Definition von Armut Der Begriff Armut ist nicht wertfrei begründbar. Er ist immer von politischen...

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Definition von Armut

Der Begriff Armut ist nicht wertfrei begründbar.Er ist immer von politischen Haltungen abhängig.

Definition von ArmutArmut lässt sich unterscheiden nach:

Absolute ArmutRelative ArmutVorübergehende und strukturelle ArmutBekämpfte und verdeckte ArmutFreiwillige Armut

Absolute Armut

Absolute Armut bedeutet Leben am äußersten Rand der Existenz.Es besteht die Gefahr des Hungertodes.

Relative Armut

Relative Armut bezeichnet Armut im Vergleich zum jeweiligen sozialen Umfeld eines Menschen.

Vorübergehende und strukturelle Armut

Vorübergehende Armut verschwindet wieder nach einiger Zeit.Gegenteil: strukturelle Armut liegt vor, wenn eine Person einer Randgruppe angehört, die nur sehr geringe Chancen hat, aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen, z.B. Bewohner von Armutvierteln.

Bekämpfte und verdeckte Armut

Bekämpfte Armut kommt auf, wenn Maßnahmen getroffen werden, um die Folgen der Armut abzumildern – zum Beispiel mit Suppenküchen, Tafeln, Kleiderkammern usw.Verdeckte Armut liegt vor, wenn die Betroffenen ihren Anspruch auf Hilfe aus Unkenntnis oder Scham nicht annehmen.

Freiwillige Armut

Freiwillige Armut findet sich besonders in religiösen Gemeinschaften wie dem Hinduismus, dem Buddhismus und dem Christentum.

Exklusion in historischer Perspektive

Antike

In der Antike hatten die Armen kein Bürgerrecht.Körperliche Arbeit wurde als ungeeignet für die Politik angesehen.

Frühes Mittelalter

Das Christentum verstand sich im Gegensatz zur Antiken Welt als Religion der Armut.Barmherzigkeit wurde als allgemeine Pflicht angesehen.Die Reichen glaubten in den Himmel zu kommen und von ihren Sünden erlöst zu werden, wenn sie den Armen Geld gaben.Allerdings wurde Armut mit Unmoral und Verbrechen gleichgesetzt.

Spätmittelalter

Im 12. Jahrhundert wird nicht mehr als ein gottgewolltes Schicksal angesehen, sondern einem individuellen Versagen zugeschrieben.

Es findet eine Differenzierung der Armen statt: ehrliche und betrügerische Arme, einheimische und fremde, alte und junge, schamhafte und unverschämte.

Übergang zur Neuzeit

Im 15. Jahrhundert fand eine Säkularisierung der Armenfürsorge statt. Der Staat übernahm zunehmend die Rolle, die früher die Kirche gespielt hatte.

NeuzeitIn der Zeit des klassischen Liberalismus zeigte sich Massenarmut immer mehr als Problem ökonomisch-struktureller Entwicklung.Existenzsicherung wird zu einer privaten Angelegenheit.Im 19. Jahrhundert waren fast alle Arbeiter und Arbeiterinnen und viele Bauern und Handwerker im Laufe ihres Lebens arm.

Mitte des 19. Jahrhunderts

Armut konnte nicht mehr als individuelles Problem erklärt werden. Sie wurde als Gefahr für die bestehende Ordnung angesehen.

Spätes 19. Jahrhundert

Beginn einer neuen Armenpolitik als Arbeiterpolitik, um der Gefahr einer sozialistischen Revolution zu begegnen:Unter anderem Bismarcksche Sozialversicherungsgesetze (ab 1883).Ziel: Sozialintegration.

Weimarer Republik

In der Weimarer Republik wurde der Wohlfahrtsstaat in der Verfassung verankert.

1927 wurde die Arbeitslosenversicherung eingeführt.

Nationalsozialismus

Im Faschismus fand die Ausgrenzung der Armen ihren Höhepunkt. Im Zentrum stand die Produktion eines gesunden „Volkskörpers“.Sozialpolitische Leistungen wurden nach rassistischen Merkmalen organisiert.

Nach 1945

Nach dem Krieg war Armut gleichbedeutend mit existentieller Notlage des gesamten Volkes.Besonders wurde Kriegsopfern, Kriegsgeschädigten und Vertriebenen geholfen. Arbeitslose wurden kaum thematisiert.

50er Jahre

Sechs Millionen Rentner waren arm, weil sie in ihrem Leben nicht genug Beiträge einzahlen konnten. 1957 wurden deren Renten um 60% angehoben. Dennoch waren die Hälfte der Sozialhilfeempfänger Rentner.

70er Jahre

Lange Zeit wurde Armut nur noch in bezug auf die Entwicklungsländer thematisiert.Ende der siebziger Jahre erreichte die Arbeitslosigkeit Rekordhöhen.Es wurde eine neue Phase der Armutsthematisierung eingeleitet.

80er Jahre

Beginn einer „neuen Armut“. Kürzungen und Einschränkungen im Sozialbereich.

Wiedervereinigung

Nach der Wiedervereinigung trat die Massenarbeitslosigkeit eines ganzen Volksteils im Osten in den Vordergrund.Zugleich wurde Armut von der Soziologie wiederentdeckt.

II. Armutsmessung

Anforderungen an die Messung

• Die Konstruktion der Armutsdefinition impliziert wichtige Entscheidungen über die Inklusion bzw. Exklusion bestimmter Gruppen

• Vier Forderungen an Instrumente zur empirischen Bestimmung der Armut1. Zuordnung von Individuen oder Gruppen2. Unterschiede im Ausmaß und in der Art der Armut 3. Armutsmaß sollte sensitiv sein für Veränderungen4. Auswahl von Armutsindikatoren

Einkommensstandards– Personen sind dann nicht arm, wenn sie über ein ausreichendes

Einkommen verfügen

– Relative Einkommensmaße

– Durch das sozioökonomische Panel liegen längere Zeitreihen (zumindest für die BRD) vor.

– Problem: Bestimmung der Einkommensschwelle

– Bekämpfung: finanzielle Unterstützung

– Strittig: gelten Personen, die staatliche Hilfe empfangen als arm

– Die Verwendung des Geldes liegt in der Hand des Empfängers

Lebenslagen

• verschiedenen Dimensionen der tatsächlichen Lebenslage einer Person

• Personen sind dann arm, wenn Unterversorgungserscheinungen vorliegen (Frage: Kann die Teilhabe in einem Bereich die Exklusion in einem anderen wieder aufheben)

• Armut = Ergebnis des Ressourceneinsatzes und Ausdruck einer vorfindbaren Lebenslage

• Bekämpfung der Armut: schwieriger, da die rein finanzielle Zuwendung allein nicht ausreicht

Standard heute• Meist Konzepte, die Armut anhand der zur Verfügung stehenden

finanziellen Ressourcen definieren– Praktikabilität im Vordergrund– keinen Konsens über die zu berücksichtigende Dimension der

Lebenslage und über die Höhe der Mindeststandards– ABER: Oft Kombination

• Armutsgrenze 2004: Einkommensschwelle liegt bei 60% des Median-Äquivalenzeinkommens der Bevölkerung (10 274 Euro/Jahr)

• Der Anteil dieser Personen an der Gesamtbevölkerung ist die Armutsgefährdungsquote. Diese beträgt in Deutschland 13% (2004).

Grenzwerte

Ergebnisse: Haushaltstyp

Ergebnisse: Einkommens-Verteilung

Ergebnisse: Wohnung

Exklusion durch Armut / Armut durch Exklusion

mögliche Ursachen bzw. Wirkungen

• Wirtschaftliche Ausgrenzung (z.B. Arbeitsmarkt)• Territoriale Ausgrenzung (Flüchtlingsproblematik,

Vertreibung von Bettlern)• Ausschluss von Wohlfahrtsstaatlichen Leistungen /

Institutionen (Bsp. Obdachlose)• Stigmatisierung / soziale Ausgrenzung (durch

etablierte soziale Gruppen)• Selbstausgrenzung (z.B. durch Schamgefühl)

• Komplexe Wechselwirkungen zwischen den Bereichen

• Armut als komplexer sozialer Prozess• Gestalt von Armut beeinflusst durch

Gesellschaftsstrukturen

Somit kein Einheitliches Bild von Armut

Gesellschaftsspezifische Formen, Wirkungen und Reaktionen:

Bsp. Serge Paugam: Die elementaren Formen der Armut

Differenzierte Formen der Exklusion durch Armut

Drei Idealtypen der Armut

Integrierte Armut Marginale Armut Disqualifizierende Armut

• Integrierte Armut (wenig industrialisierte, eher traditionale, wirtschaftlich unterentwickelte Regionen)

Arbeitsmarkt / Soziales

SicherungssystemErscheinung der

Armut Alltagserfahrungen Selbstwahrnehmung Gesellschaftliche Bindungen

Hohe ArbeitslosigkeitSchwache ökon. Entwicklunggeringe Sozialleistungenkein Mindesteinkommeninformelle Beschäftigung mit integrativer Funktion

Großer Teil der Bevölkerung ist betroffen StrukturbedingtGeringer Unterschied zu anderen Bevölkerungs-schichtenArmut als gegebener soz. UmstandThematisierung z.B. als territoriale Ungleichheit in Bezug auf andere Regionen

Große soziale GruppeKeine Wahrnehmung als Unterschicht sondern z.B. als Problem der RegionGeringe Stigmatisierung durch leben in homogener Gemeinschaft

Armut als gegebene SituationVererbter ZustandKeine individuellen Ursachen

Starker Familien-zusammenhaltIdentifikation über familiäre werteUnterstützung im soz. UmfeldKollektiver Kampf„Geben und Nehmen“

• Marginale Armut (fortgeschrittene, expandierende Industriegesellschaften mit großen soz. Ressourcen)

Arbeitsmarkt / Soziales

SicherungssystemErscheinung der

Armut Alltagserfahrungen Selbstwahrnehmung Gesellschaftliche Bindungen

Geringe Arbeitslosigkeit, quasi VollbeschäftigungStarke ökon. Entwicklung bzw. hohes NiveauGut ausgebaute verallgemeinerte soziale Sicherungssysteme

Arme bilden lediglich kleine Randgruppe der GesellschaftSichtbar marginalisierte GruppeArmutsbekämpfungThematisierung als soziales Problem „Sozialfälle“

Unterstützungsbedarf durch InstitutionenKontrolle / Bevormundung / Erziehung durch soz. FachkräfteStarke Stigmatisierung: „Faulheit“, mit Entwicklung nicht Schritt halten können

„Bodensatz der Gesellschaft“Individuelles Versagen / Ohnmachtbenachteiligt

Nach wie vor Rückgriff auf die Familie, jedoch heterogene Verhältnisse welche das „Geben und Nehmen“ störenSoz. Sicherungssysteme verdrängen die Unterstützung des soz. Umfeldes

• Disqualifizierende Armut (postindustrielle Gesellschaften mit starker Zunahme der Arbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung)Arbeitsmarkt /

Soziales Sicherungssystem

Erscheinung der Armut Alltagserfahrungen Selbstwahrnehmung Gesellschaftliche

Bindungen

Anzahl der Armen durch Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung steigtInstabilität der Beschäftigungs-situationenSchwierigkeiten bei der Wiedereingliederungwenig informelle Beschäftigungstarke Zunahme der Empfänger von SozialleistungenAusbau der Armenunterstützung

„neue soziale Frage“Gesamtgesellschaftliche RelevanzKollektive ÄngsteInstabile SituationenVerdrängung aus produktiver SphäreProzesshaft (auf und ab)Extrem heterogene Situationen und Status der Betroffenen

ExistenzängstePlötzliche Umwälzungen des Alltagslebens

Individuelles VersagenGefühl gesellschaftlicher Nutzlosigkeit, soziale EntwertungSchamgefühle insb. da häufig keine Erfahrungen mit Armut vorliegen und Kluft zu soz. Umfeld besteht

Schwach ausgeprägte SolidarbeziehungenHeterogenes UmfeldSelbstausgrenzung

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