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Informationen für Betriebsräte
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Informationen für
Betriebsräte
Gesunde Büroarbeit
Gute Arbeit im Büro
• Zeit-undLeistungsdruckbegrenzen
• PsychischeBelastungenverringern
• Gefährdungsbeurteilungendurchführen
• BüroarbeiteinmenschlichesMaßgeben
Wir machenGute Arbeit
Einführung ...................................................................................................................................................................................................................3
Schöne neue Bürowelten .......................................................................................................................................................................................4
Entgrenzte Arbeit: Arbeits- und Freizeit lösen sich auf .............................................................................................................................4
Neue Arbeitsformen: Projektarbeit und Zielvereinbarungen ................................................................................................................4
Neue Leistungspolitik: Wachsender Zeit- und Termindruck ...................................................................................................................6
Unsicherer Arbeitsmarkt: Prekäre Beschäftigung .......................................................................................................................................7
Krankmacher Büroarbeit? .....................................................................................................................................................................................8
Psychische Belastung – Das Belastungs-Beanspruchungsmodell .......................................................................................................9
Stressfakor Nr. 1: Der Arbeitsplatz ................................................................................................................................................................. 11
1. Systematisch vorgehen ................................................................................................................................................................................... 12
Checkliste: Psychische Belastungen und Beanspruchungen ermitteln .......................................................................................... 14
Gute Arbeit im Büro .............................................................................................................................................................................................. 14
2. Kriterien für Gute Arbeit im Büro erarbeiten ......................................................................................................................................... 15
3. Mitbestimmungsrechte ausschöpfen ...................................................................................................................................................... 16
Übersicht: Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats .............................................................................................................................. 18
4. Gefährdungsbeurteilungen anregen ........................................................................................................................................................ 19
Eckpunkte zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen ......................................................................................................... 20
5. Betriebsvereinbarung auf den Weg bringen .......................................................................................................................................... 22
»Wir machen Gute Arbeit!« .............................................................................................................................................................................. 23
Inhalt
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GuteArbeitimBüro
meisten Bürobeschäftigten vor allem eines ist: zuneh-mend psychisch belastend. Das zeigt sich auch in den Gesundheitsreports der Krankenkassen. So etwa stellt der DAK-Report 2011 fest, dass die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen im Vergleich zum Vorjahr um 13,5 Prozent gestiegen sind.
Daran will diese Broschüre anknüpfen. Ihr Ziel ist es, Be-triebsräte und Vertrauensleute dabei zu unterstützen, gemeinsam mit den Beschäftigten psychische Belastun-gen aufzuspüren, diese im Betrieb zu thematisieren und letztlich zu verringern. Dazu werden die »Mega trends« in der Arbeitswelt und ihre Folgen für die Büro arbeit beschrieben. Es wird dargestellt, wie sich hierdurch die Belastungen für die Beschäftigten verändert haben. Und es werden Instrumente vorgestellt, wie die Arbeits-bedingungen von Angestellten verbessert werden kön-nen, um Gute Arbeit im Büro praktisch voranzubringen.
Die meisten Beschäftigten haben dabei enorme Ver-änderungsprozesse mitgemacht. Denn die Büroarbeit wandelt sich gegenwärtig grundlegend.
• Die neuen Informations- und Kommunikationstech-nologien dominieren die moderne Bürowelt. Planen, organisieren, kalkulieren, kontrollieren: Dies alles geschieht mithilfe von Computern und entspre-chenden Programmen, in digitalen Netzwerken in-nerhalb und außerhalb des Standorts. Das erlaubt neue, effizientere Formen der Büroorganisation und Steuerung von administrativen Prozessen.
• Der globale Wettbewerb macht auch vor den Büros nicht halt. Gerade die produktionsnahen Bereiche wie technische Dienstleistungen, Forschung und Entwicklung, aber auch »klassische« Bürotätigkei-ten wie Personal- und Finanzplanung, Beratung und Controlling geraten immer stärker in das Blickfeld von Rationalisierungsstrategien. Ihr Ziel ist es, ad-ministrative Prozesse stärker zu standardisieren und international vergleichbar zu machen. Schon heute gehen immer mehr Unternehmen im Organisa-tionsbereich der IG BCE dazu über, typische Ange-stelltenbereiche wie IT oder Finanzdienstleistungen zu verselbstständigen, auszugliedern oder in Nied-riglohnländer zu verlagern.
• Büroarbeit wird zur Wissensarbeit und damit zu einem wesentlichen Produktivitätsfaktor. Sie stellt viele neue Anforderungen an die Beschäftigten – beispielsweise die Bereitschaft, sich ständig weiter-zubilden, mehr Verantwortung zu übernehmen und in Teams zusammenzuarbeiten.
Auch in der modernen Bürowelt lautet der Trend: immer schneller, flexibler, marktorientierter. Die Folgen bekom-men Angestellte tagtäglich zu spüren. Selbst Glitzer-fassaden und durchgestyltes Ambiente können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Arbeitsalltag der
Einführung
Rund 17 Millionen Menschen verbringen in Deutschland ihren Arbeitsalltag im Büro, die meisten davon ihr ganzes Berufsleben. Gerade in den klassischen Industriebranchen nehmen Bürotätigkeiten zu. Auch im Organisationsbereich der IG BCE hat sich der Anteil der Beschäftigten, die Büro-, Organisations- und Verwal-tungstätigkeiten ausüben, in den letzten Jahren stetig erhöht.
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ben bearbeiten können. Sie legten auch den Grundstein für neue Formen der Arbeitsorganisation und Steue-rung.
Wie bereits in den direkten Produktionsbereichen geht der Trend in vielen Unternehmen dahin, auch die »in-direkten« Bereiche zu standardisieren und anhand von Kennziffern und Zielen markt- und kundenorientier-ter zu steuern. Damit sollen nun auch Bürotätigkeiten stärker an Benchmarks, Ertragsmargen und Rendite-vorgaben ausgerichtet werden. Die entsprechenden Schritte sind meistens in umfassende Rationalisie-rungs- und Kosteneinsparungsprogramme eingebettet.
Typisch für die Arbeit von Beschäftigten im Büro ist heute Projektarbeit. Dabei ist innerhalb eines bestimm-ten Zeitrahmens relativ selbstständig – zumeist in Teamarbeit – ein bestimmtes Ergebnis zu erbringen. Auch Zielvereinbarungen zwischen Vorgesetztem und Beschäftigtem prägen immer mehr den Arbeitsalltag in Büro und Verwaltung.
Diese neuen Arbeits- und Steuerungsformen bie-ten zweifellos die Chance, dass die Beschäftigten an-spruchs- und verantwortungsvollere Aufgaben erhalten. Sie öffnen ihnen größere Spielräume für Autonomie und Freiheit. Aber die Regel ist: Nur wenige Angestellte kön-
Repräsentativen Umfragen zufolge nimmt jeder zweite Beschäftigte seine Arbeit oft oder gelegentlich mit nach Hause. Viele Kolleginnen und Kollegen beantworten von dort aus ihre beruflichen E-Mails, erstellen Präsenta- tionen und arbeiten Unterlagen durch. Doch selbst wenn die »Akten« im Büro bleiben, geht ihnen die Arbeit am »Feierabend« oft nicht mehr aus dem Kopf. Einfach abschalten – leichter gesagt als getan. Das gilt vor allem dann, wenn die Ziele hochgesteckt und viele Aufgaben noch nicht erledigt sind. Tatsache ist: Sogar im Urlaub ruft ein Viertel der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Mails und Daten vom Firmennetz-werk ab. Handy, Smartphones und mobiles Internet machen’s möglich.
Das geschieht nicht unbedingt freiwillig. Die Ergebnis-se der aktuellen Repräsentativumfrage des DGB-Index Gute Arbeit zum Thema »Arbeitshetze – Arbeitsinten-sivierung – Entgrenzung« belegen vielmehr: Rund ein Drittel aller Beschäftigten muss sehr häufig oder oft außerhalb ihrer Arbeitszeit für betriebliche Belange er-reichbar sein. Auch der deutliche Anstieg der geleiste-ten Überstunden und der tatsächlichen Wochenarbeits-zeit um rund eine Stunde in den letzten zwei Jahren beweist: Die Sphäre des Privaten schützt längst nicht mehr vor dem unmittelbaren Zugriff des Betriebs. Die Arbeit dehnt sich immer weiter aus. Die Grenzen zwi-schen Beruf und Freizeit zerfließen.
Neue Arbeitsformen: Projektarbeit und Zielvereinbarungen
Die neuen IT- und Kommunikationstechnologien haben die moderne Bürowelt umgekrempelt. Sie machen es nicht nur möglich, dass die Beschäftigten von verschie-denen Arbeitsorten – selbst vom heimischen Compu-ter – aus auf Firmendaten zurückgreifen und Aufga-
Schöne neue BüroweltenEntgrenzte Arbeit: Arbeits- und Freizeit lösen sich auf
»Feierabend!« – Vor wenigen Jahren noch läutete die Zeit nach Büroschluss den Teil des Tages ein, an dem Angestellte ihren privaten Dingen relativ selbstbestimmt nachgehen konnten. Das hat sich inzwischen massiv geändert.
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Gute Arbeit im Büro
Die neuen Formen der Arbeitsorganisation und Steue-rung haben noch eine andere wichtige Seite. Sie setzen auf mehr Selbstorganisation und Mitverantwortung der Beschäftigten. Sie zielen darauf, den »ganzen Menschen« an die Arbeit zu binden: nicht nur seinen Sachverstand, seine betrieblichen Erfahrungen, seine beruflichen Fä-higkeiten und kommunikativen Kompetenzen, sondern auch seine Bereitschaft, sich ständig auf Neues einzulas-sen, lebenslang zu lernen und im Team zu arbeiten sowie gesundheitlich fit und psychisch ausgeglichen zu sein.
Viele Arbeitgeber haben inzwischen erkannt, dass Fähig-keiten, die sich die Beschäftigten in ihrer »Freizeit« aneig-nen – beispielsweise soziale oder kommunikative Kom-petenzen im Rahmen ihres sozialen Engagements oder familiären Umfelds – auch dem Unternehmen zugute kommen. Dies ist mit ein Grund, weshalb sie ihnen da-her in der Arbeit mehr »Freiheiten« einräumen. Beispiele dafür sind Gleitzeit und »Vertrauensarbeit«: Sie erlauben den Beschäftigten, ihr Arbeitspensum nicht in einem starren vorgegebenen zeitlichen Korsett oder in langen Schichten im Büro, sondern in einem zeitlichen Korridor zu bewältigen – wenn erforderlich auch nach Feierabend oder am Wochenende. Wichtig ist nur: Die vorgegebenen oder vereinbarten Ziele müssen erreicht werden.
nen diese nutzen. Denn die Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten, werden ihnen nach wie vor größten-teils vorgegeben. Das betrifft insbesondere die Ziele, per-sonelle Ressourcen oder auch unterstützende Maßnah-men – wie etwa IT-Support –, um eine Aufgabe effizient und reibungslos zu bewältigen.
Daher sehen sich viele Beschäftigte immer wieder kon-frontiert mit • zu hochgesteckten, unrealistischen Zielen, • zu gering bemessenen Zeitpuffern, • fehlender Unterstützung durch Führungskräfte und
andere Abteilungen sowie • unzureichenden Weiterbildungsmöglichkeiten, ins-
besondere wenn sie sich in neue Aufgabengebiete einarbeiten müssen.
Zielvereinbarungen, die zwischen Vorgesetztem und Be-schäftigtem ausgehandelt werden, orientieren sich an strikten Vorgaben des Unternehmens. Oft verstärken sie sogar den Druck auf die Kolleginnen und Kollegen. Eigenständig handeln können die meisten Angestellten daher nur in bestimmten – häufig sehr engen – Grenzen. Vor allem, wenn das Unternehmen unter starkem Wett-bewerbsdruck steht, schrumpfen die neuen Spielräume und »Freiheiten« mit der Fülle der Aufgaben, Projekte und Anforderungen schnell wieder zusammen.
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Die Anforderungen, die die neuen Formen der Arbeitsor-ganisation und Steuerung an die Beschäftigten stellen, werden immer komplexer. Veränderte Bürolandschaften wie etwa Großraumbüros mit flexiblen Arbeitszonen fordern von ihnen größtmögliche Mobilität, flexiblen Einsatz und die Fähigkeit, sich auch dann konzentrieren zu können, wenn sie durch ungeplante Meetings, Geräu-sche, eingehende Telefonate oder E-Mails gestört wer-den. Auch fachlich und technisch müssen die Beschäf-tigten stets auf dem Laufenden sein. Selbstorganisation, Selbstverantwortung und Teamfähigkeit zählen heute zu den Schlüsselkompetenzen gerade in Büroberufen.
Gleichzeitig wachsen die Aufgaben und Zielvorgaben, ohne dass beispielsweise mehr Personal eingestellt wird. Die Beschäftigten sind gefordert, in gleicher Zeit immer mehr Leistung zu erbringen. Die Arbeit »verdichtet« sich.
Termin- und Zeitdruck zählen heute bereits zu den Hauptbelastungen, unter denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leiden. Mehr als zwei Drittel von ihnen klagen darüber.
Dieser Druck gefährdet die Gesundheit. Wer ihm nicht mehr standhält, muss dazu um seine Wertschätzung
Neue Leistungspolitik: Wachsender Zeit- und Termindruck
Der steigende Wettbewerbsdruck überträgt sich auch auf die betriebliche Leistungspolitik.
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Gute Arbeit im Büro
befristete – Arbeitsverhältnisse nehmen auch in Büros und Verwaltungen zu, weil viele Unternehmen die ge-setzlichen Möglichkeiten verstärkt nutzen, Personal fle-xibel und vorübergehend einzusetzen. Fast jeder zweite neue Arbeitsvertrag in Deutschland wird bereits befristet abgeschlossen. Außerdem hangelt sich eine ganze Be-rufsgeneration inzwischen von Praktikum zu Prak tikum, gerade auch in administrativen Bereichen.
Leiharbeit und Werkverträge mit »freien« Experten neh-men rasant zu. Die Betroffenen erledigen in den Büros zwar oft die gleichen Tätigkeiten wie die Stammbeleg-schaft. Sie erhalten jedoch meist ein deutlich geringeres Entgelt. Schlimmer noch: Ihre Aussicht, fest angestellt zu werden, schwindet, je länger sie Zeitarbeit leisten.
Die ständigen Umstrukturierungen und wachsenden Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt führen dazu, dass sich zahlreiche Angestellte in einer fortwährenden Be-währungsprobe empfinden. Der Druck, stets »alles ge-ben« zu müssen, lastet schwer auf ihnen.
im Betrieb fürchten. Denn auch beim Entgelt wird – so-zusagen als Anreiz – in wachsendem Maße berück-sichtigt, was jemand leistet und ob die Zielvorgaben erfüllt wurden. Die variablen Entgeltanteile werden ge-rade in den Bürobereichen zu einem wichtigeren Steu-erungsinstrument. Wer 120 Prozent und mehr leistet, erhält deutlich mehr Geld als ein »Niedrigperformer«. Wer die Zielmarge dauerhaft verfehlt, gefährdet letztlich seinen Arbeitsplatz.
Unsicherer Arbeitsmarkt: Prekäre Beschäftigung
Ein weiteres Kennzeichen moderner Bürowelten sind ständige Umstrukturierungen. Große Bereiche werden aufgeteilt, Abteilungen neu zusammengestellt, be-stimmte Tätigkeiten ausgegliedert, andere Tätigkeiten integriert. Die Unternehmen sehen sich gezwungen, ständig auf Marktprozesse zu reagieren und sich daher stets zu verändern. Damit sind oft drastische Rationali-sierungs- und Kostensenkungsprogramme verbunden, die teilweise auch einen Stellenabbau nach sich ziehen.
Selbst hoch qualifizierte Angestellte erleben heute, dass ihr Arbeitsplatz gefährdet ist. Prekäre – insbesondere
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Die moderne Bürowelt steckt voller gesundheitlicher Risiken. Betriebsräte und Vertrauensleute haben in den letzten Jahren stark daran mitgewirkt, dass Büroarbeits-plätze ergonomischer gestaltet wurden. Es gibt Richt-linien und DIN-Normen beispielsweise für Bildschirme, Bürotische, -stühle und für die Beleuchtung am Arbeits-platz. Für Großraumbüros gelten Vorschriften, in wel-chem Abstand Tische zueinander stehen und wie breit die Durchgänge sein müssen. Dennoch fühlen sich An-gestellte in ihrer Arbeit zunehmend belastet.
Ursächlich sind vor allem – wie beschrieben – die »Megatrends« in der Büroarbeit: • entgrenzte Arbeit, • die neuen Formen der Arbeitsorganisation und Steu-
erung, • wachsender Zeit- und Leistungsdruck sowie • ständiger Kostendruck und damit verbunden die
Sorge um einen gesicherten Arbeitsplatz.
Immerzu erreichbar zu sein, selbst nach Büroschluss, am Wochenende, im Urlaub, fehlende Ruhepausen, nicht mehr abschalten können, andauernde Arbeits- hetze, ein nicht zu bewältigendes Arbeitsvolumen und immer höhere Anforderungen: Jeder einzelne Aspekt wirkt sich mit der Zeit problematisch aus; gebündelt
Krankmacher Büroarbeit?und auf lange Sicht macht eine solche Arbeitssituation krank. Vor allem die Psyche leidet darunter. Und irgend-wann machen auch die Organe nicht mehr mit.
Der genaue Blick auf die Arbeitssituation lohnt sich: Der aktuelle Trend zu Großraumbüros bringt viel-fach mit sich, dass Bürobeschäftigten kaum noch persönliche Arbeitsräume und -plätze zur Verfügung stehen. Hinzu kommen oft Lärm und ein schlechtes Raumklima sowie häufige Störungen und ständige Unterbrechungen am Arbeitsplatz. Permanente Um-strukturierungen führen dazu, dass man sich häufig über- oder unterfordert fühlt oder dass Handlungs- und Entscheidungsspielräume beschnitten werden. Ein wenig kollegiales Betriebsklima, ein problematisches Führungsverhalten und geringe oder chaotische Un-terstützung durch andere Abteilungen: Dies alles sind Belastungen, die zunächst »auf den Geist gehen«, aber nach und nach auch auf den Körper einwirken.
Insbesondere überlange Arbeitszeiten sind psychisch belastend mit negativen Folgen für die Gesundheit. So gibt es einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Beschwerden des vegetativen Nervensystems und der Länge der Arbeitszeit. Je länger gearbeitet wird, desto grö-ßer ist das Risiko, schwerwiegend zu erkranken. So neh-
men bei einer Wochenarbeitszeit von mehr als 40 Stunden nicht nur Schlafstörungen, Un ruhe, Nervosität und Gereiztheit zu. Auch Magen- und Kopfschmerzen, Muskelverspannungen und Rü-ckenschmerzen, Herz- und Kreislaufprobleme treten häufiger auf. Auf Dauer können die Be-schwerden bis zur totalen Erschöpfung oder gar zum Burn-out führen, wo dann gar nichts mehr geht.
Tatsache ist: Trotz eher niedriger Krankenstän-de in Deutschland nehmen Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen kontinuierlich zu. Dies geht aus den Fehlzeiten-Reports der AOKn der letzten Jahre hervor. Eine Studie der Bun-despsychotherapeutenkammer (BPtK) in Berlin 2012 belegt, dass sich die Ausfalltage aufgrund psychischer Erkrankungen seit 2000 verdoppelt haben. Sie kommt ferner zum Ergebnis, dass Be-schäftigte mit psychischen Beschwerden beson-ders lange ausfallen, nämlich durchschnittlich
Kombinierte Wirkungen PVB, Wochenarbeitszeit und Flexibilität
Flexibilität und lange Wochenarbeitszeiten (EU-Befragung) - Psychovegetative Beschwerden
flexibel regelmäßig
< 19 20-29 30-35 36-39 40-44 45-49 50-59 60+
Arbeitszeit (h / Woche)
0,4
0,3
0,2
0,1
0
- 0,1
- 0,2
- 0,3
Quelle: Gesellschaft für Arbeitswirtschafts- und Organisationspsychologie, eigene Darstellung
Kombinierte WirkungenPVB, Wochenarbeitszeit und FlexibilitätFlexibilität und lange Wochenarbeitszeiten (EU-Befragung)– Psychovegative Beschwerden
Quelle:GesellschaftfürArbeits-,Wirtschafts-undOrganisationspsychologischeForschunge.V.,eigeneDarstellung
(Faktorwerte)
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Gute Arbeit im Büro
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30 Tage. Sie sind damit deutlich länger arbeitsunfähig als Patienten mit körper lichen Erkrankungen und Verlet-zungen.
Diese langen Ausfallzeiten infolge psychischer Belas-tungen werden auch für die Unternehmen zunehmend zum Problem. Denn psychische Belastungen wirken sich nicht nur auf die Gesundheit der Beschäftigten, sondern auch auf deren Motivation, die Produktivität und die Ar-beitsqualität aus. Je mehr beispielsweise Zeit- und Leis-tungsdruck im Betrieb zunehmen, desto stärker sinkt
die Arbeitszufriedenheit und entsprechend die Innova-tionsfähigkeit. Wenn hier nicht ernsthaft gegengesteu-ert wird, gefährdet dies die Wettbewerbsfähigkeit und damit die wirtschaftliche Basis vieler Unternehmen. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels und des absehbaren demografischen Wandels spitzt sich die Lage weiter zu.
Psychische Belastung – Das Belastungs- Beanspruchungsmodell
Wie es dazu kommt, dass sich Arbeitsbedingungen psy-chisch belastend auswirken können und so die seelische – aber oft auch damit verbunden die körperliche – Ge-sundheit gefährden, zeigt das arbeitswissenschaftliche Belastungs-Beanspruchungsmodell.
In der Arbeitswissenschaft versteht man unter dem Be-griff »Psychische Belastung« laut DIN EN ISO 10075-1 die Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukom-men und psychisch auf ihn einwirken. Hierzu zählen Umgebungseinflüsse, aber auch die Art der Tätigkeit, deren Organisation und die Arbeitsbeziehungen.
Jeder Mensch verarbeitet Belastungen anders. Für den einen wirkt bereits das Lüftungsgeräusch am Computer in bestimmten Situationen psychisch belastend. Ein an-derer fühlt sich davon überhaupt nicht belästigt. Eine läuft zur Hochform auf, wenn sie eine PowerPoint-Prä-sentation in einem Meeting vorstellen muss. Eine an- dere Kollegin weiß vor Lampenfieber nicht wohin.
In der Arbeitswissenschaft werden Belastungen daher zunächst einmal wertneutral betrachtet. Der damit verbun-dene Reiz auf das Individuum (zum Beispiel Zeitdruck) ist – nach diesem Modell – zu-nächst weder förderlich noch schädlich. In der Art, wie die-ser jedoch von dem Menschen wahrgenommen und mithilfe seiner spezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, Qualifikatio-nen und Kenntnissen, Bewälti-gungsstrategien und Lösungs-kompetenzen bewertet und bearbeitet wird, kommen in-dividuelle Beanspruchungs-reaktionen zustande. Ein Reiz
Jeder Zweite◆ hat Rückenschmerzen
Jeder Dritte hat einmal pro Jahr psychische Probleme:◆ 15 % werden durch Ängste gepeinigt◆ 11,5 % haben Depressionen
Jeder Dritte leidet unter◆ Kopfschmerzen◆ Erschöpfung◆ Wutanfällen, emotionalen Abstürzen
Jeder Vierte◆ quält sich tagsüber mit Lustlosigkeit,
Motivationsverlust◆ kann nachts nicht schlafen
Jeder fünfte◆ trinkt Alkohol, um sich zu betäuben
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viel um die Ohren haben
Stimme verschlagen
sein Kreuz tragen
im Magen liegen
an die Niere gehen
nicht zu Potte kommen
weiche Knie bekommen
Stirn bieten
etwas nicht mehr sehen können
Nase voll haben
Luft bleibt weg
Galle läuft über
sich grün ärgern
unter die Haut gehen
Gänsehaut bekommen
verbissen sein herzzerreißend
sich den Kopf zerbrechen
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kann sich dabei, je nachdem, wie das Individuum dar-auf reagiert, positiv oder negativ auf seine Gesundheit auswirken. Für Ersteres spricht, wenn er beispielsweise mit einem Zuwachs an Kompetenz oder Kreativität, mit mehr Freiheit und Selbstbestimmung verbunden wird. Für Letzteres, wenn der Reiz ihm Angst einflößt oder ihm buchstäblich »auf den Magen schlägt«.
Vgl.:baua,PsychischeBelastungundBeanspruchungimBerufsleben:Erkennen-Gestalten
Psychische Belastung
Psychische Beanspruchung
– Arbeitsaufgabe– Arbeitsumgebung
(pysikalisch, sozial)
– Arbeitsorganisation/ Arbeitsablauf
– Arbeitsmittel– Arbeitsplatz
Psychische Voraussetzungen wie:– Fähigkeiten– Fertigkeiten– Erfahrungen– Kenntnisse– Anspruchsniveau,
Motivation– Vertrauen in die eigenen
Fähigkeiten, Einstellungen, Bewältigungsstrategien
Anregung:
• Aufwärmung• Aktivierung
• Übung• Weiterentwicklung
körperlicher und geistiger Fähigkeiten
• Wohlbefinden• Gesunderhaltung
Beeinträchtigung:
• Ermüdung• Ermüdungsähnliche
Zustände (Monotonie, herabgesetzte Wachsamkeit, Sättigung)
• Stress
• Allgemeine psychosomatische Störungen und Erkrankungen ( Verdauungs und Herzbeschwerden, Kopfschmerzen
• Ausgebranntsein (Burnout)• Fehlzeiten, Fluktuaktion,
Frühverrentung
Andere Voraussetzungen wie:– Gesundheit – Alter– Geschlecht– Körperliche Konstitution– Ernährung– Allgemeinzustand
aktuelle Verfassung Ausgangslage der Aktivierung
Inanspruchnahme (Dauer, Stärke, Verlauf)
Individuelle Voraussetzungen des Menschen
Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.
Unmittelbare Beeinflussung der psychischen Belastung des Individuums in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien.
Einflüsse aus der Arbeit
Kurzfristige Beanpruchung
Langfristige Folgen
Stress durch psychische Belastung
Ein Arbeitnehmer soll in möglichst kurzer Zeit eine bestimmte Arbeitsaufgabe erledigen. Der hohe Zeitdruck wirkt als Reiz oder »Stressor«. Der Ar-beitnehmer reagiert auf diesen Belastungsfaktor in seiner ganz persönlichen Art: Die knapp bemes-sene Zeit macht ihm Angst, das gesetzte Ziel nicht zu erreichen. Die Folge ist Stress. Hierbei handelt es sich um eine Anpassungsreaktion des Körpers.
Aber nicht jeder Mensch würde in einer solchen Situation mit Stress reagieren. Die Reaktion auf den Reiz »Zeitdruck« hängt vielmehr davon ab, • welcheRahmenbedingungenvorherrschen,• welcheQualifikationundErfahrungder
Mensch mitbringt, • wielangeundmitwelcherIntensitätdieser
Belastungsfaktor auf das Individuum einwirkt, • überwelcheKonstitutionderBetroffenever-
fügt usw.
Denkbar wäre beispielsweise, dass Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer in dieser Situation zunächst versuchen, dem Zeitdruck dadurch zu begegnen, dass sie länger arbeiten. Wenn das längere Arbeiten nicht reicht, um den Druck ab-zubauen, wird die Arbeit mit nach Hause genom-men. Erst einmal in der Woche, dann immer häu-figer – bis es ihnen überhaupt nicht mehr möglich ist, von der Arbeit abzuschalten. Am Ende arbei-ten sie weitaus länger als vertraglich vereinbart, machen Überstunden ohne dass diese anerkannt, geschweige bezahlt und damit wertgeschätzt werden. Wenn dies zu einem Dauerzustand wird, wundert es nicht, wenn der Körper und die Orga-ne sich wehren und die Gesundheit massiv beein-trächtigt wird.
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Gute Arbeit im Büro
oft gehetzt. Knapp zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Gefühl, dass sie seit Jah-ren immer mehr in der gleichen Zeit leisten müssen. 27 Prozent müssen häufig oder oft auch außerhalb ihrer Arbeitszeit für betriebliche Belange erreichbar sein. Und 34 Prozent fällt es schwer, nach der Arbeit abzuschal-ten. Besonders betroffen sind Kolleginnen und Kollegen
mit langen Arbeitszeiten, ältere und weibliche Beschäftigte.
Auch in den Büros und Verwaltungen stehen Betriebsräte und Vertrauens-leute vor der Aufgabe, der wachsenden Arbeitshetze, dem steigenden Termin- und Leistungsdruck und der ständigen Erreichbarkeit enge Grenzen zu setzen. Damit können sie einige der Hauptursa-chen für psychische Belastungen, unter denen viele Arbeitnehmeinnen und Ar-beitnehmer leiden, wirksam beeinflus-sen.
Die Schwierigkeit besteht für sie aller-dings darin, rechtzeitig zu erkennen, welche Arbeitsbedingungen – bezie-hungsweise »Stressoren« – die Psyche besonders stark belasten. Dies ist des-halb nicht einfach, weil – wie gezeigt – die Menschen unterschiedlich auf glei-che Reize reagieren. Es gibt bezüglich psychischer Belastungen nur wenige »objektive« Daten – DIN-Normen oder
Der DGB-Index 2011 bringt es auf den Punkt: Der Ar-beitsplatz ist in Deutschland Stressfaktor Nummer eins. In den Betrieben wird Stress von der Ausnahme zur Regel. Dazu steigt die Arbeitsintensität: Globalisierung und technologischer Wandel haben zu einer Beschleu-nigung und Verdichtung von Arbeit geführt. Jeder zwei-te Beschäftigte fühlt sich bei der Arbeit sehr häufig oder
Quelle:»PsychischeBelastungenamArbeitsplatz«,BGETEM,eigeneDarstellung
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Folge: Positive Beanspruchung, da Spaß am kreativen Denken, Lob von Chef und Kollegen
Abbau innerer Ressourcen
Belastung durch: Lösung einer kniffligen Aufgabe
Belastung = angemessene psychische Belastung
Belastung durch: Lösung einer kniffligen Aufgabe
Abbau innerer Ressourcen
Belastung = psychische Fehlbelastung
Folge: Fehlbeanspruchung, da Stressreaktion infolge Versagensangst und Überforderung: Mangelnde Ausbildung, körperliches Unwohlsein, Ungeduld des Chefs, drohende Sanktionen
Abbau von Ressourcen Schwäche Koordinationsstörung Gedächtnisprobleme Antriebsverlust Abstumpfung Selbstzweifel etc
Fehlbeanspruchung Aufbau von Ressourcen Kraft und Energie körperliche Fertigkeiten geistige Fähigkeiten Motivation Optimismus Selbstbewusstsein etc
Optimale Beanspruchung
Folge von Belastungen
Quelle: Bundesgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse
Stressfaktor Nr. 1: Der Arbeitsplatz
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1. Systematisch vorgehen
Gute Arbeit im Büro menschengerecht gestalten: Das Thema ist keine Eintagsfliege, sondern wird Betriebs-räte und Vertrauensleute in den nächsten Jahren dauer-haft beschäftigen. Angesichts des drohenden Fachkräf-temangels und des demografischen Wandels berührt es nicht nur einzelne Beschäftigte, sondern wirft Prob-leme auf, die gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens betreffen. Damit stehen die Chancen gut, auch den Arbeitgeber dafür zu gewinnen, die psy-chischen Belastungen in den Büros zu verringern.
Es empfiehlt sich daher im ersten Schritt, den Betriebs-rat als ganzes Gremium dafür zu gewinnen, sich mit diesem Thema intensiv zu befassen und insbesondere die psychischen Belastungen in den Blick zu nehmen.
Im zweiten Schritt sollte sich der Betriebsrat unter an-derem auf der Basis der Daten des Geschäfts- und So-zialberichts sowie anhand von Krankendaten der zu-ständigen Betriebskrankenkasse, Berufsgenossenschaft usw. einen Überblick über die Belastungssituation der Bürobeschäftigten verschaffen. Dazu könnte er folgen-de Fragen beantworten:• Wie ist der Krankenstand bei den Büro- und Ver-
waltungsarbeitsplätzen?• Wie hoch ist die Anzahl von geleisteten Überstun-
den?• Sind Fälle von Burn-out im Betrieb bekannt?• Gibt es häufiger lange krankheitsbedingte Ausfall-
zeiten von einzelnen Beschäftigten?• Wurde bei den Büro- und Verwaltungsarbeitsplät-
zen bereits eine Gefährdungsbeurteilung durchge-führt?
Im dritten Schritt sollte der Betriebsrat verstärkt Kon-takt zu den Beschäftigten in den Büros aufnehmen. Es geht zunächst darum, sich ein Bild vor Ort über die Ar-beitssituation von Angestellten zu machen, über einzel-ne Belastungsfaktoren und darüber, wie die Kolleginnen und Kollegen mit diesen Belastungen umgehen. Dafür kommt in Betracht• Betriebsbegehungen zu unternehmen,• die »Gute Arbeit«-Wandzeitung einzusetzen,• eine Beschäftigten-Befragung mithilfe des IG BCE-
Checks »Leistungsverdichtung« durchzuführen.
Im vierten Schritt sollten die Beschäftigten detailliert über die ermittelten Daten und Fakten informiert wer-den. Insbesondere könnte der Betriebsrat das Thema
andere Messeinheiten –, wie es sie bei körperlichen Be-schwerden gibt. Daher gibt es auch keine Patentrezepte, um arbeitsbedingte psychische Erkrankungen dauer-haft zu verhindern.
Die beste Möglichkeit, psychisch belastende Arbeits-bedingungen zu ermitteln, liegt darin, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen als »Experten in eigener Sache« direkt vor Ort, an ihrem Arbeitsplatz, Quellen psychischer Belastung aufzuspüren und sie daran zu beteiligen, Ideen für geeignete Gegenmaßnahmen zu entwickeln und diese umzusetzen. Es geht also darum, beteiligungsorientiert – das heißt: mit den Beschäftig-ten zusammen – Gute Arbeit im Büro zu gestalten.
Dazu eignen sich die folgenden Schritte und die darauf bezogenen Werkzeuge:1. Systematisch vorgehen, um Gute Arbeit zu gestalten
(Checkliste: Psychische Belastungen und Beanspru-chungen ermitteln)
2. Anhaltspunkte für Gute Arbeit im Büro erarbeiten (Checkliste: Gute Arbeit im Büro)
3. Mitbestimmungsrechte ausschöpfen (rechtlicher Rahmen)
4. Gefährdungsbeurteilung anregen (Übersicht)5. Betriebsvereinbarung auf den Weg bringen
Gute Arbeit Wandzeitung
Mit der Wandzeitung kann der Betriebsrat schnell und unkompliziert herausfinden, wo bei den Be-schäftigten »der Schuh drückt«. Einfach während der Betriebsversammlung oder im Pausenraum aufhängen. (Kostenlos erhältlich im IG BCE-Shop)
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Gute Arbeit im Büro
»Psychische Belastungen in der Büroarbeit« auf Be-triebs- und Abteilungsversammlungen vorstellen und dort zur Diskussion stellen. In die Vorbereitung sollte auch die Personalabteilung/HR einbezogen werden, um Zahlen und Fakten zu ergänzen oder auch um die Be-funde aus ihrer Sicht zu bewerten.
Mehr Aufmerksamkeit für das Thema erzielt der Be-triebsrat, wenn er dafür sorgt, die ermittelten Ergebnis-se und gewonnenen Erkenntnisse kreativ aufzubereiten oder beispielsweise auch im Rahmen von betrieblichen Aktionen zu präsentieren.
Im fünften Schritt geht es darum, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die psychischen Belastungen in den Büros zu vermindern. Dazu sollte der Betriebsrat eine Arbeitsgruppe nach § 28 a BetrVG bilden, an der auch Vertrauensleute und fachkundige Beschäftigte (»sach-verständige Auskunftspersonen«) teilnehmen können. Auch externe Experten – vorzugsweise über das IG BCE-Berater- und Sachverständigennetzwerk – könnten zu speziellen Fragen der Arbeitsgruppe hinzugezogen werden.
Wichtig ist ferner, dass sich die Betriebsratsmitglieder in Fragen psychischer Belastungen qualifizieren und wei-terbilden. Sie können dazu die Schulungen der IG BCE-BWS GmbH nutzen.
Auch Führungskräfte dürften ein Interesse daran ha-ben, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ständig »am Limit« arbeiten, sondern ausgeglichen, motiviert und engagiert ihre Aufgaben bewältigen. Daher sollten sie ebenfalls für das Thema sensibilisiert werden. Sie könnten zudem wichtige »Bündnispartner«
Schritt 1
ErfassenderBetriebsorganisation
Schritt 2
ErfassenderTätigkeiten
Schritt 3
ErmittelndermöglichenGefährdungenundBelastungen
Schritt 4
BeurteilendesRisikos
Schritt 5
FestlegenvonSchutzzielenundMaßnahmen
Schritt 6
RealisierungderMaßnahmen
Schritt 7
KontrollederWirksamkeit
regelmäßigeÜberprüfung
Fortschreibung
akzeptabel
Maßnahmen
wirksam
Maßnahmennicht
wirksam
nichtakzeptabel
Quelle:BerufsgenossenschaftRohstoffeundchemischeIndustrie
Aktionskarten
Praktische »Rezepte« für aufmerksamkeitsstarke Aktionen zum Thema »Wir machen Gute Arbeit!«.Konzipiert für maximale Wirkung mit minimalem Arbeitsaufwand. Die Karten sind vorgelocht zum Abheften oder Einklinken in Halsbänder oder Lan- yards. Unter dem Menüpunkt »Aktionen« gibt es weitere Informationen zum Thema »Aktionen im Betrieb«. (Erhältlich im IG BCE-Shop)
Motto Tag
Die Beschäftigten oder nur die Vertrau-
ensleute werden aufgerufen, in einem
bestimmten Zeitraum durch das Tragen
eines T-Shirts oder Buttons ihr Interesse
an einem Thema deutlich zu machen. So
können Gute Arbeit-Themen oder Solida-
ritätsbekundungen (beispielsweise zur
anstehenden Übernahmeregelung von
Azubis oder Leiharbeitnehmer/innen) zu
übergreifenden Themen im Betrieb ge-
macht werden.
Individuell gestaltbare T-Shirts und But-
tons sind im IG BCE Shop zu bestellen.
Sie beginnen mit unserem Sloganan-
fang „Ich will…“ und können individuell
ergänzt werden, z.B. durch „Ich will… ei-
nen sicheren Job“ oder „Ich will… auch
morgen noch hier arbeiten“. Wenn Ihr
eine eigene Buttonmaschine habt, könnt
Ihr auch eigene Vorlagen gestalten und
ausdrucken. Dafür gibt es in der Printbox
eine Vorlage zu der Euer/Eure Betriebsbe-
treuer/in Zugang hat.
Erstellt für den Mottotag auch zusätz-
liches eigenes Infomaterial, in dem Ihr
Euer spezielles Thema und die Aktion
beschreibt. Zur Erstellung dieses Info-
materials steht Euren Betriebsbetreuern
in den Bezirken ebenfalls eine Vorlage in
der Printbox zur Verfügung.
Ein Mottotag muss nicht mit weiteren Ak-
tionen verbunden werden. Die Teilnahme
an dem Mottotag durch das Tragen eines
gemeinsamen T-Shirts und/oder Buttons
schafft ausreichenden Diskussionsstoff
im Betrieb. Um auch eine möglichst
breite Teilnahme an der Aktion sicher
zu stellen, bietet sich eine Ankündigung
gegenüber den Beschäftigten durch ein
direktes Gespräch im Vorfeld an.
Aktionsziel:Die Aktion kann genutzt werden, um
Solidarität unter den Beschäftigten zu
organisieren oder um in Verhandlungen
mit dem Arbeitgeber den Forderungen
Nachdruck zu verleihen.
Wir machen
Gute Arbeit
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Rätselbotschaft
In einem Zeitraum von 3-5 Tagen wird an einem gut sichtbaren Ort in großen Lettern eine rätselhafte Botschaft Stück für Stück enthüllt bzw. ergänzt. Die Bot-schaft, z.B. ICH/WILL/KEINEN/STRESS kann buchstabenweise oder Wort für Wort auf A4 oder A3 ausgedruckt wer-den. Geeignete Orte sind z.B. die Kantine, der Umkleideraum oder ein anderer gut besuchter Ort.
Die wachsende Botschaft ist ein Hingu-cker der neugierig macht. Wichtig ist, dass im Anschluss an die Aktion eine weitere Information erfolgt, warum diese Botschaft thematisiert worden ist. Daher eignet sich diese Aktion besonders gut im Vorfeld einer Betriebsversammlung.
Empfehlenswert ist auch, dass die letzte Ergänzung der Botschaft mit dem Absen-der verbunden wird, z.B. „mehr Informati-onen bei Eurem Betriebsrat“.
Die Rätselbotschaft behält bei jedem Ein-satz ihre Spannung. Daher kann sie auch öfter eingesetzt werden. Macht doch die Rätselbotschaft einfach zu Eurem Einla-dungsprinzip für Betriebsversammlun-gen.
Aktionsziel:Mit der Rätselbotschaft könnt ihr schnell große Aufmerksamkeit für ein zentrales Thema der Beschäftigten erzielen, wel-ches Ihr auf einer Betriebsversammlung ansprechen wollt. Ihr könnt aber auch laufende Verhandlungen damit span-nend begleiten.
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Wir machenGute Arbeit
Aktionskarten_RZ.indd 3 23.12.2010 13:12:46 Uhr
Mitarbeiterbefragung via WandzeitungAn Metaplanwänden oder anderen frei-en Wänden werden zu betriebsrelevan-ten Themen Umfragen durchgeführt. Die Beschäftigten können in vorgegebene Antwortfelder Punkte kleben oder mit Eddings Striche machen. Im IG BCE-Shop können fertige Wandzeitungsposter be-stellt werden. Es gibt eine Kurzversion (1 Wandzeitung) oder eine Langversion (3 Wandzeitungen), je nachdem wie viel Zeit Ihr für die Befragung ermöglichen wollt.
In der Kurzversion erhalten alle Beschäf-tigten 13 Klebepunkte für die drei Kate-gorien „Was ist ihnen besonders wichtig, wichtig oder weniger wichtig?“. Sie erhal-ten zusätzlich drei weitere Klebepunkte in einer anderen Farbe für die Antwort-felder, um den Handlungsbedarf aus ih-rer Sicht deutlich zu machen.
In der Langversion erhalten alle Beschäf-tigten 15 Klebepunkte für die Kategorien „Was ist ihnen besonders wichtig, wich-tig oder weniger wichtig?“ für die ers-te Wandzeitung. Sie erhalten 5 weitere Klebepunkte einer anderen Farbe für die zweite Wandzeitung und 3 Klebepunkte
einer dritten Farbe für die dritte Wand-zeitung.
In großen Versammlungen besteht die Möglichkeit mehrere Wandzeitungssets getrennt nach Betriebsbereichen in ver-schiedenen Ecken eines Raumes aufzu-hängen. Die Beschäftigten werden dann gebeten, sich entsprechend zuzuordnen, z.B. nach den Bereichen: Fertigung, Ver-waltung, Labor, etc.
Wenn ihr glaubt, dass die Beschäftig-ten auf einer Abteilungs- oder Betriebs-versammlung ihre Anonymität nicht ausreichend geschützt sehen, könnt ihr die Wandzeitungen auch einige Tage lang vor Eurem Betriebsratsbüro z.B. am schwarzen Brett aufstellen. Die Beschäf-tigten müssen dann mit Infoblättern darauf hingewiesen werden, in welchem Zeitraum sie Gelegenheit haben, eine un-beobachtete Positionierung abzugeben.Die Ergebnisse der Befragung können im ersten Überblick auf der Veranstaltung selbst zusammen gefasst und themati-siert werden. In jedem Fall sollte jedoch
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sein, um den Arbeitgeber davon zu überzeugen, psychi-sche Belastungen zu minimieren und Bürobeschäftigte durch zusätzliche Ressourcen – etwa durch mehr Perso-nal, geeignete Weiterbildung, kürzere und planbarere Arbeitszeiten sowie durch verbesserten Support zwi-schen einzelnen Abteilungen – zu entlasten.
Nicht zuletzt geht es darum, eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber zu erreichen, um die Arbeitsbedin-gungen im Büro – im Sinne von Guter Arbeit – zu ver-bessern.
Gute Arbeit im Büro1. Arbeitsraum und Arbeitsumgebung
Die meisten Menschen fühlen sich in Büroräumen am wohlsten, in denen einerseits leise und ruhige Arbeitsbe-reiche vorhanden sind und die andererseits auch Arbeits-flächen für kommunikative und gemeinsame Arbeiten und Tätigkeiten bieten. Dazu gehören:• abgetrennte Telefonbereiche, besonders wenn viele Kol-
leginnen und Kollegen in einem Raum arbeiten;• gesonderte Besprechungsräume;• ausgewiesene Teamflächen und Meetingpoints für
kurze Besprechungen;• »Rückzugsräume«, Ruhezonen oder »Denkzellen« zum
konzentrierten Arbeiten.Die Menschen sollten sich am Arbeitsplatz wohlfühlen. Nur dann können sie gute Leistungen erbringen. Deshalb benötigen sie Arbeitsplätze• mit einem hohen Ergonomiestandard, einem guten
Raumklima und ausreichender Beleuchtung; mit einer Ausstattung, die an individuelle Anforderungen ange-passt werden kann;
• in einem angemessenen Ambiente, das es ihnen er-möglicht, zwanglos zusammenzutreffen; in Pausen-ecken sollten sie z. B. auf ein ausgewogenes Angebot an Früchten und Getränken zurückgreifen können.
2. Arbeitszeit und -volumen
Arbeitszeiten, die täglich über acht Stunden beziehungs-weise wöchentlich mehr als 40 Stunden betragen, sind
besonders belastend. Auch viele Überstunden und das Arbeiten an Wochenenden schlagen sich negativ auf die Gesundheit sowie auf die Innovations- und Leistungs-fähigkeit nieder. Gute Arbeitszeiten sollten sich dadurch auszeichnen, dass sie sich positiv auf das Lebensumfeld der Beschäftigten auswirken. Optimal sind sie dann, wenn sie sich mit ihren sozialen und privaten Interessen ver-binden lassen und die Gesundheit fördern. Arbeiten am Wochenende oder nachts sind dagegen extrem belastend und sollten daher vermieden werden. Das Arbeits pensum muss ohne Zeitdruck in der (tarifvertraglich) verein barten Zeit leistbar sein.
Gute Arbeit setzt unter anderem voraus:• Kurzpausen ermöglichen: Kennzeichen einer guten
Arbeitskultur ist ein offener Umgang mit den Ruhebe-dürfnissen der Menschen. Die Kolleginnen und Kolle-gen sollten im Laufe des Arbeitstags die Möglichkeit haben, sich zwischendurch zu entspannen. Wissen-schaftlich bewiesen ist, dass mehrere kleine Pausen die Gefahr mindern zu ermüden. Sie fördern zudem die Ar-beitsmotivation, Produktivität und Leistungsfähigkeit.
• Mehrarbeit vermeiden: Gute Arbeit zeichnet sich auch dadurch aus, dass Mehrarbeit auf ein Minimum begrenzt ist. Auch sollten angemessene Pufferzeiten eingeplant werden, um eine Arbeitsaufgabe auch bei unvorhersehbaren kleineren Pannen und Problemen ohne Zeitdruck erledigen zu können. Die Arbeitszeiten müssen für die Beschäftigten planbar und transparent sein.
IG BCE-Beraternetzwerk
280 Expertinnen und Experten gehören dem Be-rater- und Sachverständigennetzwerk der IG BCE an. Die schnelle Vermittlung von gewerkschaftlich orientierten Fachleuten für die Themen »Arbeits-organisation«, »Projektarbeit«, »Kommunikation« und »Gesundheitsförderung« kann durch das IG BCE-Beraternetzwerk gewährleistet werden. Bei Interesse bitte Kontakt zum zuständigen IG BCE-Bezirk aufnehmen.
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Gute Arbeit im Büro
Um sich dem Thema »Psychische Belastungen« zu nähern, ist es für den Betriebsrat sinnvoll, Belastungs-arten zu analysieren, mit denen die Beschäftigten konfrontiert sind. Dazu zählen Belastungsfaktoren,• die der Arbeitsumgebung zuzuordnen sind: zum
Beispiel Lärm, Hitze/Kälte, Zugluft, schlechte Be-leuchtung;
• die in der Tätigkeit zu finden sind: zum Beispiel komplexe Arbeitsanforderungen oder auch un-vollständige und mangelhafte Aufgabenzutei-lung;
• die mit der Arbeitsorganisation zusammenhän-gen: zum Beispiel Überforderung/Unterforde-rung, Zeitdruck, fehlende Qualifikation, Informa-tionsdefizite;
• die auf die betriebliche Kultur oder auch die Füh-rungskultur zurückzuführen sind: zum Beispiel kollegiale, unterstützende oder chaotische Zu-sammenarbeit, der Umgang mit Konflikten, das Führungsverhalten von Vorgesetzten, das soziale Umfeld in den Arbeitsbeziehungen.
Checkliste: Psychische Belastungen und Beanspruchungen ermitteln
• Arbeitspensum- und Leistungsvorgaben begrenzen: Das Arbeitsvolumen sollte so bemessen sein, dass es unter normalen Bedingungen zu bewältigen ist. Dabei muss ein menschliches Maß zugrunde gelegt werden. Dadurch können negative Folgen für die Gesundheit und häufige Fehler, die aufwendiges Nacharbeiten erforder-lich machen, verhindert werden. Gute Arbeit setzt auch voraus, dass es den Kolleginnen und Kollegen möglich ist, mit ihrem Vorgesetzten über Zielvorgaben zu sprechen, damit diese gegebenenfalls geändert wer-den. Ziele, die unrealistisch und nicht beeinflussbar sind, sollten in einem Unternehmen, das seine Be-schäftigten achtet, nicht ausgegeben werden.
3. Arbeitsorganisation
Eine gute Arbeitsorganisation ist die Basis, um Arbeitstä-tigkeiten und -prozesse gesundheitsgerecht zu gestalten. Sie lässt den Beschäftigten ausreichend Zeit, damit sie sich untereinander abstimmen können. Fällt eine Kollegin oder ein Kollege aus, sollte adäquater Ersatz für die ausge-fallene Arbeitskraft gefunden werden.
Eine gute Arbeitsorganisation hilft den Menschen, beruf-liche und private Interessen in Einklang zu bringen. Sie ist eingebettet in ein ganzheitliches Konzept familienförder-licher Personalpolitik. Sie unterstützt vielseitiges Handeln und eröffnet den Beschäftigten Handlungs- und Entschei-dungsspielräume. Darüber hinaus fördert sie die Kommu-nikation und die Zu sammenarbeit im Betrieb.
4. Personalentwicklung und Weiterbildung
Die Arbeitsbedingungen sollten so beschaffen sein, dass sie das Wohlbefinden der Beschäftigten am Ar-beitsplatz fördern und ihnen Chancen bieten, sich beruflich zu entfalten. Die Menschen sollten sich in ihrer Arbeit selbst verwirklichen können. Das setzt vo-raus, dass sie über bestimmte Fähigkeiten und Fertig- keiten verfügen und ausreichend qualifiziert sind, um ihre Arbeit in Büro und Verwaltung optimal zu be wältigen.
Gute Arbeit im Büro macht ein bedarfsorientiertes Weiter-bildungssystem notwendig, das es den Kolleginnen und Kollegen ermöglicht, sich beruflich weiterzuentwickeln und Karrierechancen wahrzunehmen. Auch die Führungs-kräfte spielen eine wichtige Rolle, um Gute Arbeit im Büro zu verankern. Sie müssen motivierend führen können und über ausreichende Kapazitäten verfügen, um sich mit den Sorgen und Nöten, insbesondere auch mit den Weiter-bildungsbedürfnissen und Karriereansprüchen der Kol-leginnen und Kollegen auseinanderzusetzen. Wichtig ist außerdem, dass sie in der Lage sind, die Arbeit ihrer Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter wertzuschätzen, ihre Leis-tungen anzuerkennen und mit ihnen darüber zu kommu-nizieren. Wechselseitige Feedback-Runden und eine Kultur des offenen und fairen Umgangs fördert gegensei tiges Vertrauen.
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2. Kriterien für Gute Arbeit im Büro erarbeiten
Wer Gute Arbeit im Büro gestalten will, braucht dafür klare Kriterien. Die vier wichtigsten Dimensionen mo-derner Büroarbeit• Arbeitsraum und Arbeitsumgebung,• Arbeitszeit und -volumen,• Arbeitsorganisation,• Entwicklungs- und Perspektivemöglichkeiten
müssen geprüft werden.
3. Mitbestimmungsrechte ausschöpfen
Der gesetzliche Arbeits- und Gesundheitsschutz hat in den vergangenen Jahren einen bedeutsamen Kurswech-sel vollzogen. Während früher vor allem geprüft wurde, welche konkreten Arbeitsbedingungen krank machen, geht es heute insbesondere um die Frage, was den Menschen in der Arbeit gesund erhält. Dabei sollen die konkreten Arbeitsbedingungen und das jeweilige Ar-beitsumfeld nach dem stets aktuellen Stand der Tech-nik, der Arbeitsmedizin und den sogenannten gesicher-
ten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen beurteilt werden.
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet den Ar-beitgeber in § 2, nicht nur Unfälle zu verhüten, sondern auch geeignete Maßnahmen zu treffen, um arbeitsbe-dingte Gesundheitsgefahren zu verhüten und die Ar-beit menschengerecht zu gestalten. Nach § 3 ArbSchG gehört es ebenfalls zu seinen Pflichten, Arbeitsschutz-maßnahmen durchzuführen, um die Sicherheit der Be-schäftigten unter den gegebenen Umständen zu ver-bessern und deren Gesundheit zu schützen. In welchen Handlungsfeldern dies geschehen kann, zeigt die fol-gende Übersicht. Der Arbeitgeber hat sich dabei an die entsprechenden Gesetze und Verordnungen zu halten – unter anderem an die Vorschriften der Arbeitsstätten-VO, die Bildschirmarbeitsplatz-VO und an die einschlä-gigen DIN EN ISO-Normen.
Dieser umfassende Ansatz verlangt vom Arbeitgeber, Arbeitsplätze mittels einer Gefährdungsbeurteilung ge-nau zu analysieren (§ 5 ArbSchG).
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%
LärmimRaum(Gespräche,Telefonate)
TrockeneLuft
Abgestandene,schlechteLuft
LärmimRaum(Geräte)
ZuhoheRaumtemperatur
WechselndeRaumtemperatur
UnangenehmerGeruch
ZuniedrigeRaumtemperatur
Zugluft
BlendungdurchSonnenstrahlen
StaubundSchmutz
Lärmvonaußen(Verkehr)
UngenügendeBeleuchtung
LärmimRaum(Lüftung)
Tabakrauchvonanderen
StatischeElektrizität,dieSchlägeverursacht
Quelle:SBIB-Studie,April2010
Psychische Belastungen
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Gute Arbeit im Büro
er Gute Arbeit im Büro mit auf den Weg bringen. Die Übersicht auf Seite 18 gibt einen Überblick über die ein-schlägigen Informations-, Mitsprache- und Mitbestim-mungsrechte des Betriebsrats.
Der Betriebsrat verfügt über eine Reihe von Rechten, um gesundheitliche Risiken und Belastungen zu ver-mindern. Beispielsweise muss er darauf achten, dass die Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz eingehalten werden, kann selbst aktiv werden, um Ge-sundheitsgefahren zu minimieren oder auch mithelfen, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen. Damit kann
ArbSchG§1–ZielsetzungundAnwendungsbereich
Dieses Gesetz dient dazu, Sicherheit und Gesund-heitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Es gilt in allen Tätigkeitsbereichen.
ArbSchG§2–Begriffsbestimmungen
(1) Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfäl-len bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheits-gefahren einschließlich Maßnahmen der menschen-gerechten Gestaltung der Arbeit.
Arbeitsschutzgesetz ZielsetzungundBegriffsbestimmung(§1,§2)
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Gesund-heitsschutzes von folgenden allgemeinen Grund-sätzen auszugehen:• ...beidenMaßnahmensindderStand von Tech-
nik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen:
– Normen, Richtlinien der Berufsgenossen- schaften, Veröffentlichungen der BAuA.
• DieArbeitistsozugestalten,dasseineGefähr-dung für Leben und Gesundheit möglichst vermie-den und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.
• Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen; individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen.
Arbeitsschutzgesetz AllgemeineGrundsätze(§4)
Handlungsfelder im Arbeits- und Gesundheitsschutz
arbeitsbedingterBelastungenundRessourcen
Arbeitsaufgabe/ Arbeitsorganisation
Arbeits- umgebung
Menge/ Stückzahl/ Pensum/ Personal
Gestaltung der Arbeitszeit
Qualifikation Einarbeitung
Soziale Konflikte/ Betriebsklima
Arbeitsplatz- (un)sicherheit
»Gratifikationen« (Anerkennung, Einkommen . . .)
Technikeinsatz (Hard- und Software)
Führung
Quelle:TatjanaFuchs,eigeneDarstellung
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§ 89Arbeitsschutz
§§ 81, 82, 84Rechte der
Arbeitnehmer
§ 88Freiwillige
Betriebsvereinbarung
§§ 90, 91Menschengerechte
Gestaltung
§ 87 Abs. 1 Nr. 7Mitbestimmungs-
rechte
Arbeitsschutzgesetz
Gefahrstoffverordnung
Arbeitsstättenverordnung
Betriebssicherheits- verordnung
Normen, Richtlinien, Unfallverhütungs-
vorschriften
§ 76Einigungsstelle
Arbeitssicherheits-gesetz
§ 80Allgemeine
Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten Rechtsgrundlagen
Überwachung der geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge
§ 80 Abs. 1 Nr. BetrVG
Beratung, Auskunft und Anregung, die den Aufsichts-stellen helfen, Unfall- und Gesundheitsgefahren zu minimieren
§ 89 Abs. 1 BetrVG
Informationsrechte über die Planung von technischen Anlagen, Arbeitsverfahren und Änderung der betrieb-lichen Gebäude und Räume
§ 90 BetrVG
Mitbestimmungsrecht bei Regelungen über die Ver-hütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften
§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG
Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung § 5 ArbSchG und § 3 BildscharbV
Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen §§ 3 und 4 ArbSchG
Beauftragung fachkundiger Personen mit Aufgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
§ 13 Abs. 2 ArbSchG
Gestaltung der Organisation und Gestaltung des Ar-beits- und Gesundheitsschutzes
§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 ArbSchG
Gute Arbeit im Büro: Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrats
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18
Gute Arbeit im Büro
Die nachfolgenden Eckpunkte sollen Betriebsräten und Vertrauensleuten dabei helfen, Gefährdungsbeurtei-lungen anzuregen und optimal durchzuführen, um die Arbeits- und Gesundheitsbedingungen in Büros und Verwaltungen zu durchleuchten und positiv – im Sinne von Guter Arbeit – zu verändern.
4. Gefährdungsbeurteilungen anregen
Die Gefährdungsbeurteilung ist für den Betriebsrat ein wichtiger Hebel, um psychische Belastungen in Büros und Verwaltungen zu ermitteln und letztlich zu ver-mindern. Es handelt sich dabei um ein Instrument, mit dem die Arbeitsbedingungen vor Ort ganzheitlich er-fasst werden können – und zwar hinsichtlich ihrer phy-sischen und psychischen Folgen für die Beschäftigten. Öfter angewendet können Gefährdungsbeurteilungen kontinuierliche Verbesserungsprozesse mit dem Ziel einleiten, durch verschiedene Maßnahmen im Arbeits- und Gesundheitsschutz Belastungen zu verringern und gesundheitliche Gefährdungen zu vermeiden.
Eine Gefährdungsbeurteilung bezieht sich immer auf einen bestimmten Arbeitsplatz oder auf einen konkre-ten Arbeitsbereich, in dem Beschäftigte tätig sind. Sie kann sich auch auf einzelne Personen oder Beschäftig-tengruppen konzentrieren. Dabei geht es nicht darum, ausschließlich Daten zu sammeln oder Umfragen un-ter den Betroffenen zu starten. Dies sind ledig lich erste Schritte, um letztlich eine gefährdungsfreie oder zumin-dest gefährdungsarme Arbeits situa tion zu schaffen.
Gefährdungsbeurteilungen optimal vorbereitenDer Betriebsrat kann eine Gefährdungsbeurteilung ein-fordern, wenn für bestimmte Arbeitsplätze bisher keine durchgeführt wurde. Denkbar ist auch, die Beurteilung durchzuführen, wenn veränderte Arbeitsprozesse oder neue Arbeitsmittel zum Einsatz kommen. Dabei sollte der Betriebsrat darauf achten, dass er von Anfang an in den Prozess eingebunden wird, um die Interessen der Beschäftigten optimal einbringen zu können. Wichtig ist auch, die betroffenen Beschäftigten frühzeitig über das Verfahren zu informieren und aktiv an den Recher-chen zu beteiligen.
Wann ist eine Gefährdungsbeurteilung not-wendig?• Erstbeurteilung zwingend notwendig• Änderung des Standes der Technik• Bei wesentlichen Änderungen im Betrieb
(z. B. Umbau des Verwaltungsgebäudes)• Nach dem Auftreten schwerer Unfälle, Stör-
fälle oder Berufskrankheiten etc.• Wenn sich Verordnungen und Vorschriften
etc. verändern
Zu aktualisieren ist sie • bei Neubeschaffung von Anlagen, Maschinen
sowie neuen Arbeitsgeräten,• bei Änderung von Arbeitsverfahren- und
Tätigkeitsabläufen sowie der Arbeitsorgani-sation,
• bei Veränderungen von Arbeits- und Verkehrs- bereichen.
Gefährdungsgruppe Verfahren
1. Elektrische Gefährdungen
Messung durch Expert(inn)en
2. Gefahrstoffe
3. Biologische Arbeitsstoffe
4. Brand- u. Explosionsgefährdungen
5. Thermische Gefährdungen
6. Gefährdungen durch spezielle physikalische Einwirkungen Messungen/Beobach-
tungen durch Expert(inn)en Beanspruchung durch Befragung
7. Gefährdungen durch Arbeitsumgebungsbedingungen
8. Physikalische Belastung/ Arbeitsschwere
9. Psychische Faktoren Durch Befragung
10. Sonstige GefährdungenMessung/Beobach-tungen/Befragungen
Quelle:GefährdungsgruppennachvorgabenderGemeinsamendeutschenArbeits-schutzstrategie(GDA)
Die Felder einer Gefährungsbeurteilung
41
Anpassung an verändernde
Gegebenheiten
Wirksamkeits-kontrolle
Dokumentation regeln
Erforderliche Maßnahmen
treffen
Gefährdungen beurteilen
Belastungen und Beanspruchungen
ermitteln
Unterweisung der Beschäftigten
Organisation des Arbeitsschutzes regeln
(Zwischentitel)
4. Gefährdungsbeurteilungen anregen
Die Gefährdungsbeurteilung ist für den Betriebsrat ein
wichtiger Hebel, um psychische Belastungen in Büros und
Verwaltungen zu ermitteln und letztlich zu vermindern. Es
handelt sich dabei um ein Instrument, mit dem die
Arbeitsbedingungen vor Ort ganzheitlich erfasst werden
können – und zwar hinsichtlich ihrer physischen und
psychischen Folgen für die Beschäftigten. Öfter
angewendet können Gefährdungsbeurteilungen
kontinuierliche Verbesserungsprozesse einleiten, mit dem
Ziel, durch verschiedene Maßnahmen im Arbeits- und
Gesundheitsschutz Belastungen zu verringern und
gesundheitliche Gefährdungen zu vermeiden.
Eine Gefährdungsbeurteilung bezieht sich immer auf
einen bestimmten Arbeitsplatz oder auf einen konkreten
Arbeitsbereich, in dem Beschäftigte tätig sind. Sie kann
sich auch auf einzelne Personen oder
Beschäftigtengruppen konzentrieren. Dabei geht es nicht
allein darum, ausschließlich Daten zu sammeln oder eine
Umfrage unter den Betroffenen zu starten. Dies sind
lediglich erste Schritte, um letztlich eine gefährdungsfreien
oder zumindest gefährdungsarme Arbeitssituation zu
schaffen.
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Klarheit im Betriebsrat schaffenEs empfiehlt sich zunächst für den Betriebsrat, ein Handlungskonzept zu entwickeln. Das Gre-mium muss sich einig sein, zusammen mit dem Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen in den Büros und Verwaltungen verbessern zu wollen. Auch wenn der Arbeitgeber dafür verantwortlich ist, dass Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt und – daraus abgeleitet – vernünftige Maßnah-men auf den Weg gebracht werden, um Belas-tungen zu verhindern: Am besten ist es, wenn der Betriebsrat gleich zu Beginn eine aktive Rolle einnimmt, mit Betroffenen und Experten spricht, eigene Vorschläge für Maßnahmen entwickelt und prüft, dass eingeleitete Maßnahmen auch tatsächlich durchgeführt werden und die erwar-teten Ergebnisse bringen.
Arbeitgeber und Betriebsrat: am besten gemeinsam
Wenn beide Seiten – Geschäftsführung und Be-triebsrat – hinter dem Vorhaben stehen, können vor Ort die besten Ergebnisse erzielt werden. Führungskräften und der Belegschaft wird da-durch vermittelt, dass das Unternehmen der Gesundheit der Beschäftigten höchste Priorität einräumt. Dieser Anspruch sollte auch in einer Betriebsvereinbarung zu Gefährdungsbeurtei-lungen festgeschrieben werden. Darin könnte ebenfalls verankert werden, dass alle Verant-wortlichen, Experten, aber auch Betroffene auf-gefordert sind daran mitzuarbeiten, die Arbeits-belastungen in den Büros und Verwaltungen zu reduzieren und den Arbeits- und Gesundheits-schutz zu verbessern.
Wichtig zu regeln ist außerdem, ob mithilfe einer Gefährdungsanalyse lediglich schwerwiegende Mängel behoben werden sollen (Minimum des gesetzlichen Auftrages) oder ob diese dazu ge-nutzt werden soll, einzelne Arbeitsabläufe in-tensiv zu prüfen, um bereits drohende gesund-heitliche Gefährdungen auszuschließen und die Arbeitsorganisation zu verändern.
Eckpunkte für die Durchführung von Gefährdungsanalysen
Die Gefährdungsbeurteilung – Pflicht des Arbeitgebers
• Der Arbeitgeber ist für die Durchführung ver-antwortlich.
• Die Wirksamkeit der getroffenen Verbesse-rungsmaßnahmen muss überprüft und ggf. optimiert werden.
• Es müssen alle arbeitsbedingten Gesundheits-gefährdungen (physisch und psychisch) be-rücksichtigt bzw. ermittelt werden.
• Arbeitsraum, -mittel, -stoffe, -umgebung müs-sen beurteilt werden.
• Gleiches gilt für Arbeitsabläufe, -verfahren, -zeiten und -organisation sowie Arbeitszeiten und deren Lage und die Qualifikation hinsicht-lich möglicher Gefährdungen.
• Die Beschäftigten müssen über die Ergebnisse informiert, besser eingebunden und beteiligt werden.
• Der Arbeitgeber kann sich beraten lassen durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Arbeitsmedi-ziner oder fachlich geeignete Personen.
• Der Gesetzgeber schreibt kein Verfahren vor.
Die Gefährdungsbeurteilung ist eine Pflicht des Arbeitgebers nach dem ArbSchG.
Nach Empfehlung der Unfallversicherungsträger sollte er folgende Personen einbeziehen:• Betriebliche Führungskräfte• Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter• Angehörige des Betriebsrates (Mitbestimmung
§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG)• Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebs-
mediziner• Sicherheitsbeauftragte• Weitere interne und externe Experten
20
Gute Arbeit im Büro
Projektgruppe und Auftrag festlegenGemeinsam mit dem Arbeitgeber sollte festge-legt werden, wer in diesen Prozess einbezogen werden soll und mit welchen Methoden arbeits-bedingte Gesundheitsgefahren zu ermitteln sind. Sinnvoll wäre, eine Steuerungsgruppe zu bilden, in der die wichtigsten Akteure des be-trieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes zusammenkommen, um das Verfahren festzu-legen und zu überwachen. Projektgruppen vor Ort könnten dann die einzelnen Phasen des Be-urteilungsprozesses planen und organisieren. Die jeweiligen Projektteams sollten sich hierfür qualifizieren, um kompetent nach objektiven (ar-beitswissenschaftlich orientierten) Kriterien die Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen.
Folgende Fragen sollten gleich zu Anfang beant-wortet werden:•Was sind die häufigsten Beschwerden, wo
kommen sie vor, wer ist davon betroffen? •An welchem Arbeitsplatz oder -bereich soll
der Prozess gestartet werden und wie viel Zeit beansprucht er?
•Welche Defizite können sofort behoben wer-den und wo sind umfangreichere Maßnah-men notwendig?
•Wie werden die Daten erfasst und was pas-siert mit ihnen?
•Wie werden die Kolleginnen und Kollegen be-teiligt und welche Möglichkeiten haben sie, den Prozess zu beeinflussen?
Beteiligung schaffenBesonders intensiv sollten die Beschäftigten be-teiligt werden, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um Belastungen zu vermindern. Als »Experten in eigener Sache« kennen sie ihren Arbeitsbereich »aus dem FF« und wissen, wo ihnen und ihren Kolleginnen und Kollegen »der Schuh drückt«. Zudem bringen sie Ideen und Vorschläge in Ver-änderungsprozesse ein, die sich schnell und ohne hohen Aufwand umsetzen lassen. Insbesondere wenn eine neue Soft- oder Hardware eingeführt oder die Arbeitsorganisation verändert wird, aber auch, wenn Fragen der Qualifizierung und des Umgangs mit Konflikten eine Rolle spielen, ist es zwingend erforderlich, die Beschäftigten zu be-
teiligen. Letztlich sind sie es, die die anstehenden Veränderungen mittragen müssen. Das setzt vo-raus, dass sie die Maßnahmen auch akzeptieren.
Es versteht sich von selbst, dass sie deshalb über die laufenden Prozesse, Fortschritte und Ergeb-nisse kontinuierlich informiert werden müssen.
Prüfen, wie die Veränderungen wirkenWenn einzelne Maßnahmen umgesetzt wurden, ist es ratsam, in einem angemessenen Zeitraum nachzuprüfen, ob diese tatsächlich ihr Ziel er-reicht und die Arbeitssituation der Beschäftigten verbessert haben. Das Arbeitsschutzgesetz sieht dies ausdrücklich vor.
Es sollte daher rechtzeitig überlegt werden, wer in ein solches Prüfverfahren einbezogen und wie dabei vorgegangen werden soll. Wichtig ist, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess anzusto-ßen. Hierfür sollte es regelmäßige Treffen, Work-shops oder Quartalsgespräche geben, bei denen eingeleitete Veränderungen und ihre Ergebnisse überprüft werden. Diese Zusammenkünfte sind für den Betriebsrat gute Informationsquellen, um mehr über die Arbeitssituation der Kollegin-nen und Kollegen in den Büros und Verwaltungs-bereichen zu erfahren und um darüber mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Generell sollte das Thema Arbeits- und Gesund-heitsschutz im Betriebsrat einen zentralen Stel-lenwert erhalten und so häufig wie möglich auf der Tagesordnung stehen.
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Betriebsbegehungen, Mitarbeiterbefragungen, sicher-heitstechnische Überprüfungen von Arbeitsmitteln und spezielle Ereignis-, Sicherheits- oder Risikoanalysen durchgeführt.
MaßnahmenDer Betriebsrat wird daran beteiligt, ein Konzept zur Kompetenzentwicklung im Arbeits- und Gesundheits-schutz zu erarbeiten und in die Praxis umzusetzen. Vor-rangiges Ziel ist es, Führungskräfte dabei zu unterstüt-zen,• psychische Belastungen bei sich selbst und ihren
Mitarbeiter(inne)n zu erkennen und Lösungswege zu entwickeln und aufzuzeigen, um Fehlbeanspru-chungen zu vermeiden;
• Beschäftigte für Fragen des Gesundheitsschutzes zu sensibilisieren und sie aktiv daran zu beteiligen, entsprechende Maßnahmen mitzuentwickeln und umzusetzen;
• Grundsätze menschengerechter Arbeitsgestaltung kennenzulernen und diese für die eigene Führungs-arbeit zu nutzen;
• sich umfassende Informationsquellen zum Ar-beits- und Gesundheitsschutz zu erschließen und sich ständig weiterzuqualifizieren, um neueste ar-beitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksich-tigen.
Die Ergebnisse von Gefährdungsbeurteilungen können für weitere Arbeitssituationsanalysen, Gesundheits-workshops oder ähnliche Zirkelarbeit genutzt werden, um einzelne Gefährdungen differenzierter zu betrach-ten.
Kontinuierlicher VerbesserungsprozessEine Gefährdungsbeurteilung ist erneut durchzufüh-ren, wenn an einem Arbeitsplatz oder in einem Arbeits-bereich nach wie vor Gefährdungen bestehen oder neue entstanden sind, wie sie in § 5 Abs. 3 in den Ziffern 1 bis 5 ArbSchG beispielhaft genannt werden.
Eine Gefährdungsbeurteilung muss vorgenommen werden, • wenn sich die Arbeitsorganisation (insbesondere die
Arbeitsabläufe, Arbeitsverfahren und Arbeitszeit) verändert;
• wenn neue Maschinen und technische Ausrüstun-gen angeschafft werden;
• nach schweren Arbeitsunfällen und sobald arbeits-bedingte Gesundheitsbeschwerden gehäuft auf-treten.
5. Betriebsvereinbarung auf den Weg bringen
Eckpunkte für eine Betriebsvereinbarung zur Gefähr-dungsbeurteilung
Präambel/Ziele der Vereinbarung• Chronische Krankheiten und Erkrankungen sowie Be-
hinderungen bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerin-nen zu vermeiden
• Die Arbeitsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern und wiederherzustellen
• Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen und das Arbeitsschutzgesetz konsequent umzusetzen
• Arbeitsbedingte Fehlzeiten durch betriebliche Maß-nahmen zu reduzieren
Geltungsbereich• Persönlich für alle Beschäftigten einschließlich Aus-
zubildende, Aushilfen und Leiharbeitnehmer(innen)• Räumlich für alle Arbeitsplätze des Betriebes• Sachlich, um die Arbeitsbedingungen, Arbeitsplätze
und Arbeitsumgebung zu beurteilen
GefährdungsbeurteilungGefährdungs- und Belastungsbeurteilung durchführen für • alle Arbeitsstätten (Arbeits-, Lager-, Aufenthalts-
und Sanitärräume);• Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation [Arbeits-
einteilung, Arbeitszeit, Verantwortung, Führung, Arbeitsmenge, Zeitdruck, Kommunikation, Mit ar-beiter(innen)-Kundenbeziehung];
• Arbeitsumgebungsbedingungen (Klima, Beleuch-tung, Lärm, Staub, Schmutz).
MethodenUm mögliche Gefährdungen für die Beschäftigten besser beurteilen zu können, werden unter anderem
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Gute Arbeit im Büro
che Arbeitshilfen, Werbemittel, Aktionsideen und Hin-tergrundinfos angeboten. Außerdem kann der Dialog zwischen den Interessenvertreter(inne)n über die Kom-munikationskanäle der Webseite und über die dortigen Links geführt werden.
»Wir machen Gute Arbeit!«
Informationen zur aktuellen Kampagne der IG BCE
Mit der Kampagne »Wir machen Gute Arbeit!« will die IG BCE gemeinsam mit den Beschäftigten Antworten auf die aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt finden.
Die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten leidet darunter, dass die Arbeit sie gesundheitlich immer stärker belastet. Ursächlich ist der wachsende interna-tionale Wettbewerbsdruck, der auf den Unternehmen lastet. Dieser macht sich in vielen Betrieben in neuen Orga nisations- und Steuerungsprinzipien sowie in ver-änderten Belegschaftsstrukturen bemerkbar. Dieser Wandel hat oft erhebliche Folgen für das Arbeitsumfeld einzelner Beschäftigter.
Die IG BCE steht zu ihrem Anspruch, die Lebens- und Arbeitswelt der Beschäftigten menschengerecht gestal-ten zu wollen. Dabei sieht sie sich allerdings vor neue Herausforderungen gestellt, die sich durch die Mega-trends in der heutigen Arbeitswelt ergeben. Diese hei-ßen:• wachsender Zeit- und Leistungsdruck (Verdichtung),• Entgrenzung von Arbeit und Leben (Flexibilität),• wachsende Verunsicherungen durch die Unsicher-
heiten am Arbeitsmarkt (Liberalisierung).
Diese Themenfelder betreffen alle Beschäftigten quer durch alle Branchen innerhalb des Organisationsbe-reichs der IG BCE und in nahezu allen Berufsbildern und Einkommensschichten. Sie bilden auch die Schwer-punkte der gewerkschaftlichen Betriebsarbeit der IG BCE, um die alltägliche Praxis in den Unternehmen zu verändern und um dort Gute Arbeit zu verankern.
Wer sich näher informieren will: Ein Einführungs-film zur Kampagne und Materialien zu den The-menschwerpunkten finden sich im Internet unter: www.gute-arbeit.igbce.de
Die Kampagne versteht sich als Plattform, die die Ar-beit von Betriebsräten und Vertrauensleuten konkret und aktiv unterstützen soll. Daher werden umfangrei-
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Impressum
Herausgeber: Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, EnergieVorstandsbereich 1 – Gesamtleitung/Globalisierung/IndustrieKönigsworther Platz 6, D-30167 Hannover
Projektleitung Gute Arbeit: Yasmin Fahimi
Redaktion: Sören Tuleweit, Vadim Lenuck
Kontakt: Telefon: 0511 7631-141/gutearbeit.igbce.de
Textbearbeitung: Ingeborg Wahle, Agentur WAHLE & WOLF
Bildquellen: Michael Neugebauer
Erste Veröffentlichung: August 2012
Druck: BWH GmbH – Die Publishing Company
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