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Onkologie beim betagtenMenschen

Prof. Dr. Jörg Beyerjoerg.beyer@usz.ch

Krebs

ist nach denkardiovaskulären Erkrankungenin industrialisierten Ländern die zweithäufigste Todesursache

Historische Entwicklung der Lebenserwartung

• Imperium Romanum: 22 Jahre

• England, 1200 n. Chr.: 30 Jahre

• Deutschland, 1900 n. Chr.: 50 Jahre

• Derzeitiger Zugewinn eines jeden neuen Jahrgangs an Lebenserwartung:

3 Monate pro Jahr(d.h. 26,6 Jahre seit 1900!)

Range from 82,2 years (highest)68,7 years (lowest) Gap of 13,5 years

Life expectancy at birth in the EuropeanRegion (53 member states)

Krebs ist vor allemeine Erkrankung des

älteren Menschen

Inzi

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Quelle: SEER Datenbank 2008, USA

Unter 20 Jahre

20 bis 34 Jahre

35 bis 44 Jahre

45 bis 54 Jahre

55 bis 64 Jahre

65 bis 74 Jahre

75 bis 84 Jahre

Über 84 Jahre

Alter bei der Erstdiagnose von KrebsMedian 67 Jahre

Tumorerkrankungen entwickeln sich zunehmend zu einem Altersproblem

Edwards BK, et al. Cancer 2002;94:2766-2792

3.0

2.5

2.0

1.5

1.0

0.5

0

Age (years)

85

75–84

65–74

50–64

<50

2030 2040 205020202000 2010Year

Cas

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(mill

ions

)

Fallbeispiel

85 jährige Patientin

• Erstdiagnose aggressives Non-Hodgkin Lymphom mitcervikalen mediastinalen und abdominellen Lymphknoten.

• Sehr rüstige Patientin, verwitwet, alleine lebend. Kinder lebennicht in Berlin. Führt ihren Haushalt selbst mit Unterstützungund Hilfe gut befreundeter Nachbarn.

• Geringe Komorbidität (arterieller Hypertonus, Presbyakusis,Coxarthrose bds mit Gelenkersatz).

Don't push me I am close to the egde

Grandmaster Flash "The message" & Clegg A et al Lancet 2013

NE

JM 2002, 346:235

Elderly = 60-80 Jahre !

NE

JM 2002, 346:235

Zwei 80 Jährige Frauen Würden Sie beide Patientinnenin gleicher Weise behandeln ?

JAMA, 2001, 285: 2750

Lebenserwartung, Fitness und Komorbidität

WelcheKomorbiditäten?

Überlebenskurven für Myokardinfarkt, Herzinsuffizienzund verschiedene Krebsformen

Daten des Scottish Morbidity Record Scheme

Stewart et al, Eur J Heart Failure 2001; 3: 315-22

ELEMENTE EINES UMFASSENDEN GERIATRISCHEN ASSESSMENTS

Instrument Dimension GeschätzterZeitaufwand

[min]

In Anlehnung an: Friedrich et al ( 2003): Assessment-gestützte Entscheidungen bei älteren Patienten in der Onkologie, European Journal of Geriatrics Jg. 5 (4)

•Barthel-Index (ADL) •Erfassung der Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Charlson-Index •Erfassung der Komorbiditäten 10

•MMSE •Erfassung der kognitiven Fähigkeiten 10 -15

•GDS •Erfassung der psychischen Situation 10 -15

• IADL-Lawton •Erfassung der instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Timed up and go •Erfassung der Mobilität 2

•BMI •Erfassung des Ernährungszustandes 1

Allgemeinzustand Onkologie

0 Keine Symptome 1001 Symptome, aber voll ambulant 802 Symptome, aber <50% bettlägerig 603 Symptome, aber >50% bettlägerig 404 voll bettlägerig 20

ECOG Karnofsky

Geriatric Assessment performs better than Karnofsky Perfomance Status in Predicting

Toxicity

Kenis C et al J Clin Oncol 2014

ELEMENTE EINES UMFASSENDEN GERIATRISCHEN ASSESSMENTS

Instrument Dimension GeschätzterZeitaufwand

[min]

In Anlehnung an: Friedrich et al ( 2003): Assessment-gestützte Entscheidungen bei älteren Patienten in der Onkologie, European Journal of Geriatrics Jg. 5 (4)

•ADL (Barthel Index) •Erfassung der Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Charlson-Index •Erfassung der Komorbiditäten 10

•MMSE •Erfassung der kognitiven Fähigkeiten 10 -15

•GDS •Erfassung der psychischen Situation 10 -15

• IADL-Lawton •Erfassung der instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Timed up and go •Erfassung der Mobilität 2

•BMI •Erfassung des Ernährungszustandes 1

Geriatric Assessment performs better than Karnofsky Perfomance Status in Predicting

Toxicity

ELEMENTE EINES UMFASSENDEN GERIATRISCHEN ASSESSMENTS

Instrument Dimension GeschätzterZeitaufwand

[min]

In Anlehnung an: Friedrich et al ( 2003): Assessment-gestützte Entscheidungen bei älteren Patienten in der Onkologie, European Journal of Geriatrics Jg. 5 (4)

•Barthel-Index (ADL) •Erfassung der Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Charlson-Index •Erfassung der Komorbiditäten 10

•MMSE •Erfassung der kognitiven Fähigkeiten 10 -15

•GDS •Erfassung der psychischen Situation 10 -15

• IADL-Lawton •Erfassung der instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Timed up and go •Erfassung der Mobilität 2

•BMI •Erfassung des Ernährungszustandes 1

• Gruppe 1• Selbstversorger• Keine Komorbidität• Altersentsprechende

Lebenserwartung

• Gruppe 2• Geringfügige/mäßige

Einschränkungen

• Gruppe 3• „Handicapped“ • Deutl. Komorbidität• Deutlich reduzierte

Lebenserwartung

Ziel Remissionen Ziel Symptomkontrolle Ziel Symptomkontrolle

Tx Intens. Therapie Tx „Milde“ Therapie Tx Support. Therapie

„Go Go“ „Slow Go“ „No Go"

Behandlung von Patienten mit CLLnach „Comprehensive Geriatric Assessement“

Balducci et al., The Oncologist 2000, 5: 224 - 237

ELEMENTE EINES UMFASSENDEN GERIATRISCHEN ASSESSMENTS

Instrument Dimension GeschätzterZeitaufwand

[min]

In Anlehnung an: Friedrich et al ( 2003): Assessment-gestützte Entscheidungen bei älteren Patienten in der Onkologie, European Journal of Geriatrics Jg. 5 (4)

•Barthel-Index (ADL) •Erfassung der Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Charlson-Index •Erfassung der Komorbiditäten 10

•MMSE •Erfassung der kognitiven Fähigkeiten 10 -15

•GDS •Erfassung der psychischen Situation 10 -15

• IADL-Lawton •Erfassung der instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Timed up and go •Erfassung der Mobilität 2

•BMI •Erfassung des Ernährungszustandes 1

Biologisches AlterFunktioneller Status

ComorbiditätenErnährungsstatus / BMI

...

Soziale Einbindung

Die Therapieentscheidung ist komplex

Biologisches AlterFunktioneller Status

ComorbiditätenErnährungsstatus / BMI

Cognitiver Status...

Soziale EinbindungWunsch des Patienten

Die Therapieentscheidung ist komplex

Intellektuelle / kognitive Fähigkeit eines Patienten ?

ELEMENTE EINES UMFASSENDEN GERIATRISCHEN ASSESSMENTS

Instrument Dimension GeschätzterZeitaufwand

[min]

In Anlehnung an: Friedrich et al ( 2003): Assessment-gestützte Entscheidungen bei älteren Patienten in der Onkologie, European Journal of Geriatrics Jg. 5 (4)

•Barthel-Index (ADL) •Erfassung der Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Charlson-Index •Erfassung der Komorbiditäten 10

•MMSE •Erfassung der kognitiven Fähigkeiten 10 -15

•GDS •Erfassung der psychischen Situation 10 -15

• IADL-Lawton •Erfassung der instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens

5

•Timed up and go •Erfassung der Mobilität 2

•BMI •Erfassung des Ernährungszustandes 1

Abnormal ≤ 14

Kenis C et al J Clin Oncol 2014

Screening for Geriatric Risk Profile and Survival

Chemotherapie im AlterGefahr von Interaktionen - Begleitmedikation

• n = 218 Pat. > 70 Jahre

38 % 1 - 3 Medikamente

27 % 4 - 6 Medikamente

28 % > 7 Medikamente

7 % keine MedikamenteCocoram, US-Data, 1998

(State of Florida)

• 120 Pat. > 70 Jahre aus Kanada:

53% nahmen Medikamente anders als Hausarzt glaubte !Frank et al., Can Fam Pysician 2001

Chemotherapie im AlterGefahr von Interaktionen - Begleitmedikation

Nur 40% stabile Medikation > 3 Monate

Probleme der Pharmakotherapiebei älteren Menschen

• Vergesslichkeit• „Uneinsichtigkeit“• Widerwillen• Seh- und Hörschwäche• Verlust der Feinmotorik• Rückgang der Handkraft• Tremor• Schluckstörungen

…selbst wenn ein Patient die Medikation nehmen möchte…

• Sicherheitsverpackung• Pillengröße

Nikolaus et al., Eur J Clin Pharmacol 1996; 49: 255

Veränderte pharmakokinetische Parameter:

• Veränderte Verteilungsvolumen (Fettgewebsanteil,Gesamtkörperwasser )

• Abnahme der renalen Filtrationsleistung (GFR )

• Reduktion der intestinalen Mukosaoberfläche, Resorptionsfähigkeit

• Veränderte hepatische Metabolisierung

Pharmakokinetische Daten nach Applikation von 60 mg Doxorubicin Bolus in Abhängigkeit vom

Alter

=> AUC ist bei 75-Jährigen 40%, bei 95-Jährigennahezu 100% höher als bei 35-Jährigen!

Li & Gwilt, Cancer Chemother Pharmacol 2003

Erhöhte Organtoxizität bei älteren Patienten

• Schleimhauttoxizität Cohen 1997

• Kardiotoxizität, Neurotoxizität Vestal 1997

• Myelosuppression Conti and Christman 1995

• Inzidenz schwerer Infektionen(insbesondere bei Patienten > 70 Jahre) Gomez et al. 1998

Lymphomtherapie – University of IOWA, USA

n = 577 Lymphompatientenmit CHOP

febrile Neutropenie

1. Zyklus

< 65 Jahre 287 Pat. 19% 1/3> 65 Jahre 290 Pat. 36% 2/3

E. Chrischilles, Cancer Control 2002

Einfluss des Alters auf Hospitalisierungen und Dosisintensität bei NHL Patienten mit CHOP

Chemotherapie

50

40

30

20

10

0

Morrison V, et al. Clin Lymphoma. 2001;2:47-56

Hospitalisierungaufgrund FN

<6 ZyklenCHOP

Patie

nten

(%)

18–64 Jahre (n = 287)65 Jahre (n = 290)

P <0.05

P <0.05

ARDI = average relative dose intensity

80% ARDI

P <0.05

Don't push me I am close to the egde

Grandmaster Flash "The message" & Clegg A et al Lancet 2013

Fallbeispiel

85 jährige Patientin

• Patientin erhält ambulant eine volldosierte Therapie mitRituximab, Cyclophosphamid, Adriamycin, Vincristin undPrednisolon (R-CHOP).

• Am Tag +9 nach Beginn der Therapie stationäre Aufnahmeüber Rettungsstelle mit Panzytopenie (Hb 10 g/dl, Leuko 0,3 /nl,Thrombo 45 /nl) und Fieber. Die Patientin ist verwirrt, pflege-bedürftig und inkontinent, > 50% des Tages bettlägerig.

• Unter Rehydratation, empirischer Antibiotikagabe allmählicheklinische Besserung und Wiedererlangung ihrer Mobilität.

Fallbeispiel

85 jährige Patientin

• Implantation eines PORT Systems.

• Fortführung der Chemotherapie in angepasster Dosierungund unter prophylaktischer Gabe hämatopoetischerWachstumsfaktoren.

• Fortführung der Chemotherapie stationär.

• Organisation einer Hauskrankenpflege.

Zusammenfassung

• Ältere Patienten mit Krebserkrankung können unterunter Beachtung von Komorbiditäten und ihrer speziellenLebenssituation vergleichbare Therapieergebnisse erzielenwie jüngere Patienten.

• Ältere Patienten haben häufig identische Erwartung an dieTherapie wie jüngere Patienten.

• Die Therapie älterer Patienten ist komplex und bedarf einersorgfältigen Abwägung zwischen zu erwartendem Therapie-erfolg und individueller Lebenssituation/Komorbidität.

• Diese Abwägung findet (noch) weitgehend empirisch statt.

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