13
FASZINATION BLECH Ein Material mit grenzenlosen Möglichkeiten

!!!Faszination blech kapitel2[1]

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: !!!Faszination blech kapitel2[1]

FASZINATIONBLECH

Ein Material mit grenzenlosen Möglichkeiten

Page 2: !!!Faszination blech kapitel2[1]

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der

Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches

oder von Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne

schriftliche Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form

reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,

vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die Autorin, der Herausgeber sowie der Verlag versichern, dass die

Inhalte dieses Buches gewissenhaft und sorgfältig auf Fehlerfreiheit

überprüft worden sind. Verlag, Herausgeber und Autorin schließen eine

Haftung aus, soweit gesetzlich zulässig.

IMPRESSUM

Herausgeber Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, TRUMPF GmbH + Co. KG, Ditzingen

Autorin Gabriela Buchfink

Projektleitung Frank Neidhart, Gabriela Buchfink

Projektbegleitung Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, Dr. Klaus Parey, Ingo Schnaitmann

Gestaltung und Umsetzung Felix Schramm, Karen Neumeister (SANSHINE GmbH, Stuttgart)

Lektorat Steffen Sommer (Wortfreunde GmbH, Stuttgart)

Drucktechnische Koordination J. F. Steinkopf Druck GmbH, Stuttgart

Druck Rösler Druck GmbH, Schorndorf

Veredelung Oskar Imberger & Söhne GmbH, Stuttgart

Verarbeitung Josef Spinner Großbuchbinderei GmbH, Ottersweier

Bildbearbeitung Reprotechnik Herzog GmbH, Stuttgart

Verlag Vogel Buchverlag, Würzburg

ISBN-13 978-3-8343-3051-2

ISBN-10 3-8343-3051-5

Page 3: !!!Faszination blech kapitel2[1]

26

BLECHTEILE GESTALTEN

28 | DAS ZEICHENBRETT HAT AUSGEDIENT

30 | DIE PROZESSKETTE BLECH

Abläufe verzahnen

Schritt für Schritt zum fertigen Teil

Daten im Fluss

34 | BEVOR DER KONSTRUKTEUR BEGINNT

Wann lohnt sich Blech?

Mit Strategie zu neuen Lösungen

36 | ENTSPANNT IM SPANNUNGSFELD

Funktionsgerecht konstruieren

Wirtschaftlich konstruieren

Fertigungsgerecht konstruieren

46 | KREATIV IM CYBERSPACE

BLECHTEILE GESTALTEN

27

Page 4: !!!Faszination blech kapitel2[1]

28 | Blechteile gestalten 29

Pergamentpapier, Tuschezeichenstifte, Rasierklinge zum Radie-

ren, Zeichenbrett und viele DIN -Tabellen mit Normteilen – das

waren früher die wichtigsten Arbeitsutensilien der Konstruk-

teure. Blech ließ sich noch nicht so flexibel und vielseitig

bearbeiten. Deshalb wurden Teile oft aus vorgefertigten, nor-

mierten Einzelteilen aufgebaut.

In den letzten 25 Jahren hat sich das Arbeitsumfeld der

Konstrukteure komplett verändert. Blech lässt sich mit den

heutigen Fertigungsverfahren fast beliebig ausschneiden,

umformen, biegen und fügen. Galt es früher, eine Baugruppe

aus vielen einfachen Teilen zusammenzusetzen, so geht es

heute darum, möglichst wenige Einzelteile zu verwenden. Die

dürfen dafür auch sehr komplex sein.

Das Zeichenbrett als zentrales Arbeitsmittel ist schon

lange aus den Konstruktionsbüros verschwunden: Heute

modelliert der Konstrukteur das Blechteil gleich in der drei-

dimensionalen Ansicht am Bildschirm des Computers. Alle

weiteren Schritte – von der Abwicklung des Blechteils bis zur

Das Zeichenbrett hat ausgedient

Programmierung der Maschinen – übernimmt ebenfalls der

Computer. Selbst die Fertigung lässt sich im Büro simulieren,

mit Hilfe von Konstruktions- und Programmiersystemen. Meldet

das System Probleme, so passt der Konstrukteur das Teil

entsprechend an. Der elektronische Datenfluss schließt die

Kluft zwischen den Schnittstellen Konstruktion, Programmie-

rung und Fertigung. Der Konstrukteur steht heute wie damals

am Beginn einer Prozesskette, für deren reibungslosen Ablauf

er eine Schlüsselrolle innehat.

1 2

43

Das Ende der Weißkittel Das Bild des Konstrukteurs war lange Zeit

mit Vorbehalten behaftet. Konstrukteure galten als penibel, engstirnig

und perfektionistisch und waren durch ihre weißen Arbeitskittel leicht

zu erkennen. „Weißkittel“ nannte man sie deshalb. Dabei waren

Konstrukteure auch früher, was sie heute sind: erfinderische, kreative

Köpfe, die eine Menge Anforderungen erfüllen müssen.

HEISSE TELLER STEHEN AUF BLECH

„Was darf’s sein?“ „Nummer eins, Spaghetti Bolognese bitte.“

Mit leisem Klatschen landet die extragroße Portion Spaghetti

auf einem heißen Teller, wird mit Soße übergossen, mit Parme-

san bestreut und steht kurz danach vor Reinhold Portscheller

auf dem Tisch. Der freut sich nicht nur über die Spaghetti.

Als Konstrukteur bei der Rieber GmbH + Co. KG in Reutlingen

kennt er auch das Innenleben des Tellerspenders genau, aus

dem gerade eben der heiße Teller kam. Und er weiß: Das Blech-

teil, das die Teller trägt und gleichmäßig nach oben schiebt,

sah vor einiger Zeit noch ganz anders aus.

„Früher bestand das Trägerelement aus 7 Einzelteilen

mit insgesamt 39 Biegungen und vielen Schweißpunkten“,

erinnert sich Portscheller. Der Fertigungsaufwand war enorm.

Alle Einzelteile wurden getrennt hergestellt, zwischengela-

gert und schließlich verbunden. Allein die Vorrichtung fürs

Punktschweißen war laut Portscheller „ein echter Koloss“.

Kein Zweifel: Das Blechteil musste in der Fertigung dringend

abspecken. Verbesserte Funktion zu geringeren Herstell-

kosten, das war das Ziel, das Portscheller und seine Kolle-

gen mit auf den Weg bekamen. Um das Teil zu optimieren,

besuchte der Konstrukteur einen Workshop außer Haus.

„Das war eine gute Entscheidung“, meint Portscheller im

Nachhinein, „weil Kollegen aus anderen Firmen und Branchen

mit am Tisch saßen. Wir waren alle offen, unser Wissen auszu-

tauschen, und gingen die Sache ohne Scheuklappen an.“

Anstatt das Teil nur stückweise zu verändern, begannen die

Workshopteilnehmer ganz von vorn. Ist die sechseckige Form

nötig? Das war die entscheidende Frage, die zur jetzigen

Lösung führte.

Heute präsentiert sich das Blechteil mit einer dreieckigen Grund-

fläche. „Die 7 Einzelteile haben wir auf 2 reduziert. Außerdem

kommen wir jetzt mit nur noch 7 Biegungen und wenigen

Schweißpunkten aus“, berichtet Portscheller und lächelt. Die

neue Lösung bietet noch mehr.

„Die Teller fahren noch gleichmäßiger nach oben, das Teil sieht

ansprechender aus und unsere Herstellungskosten sind deutlich

gesunken“, erläutert er. Zum Laserschneiden, Biegen und Punkt-

schweißen brauchen Portschellers Kollegen jetzt viel weniger

Zeit als früher. Außerdem müssen sie die Einzelteile nicht mehr

zwischenlagern. Das spart zusätzlich Platz und Zeit. Eine Erfolgs-

geschichte also? „Ja, in der Tat“, bestätigt der Konstrukteur,

bevor er sich endlich dem Mittagessen widmet.

1 Konstruieren am Zeichenbrett

2 Konstruieren in 3D am Computer

3 Einfaches Blechteil

4 Komplexes Blechteil

Der Tellerspender hält heiße Teller zum Servieren bereit.

Sie stehen auf einem optimierten Trägerelement aus Blech.

Page 5: !!!Faszination blech kapitel2[1]

30 | Blechteile gestalten

Die Prozesskette Blech

ABLÄUFE VERZAHNEN

Von der Idee zum fertigen Teil – damit lässt sich die Pro-

zesskette Blech in wenigen Worten zusammenfassen. Das

Ziel jedes Unternehmens lautet, hochwertige Teile schnell

und kostengünstig zu fertigen. Dazu müssen die einzelnen

Prozessschritte genau aufeinander abgestimmt werden.

Das beginnt schon in der Konstruktion: Sieht der Konstruk-

teur beispielsweise runde Stanzlöcher im Blechteil vor, so

wird er nach Möglichkeit nur die Durchmesser verwenden,

für die bereits passende Werkzeuge vorhanden sind. Auch

in der Fertigung genügt es nicht, die Stanzmaschine schneller

laufen zu lassen, wenn vor der Abkantpresse bereits ein

Berg von Platinen liegt und der Programmierer noch dabei

ist, die Maschine zu programmieren. Vielmehr gilt es, die ein-

zelnen Abläufe so zu verzahnen, dass sie reibungslos inein-

ander greifen. Wer sich dieser Herausforderung schon in der

Unternehmensorganisation und in der technischen Infrastruk-

tur stellt, ist auch für eilige Aufträge gerüstet. Ein Kunde, der

am Montag 500 Blechwinkel für Donnerstagabend ordert, löst

dann lediglich einen weiteren Lauf durch die Prozesskette

aus und keinen Wettlauf mit der Zeit.

SCHRITT FÜR SCHRITT ZUM FERTIGEN TEIL

Zwischen der Bestellung und der Auslieferung eines Teils

liegen mehrere Prozessschritte, die sich wiederum in einzelne

Aufgaben unterteilen lassen:

• Konstruktion

• Programmierung

• Fertigung (Flachbearbeitung, Biegen, Fügen)

• Endbearbeitung

Konstruktion Programmierung Flachbearbeitung

Konstruktion | Genau genommen beginnt die Konstruktion

nicht mit der Idee für ein Teil oder eine Baugruppe, sondern

mit der Beschreibung der Funktionen, die das Teil oder die

Baugruppe erfüllen muss. Sie werden im so genannten

Pflichtenheft zusammengefasst.

Davon ausgehend entwickelt der Konstrukteur mehrere

erste Ideen, wie das Teil aussehen könnte, und skizziert diese

auf Papier. Häufig arbeiten mehrere Kollegen zusammen und

entwickeln eine Fülle von Entwürfen. Oft nutzen sie Papier-

modelle, um zu sehen, welcher Entwurf zur optimalen Lösung

führt. Diesen Entwurf zeichnet der Konstrukteur im Konstruk-

tionssystem. Während er das Teil modelliert, entsteht auf

dem Bildschirm die dreidimensionale Form. Auch Material-,

Werkzeug- und Maschinendaten lassen sich bereits berück-

sichtigen. Anhand dieser Daten kann das System prüfen, ob

sich das Teil fertigen lässt. Konstruktionsskizze

Ideen werden zunächst von Hand zu Papier gebracht.

Biegen Fügen Endbearbeitung

31

Page 6: !!!Faszination blech kapitel2[1]

32 | Blechteile gestalten 33

Häufige Probleme sind:

• Fehlende Werkzeuge | Wenn beispielsweise ovale

Stanzlöcher vorgesehen sind, aber nur kreisförmige

Stanzwerkzeuge vorhanden sind.

• Überlappungen | Wenn sich Blechflächen in der

Abwicklung des Teils überlappen.

• Kollisionen beim Biegen | Das Werkstück stößt beim

Biegen mit Maschine oder Werkzeug zusammen.

• Zu kurze Biegeschenkel | Die Biegekante liegt zu

nahe am Rand des Werkstücks, so dass der Schenkel

beim Biegen in die Matrize rutscht.

• Durchbrüche zu nahe an der Biegekante | Wenn bei-

spielsweise Löcher so nahe an der Biegekante liegen,

dass sie beim Biegen verformt werden.

Diese und weitere Probleme erkennt das Programm und warnt

den Konstrukteur. Am Bildschirm entwirft der Konstrukteur das

dreidimensionale Endprodukt. Die Produktion startet jedoch

mit der flachen Blechtafel. Deshalb endet der Prozessschritt

Konstruktion damit, dass das virtuelle, dreidimensionale Blech-

teil am Bildschirm abgewickelt, sprich: auseinander gefaltet

wird. Die so genannte Abwicklung zeigt das flache Blechteil,

wie es aus der Tafel geschnitten oder gestanzt wird. Löcher,

Umformungen und Biegekanten sind ebenfalls bereits ent-

halten. Die notwendigen Daten werden an das Programmier-

system weitergeleitet.

Programmierung | Auf Basis der Abwicklung erstellt der

Programmierer die NC-Programme für alle Maschinen, an

denen das Teil bearbeitet wird. NC-Programme sagen der

Maschine, welche Arbeitsschritte sie ausführen muss, um

ein Teil zu fertigen. Sie werden heute nicht mehr manuell

programmiert, sondern halbautomatisch erstellt. Das leisten

Programmiersysteme, die Maschine und Werkzeuge genau

kennen. Der Programmierer kann Bearbeitungsstrategien

wählen, Werkzeuge bestimmen und Parameter optimieren.

Das NC-Programm wird dann mit einem weiteren Mausklick

direkt vom Programmiersystem generiert.

Programmiersysteme legen die optimale Bearbeitungsfolge

fest und erzeugen fehlerfreie NC-Programme. Früher konnte

man Fehler nur durch einen Testlauf mit einem Probeteil

feststellen. Heute kann man sicher sein, dass der NC-Code

keine Tippfehler oder unzulässigen Befehlsfolgen enthält, die

zum Programmabbruch führen.

Fertigung | Jedes Teil durchläuft in der Fertigung mehrere

Stationen. Der erste Fertigungsschritt ist immer die Flach-

bearbeitung. Aus der Blechtafel werden Platinen ausgestanzt

oder mit dem Laser ausgeschnitten. Dann werden die Platinen

an der Gesenkbiegepresse gebogen. Bei Baugruppen verbindet 1

Dünnes Blech kann stark sein Hohe Strommasten trotzen Orkanen mit

Windgeschwindigkeiten von über 120 Stundenkilometern, obwohl sie nur

aus jeder Menge Blech mit einer Dicke von einigen Millimetern bestehen.

Das liegt an ihrer Konstruktion. Viele Verstrebungen machen sie stabil.

man anschließend die einzelnen Blechteile miteinander. Um

schnell und kostengünstig produzieren zu können, gilt es, mit

möglichst wenigen Fertigungsschritten zur endgültigen Form

zu kommen. Dies erreicht man zum einen durch konstruktive

Maßnahmen, indem man beispielsweise alle Konturen und

Umformungen so wählt, dass sie an der Stanzmaschine her-

gestellt werden können.

Zum anderen gibt es Maschinen, die Fertigungsverfahren

kombinieren. Mit Stanz-Laser-Maschinen lassen sich kom-

plexe Konturen fertigen, die nur mit dem Laser geschnitten

werden können und gleichzeitig Umformungen einbringen.

Endbearbeitung | Wenn Blechteile aus der Fertigung kom-

men, ist das Blech selbst noch im Rohzustand. Man sieht

jeden Kratzer, sieht Schweißnähte oder Schmutz. Die Endbe-

arbeitung umfasst alle Arbeitsschritte, die jetzt noch nötig

sind, um das Teil fertig zu stellen.

Typische Verfahren sind:

• Verputzen von Schweißkanten

• Härten

• Beschichten

• Beschriften

• Lackieren

Auch die Endbearbeitung soll so schnell wie möglich gehen.

Durch konstruktive Maßnahmen lassen sich beispielsweise

die Verputzarbeiten für Schweißkanten reduzieren.

DATEN IM FLUSS

Mittlerweile ist die IT- Infrastruktur auch in der Blechfertigung

zum Schlüsselfaktor für die Produktivität von Mensch und

Maschine geworden. Ohne den elektronischen Datenfluss

zwischen allen am Gesamtprozess Beteiligten ginge nichts

mehr: Im Warenwirtschafts- oder Produktionsplanungssystem

wird ein Auftrag erfasst und angelegt. Mit dem Konstruktions-

system modelliert der Konstrukteur das Blechteil. Die Daten

gehen ein in das Programmiersystem, mit dem die Programme

für die Fertigung erstellt werden. Ist der Auftrag erledigt, muss

der Einkauf unter Umständen Material nachbestellen, und die

Buchhaltung verschickt die Rechnung.

Dieser Gesamtprozess läuft nur dann reibungslos, wenn

jeder in seinem Arbeitsschritt die notwendigen Daten findet

und mit ihnen arbeiten kann. Für den Konstrukteur heißt

das dann zum Beispiel, dass er während des Entwurfs auf

Maschinen-, Technologie- und Werkzeugdaten zurückgreifen

kann. Außerdem lässt sich die Konstruktion bis zu einem

gewissen Grad standardisieren. Bei ähnlichen Blechteilen

greift der Konstrukteur auf bestehende Entwürfe zurück und

passt sie nur noch entsprechend an.

1 Ebene Platine und gebogenes Teil

2 Für die Flachbearbeitung: Stanz-Laser-Maschine mit Lager

2

Page 7: !!!Faszination blech kapitel2[1]

34 | Blechteile gestalten 35

WANN LOHNT SICH BLECH?

Für Unternehmen stellt sich oft die Frage, wann es sich denn

lohnt, Blechteile einzusetzen. Die Antwort lautet: öfter, als

man denkt. Klassische Blechteile sind Abdeckungen und

Verkleidungen, Halter und Winkel, Wannen und Profile sowie

Maschinenbauteile, die besonders leicht sein müssen, damit

man sie sehr schnell bewegen kann. In diesen Fällen liegt

die Entscheidung für Blech klar auf der Hand. Immer häufiger

werden Blechteile jedoch auch da eingesetzt, wo bisher

andere Fertigungsverfahren eingesetzt wurden.

Bevor der Konstrukteur beginnt

Blechteile ersetzen beispielsweise:

• Gussteile, die aus flüssigem Metall gegossen werden,

zum Beispiel Heizkörper.

• Frästeile, die aus einem massiven Metallblock

herausgearbeitet werden, zum Beispiel Halter mit

vielen Löchern und Gewinden.

• Gesenkschmiedeteile, die aus glühenden Metallblöcken

in eine Form gepresst werden, zum Beispiel die Klaue,

die im Getriebe die Verbindung zwischen den einzelnen

Gängen herstellt. Statt sie zu schmieden, schweißt man

zwei Schalen aus Blech zu einem Hohlkörper zusammen.

Dafür gibt es zwei Gründe. Die Fertigungsverfahren, mit denen

Blech bearbeitet wird, sind heute so genau, dass man die

geforderten Toleranzen erreicht. Darüber hinaus hat sich der

Werkstoff Stahl verteuert. Massive Teile, die aus dem Vollen

gearbeitet werden, erfordern viel Material und werden daher

ebenfalls teurer. Unternehmen suchen aus Kostengründen

nach Alternativen und landen beim Blech.

Für Blech sprechen das Gewicht, der Preis und die Flexi-

bilität, mit der es bearbeitet werden kann. Blechteile sind auch

besser verfügbar: Ein Blechteil ist beispielsweise wesentlich

schneller hergestellt als ein Gussteil, bei dem zuerst das

Modell und eine Form gefertigt werden müssen, bevor das

erste Teil produziert werden kann.

Ein wesentlicher Faktor ist dabei jedoch die Stückzahl:

Bei kleinen bis mittleren Losgrößen ist Blech günstiger. Bei

Stückzahlen über 100 000 Teile sind Gussteile meist wieder

günstiger und auch schneller hergestellt. Letztlich gilt es, alle

Faktoren gegenüberzustellen und von Teil zu Teil abzuwägen,

ob Blech die günstigere Variante ist und qualitativ gleich-

oder höherwertige Lösungen bietet. 2

1

Ob ein Blechteil als Ersatz für ein massives Teil in Frage kommt,

sollte man immer dann prüfen, wenn ein Teil

• von Grund auf neu entwickelt wird

• oder ein bestehendes Teil verändert werden soll, das

bisher aus dem vollen Material herausgearbeitet wurde.

Doch auch wenn ein Teil schon aus Blech besteht, kann man

durch eine Optimierung Kosten sparen. Wenn sich Einzelteile

zusammenfassen lassen, ist das insgesamt meist günstiger.

Vor allem bei Standardteilen, die in großen Stückzahlen her-

gestellt werden, summieren sich kleine Sparbeträge.

MIT STRATEGIE ZU NEUEN LÖSUNGEN

Neu und intelligent soll die Lösung sein, günstiger und dazu

qualitativ hochwertiger als bisher. Mit diesen Forderungen ist

der Konstrukteur konfrontiert. Doch wie erfüllt er sie? Drei

Strategien helfen weiter. Die erste lautet: immer neu anfangen.

Sie gilt auch dann, wenn ein bestehendes Teil nur optimiert

werden soll. Das öffnet den Kopf für neue Gedanken und

unkonventionelle Lösungen. Zweitens: von der Funktion aus-

gehen, nicht davon, wie das Teil jetzt aussieht und gefertigt

ist. Damit bleiben nur die Elemente übrig, die auch gebraucht

werden. Und drittens: Gemeinsam ist man schneller! Denn

die entscheidenden Impulse und Ideen entstehen oft in

Gesprächen mit Kollegen.

Da Blech ein sehr flexibler Werkstoff ist, lassen sich sehr

unterschiedliche Lösungen entwickeln. Vielleicht darf die Kante

ja anderswo sitzen, das Loch eine andere Form haben und

der 90-Grad-Winkel auch ein 120-Grad-Winkel sein. Schon

mit kleinen Variationen lassen sich Fertigungsprobleme ganz

einfach umgehen. Die optimale Lösung entsteht meistens

aus einer Mischung von genialem Einfall, geduldigem Auspro-

bieren und handfesten Regeln.

1 Gehäuse sind typische Blechteile.

2 Der Laser schneidet auch Konturen in tiefgezogene Bleche.

3 Multi -Layer-Technik: Aus Platinen entsteht ein komplexes Bauteil.

3

Multi-Layer-Technik Blech wird massiv, wenn man viele Lagen über-

einander schichtet und die Flächen miteinander verbindet. Diese Technik

nutzt man für Teile mit komplexen Formen im Inneren. Dabei bearbeitet

man jedes flache Blechteil zunächst einzeln. Die fertigen Teile werden

übereinander geschichtet und im Vakuumofen miteinander verlötet.

Page 8: !!!Faszination blech kapitel2[1]

Funktionstüchtige Teile zu geringen Kosten, bei möglichst

kurzen Fertigungszeiten – dieser Anspruch richtet sich an

jeden Blechfertiger. Der Konstrukteur muss all diesen Forde-

rungen gerecht werden. Strategien und Faustregeln helfen

ihm dabei.

FUNKTIONSGERECHT KONSTRUIEREN

Jedes Blechteil hat eine bestimmte Aufgabe oder wird für

einen bestimmten Zweck verwendet. Zum Beispiel muss es

ein anderes Teil stützen, Maschinenelemente abdecken oder

sich sehr schnell bewegen lassen. Funktionsgerecht konstru-

ieren heißt, das Teil so zu gestalten, dass es seine Aufgabe

Entspannt im Spannungsfeld

und seinen Verwendungszweck erfüllen kann. Dabei muss

der Konstrukteur die Eigenschaften des Werkstoffes Blech

genau kennen und berücksichtigen.

Blech hat Vorzüge: Es wiegt weniger als der massive

Metallblock und lässt sich gut verformen. Dafür ist Blech

aber auch weniger stabil und steif. Wenn es falsch oder zu

stark belastet wird, kann es durchbiegen und knicken. Mit

konstruktiven Maßnahmen lässt es sich jedoch steifer und

stabiler machen. Neben der Belastbarkeit spielt in vielen Fällen

auch das Aussehen eine Rolle. Besonders Abdeckungen und

Verkleidungen müssen von außen makellos sein. Dafür kennen

Konstrukteure ebenfalls Tricks.

Kräfte verteilt einleiten | Wo eine große Kraft auf eine

ungünstige Stelle oder eine zu kleine Fläche drückt, kann

sich das Blechteil verformen. Deshalb gestaltet man es so,

dass die einwirkende Kraft auf mehrere Stellen verteilt wird.

Damit reduziert sich die Kraft, die auf jede einzelne Stelle

wirkt. Ist die Belastung dann immer noch zu groß, stützt man

die Stellen ab, zum Beispiel mit Verstrebungen.

Zug- statt Druckkraft | Lange Bauteile mit schmalen Quer-

schnitten können leicht knicken oder ausbeulen, wenn sie

auf Druck belastet werden. Das liegt daran, dass Kraft und

Gegenkraft im Blech aufeinander treffen. Die gleichen Bau-

teile bleiben jedoch stabil, wenn sie auf Zug belastet werden,

weil der Kraftfluss dann günstiger ist. Deshalb gestaltet man

Baugruppen so, dass Bauteile mit schmalen Querschnitten

auf Zug statt auf Druck belastet werden.

Unterschiedliche Dicken | Je dicker ein Blech ist, desto

stärker kann es belastet werden, bevor es sich verformt. Wer

also mehr Stabilität braucht, kann einfach ein dickeres Blech

verwenden. Mit zunehmender Blechdicke erhöht sich aller-

dings auch das Gewicht. Großflächige Teile müssen oft leicht

sein und werden nur an wenigen Stellen stark beansprucht.

Deshalb erhöht man genau an diesen Stellen die Blechdicke.

In der Großserienfertigung kann man auf so genannte

Tailored Blanks zurückgreifen. Sie bestehen aus unterschied-

lichen Blechstücken, die zu einer Blechtafel verschweißt

sind. Dicke und teure Materialen werden nur an den Stellen

verwendet, an denen sie auch tatsächlich notwendig sind.

Für kleine und mittlere Stückzahlen lohnt es sich nicht,

Tailored Blanks fertigen zu lassen. Hier geht man einen anderen

Weg: Wo das Blechteil dicker sein soll, wird lediglich ein zweites

Blech als Verstärkung aufgeschweißt.

Eine große Kraft, die punktuell wirkt, verformt das Blech. Deshalb wird sie

verteilt eingeleitet. Die Einleitepunkte werden zusätzlich abgestützt.

Wird ein langes Bauteil auf Druck belastet, besteht die Gefahr, dass

es ausknickt. Günstiger ist es, das Bauteil auf Zug zu belasten.

„Oft kennen Konstrukteure gar nicht alle Möglichkeiten, die Blech bietet.

Deshalb zeige ich in Workshops viele Beispielteile, Tipps und Tricks.

Viele Teilnehmer sind erstaunt, wenn sie hören, dass sich ein 10 Millimeter

dickes Blech problemlos schneiden und biegen lässt. Andere sind von

komplexen Blechteilen begeistert. Normalerweise geht jeder mit seinem

ganz persönlichen Aha-Erlebnis in den Arbeitsalltag zurück.“

Jörg Heusel, Konstruktion

Im Spannungsfeld: Der Konstrukteur muss unterschiedlichen Forderungen gerecht werden.

������

�������������

�����������������

���������

3736 | Blechteile gestalten

Page 9: !!!Faszination blech kapitel2[1]

38 | Blechteile gestalten 39

Stabilität durch Umformen | Umformungen sind das

gängigste Mittel, um Blech stabiler zu machen. Bei dünnen

Blechdosen sorgen beispielsweise die umlaufenden Rillen

dafür, dass die Dose stabil bleibt. Der Fachmann spricht

jedoch nicht von Rillen, sondern von Sicken. Sicken können

unterschiedlich geformt sein. Sie machen nicht nur Dosen

stabil. Man findet sie auch in Autos oder in Regalwinkeln

1 Umlaufende Sicken verstärken Dosen.

2 Knicke verstärken Kanalwände.

Kantenvarianten

Kanten werden stabiler, wenn man sie abkantet, falzt oder sie an den Ecken verbindet.

aus dem Baumarkt. Großflächige Blechteile, wie beispiels-

weise Kanalwände, werden durch kreuzweise Knicke in der

Fläche stabiler. Sie beulen dann nicht so schnell aus und sind

gleichzeitig schwingfester. Mehr Stabilität lässt sich auch

erreichen, indem der Rand des Blechteils umgeformt wird.

Oft genügt es dazu schon, den Rand einfach abzukanten

oder zu falzen.

1 2

Querschnitte schließen | Geschlossene Blechkörper sind

wesentlich stabiler als offene. Dies gilt besonders dann, wenn

sie auf Torsion belastet, sprich: verdreht werden. Kastenartige

Formen sollten daher immer geschlossen werden, zum Beispiel

indem man die Kanten zusammenschweißt.

Verbundkonstruktionen | Rippen, Stäbe, Verstrebungen

und Versteifungsbleche machen Teile aus dünnem Blech

ebenfalls stabiler. Bei offenen Kästen aus Profilen (Rohre mit

beliebigem Querschnitt), wie man sie etwa im Messebau findet,

setzt man häufig Eck- oder Mittelbleche ein. Blechteile mit

einem großen Volumen werden in regelmäßigen Abständen

mit Rippen versteift.

Sichtkanten von innen fügen | Wenn Blechteile von

außen makellos erscheinen sollen, dürfen keine Bearbeitungs-

spuren zu sehen sein. Problematisch sind vor allem Sichtkanten,

die von außen geschweißt werden. Damit sie nicht von Hand

verputzt werden müssen, wählt man ein Verfahren, das sehr

saubere Nähte erzeugt, zum Beispiel WIG - Schweißen bei

Edelstahl oder Laserschweißen. Die Alternative besteht darin,

die Kanten von innen zu schweißen. Dazu formt man die Blech-

ränder so um, dass die Schweißnaht innen liegt.

Zug Die Kräfte weisen voneinander weg und dehnen das Teil.

Eck- oder Mittelbleche verstärken offene Kästen aus Profilen.

Druck Die Kräfte weisen aufeinander zu und stauchen das Teil.

Torsion Die Kräfte weisen aneinander vorbei und verdrehen das Teil.

Biegung Die Kraft weist in eine Richtung und verbiegt das Teil.

„Vollkommenheit entsteht nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen

hat, sondern dann, wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“

Antoine de Saint-Exupéry

Page 10: !!!Faszination blech kapitel2[1]

WIRTSCHAFTLICH KONSTRUIEREN

Wie viel ein Blechteil kosten darf, ist zu Beginn einer Kon-

struktion festgelegt. Natürlich soll es möglichst günstig sein.

Es gibt zwei Strategien, das zu erreichen: Man kann beim

Material sparen oder in der Fertigung. Wirtschaftlich ist aber

nicht gleichzusetzen mit billig. Das Ziel heißt vielmehr, die

Produktionsfaktoren Materialart, Materialverbrauch, Zeit, Ma-

schinen und Werkzeuge optimal zu nutzen.

Da die Produktionsfaktoren sich gegenseitig beeinflussen,

wirkt sich eine Maßnahme häufig auch mehrfach positiv aus.

Verringert man beispielsweise die Einzelteile einer Baugruppe,

so verbraucht man weniger Material und spart gleichzeitig

Zeit in der Fertigung. Für wirtschaftliches Konstruieren haben

sich folgende Maßnahmen bewährt:

Geringe Blechdicke wählen | Beim Material lässt sich

sparen, indem man eine möglichst geringe Blechdicke wählt.

Damit reduzieren sich nicht nur die Materialkosten, sondern

auch das Gewicht des Blechteils und die Fertigungszeit.

Gleiche Blechdicke wählen | Bei Baugruppen sollten die

Einzelteile – wenn möglich – gleich dick sein, damit man sie

in einem Arbeitsgang aus einer Blechtafel fertigen kann. In

der Flachbearbeitung verarbeitet man dann eine Blechtafel im

Ganzen, statt mehrere Blechtafeln anzubrechen. Besonders

wichtig ist dies für kleine Blechfertiger, die jeden Auftrag einzeln

abwickeln. Denn Einkauf und Lagerung werden einfacher, und

Transportwege zwischen Lager und Maschine reduzieren sich.

Darüber hinaus verkürzen sich die Rüstzeiten der Maschine.

Möglichst gut verschachtelbar | Alles was übrig bleibt,

wenn die Teile aus der Tafel herausgestanzt oder -geschnitten

sind, ist Abfall. Dazu gehören das Restgitter, das zwischen

den Teilen stehen bleibt, und die Ausschnitte, sprich: die

Öffnungen innerhalb der Teile. Wie eng sich später die Teile

auf der Blechtafel schachteln lassen, kann der Konstrukteur

beeinflussen, indem er die Teile entsprechend gestaltet. In

größere Ausschnitte lassen sich eventuell noch kleinere

Teile hineinlegen. Oder die Vergrößerung einer Ausklinkung

in der Außenkontur bewirkt, dass sich Teile enger ineinan-

der verschachteln lassen. Teile mit geraden Konturen können

direkt aneinander gelegt und mit einem gemeinsamen Schnitt

getrennt werden. Das reduziert den Abfall ebenfalls.

Diese Maßnahmen lohnen sich besonders, wenn Teile in

großen Stückzahlen hergestellt werden oder wenn die Bau-

teile von Blechbaugruppen in Teilesätzen gefertigt werden.

Gleiches Teil für mehrere Funktionen | In vielen Fällen

lässt sich ein Blechteil so gestalten, dass es zwei oder mehr

Funktionen erfüllen kann. Oft sind dafür nur zusätzliche

Löcher oder größere Aussparungen notwendig. Die Vorteile:

Man erreicht größere Stückzahlen und benötigt nur einen

Lagerplatz.

„Was nicht da ist, kostet nix. Das gilt vor allem für die Blechdicke und

die Zahl der Einzelteile, aus denen sich ein Werkstück zusammensetzt.“

Lutz Hartmann, Konstruktion

Abfall konstruktiv verringern: Je enger sich die Teile verschachteln lassen,

desto besser wird die Blechtafel genutzt.

Möglichst wenige Einzelteile | Grundsätzlich sollten Bau-

gruppen besser aus wenigen komplexen als aus vielen

einfachen Einzelteilen bestehen. Denn Fügeprozesse sind

meist sehr zeitaufwendig. Mit den heutigen Fertigungsver-

fahren und Programmiersystemen lassen sich auch komplexe

Einzelteile problemlos herstellen.

Abkanten statt schweißen | Jeder Schweißvorgang kos-

tet Zeit und birgt die Gefahr, dass sich das Werkstück durch

die Hitze verzieht. Deshalb sollte man immer prüfen, ob sich

ein angesetztes Teil durch eine abgekantete Fläche ersetzen

lässt. Neben dem Schweißen entfallen dann auch alle Vor-

arbeiten wie Anordnen, Ausrichten und Festspannen der Teile.

Verputzarbeiten reduzieren | Verputzarbeiten lassen sich

reduzieren, indem man Schweißnähte ganz einspart, sie von

innen schweißt oder die Kanten so gestaltet, dass sie beim

Schweißen glatt verlaufen. Neue Fertigungsverfahren wie

beispielsweise das Laserschweißen reduzieren die Verputz-

arbeiten ebenfalls.

1 Die Sichtkanten dieser Haube sind lasergeschweißt. Die Schweißnähte

werden so sauber und glatt, dass Verputzarbeiten entfallen.

Statt schweißen: Laschen abkanten und Seitenteile durch Buckel fixieren, die in Löcher einrasten.

1

4140 | Blechteile gestalten

Page 11: !!!Faszination blech kapitel2[1]

43

FERTIGUNGSGERECHT KONSTRUIEREN

Neben Funktion und Kosten muss der Konstrukteur auch die

Fertigung im Auge behalten, wenn er ein Teil entwirft. Hierfür

gibt es ebenfalls einige Strategien, die sich immer wieder

anwenden lassen.

Biegezonen freischneiden | Beim Biegen wird das Blech

an der Innenseite der Kante gestaucht. Das überschüssige

Material drückt an den Enden der Kante nach außen und

kann zu Ungenauigkeiten führen. Um das zu vermeiden, setzt

man kleine Aussparungen an die Kantenenden und schafft

damit Platz für die Verformung. Man spricht dabei vom Frei-

schneiden der Biegezonen.

Biegezonen schneidet man häufig frei, egal ob zwei Kanten

an einer Ecke zusammenstoßen oder ob eine Lasche aus einer

Blechfläche nach oben gebogen wird. Man erhält dadurch

bessere Ecken und hat einen größeren Spielraum beim Aus-

wählen und Anordnen der Biegewerkzeuge.

Um Biegezonen freizuschneiden, gibt es einige Möglichkeiten:

Mit der Stanzmaschine stanzt man runde Löcher am Beginn

und am Ende der Biegekante. Mit dem Laser können auch

komplexere Ausrundungen geschnitten werden. Damit bilden

sich beim Biegen noch schönere Ecken.

Vorhandene Werkzeuge nutzen | Besonders bei kleinen

und mittleren Stückzahlen lohnt es sich für ein Unternehmen

nicht, neue Werkzeuge anzuschaffen. Meist ist es auch nicht

nötig. Denn für viele Formen und Funktionen gibt es mehrere

Alternativen. Für den Konstrukteur gilt es also diejenige zu

finden, die mit den vorhandenen Werkzeugen auskommt.

Beispiel Lüftungsöffnungen in einem PC-Gehäuse: Mit

einer Stanzmaschine, bei der sich das Werkzeug drehen kann,

lässt sich ein einfaches Langloch sternförmig anordnen. Eine

Alternative wäre, die Lüftungsschlitze mit einem Kiemenwerk-

zeug zu fertigen oder kleine Quadrate aneinander zu setzen.

Positionier- und Fügehilfen verwenden | Nach links

oder nach rechts, wohin gehört dieses Teil? Die Frage lässt

sich vermeiden, wenn man Teile so konstruiert, dass sie nur in

einer Art und Weise zusammenpassen. Dazu verwendet man

Löcher und Zapfen, mit denen Teile ineinander gesteckt werden.

Biegezonen werden freigeschnitten, damit sich schönere Ecken bilden.

1

Gleichzeitig reduzieren Fügehilfen die Vorarbeit, wenn bei-

spielsweise geschweißt werden muss. Statt mehrere Teile

mit Hilfe einer Vorrichtung zu positionieren und zu spannen,

steckt man sie zunächst ineinander. Die Schweißvorrichtung

benötigt man nun nur noch zum Spannen. Deshalb kann sie

einfacher gestaltet sein.

Microjoints anwenden | Die Idee der Microjoints entstand

zunächst beim Laserschneiden. Microjoints sind dünne Stege,

die zwischen Werkstück und Blechtafel stehen bleiben. Sie

halten das Werkstück in der Blechtafel, damit es nicht kippen

kann. Wenn die Tafel komplett bearbeitet ist, werden die

Werkstücke von Hand herausgedrückt.

Microjoints lassen sich aber auch anders einsetzen: zum

Beispiel als Fertigungshilfe bei kleinen Winkeln. Dazu bleiben

die Zuschnitte mit Microjoints verbunden, werden gemein-

sam abgekantet und danach von Hand getrennt. Ein anderes

Beispiel: Biegungen, bei denen es nicht auf die Genauigkeit

ankommt, können von Hand gemacht werden, wenn man

entlang der Biegekante Microjoints setzt.

Alles an der Stanzmaschine | Wenn massive Teile durch

Blechteile ersetzt werden, entstehen oft Lösungen, bei denen

immer noch spanende Fertigungsverfahren eingesetzt werden

müssen. Löcher werden da noch gebohrt, und Gewinde werden

geschnitten. Die wirtschaftlichste Lösung ist allerdings erst

dann erreicht, wenn man ganz ohne die spanende Bearbeitung

auskommt, zum Beispiel durch spanloses Gewindeformen an

der Stanzmaschine.

Über die Fertigung hinausdenken | Das eigentliche

Leben eines Blechteils beginnt erst nach der Fertigung. Daher

sollte der Konstrukteur auch Aspekte wie Transport, Lage-

rung, Montage und Demontage berücksichtigen. Teile, die in

großen Stückzahlen transportiert und gelagert werden müssen,

sollte man beispielsweise so gestalten, dass sie sich Platz

sparend ineinander stapeln lassen.

1 Gehäuse mit verschiedenen Lüftungsschlitzen

2 Microjoints: Dünne Stege halten die gestanzten Teile im Restgitter.

Fügehilfe inklusive: Es gibt nur eine Möglichkeit, die Teile zu verbinden.

2

42 | Blechteile gestalten

Page 12: !!!Faszination blech kapitel2[1]

44 | Blechteile gestalten

Fertigung simulieren | Mit vielen Konstruktions- und Pro-

grammiersystemen lässt sich die Fertigung am Computer

simulieren. Der Konstrukteur kann damit beliebig oft testen,

ob sich das Blechteil fertigen lässt und wo Probleme auf-

treten könnten. Besonders bei komplexen Teilen kommt man

nicht mehr ohne die Simulation im Vorfeld aus.

Nutzt man diese Möglichkeit, so kann sich auch der Kollege

in der Fertigung sicher sein, dass er nicht mehr mehrere

Stunden an der Maschine stehen und am Probeteil den

optimalen Fertigungsablauf herausfinden muss. Sein Chef

wird es ebenfalls gerne sehen, wenn die Maschine produziert,

anstatt erst stundenlang Testläufe zu absolvieren.

Erfahrung zur Routine machen | Wer über längere Zeit

hinweg als Konstrukteur in einem Unternehmen arbeitet, greift

bei jeder neuen Aufgabe auf seine persönlichen Erfahrungen

zurück. Aus Gesprächen mit seinen Fertigungskollegen kennt

er erreichbare Toleranzen sowie erprobte Lochabstände, Rand-

abstände, Schenkellängen und Biegeradien. Damit dieses

Wissen auch von anderen genutzt werden kann, sollte es doku-

mentiert werden. Am besten direkt im Konstruktionssystem.

Die Erfahrung eines Einzelnen wird dann zur Routine, die Unter-

nehmensstandards sichert.

DIE 5 WEGE ZUM BLECHWINKEL

Konstruktion ist eine Kunst. Sie besteht darin, viele Tricks zu

kennen und sie im richtigen Moment anzuwenden. Blech ist so

vielseitig und die Teile sind oft so komplex, dass Konstrukteure

nicht sofort die vorhandenen Möglichkeiten erkennen. Jörg

Heusel, Konstrukteur und Seminarleiter bei der TRUMPF Werk-

zeugmaschinen GmbH + Co. KG in Ditzingen, kennt diese

Herausforderung. Er leitet Workshops, in denen die Teilnehmer

neue Lösungen für ihre bestehenden Teile suchen. „Meine

Kursteilnehmer fragen häufig, ob ich nicht die vielen Möglich-

keiten an einem einfachen Beispiel zeigen könnte“, berichtet

er. Er zeigt dann immer die 5 Wege zum Blechwinkel. Blechwin-

kel sitzen immer dort, wo 2 Flächen aufeinander treffen. Sie

halten die Flächen und übernehmen zusätzlich eine stützende

Funktion, wenn eine Fläche stark belastet wird. Wenn der

Winkel dabei sehr belastet wird, muss er verstärkt werden.

Dafür gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten.

Weg 1 | Mit Querrippe Der erste Ansatz, den Blechwinkel

stabiler zu machen, besteht darin, eine Querrippe mittig ein-

zuschweißen. Die Fertigungsbilanz: 2 Teile müssen gestanzt

oder lasergeschnitten werden; der Winkel wird gebogen, die

Querrippe positioniert und an 2 Nähten festgeschweißt. Wie

kommen wir zu einer besseren Lösung?

Weg 2 | Fügehilfen verwenden Die erste Idee lautet: Posi-

tionier- und Schweißarbeiten reduzieren. Dazu bekommt die

Querrippe 2 Zapfen und der Winkel 2 rechteckige Löcher. Jetzt

steckt man Winkel und Querrippe ineinander und schweißt die

Fügestellen von außen an 2 Punkten fest.

1 Virtueller Blick in die Fertigung: Die Bewegungen des Laserschneid-

kopfes werden am Computer simuliert.

1

Weg 3 | Nur ein Teil Zwei Teile bedeuten meist mehr Aufwand

als eines, weil sie häufig getrennt gefertigt und dann zwischen-

gelagert werden. Also reduzieren wir auf ein Teil. 2 Stützflä-

chen an den Seiten des Winkels ersetzen nun die Querrippe.

Natürlich verfügen auch sie wieder über die Fügehilfen für

das Schweißen. Der Winkel wird wieder gestanzt oder laser-

geschnitten, anschließend dreimal abgekantet und schließlich

an den Seiten verschweißt. Der Fertigungsaufwand ist noch

nicht entscheidend reduziert. Der Winkel ist dafür sehr stabil.

Weg 4 | Um die Ecke gedacht Doch was tun, wenn die Rippe

unbedingt in der Mitte sitzen muss? Wir denken um die Ecke

und finden eine Lösung, in der die Rippe über 2 Kantungen

an ihre Position kommt. Sie wird dann ebenfalls mit Hilfe

eines Zapfens am Winkel fixiert. Es bleibt bei einem Teil mit

3 Kantungen. Die Rippe wird nur noch an einem einzigen

Punkt angeschweißt.

Weg 5 | Funktion hinterfragen Blicken wir noch einmal

zurück auf die Funktion des Blechwinkels. Er muss stabil

sein und stützen können. Braucht er dazu überhaupt eine

Querrippe? Oder genügt nicht auch eine einfache Quersicke?

Wenn eine Quersicke genügt, bietet sich folgende Lösung an:

Aus der Blechtafel stanzen oder schneiden wir die rechtecki-

gen Teile. Anschließend werden Kante und Sicke in einem

Biegevorgang gefertigt. Damit erreichen wir nicht nur die

kürzeste Fertigungszeit, die Teile lassen sich auch noch Platz

sparend stapeln und lagern.

3

Aus einem Stück: Seitenflä-

chen ersetzen die Querrippe.

4

Mit 3 Kantungen wird die

Rippe ums Eck gebogen.

5

Nur einmal Abkanten – mit

Quersicke statt Querrippe

1

Winkel mit aufgeschweißter

Querrippe als Verstärkung

2

Die Querrippe bekommt

Zapfen als Fügehilfe.

45

Page 13: !!!Faszination blech kapitel2[1]

Kreativ im Cyberspace

Arbeitswelt im Wandel | Die Arbeitswelt der Konstruk-

teure verändert sich ständig: Mit jedem neuen Werkstoff, mit

jedem neuen Werkzeug und mit jedem neuen Fertigungs-

verfahren erweitern sich die Gestaltungsmöglichkeiten für

Blechteile. Mit jeder neuen Konstruktionssoftware und durch

den virtuellen Raum verändert sich die Arbeitsweise beim

Modellieren und Präsentieren eines Teils. Bis das Neue be-

kannt ist und genutzt wird, vergehen jedoch meist Jahre.

Viele Unternehmer bedauern, dass das Konstruieren mit

Blech in den einschlägigen Studiengängen nur als Randthema

behandelt wird und daher zu kurz kommt. An dieser Stelle

setzen Workshops und Weiterbildungsmaßnahmen an.

Der virtuelle Raum | In einigen Firmen wird der virtuelle

Raum bereits eingesetzt, um Entwürfe zu präsentieren und sie

zu verändern. Dabei wird das Bild eines Teils mit mehreren

Beamern auf mehrere Leinwände projiziert. Als Betrachter

trägt man eine spezielle Brille, durch die ein dreidimensio-

nales Bild aus den einzelnen Bildern entsteht. Ein ähnliches

Prinzip wird auch im 3D-Kino benutzt. In der Automobilindus-

trie projiziert man beispielsweise einen kompletten Fahrzeug-

innenraum um einen Fahrersitz herum. Damit lässt sich virtuell

erfahren, ob die Elemente zusammenpassen oder das Lenk-

rad an der richtigen Stelle sitzt. Was nicht passt, lässt sich

intuitiv verschieben.

Auch Maschinenbauer nutzen den virtuellen Raum, um

Baugruppen oder ganze Maschinen zu präsentieren und den

Entwurf abteilungsübergreifend zu diskutieren.

Wenn sich die Technik weiter vereinfacht und die Kosten

sinken, wird sich der virtuelle Raum weiter verbreiten. Für das

Entwerfen eines Teils wird jedoch das Konstruktionssystem

wichtiger bleiben als der virtuelle Raum, weil die Hauptarbeit

darin besteht, das Teil zu zeichnen.

Vollautomatisch konstruieren? | Die menschliche Krea-

tivität wird sich – trotz aller computertechnischer Raffines-

sen – auch in Zukunft nicht durch ein Programm ersetzen

lassen. Konstruktionssysteme werden lediglich das Mittel

bleiben, mit dem der Konstrukteur seinen Entwurf immer

komfortabler modellieren und besser aufbereiten kann.

Dabei werden die Datenschnittstellen zwischen Warenwirt-

schaftssystem, Konstruktionssystem und Programmiersystem

immer weiter optimiert werden. Das eigentliche Ziel und

Wesen der Konstruktion wird sich nicht verändern: Lösungen

finden, die sich nur kreative, ganzheitlich denkende Menschen

ausdenken können.1

Virtueller Raum oder Cave Hinter diesen Schlagworten verbirgt sich

komplexe Computer- und Projektionstechnik: Über mehrere Beamer

wird das Bild eines Teils an Projektionswände geworfen. Die Besucher

der Cave tragen spezielle Brillen. Damit sehen sie keine einzelnen

Bilder, sondern ein dreidimensionales Bild. Kameras beobachten die

Position des Betrachters. Bewegt er sich, so verändert sich das Bild:

Er kann durch das Teil hindurchgehen, es von innen, von oben und

von unten betrachten.

1, 2 Im Konstruktionsstadium und doch schon real erfahrbar:

Entwickler besprechen ihre Entwürfe im virtuellen Raum.

2

4746 | Blechteile gestalten