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„Du bist gewaltig bey Frommansgelobt worden.“
Ein Wissenschaftsverlag zwischenSlow Publishing und Wissenschaft 2.0
Holger Epp, Lektor
frommann-holzboog Verlag e.K.König-Karl-Straße 27
70372 Stuttgart (Bad Cannstatt)E-Mail: [email protected]
privater Blog: zeilentiger.wordpress.com
Twitter: @zeilentiger
Gliederung
1. „Du bist gewaltig bey Frommans gelobt worden.“ – Die Geschichte des Verlags
2. „Wissenschaftsgeschichte zum Anfassen“ – Das Programm des Verlags
3. Digital Humanities: Wie verändert die digitale Revolution das Verlagsprofil?
4. Datenbanken: Kritische Editionen als Bausteine eines ‚Semantic Web‘
5. Open Access: Gemeinsamer Neubeginn oder Enteignung der Wissenschaftsverlage?
6. „Lost in translation“? – Ein Wissenschaftsverlag zwischen Slow Publishing und Wissenschaft 2.0
Das Profil in Kürze
• Wir sind ein wissenschaftlicher Fachverlag mit den Schwerpunkten Philosophie, Psychoanalyse, Theologie und den angrenzenden Wissenschaften. Der Verlag ist wirtschaftlich eigenständig und beschäftigt zehn Mitarbeiter. Lieferbar sind derzeit ca. 1000 Titel, jährlich kommen etwa 30 neue Titel hinzu.
Alles begann mit einem Waisenhaus ...
• 1727 in Züllichau (heute Sulechów in Polen) Gründung eines Waisenhaus mit angeschlossener Druckerei. Gottlob Benjamin Frommann als ‚Geschäftsführer‘ der Buchhandlung
• Abb. aus „Wissenschaftsgeschichte zum Anfassen. Von Frommann bis Holzboog“, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, S. 30.
Jena: Im Salon des Verlegers
• 1798 Umzug nach Jena und gesellschaftlicher Mittelpunkt der Stadt: Besuch von Goethe, Jean Paul, Ludwig Tieck, den Gebrüdern Schlegel, Herder, Fichte, Hegel, Schelling, Schopenhauer, Wilhelm und Alexander von Humboldt und den Gebrüdern Grimm …
• Abb. aus „Wissenschaftsgeschichte zum Anfassen. Von Frommann bis Holzboog“, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, S. 113.
Stuttgart – Umbrüche und Tiefpunkt
• 1886 Verkauf aus dem Besitz der Familie Frommann und Verlegung nach Stuttgart
• In den folgenden Jahrzehnten mehrere Besitzerwechsel
• 1943 bei Luftangriff ausgebrannt
Bad Cannstatt
• 1955 von Günther Holzboog erworben, inzwischen in zweiter Generation (Eckhart Holzboog)
• Heute einer der angesehensten deutschen Wissenschaftsverlage für kritische Editionen
‚Slow-Publishing‘
• Jahrzehntelange Projekte (oft an Akademien der Wissenschaften)
• Komplexe bis hochkomplexe Texte• Kleinauflagen in hochwertiger Ausstattung• Eigene Verlagsauslieferung weltweit v.a. an
Bibliotheken• Jahrzehntelange Lieferbarkeit
Melanchthon Briefwechsel
• Beispielseite 1 einer historisch-kritischen Edition, aus: Melanchthon, Philipp: Briefwechsel. T=Edition. Band T 14: Texte 3780-4109 (1545). Bearbeitet von Matthias Dall'Asta, Heidi Hein und Christine Mundhenk. 2013.
Schelling, Akademie-Ausgabe
• Beispiel 2, aus: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Reihe II: Nachlaß. Band 4: Frühe theologische Arbeiten 1792–1793. Herausgegeben von Christian Buro und Klaus Grotsch. 2013.
Wie verändert die digitale Revolution das Verlagsprofil?
• Lexikographische Printwerke obsolet oder verlangen elektronische Form (Datenbank)
• Reprint-Ausgaben weitgehend obsolet• Monographien, Sammelbände und kleine Editionen
bieten wir parallel als PDF an• Für Zeitschriften suchen wir – ‚Versuch und Irrtum‘ –
noch nach Wegen digitaler Vermarktung
Editionen als Datenbanken
• Vorteile: Verwaltung komplexer Systeme, Zugriff weltweit, Visualisierung mehrerer Varianten, Vernetzung mit anderen Plattformen und Datenbanken, erlaubt Ergänzungen und Verbesserungen sowie Mitarbeit einer Community …
• Nachteile: Wir brauchen alle Daten (auch Altbestände) in einem medienneutralen und damit möglichst zukunftssicheren Format (XML), intensiver Aufwand an Kodierungen (TEI-DTD), Datenbankverwaltungssystem, Problem der Nachhaltigkeit (inhaltliche Redaktion, technische Überführung in neue Formate, Hosting …) u.v.m.
• Wir brauchen Partner für solche Entwicklungen, die Akademien sind aber unter dem Druck der Open Access-Politik schwer zu überzeugen
Van Gogh Letters
• http://vangoghletters.org/vg/ = Beispiel für eine recht gelungene, vielseitige Datenbanklösung einer historisch-kritischen Briefeausgabe, von öffentlichen Geldern in den Niederlanden finanziert und open access im Netz. Von der Darstellung wäre das eine Orientierung für unsere Editionen – nur natürlich als zu vermarktendes Produkt.
Rechtliche und politische Fragen
• Entschiedene Open Access-Agenda von Wissenschaftsorganisationen und der Politik
• Tendenz zu einer „völligen Enteignung der Verlage“ (Rechtsurteile zu § 52a und § 52b UrhG; „Zweitveröffentlichungsrecht“)
Thesen
• Unser Ziel: Hybridlösungen = Fortführung des Slow Publishing von hochwertigen Printausgaben mit paralleler elektronischer Ausgabe, insbesondere Datenbanklösungen
• Unsere Herausforderung: Gelingt uns die Übersetzung in ein neues Zeitalter – oder scheitern wir an dieser Klippe und verschwinden wie die Dinosaurier?