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Elektrophysiologische Untersuchungen volumensensitiver Ionenkanäle mittels planarer Patch-Clamp-Technik
Bachelorarbeit
von
Ludwig Vielsmeier
aus München
Hochschule MünchenFakultät Feinwerk- und Mikrotechnik, Physikalische Technik
Studiengang Bachelor Bioingenieurwesen
Schwerpunktbereich „Medizin- und Pharmatechnik“
Referent: Prof. Dr. H. Clausen-Schaumann
Korreferent: Prof. Dipl.-Phys. Armin Giebel
Betreuer: Dr. Andrea Brüggemann, Nanion
Tag der Einreichung: 28.03.2013
München 2013
1
Abstrakt
Die Aufgabenstellung meines Titels „Elektrophysiologische Untersuchungen
volumensensitiver Ionenkanäle mittels planarer Patch-Clamp-Technik“, ist als
Versuch zu interpretieren, mit den von Nanion Technologies zur Verfügung gestellten
planaren Patch-Clamp-Methoden Ströme durch volumensensitive bzw.
mechanosensitive Ionenkanäle zu messen. Anders als viele weitere Publikationen,
die sich ebenfalls mit dem Thema der mechanosensitiven Ionenkanäle beschäftigen,
finden in dieser Arbeit die Methoden der planaren Patch-Clamp-Technik Anwendung.
Im Vergleich zur klassischen Patch-Clamp-Technik, die eine Pipette verwendet um
eine Zelle zu fixieren, wird bei der planaren Variante ein Chip verwendet. Zuvor
wurden mit den elektrophysiologischen Messgeräten von Nanion mechanosensitive
Ionenkanäle durch mechanische Stimuli noch nicht aktiviert.
Abstract
The task given by the title „Electrophysiological Investigations of Volume-sensitive
Ion Channels using Planar Patch-Clamp Technique“ is the effort to measure currents
through mechanosensitive ion channels by patch-clamp methods provided by Nanion
Technologies. Unlike many other papers, dealing with mechanosensitive ion
channels as the central theme, in this work the planar patch-clamp-technique is
studied. Compared to the classical patch-clamp-technique, using a pipette to fix a
cell, the planar alternative works with a chip. To date, mechanosensitive ion channels
have not been studied by using a mechanical stimulus with one of Nanion's setups.
2
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis.......................................5Tabellenverzeichnis.............................................7Stichwortverzeichnis...........................................81. Einführung.......................................................92. Grundlagen.....................................................11
2.1 Zellmembran.................................................................11
2.2 Elektrochemischer Gradient..........................................12
2.3 Elektrisches Modell einer Zellmembran........................15
2.4 Ionenkanäle...................................................................172.4.1 mPiezo1 Kanal.............................................................18
2.4.2 VSOR-Chloridkanal......................................................20
2.5 Patch-Clamp-Technik....................................................212.5.1 Prinzip...........................................................................21
2.5.2 Planare Konfiguration...................................................23
3. Material und Methoden..................................253.1 Material.........................................................................25
3.1.1 Zelllinien.......................................................................25
3.1.2 Zellkultur.......................................................................26
3.1.3 Elektrophysiologische Messungen...............................28
3.1.4 Software.......................................................................29
3.2 Methoden......................................................................293.2.1 Zellbiologische Methoden.............................................30
3.2.2 Elektrophysiologische Methoden..................................31
3.2.3 Methoden zur Ergebnisauswertung..............................35
3
4. Ergebnisse.....................................................364.1 Untersuchungen des mPiezo1-Kanals in HEK-Zellen. .36
4.1.1 Messergebnisse...........................................................36
4.1.2 Veränderung der Osmolaritäten zur
Ergebnisverbesserung...........................................................38
4.1.3 Protokolländerungen zur Ergebnisverbesserung..........39
4.1.4 Verschiedene Erntemethoden zur
Ergebnisverbesserung...........................................................40
4.1.5 Änderung der Passagiermethode zur
Ergebnisverbesserung...........................................................41
4.1.6 Diskussion....................................................................42
4.2 Untersuchungen des VSOR-Chloridkanals
in HeLa-Zellen...........................................................434.2.1 Charakterisierung der Stromantwort
in isotoner Lösung.................................................................43
4.2.2 Untersuchung des Stromanstiegs.................................45
4.2.3 Volumenänderung der Zellen........................................49
4.2.4 Untersuchung des Stromabfalls....................................50
4.2.5 Chloridanteil der maximalen Stromantwort...................51
4.2.6 Einfluss von Arachidonsäure........................................54
4.2.7 Bindungseigenschaften von Arachidonsäure................55
4.2.8 Einfluss von FBS auf blockierte Kanäle........................56
4.2.9 Diskussion....................................................................58
5. Zusammenfassung........................................60Quellen- und Literaturverzeichnis....................62
4
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1: Biomembran 11
Abbildung 2.2: Ersatzschaltbild einer Biomembran 15
Abbildung 2.3: Angelegte Rechteckspannung und Stromantwort
eines RC-Gliedes 16
Abbildung 2.4: Aufbau eines nikotinischen Acetylcholinrezeptors 17
Abbildung 2.5: Mögliche Piezo-Strukturen bzw. Aktivierungsmodelle 19
Abbildung 2.6: Klassische Patch-Clamp-Technik 21
Abbildung 2.7: Patch-Clamp-Konfigurationen 22
Abbildung 2.8: Planare Patch-Clamp-Technik 23
Abbildung 2.9: Ersatzschaltbild einer Zelle im Whole-cell-mode 24
Abbildung 3.1: Messaufbau für die Benutzung des Port-a-Patch 31
Abbildung 3.2: Chip für den Port-a-Patch 33
Abbildung 3.3: Messprotokoll für die Messung an VSOR-Chloridkanälen 34
Abbildung 4.1: Messprotokoll für die Messung an mPiezo1-Ionenkanälen 37
Abbildung 4.2: Spannungsimpuls in Form einer Rampe 43
Abbildung 4.3: Standardstromantwort von HeLa-Zellen
auf eine Spannungsrampe 44
Abbildung 4.4: Vergleich von kaliumhaltiger und kaliumfreier internen Lösung 44
Abbildung 4.5: Stromantwort vor und nach Einwirken von hypotoner Lösung 46
Abbildung 4.6: Vergleich der Strommaxima vor und nach dem Austausch durch
hypotoner Lösung 47
Abbildung 4.7: Vergleich der Stromminima vor und nach dem Austausch durch
hypotoner Lösung 47
Abbildung 4.8: Aufzeigen der Darstellungsmethode folgender Graphen 48
Abbildung 4.9: Steigende Strommaxima und -minima nach dem Austausch
isotoner gegen hypotoner, externer Lösung 49
5
Abbildung 4.10: HeLa-Zelle in isotoner Lösung mit Referenzpfeil 49
Abbildung 4.11: HeLa-Zelle nach 3 Minuten in hypotoner Lösung
mit Referenzpfeil 49
Abbildung 4.12: Stromabfall nach einem Lösungsaustausch der hypotonen
gegen eine isotone Lösung 50
Abbildung 4.13: Durch einen zweiten Lösungsaustausch hypotoner Lösung
erzwungener schwacher Stromanstieg 51
Abbildung 4.14: Eine in Agar-Agar platzierte Elektrode 53
Abbildung 4.15: Vergleich der Stromantwort von chloridhaltiger und chloridfreier
externer Lösung 53
Abbildung 4.16: Inhibierender Effekt von Arachidonsäure auf den Strom 54
Abbildung 4.17: Stromanstieg durch Austausch der Arachidonsäure in hypotoner
Lösung gegen rein hypotone Lösung 56
Abbildung 4.18: Stromanstieg durch Austausch der Arachidonsäure in hypotoner
Lösung gegen FBS in hypotoner Lösung 57
6
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1: Freie Ionenkonzentrationen und Gleichgewichtspotentiale
einer Säugetiermuskelzelle 13
Tabelle 3.1: Medienbestandteile und deren Menge 26
Tabelle 3.2: In der Zellkulutr verwendete Artikel und ihren Bezugsquellen 27
Tabelle 3.3: Verwendete Lösungen 28
Tabelle 3.4: Messgeräte 29
Tabelle 3.5: Zur Messung und Auswertung benutzte Software 29
Tabelle 3.6: Verlauf des Strombildes bei einer vorgegebenen
Rechteckspannung und dazugehörige Zahlenwerte bis zur
Erreichung eines Gigaseals in der Whole-cell Konfiguration 32
Tabelle 4.1: Verschiedene Austauschvorgänge von Lösungen, um die Öffnung
der mPiezo1-Ionenkanäle zu stimulieren 38
Tabelle 4.2: Abfolge von Austauschschritten, durch die eine Vorhersage der
grundlegenden Bindungseigenschaften von Arachidonsäure an
VSOR-Chloridkanälen möglich ist 55
7
Stichwortverzeichnis
A Membranfläche
ATP Adenosintriphosphat
C Kapazität
Ca2+ Calciumion/en
Cl- Chloridion/en
d Membrandicke
DMEM Dulbecco's Modified Eagle's Medium
DPC Diphenylamine-2-carboxylate
E Elektrisches Potential
EDTA Ethylendiamintetraacetat
Elektrische Feldkonstante des Vakuums
Relative Permittivität des Dielektrikums
F Faraday-Konstante (F = 96485,34 )
FBS Fetal bovine serum
GGW Gleichgewicht
HEK Human Embryonic Kidney (Zelllinie)
HEPES 2-(4-(2-hydroxyethyl)-1-piperazinyl)-ethansulfonsäure
I Stromstärke
K+ Kaliumion/en
n Anzahl der Messungen
Na+ Natriumion/en
NPPB 5-nitro-2-(3-phenylpropylamino)-benzoate
PBS Phosphate buffered saline
R Universelle Gaskonstante (R = 8,31447 )
SITS 4-acetamido-4'-isothiocyanostilbene
T Temperatur
t Zeit
U Spannung
VSOR-Cl--Kanal Volume-sensitive outwardly rectifying Chloridkanal
z Äquivalentzahl
8
1. Einführung
Ionenkanäle sind Transmembranproteine. Eine Einlagerung dieser Proteine in die
zelluläre Membran ermöglicht Ionen das Passieren entlang ihres elektrochemischen
Gradienten. Dabei bilden Ionenkanäle im geöffneten Zustand eine Pore, die dann für
eine bestimmte oder mehrere Arten von Ionen durchlässig ist. Neben den großen
Klassen der spannungsgesteuerten und ligandengesteuerten Ionenkanäle, rücken
zunehmend mechanosensitive Kanäle in den Fokus der Forschung.
So lassen sich beispielsweise die Funktionen von Tastsinn und Gehörsinn auf
mechanisch aktivierbare Ionenkanäle zurückführen. Die Funktion besteht dabei im
Allgemeinen in der Umwandlung eines mechanischen Stimulus in ein vom Körper
verwertbares, biochemisches Signal in Form eines Ionenstroms. (Faller, 2008)
Neben diesen offensichtlichen Funktionen fungieren diese Art von Kanälen auch als
Sensoren in vielen viszeralen Organen. So können zum Beispiel Ionenkanäle, die in
spezialisierten Zellen neben Endothelzellen eingelagert sind, physikalische Reize wie
intravasale Flussgeschwindigkeiten oder intravasalen Druck messen und als
biochemisches Signal weitergeben (Freie Universität Berlin, 2013). Mit diesen
Informationen kann vor allem im zentralen Nervensystem auf Veränderungen
entsprechend reagiert werden. Damit sind die mechanosensitiven Ionenkanäle die
erste Schnittstelle eines klassischen Regelkreises.
Gerade weil viele Arten mechanosensitiver Ionenkanäle in Aufbau, Form und
genauer Funktion noch nicht ausreichend erforscht sind, sucht die
Grundlagenforschung nach geeigneten Methoden diese Fragen zu klären. Eine
Möglichkeit bieten dabei elektrophysiologische Messungen. Auch große
Pharmaunternehmen greifen vermehrt auf die Möglichkeiten dieser Messungen
zurück. Grund sind die steigenden Anforderungen an pharmazeutische Produkte in
Bezug auf therapeutische Effekte und zu vermeidende Nebenwirkungen.
9
Die Patch-Clamp-Technik ist eine der wichtigsten Standardmethoden der
Elektrophysiologie. Mit ihrer Hilfe können Ströme und Spannung über eine
Biomembran gemessen und so auf die durch Ionenkanäle geflossenen
Ladungsträger in Form von Ionen geschlossen werden. Eine besondere Form stellt
dabei die planare Patch-Clamp-Technik dar. Sie verwendet anstatt der klassischen
Pipette eine Öffnung in der Mitte eines Chips und ermöglicht so einen größeren
Probendurchsatz.
In dieser Arbeit werden zwei Arten mechanosensitiver Ionenkanäle mittels planarer
Patch-Clamp-Technik untersucht.
10
2. Grundlagen
2.1 Zellmembran
Je nach Typ und Art einer Zelle finden sich im Cytoplasma, der inneren Grundstruktur
der Zelle, verschiedene Organellen und strukturgebende Proteine. Allen Zellen
gemein ist jedoch eine Membran, durch die eine Abgrenzung des Zellinneren zur
äußeren Umgebung ermöglicht wird. Diese Plasmamembran besteht hauptsächlich
aus Phospholipiden, die sowohl einen hydrophilen, als auch einen hydrophoben
Bereich besitzen und damit als amphiphil gelten. Diese Eigenschaft ermöglicht eine
Zusammenlagerung der hydrophilen bzw. hydrophoben Bereiche der einzelnen
Moleküle und somit die Entstehung der Zellmembran. In diese sind - neben vielen
weiteren Strukturen (Abbildung 2.1) - auch Kanalproteine eingebaut, die einen
Transport von Ladungsträgern in Form von Ionen ermöglichen. Auf diese
Ionenkanäle wird später in einem eigenen Kapitel näher eingegangen.
11
Abbildung 2.1: Biomembran mit verschiedenen ein- oder angelagerten Strukturen. (Wikipedia, 2013)
2.2 Elektrochemischer Gradient
Wie bereits erwähnt können geladene Teilchen mit Hilfe passender Ionenkanäle die
Zellmembran überwinden. Ohne diese Kanalproteine allerdings, wäre die Membran
unter physiologischen Bedingungen für Ladungsträger nahezu undurchlässig. Durch
aktiven Transport von Ladungsträgern und einem Verschließen der meisten
Ionenkanäle ist die Zelle also in der Lage einen Gradienten aufrecht zu erhalten,
durch dessen Ladungsverteilung eine Potentialdifferenz über der Membran entsteht.
Zusätzlich zu den Kräften, die elektrischen Ursprungs sind (elektrischer Gradient),
entstehen durch eine ungleichmäßige Verteilung von Ionen auch
Konzentrationsgefälle (chemischer Gradient), die sich auszugleichen versuchen und
dabei Kräfte erzeugen. Erst wenn sich der elektrische und chemische Gradient bzw.
alle Kräfte in ihrer Gesamtheit aufheben, ist ein Diffusionsgleichgewicht erreicht und
der elektrochemische Gradient ist null.
Zur Beschreibung des im Diffusionsgleichgewicht herrschenden Potentials über der
Zellmembran wird oft die Nernst-Gleichung (2.1) verwendet. Dabei ist R die
universelle Gaskonstante (R = 8,31447 ), T die absolute Temperatur in Kelvin,
z die Ladung der jeweiligen Ionenspezies oder auch Äquivalentzahl und F die
Faraday-Konstante (F = 96485,34 ). Bezogen auf die physiologische Situation
gibt E1 bzw. [S]1 die internen Verhältnisse, E2 bzw. [S]2 die externen Verhältnisse der
Zelle an. Ein Potential von z.B. -90mV ist demnach gleichbedeutend einer
intrazellulär vorherrschenden Spannung von -90mV relativ zur extrazellulären.
(Hille, 2001)
Membranpotentialdifferenz = E1-E2 =
(2.1)
12
Für verschiedene Ionensorten (2.2, 2.3, 2.4, 2.5) kann man also schreiben:
(2.2)
(2.3)
(2.4)
(2.5)
Eine gute Übersicht der Konzentrationsverteilungen, sowie der
Gleichgewichtspotentiale der wichtigsten Ionen in einer Säugetiermuskelzelle bietet
die Tabelle 2.1 aus „Ion Channels of Excitable Membranes“ von Hille, 2001.
Das Ruhepotential (Anmerkung b) beschreibt dabei einen Zustand, bei dem sich das
Membranpotential zeitlich nicht verändert. (The Axon Guide, 2008)
IonensorteExtrazelluläre Konzentration
(mM)
Intrazelluläre Konzentration
(mM)
[Ion]außen/ [Ion]innen
Gleichgewichts-potentiala (mV)
Na+ 145 12 12 +67K+ 4 155 0,026 -98
Ca2+ 1,5 100nM 15000 +129Cl- 123 4,2b 29b -90b
Das gesamte Membranpotential setzt sich also aus den Gleichgewichtspotentialen
der einzelnen Ionensorten, aber auch aus deren Permeabilitäten zusammen.
Als Umkehrpotential wird jene künstlich angelegte Membranspannung bezeichnet,
bei der alle Ionenströme im Gleichgewicht (GGW) sind. Das heißt, durch den
betrachteten Kanal fließt kein Nettostrom. Wäre nur eine Ionenspezies in einem
betrachteten System vorhanden, entspräche das Umkehrpotential dem GGW-
13
Tabelle 2.1: Freie Ionenkonzentrationen und Gleichgewichtspotentiale einer Säugetiermuskelzellea Aus der Gleichung 2.1bei 37°C kalkuliertb Annahme des Ruhepotentials bei -90mV und eines Gleichgewichtszustandes der Chloridionen
potential dieser Ionensorte. Da es mit der Nernst-Gleichung (2.1) schwierig ist, das
Umkehrpotential für Kanäle vorauszusagen, die für mehr als ein Ion permeabel ist,
wird gerne auf die einfachste Darstellung der Goldman-Hodkin-Katz-Gleichung (2.6)
zurückgegriffen (Hille, 2001).
(2.6)
Dabei beschreibt P die jeweiligen Permeabilitäten der verschiedenen Ionensorten.
Die Permeabilität P setzt sich wiederum aus dem Quotient des
Diffusionskoeffizienten und der Membrandicke zusammen.
Auch das Ruhepotential kann mit Hilfe der Gleichung (2.6) bestimmt werden. Je
höher die Permeabilität einer Ionensorte ist, desto näher wird das Ruhepotential dem
Nernstpotential dieser Ionensorte sein, da die Ionenkonzentrationen durch die
verschiedenen Permeabilitäten unterschiedlich gewichtet werden. Unter
physiologischen Bedingungen hat Kalium die größte Permeabilität aller häufig
vorkommenden Ionen und somit den größten Einfluss auf das Ruhepotential mit z.B.
E(K) = -98mV für eine Säugetiermuskelzelle (wie aus Tabelle 2.1 ersichtlich).
Der Grund für die erhöhte Permeabilität von Kalium liegt in einer Vielzahl an offenen
Ionenkanälen, die selektiv Kalium leiten. Je nachdem welche Ionenkanäle in der
Zellmembran geöffnet werden, können die Permeabilitäten der verschiedenen Ionen
geändert werden. Der Einfluss der veränderten Membranpermeabilität auf das
Ruhepotential kann wiederum mit Hilfe der Goldman-Hodkin-Katz-Gleichung (2.6)
„aktualisiert“ werden. Ein Beispiel für eine Veränderung des Membranpotentials ist
ein durch Na+-Kanal-Öffnung induziertes Aktionspotential in Nervenzellen.
14
2.3 Elektrisches Modell einer Zellmembran
Zur besseren Verständlichkeit werden die Eigenschaften der untersuchten
Zellmembranen gerne durch ein elektrisches Ersatzschaltbild dargestellt. So wird die
Potentialdifferenz über der Membran als Spannungsquelle interpretiert. Die
Lipiddoppelschicht der Membran kann aufgrund ihrer geringen Leitfähigkeit mit
einem Kondensator und der Ionenkanal mit einem variablen, elektrischen Widerstand
verglichen werden. Die Kapazität der Lipiddoppelschicht wird dabei durch die Formel
(2.7) berechnet und wächst mit der Größe der betrachteten Membranstelle. Sie
beträgt in etwa 1µF/cm2. Das sich ergebende Ersatzschaltbild wird also
annäherungsweise durch eine Parallelschaltung aus einem Kondensator und
variablem Widerstand, entsprechend einem RC-Glied dargestellt (siehe Abbildung
2.2). (Hille,2001)
(2.7)
Dabei ist die elektrische Feldkonstante des Vakuums, die relative Permittivität
des Dielektrikums, A die untersuchte Membranfläche und d die Membrandicke.
Die elektromotorische Kraft, also die Fähigkeit, die Potentialdifferenz aufrecht zu
erhalten, geht vor allem von Natrium-Kalium-Pumpen der Zelle aus. Anders als
Ionenkanäle transportieren diese, entgegen des elektrochemischen Gradienten,
Natriumionen in den extra- und Kaliumionen in den intrazellulären Raum. Dieser
aktive Transport benötigt Energie und hydrolysiert für diesen Zweck ATP.
Wird an einem wie in Abbildung 2.2 gezeigten Stromkreis ein künstlicher
15
Abbildung 2.2: RC-Glied als vereinfachtes Ersatzschaltbild der Eigenschaften einer Biomembran. R stellt dabei den Widerstand des Ionenkanals und C die Kapazität der Membran dar. (Hille, 2001)
Spannungsimpuls angelegt, so fließt während der Änderung der Spannung ein
kapazitiver Strom, der den Kondensator auf- bzw entlädt. Nachdem sich eine
konstante Spannung eingestellt hat, fließt der Strom allerdings nur noch über den
Widerstand und ist je nach Konformationszustand der Ionenkanäle unterschiedlich.
Ein Beispiel einer Rechteckspannung als Impuls und einer Antwort eines RC-Gliedes
wird in Abbildung 2.3 gezeigt.
16
Abbildung 2.3: Angelegte Rechteckspannung und Stromantwort eines RC-Gliedes. (Axon Guide, 2008)
2.4 Ionenkanäle
Ionenkanäle sind in der Zellmembran eingelagerte Proteinkomplexe, mit deren Hilfe
Ionen die Zellmembran entlang ihres elektrochemischen Gradienten überwinden
können. Sie setzen sich aus mehreren gleichen oder verschiedenen Untereinheiten
zusammen. Um fest in der Membran verankert zu sein, müssen Proteinstrukturen,
die sich innerhalb der Membran befinden hydrophoben, Strukturen, die sich unter-
oder oberhalb der Membran befinden, hydrophilen Charakter besitzen. Ein
schematischer Aufbau eines nikotinischen Acetylcholinrezeptors kann in Abbildung
2.4 betrachtet werden.
Die Permeabilität wird durch Konformationsänderung der Kanalproteine verändert.
Eine Öffnung würde die Permeabilität erhöhen, während ein geschlossener Zustand
die Permeabilität der Biomembran senken würde. Grundsätzlich gibt es drei mögliche
Stimuli, bei denen sich Kanalproteine öffnen können: elektrische, chemische oder
physikalische Reize. Abhängig davon, durch welchen dieser Reize ein Ionenkanal
geöffnet werden kann, unterscheidet man spannungsgesteuerte, ligandengesteuerte
und mechanosensitive, lichtgesteuerte oder temperaturgesteuerte Ionenkanäle.
17
Abbildung 2.4: Schematischer Aufbau eines nikotinischen Acetylcholinrezeptors mit symmetrischen Untereinheiten. (Scheffel, 2013)
Eine weiteres wichtiges Merkmal zur Klassifikation dieser Proteinkomplexe findet
sich in ihrer Selektivität. Je nach Porendurchmesser und Porenstruktur sind manche
Ionenkanäle nichtselektiv und unterscheiden nur zwischen Kationen und Anionen,
andere wiederum lassen nur eine Art von Ion passieren und gelten als hochselektiv.
Die von Ionenkanälen unterstützten Funktionen sind sehr vielseitig. So sind
spannungs- und ligandengesteuerte Kanäle z.B. für Leitungsprozesse in und
zwischen Nerven essentiell. Bezüglich mechanosensitiven Kanälen, die Thematik
dieser Bachelorarbeit sind, sind außerdem die Fähigkeiten des Tastens, des Hörens,
der Schmerzempfindung, sowie der Messung und Regelung des Blutdrucks zu
erwähnen, die ohne Kanäle, die auf mechanische Reize reagieren, so nicht
funktionieren könnten. Andererseits sind Fehler in der Abfolge der
Aminosäuresequenz dieser Proteine oder an den mit den Kanälen interagierenden
Molekülen für viele Krankheiten verantwortlich, wie beispielsweise der
Schmetterlingskrankheit (verursacht starke Schmerzen bei sanfter Berührung) oder
bestimmten Formen der Taubheit.
2.4.1 mPiezo1 Kanal
Die Aktivierung des mPiezo1 erfolgt während der Messungen durch das Anlegen
eines negativen Drucks (Saugimpulses) im Bereich weniger mmHg.
Das Piezo1 Gen (auch Fam38A) wurde zunächst in der Publikation „Piezo1 and
Piezo2 Are Essential Components of Distinct Mechanically Activated Cation
Channels“ (Coste, 2010) als für die mechanische Aktivierung von Kationenkanälen
wichtiger Genabschnitt identifiziert. In diesem Paper wurde durch RNA-Interferenz
und Überexpression des Piezo1 Proteins eine eindeutige Abhängigkeit dieses
Proteins mit mechanisch aktivierbaren (MA) Strömen festgestellt.
Bereits gut ein Jahre später in „Piezo proteins are pore-forming subunits of
mechanically activated channels“ (Coste, 2012) konnte die Aussage bekräftigt
werden, dass Piezo1 selbst ein Ionenkanal sei. Dies geschah unter anderem durch
18
aufgereinigte mPiezo1-Proteine, die ohne weitere Proteinstrukturen Eigenschaften
eines eigenständigen nichtselektiven Kationenkanals zeigten.
Eine kleine Zusammenfassung dieser Thematik schrieb Bernd Nilius in „Pressing and
squeezing with Piezos“ (2012). Eine große, ungeklärte Fragestellung bleibt aber der
genaue Gating-Mechanismus der Piezos. In Abbildung 2.5 sind mehrere, denkbare
Möglichkeiten zur Öffnung des Kanals bzw. seine mögliche Strukturen zu sehen.
19
Abbildung 2.5: Mögliche Piezo-Strukturen bzw. Aktivierungsmodelle. (A) Topologisches Modell, welches 30 Transmembran Bereiche enthält. (B) Mechanosensitiver Öffnungsmechanismus durch eine mechanische Spannung der Membran. (C) Öffnungsmechanismus durch eine Krümmung der Membran. (D) Öffnungsmechanismus durch Kraftinteraktion mit anderen zellulären Strukturen, wie z.B. dem Zytoskelett. (E) Der Piezo1 könnte auch nur eine Untereinheit des gesamten Ionenkanalkomplexes sein. (Nilius, 2013)
2.4.2 VSOR-Chloridkanal
Der VSOR (volume-sensitive outwardly rectifying) Chloridkanal wird durch
osmotisches Schwellen aktiviert. Dazu muss die Osmolarität der intrazellulären
Lösung relativ zur extrazellulären größer sein. Ravshan Sabirov schlug dabei 2012
zwei Möglichkeiten vor: Entweder kann die Osmolarität der externen Lösung durch
Reduktion der NaCl-Konzentration gesenkt werden oder die Osmolarität der internen
Lösung, z.B. durch Zugabe von Mannitol, im Vergleich zur externen Lösung erhöht
werden.
Der VSOR-Chloridkanal ist ein selektiver Kanal, der Cl-, je nach Gradient und
angelegter Spannung in beide Richtungen leiten kann. Neben Chlorid werden
weitere physiologisch weniger bedeutsame Anionensorten unterschiedlich gut
transportiert: SCN- > I- > Br- > Cl- > F- > Gluconat-. Als mögliche Blocker kommen vor
allem SITS, NPPB, DPC und Arachidonsäure, eine vierfach ungesättigte Fettsäure,
zum Einsatz. (Okada, 1991)
Erst 2011 fand Okada und Sabirov heraus, dass der VSOR-Chloridkanal neben
weiteren wichtigen Anion-Kanälen bei der Volumenregulation von Thymocyten, sowie
deren Proliferation und Apoptosis eine wichtige Rolle spielt. Demnach kann der
Kanal bei Krankheiten wie thymus atrophy oder thymocyte depletion das Ziel von
Immunmodulatoren sein.
20
2.5 Patch-Clamp-Technik
1976 stellten Erwin Neher und Bert Sakmann erstmals die Patch-Clamp-Technik vor.
Ziel war und ist die Messung von Strömen, die durch Ionenkanäle fließen und nur
wenige pA klein sein können. Nachdem die Bedeutung der Patch-Clamp-Technik für
die Forschung an Ionenkanälen erkannt wurde, wurde den Erfindern 1991 der
Nobelpreis verliehen.
2.5.1 Prinzip
Die Idee, die hinter der Patch-Clamp-Technik steckt, ist unter Zuhilfenahme der
Abbildung 2.6 schnell erklärt.
Zunächst wird eine mit einer Elektrolytlösung gefüllte Glaspipette an eine einzelne
Zelle herangeführt. Diese Zelle muss den zu untersuchenden Ionenkanal
ausreichend exprimieren. Durch das Anlegen eines Unterdrucks innerhalb der
Pipette und einer negativen Spannung wird ein Teil der Zellmembran an die
Pipettenspitze gesaugt. Befindet sich innerhalb der Pipettenlösung und in der
extrazellulären Lösung jeweils eine Elektrode, können Ströme zwischen diesem
Elektrodenpaar gemessen werden. Wenn die Verbindung zwischen dem Rand der
Pipettenspitze und des angesaugten Membranflecks (engl. patch) dicht genug ist
fließt der Hauptteil des gemessenen Stroms durch die Ionenkanäle im Membranfleck.
Eine sehr gute Verbindung wird auch als „Gigaseal“ bezeichnet, in Anlehnung an
21
Abbildung 2.6: Schematischer Aufbau eines klassischen Patch-Clamp Experiments.(Wikipedia, 2013)
einen großen elektrische Widerstand (> 1GOhm), den der Strom überwinden muss,
um zwischen Rand der Pipette und der Zellmembran hindurch zu fließen. Ist dieser
Widerstand zu niedrig, fließt sogenannter Leak-Strom an der Zelle vorbei und
verfälscht das Messergebnis. Ein hoher Sealwiderstand Rseal ist also eine
Grundvoraussetzung für eine vertrauenswürdige Messung.
Ausgehend von der beschriebenen Konfiguration, die auch als On-cell- oder Cell-
attached-mode bekannt ist, können noch drei weitere Konfigurationen entstehen
(siehe Abbildung 2.7). Für die Messungen dieser Arbeit ist vor allem der Whole-cell-
mode von Bedeutung. Dabei wird durch mehrere, größer werdende negative
Druckimpulse der Membranfleck zum Aufbrechen gebracht, so dass die
Pipettenlösung (interne Lösung) die intrazelluläre Lösung praktisch komplett
austauscht. Der so gemessene Strom fließt, anders als bei den übrigen
Konfigurationen, durch die Ionenkanäle der gesamten Zelle und ist entsprechend
größer.
Bei den Elektroden handelt es sich um chloridierte Silberdrähte (Ag / AgCl-
Elektroden). Durch sie kann man neben dem Messen eines Ionenstroms auch eine
künstliche Spannung über der Membran anlegen.
22
Abbildung 2.7: Vier verschiedene Patch-Clamp-Konfigurationen, die je nach Vorgehensweise aus der On-cell-Konfiguration entstehen können. (Hille, 2001)
2.5.2 Planare Konfiguration
Im Rahmen dieser Arbeit wurden sämtliche Messung mit einer Weiterentwicklung der
klassischen Patch-Clamp-Technik durchgeführt. Es handelt sich dabei um die
chipbasierte oder auch planare Konfiguration. Anders als die klassische Methode
verzichtet dieser Ansatz auf ein Mikroskop, einen Mikromanipulator zur
Pipettenpositionierung, einen schwingungsgedämpften Tisch und einen alles
umschließenden Faraday-Käfig, um störende Einflüsse von außerhalb
auszuschließen. Wie in Abbildung 2.8 gezeigt, wird bei der planaren Variante die
klassische Glaspipette durch einen Glaschip ersetzt, unter welchem sich, in der
internen Lösung, eine der Elektroden befindet. Der Chip besitzt eine runde Öffnung,
deren Durchmesser ca. 1 Mikrometer zählt.
Die Pipette muss also nicht mehr unter Beobachtung an eine ausgewählte Zelle
herangefahren werden, sondern es wird eine Zelle, der auf den Chip aufgetragenen
Zellsuspension, durch Anlegen eines Unterdrucks in mehreren Stufen an das Loch
im Chip angepresst. Aus gegebenen Gründen kann in der planaren Konfiguration nur
im On-cell- oder Whole-cell-mode gemessen werden.
In Abbildung 2.9 sind alle wichtigen Kapazitäten und Widerstände der planaren
Whole-cell-Konfiguration in einem Elektronischen Ersatzschaltbild zusammengefasst.
23
Abbildung 2.8: Schematischer Aufbau einer planaren Patch-Clamp-Konfiguration. (Wikipedia, 2013)
Als Mindestvoraussetzungen für gute Messungen sollte stets gelten:
Rseal > Rmem >> Rserial
24
Abbildung 2.9: Ersatzschaltbild einer Zelle im Whole-cell-mode und einer planaren Patch-Clamp-Konfiguration. Neben dem bekannten Membranwiderstand (Rmem) und der Membrankapazität (Cslow) ist vor allem der serielle Widerstand oder Zugangswiderstand (Rseries) wichtig der möglichst klein sein sollte. Auch die Kapazität, die vom Chip selbst ausgeht (Cf ast) und der Seal Widerstand (Rseal), der, wie beschrieben, über die Qualität der Verbindung zwischen Zelle und Chiprand Auskunft gibt, sind eingezeichnet. (Barthmes, Diplomarbeit 2010)
3. Material und Methoden
Unter Material und Methoden werden alle zur erfolgreichen Darstellung von
Ergebnissen benötigten Hilfsmittel aufgezählt.
3.1 Material
Das beschriebene Material umfasst, neben den eigentlichen Messgerätschaften,
auch deren Software und zum Erhalt der Zellen benötigte Verbrauchsgegenstände,
sowie die Zellen selbst.
3.1.1 Zelllinien
Die HEK-Zelllinie (genauer HEK 293) findet in verschiedensten Bereichen der
Forschung Anwendung. HEK steht dabei für „Human Embryonic Kidney“, also eine
menschliche Nierenzelle. Sie ist ein Transformationsprodukt einer klassischen HEK-
Zelle und eines Adenovirus 5. Sie ist recht einfach zu handhaben und wächst
adhärent meist über mehrere Wochen, ohne dabei großen qualitativen
Schwankungen zu unterliegen. Die in dieser Arbeit benutzten HEK-Zellen des
Patapoutian Labs wiesen eine Resistenz gegen das Antibiotikum Puromycin auf und
überexprimierten den mPiezo1-Ionenkanal.
HeLa-Zellen sind sehr breit eingesetzte Epithelzellen eines Gebärmutterhalskrebses.
Sie sind die ersten menschlichen Zellen, die als permanente Zelllinie etabliert
wurden. Ihr Name stammt von der ehemaligen Patientin Henrietta Lacks, aus der
diese Zellen isoliert wurden. Die hier verwendeten HeLa-Zellen überexprimieren kein
untersuchtes Protein und besitzen den VSOR-Chloridkanal „natürlicherweise“. Sie
stammen von der Firma Bayer.
25
3.1.2 Zellkultur
Die Rezepturen der Medien, in denen die jeweilige Zelllinie im Brutschrank wachsen
kann, wurden von den Herstellern mitgeliefert. Tabelle 3.1 gibt Auskunft über die
einzelnen Bestandteile und den jeweils zugeführten Mengen.
Medium für HEK-mPiezo1 Medium für HeLa-ZellenGrundmedium 500ml DNEM 500ml DNEMNährzusatz 50ml FBS 50ml FBS
Antibiotika5 ml Penicillin/Streptomycin (x100),1µg/ml Puromycin
5 ml Penicillin/Streptomycin (x100)
26
Tabelle 3.1: Übersicht der in den Medien enthaltenen Bestandteile und deren Menge.
Weitere verwendete Materialen, wie Messgeräte, Einwegartikel und Chemikalien sind
in Tabelle 3.2 aufgelistet.
Artikel/ Gerät BezugsquelleSterilbank Thermo Scientific, Bonn, DInkubator Heraeus Thermo Scientific, Bonn, DKulturschalen TPP, Trasadingen, CH15ml Tube SPL, Gyeonggi-do, KoreaLatexhandschuhe Meditrade, Kiefersfelden, DPipetteBoy Integra, Fernwald, dZentrifugeHermle Z 230 A MK II Hermle Labortechnik, Wehingen, DPipettenspitzen Josef Peske oHG, Karlsruhe, DSterilfilter TPP, Trasadingen, CHSalzsäure Carl Roth, Karlsruhe, DNatronlauge Carl Roth, Karlsruhe, DpH-Meter Sartorius, Göttingen, DOsmometer Thermo Scientific, Bonn, DArachidonsäure Sigma-Aldrich, Taufkirchen, DMedienbestandteile PAA, Cölbe, DPBS PAA, Cölbe, DTrypsin PAA, Cölbe, DEDTA Carl Roth, Karlsruhe, D
27
Tabelle 3.2: Übersicht aller verwendeten Artikel in der Zellkultur und ihren Bezugsquellen.
3.1.3 Elektrophysiologische Messungen
Sämtliche als intern und extern verwendeten Lösungen sowie Konzentrationen
verwendeter Wirkstoffe können der Tabelle 3.3 entnommen werden.
Lösung Zusammensetzung / Konzentration
externe Standardlösung10mM HEPES, 140mM NaCl, 5mM Glukose, 4mM KCl, 2mM CaCl2, 1mM MgCl2
externe, hypertone Standardlösung (nur für mPiezo1-Ionenkanal)
10mM HEPES, 140mM NaCl, 5mM Glukose, 4mM KCl, 2mM CaCl2, 1mM MgCl2, 100mM bzw. 50mM NMDG
externe, hypotone Standardlösung10mM HEPES, 105mM bzw. 70mM NaCl, 5mM Glukose, 4mM KCl, 2mM CaCl2, 1mM MgCl2
externe, hypotone, chloridfreie S.lösung10mM HEPES, 70mM NaHO3, 5mM
Glukose, 2mM CaMSA
interne Kalium-Standardlösung 20mM EGTA, 10mM HEPES, 50mM KCl, 10mM NaCl, 60mM KF
interne Cäsium-Standardlösung 20mM EGTA, 10mM HEPES, 50mM CsCl, 10mM NaCl, 60mM CsF
interne hypertone Cäsium-S.lösung (nur für mPiezo1-Ionenkanal)
20mM EGTA, 10mM HEPES, 50mM CsCl, 10mM NaCl, 60mM CsF, 100mM NMDG
Sealenhancer 10mM HEPES, 80mM NaCl, 35mM CaCl2, 10mM MgCl2, 3mM KCl
Arachidonsäurelösung 60µM in externer, hypotoner S.lösungFBS-Lösung 2mg/ml FBS in ext., hypotoner S.lösung
28
Tabelle 3.3: Übersicht der verwendeten Lösungen.
Die zur Messung benötigten Apparaturen sind in Tabelle 3.4 aufgelistet.
Gerät HerstellerPort-a-Patch Nanion Technologies GmbH, München, DPatch-Clamp-Verstärker EPC10 HEKA Elektronik, Lambrecht/ Pfalz, DPC Proline, Chicago, USAZentrifuge Hermle Z 230 A MK II Hermle Labortechnik, Wehingen, DLichtmikroskop (40fach Objektiv) TILL Photonics, Gräfelfing, D
3.1.4 Software
Die benutzte Software wurde teilweise von Nanion selbst zur Verfügung gestellt.
Diese Software wurde zur Steuerung der elektrophysiologischen Geräte von HEKA
und Nanion genutzt. Eine Auflistung aller verwendeten Programme findet sich in
Tabelle 3.5.
Software HerstellerPatchControl Nanion Technologies GmbH, München, DFitMaster HEKA Elektronik, Lambrecht/ Pfalz, DPatchMaster (Verstärkersoftware) HEKA Elektronik, Lambrecht/ Pfalz, DIgor Pro WaveMetrics, Portland, USAOpenOffice Open Source Programm
3.2 Methoden
Das Unterkapitel Methoden beinhaltet neben den praktisch anzuwendenden
Verfahren in der Zellkultur und den elektrophysiologischen Messungen auch
statistische Methoden zur Ergebnisauswertung.
29
Tabelle 3.4: Auflistung der Messgeräte.
Tabelle 3.5: Übersicht der zur Messung und Auswertung benutzten Software.
3.2.1 Zellbiologische Methoden
Alle hier beschriebenen Tätigkeiten wurden in der Zellkultur durchgeführt.
Die Zelllinien selbst werden in Brutschränken bzw. Inkubatoren aufbewahrt, in denen
strikte Bedingungen eingehalten und überprüft werden müssen. Dazu zählen neben
einer Temperatur von 37°C und einem CO2-Gehalt von 5% auch eine relative
Luftfeuchtigkeit von 90%.
Außer den elektrophysiologischen Messungen selbst wurden alle Arbeiten mit Zellen
unter einer Sterilbank durchgeführt. Das Passagieren der Zellen gehört zu den
wichtigsten dieser Tätigkeiten.
Zweck des alle zwei bis drei Tage durchgeführten Passagierens oder Umsetzens war
eine für elektrophysiologische Messungen optimal vorbereitete Zelllinie. Wird in
einem zu dünnen oder zu dichten Verhältnis umgesetzt, ist ein suboptimales
Wachstum die Folge. Im schlimmsten Fall können Zellen auch für die Messung
essentielle Ionenkanäle verlieren oder absterben.
Der Passagiervorgang läuft immer recht ähnlich ab. Zunächst wird eine Kulturschale
mit der passenden Zelldichte (etwa 80%) mit Hilfe eines Lichtmikroskop ausgewählt.
Anschließend muss das alte Medium verworfen werden und die verbliebenen,
adhärenten Zellen werden mit PBS gewaschen. Eine dreiminütige Einwirkzeit von
Trypsin oder PBS-EDTA löst schließlich die Zellen von der Kulturschale. Da Trypsin
Proteine an spezifischen Stellen spalten kann, muss dieses direkt nach der
Einwirkzeit durch einen Zentrifugiervorgang (2,5 Minuten bei 1500 U/min) entfernt
werden. Danach wird das Zellpellet oder die Zellsuspension mit nicht trypsinhaltigem
Ablösemittel in mit 10ml frischem Medium gefüllten Schalen aufgeteilt. Je nach
gewünschter Dichte und geplanten Messtagen wird das Mengen- und
Verteilungsverhältnis entsprechend variiert.
Für die Messungen müssen die jeweiligen Zellen geerntet werden. Dazu wird wie
zunächst wie beim Passagieren verfahren. Das Zellpellet bzw. die Zellsuspension
30
wird aber nicht auf neue Schalen aufgeteilt, sondern abhängig von der Zelldichte in
ca. 1ml externer Lösung gelöst / gegeben und für die Messung bereitgestellt.
3.2.2 Elektrophysiologische Methoden
Alle in dieser Bachelorarbeit gezeigten Messungen wurden mit Hilfe der planaren
Patch-Clamp-Technik durchgeführt. Dafür wurde das Port-a-Patch von Nanion
verwendet, dessen Aufbau samt benötigter Apparatur in Abbildung 3.1 zu sehen ist.
Bevor mit den eigentlichen Messungen begonnen werden kann, bedarf es einiger
Vorbereitung. Ist die planare Konfiguration wie in Abbildung 3.1 aufgebaut, müssen
der PC und die Verstärkereinheit eingeschaltet werden. Danach werden die
Programme PatchControl und PatchMaster gestartet; es sind die Protokolle zur
Erlangung des gewünschten Sealwiderstandes und für den eigentlichen
Messvorgang einmalig zu erstellen, alle weiteren male nur noch aufzurufen.
31
Abbildung 3.1: Messaufbau mit PC, Verstärker und Port-a-Patch mit dazugehöriger SuctionControl. (Nanion Port-a-Patch Product Sheet, 2012)
Alle wichtigen Ergebnisse dieser Arbeit wurden in der Whole-cell-Konfiguration
erreicht. Tabelle 3.5 stellt den Verlauf bis zum Erreichen dieser Konfiguration mit
dazugehörigem elektrischem Ersatzschaltbild dar.
32
Tabelle 3.6: Verlauf des Strombildes bei einer vorgegebenen Rechteckspannung und dazugehörige Zahlenwerte bis zur Erreichung eines Gigaseals in der Whole-cell Konfiguration. Ionenkanäle werden in dieser Phase als geschlossen angenommen. (Stoelzle, 2006)
Je nachdem, welche Lochgröße im Chip bevorzugt wird, sind die für den Port-a-
Patch verwendeten Einwegchips in unterschiedlichen Widerständen erhältlich. Hier
wurden fast ausschließlich Chips mit einem Widerstand von 2 bis 3,5MOhm
verwendet.
Zunächst wird die Unterseite mit einem Tropfen der vorbereiteten internen, die
Oberseite des Chips mit einem Tropfen der externen Lösung benetzt (siehe
Abbildung 3.2). Dabei ist darauf zu achten, die Tropfen möglichst mittig über dem
Loch zu platzieren. Die genaue Menge der Elektrolytlösungen kann variieren und
sollte zwischen 10µl und 20µl liegen.
Der benetzte Chip wird nun auf den Port-a-Patch aufgeschraubt und der Aufsatz, der
als Faraday-Käfig dient, auf den Chip umschließend aufgesteckt. Jetzt kann das
Sealprotokoll durchlaufen oder manuell Druck und Spannung angelegt werden und
nach Erreichen des letzten Schrittes von Tabelle 3.6 mit dem Messen begonnen
werden.
Für die Messungen an VSOR-Chloridkanälen wurde dazu ein Messprotokoll, wie es
in Abbildung 3.3 zu sehen ist, gestartet.
33
Abbildung 3.2: Chip für den Port-a-Patch, auf den ein Tropfen externer Lösung plaziert wurde.
34
Abbildung 3.3: Messprotokoll, das für die Messungen an VSOR-Chloridkanälen verwendet wurde. Es generiert alle 5 Sekunden eine neue Spannungsrampe.
3.2.3 Methoden zur Ergebnisauswertung
Alle im Kapitel Ergebnisse aufgeführten Zahlenwerte wurden aus jeweils mehreren
Messungen gewonnen. Dabei wurde insbesondere auf möglichst gleiche
Bedingungen während der Messungen zu einem Experiment geachtet. Diese
Bedingungen beinhalteten neben einer konstant guten Zellqualität auch den immer
gleichen Messaufbau ohne Protokolländerungen. Nach ausreichend vielen
Einzelmessungen wurde mit Hilfe des arithmetische Mittels (3.1) das Endergebnis
dargestellt. Zu jedem dieser Endergebnisse wurde die Standardabweichungen der
Grundgesamtheit mit der Gleichung 3.2 geschätzt und die Anzahl der Messungen mit
n = 'Anzahl der Einzelmessungen' vermerkt.
(3.1)
(3.2)
35
4. Ergebnisse
4.1 Untersuchungen des mPiezo1-Kanals in HEK-Zellen
Der mPiezo1-Ionenkanal wurde in diese HEK-Zellen gentechnisch eingebunden. So
überexprimieren diese Zellen den Kanal und können unter Druckbelastung einen mit
Patch-Clamp-Methoden sichtbaren Strom über die Membran fließen lassen.
4.1.1 Messergebnisse
Untersucht wurden in diesem Kapitel mit mPiezo1-Kanälen stabil transfizierte HEK-
Zellen. Die Idee war die Messung einer Stromantwort aufgrund der Öffnung des
Kanals durch einen mechanischen Stimulus. Dieser Stimulus bestand aus einem
negativen Druck, der im On-cell-mode und im Whole-cell-mode in Form eines
Rechteckimpulses angelegt wurde (siehe Abbildung 4.1). Zusätzlich wurde durch die
beiden Elektroden des Port-a-Patch's eine künstliche Spannung von -70mV angelegt.
Dadurch sollte ein Strom messbarer Größe folgen.
Tatsächlich aber waren alle Versuche einen passenden Strom zu messen nicht
erfolgreich. So sind anschließende Kapitel lediglich eine Auflistung verschiedener
Anstrengungen, sinnvolle Messergebnisse zu erhalten.
36
37
Abbildung 4.1: Ein Messprotokoll, das für die Messung von mPiezo1-Kanälen verwendet wurde. Es generiert alle 20 Sekunden einen neuen, rechteckigen Druckimpuls.
4.1.2 Veränderung der Osmolaritäten zur
Ergebnisverbesserung
Eine Veränderung der Osmolaritäten interner und externer Lösungen kann laut A.
Dubin einen verstärkenden Effekt auf die Aktivierung der mPiezo1-Kanäle
hervorrufen. Wichtig dabei ist, für eine Osmolarität zu sorgen, die außerhalb der Zelle
kleiner ist als innerhalb.
So wurde die interne Standardlösung zusätzlich mit 100mM NMDG versetzt, um eine
im Vergleich niedrigere Osmolarität der externen Lösung zu erhalten.
Leider gestaltete sich ein Wechsel der internen Lösung während eines laufenden
Protokolls schwierig. Deshalb wurde zusätzlich zur internen eine externe
Standardlösung mit 100mM NMDG versetzt. Deren Osmolarität konnte nach
Erreichen der Whole-cell-Konfiguration wiederum durch einen mehrstufigen
Austauschprozess weniger hypertoner externen Lösungen gesenkt werden. Dadurch
wird die Zelle bis zum Beginn der Messung keinen großen osmotischen
Schwankungen ausgesetzt. Die Reihenfolge der Austauschvorgänge, deren
Osmolarität und Bedeutung sind Tabelle 4.1 zu entnehmen.
LösungOsmolarität in mOsm
Bedeutung
intern (+100mM NMDG) 460für den osmotischen Effekt
verantwortlichextern 295 für physiologische Bedingungen
extern (+100mM NMDG) 442
intern und extern osmotisch
ähnliche Bedingungen (direkt nach
Whole-cell-Konfiguration)z.B. extern (+50mM
NMDG)369
Erhöhung des
Osmolaritätunterschiedes...
38
Tabelle 4.1: Verschiedene Austauschvorgänge von Lösungen, um die Öffnung der mPiezo1-Ionenkanäle zu stimulieren.
4.1.3 Protokolländerungen zur Ergebnisverbesserung
Der Rundown, eine Art Desensibilisierung der Piezo-Kanäle, der von Coste und
Sachs beschrieben wird, tritt bei zu großen und zu lang anhaltenden
Druckunterschieden, die über der Membran angelegt werden, auf. Anschließend
befinden sich die Kanäle in einem permanent inaktiven Zustand und sind für die
jeweiligen Ionensorten kaum noch leitend. Um diesem Rundown vorzubeugen,
wurden verschiedene Änderungen am Druckprotokoll, das die mechanischen Stimuli
vorgibt und vor allem an den zum Sealen der Zellen benutzten Protokollen
vorgenommen. Folgend werden mehrere Bedingungen aufgezeigt, die in den
entsprechenden Protokollen umgesetzt wurden.
Wurde im Cell-attached mode gemessen, musste bis zum Erreichen des
gewünschten Seal-Widerstandes ein Druck von <4mbar angelegt werden. So konnte
ein Rundown aufgrund des Sealvorgangs eher ausgeschlossen werden. Die
Schwierigkeit bestand dabei darin, bei derart kleinen Drücken einen für
Einzelkanalmessungen ausreichenden Seal-Widerstand zu erzeugen.
Wurde hingegen im Whole-cell-mode gemessen, war zumindest bis zum Aufreißen
der Zellmembran die Größe des angelegte Drucks irrelevant. Dort nämlich, wo der
angelegte Druck die Kanäle permanent inaktivieren könnte, wird die Membran für
das Erreichen der Whole-cell-Konfiguration in jedem Fall aufgerissen. Zudem fallen
diese wenigen, nicht mehr funktionierenden Kanäle im Vergleich zu den restlichen
über die Membran verteilten Kanäle kaum ins Gewicht.
Nach Erreichen der jeweiligen Konfiguration wurden die mechanischen Stimuli in
Dauer, Größe und Form variiert. So wurden von einfachen Rechteckimpulsen, deren
Größe sich alle 30s von anfänglich -40mbar um jeweils 20mbar auf bis +40mbar
erhöhte, über Rampenimpulsen, die alle 5s von positive in negative Druckbereiche
wechselten, bis hin zu alternierenden Druckschwankungen viele mögliche Protokolle
verwendet. Leider konnte durch keiner dieser Änderungen ein Messerfolg erzielt
werden.
39
4.1.4 Verschiedene Erntemethoden zur
Ergebnisverbesserung
Wie bereits beschrieben, können mPiezo1-Kanäle durch entsprechende
mechanische Stimuli bereits vor der Messung permanent inaktiviert werden. Ein
weiterer möglicher Ansatzpunkt, diese Inaktivierung eventuell zu vermeiden, liegt in
der Variation des Ernteverfahrens. Möglicherweise tritt bereits während dieses
Vorgangs die Inaktivierung ein. In den meisten Papern (wie B. Coste 2010, B. Coste
2012, A. Dubin 2012), die sich diversen Fragestellungen des Piezo-Kanals
annehmen, wurde mit einem konventionellen Patch-Clamp-Aufbau gemessen. Es
fallen also auch mögliche Probleme einer Desensibilisierung der Kanäle während
des Ernteverfahrens weg, da die konventionelle Patch-Clamp-Technik auf das Ernten
der Zellen komplett verzichtet.
Eine Veränderung, den Vorgang für spätere Messungen zu optimieren, lag im
Verzicht auf das oft bei adhärenten Zellen verwendete Ablösemittel Trypsin. Laut A.
Dubin konnte bei Messungen mit Trypsin kein passender Strom ausgemacht werden,
so dass eine Alternative nötig war. Das schwächer wirkende Ablösemittel PBS-EDTA,
selten auch Trypsin LE, wurde ab hier statt Trypsin verwendet. Durch die
Verwendung von PBS-EDTA blieb jedoch der Großteil der adhärenten Zellen auf der
Schalenoberfläche zurück. Nur durch mechanisches Einwirken mittels Pipette
konnten genügend Zellen von der Platte gelöst werden. Eine Inaktivierung der
Kanäle wäre wiederum eine vorstellbare Folge.
Eine weitere Variation bestand im Verzicht auf den Zentrifugiervorgangs. Dabei
wurden zunächst, nach Entfernung des Mediums, die verbliebenen adhärenten
Zellen mit 2ml PBS-EDTA und 4minütiger Einwirkzeit so schonend wie möglich von
der Schalenoberfläche gelöst. Da PBS-EDTA, nicht wie Trypsin, Proteine an
bestimmten Stellen spalten und damit unbrauchbar machen kann, war ein
Herauszentrifugieren der Substanz auch nicht zwingend erforderlich.
40
4.1.5 Änderung der Passagiermethode zur
Ergebnisverbesserung
Um mögliche Störung des Trypsins zu vermeiden wurde nicht nur die Erntemethode,
sondern auch alle weiteren Passagiermethoden entsprechend angepasst. Der
Verzicht des Trypsins beim Umsetzvorgang gab mehr Sicherheit, dass die
Proteinkomplexe nach dem Passagieren noch intakt waren.
Eine weitere Veränderung der standardisierten Passagiermethode war ein dünnes
Verteilungsverhältnis von Zellen der Vorgängerkulturplatte auf Platten, mit denen in
den kommenden Tagen Messungen durchgeführt werden sollten. Dadurch waren die
Zellen bereits auf den Kulturplatten gut vereinzelt und beim Erntevorgang weniger
mechanischer Belastung ausgesetzt. Unglücklicherweise wuchsen die HEK-Zellen
dadurch auch sehr schlecht und anschließende Messungen blieben ebenfalls ohne
Erfolg.
41
4.1.6 Diskussion
Keine der beschriebenen Maßnahmen konnte sinnvolle Ergebnisse liefern. Es
können aber mehrere Punkte aufgezählt werden, woran gute Messungen vermutlich
scheiterten:
Durch das klassische Ernteverfahren sind die HEK-Zellen starken mechanischen
Belastungen ausgesetzt. Obwohl Zentrifugiervorgänge minimiert wurden, mussten
Mindestbelastungen angewendet werden, um die Zellen für die bevorstehenden
Messungen ausreichend zu vereinzeln. Bereits hier könnte eine permanente
Inaktivierung der Kanäle das Aus jeder weiteren Messung sein.
Weiter könnten Rundowneffekte während des Sealprozesses auftreten. Der von B.
Coste vorgeschlagene Druck, der bis zum Beginn der On-cell Messungen angelegt
werden sollte, müsste kleiner als 4mbar sein. Die von Nanion entwickelte suction
control kann jedoch nicht unter 5mbar Druck anlegen. Somit sind die
Voraussetzungen für On-cell Messungen suboptimal.
Messungen die im Whole-cell-mode durchgeführt werden sollen, unterliegen keinen
Rundowneffekten. Sie wurden aber in den beschriebenen Papern, anders als das
Port-a-Patch von Nanion es zulässt, nicht durch Saugimpulse, sondern durch
mechanische Stimulation mit einer zweiten Pipette durchgeführt. Durch technische
Maßnahmen könnte eine ähnliche Situation für Messungen mit Geräten von Nanion
herbeigeführt werden.
Für zukünftige Messungen an mPiezo1-Kanälen empfehle ich sowohl eine komplette
Überarbeitung der Erntemethode als auch die Kombination dieser Erntemethode
zunächst mit einem klassischen Patch-Clamp-Aufbau. So lässt sich schneller der
Grund der bisherigen Messfehlschläge ermitteln und es können weitere Ideen in die
Geräteentwicklung einfließen.
42
4.2 Untersuchungen des VSOR-Chloridkanals
in HeLa-Zellen
Der VSOR-Chloridkanal kommt in HeLa-Zellen vor. Er ist dort nicht überexprimiert
und reguliert u.a. das Anschwellen der Zellkörper unter osmotischem Druck.
4.2.1 Charakterisierung der Stromantwort
in isotoner Lösung
Um alle Messergebnisse der durchgeführten Versuche vergleichbar zu halten,
musste zuerst ein passender Input gewählt werden, der die Stromantwort von HeLa-
Zellen in verschiedenen Spannungsbereichen aufzeigt. Bewährt hat sich hier der
Spannungsimpuls als Rampenfunktion (Abbildung 4.2), mit -100mV und +100mV als
Spitzenwerte und einer Rampendauer von 200ms. Während des Sealens der Zelle
wurde eine Spannung von -70mV angelegt, um den Vorgang zu beschleunigen.
Deshalb wurde die Spannung vor und nach der Rampe ebenfalls bei -70mV, selten
auch bei 0mV gehalten.
Die über die Zeit aufgetragene Stromantwort von HeLa-Zellen auf die in Abbildung
4.2 dargestellte Spannungsrampe ist in Abbildung 4.3 dargestellt. Es handelt sich
dabei, wie bei allen folgenden Ergebnissen, um Messungen in der Whole-cell-
Konfiguration.
43
0 50 100 150 200 250 300 350
-150
-100
-50
0
50
100
150
ms
mV
Abbildung 4.2: Spannungsimpuls in Form einer Rampe.
Der in Abbildung 4.3 gezeigte Strom setzt sich aus dem Fluss verschiedener
Ionensorten der internen bzw. externen Lösung zusammen. Ein Austausch des
gesamten in der internen Lösung enthaltenen Kaliumchlorids durch Cäsiumchlorid,
bot die Möglichkeit den Anteil des internen Kaliums an der Gesamtstromantwort zu
ermitteln (siehe Abbildung 4.4). Grund dafür ist eine sehr viel kleinere Permeabilität
der zellulären Membran gegenüber Cäsium.
44
Abbildung 4.3: Standardstromantwort von HeLa-Zellen auf eine Spannungsrampe. Vor und nach der Rampe lagen 0mV an.
Abbildung 4.4: Vergleich von kaliumhaltiger und kaliumfreier internen Lösung.
Da Kalium nur in der internen Lösung ausgetauscht wurde, war vor allem eine
signifikante Hemmung des Kaliumausstroms zu erwarten. Nach Konvention ist eine
Hemmung des Kaliumausstroms einer Verkleinerung des positiven Stroms
zuzuordnen. Bei der maximal angelegten Spannung von +100mV betrug diese
Verkleinerung 30±12% (n = 4) des Stroms, der mit KCl-haltiger interner Lösung
erreicht wurde.
Ebenfalls zu sehen ist eine Verschiebung des Umkehrpotentials ins Positive. Zu
erklären ist dieser Effekt, da ohne den Einfluss von permeabelerem, ausströmendem
Kalium eine nicht mehr so kleine Spannung benötigt wird, um den Nettostrom zu
nullieren. Um die Veränderung des Umkehrpotentials zu bestimmen, musste zuerst
die zeitliche Verschiebung der Ströme abgelesen werden (siehe Abbildung 4.4).
Anschließend konnte über die Steigung dV/dt der Spannungsrampe auf die
veränderte Spannung geschlossen werden. Die gemittelte Verschiebung betrug
+19±12mV (n = 4).
Der Austausch wurde dabei in verschiedenen Versuchen von KCl auf CsCl und von
CsCl auf KCl durchgeführt. Damit wurden Effekte ausgeschlossen, die bei jedem
Austausch interner Lösung durch eine andere interne Lösung auftreten können und
das Ergebnis verfälschen könnten.
Da in folgenden Versuchen vor allem der durch VSOR-Kanäle fließende Chloridstrom
von Interesse war, wurde als interne Lösung stets CsCl statt KCl verwendet. Dadurch
konnte die Messung verfälschender Ströme von Seiten des Kaliums ausgeschlossen
werden.
4.2.2 Untersuchung des Stromanstiegs
Die Thematik dieses Teils meiner Arbeit befasste sich mit der Abhängigkeit des
Stroms von einem mechanischen Stimulus, der volumensensitive Kanäle aktivieren
konnte. Für die Untersuchung des VSOR-Chloridkanals schlug Ravshan Sabirov
eine Änderung der osmotischen Verhältnisse zwischen interner und externer Lösung
45
vor. Dazu wurden standardisierte externe Lösungen erstellt, die nur 70mM bzw.
105mM NaCl enthielten statt der üblichen 140mM. Die Osmolaritäten der neuen
Lösungen betrugen dementsprechend nur 154mOsm bzw. 225mOsm. Da
unabhängig von den verschiedenen hypotonen Lösungen (154mOsm bzw.
225mOsm) sehr ähnliche Stromantworten auftraten, wurden bei folgenden
Versuchen beide Lösungen verwendet und in das arithmetische Mittel mit
einberechnet.
Durch den Austausch der standardisierten externen Lösung durch eine der oben
genannten hypotonen Lösungen, wuchs die Stromantwort bis auf den in Abbildung
4.5 gezeigten roten Graphen an. Die durchschnittliche Wartezeit bis zum Maximum
betrug ab dem Austausch der externen Lösung 206±77s (n = 12).
46
Abbildung 4.5: Stromantwort auf eine Spannungsrampe vor (schwarz) und nach (rot) Einwirken von hypotoner, externer Lösung.
Bei einigen Messungen wurde nach Erreichen des Maximums gewartet, um die
weitere Veränderung der Stromantwort zu bestimmen. Ergebnis war ein meist über
mehrere Minuten konstanter Strom. So konnten Rundowneffekte durch regelmäßige
Kontrollen zeitlich unterschiedlich passagierter Kulturschalen über die Wochen der
Messungen - im Rahmen der Messgenauigkeit - ausgeschlossen werden. Vor allem
für kommende Experimente ist diese Erkenntnis sehr wichtig. Desensibilisierende
Effekte können nämlich nach einer Aktivierung über hypotone, externe Lösungen
weitere Inaktivierungsmethoden stark verfälschen.
Eine Quantifizierung der maximalen bzw. minimalen Ströme - nach ausreichend
langer Einwirkzeit hypotoner Lösung - ergab bei +100mV einen Stromanstieg von
1420±857pA und bei -100mV -369±253pA (n = 12). Das entspricht einer Erhöhung
des Stroms um 302±138% (+100mV) bzw. Verkleinerung um 303±146% (-100mV).
Die auf die Anfangswerte bezogenen Veränderungen des Stromflusses in Prozent
sind Abbildung 4.6 für eine angelegte Spannung von +100mV und Abbildung 4.7 für
eine angelegte Spannung von -100mV zu entnehmen.
47
0
100
200
300
400
500
600
100
302
Durchschnittliche relative Erhöhung der Strommaxima bei +100mV
relatives Strommaximum (isoton)
relatives Strommaximum (hypoton)
Erh
öhun
g in
Pro
zent
Abbildung 4.6: Vergleich der Strommaxima...
Abbildung 4.7: ... und der Stromminima vor und nach dem Austausch durch hypotoner Lösung.
0
100
200
300
400
500
600
100
303
Durchschnittliche relative Verkleinerung der Stromminima bei -100mV
relatives Stromminimum (isoton)
relatives Stromminimum (hypoton)
Verk
lein
erun
g in
Pro
zent
Obwohl das arithmetische Mittel aller gemessenen Stromanstiege bzw. -abfälle
große Standardabweichungen aufzeigt, so ist der Quotient zwischen den absoluten
Strömen jeweils bei -100mV und +100mV eher gleichbleibend. Es zeigte sich, dass
der Betrag des Stroms bei -100mV nur 27±6% des Stroms bei +100mV ausmachte.
Um für weitere Experimente den zeitlichen Verlauf übersichtlicher zu machen,
wurden Spitzenströme als Punkte dargestellt und über die Zeit aufgetragen. Die
Punkte waren dabei das Ergebnis des Mittelwertes von 2% bis 5% bzw. von 95% bis
98% des Zeitintervalls der Rampenfunktion (siehe Abbildung 4.8). Der daraus
resultierende Graph ist in Abbildung 4.9 zu sehen.
48
Abbildung 4.8: Nimmt man pro Stromantwort je zwei Datenpunkte (bei - bzw. +100mV) auf, so kann man den Verlauf der Stromspitzen zwischen schwarzem und rotem Graphen übersichtlicher machen.
4.2.3 Volumenänderung der Zellen
Durch eine Kombination eines einfachen Lichtmikroskops und eines Port-a-Patch's
konnte die Veränderung des Durchmessers der Zellen während des Einwirkens der
hypotonen Lösung beobachtet werden. In Abbildung 4.10 wird eine HeLa-Zelle
gezeigt, deren extrazelluläre Lösung isoton ist. Etwa 3 Minuten nach einem
Austausch dieser isotonen Lösung gegen eine hypotone, wurde der Durchmesser
maximal (siehe Abbildung 4.11). Bei n = 6 vermessenen Zellen ergibt sich eine
Erhöhung des Durchmessers um 7±1%. Wird eine Zelle als Kugel betrachtet,
entspricht das einer Volumenänderung von durchschnittlich 23%.
49
Abbildung 4.9: Über mehrere Minuten nach einem Austausch der externen, isotonen gegen eine externe, hypotone Lösung anwachsende Stromminima und -maxima.
Abbildung 4.10: HeLa-Zelle in isotoner Lösung mit Referenzpfeil.
Abbildung 4.11: HeLa-Zelle nach 3 Minuten in hypotoner Lösung mit Referenzpfeil.
Nach Erreichen der maximalen Zellgröße stieg der Strom bis zu dessen Maximum
weiter an. Den vermessenen Zellen aber gelang es nahezu vollständig auf ihre
Ausgangsgröße zu schrumpfen, obwohl sie sich immer noch in hypotoner Lösung
befanden. Die geöffneten Kanäle scheinen also daran beteiligt zu sein, Zellen vor
osmotischen Schwankungen zu schützen.
4.2.4 Untersuchung des Stromabfalls
Ein weiterer zu prüfender Sachverhalt waren die Inaktivierungseigenschaften des
VSOR-Chloridkanals. Dazu wurde nach einem hypotonen Lösungsaustausch
gewartet, bis die Strommaxima und -minima nahezu konstant waren, um dann
wieder ein Lösungsaustausch durchgeführt. Dieses mal jedoch wurde die hypotone
Lösung durch eine isotone ersetzt. Die gewechselte Lösung entsprach also der
anfangs verwendeten.
Wie in Abbildung 4.12 gezeigt, sanken die Strommaxima bei +100mV so zu 88±12%
(n = 4) wieder auf deren Ausgangswerte. Die Zeit der Stromabklingphase war mit
301±56s (<5% des gesamten Stromabfalls) durchschnittlich länger als die der
Stromanstiegsphase.
50
Abbildung 4.12: Starker Stromabfall nach einem Lösungsaustausch der hypotonen gegen eine isotone Lösung.
Wurde versucht die Kanäle durch einen zweiten hypotonen Lösungsaustausch
erneut zu öffnen, war allen Versuchen gemein, dass zumindest im getesteten
Zeitraum dies nicht möglich war. So ist in Abbildung 4.13 einer der größten
Spitzenströme einer zweiten Öffnung der Kanäle zu sehen. In allen weiteren
Experimenten (n = 12) stieg der zweite Spitzenstrom nie über 20% des ersten
Spitzenstroms. Eventuell fand eine Desensibilisierung der Kanäle statt. Die
betroffenen Kanäle könnten aber nach ausreichender Zeit wieder aktivierbar sein.
Diese und weitere Fragestellungen zur Inaktivierungskinetik von VSOR-Cl--Kanälen
können Themen weiterer Arbeiten werden.
4.2.5 Chloridanteil der maximalen Stromantwort
Eine einfache Möglichkeit herauszufinden, aus welchen Ionen sich der gemessene
Strom zusammensetzt, bietet ein Austausch bestimmter Ionensorten. Da der zu
sehende Strom vermutlich zu einem großen Anteil von VSOR-Cl--Kanälen stammt,
müsste durch einen Austausch des Chlorids in der externen Lösung - nach
osmotischem Schwellen - der Strom sichtbar verkleinert werden.
51
Abbildung 4.13: Durch einen zweiten Lösungsaustausch hypotoner Lösung erzwungener Stromanstieg.
Erreicht wurde die Herstellung einer chloridfreien Lösung durch das Ersetzen von
70mM NaCl und 2mM CaCl2 durch 70mM NaHO3 und 2mM CaMSA.
4mM KCl und 1mM MgCl2 waren für die Versuche von keiner großen Bedeutung und
wurden der Einfachheit halber weggelassen.
Hauptproblem bei der Durchführung des Versuchs war ein totaler Verlust des Seal-
Widerstandes. Nur wenige Sekunden nachdem die hypotone externe chloridhaltige
Lösung durch die chloridfreie Lösung ersetzt wurde, verlor die gefangene Zelle
Kontakt zum Chiploch. Mit einer Anlegerate der Spannungsimpulse von 0,2Hz konnte
den ersten Stromrampen nach einem Austausch also nicht ausreichend vertraut
werden, da ein zu schnell größer werdender Leak-Strom das Messergebnis
verfälschte. Daraufhin wurde die Anlegerate der Spannungsimpulse von 0,2Hz auf
1Hz erhöht. Zusätzlich zu einem schnellen Austausch der chloridhaltigen Lösung
konnten jetzt zumindest die ersten Stromrampen reproduzierbare Ergebnisse liefern.
Eine weitere Schwierigkeit, auf die bei diesem Versuch zu achten war, lag in der Art
der verwendeten Elektrode. Gewöhnlich werden Silber-Chlorid-Elektroden 2. Art für
die Messungen am Port-a-Patch verwendet. Diese funktionieren aber nur, falls die an
die Elektroden angrenzende Lösung freie Chloridionen enthält. Um dennoch
erfolgreiche Messungen mit chloridfreien Lösung durchführen zu können, bedient
man sich eines einfachen, aber eleganten Tricks: Jene Elektrode, die in der
chloridfreien Lösung arbeiten soll, wird mit einem gelartigen Mantel aus Agar
überzogen, der freie Chloridionen enthält. Das Ende des Gels wird nun - wie in
Abbildung 4.14 zu sehen - in die externe Lösung getaucht. So ist man in der Lage
auch in chloridfreien, externen Lösungen gute Messergebnisse zu erzielen. Durch
regelmäßige Erneuerung externer Lösung wird eine zu große Ausschüttung von
Chloridionen durch das Agargel vermieden. Vor allem bei chloridfreier Lösung würde
ein Auslassen des Waschvorgangs die Messung stark verfälschen.
52
Die Verringerung des Stroms bei +100mV lag bei diesem Experiment bei nur
29±12% (n = 4), wie in Abbildung 4.15 zu sehen ist.
53
Abbildung 4.15: Vergleich der Stromantwort auf eine Spannungsrampe von chloridhaltiger und chloridfreier, externer Lösung.
Abbildung 4.14: Eine in Agar platzierte Elektrode. So können Ströme in chloridfreien Lösungen mit Silber-Chlorid-Elektroden gemessen werden.
4.2.6 Einfluss von Arachidonsäure
Arachidonsäure ist eine vierfach ungesättigte Fettsäure und in der Lage den
Chloridstrom zu blocken. Bei kommenden Versuchen wurde Arachidonsäure stets in
einer Konzentration eingesetzt, bei der ein „Total Channel Block“, also eine maximale
Inaktivierung des entsprechenden Kanals die Folge war. In diesem Fall lag diese
Konzentration bei 60µM.
Abbildung 4.16 zeigt den stark inhibierenden Effekt von Arachidonsäure auf den
Chloridstrom.
Die Zeit der Stromabklingphase war dabei mit 149±57s (<5% des gesamten
Stromabfalls) deutlich kürzer als durch den Austausch hypotoner Lösung durch
isotone Lösung. Auch ein Vergleich zwischen den Differenzwerten von Stromanstieg
und Stromabfall ergab mit 99±21% (n = 4) einen Rückgang auf ursprüngliche
Strommaxima bzw. -minima.
54
Abbildung 4.16: Ein Austausch der externen, hypotonen Lösung gegen Arachidonsäure (60µM), die ebenfalls in hypotoner Lösung gelöst ist, wirkt auf den Gesamtstrom stark inhibierend.
Ein weiterer interessanter Aspekt war die Untersuchung der Bindungseigenschaften
von Arachidonsäure an VSOR-Chloridkanäle. Ein Auswaschen der Arachidonsäure
durch hypotone Lösung wäre der einfachste Weg, einen eventuellen erneuten
Stromanstieg zu sehen und damit zu erkennen, ob die Arachidonsäure reversibel an
die Kanäle bindet oder eben nicht. Unglücklicherweise konnten auch hier - wie
erwartet - Kanäle, die bereits aktiviert wurden, nicht nochmals einen Stromfluss
zeigen. Welche Möglichkeit verwendet werden kann, um dennoch auf die
Bindungseigenschaften zu schließen, zeige ich im nächsten Abschnitt.
4.2.7 Bindungseigenschaften von Arachidonsäure
Um einen zweiten, nicht ausreichend gut messbaren Stromanstieg durch hypotone
Lösung zu umgehen, wurde die Austauschreihenfolge, wie in Tabelle 4.2 aufgezählt,
durchgeführt.
Austausch durch... zu erwartende VeränderungArachidonsäure in isotoner L. geringArachidonsäure in hypotoner.L. evt. leichter Anstieghypotone Lösung großer Anstieg (reversible Bindungseigenschaften)
oder kein Anstieg (evt. irreversible
Bindungseigenschaften)Arachidonsäure in hypotoner L. Stromabfall auf Ausgangswerte
Durch die gewählte Reihenfolge konnte mit nur einem Stromanstieg eine mögliche
Desensibilisierung vermieden werden. Mit 380±80pA bei +100mV und -88±35pA bei
-100mV (n = 3) kann aber weder eine vollständig reversible noch eine vollständig
irreversible Bindung von Arachidonsäure an VSOR-Cl-Kanälen eindeutig belegt
werden.
55
Tabelle 4.2: Angefangen mit Arachidonsäure in externer Standardlösung, könnte durch die aufgezeigten Austauschschritte auf reversible oder irreversible Bindungseigenschaften von Arachidonsäure geschlossen werden.
Abbildung 4.17 veranschaulicht die Austauschreihenfolge ab Arachidonsäure in
hypotoner Lösung.
4.2.8 Einfluss von FBS auf blockierte Kanäle
FBS (fetal bovine serum) bindet bekanntlich mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Da
auch Arachidonsäure unter diese Kategorie fällt, können eine Reihe interessanter
Versuche mit diesen beiden Substanzen durchgeführt werden.
So wurde bei diesem Experiment ein ähnlicher Ablauf wie im vorherigen gewählt. Nur
wurde die rein hypotone Lösung durch eine hypotone Lösung, in der 2mg/ml FBS
enthalten waren, ersetzt (siehe Abbildung 4.18).
56
Abbildung 4.17: Anstieg des Stroms nach dem Auswaschen der Arachidonsäure in hypotoner Lösung durch rein hypotone Lösung. Um eventuellen Leak-Strom-Anteil auszuschließen, wurde nochmals mit Arachidonsäure ausgetauscht und der Stromabfall kontrolliert.
Ergebnis waren erhöhte Stromdifferenzen von 1915±105pA bei +100mV und
-210±35pA bei -100mV (n = 2). Diese erhöhten Ströme können als Indiz dafür
gesehen werden, dass die Bindungsaffinität von Arachidonsäure zu FBS größer ist,
als zu den entsprechenden Bindungsstellen der VSOR-Chloridkanäle.
57
Abbildung 4.18: Stromanstieg in Folge eines Austauschs mit FBS versetzter, hypotoner Lösung. Durch erneuten Austausch mit Arachidonsäure konnte der Strom aber nicht nochmals auf seine Ausgangswerte gebracht werden.
4.2.9 Diskussion
Das wichtigste Ergebnis meiner Arbeit im Bezug auf VSOR-Chloridkanäle ist die
Tatsache, dass die qualitative und quantitative Bestimmung von Whole-cell-Strömen,
die volumensensitiven Ursprungs sind, mit dem Port-a-Patch von Nanion möglich ist.
Ein Anstieg der Strommaxima und -minima durch VSOR-Cl--Kanäle um etwa
300±140% nach osmotischem Schwellen ist eindeutig (Abschnitt 4.2.2).
Interessant wären aber noch eindeutige Hinweise auf die Zusammensetzung des
Gesamtstroms während des osmotischen Schwellens. Eventuell trug die verwendete
Kombination aus den Chloridersatzionen (HO3 und MSA) dazu bei, dass die Zellen
bei den Versuchen zu 4.2.5 den Kontakt zum Chip sehr schnell verloren und weitere
Messungen schwierig wurden. So würden Beweise auf einen großen
Chloridionenanteil auf die hauptsächliche Mitwirkung von VSOR-Chloridkanälen am
Gesamtstrom hindeuten.
Noch weiterer Untersuchungen bedarf es auch für das Verstehen des
Zusammenhangs zwischen beobachtetem Stromfluss und Zellgröße. Zwar konnte
ein Anschwellen mit anschließendem Abschwellen des Zellkörpers beobachtet
werden (siehe Abschnitt 4.2.3), doch wurden diese Werte nicht in Verbindung mit
quantitativen Stromdaten gebracht. Auch die Aufklärung der Folgen eines blockierten
VSOR-Chloridkanals auf Strom und zeitgleich Zellgröße wäre sehr aufschlussreich
und ein Thema weiterer Arbeiten.
Klar gezeigt werden konnte hingegen die Abnahme des Stroms, nachdem wieder mit
isotoner Lösung ausgetauscht wurde.
Die Tatsache, dass nach erneutem Austausch durch hypotone Lösung der Strom nur
minimal anstieg (siehe Abschnitt 4.2.4), könnte an einer Desensibilisierung der
Kanäle liegen. Hier bleibt die Frage auf die Desensibilisierungsdauer offen. Könnte
eine ausreichend lange Wartezeit, nach dem Austausch der ersten hypotonen
Lösung durch isotone, dafür sorgen, dass nach erneutem Austausch durch hypotone
Lösung der zweite Stromanstieg ähnlich groß dem ersten wird?
58
Ein Vergleich der Versuche 4.2.4 und 4.2.6, zeigt, dass die Dauer der
Stromabklingphase durch Arachidonsäure in hypotoner Lösung mit 149±57s
wesentlich kürzer ist, als jene mit der rein isotonen Lösung (301±56s). Damit konnte
Arachidonsäure als einfach handzuhabender, wirksamer Blocker der VSOR-Cl--
Kanäle bestätigt werden.
Die in Abschnitt 4.2.7 erhaltenen Ergebnisse können keine klare Aussage über die
Bindungseigenschaften von Arachidonsäure machen. Es scheint als würde die
Arachidonsäure zumindest nicht vollständig irreversibel an den Kanal binden, da es
zu einem teilweisen Anstieg des Stroms kommt. Mit nur n = 3 Experimenten
allerdings lässt sich diese Behauptung nicht ausreichend untermauern. Laut Literatur
(Kubo und Okada, 1991) müsste Arachidonsäure bei den untersuchten Kanälen
reversibel, auswaschbar sein, nachdem sie die Kanäle vollständig blockiert hat.
Die Wirkung von FBS auf Arachidonsäure wird von vielen weiteren Wirkungen von
FBS auf die Physiologie der Zelle begleitet. Immer wenn FBS verwendet wurde,
nahm der Sealwiderstand auch nach dem Erreichen der Strommaxima bzw. -minima
deutlich ab und durch großen Leak-Strom-Anteil wurde eine klare Aussage über den
fließenden Strom durch die Kanäle sehr schwierig. Recht eindeutig war aber die
anfängliche Zunahme des Stroms durch den Austausch von Arachidonsäure in
hypotoner Lösung durch FBS-haltige hypotone Lösung (siehe Abschnitt 4.2.8). Bis zu
den Spitzenstromwerten wurde dabei der Sealwiderstand überprüft und ein
annehmbar kleiner Leak-Strom-Anteil festgestellt.
59
5. Zusammenfassung
Im Rahmen dieser Arbeit wurden zwei mechanosensitive Ionenkanäle untersucht.
Bezogen auf die Möglichkeit, elektrophysiologische Untersuchungen mittels der
planaren Patch-Clamp-Technik von Nanion durchzuführen, fielen die Ergebnisse
gegensätzlich aus.
Der in HEK-Zellen überexprimierte mPiezo1-Ionenkanal wird in erster Linie durch
einen Druckunterschied zwischen intra- und extrazellulärer Umgebung aktiviert.
Obwohl viele verschiedene Maßnahmen getroffen wurden, die Aktivierung zu
erleichtern, konnte kein Stromfluss durch diese Kanalproteine festgestellt werden.
Dies gilt für den On-cell- ebenso wie für den Whole-cell-mode. Hauptproblem bei On-
cell-Messungen waren vermutlich Rundowneffekte. Diese Effekte können durch zu
große oder lange Druckeinwirkung auf Zellen während des Ernte- oder Sealvorgangs
die Kanäle permanent inaktivieren. Whole-cell-Messungen hingegen wurden in
Papern vornehmlich mit Hilfe einer zweiten Pipette zur Druckgenerierung
durchgeführt. Diese Möglichkeit war mit der von Nanion Technologies verwendeten
Messapparatur nicht gegeben. Die Entwicklung neuer Verfahren im Hinblick auf
vorzubeugenden Rundowneffekten ist das Ziel neuer Arbeiten.
Die Öffnung der in die Zellmembran der HeLa-Zellen eingebauten VSOR (volume-
sensitive outwardly rectifying) Chloridkanäle wurden in dieser Arbeit durch
osmotisches Schwellen eingeleitet. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte
eindeutig ein steigender Stromfluss nach längerer Einwirkzeit extrazellulär
zugeführter, hypotoner Lösung gezeigt werden. Ergebnis war ein Anstieg von
302±138% bei einer künstlich angelegten Spannung von +100mV und ein Anstieg
von -303±146% bei -100mV (n = 12). Weiter konnte der erhöhte Strom durch
erneuten Austausch mit extrazellulärer, isotoner Lösung innerhalb von 301±56s (bis
<5% des gesamten Stromabfalls) wieder auf seine ursprünglichen Werte gebracht
werden. Auch der Blocker Arachidonsäure wurde erfolgreich verwendet (149±57s bis
<5% des gesamten Stromabfalls). Aussagekräftige Beweise, dass der beobachtete
Strom tatsächlich hauptsächlich aus Chloridionen besteht, stehen aber ebenso aus,
60
wie ein quantitativer Zusammenhang zwischen Zellgröße und Stromfluss. Weitere
Arbeiten sollten diese Aspekte behandeln.
61
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File:Planar_patch_model.jpg
64
Name .............................................
geb. ...............................................
Matr.Nr.: ........................................
07BOB im SS 2013
Erklärunggemäß § 13 Abs. 5 RaPO
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit mit dem Titel
„Elektrophysiologische Untersuchungen volumensensitiver Ionenkanäle mittels
planarer Patch-Clamp-Technik“ selbstständig verfasst, noch nicht anderweitig für
Prüfungszwecke vorgelegt, keine anderen als die angegebenen Quellen oder
Hilfsmittel benützt sowie wörtliche und sinngemäße Zitate als solche gekennzeichnet
habe.
------------------------ -------------------------------------
Ort, Datum Unterschrift
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