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Das lineareInnovationsmodellals Erzählung über
die Einheit derWissenschaft
David Kaldewey
Das dichtomeModell
Das lineare Modell
Tod und Leben deslinearen Modells
Thesen zurPersistenz
Die Narrativitätdes linearenModells
ZusammenfassendeThesen
Das ›lineare Innovationsmodell‹ alsErzählung über die Einheit der Wissenschaft
David Kaldewey
Institut für Wissenschafts- und TechnikforschungUniversität Bielefeld
Vortrag zur GWTF/GWG-Tagung18./19. November 2011
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Das lineareInnovationsmodellals Erzählung über
die Einheit derWissenschaft
David Kaldewey
Das dichtomeModell
Das lineare Modell
Tod und Leben deslinearen Modells
Thesen zurPersistenz
Die Narrativitätdes linearenModells
ZusammenfassendeThesen
Das dichotome Modell oder die Unterscheidung vonGrundlagenforschung und angewandter Forschung
Das lineare Modell als Nachfolger des dichotomen Modells
Tod und Leben des linearen Modells
Wie lässt sich die Persistenz des dichotomen und des linearenModells erklären?
Die Narrativität des linearen Modells
Zusammenfassende Thesen
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Das dichtomeModell
Das lineare Modell
Tod und Leben deslinearen Modells
Thesen zurPersistenz
Die Narrativitätdes linearenModells
ZusammenfassendeThesen
Grundlagenforschung und angewandte Forschung:Das dichotome Modell
I »Chemia pura et applicata« (Wallerius 1751)I »Pure science« (19. Jh.; exemplarisch Rowland 1883)I »Industrial research« (1910er Jahre)I »Fundamental research« (DSIR ab 1916; Jewett in den
1930ern)I »Basic research« (Bush-Report 1945)I Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt sich die Unterscheidung
von »basic research« und »applied research« durch
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Die Narrativitätdes linearenModells
ZusammenfassendeThesen
Grundlagenforschung und angewandte Forschungin der Zeitschrift Science, 1880-2010
7 Reine Wissenschaft und angewandte Forschung
1880 1925 1945 1965 1990 2010
0
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100
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Anz
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Zeit
raum
von
zwei
Jahr
en
›basic‹›fundamental‹
›pure‹›applied‹
Abbildung 7.4: Die Semantik der Wissenschaft in den USA, 1880-2010(Quelle: eigene Darstellung auf Basis des Archivs von Science)
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ZusammenfassendeThesen
Grundlagenforschung und angewandte Forschungim deutschen Sprachraum
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Die Narrativitätdes linearenModells
ZusammenfassendeThesen
Von der Grundlagenforschung zur technischenInnovation: Das lineare Modell
I Dynamisierung des dichotomen ModellsI Ersetzung von »pure science« durch »fundamental« oder
»basic research« (1930er Jahre)I R&D-Trias: »basic research«, »applied research«,
»development« (z. B. OECD Frascati Manual, seit den1960er Jahren)
I Vierstufige Modelle enthalten zusätzlich Kategorien wie»production« oder »diffusion«
I Diese verschiedenen Typologien werden erst in den 1980erJahren unter den Ausdruck »lineares Modell« subsumiert(vgl. Edgerton 2004: »term of art without history«)
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7 Reine Wissenschaft und angewandte Forschung
1. Stufe 2. Stufe 3. Stufe 4. Stufe——————— research ——————— ——— innovation ———
Mees (1920) ——— pure ——— applied development manu-factoring
Huxley (1934) background basic ad hoc development
Schumpeter (1939) invention innovation
Bernal (1939) —— pure/fundamental —— applied
Stevens (1941) fundamental pioneering applied test-tube,pilot plant
production
Bichowsky (1942) ——— pure ——— —— laboratory work —— factory
Bush (1945) ——— basic ——— applied development
Steelman (1947) fundamental background applied development
Canadian, DRS(1947)
pure background applied development analysis,testing
Furnas (1948) fundamental/exploratory applied development production
Conant in NSF uncommitted —— programmatic ——(1951)Brozen (1951) —— fundamental/basic —— applied development production,
serviceMaclaurin (1953) ——— pure ——— invention innovation finance,
acceptanceDearborn et al. —— uncommitted —— applied development(1953)US, NSF (1953) ——— basic ——— applied development
UK, DSIR (1958) ——— basic ——— applied development prototype
OECD Frascati —— fundamental —— applied development non-researchManual (1963)US, Waterman(1965)
free basic mission-related basic
applied
Brooks (1967) basic/pure/fundamental
mission-oriented
basic
applied
OECD Frascati pure oriented applied experimentalManual (1970) basic basic development
Abbildung 7.5: Variationen des linearen Modells, 1920-1970(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Godin)
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Varianten des linearen Modells
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ZusammenfassendeThesen
Varianten des linearen Modells
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Tod ...
I »Everyone knows that the linear model of innovation isdead« (Rosenberg 1994)
I »The model misrepresents and oversimplifies a more complexscience/society relationship, and the widespread acceptanceof this misrepresentation hinders productive debate onscience« (Pielke/Byerly 1998)
I »The linear model is now dead; but it has not yet beensuccessfully replaced by a new orthodoxy« (Wengenroth2000)
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... oder Leben
I »All across Europe it is appreciated that research is one ofthe foundations of technological innovation and hence is akey to meeting the challenges of global competition«(Christoph Kratky, Präsident des ÖsterreichsichenWissenschaftsfondes, 2007)
I »Across the globe science and innovation are seen as the wayto advance wealth, health and prosperity« (Ian Halliday,Präsident der European Science Foundation, 2007)
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Zur Unterscheidung von analytischen undhistorischen Kategorien
I Die Aussage, dass das dichotome und/oder das lineare Modelltot seien, macht nur Sinn, wenn man die jeweiligen Begriffeund Kategorien als analytische konzipiert
I Wenn man dagegen Begriffe wie »basic research«, »appliedresearch« und »innovation« als historische versteht, dannverliert die Todes-These ihren Sinn.
I Beobachtung erster Ordnung vs. Beobachtung zweiterOrdnung (Luhmann)
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Wie lässt sich die Persistenz des dichotomen unddes linearen Modells erklären?
I These 1: Verselbständigung statistischer Kategorien, u. a.durch die Frascati Manuals der OECD (Godin 2003, 2005,2006)
I These 2: Strategisches »boundary work« in derKommunikation zwischen Wissenschaft und Politik (Gieryn1983, Kline 1995, Calvert 2004, 2006)
I Beide Thesen sind plausibel, können den anhaltenden Erfolgdes Modells aber nur in Aspekten erklären.
I These 3: Es geht um »identity work« der Wissenschaft selbst
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Identitätsbegriffe der Soziologie
I Identität als Narration (z. B. Somers 1994)I Boundary workI Identity workI Identität des personalen Subjekts vs. Identität von sozialen
SystemenI Einheit vs. Identität; autopoietische Schließung vs.
Selbstbeschreibung (Luhmann)
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Die Narrativität des linearen Modells
I Als Modell ist das lineare Modell unterkomplex; als Erzählungerfüllt es seine Funktion nicht trotz, sondern gerade wegenseiner Unterkomplexität.
I Das lineare Modell gibt den heterogenen Formen derWissensproduktion eine gemeinsame Identität, es bindet sieein in ein übergeordnetes Unternehmen. Grundlagenforscher,anwendungsorientierte Wissenschaftler und Ingenieure bildeneine fiktive Gemeinschaft, die im Sinne des linearen Modellsein Problem lösen, ein Abenteur bestehen und ein Happy Endeinleiten.
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Beispiel I: Ein Mathematiker erzählt
I »Im Folgenden möchte ich drei mathematische Geschichtenerzählen« (Bernhard Korte, in: Entdeckung, Erkenntnis,Fortschritt – 1. Symposion der deutschen Akademien derWissenschaften, Mainz 1996)
I »Vom Fermat zum höchstkomplexen Chip«I »Von Lord Hamilton zu ROSAT«I »Von Euler zur Maschinensteuerung«I Zusammenfassend kann man von einer »von–zu«-Struktur
sprechen.
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Beispiel II: Universitätspräsidenten erzählen
I Slaughter (1993) untersucht Reden vonUniversitätspräsidenten vor dem US-Kongress zwischen 1980und 1985. Dabei unterscheidet sie ein altes und eine neuesNarrativ:
I »the fruits-of-research narrative«: »... Basic science was thecornucopia, spilling over the fruits of research that madeprogress possible« (entspr. dem dichotomen Modell)
I »the orders-of-magnitude narrative«: »... In so doing, thepresidents redefined the mission of academic science ... Nowthe presidents were creating a narrative in which universityand industry undertook the same task, bringing academicscience closer to the private sector but blurring the missionsof academic and industrial science« (entspr. dem linearenModell)
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Beispiel III: Blurring Boundaries
I Die Diagnose der »blurring boundaries« (Mode 2 etc.) kannals Umschrift des linearen Modells verstanden werden.
I Verwandt damit sind die vielen Versuche, dritte Kategorieneinzuführen (»anwendungsorientierte Grundlagenforschung«,»strategic research«, »use-inspired basic research«,»Jeffersonian science«)
I In allen diesen Fällen werden mit narrativen Mitteln kausaleVerknüpfungen zwischen verschiedenen Forschungsformenpostuliert, und in allen Fällen wird damit indirekt die Einheitder Wissenschaft performiert.
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Zusammenfassende Thesen
I Das lineare Modell sollte nicht als Analytik, sondern alsflexible Erzählung interpretiert werden, die dazu dient,heterogene Aktivitäten, Projekte oder Organisationen alsgesellschaftlich relevant zu legitimieren, indem es sie aufunhinterfragte Werte – Innovativität und ökonomischeKonkurrenzfähigkeit – ausrichtet.
I Anders, als es die Rede von »blurring boundaries« und voneiner »Entdifferenzierung zwischen Wissenschaft undGesellschaft« nahelegt, konstituiert das lineare Modell imMedium des Narrativen die Identität der gesellschaftlichrelevanten Wissenschaft. Grenzen werden also nicht aufgelöst,sondern neu gezogen.
I Damit erhält auch die alte wissenschaftstheoretische Fragenach der Einheit der Wissenschaft eine neue, soziologischreflektierte und empirisch einholbare Form.
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