View
221
Download
0
Category
Preview:
Citation preview
Kolumnentitel: DER KREATIVE PROZESS ALS
BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIE
Der kreative Prozess als Bewältigungs-Strategie
Barbara Vollmer
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Barbara Vollmer
Markusplatz 3
96045 Bamberg
barbara.vollmer@uni-bamberg.de
Kolumnentitel 1
Inhaltsverzeichnis
DER KREATIVE PROZESS ALS BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIE
1. Bieten kreative Prozesse Möglichkeiten zur Bewältigung von Problemen ?
2. Material und Methodik der Untersuchung
3. Ergebnisse
3.1. In kreativen Prozessen werden Person-Umwelt-
Unstimmigkeiten geklärt
3.2. Kreative Prozesse erfüllen grundlegende Bedürfnisse
a. Erhöhung der Kompetenz durch Erzeugung von Selbstwirksamkeits-
Signalen
b. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Problem reduziert die
Unbestimmtheit
c. die entstehenden Bildsignale könnten eine affiliative Wirkung haben
3.3. Kreative Prozesse ermöglichen eine multidimensionale
Problembearbeitung
3.4. Flow-Erleben ist ein Abgleich-Prozess, bei dem die
Bestimmtheit reguliert wird
Inhaltsverzeichnis 2
DER KREATIVE PROZESS ALS BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIE
Kreative Prozesse können als Bewältigungs-Strategie gesehen werden. Sie bieten eine
Plattform für die differenzierte Bearbeitung von Problemen. Grundlegende Bedürfnisse
werden befriedigt: Während des Arbeitens werden Selbstwirksamkeits-Signale
ausgeschüttet, durch die ästhetische Problembearbeitung wird die Bestimmtheit erhöht.
Es kann eine affiliative Bedürfniserfüllung erwachsen. Die emotions-zentrierte
Problembehandlung ermöglicht neue Lösungsfindungen. Widersprüche lassen sich
durch den ästhetischen Vergleich zwischen Beobachtungen und Vorstellungen zu einem
stimmigen Endergebnis verarbeiten, das stabilisiert und neue Perspektiven eröffnet.
Dabei schwankende Bestimmtheits-Signale können Flow-Erleben erzeugen.
Kennzeichnend ist die außerordentliche Überzeugungskraft, mit der die hier
gewonnenen Erkenntnisse verfolgt werden.
Flow; Kreativer Prozess; Coping; Bedürfnisregulation
The creative process as coping strategy
Abstract. Creative processes can be seen as coping strategies. They offer a platform for
the sophisticated processing of problems. Basic needs are satisfied. During the artistic
work, self-efficacy signals are generated and certainty is increased through the esthetic
problem solving process. An affiliative need fulfilment can develop and the emotion-
centered problem solving allows for the discovery of new solutions. Contradictions
allow themselves to be worked through to a harmonious conclusion through the esthetic
comparison between observation and imagination, which has a stabilizing influence and
opens new perspectives. Through this process, fluctuating signals of certainty and
uncertainty can create the experience of flow. Characteristic is the extraordinary
conviction with which the gained insights are followed.
Key words: creativity, coping, needs
Abstract 3
1. Bieten kreative Prozesse Möglichkeiten zur Bewältigung von Problemen ?
Können kreative Prozesse als Coping-Strategie, also als Strategie zur
Bewältigung von Problemen, angesehen werden? Lassen sich durch künstlerisches
Arbeiten Probleme besser angehen oder gar lösen als auf andere Arten und unterstützen
gestalterische Vorgehensweisen den Probanden in seiner Problemlösung?
Im Rückgriff auf die Magisterarbeit „ Emotion, Motivation und Flow-Erleben
als Determinanten für die Handlungsregulation im kreativen Prozess“ schauen wir uns
Tagebucheinträge künstlerischer Prozessen an, die anhand des von Dörner 1998
entwickelten Ψ-Modells analysiert wurden. Durch die auf Emotionen und
Sinneswahrnehmungen konzentrierte Auseinandersetzung mit Problemstellungen im
kreativen Prozess können neue Sichtweisen auf Probleme entwickelt werden. Wie dies
genau vor sich geht, soll im Folgenden erläutert werden.
Zunächst aber ein Überblick über den Forschungsstand und die Methodik der
Untersuchung:
Der Begriff „kreativer Prozess“ ist durch Forschungen an kreativen
Persönlichkeiten aus verschiedensten Bereichen, wie auch an Wissenschaftlern und
Erfindern, geprägt. Im Zentrum stand immer wieder die Frage, wie es zu neuartigen,
bisher noch nie da gewesenen oder außergewöhnlichen Ideen, bzw. Lösungen für ein
Problem kommen kann. Nach Dörner (1998) können kreative Probleme als dialektische
Problemlösungen angesehen werden. Dialektische Probleme zeichnen sich dadurch aus,
dass weder der Weg zur Problemlösung bekannt ist, noch das genaue Ziel. Damit ähneln
sie Problemstellungen, wie sie im Rahmen einer Therapie auftreten.
Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert entwickeln sich verschiedene
Herangehensweisen um kreative Prozesse zu erforschen. Beispielsweise untersucht
Wallas (1926) die Aufzeichnungen verschiedenster kreativer Persönlichkeiten und
entwickelt daraus ein Phasenkonzept, das die vier Stufen der Präparation, Inkubation,
Illumination und Verfikation umfasst.
Abstract 4
Wallas spricht in Anlehnung an Poincaré in diesem Zusammenhang vom Unbewussten
als „sublimen Ich“ , das über ein „Gefühl für Harmonie und Eleganz“ verfüge und so
Kreativität steuere.
Seit diesem Phasenkonzept hat es kaum durchbrechende Forschungen zum
kreativen Prozess gegeben. Vielmehr entstehen Entwürfe darüber, was eine kreative
Idee ausmacht, oder welche Eigenschaften kreative Persönlichkeiten haben. Über die
Frage, was kreatives Denken ausmacht, führt Guilford 1956 mit dem „Structure of
Intellect“-Modell den Gedanken des konvergenten und divergenten Denkens ein. Wie
sich durch Untersuchungen Csikszentmihalyis (1975) zeigt, spielen Emotionen eine
ganz entscheidende Rolle für die Motivation zu künstlerischem Arbeiten. Er beobachtet,
dass Künstler während ihrer Arbeit ausgeprägte Flow-Erlebnisse haben, die sie immer
wieder anstreben (Csikszentmihalyi, 1997).
Auch Ciompi (1997) stellt Überlegungen zur Problemstellung und -lösung im kreativen
Prozess an. Er postuliert, kreatives Denken ließe sich vor allem fördern, indem man sich
im Moment des höchsten Problembewusstseins entspanne oder ablenke (Ciompi, 1997,
S. 321). Vorliegende Unstimmigkeiten müssten genutzt werden, um Problemen auf den
Grund gehen zu können. Im Alltag dürften Gefühle also nicht vernachlässigt werden
(Ciompi, 1997, S. 311). So sei etwa eine grundlegend lustvolle Stimmung für Therapien
oder Lernen unabdingbar; punktuelle Konzepte, die nicht in ein Gesamtkonzept mit
gegenseitiger Abstimmung einbezogen würden, verliefen genau deshalb im Sande
(Ciompi, 1997, S. 307). Auch Starker (1996; 1998) geht von Zusammenhängen
zwischen Problemlösen und ästhetischem Denken aus. Sie zeigt anhand einer
kulturvergleichenden Studie, dass in ästhetischen Prozessen Kompetenz und
Unbestimmheit reguliert werden.
Ist es also möglich, durch eine detaillierte prozesshafte Analyse von
Tagebucheinträgen mehr Licht in Bereiche des künstlerischen Arbeitens, die noch
relativ unklar sind, zu bringen und so vielleicht dem Rätsel, warum kreatives Arbeiten
in der Therapie wirksam zu sein scheint, genauer auf die Spur zukommen?
Der kreative Prozess 5
2. Material und Methodik der Untersuchung
Für die Analyse wurden zwei bildende Künstler aufgefordert, ihre Gefühle,
Gedanken und Handlungen während des kreativen Schaffens möglichst genau zu
beobachten und aufzuzeichnen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht also der Verlauf dieser
kreativen Prozesse. Aus diesen Aufzeichnungen sind 14 Tagebucheinträge kreativer
Schaffensprozesse entstanden. Da beiden Künstlern Anonymität zugesagt wurde, ist es
nicht möglich, die aus den Prozessen hervorgegangenen Bilder darzustellen.
Das PSI- Modell von Dörner bietet die Möglichkeit, Zusammenhänge in der
Regulation menschlichen Verhaltens und Erlebens zu erfassen. Dörner geht von fünf
menschlichen Bedürfnissen aus. Zunächst handelt es sich um grundlegende physische
Bedürfnisse wie Essen, Trinken oder Schlafen. Dann folgt das Bedürfnis nach
Sexualität. Weitere drei grundlegende Bedürfnisse sind nach Dörner das Bedürfnis nach
Kompetenz, oder anders ausgedrückt, nach möglichst hoher Wahrnehmung von
Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit bedeutet, dass das, was man tut, eine ersichtliche
Wirkung zeigt. Weiter haben Menschen nach Dörner ein Bedürfnis nach Bestimmtheit,
also nach Sicherheit darüber, wie das Leben in der Zukunft verläuft. Und schließlich
haben Menschen ein Bedürfnis nach Affiliation, also nach Anerkennung durch Andere.
Diese Grundbedürfnisse lassen sich nach Dörner als Kessel darstellen, die einer
Heterostase-Funktion folgen, d.h. sie beeinflussen sich wechselseitig (Dörner, 2008, S.
419). Wird also ein Bedürfnis erfüllt, verbessert das auch die Lage der anderen
Bedürfnisse. Angesichts von Herausforderungen oder negativen Erlebnissen leeren sich
die Kessel allerdings auch ständig (Dörner, 2008, S. 304-311). Durch den Empfang von
Effizienz-Signalen (Dörner, 2008, S. 538), Bestimmtheits-Signalen (Dörner, 2008, S.
364) oder Legitimations-Signalen (Dörner, 2008, S. 327-328) füllen sie sich.
Um die entsprechenden Signale zu empfangen, sind Handlungen nötig, die eng
verknüpft sind mit Wahrnehmungen und Interpretationen von Situationen. Deshalb gibt
es drei Modulatoren der Befindlichkeit, die in Dörners Modell Handeln regulieren: die
Selektionsschwelle, den Aktivierungsgrad und den Auflösungsgrad (Dörner, 2008, S.
539-541).
Der kreative Prozess 6
Die Selektionsschwelle reguliert das Ausmaß der lateralen Inhibition, die das
jeweils handlungsleitende Motiv auf die anderen Motive ausübt (Dörner, 2008, S. 470).
Die laterale Inhibition ist eine neuronale Schaltung, bei der nicht zielleitende Gedanken
(neuronale Rezeptoren) gehemmt werden. Sie dient der Kontrastverschärfung in der
Wahrnehmung und unterstützt die Konzentration auf das handlungsleitende Motiv
(Dörner, 2008, S. 466-468). Angenommen Sie lesen gerade einen interessanten
Zeitungsartikel. Während Sie lesen, spüren Sie langsam aufkommenden Hunger.
Zunächst reagieren Sie nicht. Der Zeitungsartikel ist interessant, Sie lesen weiter. Das
handlungsleitende Motiv (Zeitunglesen) dominiert also noch. Die laterale Inhibition
verhindert, dass Sie den Gedanken an den Hunger zulassen. Erst mit sinkender
Selektionsschwelle werden Sie offen für die Tatsache, dass der Hunger wächst.
Bei lateraler Inhibition (hohe Selektionsschwelle), kommt es also zu hoher
Konzentration, aber zu mehr Sturheit und Durchziehen einer Sache. Die Wahrnehmung
von Nebensächlichkeiten, Umgebungsreizen, aber auch Gefahren ist jetzt
ausgeschlossen. (Sie reagieren nicht auf den Hunger.) Dies ist ein Moment der
Versenkung oder totalen Hingabe an ein Motiv (Dörner, 2008, S. 471).
Der zweite Modulator ist der Aktivierungsgrad. Erst von einem bestimmten
Aktivierungsgrad an erscheint es uns nötig, Essen zu besorgen, weil wir Hunger haben,
obwohl das Buch, das wir lesen so spannend ist (Dörner, 2008, S. 539-540).
Für die Wahrnehmung von Situationen spielt außerdem der Auflösungsgrad eine
Rolle. Ihn kann man sich wie eine Kamera vorstellen: Er kann zu einer groben oder
feinen Wahrnehmung führen, je nach dem, ob eine schnelle Reaktion erforderlich ist,
oder ob etwas genau untersucht werden soll (Dörner, 2008, S. 541).
Um eine möglichst spezifische und differenzierte Analyse der Prozessverläufe zu
ermöglichen, wurden die Tagebucheinträge in einzelne Abschnitte unterteilt, in Tabellen
Schritt für Schritt ausgewertet und in Diagramme übertragen. Die Tabellen enthalten
jeweils eine Spalte für die Tagebucheinträge selber, für die Oberbegriffe dazu, für
die oben genannten Parameter Kompetenz, Bestimmtheit, Affiliation,
Der kreative Prozess 7
Selektionsschwelle, Auflösungsgrad und Aktiviertheit und aus einer
stichpunktartigen Analyse der Handlungstendenz. Zur Bezeichnung der Künstler
dienen die Buchstaben A und B. Dazu erhalten die Prozesse Nummern (A1, A2, A3
etc.), an die Nummern für die Sequenzen mit Schrägstrich jeweils angefügt sind
(A1/1, A1/2, A1/3 etc.).
Tagebucheinträge Oberbegriff Einordnung Handlungstendenz
1… ich will arbeiten!
Schon aus dem
Grund, weil ich
längere Zeit nichts tat,
ich komme einfach
nicht dazu … Was
aber?
Unruhe, Ärger 2 Kompetenz3 Bestimmtheit2 Affiliation3 Selektionsschwelle 3 Auflösungsgrad 5 Aktiviertheit
Empfindet Dringlichkeit. Infolge von Ärger sinkender Auflösungsgrad, steigende Selektionsschwelle. Arousal.
2 … so greife ich in
das Regal, hole ein
Buch: Modigliani.
Blättere durch … gut
und schön, aber jetzt,
heute … : Nicht meine
momentane
„Wellenlänge“
MotivsucheFrust
3 Kompetenz3 Bestimmtheit2 Affiliation2 Selektionsschwelle 2 Auflösungsgrad 4 Aktiviertheit
Kriterium bei der Motivsuche ist die persönliche Befindlichkeit; diversive Exploration.
3… da fällt mir ein
(eigentlich müsste ich
es wissen!! – denn zu
diesem Zweck ist er
eigentlich da: Mein
„Einstieg“ in den
Arbeitsprozess): mein
„Zahlenblock“! … der
Arme. Auch ihn habe
ich gänzlich
vergessen!
Idee 3 Kompetenz5 Bestimmtheit2 Affiliation1 Selektionsschwelle 1 Auflösungsgrad 4 Aktiviertheit
Begonnene Arbeit fällt wieder ein. Selektionsschwelle und Auflösungsgrad steigen. Mitleid mit Arbeitsblock. Spezifische Exploration
4… so fange ich an
(eigentlich setze ich
den Ablauf fort bei
der Zahl 30)
Ausdruck 4 Kompetenz1-5 Bestimmtheit2 Affiliation5 Selektionsschwelle 4 Auflösungsgrad 4 Aktiviertheit
Das Ziel ist klar (Selektionsschwelle hoch), Beginn der Arbeit.
B1 abstrakt - 30 Minuten
Abbildung 1: Tabelle eines Tagebucheintrags (aus: Vollmer, 2010, S. 171)
Die inhaltlich zusammengehörigen Sequenzen wurden nach Dörner in
Kategorien zusammengefasst und mit Oberbegriffen versehen, die den semantischen
Gehalt der Aussage erfassen, ohne die vorliegenden situativen Einzelheiten zu
reduzieren (Thomae in Laux, 2008 S. 113), aber die Gefühlslage innerhalb des
Der kreative Prozess 8
einzelnen Abschnitts doch so zusammenfassen, dass Gesetzmäßigkeiten erkennbar
werden. Die Richtigkeit der gesuchten Oberbegriffe wurde in Interviews zu den
Prozessen hinterfragt und bestätigt.
Zur Zusammenfassung und Darstellung der Prozesse im Überblick wurden die
über die tabellarische Auswertung gewonnenen Daten in Diagramme übertragen, die auf
der x-Achse die Sequenzen der Tagebucheinträge und auf der y-Achse die Stärke der
Befindlichkeiten in einem fünfschrittigen Ausprägungsgrad von 0 bis 1,0 enthalten.
Über die Schrittfolge der x-Achse fließt die Zeitspanne ein, die aber nicht linear
verläuft und an gezackten Stellen Unterbrechungen markiert.
Zur besseren Unterscheidung sind Oberbegriffe, die Emotionen darstellen, fett gedruckt;
Oberbegriffe, die eine Wechselwirkung zwischen der Vorstellung und deren Darstellung
beinhalten, sind unterstrichen, Handlungen und Handlungstendenzen normal beschriftet
(s. Abb.1).
depressive Verstimm
ung (1)
Zögern, Motivsuche (4)
Motiv gefunden (5)
Ausdruck, Erregung (7)Frieden (8)Desinteresse (9)
Angst (3)
Unruhe, in sich gekehrt (2)
Mut (6)
Schrittzahl
Ausprägungsgrad
1,0
0,5
0
0,25
0,75
Arousalspezifische Exploration
K = KompetenzB = BestimmtheitA = Affiliation
S = SelektionsschwelleA = AuflösungsgradA = Aktiviertheit
depressive Verstimm
ung (1)haptischer Reiz,Vorstellung (3)Ausdruck von W
ut (5)Frieden (6)
noch andauernde Wut (8)
Ausdruck, Zerstörung (9)Assoziation (10)Analogie-Schluss (11)W
eiterspinnen (12)Ausdruck (13)Frieden (14)
Unruhe, Hektik (2)
Erregung, intuitiver Ausdruck (4)
Reflexion (7)
Ausprägungsgrad
Schrittzahl
Arousal
1,0
0,5
0
0,25
0,75
spezifische Exploration Arousal
spezifische Exploration
NachdenkenNachdenken
diversive Exploration
Abb. 6: Zusammenhang zwischen Emotion (Wut) und Analogie-Schluss (A10)
Abbildung 2: Prozess A1: Die Reduktion von Unbestimmtheit erfordert Mut (aus: Vollmer, 2010, S. 38)
Der kreative Prozess 9
3. Ergebnisse
Vier wesentliche Punkte charakterisieren kreatives Arbeiten:
Erstens werden tatsächlich Person-Umwelt-Unstimmigkeiten bearbeitet. Durch
die multidimensionale Betrachtung der Wahrnehmungen findet zweitens eine
differenzierte Problembearbeitung statt. Drittens werden dabei grundlegende
Bedürfnisse erfüllt. Insbesondere kann es viertens zu Flow-Erleben kommen, das in
Form von Glücksgefühlen intrinsisch für die Problembearbeitung belohnt.
3.1. In kreativen Prozessen werden Person-Umwelt-Unstimmigkeiten geklärt
Über kreatives Schaffen lassen sich in der Vergangenheit gemachte Erfahrungen
und dazu gespeicherte Schemata in Übereinstimmung mit aktuellen Wahrnehmungen
bringen.
Dabei findet ein Vergleich zwischen neuen Beobachtungen und Erinnerungen statt.
Auftretende Diskrepanzen können durch den kreativen Prozess geschlossen oder neue
Perspektiven eröffnet werden (Vollmer, 2010, S. 89-96; s.a. Starker, 1998 S. 225-227).
Kennzeichnend ist die enorme subjektive Überzeugungskraft der hier gewonnenen
Erkenntnisse.
Diese entsteht durch ein komplexes Gefüge des Vergleichens und Angleichens
vorhandener innerer Schemata mit der Problemstellung in spezifischen und diversiven
Explorationen, das ich im Folgenden Abgleich nenne (Vollmer, 2010, S. 64; s. Abb. 3).
Diversive Explorationen sind Erkundungen in viele Richtungen, während spezifische
Explorationen eine Vertiefung von Überlegungen in eine Richtung bedeuten. Beim
kreativen Arbeiten tauchen diversive Explorationen beispielsweise in der Phase der
Problem- oder Materialsuche, aber auch bei plötzlichen Einfällen auf (s.o.). Sie hängen
mit einem niedrigen Auflösungsgrad zusammen und werden, wie ich im Folgenden
zeige, durch Gefühle wie Trauer, Ärger, Wut, aber auch spielerische Herangehensweisen
hervorgerufen.
Der kreative Prozess 10
In der im Phasenkonzept beschriebenen Phase der Illumination (Wallas, 1927)
findet eine spezifische Exploration statt, in deren Verlauf das Werk immer
differenzierter erarbeitet wird. Durch den Abgleich der wahrgenommenen Ausschnitte
und Perspektiven des Modells oder Motivs versucht der Künstler, die Ergänzung der
fehlenden Positionen zu minimieren.
Bild/Werk
Wahrnehmung
Modell/Motiv a
gefü
hlte
Diff
eren
z
innere
Leinwand
gefühlte Differenz
gefü
hlte
Diffe
renz
Wahrnehmung
Modell/Motiv b
je abstrakter,
desto mehr
emotionale Befindlichkeit
Abbildung 3: Der Vergleich von Motiven und inneren Schemata prägt den Schaffensprozess (aus: Vollmer, 2010, S. 90)
Das allmähliche Erschließen des Kunstwerks besteht zu Beginn aus einer vagen
Vorstellung, die mit einem diffusen Gefühl verbunden ist (Vollmer, 2010, S. 88). Wie in
Abbildung 3 dargestellt, werden durch den Versuch, sich neuen oder unklaren
Situationen zu stellen, Lücken in der Informationsverarbeitung erzeugt. Durch
Vergleiche zwischen den verschiedenen Perspektiven oder Ausschnitten des Motivs
Der kreative Prozess 11
kann der Künstler diese genauer untersuchen, auf einer Art inneren Leinwand abbilden,
dort ergänzen, und ins Bild übertragen (Dörner, 2008, S. 358, S. 164). Das Ziel des
Schaffens-Prozesses ist letztlich die Reduktion dieser Unbestimmtheit (s. Abb.4).
Motiv a
Annäherung bis zur totalen
Übereinstimmung der Bilder
Ganzheitliche Wahrnehmung von α
Erfahrungen
sensomotorischer Speicher
Motiv b
Motiv c
Stimmig?ja!
StimmigWeltverbundenheit
Glück
Sinngebung B A K
+ ++
nein
Stimmig?
Stimmig?
ja!
ja!
motorische Umsetzung a
Werk
neinnein
motorische Umsetzung bWerk
neinnein
motorische Umsetzung c
Werk
neinnein
Ω
Motiv dStimmig?
motorische Umsetzung d
Werk
neinnein
Abbildung 4. Schrittweise Annäherung an eine stimmige Lösung durch kreatives Arbeiten (aus: Vollmer, 2010, S. 98)
Bei abstrakten Darstellungen fließen mehr Vergleiche mit emotionsbeladenen
Vorstellungen in das Bild ein, als bei abbildhaften Darstellungen. Über eine Gefühle
einbeziehende Sichtweise lassen sich Probleme also differenziert und
Der kreative Prozess 12
mehrperspektivisch betrachten. Obwohl Schmerz Trauer, Freude o.ä. ausgedrückt wird,
können kreative Prozesse innerlich stärken. Die persönliche Entwicklung wird nicht nur
anhand des Schaffensprozesses gefördert; vielmehr kann hier auch alternatives Handeln
eingeübt werden.
3.2. Kreative Prozesse können grundlegende Bedürfnisse erfüllen
Entgegen der Annahme, dass im Verlaufe eines künstlerischen Prozesses auf
Anhieb Selbstwirksamkeit erzeugt wird, zeigt sich, dass kreative Prozesse häufig mit
einer Phase der Destabilisierung beginnen. Erst im weiteren Verlauf entstehen
Kompetenzgefühle.
Durch die Suche nach neuen Eindrücken in diversiven Explorationen entdecken
Kreative schon im Vorfeld ihres Schaffens Widersprüche, Ambivalenzen oder Probleme
und erzeugen damit für sich persönlich zunächst einen hohen Grad an Unbestimmtheit.
In der Folge lassen sich häufig starke Emotionen wie depressive Verstimmungen
beobachten (s.a. bei Aron, 1996). Diese steigern sich so, dass trotz enormen
Versagensängsten kreatives Arbeiten als einziger Weg zur Auflösung dieser
Widersprüche gesehen wird. So beschreibt A: „Der Leidensdruck ist so hoch, dass ich
wie ein Tiger in der Wohnung auf und ab laufe, alles, was ich tun will, erscheint mir
sinnlos. “ (A3/5, Vollmer, 2010, S. 41)
Ist der kreative Prozess einmal begonnen, kommt es aber durchaus zur Erfüllung
grundlegender Bedürfnisse:
a. Durch Erzeugung von Selbstwirksamkeits-Signalen wird das Kompetenzgefühl erhöht
Durch sensorische Empfindungen während der Arbeit am Material wird
Selbstwirksamkeit erfahren; die Umsetzung der eigenen Vorstellung bewirkt ebenfalls
eine Erhöhung der Kompetenz. Die Künstlerin stellt nach einem Schaffensprozess fest:
„Ich habe das Gefühl, dort dargestellt zu haben, weshalb ich so fühle. Es ist, als sei das
Der kreative Prozess 13
Schwarze abgeschlossen, dargestellt in diesem Bild.“ (A4/9, Vollmer, 2010, S. 46)
Das Gleiche gilt für die Freude über das entstandene Produkt an sich.
b. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Problem reduziert die Unbestimmtheit
Kreatives Arbeiten besteht zu einem großen Teil aus sich abwechselnden
Gefühlen der Unbestimmtheit und der Bestimmtheit.
Im Moment des beginnenden Malprozesses kann beispielsweise Unsicherheit
entstehen durch Gedanken wie: „Was mache ich jetzt?“, „Welchen Strich ziehe ich?“,
„Wird das Ganze etwas?“ Mit der Vorstellung vom nächsten Handlungsschritt werden
Bestimmtheits-Signale ausgesendet, das Ansetzen des Stiftes dagegen führt zur
Ausschüttung von Unbestimmtheits-Signalen, weil der nächste Strich nicht gelingen
könnte usw. Je näher der Künstler der Problemlösung kommt, desto sicherer wird ein
potentielles Gelingen, insgesamt steigt dann die Bestimmtheit trotz der Schwankungen.
Die Beseitigung hoher Unbestimmtheit zeigt Prozess A1, Abbildung 2. Anhand
des Diagramms lässt sich nachvollziehen, dass es Mut kostet, sich bei niedriger
Kompetenz auf einen kreativen Prozess mit ungewissem Ausgang einzulassen.
Diagramm A1 stellt einen abstrakten Schaffensprozess von 20 Minuten Dauer dar. Hier
ein kurzer Ausschnitt aus der Auswertung von A1: Die Beschreibung beginnt - schon in
der Inkubationsphase - mit einer depressiven Verstimmung. A beschreibt „tiefe Trauer“
und ein „Gefühl des Eingeschlossenseins“ (A1/1, Vollmer, 2010, S. 37). Die depressive
Verstimmung verdeutlicht unerfüllte Bedürfnisse (Ausprägungsgrad 0). Diese
Gefühlslage ergibt ein Arousal und wachsende Handlungsnotwendigkeit. Die
Selektionsschwelle steigt. Der Auflösungsgrad ist sehr niedrig.
A beschreibt diffuse „Gefühle, die sich nicht greifen lassen.“ (A1/2, Vollmer, 2010, S.
38) Aus der Überlegung, diese Gefühle in einem Bild auszudrücken, resultiert zunächst
Angst. (Es könnte ja schief gehen und dann wäre die Kompetenz völlig gefährdet.)
Diese von Unbestimmtheit geprägte Situation hat ein Arousal - also zunehmende
Der kreative Prozess 14
Aktivierung - zur Folge, die Handlungsbereitschaft (Selektionsschwelle) steigt weiter
an, A sucht nach einem Motiv. Erst als sie ein Motiv gefunden hat, nimmt die
Bestimmtheit zu, sie fasst Mut und fängt an zu malen.
„(...) ich traue mich, einen Stift in die Hand zu nehmen, als ich ein Motiv vor Augen
habe.“ (A1/6, Vollmer, 2010, S. 39)
c. Die entstehenden Bildsignale könnten eine affiliative Wirkung haben
Es könnte sein, dass das Bedürfnis nach Anerkennung durch Andere nicht nur
über die Erfüllung von Kompetenz und Bestimmtheit befriedigt wird, sondern auch
durch das Werk selber. So beschreibt die Künstlerin mehrfach, dass sie sich über ihre
ursprüngliche Vorstellung vom Werk hinaus von diesem angesprochen fühlt: „Es ist
nicht unbedingt genau das, was ich im Kopf hatte, es ist mehr, anders. Sagt viel mehr,
als was ich dachte ...ich empfinde: Sie repräsentiert all das, was ich die ganze Zeit sagen
wollte.“ (A13/23-24, Vollmer, 2010, S. 56)
So scheint es möglich zu sein, dass Kunstwerke Aussagen entwickeln, die
ursprünglich nicht intendiert waren, und für den Kunst-Schaffenden ein persönlich
bestätigendes und Sinn gebendes, einen Platz im Weltgeschehen zuordnendes Element
enthalten.
3.3. Kreative Prozesse ermöglichen eine multidimensionale Problembearbeitung
Der oben beschriebene Prozess des Abgleichs (s. Abb. 3) entspricht einer spezifischen
Exploration, bei der der künstlerisch Arbeitende immer stärker ins Detail geht (s. Abb.
4).
Sollte dies nicht zum erhofften Ergebnis führen, kann es zu Ärger und Wut kommen;
der Kunstschaffende will u.U. alles hinschmeißen - gerade da kommt ihm die fehlende
Der kreative Prozess 15
Idee: Beim kreativen Einfall unterstützt der sinkende Auflösungsgrad den Umstieg von
der spezifischen zur diversiven Exploration (s. Abb.5).
Das Empfinden starker Emotionen wie Ärger oder Wut und Freude unterstützt
also durch den dabei schwankenden Auflösungsgrad ungewöhnliche Lösungsfindungen
in Form von plötzlichen Einfällen, Assoziationen oder Analogien (s. A10, Abb. 5).
Zentral scheint dabei die Übergangssituation zwischen zielorientierter Anspannung und
Entspannung zu sein, die verbunden ist mit starken Emotionen wie Glück oder Ärger.
Die beschriebenen Emotionen wirken zunächst belastend, dann entspannend. Ein
Beispiel wäre nach subjektiv empfundenem Druck und Ärger der Übergang in eine
spielerische Situation, in Prozess A12 innerlich kommentiert mit: „ach macht nichts,
kommt ja nicht so drauf an...“ (A12/7, Vollmer, 2010, S. 62). Zuvor nicht bedachte
kognitive Strukturen können so in die Lösungsfindung einbezogen werden.
K = KompetenzB = BestimmtheitA = Affiliation
S = SelektionsschwelleA = AuflösungsgradA = Aktiviertheit
depressive Verstimm
ung (1)haptischer Reiz,Vorstellung (3)Ausdruck von W
ut (5)Frieden (6)
noch andauernde Wut (8)
Ausdruck, Zerstörung (9)Assoziation (10)Analogie-Schluss (11)W
eiterspinnen (12)Ausdruck (13)Frieden (14)
Unruhe, Hektik (2)
Erregung, intuitiver Ausdruck (4)
Reflexion (7)
Ausprägungsgrad
Schrittzahl
Arousal
1,0
0,5
0
0,25
0,75
spezifische Exploration Arousal
spezifische Exploration
NachdenkenNachdenken
diversive Exploration
Abb. 6: Zusammenhang zwischen Emotion (Wut) und Analogie-Schluss (A10)
Der kreative Prozess 16
Abbildung 5: Starke Emotionen (Wut) unterstützen das Finden neuer Lösungen (A10) (aus: Vollmer, 2010, S. 73)
Im therapeutischen Setting könnte dieses „Sprechen“ bei gleichzeitiger
Stabilisierung durch das Ausschütten von Selbstwirksamkeits-Signalen für die
Weiterarbeit genutzt werden.
3.4. Flow-Erleben ist ein Abgleich-Prozess, bei dem die Bestimmtheit reguliert wird
Im kreativen Schaffensprozess entstehen Phasen selbstreflexionsfreien, von Zeit
und Raum gelösten Tuns und ausgesprochenen Glückempfindens.
Die Künstlerin beschreibt:
Dabei entsteht eine Art rauschähnlicher Zustand (Ekstase nicht, ich bin ja noch
ansprechbar). Ich verliere manchmal durchaus die Kontrolle über mich, aber
nicht über den Malprozess: Male einfach, was ich fühle, nicht, was ich denke.
Ich erlebe es als äußerst befriedigend und wohltuend, diese Striche und die damit
verbundenen Gefühle ausdrücken zu können. Dabei bin ich aber in äußerster
Erregung. Ich verziehe mein Gesicht, beuge mich angespannt über das Papier. Es ist
wie eine empathische Verbindung zwischen auszudrückenden Gefühlen und
Ausdruck auf dem Blatt. Bis sich ein Gefühl des Friedens in mir ausbreitet
(A3/10-14, Vollmer, 2010, S. 41-42).
In dieser Phase verselbstständigt sich der Prozess des Abgleichens derart, dass bei der
Annäherung an eine stimmige Lösung Flow-Erleben auftreten kann. An anderer Stelle
berichtet A: „Das ist ein Gefühl der Übereinstimmung von dem, was ich erreichen
möchte und dem, was ich erreiche. Ich sehe, was ich schaffen will und meine Hand
führt es aus. Ein Gefühl der Zufriedenheit. Das Gefühl ist so stark, dass man es wieder
erleben möchte.“ (A, Vollmer, 2010, S. 96-97)
Der kreative Prozess 17
Abbildung 6 28
Schrittzahl
Reflexion: Motivsuche (2)
Motiv gefunden (3)
intuitiver Ausdruck (9)Korrektur (10)
Reflexion: Abruf depr. Verstimm
ung (4)
Angst (1)
technische Hilfestellung (6)Problem
, Reflexion (7) Erregung, Reiz (8)
Zufriedenheit (12)
intuitiver Ausdruck (11)
Herantasten Motiv, Reiz (5)
Ausprägungsgrad
1,0
0,5
0
0,25
0,75
spezifische Exploration
Nachdenken Nachdenken Arousal
Flucht
spezifische Exploration
K = KompetenzB = BestimmtheitA = Affiliation
S = SelektionsschwelleA = AuflösungsgradA = Aktiviertheit
depressive Verstimm
ung (1)haptischer Reiz,Vorstellung (3)Ausdruck von W
ut (5)Frieden (6)
noch andauernde Wut (8)
Ausdruck, Zerstörung (9)Assoziation (10)Analogie-Schluss (11)W
eiterspinnen (12)Ausdruck (13)Frieden (14)
Unruhe, Hektik (2)
Erregung, intuitiver Ausdruck (4)
Reflexion (7)
Ausprägungsgrad
Schrittzahl
Arousal
1,0
0,5
0
0,25
0,75
spezifische Exploration Arousal
spezifische Exploration
NachdenkenNachdenken
diversive Exploration
Abb. 6: Zusammenhang zwischen Emotion (Wut) und Analogie-Schluss (A10)Abb. 6: Flow-Erleben unterbrochen von einer kurzen Reflexionsphase (A12)Abbildung 6: Flow-Erleben unterbrochen von einer kurzen Reflexionsphase (aus: Barbara Vollmer, 2010,
S. 61)
Was passiert hier? Je stärker sich die Vorstellung vom Handlungsergebnis, die
Vorstellung von deren motorischer Umsetzung und die durch die motorische Umsetzung
gestaltete Wirklichkeit einander annähern, desto höher wird der Grad der Bestimmtheit
insgesamt und desto intensiver das Flow-Erlebnis (s.a. bei Csikszentmihalyi & Le
Fevre, 1989; Aellig, 2004). Dabei entsteht das beglückende Gefühl, dass die erkannten
Zusammenhänge stimmig sind.
Zwei Aspekte können diesen Prozess stützen:
In der Untersuchung werden erstens von den Künstlern intensive sensorische Reize
beschrieben, wie etwa: „spüre, wie das Papier, die Form von mir Besitz
ergreift...“ (A12/5, Vollmer, 2010, S. 60). Vermutlich unterstützen solche Affekte den
Prozess der Fokussierung in der spezifischen Exploration ( s.a. Ciompi, 1997) und
damit auch die Annäherung an eine nahezu lückenlose Verkopplung zwischen
Der kreative Prozess 18
Vorstellung und durch Ausführung gestalteter Wirklichkeit.
Zweitens können während des Flow-Erlebens auftretende, mit Emotionen durchmischte
Kognitionen den Prozess der Fokussierung unterstützen. Dabei kann es sich um das
Erfinden von Geschichten zum Thema (wie in A10), um die Verwendung von Analogien
oder um Gefühle, wie etwa Empathie handeln. Die Färbung von Kognitionen durch
Gefühle stellt so - wie von Dörner vermutet - zusätzliche Informationen bereit.
Kreative Prozesse haben also das Potential, durch Bedürfniserfüllung zu stabilisieren,
sie bieten darüber hinaus eine umfassende, mehrperspektivische Möglichkeit der
Bearbeitung von Problemen, helfen Lösungswege zu finden und belohnen mit
Glücksgefühlen. Damit stellen sie ein wichtiges Instrument für therapeutische Settings
dar.
Der kreative Prozess 19
Literaturverzeichnis:
Aellig, S. (2004). Über den Sinn des Unsinns. Flow-Erleben und Wohlbefinden als
Anreize für autotelische Tatigkeiten. Eine Untersuchung mit der Experience Sampling
Method (Esm) am Beispiel des Felskletterns. Münster: Waxmann.
Aron, E. N. (1996). The Highly Sensitive Person. How to thrive when the World
overwhelmes You. 3. Auflage. New York: Broadway Books.
Ciompi, L. (1982). Affektlogik. Über die Struktur der Psyche und ihre Entwicklung. Ein
Beitrag zur Schizophrenieforschung. Stuttgart: Klett-Coda.
Ciompi, L. (1997). Die emotionalen Grundlagen des Denkens: Entwurf einer fraktalen
Affektlogik. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht.
Csikszentmihalyi, M. (1997). Flow. Das Geheimnis des Glücks. 2. Auflage. New York:
Klett Coda.
Csikszentmihalyi, M. & LeFevre, J. (1989). Optimal experience in work and leisure.
Journal of Personality and Social Psychology, 56, 815-822.
Dörner, D. (2008). Bauplan für eine Seele. 3. Auflage. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt.
Starker, U. (1996). Allerliebst und Rätselhaft. Ästhetik, Denken und Unbestimmtheit.
Dissertation, Universität: Bamberg.
Starker, U. (1998). Allerliebst und Rätselhaft. Ästhetik, Denken und Unbestimmtheit. In
Europäische Hochschulschriften. Reihe VI, Band 600. Frankfurt, Berlin, Bern, New
York, Paris, Wien: Peter Lang.
Der kreative Prozess 20
Vollmer, B. (2010). Emotion und Flow-Erleben als Determinanten für Motivation und
Handlungsregulation im kreativen Prozess. Magisterarbeit, Universität Bamberg.
Hertlein, J. (1990). Persönlichkeit, Motivation und der Schaffensprozess bildender
Künstler. Bamberg: Universität, Lehrstuhl für Theoretische Psychologie.
Wallas, G. (1927). The Art of Thought. 2. Auflage. Frome, London: Butler and Tanner
LTD.
Erschienen in:
Musik-, Tanz- und Kunsttherapie, 23 (3), 167 – 173, Hogrefe Verlag: Göttingen, 2012
Diese Artikelfassung entspricht nicht vollständig dem in der Zeitschrift veröffentlichten
Artikel. Dies ist nicht die Originalversion des Artikels und kann daher nicht zur
Zitierung herangezogen werden.
Der kreative Prozess 21
Recommended