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Vortrag bei der Fachtagung "Digital ist besser", 13.3.2011, Düsseldorf
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Menschen und Medien
Visionen einer digitalen Gesellschaft
Dr. Jan-Hinrik Schmidt
Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation
Düsseldorf, 14.03.2011
Menschen und Medien Seite 2 von 17
Menschen und Medien
Was machen die Menschen mit den Medien?
Was machen die Medien mit den Menschen?
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Worüber spreche ich heute?
1. Universalmedium der digitalen Gesellschaft: Das Internet
2. Drei Nutzungspraktiken, drei Mythen des Internet
3. Ausblick: Wie wird sich Medienkommunikation entwickeln?
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2007
2009
2011
Fachtagung „Digital ist besser!“, Düsseldorf
Entwicklung und Verbreitung des Internets: Meilensteine
Erste Internet-verbindung (USA)
Erster deutscher Rechner
(Uni Karlsruhe)
Start des World Wide Web
(CERN Genf)
„New Economy“-Blase
Web 2.0
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• Mit der Bezeichnung „Web 2.0“ wird darauf angespielt, dass das Internet in eine neue Phase eingetreten sei – es also eine „neue Version“des World Wide Webs gebe, die anders, besser, revolutionärer sei als das alte Internet, z.B. durch…
– Wikipedia– Youtube– Facebook– Twitter– … und viele viele andere Dienste & Plattformen
• Die Bezeichnung ist problematisch, weil es solche „Updates“ im Internet nicht wirklich gibt, und weil in der ganzen Euphorie um das Web 2.0 oft vergessen wird, dass viele Menschen das Internet nach wie vor „traditionell“ (oder gar nicht) nutzen
• Dennoch: Technische Innovationen der letzten Jahre haben bestimmte Nutzungs-weisen weiter erleichtert und so bestimmte soziale Folgen nach sich gezogen, sodass sich unser individuelles und gesellschaftliches Leben verändert
Was ist das Web 2.0?
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Universalmedium Internet
Das gegenwärtige Internet senkt die Hürden für onlinebasiertes…
– Identitätsmanagement (Darstellung individueller Interessen, Erlebnisse, Meinungen, Kompetenzen, etc.) z.B. Weblogs, YouTube
– Beziehungsmanagement (Pflege von bestehenden und Knüpfen von neuen Beziehungen)
z.B. Facebook, studiVZ, XING, Wer-kennt-Wen
– Informationsmanagement (Selektion und Weiterverbreitung von relevanten Daten, Informationen, Wissen- und Kulturgütern)
z.B. Wikipedia, Twitter
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Die kommunikationssoziologische Perspektive (I)
• Individualität – die eigene unverwechselbare Identität zu entwickeln und darzustellen – ist gesellschaftliches Leitbild und normative Anforderung an den Einzelnen
• Identität ist aber nicht von der Einbettung in soziale Gebilde zu trennen und entsteht nur im Wechselspiel von individuell-persönlichen Merkmalen und sozialen Zugehörigkeiten
• Formen der sozialen Organisation haben sich geändert: Zeitlich stabile, traditionell begründete und örtlich gebundene Gruppen verlieren gegenüber flexiblen, interessengeleiteten und ortsübergreifenden Bindungen relativ an Gewicht
• Teilhabe an Gesellschaft, die von „vernetzter Individualität“ gekennzeichnet ist, setzt daher auch die aktive Pflege und das Knüpfen von sozialen Beziehungen voraus
• Das Internet verursacht diese Entwicklung nicht, stellt aber Werkzeuge bereit, um sich in der gegenwärtigen Gesellschaft zu orientieren – und bestärkt bzw. verstärkt dadurch bestimmte Entwicklungen
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Internet – eine eigene Welt?
• Mythos #1: Das Internet ist ein „Cyberspace“, in dem Menschen ihren Körper hinter sich lassen und neue Identitäten schaffen könnten
Aber: Wie wird Identität im Internet vorrangig abgebildet?
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Identitäten im Internet
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Artikulierte soziale Netzwerke
• Mythos #2: Im Internet gibt es nur flüchtige Kontakte, und das Verständnis von wahrer Freundschaft geht verloren
• 12-24jährige Nutzer von Netzwerkplattformen hatten 2008…• … im Durchschnitt: 130 Freunde
• … davon bereits persönlich getroffen
die meisten: 85 Prozent
weniger als die Hälfte: 5 Prozent
• … als enge Freunde angesehen
die meisten: 15 Prozent
weniger als die Hälfte: 62 Prozent
Das Internet dient als Werkzeug, um Kontakte aufrechtzuerhalten, die bereits auf anderem Weg bestanden
Quelle: Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink 2009
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Entstehen persönlicher Öffentlichkeiten
• Das Social Web unterstützt das Entstehen von persönlichen Öffentlichkeiten, in denen
• (a) Informationen nach Kriterien der persönlichen Relevanz ausgewählt werden,[anstatt nach journalistischen Nachrichtenfaktoren]
• (b) man sich an ein (intendiertes) Publikum richtet, das aus sozialen Kontakten besteht,[anstatt des verstreuten, unbekannten, unverbundenen Publikums der Massenmedien]
• (c) und sich im Kommunikationsmodus des „Konversation betreibens“ befindet
[anstatt im Modus des „Publizierens“]
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Entstehen persönlicher Öffentlichkeiten
• In solchen persönlichen Öffentlichkeiten verschwimmt die Trennung zwischen „Sender“- und „Empfänger“-Rollen der Massenkommunikation
• Twitter, Facebook u.ä. Angebote haben Konzept des „streams“ popularisiert – der konstante Informationsfluss, der an die Seite bzw. Stelle von statischem Text tritt
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Informationsmanagement – Wie orientiere ich mich in der Welt?
• Die Grenzen zwischen professionellen und „Laien“-Öffentlichkeiten werden fließender,…
– …weil Nutzer als Urheber von Informationen auftreten („user-generated content“)
– …insbesondere aber, weil Nutzer als Filter bzw. Multiplikatoren innerhalb ihrer sozialen Netzwerke agieren und Informationen (auch aus etablierten Medien) miteinander teilen
• Mythos #3: Das Internet verdrängt den professionellen Journalismus bzw. macht ihn überflüssig.
• Richtig ist: In dem Maße, wie Menschen ohne besondere technische oder berufliche Ausbildung Informationen mit anderen teilen können, schwindet das Monopol von professionellen Experten (Journalisten, Enzyklopädisten, Bibliothekare, …) auf das Auswählen, Aufbereiten und öffentliche zur-Verfügung-Stellen von Informationen
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Zwischenfazit: Die digitale Gesellschaft?
• „Digitale Gesellschaft“ ist berechtigt, weil zentrale Handlungsbereiche und Entwicklungsaufgaben mit Hilfe digitaler Medien geleistet werden
– Identitätsbildung– Beziehungspflege– Orientierung in der Welt
• Digitale Medien, insbesondere das Internet als Universalmedium, stellen ganz spezifische „kommunikative Architekturen“ bereit, die unser Handeln und unsere Kommunikation zwar nicht determinieren, wohl aber prägen
• Eine Ambivalenz der digitalen Medien und ihrer Architekturen besteht darin, dass sie einerseits bestimmte Zugangshürden abbauen (z.B. um die eigene Meinung öffentlich zu äußern), andererseits neue Hürden aufbauen (z.B. technische Fertigkeiten)
• Die digitale Gesellschaft ist demnach nicht per se „gut“ oder „schlecht“ – es kommt darauf an, was wir als Gesellschaft aus den digitalen Werkzeugen machen
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Ausblick: Verallgegenwärtigung des Internets
Die Möglichkeiten, auf das Netz zuzugreifen, werden sich absehbar noch vergrössern Modelle des „cloud computing“ ermöglichen es, von
beliebigen Zugangsgeräten auf Daten und Programme zugreifen zu können
Der Zugang zum Internet über mobile Endgeräte wird sich weiter verbreiten, wobei die geographische Position des Nutzers (bewusst oder unbewusst) übertragen wird
Hinzu wird eine wachsende Zahl von „intelligenten“ Alltagsgegenständen kommen, die z.B. über RFID-Chips an Datennetze angeschlossen sein werden
Eine solche „Mobilisierung“ und „Allgegenwärtigkeit“ des Internets wird eine Reihe von Folgen nach sich ziehen – insbesondere Debatten über Datenschutz und Überwachung, die unter Bedingungen des „ubiquitious computing“ bzw. „pervasive computing“ gesellschaftlich neu geregelt werden müssen
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Das Ende der Privatsphäre?
http://www.colinupton.com/illus/images/cyberillo1.jpg
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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Jan-Hinrik Schmidt
Hans-Bredow-Institut
Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg
www.hans-bredow-institut.de
www.schmidtmitdete.de
www.dasneuenetz.de
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Quellennachweise Fotos
Folie 2: http://en.wikipedia.org/wiki/File:San_Rock_Art_-_Cederberg.jpg CC-BY-NC-ND-2.0, atmtx, http://www.flickr.com/photos/atmtx/5473218968 CC-BY-NC-ND-2.0, Erik Hartberg, http://www.flickr.com/photos/captainsticky/344199724 CC-BY-SA-3.0, Takk, http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Televison_Hungarian_ORION_1957.jpg CC-BY-NC-ND-2.0, splorp, http://www.flickr.com/photos/splorp/64027565Folie 6ff.: © Hapf2, http://www.flickr.com/photos/44029537@N00/12760664 CC BY-NC-SA-2.0, Myles!, http://flickr.com/photos/mylesdgrant/495698908 CC BY-NC-ND-2.0, Axel V, http://www.flickr.com/photos/axels_bilder/1267008046Folie 9: Robbie Cooper, http://blog.robbiecooper.org/about, http://www.amazon.com/Alter-Ego-Avatars-their-
Creators/dp/1905712022Folie 15: CC BY-NC-ND-2.0, Aram Bartholl, http://www.flickr.com/photos/bartholl/343077004• CC BY-NC-ND-2.0, Gary Hayes, http://www.flickr.com/photos/garyhayes/4502026170• CC BY-NC-SA-2.0, Jared Earle, http://www.flickr.com/photos/jaredearle/4675262184
Folie 16:• CC BY-NC-ND-2.0, Mrlerone, http://www.flickr.com/photos/mrlerone/2360572263
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Weiterführende Literatur
– ARD-ZDF-Onlinestudie 2010:– Van Eimeren, Birgit/Beate Frees (2010): Fast 50 Millionen Deutsche online – Multimedia
für alle? Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2010. In: Media Perspektiven, Nr. 7-8, 2010, S. 334-349.
– Busemann, Katrin & Gscheidle, Christoph (2010). Web 2.0: Nutzung steigt – Interesse an aktiver Teilnahme sinkt. Media Perspektiven, 7-8/2010, 359-368.
– Boyd, Danah/ Nicole Ellison (2007). Social network sites: Definition, history, and scholarship. Journal of Computer-Mediated Communication, 13(1), article 11.http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/boyd.ellison.html
– Bruns, Axel (2008): Blogs, Wikipedia, Second Life, and beyond. From production to produsage. New York.
– Jenkins, Henry (2006): Convergence Culture. Where old and new media collide. New York.– Schmidt, Jan (2009): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0.
Konstanz.– Schmidt, Jan/Ingrid Paus-Hasebrink/Uwe Hasebrink (Hrsg.) (2009): Heranwachsen mit dem
Social Web. Berlin.