgl. Sachverstndigenrat (2005), Zi. 466.

    45 Wissenschatlicher Beirat (2008), S.348 .

    46 Vgl. oben S. 28.

    hohen Anteil am Konsumbudget aus. Deshalb wird r die Steuerreiheit pldiert.47 Die Zusammenhnge

    sind allerdings wohl etwas komplexer.

    Zunchst einmal ist es reine Fiktion, dass Wohnungsmieten wegen der Vorschrit des 4 Nr. 12 UStG von

    der Mehrwertsteuer nicht belastet werden. Die in den erheblichen Ausgaben r den Bau eines Hauses sowie

    den lauenden Reparatur- und Instandhaltungsauwand steckende Mehrwertsteuer wird der Vermieter wie

    alle anderen Kosten ber den Mietpreis zu berwlzen versuchen. Insoweit ist auch heute im Mietpreis eine

    versteckte Mehrwertsteuer enthalten; die eigentlich angestrebte Steuerreiheit r die Wohnungsnutzung

    wird deshalb nicht verwirklicht. Wenn man die vollstndige Bereiung der Wohnungsnutzung von der

    Umsatzsteuer tatschlich erreichen wollte, msste man den Nullsteuersatz mit Vorsteuerabzug bei den

    Wohnungsanbietern einhren. Damit handelt man sich allerdings das nchste Problem ein: Wenn gemietete

    und vom Eigentmer selbst genutzte Wohnungen steuerlich gleich behandelt werden sollen, msste man den

    Bauherren von selbst genutztem Wohnraum die Vorsteuer erstatten, ihn also als Unternehmer behandeln.

    Genau so msste verahren werden bei spterem Instandsetzungsauwand.48 Angesichts der dann lligen groen

    Zahl von Erstattungsansprchen und der o t unzureichenden Buchhrung bei Bauherren von Eigenheimen,isteinesolcheLsungwohlnichtzuempfehlen.StattdessensolltemanbeiderheutigenSteuerbefreiungnach

    4 Nr. 12 a UStG bleiben; damit akzeptiert man allerdings die versteckte Mehrwertsteuer.

    Dieses verteilungspolitische Argument, Mietausgaben machten insbesondere bei Beziehern niedriger

    Einkommen einen hohen Anteil am Budget aus und mssten deshalb steuerrei bleiben, wird dadurch entkrtet,

    dassgeradefrdieEmpfngervonHartz-IV-LeistungendieMietkostenstaatlicherseitsbernommenwerden.

    Mit einer Anpassung des Wohngeldes wrde man darber hinaus verbleibende Unzulnglichkeiten angehen

    knnen. Das verspricht eher Zielgenauigkeit und Ezienz als die Steuerbereiung r die Vermietung und

    Verpachtung von Grundstcken in der Umsatzsteuer.

    Das gilt ebenso r die Steuerbereiungen, die r die Bereiche Wissenschat, Kultur, Kunst und Ausbildung

    gewhrt werden. Auch hier knnte man zielgenauer und ohne Wettbewerbsverzerrungen zu schaen mit

    ransers oder mit zustzlichen Ausgaben des Staates r Bildung und Wissenschat arbeiten.

    Die sich bei Besteuerung der Wohnungsmieten ergebenden und hier angesprochenen Probleme zeigen

    sichbrigens immerdann, wennein umsatzsteuerpichtigesUnternehmenmit einemWirtschaftsubjekt

    in Wettbewerb steht, das nicht umsatzsteuerpfichtig ist. Das ist z. B. bei Grundstcksverkuen

    und beim Gebrauchtwagenhandel der Fall. Hier muss man eine pragmatische Lsung nden. BeimGrundstckshandel entspricht dem die Steuerreiheit in der Umsatzsteuer, ergnzt um die Erhebung einer

    speziellen Grunderwerbsteuer. Beim Gebrauchtwagenhandel sind es Kommissionsgeschte49 oder die

    Dierenzbesteuerung nach 25 a UStG.

    47 So auch der Sachverstndigenrat (2005), Zi. 466.

    48 Ein solches Vorgehen wrde eine grundstzlich andere Behandlung des selbst genutzten Wohnraums (auch in der Einkommensteuer) voraussetzen.Vgl. dazu Peekoven (2005), S. 255 .

    49 Der Gebrauchtwagen wird von einem umsatzsteuerpfichtigen Hndler im Autrag des privaten Haushalts verkaut.

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    Der Reormvorschlag hinsichtlich der Steuerbereiungen nach 4 UStG lautet demnach: Streichung aller

    Steuerbereiungen bis au zwei Flle.

    Nr. 12 a: Vermietung und Verpachtung von GrundstckenNr. 9: Umstze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz oder unter

    dasRennwett-undLotteriegesetzfallen

    Fr den ersten Fall sprechen Praktikabilittsberlegungen, r den zweiten die Vermeidung einer

    Doppelbelastung.

    3. Streichung des ermigten Steuersatzes

    Im Rahmen der Steuervergnstigungen bei der Umsatzsteuer spielt die Gewhrung des ermigten Steuersatzes

    die auch quantitativ wichtigste Rolle. Die dadurch verursachten Steuerauslle drten sich au etwa 20

    Mrd. Euro pro Jahr belauen. Dazu kommt, dass diese Vergnstigung in vielen Fllen gar nicht bei denKonsumenten wirksam wird und zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen hrt.

    (1) Die derzeitige Regelung

    Die Regelungen zu den ermigten Steuerstzen nden sich in Abschnitt 2 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie

    (Art. 98 .). Danach knnen die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermigte Steuerstze anwenden, allerdings

    nuraufdieLieferungvonGegenstndenundaufdieDienstleistungenderineinemAnhangIII(zuArt.98)50

    genannten Kategorien. Diese eigentlich eher restriktive Grundstruktur wird allerdings wieder augehoben und

    auch verkompliziert durch eine groe Zahl zeitlich beristeter Ausnahmeregelungen, die einzelne Mitgliedslnder

    inAnspruchnehmenknnen.SodrfendieMitgliedstaatenaufLieferungenvonErdgas,Elektrizittund

    Fernwrme einen ermigten Steuersatz anwenden, soern nicht die Geahr einer Wettbewerbsverzerrung

    besteht;LetzteresistvonderEU-KommissionimEinzelfallfestzustellen(Art.102).

    Die in Deutschland ermigt besteuerten Umstze sind in 12 Abs. 2 UStG geregelt und in der Anlage zu

    12 Abs. 2 UStG im Einzelnen augehrt; sie erllen die Anorderungen des Art. 98 der 6. Mehrwertsteuer-

    richtlinie.AuchdiejngsteEinfhrungeinesermigtenSteuersatzesfrHotelbernachtungensttztsichauf

    Art. 98 Abs. 2 sowie Nr. 12 des Anhangs III.

    Au Vorschlag der Kommission knnen die Mitgliedstaaten vom Rat einstimmig ermchtigt werden, bis zum

    31.12.2010 au bestimmte (in einem Anhang IV51 zusammengestellte) Dienstleistungen ermigte Steuerstze

    anzuwenden (Art. 106). Dabei mssen die Dienstleistungen olgende Voraussetzungen erllen (Art. 107) :

    Sie mssen arbeitsintensiv sein.

    Sie mssen in weitgehendem Mae direkt an die Endverbraucher erbracht werden.

    Sie mssen berwiegend lokalen Charakter haben und dren nicht geeignet sein, Wettbewerbsverzerrungen

    hervorzuruen.

    50 Der Anhang bendet sich au S. 42 .

    51 Der Anhang bendet sich au S. 43.

    Darber hinaus muss ein enger Zusammenhang zwischen den durch die Ermigung des Steuersatzes

    bedingten Preissenkungen und der absehbaren Zunahme der Nachrage und der Beschtigung bestehen, was

    eine Prognose ber die Preiselastizitt der ermigt besteuerten Gter voraussetzt, die in der Regel eher schwierig

    sein drte. Durch die Anwendung des ermigten Steuersatzes dar zudem das reibungslose Funktionieren

    des Binnenmarktes nicht gehrdet werden. Das Gutachten der Copenhagen Economics hat gezeigt, dass

    inolge des unterschiedlichen Ausmaes, in dem die einzelnen Mitgliedslnder Gebrauch von der Regelung des

    Art. 106 der Mehrwertsteuerrichtlinie machen, ermigte Steuerstze sehr wohl den EU-Binnen-

    handel beeinfussen: Insbesondere in grenznahen Gebieten der Mitgliedslnder entstehen Wettbewerbs-

    verzerrungen.52

    Der deutsche Gesetzgeber hat von der Mglichkeit zur beristeten Einhrung des ermigten Steuersatzes

    bisher keinen Gebrauch gemacht trotz vieler Forderungen der potenziellen Nutznieer (z. B. haushaltsnahe

    Dienstleister, Friseure, Gaststttengewerbe). Deutschland drte insoweit durch die ermigten Stze gem

    Art. 106 der Mehrwertsteuerrichtlinie eher negativ betroen sein und sollte eigentlich au EU-Ebene darau

    drngen, dass die Regelung ber die nur vorbergehend zugelassenen ermigten Steuerstze nicht ber den31.12.2010 hinaus verlngert wird.

    (2) Probleme der ermigten Steuerstze

    EineallgemeineKonsumsteuermsstederIdeenachmiteinemeinheitlichenSteuersatzarbeiten;jemehr

    derSteuersatzdagegennachArtderLieferungenvonGegenstndenundDienstleistungendierenziert

    wird, umso mehr geht die allgemeine Verbrauchsteuer ber in ein System von Einzelverbrauchsteuern.

    Das hrt auch innerhalb einer Volkswirtschat zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen einzelnen

    Branchen und damit zu Ezienzverlusten.

    Einer solchen Entwicklung hat die 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie immerhin einen Riegel vorschieben, also

    die negativen Wirkungen begrenzen wollen: Sie lsst nur noch einen oder zwei ermigte Steuerstze und

    nicht mehr die zuvor auch in einigen Mitgliedstaaten der EU erhobenen erhhten Mehrwertsteuerstze

    (inderRegelaufLuxusgter53) zu. Oenbar bestehen aber auch gegen die derzeitige Regelung seitens

    der EU letzten Endes noch konomische Bedenken. Anders ist nicht zu verstehen, dass der Rat au der

    Grundlage eines Berichts der Kommission erstmals 1994 und spter alle zwei Jahre den Anwendungsbereich

    der ermigten Steuerstze berpren wollte (Art. 100). Zudem war die Kommission gehalten, dem

    Europischen Parlament und dem Rat sptestens am 30. 6. 2007 au der Grundlage der von einer

    unabhngigen Expertengruppe r Wirtschatsragen durchgehrten Untersuchung einen Bericht ber

    die Auswirkungen der au lokal erbrachte Dienstleistungen angewandten ermigten Stze vorzulegen.

    Dabei sollten insbesondere die Wirkungen au die Schaung von Arbeitspltzen, das Wirtschatswachstum

    und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes dargestellt werden (Art. 101). Die Untersuchung

    der Expertengruppe ist von einer Beratungsgesellschat, Copenhagen Economics54, im Jahre 2007 erstellt

    worden; der angeorderte Bericht der Kommission 55 liegt vor. Darin pldiert die Kommission dar, dass

    52 Vgl. Copenhagen Economics (2007), S. 88 .

    53 Mitunter wurden auch (andere) Gter erhht besteuert, die im Inland gar nicht hergestellt wurden. Wegen der Anwendung des BestimmungsIandprinzips konntendannauchImporteoderinnergemeinschaftlicheLieferungenentsprechendhochbesteuertwerden,wasimErgebnisaufeineprotektionistische

    Manahme hinauslie. Schon deshalb ist die Abschaung der erhhten Umsatzsteuerstze zu begren.

    54 Copenhagen Economics (2007).

    55 Vgl. Europische Kommission (2008).

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    die Ausnahmeregelungen bis au ein oder zwei Ausnahmen beristet bis Ende 2010 verlngert werden

    sollten.56 Dies ist inzwischen augrund eines Ratsbeschlusses auch geschehen. Die berlegungen der

    Kommission zum weiteren Vorgehen bei den ermigten Steuerstzen sind eher vage. Bevor ein detaillierter

    Vorschlag ausgearbeitet werden kann, soll eine politische Debatte um eine neue Rahmenregelung r die

    ermigten Steuerstze gehrt werden. Damit drte das Problem zunchst einmal au die lange Bank

    geschoben worden sein.

    Soweit bei bestimmten Gtern die Gewhrung des ermigten Steuersatzes mit den genannten

    verteilungspolitischen und allokationspolitischen Zielen nicht gerechtertigt werden kann, mssten diese

    Regelungen ersatzlos gestrichen werden. Die Steuer ermigt sich nach 12 Abs. 2 Nr. 1 au 7 v. H.

    frdieLieferungen,dieEinfuhrunddeninnergemeinschaftlichenErwerbderinAnlage2bezeichneten

    Gegenstnde.WeitereSteuerermigungen,dieberwiegendsonstigeLeistungendarstellen,sindin

    12 Abs. 2 Nr. 3 bis 10 geregelt.

    Aus dem Katalog der ermigt besteuerten tigkeiten nach 12 Abs. 2 Nr. 3 bis 10 (Anlage zu 12 Abs.2 UStG) wren wohl die meisten zu streichen. Ausnahmen knnten die olgenden Ermigungen sein:

    Nr. 7: Eintrittsberechtigung r kulturelle Veranstaltungen, berlassung vonFilmen zur Auswertung und Vorhrung, Einrumung, bertragung und Wahrnehmungvon Urheberrechten

    Nr.8: LeistungenderKrperschaften,dieausschlielichundunmittelbar

    gemeinntzige, mildttige oder kirchliche Zwecke verolgen

    Nr. 10: Berderungsleistungen im Nahverkehr

    Hierbei lsst sich in einer weiten Interpretation die verteilungspolitische oder die allokationspolitische

    Begrndung immerhin vermuten.

    VorallemdieListederdemermigtenSteuersatzunterliegendenGegenstnde(Anlagezu12Abs.

    1 und 2 UStG) msste deutlich gekrzt und systematisiert werden. Fr die meisten Positionen lassen

    sich eben keine verteilungs- oder allokationspolitischen Rechtertigungen nden. Ob bei den dann noch

    verbleibenden Warengruppen (im Wesentlichen Grundnahrungsmittel und Kulturgter) der ermigte

    Steuersatz geeignet ist, die angestrebten verteilungspolitischen und allokationspolitischen Ziele zu erreichenoder ob es nicht ezientere Manahmen gibt, wird im Folgenden noch zu pren sein. Mglicherweise

    sind die Ziele mit anderen wirtschatspolitischen Manahmen besser und kostengnstiger zu erreichen.

    DiewichtigsteGruppestellendieLebensmitteldar57,ausgenommenallerdingseinigeLuxusartikel,

    wiezumBespielLangustenundSchnecken(Nr.3).BeiGetrnkensindausdrcklichausgenommen:

    rinkwasser, das abgepackt verkaut wird ( Nr. 34) sowie Frucht- und Gemseste (Nr. 32), smtliche

    alkoholischen Getrnke sowie Kaee und ee als zubereitete Getrnke.

    56 Ebenda, S. 14.

    57 Vom Gesamtaukommen aus der ermigten Besteuerung entallen rund 75 v. H. au die Besteuerung von Nahrungsmitteln, rinkwasser und Milch.Vgl. Bundesministerium der Finanzen (2007a), S. 10.

    Die ber 50 Warenbezeichnungen der Anlage 2 zu 12 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG, die in den einzelnen

    Positionen noch weiter untergliedert sind, weren immer wieder Fragen au, warum der eine Gegenstand

    ermigt, der andere (durchaus vergleichbare) aber normal besteuert wird. Gestritten wird auch zwischen

    den Warengruppen: Warum werden Kinderwindeln regelbesteuert, Hundeutter aber ermigt? Warum

    werden Kinderspielzeug und Kinderkleidung nicht ermigt besteuert? Warum werden Maulesel

    ermigt, Eselaberregelbesteuert?Oenbarhabenin dieserListe erfolgreich vertretene Interessen

    einzelner Branchen ihren Niederschlag geunden. Das hrt zu vllig unsinnigen und in der Regel

    nicht nachvollziehbaren Ergebnissen, die dazu beitragen, dass der Wettbewerb vielach verzerrt und der

    Zweck der ermigten Steuerstze gar nicht erreicht wird. In vielen Fllen erhalten nmlich nicht die

    Konsumenten preisgnstige Gter, sondern die Unternehmen knnen eine Subvention einstreichen.

    Dazu nur einige Beispiele, die auch einen Eindruck von den enormen Kosten vermitteln, die in der Praxis

    beiVerwaltungundWirtschaft(ComplianceCosts)anfallendrften,umeinzelneGterundLeistungen

    gegeneinander abgrenzen zu knnen:

    AusdrcklichvonderErmigungfrNahrungsmittelausgeschlossensindLieferungenvonSpeisenund Getrnken zum Verzehr an Ort und Stelle. Wird das Brathhnchen an der Imbissbude gekaut

    und zum Verzehr mit nach Hause genommen, hat der Verkuer r den Umsatz den ermigten

    Steuersatz zu entrichten. Wenn dagegen das Hhnchen soort an der Imbissbude verzehrt wird und

    wenn dort besondere Vorrichtungen r den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden

    (Abschnitt 25a Abs. 1 UStR), unterliegt der Umsatz dem Regelsteuersatz. Da der Unternehmer in

    diesem Fall erahrungsgem das Hhnchen zu einem bestimmten Bruttopreis verkaut egal ob

    es der Kunde zu Hause oder an Ort und Stelle verzehrt, was der Verkuer im Vorhinein in der

    Regel weder wei noch beeinfussen kann , kommt der ermigte Steuersatz beim Verkau ber

    die Strae gar nicht dem Konsumenten zugute. Bei gleichem Bruttopreis erzielt der Unternehmer

    r den Kau ber die Strae einen hheren Nettopreis als bei Verkau zwecks Verzehr an Ort und

    Stelle. Er wird sogar versucht sein, Verkue mglichst als solche ber die Strae zu deklarieren,

    weil er bei gleichem Bruttopreis dar weniger Umsatzsteuer abhren muss. Die damit drohende

    SteuerhinterziehungknntemanwohlnurindenGribekommen,wennanjedeImbissbudeein

    Kontrolleur gestellt wrde. Soweit der ermigte Steuersatz zum Zuge kommt, schlgt er sich in einer

    Gewinnerhhung des Unternehmens nieder.

    Nach12Abs.2Nr.10giltderermigteSteuersatzauchfrdieBefrderungvonPersonen

    im Verkehr mit axen, soern die Berderungstrecke nicht mehr als 50 Kilometer betrgt.58

    Einaxiunternehmen bietet zu einem Pauschalpreis (Bruttopreis von 50 Euro) Fahrten zum nahe

    gelegenen Flughaen an, Autrge nimmt er teleonisch in seiner Betriebssttte entgegen. Setzt er r

    eine solche Fahrt ein bliches axi ein, sind im Umsatz 7 v. H. Umsatzsteuer enthalten, der Nettopreis

    betrgt also 46,73 Euro. Schickt er dagegen einen Mietwagen59, dann sind im Umsatz 19 v. H.

    Umsatzsteuer enthalten, er wrde also zu einem Nettopreis von 42,02 Euro ahren mssen. Fr einen

    Konsumenten, der letzten Endes nur am Bruttopreis interessiert ist, wrde der ermigte Steuersatz

    keinen Vorteil bringen; der Unternehmer wrde dagegen einen hheren Nettopreis erzielen. Der

    beabsichtigte Frdereekt des ermigten Steuersatzes wird nicht erreicht.

    58 Die Steuerermigung nach 12 Abs. 2 Nr. 10 will der Sachverstndigenrat (2009, Zi. 297) abschaen, weil die Fahrtkosten zum Arbeitsort bereitsdurch die Pendlerpauschale subventioniert werden. Das ist wohl keine traghige Begrndung, weil es den beiden Manahmen um ganz verschiedenePersonenkreise und ganz unterschiedliche Zielsetzungen geht.

    59 Der Mietwagenverkehr unterscheidet sich im Wesentlichen vom axiverkehr dadurch, dass nur Berderungsautrge ausgehrt werden dren, die amBetriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind ( 49 Abs. 4 Personenberderungs-Gesetz). Vgl. auch UStR-Abschn. 173 Abs. 9.

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    EinentsprechendesErgebniserhltmanauchfrdenFallderjngstenSteuervergnstigungfr

    die bernachtungen in Beherbergungsbetrieben. Wenn die Hoteliers ihre bisherigen Bruttopreise

    nicht entsprechend der Dierenz zwischen dem Regelsatz und dem ermigten Steuersatz senken,

    haben die Konsumenten von der Neuregelung keinen Vorteil; die Steuervergnstigung ist dann eine

    Subventionierung der Hotelbetreiber. Zudem werden sich erhebliche Abgrenzungsprobleme ergeben,

    vor allem bei der Frage, was genau eine bernachtung in einem Beherbergungsunternehmen ist und

    welche Nebenleistungen noch dazu gehren. Hierzu wird das Bundesministerium der Finanzen alsbald

    ein entsprechendes Schreiben vorlegen mssen. Viele gehen davon aus, dass die Beschrnkung

    des ermigten Steuersatzes allein au bernachtungen rechtswidrig ist und beziehen sich au eine

    Entscheidung des Bundesnanzhoes60. Danach gehren gewhnlich mit Reisen verbundene

    Dienstleistungen wie z. B. die Verpfegung als Nebenleistung zur Hauptleistung und sind daher

    wie diese zu besteuern. Die Beamten des Bundesnanzministeriums werden dann auch z. B. die

    wichtige Frage zu klren haben, ob die Unterbringung eines ieres im Hotelzimmer zu 7 v. H. oder

    wie in einer ierpension zu 19 v. H. zu versteuern ist.

    (3) Zwischenergebnis

    Zusammenassend kann man esthalten:

    Der Katalog der ermigtbesteuerten Gteristkeineswegs berzeugendabgegrenzt, sondern

    eher willkrlich. Er spiegelt schlussendlich erolgreich vertretene Sonderinteressen; es kommt zu

    erheblichen Wettbewerbsverzerrungen und damit zu Ezienzverlusten. Zudem ergeben sich immer

    wieder Abgrenzungsprobleme, wenn in einem Produkt sowohl Komponenten enthalten sind, die dem

    ermigten Steuersatz unterliegen, als auch solche, die regelbesteuert werden. Schon vor Jahren hat

    das berraschungsei die steuerpolitische Debatte beschtigt: Wie ist ein (hohles) Ei aus Schokolade

    (Steuersatz 7 v. H.), in dem als berraschung r den Kuer ein kleines Spielzeug (Steuersatz 19 v. H.)

    untergebracht ist, umsatzsteuerlich zu behandeln? Zwar gilt der Grundsatz, dass eine wirtschatlich

    unteilbareLeistungauchumsatzsteuerlichalsEinheitzubehandelnistunddassdieHauptleistung

    unddie unselbststndigenNebenleistungenzueiner Leistungseinheitzusammengefasst werden61,

    aber dieser Grundsatz wird aus rechtssystematischen Grnden durchbrochen, wenn nur ein eil

    einerLeistungdemermigtenSteuersatzunterliegt.Zudemwirdimmerwiederdarbergestritten,

    was eine unselbststndige Nebenleistung ist.

    Ganz generell gilt: Bei dierenzierten Umsatzsteuerstzen r hnliche Produkte ist immer wieder

    mit Streitigkeiten zwischen Unternehmen und der Verwaltung ber die richtige Abgrenzung zu

    rechnen, die letzten Endes vor den Finanzgerichten entschieden werden mssen. Die Compliance

    Costs drten demnach sehr hoch liegen. Mit dem Streichen des ermigten Steuersatzes wrde r

    Verwaltung, Wirtschat und Rechtssprechung erheblicher Auwand vermieden und auch wohl mehr

    Rechtssicherheit geschaen.

    60 Urteil des Bundesnanzhos vom 15.1.2009 (Az: V R 9/06). Zit. nach Handelsblatt, Nr. 29, 11.2.2010, S. 15.

    61 Abschnitt 29 Abs. 3 UStR.

    DieGewhrungeinesermigtenSteuersatzessolldenKonsumenten(berPreissenkungen)zugute

    kommen. In vielen Fllen ist das nicht gesichert. Da die Umsatzsteuer als indirekte Konsumbesteuerung

    im Unternehmensbereich erhoben werden muss, kommt der gewnschte Eekt nur dann zustande,

    wenndieAnbieterderLeistungenihreBruttopreiseentsprechendderDierenzzwischenRegelsatz

    und ermigtem Satz absenken. Das lsst sich steuerrechtlich nicht regeln, sondern wird am Markt

    entschieden. Ob die Unternehmer dazu bereit sind oder wegen der Marktverhltnisse sein

    mssen, hngt vor allem von der Preiselastizitt der Nachrage, der Wettbewerbssituation und der

    Konjunkturlageab.Jedenfalls sinddieWirkungenermigterSteuerstze keineswegs eindeutig

    zu prognostizieren. In diesem Zusammenhang werden mglicherweise hohe Mittel mit hohem

    administrativem Auwand ohne nennenswerte Erolge ausgegeben.

    Aber selbst wennesgelingt, die Preissenkung,dieder ermigteSteuersatzermglicht,an die

    Konsumenten weiterzugeben, bleibt das Ergebnis verteilungspolitisch unberiedigend; denn auch

    Bezieher hoher Einkommen kommen in den Genuss der Preissenkung, was eigentlich gar nicht

    angestrebt wird. Preise sind ein Allokationsinstrument, mit denen Angebot und Nachrage gesteuert werden; zur Verwirklichung von Verteilungszielen sind sie grundstzlich ungeeignet. Wenn im

    Interesse der Bezieher niedriger Einkommen und der Familien mit Kindern di e Milch ermigt besteuert

    wird, dann knnen eben auch die Reichen ihre Katzen mit subventionierter Milch ttern. Damit

    werden entliche Mittel vergeudet. Wo immer verteilungspolitische Ziele verolgt werden, sollten

    Transfersan Bezieher niedriger Einkommen gezahlt,also Subjektfrderungstatt Objektfrderung

    betrieben werden. Damit kann man zielgenauer arbeiten und entliche Mittel einsparen.62 argeted

    direct budget subsidies can oten achieve better results at lower costs than reduced VA rates.63

    hnliches gilt auch fr die allokationspolitische Rechtfertigung des ermigten Steuersatzes

    (Internalisierung positiver externer Eekte). Eine solche Politik wre nur zu vertreten, wenn man

    die externen Eekte exakt quantizieren und dann beim Einzelnen abgelten knnte. Das drte

    ber den Preis der besteuerten Gter nicht mglich sein schon deshalb nicht, weil das Ausma

    der berwlzung unbekannt ist. Mitunter ist es auch Ziel der ermigten Steuerstze, zustzlichen

    Konsum an meritorischen Gtern (z. B. Bcher, Zeitschriten, Besuch kultureller Veranstaltung)

    gerade bei Beziehern niedriger Einkommen zu schaen. Ob das gelingt, ist schwer estzustellen,

    mglicherweise nutzen vor allem die Bezieher hoher Einkommen den ermigten Steuersatz, obwohl

    sie diese Gter ohnehin schon in groem Ausma konsumieren. Auch im Bereich der meritorischen

    Gter wrden sich eher ransers und staatliche Ausgaben im Bildungswesen empehlen.

    EineinheitlicherSteuersatzentsprichtdemKonzeptderMehrwertsteueralsallgemeinerindirekter

    Konsumsteuer. Das Copenhagen Institute ist nach einer umassenden Analyse der in den EU-

    Mitgliedstaaten praktizierten ermigten Steuerstze zu dem Ergebnis gekommen: A single rate can

    improve economic eciency, reduce compliance costs und smooth the unction o internal market.64

    Ermigte Steuerstze knnen in den betroenen Branchen durchaus positive Eekte (steigende

    Produktivitt und Abbau von Arbeitslosigkeit) haben, aber das geht wie bei vielen Subventionen

    zulasten der Gesamtwirtschat.

    62 Vgl. Peekoven (2005), S. 12.

    63 Copenhagen Institute (2007), S. 4.

    64 Ebenda.

  • 8/3/2019 Zur Reform der Mehrwertsteuer

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    VI. Reformvorschlag

    Die Koalitionsparteien im Bund haben also recht, wenn sie Handlungsbedar bei den ermigten

    Mehrwertsteuerstzensehen.Allerdingsliegensiefalsch,wennsiedamitdieAufnahmeweitererLeistungen

    indenKatalogderermigtbesteuertenGegenstndeundLeistungenmeinen.DieReformmussindiegenau

    andere Richtung gehen: Streichen des ermigten Steuersatzes und generelle Besteuerung mit einem Regelsatz.

    Das ist EU-rechtlich ohne Weiteres mglich, da die Regelungen der Mehrwertsteuerrichtlinie die Einhrung

    ermigter Steuerstze erlaubt, aber nicht zwingend vorschreibt. Dnemark hat in der Vergangenheit den

    Versuch mit einem einheitlichen Steuersatz unternommen.65

    Gleichzeitig sollten die Steuerbereiungen nach 4 UStG bis au zwei Ausnahmen66 gestrichen werden; sie sind

    ein systemremdes Element in d er Mehrwertsteuer und hren zu vielltigen Wettbewerbsverzerrungen. Hier

    mussinEinzelflleneineEU-weiteLsungangestrebtwerden.Erforderlichwreeinenderungderderzeit

    gltigen Richtlinie oder eine Ausnahmeregelung r Deutschland. Das wird nicht einach zu erreichen sein,

    da beides einen einstimmigen Beschluss des EU-Rates voraussetzt. Dennoch sollte sich die Bundesregierungin diese Richtung bemhen.

    Das mit Streichung der Steuervergnstigungen zustzlich anallende Aukommen wre betrchtlich und

    knnte zum berwiegenden eil verwendet werden, um den Regelsatz deutlich abzusenken. Aus dem 21.

    Subventionsbericht der Bundesregierung und dem Kieler Subventionsbericht ergeben sich Anhaltspunkte.

    Nach einer groben Schtzung werden r Umsatzsteuerbereiungen rund 15 Mrd. Euro ausgegeben und

    r den ermigten Steuersatz etwa 20 Mrd. Euro. Hinzu kmen (allerdings nur schwer abzuschtzende)

    Steuermehreinnahmen, die aus Wachstums- und Ezienzgewinnen resultieren. Daneben drte


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