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NACH DER FLUCHT:
DER WEG IN DIE ARBEIT
Arbeitsmarktintegration von
Flüchtlingen in Deutschland
Berlin, 14. März 2017
Thomas Liebig und Eva Degler
Abteilung Internationale Migration Direktion Beschäftigung, Arbeit und Soziales OECD
• 2015/2016 beantragten rund 1,2 Million Menschen Asyl in Deutschland.
Ca. 700 000 werden voraussichtlich als schutzberechtigt anerkannt werden
• Große Heterogenität bzgl. Qualifikationen, Schulbildung und Herkunftsländer
• Die Arbeitslosenquote befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung
• Die Neuzugänge aus 2015/2016 kommen langsam am Arbeitsmarkt an.
Bereits heute stammt 1 von 20 als arbeitssuchend Gemeldeten aus Syrien
Kontext
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20
Zuzug von Asylbewerbern in 2015/2016 in europäische OECD Länder, pro 1000 Einwohner
2
Quelle: Eurostat.
• Rund 2 200 Arbeitgeber nahmen an der OECD-DIHK-BMAS
Umfrage teil
• Mehr als 60% der Teilnehmer haben in den letzten zwei Jahren
Bewerbungen von Asylbewerbern und Flüchtlingen erhalten
– Fast 70% dieser Arbeitgeber haben mindestens einen Bewerber eingestellt
(Gesamtanzahl der Neueinstellungen: 3 800 - 7 000)
– 40% der Neueinstellungen bezogen sich auf Arbeitsstellen, ein Drittel auf
Praktika, und der übrige Teil auf Ausbildungsstellen und Einstiegsqualifizierungen
3
Die Arbeitgeberperspektive
Fast 80% nennen gesellschaftliche Verantwortung
als Einstellungsgrund
Quelle: OECD-DIHK-BMAS Umfrage. 4
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Weshalb haben Sie Asylbewerber oder Flüchtlinge eingestellt? Mehrfachnennungen möglich
gesellschaftliche Verantwortung
Sicherung der Arbeits- undFachkräftebasis
Fähigkeiten ergänzen den Betrieb
Schwierigkeiten, andere geeigneteArbeitnehmer zu finden
Asylbewerber/Flüchtlinge sindbesonders motiviert
keine besonderen Gründe
Wunsch von Seiten der Belegschaft
• Zwei von drei Arbeitsstellen waren niedrig qualifiziert; allerdings sehen Arbeitgeber zukünftige Beschäftigungschancen eher im mittleren (50%) und hochqualifizierten (15%) Bereich
• 50% der Arbeitgeber setzen bereits für geringqualifizierte Positionen mindestens gute Deutschkenntnisse voraus (für Facharbeiter: 90%)
• 85% aller Arbeitgeber erlebten nur wenige oder keine Schwierigkeiten mit Asylbewerbern und Flüchtlingen im Arbeitsalltag. Mehr als 80% sind eher oder vollkommen zufrieden mit ihrer Arbeitsleistung
• 60% der Teilnehmer, die Schwierigkeiten erlebt hatten, gaben an, dass mangelnde Sprachkenntnisse erhebliche Schwierigkeiten verursachten
• 70% aller Arbeitgeber gaben an, dass Maßnahmen zur Steigerung der Rechtssicherheit sehr wichtig seien
5
Die Arbeitgeberperspektive
Eine Evaluierung anhand guter Praktiken im
Bereich Flüchtlingsintegration in der OECD
6
Bereits getroffene
Maßnahmen
• Die meisten Asylbewerber erhalten nach drei Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt
Heraus-forderungen
• Unausgewogene Verteilung nach Staatsangehörigkeit der Asylbewerber, für die eine Arbeitserlaubnis beantragt wurde
Handlungs- empfehlungen
• Gesetzliche Erleichterungen und ihre Wirkung auf spezifische Nationalitäten beobachten
7
Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber erleichtern
8
Deutschland hat einen vergleichsweise liberalen Zugang
zum Arbeitsmarkt
* unter bestimmten Vorraussetzungen
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8
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14
Wartezeiten bis zum Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber in ausgewählten OECD-Ländern, 2016 (in Monaten)
Quelle: OECD.
9
Frühzeitigen Zugang zu Sprachkursen und sonstigen
Integrationsmaßnahmen anbieten
Bereits getroffene
Maßnahmen
• Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive haben Zugang zu Integrationskursen
Heraus-forderungen
• Wartezeiten für Integrationskurse
• Momentane Knappheit an berufsbezogenen Sprachkursen: 75% der Umfrageteilnehmer halten solche Kurse für sehr wichtig
Handlungs- empfehlungen
• Die Verfügbarkeit von berufsbezogenen Sprachkursen weiter verbessern, idealerweise direkt im Arbeitsumfeld
Asylbewerber nach Zugangsberechtigung zum
Arbeitsmarkt und Integrationskursen
Syrien
Irak
Eritrea Iran Somalia
Westbalkan sonstige
Afghanistan
sonstige
Asylbewerber, 2015 und 2016
Asylbewerber mit guter
Bleibeperspektive: Zugang
zum Arbeitsmarkt und
Integrationskursen
Asylbewerber aus sog.
sicheren Herkunftsländern:
kein Zugang zum
Arbeitsmarkt oder
Integrationskursen.
Asylbewerber aus anderen
Herkunftsländern: Zugang
zum Arbeitsmarkt, aber kein
Zugang zu
Integrationskursen
Total: 1 164 269 10
Quelle: BAMF.
11
Die Zivilgesellschaft nutzen, um
Arbeitsmarktintegration zu erleichtern
Bereits getroffene
Maßnahmen
• Mehr als 40% der Umfrageteilnehmer, die bereits Flüchtlinge oder Asylbewerber eingestellt haben, wurden (zumindest teils) durch zivilgesellschaftliche Initiativen in Kontakt gebracht
Heraus-forderungen
• Übergang von Erst-Unterstützung zu nachhaltiger Arbeitsmarktintegration gewährleisten
Handlungs- empfehlungen
• Beschäftigungsorientierte Mentoring-Programme fördern
• Arbeitgeber nach der Einstellung von Asylbewerbern und Flüchtlingen weiter unterstützen (in der Umfrage: für 40% "sehr wichtig")
12
Berufliche Kompetenzen, Qualifikationen und
Berufserfahrung frühzeitig beurteilen
Bereits getroffene
Maßnahmen
• Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsqualifikationen existierte bereits vor der Krise
• Pilotprojekte zur Bewertung von informellen Kompetenzen von Asylbewerbern und Flüchtlingen
Heraus-forderungen
• Berufliche Kompetenzen wurden häufig auf informellem Weg erworben oder offizielle Nachweise sind nicht vorhanden
• Koexistenz verschiedener Instrumente, auch auf regionaler Ebene
Handlungs- empfehlungen
• Evaluieren, welche Pilotprojekte für die Kompetenzfeststellung wirkungsvoll sind und diese bundesweit umsetzen
Bereits getroffene
Maßnahmen
• Alphabetisierungskurse (17% aller Integrationskurse, Jan.-Sept. 2016)
• Einstiegsqualifizierungen, die auf die Ausbildung vorbereiten
Heraus-forderungen
• Große Heterogenität bzgl. Bildungshintergrund
• Gezielte Maßnahmen für bestimmte Gruppen, z.B. Frauen
• Spezifische Unterstützung für unbegleitete Minderjährige
Handlungs- empfehlungen
• Mehr Sprachkurse für hochqualifizierte und junge Flüchtlinge
• Mehr Qualifizierungsmaßnahmen, insbesondere für Geringqualifizierte, mit einem langfristigen Ansatz
13
Gezielte Integrationsmaßnahmen entwickeln
14
Heterogenität bzgl. Bildungshintergrund
Quelle: Neske und Rich, 2016. Quelle: BAMF.
Höchste besuchte Bildungseinrichtung von Asylbewerbern im ersten Halbjahr 2016 (in Prozent)
Keine formelleSchulbildung
Grundschule
Mittelschule
Gymnasium
Hochschule
Teilnehmer an Integrationskursen nach Kursart, Jan.- Sept. 2016 (in Prozent)
Alphabetisierungskurs
allgemeinerIntegrationskurs
Intensivkurs
Sonstige Kurse, z.B.für Frauen und jungeMigranten
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Die Koordinierung zwischen den staatlichen Ebenen und
den verschiedenen beteiligten Akteuren verbessern
Bereits getroffene
Maßnahmen
• Zentrale Anlaufstellen für Arbeitsmarktintegration
• Verbesserter Datenaustausch zwischen Behörden
Heraus-forderungen
• Sprachkurse eng mit anderen arbeitsmarkt-relevanten Maßnahmen verzahnen
• Umfangreiche Hintergrundinformationen bereitstellen, die den beteiligten Behörden zugänglich sind
Handlungs- empfehlungen
• Jobcenter systematisch bei der Integration von Asylbewerbern miteinbeziehen
• Sicherstellen, dass die Organisation von Sprachkursen gut mit anderen Arbeitsmarktmaßnahmen koordiniert ist
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Eine Verteilungspolitik entwickeln, bei der die
Beschäftigungsaussichten berücksichtigt werden
Bereits getroffene
Maßnahmen
• Wohnsitzauflage für Flüchtlinge um eine gleichmäßigere Verteilung zu erreichen und die einen Umzug erlaubt, wenn er Integration fördert
Heraus-forderungen
• Die Verteilung von Asylbewerbern spiegelt de facto regionale Bevölkerungszahlen wider
• Unterbringung von Asylbewerbern gewährleisten und dabei auch Beschäftigungsaussichten in Kommunen berücksichtigen
Handlungs- empfehlungen
• Lokale Arbeitsmarktbedingungen bei der Verteilung von Asylbewerbern berücksichtigen (z.B. Arbeitslosenquote)
Viele der getroffenen Maßnahmen gehen in die richtige Richtung
Was den frühzeitigen Zugang zum Arbeitsmarkt und Integrationsmaßnahmen betrifft, ist Deutschland unter den führenden OECD-Ländern
In anderen Bereichen wird viel davon abhängen zu evaluieren, welche Pilotprojekte wirkungsvoll sind, und diese dann bundesweit umzusetzen
Das Verteilungssystem von Asylbewerbern sollte lokale Arbeitsmarktbedingungen berücksichtigen, aber dies ist eine schwierige Aufgabe
Verstärkte Koordinierung und zielgenauere Förderangebote sind nötig –
und bedingen sich gegenseitig
Beschäftigungsfähigkeit von geringqualifizierten Flüchtlingen zu erhöhen bedeutet erhebliche Kosten und längerfristige Strategie – muss als Investition gesehen werden 17
Fazit – vom Krisenmanagement zu einer langfristigen
Integrationsstrategie
www.oecd.org/migration
18
Für weitere Informationen zur Arbeit der OECD im Bereich
Integration von Flüchtlingen und anderen Migranten