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DAS WELTBILD DER MODERNEN PHYSIKI: Einleitung und Ubersicht
Claus Kiefer
Institut fur Theoretische PhysikUniversitat zu Koln
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Unser Universum
Ein Blick in das fruhe Universum:
Das Universum ist etwa 13,82 Milliarden Jahre alt!
Inhalt
◮ Einleitung und Ubersicht◮ Die Geburt der Wissenschaft im antiken Griechenland◮ Die Entstehung der Kopernikanischen Welt◮ Newton und Leibniz◮ Elektrodynamik und Thermodynamik◮ Quantentheorie◮ Allgemeine Relativitatstheorie◮ Komplexitat◮ Das Standardmodell der Teilchenphysik◮ Kosmologie◮ Erkenntnistheorie der Physik◮ Quantengravitation und Große Vereinheitlichung
Literatur
◮ N. Sieroka, Philosophie der Physik (C.H.Beck, Munchen,2014);
◮ K. Simonyi, Kulturgeschichte der Physik (Harri Deutsch,Frankfurt am Main, 2001);
◮ C. Kiefer, Der Quantenkosmos (S. Fischer, Frankfurt amMain, 2008).
◮ Weitere Literatur zu den einzelnen Abschnitten
Siehe auch unsere Websitehttp://www.thp.uni-koeln.de/gravitation/(gehe auf Teaching)
Physikalische Einheiten
◮ Ausreichend sind drei Einheiten fur Lange, Masse undZeit; alle anderen Einheiten konnen im Prinzip darausabgeleitet werden.
◮ Dies kommt in dem cgs-System zum Ausdruck, das aufZentimeter (cm), Gramm (g) und Sekunde (s) basiert.
◮ Fur praktische Anwendungen geeigneter ist dasSI-System, in dem es sieben Basisgroßen gibt: Meter (m),Kilogramm (kg), Sekunde (s), Ampere (A), Kelvin (K), Mol(mol), Candela (cd).
◮ Beispiel Energie: SI-Einheit ist das Joule (J),J = kg ·m2/s2; in der Teilchenphysik ist das Elektronenvolt(eV) gebrauchlich, 1eV = 1, 60 · 10−19J.
Großenordnungen – Raum
◮ 1026 m: Ausdehnung des beobachtbaren Universums
◮ 1024 m (ca. 100 Millionen Lichtjahre): Galaxien-Superhaufen
◮ 1021 m (ca. 100 000 Lichtjahre): Milchstraße
◮ 1017 m: Abstand zu den nachsten Sternen
◮ 1013 m: Große des Sonnensystems
◮ 107 m: Große der Erde
◮ 100 m: Mensch
◮ 10−6 m: Zellkern
◮ 10−8 m (100 Angstrom): Doppelhelix
◮ 10−10 m (1 Angstrom): Atome
◮ 10−14 m (10 Fermi): Atomkerne
◮ 10−35 m: Planck-Lange
P. und P. Morrison, Zehn Hoch: Dimensionen zwischen Quarks und Galaxien(Spektrum, Heidelberg, 1983); siehe den zugehorigen Film auf YouTube
1609, I
◮ Johannes Kepler (1571 bis 1630) veroffentlicht seineAstronomia Nova; sie enthalt die beiden erstenKeplerschen Gesetze
Unbekannter Meister, um 1610
1609, II
◮ Galileo Galilei (1564 bis 1642) benutzt als erster einFernrohr fur astronomische Beobachtungen(Jupitermonde, Mondoberflache, . . . )
Peter Paul Rubens, Selbstbildnis im Kreis der Mantuaner Freunde, um
1604 (Wallraf-Richartz-Museum, Koln)
Das Relativitatsprinzip
Galileo Galilei 1632:
”. . . laßt das Schiff mit jeder beliebigen Geschwindigkeit sich
bewegen: Ihr werdet – wenn nur die Bewegung gleichformig istund nicht hier- und dorthin schwankend – bei allen genanntenErscheinungen nicht die geringste Veranderung eintretensehen. Aus keiner derselben werdet Ihr entnehmen konnen, obdas Schiff fahrt oder stille steht.“
Die Gesetze der Physik andern sich nicht, wenn man voneinem Inertialsystem in ein anderes wechselt.
(Inertialsystem = unbeschleunigtes System)
Newtonsche Physik
Zeit
Raum
Bewegungbeschleunigte
geradlinig−gleichförmigeBewegung
◮ Absolute Zeit und absoluter Raum◮
”Die uberraschende Entdeckung des Newtonschen Zeitalters ist
gerade die klare Trennung zwischen den Naturgesetzen auf dereinen und den Anfangsbedingungen auf der anderen Seite“.(Eugene Wigner, Nobelvortrag, 1963)
Spezielle Relativitatstheorie (Einstein 1905)
◮ Die Gesetze der Physik andern sich nicht, wenn man voneinem Inertialsystem (=unbeschleunigtes System) in einanderes wechselt.
◮ Die Lichtgeschwindigkeit ist in jedem Inertialsystem gleichc ≈ 300 000 km/s.
b) von der Erde ausa) im Raumschiff
Bewegung
Zeitdilatation:”Bewegte Uhren gehen langsamer.“
Vierdimensionale Raumzeit
Hermann Minkowski, Koln, 21.9.1908:Meine Herren! Die Anschauungen uber Raum und Zeit, die ichIhnen entwickeln mochte, sind aufexperimentell-physikalischem Boden erwachsen. Darin liegtihre Starke. Ihre Tendenz ist eine radikale. Von Stund’ an sollenRaum fur sich und Zeit fur sich vollig zu Schatten herabsinkenund nur noch eine Art Union der beiden soll Selbstandigkeitbewahren.
Allgemeine Relativitatstheorie (Einstein 1915)
Rµν −
1
2gµνR+ Λgµν =
8πG
c4Tµν
(25. November 1915)
Einsteins Allgemeine Relativitatstheorie beschreibt alle bisherbekannten Phanomene der Gravitation – vom GPS bis zumUniversum als Ganzem (Kosmologie)
Beispiel I: Gravitationswellen
Erster direkter Nachweis im September 2015!
Beispiel II: Schwarze Locher
Die supermassiven Schwarzen Locher der Galaxie NGC 6240
Abbildungsnachweis: LIGO, NSF, Aurore Simonnet
Kosmologie
Das Universum bietet von uns aus gesehen in alle Richtungenungefahr den gleichen Anblick.
Kosmologisches Prinzip: Wir befinden uns im Universumnicht an einem ungewohnlichen Ort
Das Universum bietet dann von allen Stellen aus ungefahr dengleichen Anblick und ist ungefahr homogen.
Beobachtungen I:Die Rotverschiebung ferner Galaxien
Alle nicht zu nahen Galaxien”bewegen sich von uns weg“. Dies
ist Ausdruck der Expansion des Universums. Aufgrund der
”Dunklen Energie“ expandiert das Universum derzeit
beschleunigt (Nobelpreis 2011).
Beobachtungen II:Die Kosmische Hintergrundstrahlung
Das Universum ist von einer thermischen Strahlung mitT = 3 K erfullt, die ungefahr gleichformig ist, aber kleineAnisotropien aufweist. Sie zeugt von einer heißen Phase desfruhen Universums. Die Anisotropien sind die Keime derStrukturentstehung.
Zusammensetzung des Universums
Quelle: Welt der Physik Lizenz: CC by-nc-nd
Die Vergangenheit des Universums
Quelle: Nasa/Wikipedia
Die Zukunft des Universums
◮ Falls die gegenwartige Beschleunigung von einerKosmologischen Konstante herruhrt: Universumexpandiert fur immer und ewig und wird immer
”leerer“
◮ nach ca. 100 Milliarden Jahren konnten wir nur nochunsere Milchstraße sehen (die dann mit demAndromedanebel verschmolzen sein wird);
◮ allerdings wird die Erde vermutlich bereits in etwa 7,6Milliarden Jahren von der Sonne
”verschluckt“
◮ Bei einer zeitlich veranderlichen Dunklen Energie sindandere Moglichkeiten denkbar:
◮
”Großer Riß“: Das Universum wird in endlicher Zeit
unendlich groß◮
”Große Bremse“: Universum bremst in der Zukunft
unendlich schnell ab und andert seine Große dann nichtmehr
Die Grenzen der klassischen Kosmologie
Roger Penrose und Stephen Hawking 1970:Unter sehr allgemeinen Annahmen ist Einsteins AllgemeineRelativitatstheorie unvollstandig; sie kann den Anfang desUniversums nicht beschreiben (
”Singularitatentheoreme“)
QUANTENGRAVITATION?
Gibt es die Weltformel?
Die Physik ist von einer zunehmenden Vereinheitlichunggepragt (Reduktionismus)
◮ Elektrizitat und Magnetismus (Ørsted 1820)
◮ Elektrizitat, Magnetismus und Optik(Maxwellsche Gleichungen der Elektrodynamik 1873)
◮ Vereinigung von Elektrodynamik und schwacherWechselwirkung (
”Radioaktivitat“) zur elektroschwachen
Wechselwirkung (Glashow, Salam, Weinberg 1967)
Gibt es eine Vereinheitlichung aller Wechselwirkungen zu einerTheory of Everything oder Alltheorie? Gibt es die Weltformel?
Quantentheorie
◮ Schrodinger-Gleichung
◮ Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation
◮ Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation
Doppelspaltexperiment
SuperpositionsprinzipDie Summe zweier physikalischer Quantenzustande(Wellenfunktionen) ist wieder ein physikalisch erlaubterZustand;
Ψ = αΨ1 + βΨ2
Verschrankung
Erwin Schrodinger 1935:Bestmogliche Kenntnis eines Ganzen schließt nicht bestmoglicheKenntnis seiner Teile ein – und darauf beruht doch der ganze Spuk.
Wiener Interferenzexperimente:
Tetraphenylporphyrin (C44H30N4) (links) und Fluorofulleren C60F48 (rechts)
Geplant sind sogar Interferenzexperimente mit Viren!
Feynmans Summe uber alle Wege
Aus: Surely you’re joking, Mr. Feynman!
Ein Objekt (Elektron, Atom, Molekul, . . . ) durchlauft gleichzeitig ‘alle Pfade’.
Diese Beschreibung ist aquivalent zum Gebrauch von Wellenfunktionen und
der Schrodinger-Gleichung.
Interpretation der Quantentheorie?
Bei einer realistischen Auffassung der Welt hat man imwesentlichen die Wahl zwischen
◮ der Everett-Interpretation: alle Komponenten derWellenfunktion nach einer
”Messung“ sind gleichzeitig real;
Ableitung der Wahrscheinlichkeitsinterpretation ausrelativen Haufigkeiten?
◮ der expliziten Einfuhrung eines Kollapses derWellenfunktion in eine einzige reale Komponente bei einer
”Messung“ (Verletzung der Schrodinger-Gleichung)
Das Standardmodell der Teilchenphysik
Beschreibung durch eine Quantenfeldtheorie
Das Problem der Zeit
◮ Die Zeit in der Relativitatstheorie ist dynamisch◮ Die Zeit in der Quantenmechanik (bzw. die Raumzeit in der
Quantenfeldtheorie) ist absolut◮ Was passiert, wenn man Relativitatstheorie und
Quantentheorie zu einer Theorie der Quantengravitationvereinigt?
Albertus Magnus (um 1200 - 1280):
”Ergo esse temporis non dependet ab anima, sed temporis perceptio.“
(”Von der Seele hangt wohl ab, daß die Zeit wahrgenommen wird, nicht aber
das Sein der Zeit.“)
Quantengravitation
◮ Anwendung des Formalismus der Quantentheorie auf dieGeometrie der Raumzeit
◮ Noch keine endgultige Theorie, aber verschiedeneZugange, z.B.
◮ Quantengeometrodynamik◮ Schleifenquantengravitation◮ Stringtheorie
◮ Skala?Vereinige Gravitationskonstante G (AllgemeineRelativitatstheorie), Lichtgeschwindigkeit c (SpezielleRelativitatstheorie) und ~ (Quantentheorie)
Plancksche Einheiten
lP :=
√
~G
c3≈ 1.62 × 10−35 m
tP :=lPc
=
√
~G
c5≈ 5.40× 10−44 s
mP :=~
lPc=
√
~c
G≈ 2.17 × 10−8 kg ≈ 1.22 × 1019 GeV/c2
Max Planck (1899):Diese Grossen behalten ihre naturliche Bedeutung so lange bei, als dieGesetze der Gravitation, der Lichtfortpflanzung im Vacuum und die beidenHauptsatze der Warmetheorie in Gultigkeit bleiben, sie mussen also, von denverschiedensten Intelligenzen nach den verschiedensten Methodengemessen, sich immer wieder als die namlichen ergeben.
Albert Einstein 1953:Es hat schweren Ringens bedurft, um zu dem fur die theoretischeEntwicklung unentbehrlichen Begriff des selbstandigen und absolutenRaumes zu gelangen. Und es hat nicht geringerer Anstrengungbedurft, um diesen Begriff nachtraglich wieder zu uberwinden – einProzeß, der wahrscheinlich noch keineswegs beendet ist.
Albert Einstein 1920:Es ist das schonste Los einer physikalischen Theorie, wenn sie selbstzur Aufstellung einer umfassenden Theorie den Weg weist . . .
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