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www.fachnachrichten.de
Praxisrelevante Informationen aus Rechtsprechung und Literatur ausgewählt vom Steuerrechtsausschuss des StBV Westfalen-Lippe
Ausgabe Nr. 1 · Februar 2016
Mitglieder des Steuerrechtsausschusses:ff Dipl.-Ökonom, StB Dieter Blaurock, Bochum
ff Dipl.-Finw., StB Christian Herold, Herten
ff Dipl.-Kfm., StB / WP Dr. Christian Konermann, Rheine
ff Dipl.-Ökonom, StB / WP Wilhelm-Berthold Schmuch, Bochum
ff Dipl.-Kfm., StB / WP Marcus Tuschen, Meschede
ff Dipl.-Kfm., WP Olaf Zöllner, Arnsberg
3
Februar 2016
InhaltSitzungsergebnis der 1. Sitzung 2016 des StRA am 22. Januar 2016.
Die nachfolgenden Ausführungen sind das Ergebnis sorgfältiger Analysen der zitierten Quellen. Für das erarbeitete Ergebnis kann
jedoch keine Haftung übernommen werden.
1. EINKOMMENSTEUER1.01 Ansatz eines geldwerten Vorteils für durch Hausbesuche unterbrochene Fahrten von der Wohnung
zur Arztpraxis Seite 6
Wissen
FG München, Urteil vom 06.06.2014, 8 K 3322/13, rkr.
DStRE 2015 S. 1474
1.02 Kein Betriebsausgabenabzug bei Nutzung eines nach der sog 1%-Regelung versteuerten Pkw
eines AN i.R.d. Einkünfte aus selbständiger Arbeit Seite 7
Abwehr / Wissen
BFH-Urteil vom 16.07.2015, III R 33/14
DStR 2015 S. 2594, DB 2015 S. 2790
1.03 Fahrtenbuchmethode; periodengerechte Zuordnung einer Leasingsonderzahlung Seite 9
Wissen
BFH-Urteil vom 03.09.2015, VI R 27/14
DStR 2015 S. 2597, DB 2015 S. 2730
1.04 Einkommensteuerrechtliche Qualifikation von Preisgeldern aus Turnierpokerspielen Seite 11
Wissen
BFH-Urteil vom 16.09.2015, X R 43/12
DStR 2015 S. 2651, DB 2015 S. 2731
2. KÖRPERSCHAFTSTEUER2.01 Zurechnung von vGA bei Untreuehandlungen eines Nur-Geschäftsführers zu Lasten der Gesellschaft Seite 13
Abwehr / Wissen
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.07.2015, 10 V 9101/13
EFG 2015 S. 1643, Haufe-Index 8299337
2.02 Anwendung der Grundsätze zur Überversorgung Seite 14
Wissen
FG Köln, Urteil vom 29.04.2015, 13 K 2435/09
EFG 2015 S. 1563, Haufe-Index 8299371
2.03 Sachlicher Anwendungsbereich des § 32a KStG bei vGA Seite 16
Abwehr / Wissen
BFH-Beschluss vom 05.06.2015, VIII B 20/15
GmbHR 2015 S. 1053, Haufe-Index 8469287
4
Ausgabe Nr. 1
3. GEWERBESTEUER3.01 Teilbetrieb nur bei hinreichender Selbständigkeit des Geschäftsbereichs Seite 18
Wissen
BFH-Urteil vom 22.10.2015, IV R 17/12
NWB Dok-ID: ZAAAF-1842, BFH/NV 2016 S. 209
3.02 Hinzurechnung von am Umsatz des Pächters bemessenen Grundstückspachtzahlungen Seite 19
Wissen
BFH-Urteil vom 18.08.2015, I R 43/14
NWB Dok-ID: VAAAF-18885, BFH/NV 2016 S. 232
4. BILANZSTEUERRECHT4.01 Steuerliche Behandlung von kundenspezifischen mit Werkzeugkostenzuschüssen geförderten
Werkzeugen Seite 21
Wissen
BFH-Urteil vom 28.05.2015, IV R 3/13
BStBl II 2015 S. 7977, NWB 2015 S. 2842, kösdi 2015 S. 19500
4.02 Teilwertabschreibung auf ungesicherte Gesellschafterdarlehen an Auslandstochtergesellschaft Seite 23
Abwehr / Gestaltung
BFH-Urteil vom 26.06.2015, I R 29/14
BB 2015 S. 2544, kösdi 2015 S. 19505
4.03 Einbeziehung eines negativen Kapitalkontos in die Berechnung des Veräußerungsgewinns eines
gegen Entgelt aus einer KG ausscheidenden Kommanditisten Seite 25
Wissen
BFH-Urteil vom 09.07.2015, IV R 19/12
BB 2015 S. 2288 mit Anm., DB 2015 S. 1874, DStR 2015 S. 1859, GmbHR 2015 S. 999
4.04 Tarifbegünstigung des Betriebsaufgabegewinns trotz vorheriger Ausgliederung einer
100 %-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Buchwert Seite 27
Abwehr / Wissen
BFH-Urteil vom 28.05.2015, IV R 26/12
BStBl II 2015 S. 797, BB 2015 S. 1839, DB 2015 S. 1694 mit Anm., DStR 2015 S. 1668, FR 2015 S. 892 mit Anm.,
GmbHR 2015 S. 1061, GmbH-StB 2015 S. 276, kösdi 2015 S. 19386, WPg 2015 S. 852
5. UMSATZSTEUER5.01 Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung von Grundbesitz und Inventar an
mehrere Erwerber Seite 30
Wissen
BFH-Urteil vom 04.02.2015, XI R 42/13
NWB Dok-ID: SAAAE-94258
5
Februar 2016
5.02 Überlassung von Operationsräumen durch einen Anästhesisten Seite 31
Wissen
BFH-Urteil vom 18.03.2015, XI R 15/11
NWB Dok-ID: AAAAE-93360
5.03 Umsatzsteuer für Saunaleistungen in Schwimmbädern Seite 32
Wissen
Bayerisches Landesamt für Steuern, Erlass vom 10.07.2015, S 7243.1.1-5/5 St 33
NWB Dok-ID: OAAAE-94670
5.04 Vorsteuerabzug im Insolvenzverfahren Seite 34
Abwehr / Wissen
BFH-Urteil vom 15.04.2015, V R 44/14
NWB Dok-ID: WAAAE-91562
5.05 Änderung der Bemessungsgrundlage wegen vorübergehender Uneinbringlichkeit aufgrund
eines Sicherungseinbehalts Seite 35
Wissen
BMF-Schreiben vom 03.08.2015, III C2 – S 7333/08/10001:004
BStBl 2015 I, S. 624
6. ERBSCHAFTSTEUER
7. BEWERTUNG
8. ABGABENORDNUNG8.01 Gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes gegenüber mehreren Miterben Seite 37
Abwehr / Wissen
BFH-Urteil vom 30.09.2015, II R 31/13
DStRE 2015 S. 1523, BFH/NV 2016 S. 96, DB 2015 S. 2917
8.02 Verteilung eines Übergangsgewinns Seite 38
Abwehr
BFH-Urteil vom 01.10.2015 , X R 32/13
DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856
8.03 Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere Mittel Seite 40
Abwehr / Wissen
BFH Urteil vom 08.07.2015 - VI R 51/14
DStR 2015, 2131
9. ANDERE RECHTSGEBIETE
10. SONSTIGES Seite 42
6
Ausgabe Nr. 1
1. EINKOMMENSTEUER
1.01
EStG EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6 Abwehr
Ansatz eines geldwerten Vorteils für durch Hausbesuche unterbrochene Fahrten von der Woh-
nung zur Arztpraxis
Gestaltung
X Wissen
FG München, Urteil vom 06.06.2014, 8 K 3322/13, rkr. DStRE 2015 S. 1474
Weiterführende Literatur
LEITSÄTZE:
1. Nutzt ein selbständig tätiger Arzt einen betrieblichen Pkw für Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner Praxis, ist sein
Gewinn auch dann um die pauschale Hinzurechnung nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 Satz 3 EStG zu erhöhen, wenn die Fahrten durch
Hausbesuche bei Patienten unterbrochen werden.
2. Neben der Entfernungspauschale können für solche Fahrten nur die Aufwendungen für die Mehrwege zu den Patienten nach
Dienstreisegrundsätzen als Betriebsausgaben angesetzt werden.
PROBLEMSTELLUNG:
Im Streitfall ging es um die Qualifikation
von Wegekosten als Dienstreisen oder
als Teil der Fahrten W/A. Ein Stpfl., der in
eigener Arztpraxis arbeitete, war dort in
der Regel an den Wochentagen von 9:00
bis 13:00 Uhr und von 15:00 bis 18:00
Uhr tätig. Hausbesuche führte er nach An-
gabe vor den Sprechzeiten auf dem Weg
zur Praxis und nach den Sprechzeiten auf
dem Nachhauseweg durch, in Notfällen
oder bei Terminlücken auch während der
Sprechzeiten.
Das FA setzte wegen der Nutzung des be-
trieblichen Pkw für die Fahrten zwischen
Wohnung und Praxis einen geldwerten
Vorteil (0,03%-Regelung) an und zog im
Gegenzug die Entfernungspauschale als
Betriebsausgabe ab. Der Stpfl. wollte da-
gegen die Fahrten als Hausbesuche den
Dienstreisen zuordnen.
KERNAUSSAGEN:
1. Nach der Rechtsprechung des BFH
ist für die durch berufliche Anläs-
se unterbrochene Fahrt zwischen
Wohnung und Betriebstätte nur die
Kilometerpauschale zu gewähren
und können lediglich für einen even-
tuell erforderlichen Mehrweg die tat-
sächlichen Kfz-Aufwendungen als Be-
triebsausgaben abgezogen werden.
2. Der Charakter der Fahrten zwi-
schen Wohnung und Betriebstätte
ändert sich erst dann, wenn nicht
das Aufsuchen der Betriebstätte,
sondern andere Gründe für die
Fahrt maßgebend sind. Entschei-
dend ist der eigentliche Zweck der
Fahrt, was für die werktäglichen Fahr-
ten als Ziel und Zweck der Fahrt
im Vordergrund steht. Das ist für
Arbeitnehmer und entsprechend für
andere Stpfl. in aller Regel das Aufsu-
chen der Arbeitsstätte, d.h. des Ortes,
der den Mittelpunkt ihrer beruflichen
Tätigkeit bildet. Ob dabei nebenher
durch Fahrtunterbrechungen beson-
dere berufliche Angelegenheiten
miterledigt werden, beeinflusst
nicht den im Vordergrund stehen-
den eigentlichen Zweck der Fahrt
und damit ihren Charakter als Fahrt
zwischen Wohnung und Arbeitsstät-
te. So hat der BFH etwa die Fahrten
eines Rechtsanwalts zu seiner Kanz-
lei als Fahrten zwischen Wohnung-
Arbeitsstätte beurteilt und nur den
für anlässlich dieser Fahrten erfor-
derlichen Mehrweg für miterledigte
Gerichts- oder Behördentermine als
Dienstreise.
3. Werden anlässlich von Fahrten zwi-
schen Wohnung und Arbeitsstätte
Hausbesuche durchgeführt, ändern
diese den Charakter der Fahrt nicht
in einem Maße, dass das grund-
sätzliche Ziel der Fahrten (die Praxis
oder bei der Heimfahrt der Wohnort)
als Zweck der Fahrt in einer Weise
überlagert würde, dass die Hausbesu-
che im Vordergrund stünden. Der Kl.
musste in jedem Fall zur Ausübung ih-
rer Tätigkeit zu den Praxispräsenzzei-
ten in die Praxis und von dort wieder
nach Hause gelangen. Daran ändern
die Patientenbesuche nichts. Sie füh-
ren lediglich zu Mehrwegen, die
nach den Dienstreisegrundsätzen
als betrieblicher Aufwand zu beurtei-
len sind.
7
Februar 2016
PRAXISHINWEISE:
Das Gericht hat in der Urteilsbegründung zu erkennen gegeben, dass ggf. auch eine Anerkennung von Dienstfahrten möglich
gewesen wäre, wenn der Stpfl. weitere Gesichtspunkte für die Beurteilung der Fahrten vorgetragen hätte. Damit ist klar,
dass ein reines Abzugsverbot für Dienstreisen – auch über etwaige Umwege hinaus (die zu dokumentieren sind) – nicht gilt.
Jedoch wird der Stpfl. besondere Gründe darlegen müssen, warum die Fahrt vorrangig direkt betrieblich und nicht bloß bei
Gelegenheit der Fahrt W/A erfolgt ist. Für die Praxis stellt sich die Frage, ob bei regelmäßigen Fahrten zwischen Wohnung
und Arbeitsstätte diese arbeitstäglich zu erfassen sind und etwaige Dienstreisen nur im Wege einer Differenzrechnung
angesetzt werden können.
1.02
EStG EStG § 8 Abs. 2 Satz 2 und 4 X Abwehr
Kein Betriebsausgabenabzug bei Nutzung eines nach der sog 1%-Regelung versteuerten Pkw
eines AN i.R.d. Einkünfte aus selbständiger Arbeit
Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 16.07.2015, III R 33/14 DStR 2015 S. 2594, DB 2015 S. 2790
Weiterführende Literatur
LEITSATZ:
Überlässt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen betrieblichen Pkw, dessen Kosten der Arbeitgeber in vollem Umfang trägt,
auch zur Nutzung für Fahrten im privaten Bereich und zur Erzielung anderer Einkünfte und versteuert der Arbeitnehmer den daraus
erlangten geldwerten Vorteil nach der sog. 1%-Regelung, kann der Arbeitnehmer für die Nutzung des Pkw im Rahmen der Einkünfte
aus selbständiger Tätigkeit keine Betriebsausgaben abziehen.
PROBLEMSTELLUNG:
Im Streitfall ging es um den Betriebsaus-
gabenabzug für ein Fahrzeug, das dem
Stpfl. im Rahmen einer nichtselbständi-
gen Tätigkeit überlassen war und für das
die 1%-Regelung angewandt wurde.
Für die Nutzung des Pkw im Rahmen der
gleichzeitig vom Stpfl. ausgeübten selb-
ständigen Tätigkeit wurde kein weiterer
Sachbezug angesetzt.
In der Überschussrechnung für seine Ein-
künfte aus selbständiger Arbeit ermittelte
der Kl. seine Betriebsausgaben für die be-
triebliche Nutzung des ihm von seinem
Arbeitgeber überlassenen Pkw, indem er
den versteuerten Sachbezug im Verhältnis
der betrieblichen (18.000 km = 78,3%) zu
den privaten Fahrten (5.000 km = 21,7%)
aufteilte. Das FA erkannte diese Betriebs-
ausgaben nicht an.
KERNAUSSAGEN:
1. Betriebsausgaben sind Aufwendun-
gen, die durch den Betrieb veranlasst
sind, wobei der Begriff der „Aufwen-
dungen“ im EStG als Oberbegriff
für „Ausgaben“ und „Aufwand“
verwendet wird und im Sinne aller
Wertabflüsse zu verstehen ist, die
nicht Entnahmen sind. Der Stpfl.
hat seinen Gewinn durch Gegen-
überstellung der ihm zugeflossenen,
seine persönliche Leistungsfähigkeit
erhöhenden Einnahmen und der von
ihm geleisteten, seine persönliche
Leistungsfähigkeit mindernden Aus-
gaben zu ermitteln. Für einen zur
Verfügung gestellten Pkw entstehen
dem Nutzungsberechtigten keine
Aufwendungen in Form einer Zah-
lung von Geld, denn nicht er, sondern
der Arbeitgeber trägt sämtliche Kos-
ten des genutzten Pkw.
2. Die Lohnsteuer, welche beim Kl.
infolge des für die private Nutzungs-
möglichkeit angesetzten geldwer-
ten Vorteils angefallen ist, ist keine
durch die selbständige Tätigkeit
veranlasste Aufwendung und
kann daher nicht zu einem Betriebs-
ausgabenabzug führen. Dies ergibt
sich daraus, dass die Lohnsteuer,
welche nur eine besondere Erhe-
bungsform der Einkommensteuer
darstellt, als persönliche Steuer ei-
ner natürlichen Person der Privat-
sphäre und nicht der Erwerbssphä-
re zuzuordnen ist, die zudem zu
8
Ausgabe Nr. 1
den nicht abzugsfähigen Ausgaben
zählt.
3. Anders ist es, wenn z.B. ein Nut-
zungsvorteil aus einem zinslosen
Darlehen versteuert wurde, da dann
eine konkrete Betriebseinnahme
vorliegt. Im Gegensatz hierzu ist
der Nutzungsvorteil aus einem
Arbeitnehmer überlassenem Pkw
bei Anwendung der 1%-Regelung
unabhängig von individuellen
Nutzungsverhältnissen; insbeson-
dere erfolgt auf der Einnahmenseite
auch dann eine pauschale Bewer-
tung nach der 1%-Regelung, wenn
tatsächlich keine private Nutzung
stattgefunden hat. Der auf der Ein-
nahmenseite besteuerte geldwerte
Vorteil kann keinen konkreten Nut-
zungen zugeordnet werden und kann
daher auch nicht auf rein private und
im Rahmen weiterer Einkunftsarten
stattgefundene Fahrten aufgeteilt
werden. Entsprechend kann auch
auf der Ausgabenseite – hier bei
den Einkünften aus selbständiger Ar-
beit – kein anhand der tatsächlichen
Nutzungsverhältnisse ermittelter und
entsprechend aufgeteilter geldwer-
ter Vorteil eingesetzt und verbraucht
werden. Vielmehr besteht der auf
der Einnahmenseite besteuerte Nut-
zungsvorteil unabhängig davon fort,
ob und in welchem Umfang der Kl.
den Pkw privat oder im Rahmen der
selbständigen Tätigkeit nutzt.
4. Die Aufwendungen sind nicht unter
dem rechtlichen Gesichtspunkt eines
sog. abgekürzten Zahlungsweges
als Betriebsausgaben zu berücksichti-
gen. Davon kann nur dann die Rede
sein, wenn der Dritte für Rechnung
des Stpfl. an dessen Gläubiger leistet.
Diese Voraussetzungen liegen jedoch
nicht vor, wenn der Dritte die im Zu-
sammenhang mit dem Pkw entstan-
denen Rechtsbeziehungen im eige-
nen Namen eingegangen ist und
die Kosten des Pkw als Schuldner für
eigene Rechnung aufwendet.
5. Die Aufwendungen des Arbeitgebers
können dem Kl. auch nicht unter
dem Gesichtspunkt des abgekürz-
ten Vertragsweges zugerechnet
werden, da eine Zurechnung von
Aufwendungen nach den Grundsät-
zen der Abkürzung des Vertragswe-
ges voraussetzt, dass die aufgrund
des Vertrages zu erbringenden Leis-
tungen eindeutig der Erwerbssphäre
des Stpfl. und nicht der des Dritten
zuzuordnen sind. Im Streitfall will
der Arbeitgeber mit dem von ihm
getragenen Aufwand für den zur
Nutzung überlassenen Pkw dem Kl.
jedoch nichts zuwenden. Im Ge-
genteil kommt dieser Aufwand ihrer
eigenen Erwerbssphäre zugute, weil
der Pkw zum Einsatz in ihrem Unter-
nehmen bestimmt ist. Der Umstand,
dass der Kl. diesen Pkw (auch) außer-
halb seines Dienstverhältnisses nutzen
darf, ändert hieran nichts.
PRAXISHINWEISE:
Der BFH hat in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass offen bleibe, wie zu entscheiden wäre, wenn der
Arbeitnehmer bereits auf der Einnahmenseite durch Wahl der Fahrtenbuchmethode eine an den spezifischen Nutzungsver-
hältnissen orientierte Besteuerung des ihm zugeflossenen geldwerten Vorteils durchführt. In diesem Fall wäre es denkbar,
dass der Arbeitnehmer einem ihm auf der Einnahmenseite durch die tatsächliche Nutzung des Pkw im Rahmen weiterer
Einkunftsarten zufließenden und entsprechend zu versteuernden geldwerten Vorteil auch auf der Ausgabenseite einsetzen
und verbrauchen könnte.
In Fällen der Fahrtenbuchmethode muss erforderlichenfalls der Klageweg beschritten werden. Aus Beweisgründen ist es
dann ergänzend erforderlich, dass eine Aufteilung der im Fahrtenbuch als „Privatfahrten“ erfassten km in echte Privatfahrten
und Fahrten im Zusammenhang mit der anderen Einkunftsart erfolgt.
9
Februar 2016
1.03
EStG EStG § 8 Abs. 2 Satz 2 bis 4 Abwehr
Fahrtenbuchmethode; periodengerechte Zuordnung einer Leasingsonderzahlung Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 03.09.2015, VI R 27/14 DStR 2015 S. 2597, DB 2015 S. 2730
Weiterführende Literatur BFH-Urteil vom 05.05.1994, VI R 100/93, BStBl. II 1994, S. 643
LEITSATZ:
Im Rahmen der Fahrtenbuchmethode sind die Gesamtkosten jedenfalls dann periodengerecht anzusetzen, wenn der Arbeitgeber
die Kosten des von ihm überlassenen Kfz in seiner Gewinnermittlung dementsprechend erfassen muss.
PROBLEMSTELLUNG:
Streitig war, wie der geldwerte Vorteil aus
einer Pkw-Überlassung bei Anwendung
der Fahrtenbuchmethode zu ermitteln ist,
wenn der Arbeitgeber eine Leasingson-
derzahlung erbracht hat.
Eine GmbH leaste einen Pkw und überließ
ihn ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer
auch zur privaten Nutzung. Die GmbH
ermittelte den geldwerten Vorteil aus
der Pkw-Überlassung nach der Fahr-
tenbuchmethode; dabei verteilte sie die
Leasingsonderzahlung wie auch in ihrem
Jahresabschluss über die Gesamtlaufzeit
des Leasingvertrags.
Das FA vertrat dagegen im Anschluss an
eine Lohnsteuer-Außenprüfung die Auf-
fassung, dass bei einem Leasingfahrzeug
die monatlichen Leasingraten an Stelle
der Abschreibung stünden, aber die ein-
malige Leasingzahlung insgesamt den im
Streitjahr anzusetzenden Gesamtkosten
hinzuzurechnen sei, so dass sich in Höhe
des nach Fahrtenbuchmethode ermittel-
ten Privatanteils eine entsprechende Er-
höhung des Sachbezugs ergab.
KERNAUSSAGEN:
1. Zu den insgesamt entstehenden Kfz-
Aufwendungen (Gesamtkosten)
gehören die Kosten, die unmittel-
bar dem Halten und dem Betrieb des
Kfz dienen und in Zusammenhang
mit dessen Nutzung typischerweise
entstehen; dazu rechnen insbeson-
dere die Kosten für Betriebsstoffe,
Wartung und Reparaturen sowie die
regelmäßig wiederkehrenden festen
Kosten, etwa für die Haftpflichtver-
sicherung, die Kfz-Steuer, AfA oder
Leasing- und Leasingsonderzah-
lungen und Garagenmiete.
2. Die zutreffende Ermittlung des
geldwerten Vorteils gebietet nicht
nur, die Gesamtkosten dem Grunde
nach zutreffend zu erfassen, son-
dern auch, diese Gesamtkosten pe-
riodengerecht den jeweiligen Nut-
zungszeiträumen zuzuordnen. Seit
jeher werden die Anschaffungskosten
eines Fahrzeugs in der Weise berück-
sichtigt, dass sie über den gesamten
voraussichtlichen Nutzungszeitraum
des Fahrzeugs hinweg aufgeteilt
werden, statt dass sie im Jahr der
Rechnungsstellung oder Bezahlung
in einem Betrag in die Gesamtkosten
eingehen. Nichts anderes hat für die in
der Gewinnermittlung zu erfassenden
Mietvorauszahlungen oder Leasing-
sonderzahlungen zu gelten, die für
einen Zeitraum von mehr als einem
Jahr erbracht werden. Dies gilt je-
denfalls dann, wenn der Arbeitgeber
die Kosten des von ihm überlassenen
Fahrzeugs in seiner Gewinnermittlung
periodengerecht erfassen muss. Ent-
sprechend diesen Grundsätzen sind
in der Steuerbilanz für Ausgaben vor
dem Abschlussstichtag auf der Aktiv-
seite Rechnungsabgrenzungsposten
anzusetzen, soweit sie Aufwand für
eine bestimmte Zeit nach diesem Tag
darstellen.
3. Ob der den Dienstwagen überlassen-
de Arbeitgeber im Rahmen seiner
Gewinnermittlung in Bezug auf den
Dienstwagen diese Gewinnermitt-
lungsgrundsätze tatsächlich be-
achtet, ist unerheblich. Maßgeblich
ist vielmehr, welcher Aufwand sich bei
zutreffender Anwendung gesetzlicher
Bilanzierungsgrundsätze im Veranla-
gungszeitraum tatsächlich ergeben
hätte. Denn ein allgemeines Korres-
pondenzprinzip besteht nicht; es gibt
keine Rechtsgrundlage dafür, dass
auf der Arbeitgeberseite einerseits
und auf der Arbeitnehmerseite an-
dererseits stets korrespondierende
Ansätze vorzunehmen wären.
4. Für die Bewertung der privaten
Kfz-Nutzung gelten die Grund-
sätze der Gewinnermittlung. Im
Bereich der Gewinneinkünfte unmit-
telbar, weil insoweit § 6 Abs. 1 Nr. 4
Satz 2 EStG für die Zwecke der Ge-
10
Ausgabe Nr. 1
winnermittlung die Bewertung der
Nutzungsentnahme normiert. Aber
auch im Rahmen der Arbeitnehmer-
besteuerung geht es um die private
Nutzung eines betrieblichen Kfz; in-
soweit ist die Vorschrift entsprechend
anzuwenden und beansprucht auch
Geltung bei Anwendung der Fahrten-
buchmethode. Mithin sind auch auf
die Bewertung des Vorteils eines zur
privaten Nutzung überlassenen (be-
trieblichen) Dienstwagens die Grund-
sätze der Gewinnermittlung entspre-
chend anwendbar, um den Vorteil
zutreffend, nämlich auch periodenge-
recht zu erfassen. Dies schließt nicht
aus, entsprechend den allgemeinen
Grundsätzen der Gewinnermittlung,
bei nur geringfügigen Beträgen
auf den Ansatz eines Rechnungs-
abgrenzungspostens zu verzich-
ten, wie z.B. bei Steuern und Versi-
cherungen für einen nur aus wenigen
Fahrzeugen bestehenden Fuhrpark.
5. Der periodengerechten Zuord-
nung der Leasingsonderzahlungen
steht auch nicht entgegen, dass
dadurch im Fall des Übergangs auf
die 1%-Regelung im nachfolgenden
Veranlagungszeitraum die anteilige
Leasingsonderzahlung unberück-
sichtigt bliebe. Denn Ziel aktiver
Rechnungsabgrenzungsposten ist
es, Ausgaben vor dem Bilanzstichtag
in die Jahre zu verlagern, in die sie
wirtschaftlich gehören. Sie dienen
damit der periodengerechten Er-
folgsermittlung. Dementsprechend
sind sie auch geeignet, einen dem
Arbeitnehmer zugewandten Vorteil
bei Anwendung der so genannten
Fahrtenbuchmethode zutreffend zu
bewerten, wenn der Arbeitgeber
für einen geleasten oder gemieteten
Dienstwagen eine Sonderzahlung ge-
leistet hat. Darüber hinaus entspricht
es der Natur der 1%-Regelung als
einer nur grob typisierenden Rege-
lung, dass einzelne vorteilserhöhen-
de wie vorteilsmindernde Umstände
unberücksichtigt bleiben. So führen
etwa Kosten für Nachrüstungen des
Dienstwagens oder auch umfangrei-
che Reparaturen weder zu einer Erhö-
hung der Bemessungsgrundlage, des
Bruttolistenneupreises, noch führen
Erwerb und Überlassung gebrauch-
ter Dienstwagen mit deutlich unter
den Bruttolistenneupreisen liegenden
Anschaffungskosten zu einer Verrin-
gerung dieser Bemessungsgrundlage.
PRAXISHINWEISE:
Nach dem BFH-Urteil vom 05.05.1994 kann die Leasing-Sonderzahlung bei einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung sofort
als Betriebsausgabe abgezogen werden. Dies eröffnet die Gestaltungsmöglichkeit, kurz vor dem 31.12. den Leasingvertrag
abzuschließen und die Sonderzahlung zu leisten. Wird für den Rest des Jahres davon abgesehen, den geleasten Pkw privat
zu nutzen (dokumentiert durch ein Fahrtenbuch) kann die Sonderzahlung dann zu 100% abgezogen werden, ohne dass
ein privater Nutzungsanteil gegengerechnet wird.
Nach dem aktuellen Urteil könnte in Frage stehen, ob dieses Gestaltungsmodell noch anwendbar ist, da der BFH darauf
hingewiesen hat, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gibt, dass auf der Arbeitgeberseite einerseits und auf der Arbeitneh-
merseite andererseits stets korrespondierende Ansätze vorzunehmen sind.
11
Februar 2016
1.04
EStG EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abwehr
Einkommensteuerrechtliche Qualifikation von Preisgeldern aus Turnierpokerspielen Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 16.09.2015, X R 43/12 DStR 2015 S. 2651, DB 2015 S. 2731
Weiterführende Literatur
LEITSÄTZE:
1. Das Turnierpokerspiel (hier: in den Varianten „Texas Hold‘em“ und „Omaha“) ist nach einkommensteuerrechtlichen Maßstä-
ben im Allgemeinen nicht als reines – und damit per se nicht steuerbares – Glücksspiel, sondern als Mischung aus Glücks- und
Geschicklichkeitsspiel einzustufen.
2. Die für die Bejahung eines Gewerbebetriebs erforderliche Abgrenzung zwischen einem „am Markt orientierten“, einkommen-
steuerbaren Verhalten und einer nicht steuerbaren Tätigkeit muss stets anhand des konkret zu beurteilenden Einzelfalls vorge-
nommen werden. Sie wird sich praktisch in erster Linie nach den Tatbestandsmerkmalen der Nachhaltigkeit und der Gewinner-
zielungsabsicht, ggf. auch nach dem ungeschriebenen negativen Tatbestandsmerkmal der Nichterfüllung der Voraussetzungen
einer privaten Vermögensverwaltung, richten.
PROBLEMSTELLUNG:
Im Streitfall ging es um die Abgrenzung
von nicht steuerbarem Glückspiel und
Einkünften aus Gewerbebetrieb aus der
Teilnahme an Pokerturnieren. Der Kl. (Pi-
lot) nahm dabei über Jahre weltweit an
Pokerturnieren teil und erzielte erhebliche
Gewinnsummen. Das FA schätzte diese
anhand einer im Internet zugänglichen
Datenbank und nahm einen pauschalen
Betriebsausgabenabzug i.H.v. 30% der
Einnahmen vor. Etwaige weitere Gewinne
aus dem Pokerspiel in Spielcasinos (sog.
Cash-Games) und im Internet (Online-
Poker) ließ das FA ausdrücklich außer
Ansatz. Aus Sicht des Kl. stellten die vom
FA angesetzten Einnahmen Gewinne aus
Glücksspielen dar und seien daher nicht
steuerbar. Zudem wandte er ein, die
Internet-Datenbank sei keine belastbare
Schätzungsgrundlage.
Das FG kam zu der Überzeugung, dass
die Vereinnahmung der streitgegen-
ständlichen Preisgelder wesentlich und
überwiegend von den Fähigkeiten des
Kl. abhängig sei, weil die berufliche Aus-
bildung bzw. Tätigkeit die spielerischen
Fähigkeiten des Kl. in seiner Person derart
verdichteten, dass es ihm – im Gegensatz
zum Durchschnittsspieler – in besonde-
rem Maße möglich gewesen sei, Einfluss
auf den Ausgang von Pokerturnieren zu
nehmen, so dass der Erfolg beim Turnier-
pokerspiel überwiegend von seinem Ge-
schick abhängig gewesen sei.
KERNAUSSAGEN:
1. In Bezug auf die steuerrechtliche Be-
urteilung von Spielgewinnen bzw.
Preisgeldern ist anerkannt, dass bei
einem reinen Glücksspiel (z.B. Lot-
terie) keine Teilnahme am allge-
meinen wirtschaftlichen Verkehr
vorliegt, weil es an der Verknüpfung
von Leistung und Gegenleistung
fehlt. Denn dort stellen weder die
Spieltätigkeit noch der Spieleinsatz
Leistungen dar, die durch den Spiel-
gewinn vergütet werden.
2. Auf die individuellen – ggf. über-
oder unterdurchschnittlichen – Fähig-
keiten eines Pokerspielers kommt
es für die Frage, ob Leistung und Ge-
genleistung verknüpft sind, nicht an.
Diese Aspekte sind vorrangig bei den
weiteren Tatbestandsmerkmalen der
Nachhaltigkeit und der Gewinn-
erzielungsabsicht, ggf. auch beim
ungeschriebenen negativen Tatbe-
standsmerkmal der Nichterfüllung
der Voraussetzungen einer privaten
Vermögensverwaltung, zu berück-
sichtigen. Danach kann dahinste-
hen, ob ein Leistungsverhältnis
im vorgenannten Sinne ggf. auch
dann anzunehmen wäre, wenn
sich das Turnierpokerspiel als reines
Glücksspiel darstellte, bei dem zwar
nicht das Spielgeschick des Kl., aber
seine individuelle Bekanntheit als
häufig auftretender Spieler, Fernseh-
kommentator, Blog-Autor und Haupt-
darsteller einer Poker-Schulungs-DVD
Gegenstand der entgeltlichen öf-
fentlichen Darbietung wäre.
3. Das Merkmal der Teilnahme am
allgemeinen wirtschaftlichen
Verkehr setzt voraus, dass der
Stpfl. eine Tätigkeit am Markt
12
Ausgabe Nr. 1
gegen Entgelt für Dritte äußerlich
erkennbar anbietet, z.B. wie ein
„berufsmäßiger“ Skat-, Rommé- und
Backgammonspieler. Seine Tätigkeit
muss nach außen hin in Erscheinung
treten und sich an eine – wenn auch
nur begrenzte – Allgemeinheit (Ver-
kehrskreis) wenden. Wer bei von
ihm besuchten Pokerturnieren die
öffentliche Darbietung seiner
spielerischen Fähigkeiten anbietet
und hierfür als Entgelt ein von seiner
Platzierung abhängiges Preisgeld in
Aussicht gestellt wird, verwirklicht
dies.
4. Es ist rechtlich ohne Belang, dass
zugleich die (obligatorische) Verpflich-
tung eingegangen wird, sich durch
die Zahlung eines „Buy-Ins“ (Start-
geld) an den Aufwendungen bzw.
der Vergütung des Turnierveranstal-
ters zu beteiligen. Diese Zahlungen
stellen nach der einkommensteuer-
rechtlichen Systematik Betriebsaus-
gaben des Kl. dar, durch die sich –
bei der gebotenen wirtschaftlichen
Betrachtungsweise – letztlich nur die
Maximalhöhe des von ihm erzielbaren
Gewinns verringert.
5. In der bisherigen Rechtsprechung
wurde regelmäßig eine Beteiligung
am allgemeinen wirtschaftlichen
Verkehr für reines Glückspiel ver-
neint. Tritt das Geschicklichkeit-
selement bereits bei einem durch-
schnittlichen Spieler nur noch wenig
hinter das Zufallselement zurück
bzw. übertrifft dieses, ist das Poker-
spiel im Allgemeinen jedoch als Mi-
schung aus Glücks- und Geschick-
lichkeitselementen anzusehen.
6. Bei der Gewinnerzielungsabsicht
handelt es sich um ein subjektives
Tatbestandsmerkmal, das allerdings
nicht nach den Absichtserklärungen
des Stpfl., sondern nach den äuße-
ren Umständen zu beurteilen ist.
Dass einer Betätigung zweifelsohne
auch eine nicht unerhebliche Spiel-
leidenschaft zugrunde liegt, steht
dem nicht entgegen, denn nach der
gesetzgeberischen Wertung in § 15
EStG ist es für die Annahme eines Ge-
werbebetriebs (bei Vorliegen seiner
Voraussetzungen im Übrigen) ausrei-
chend, wenn die Gewinnerzielungs-
absicht einen Nebenzweck darstellt.
7. Eine Betätigung als Turnierpoker-
spieler überschreitet auch den
Rahmen privater Vermögensver-
waltung – sofern diese beim Poker-
spiel überhaupt vorstellbar ist, da
strukturell-gewerbliche Aspekte
(regelmäßige Teilnahme an großen,
auch im Ausland ausgetragenen Tur-
nieren, Umfang der jährlich bzw. über
die Jahre hinweg erzielten Preisgelder
und – damit korrespondierend – nicht
unerhebliche „Buy-Ins“, vertragliche
Einkleidung der Turnierteilnahme, po-
kerbezogene mediale Präsenz bzw.
Vermarktung der eigenen Person und
Fähigkeiten) in der Gesamtschau ent-
scheidend in den Vordergrund tre-
ten.
PRAXISHINWEISE:
Das Urteil macht deutlich, dass die Besteuerung grundsätzlich nicht an den Tatbestand des „Glücksspiels“ anknüpft sondern
an den Tatbestandsmerkmalen des Gewerbebetriebs. Damit können auch Teilnahmen an „reinem“ Glücksspiel grundsätzlich
zu einem Gewerbebetrieb führen, wobei der BFH hierfür aber keine Anhaltspunkte gegeben hat.
Fraglich ist, wie in vergleichbaren Fällen die Spieleinsätze bzw. Verluste zu behandeln sind und wann bei Vorliegen von
Anfangsverlusten die gewerbliche Tätigkeit konkret begonnen hat. Dem Grunde nach müssten insoweit auch Betriebsaus-
gaben anzunehmen sein. Zu beachten ist, dass Geschicklichkeitsspiele z.B. auch bei Quiz- oder Spielteilnahmen gegeben
sein können, so dass im Zweifel auch einmalige Preisgelder der ESt unterliegen können.
13
Februar 2016
2. KÖRPERSCHAFTSTEUER
2.01
KStG KStG § 8 Abs. 3 Satz 2, EStG § 20 Abs.1 Nr. 1 bis 3 X Abwehr
Zurechnung von vGA bei Untreuehandlungen eines Nur-Geschäftsführers zu Lasten der Gesell-
schaft
Gestaltung
X Wissen
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.07.2015, 10 V
9101/13
EFG 2015 S. 1643, Haufe-Index 8299337
Weiterführende Literatur
LEITSATZ:
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob Untreuehandlungen eines GmbH-Geschäftsführers, der selbst nicht Gesellschafter ist, zu Lasten der
Gesellschaft einen Zufluss von vGA bei den anderen Geschäftsführern, die zugleich auch Gesellschafter sind, bewirken können.
PROBLEMSTELLUNG:
Bei einer GmbH wurden im Rahmen ei-
ner BP sowie einer Fahndungsprüfung
Schwarzeinnahmen in Höhe von T€ 381
festgestellt. Gesellschafter-Geschäftsfüh-
rer der GmbH waren im Streitjahr 2005
die Eheleute A und B (zusammen 50%)
sowie C (50%); ab dem 03.08.2005 war
C alleinige Gesellschafter-Geschäftsführe-
rin. Der von C geschiedene D war weite-
rer, nicht beteiligter Geschäftsführer. Nach
den Angaben der C und den Feststellun-
gen der Fahndung hatte D die Einnahmen
ohne Wissen und Wollen der anderen Ge-
schäftsführer/ Gesellschafter veruntreut.
Die GmbH hatte deshalb in ihrer Bilanz
eine entsprechende Forderung gegen D
eingestellt. Aufgrund der Insolvenz des
D musste die Forderung später vollstän-
dig wertberichtigt werden. Das FA rech-
nete die unstreitig dem D zugeflossenen
Schwarzeinnahmen im Wege der vGA
den Gesellschaftern quotal zu. Die Ehe-
leute A und B beantragten, die Ausset-
zung der Vollziehung des ESt-Bescheides,
in dem die vGA berücksichtigt wurde, weil
der Geschäftsführer D faktisch alleiniger
Entscheider im Unternehmen gewesen
sei. A selbst sei „nicht geschäftsführen-
der Gesellschafter gewesen, sondern nur
angestellter Koch“.
KERNAUSSAGEN:
1. vGA gehören zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs.
1 Nr. 1 bis 3 EStG, die vom Anteils-
eigner einer KapGes erzielt werden.
vGA sind deshalb grundsätzlich dem
Eigentümer bzw. wirtschaftlichen
Eigentümer der Geschäftsanteile zu-
zurechnen.
2. Eine vGA kann auch ohne tatsäch-
lichen Zufluss beim Gesellschafter
gegeben sein, wenn der Vorteil dem
Gesellschafter mittelbar in der Weise
zugewendet wird, dass eine ihm na-
hestehende Person aus der Vermö-
gensverlagerung Nutzen zieht. Dies
gilt uneingeschränkt jedoch nur für
den Fall, dass andere Ursachen für die
Zuwendung als das Nahestehen des
Empfängers zu einem Gesellschafter
auszuschließen sind. Nur dann spricht
der Beweis des ersten Anscheins da-
für, dass die nahestehende Person
den Vorteil ohne ihre Beziehung zum
Gesellschafter nicht erhalten hätte.
Die Zuwendung zu Lasten der
GmbH ist in diesem Fall so zu beur-
teilen, als hätte der Gesellschafter
den Vorteil erhalten und diesen an
die nahestehende Person weiterge-
geben.
3. An der gesellschaftsrechtlichen Veran-
lassung einer Vermögensminderung
fehlt es, wenn die Zuwendung des
Vorteils ihre Ursache ausschließlich
in einer vom Gesellschaftsver-
hältnis zum nahestehenden Gesell-
schafter unabhängigen Beziehung
der KapGes zum Empfänger der
Zuwendung hat. Die finanzgericht-
liche Rechtsprechung sieht den An-
scheinsbeweis für eine Veranlassung
durch das Gesellschaftsverhältnis ins-
besondere dann als erschüttert an,
wenn sich ein einem Gesellschafter
nahestehender Geschäftsführer, der
nicht zugleich Gesellschafter ist, wi-
derrechtlich Geldbeträge aus dem
Vermögen der KapGes verschafft
und dem Gesellschafter die wider-
rechtlichen eigenmächtigen Maß-
nahmen des Geschäftsführers weder
bekannt sind noch in seinem Interesse
getroffen werden. In diesem Fall ist
die Zuwendung an den Begüns-
tigten allein durch die eigenmäch-
tigen widerrechtlichen Maßnahmen
des Geschäftsführers veranlasst, nicht
14
Ausgabe Nr. 1
aber durch das Gesellschaftsver-
hältnis. Dies gilt auch dann, wenn
die widerrechtlichen Maßnahmen des
Geschäftsführers durch unzureichen-
de oder fehlende Kontrolle seitens der
Gesellschafterversammlung erleich-
tert oder ermöglicht worden sind.
4. Nicht abschließend entschieden ist
die Fallkonstellation, dass mehrere
Geschäftsführer vorhanden sind,
von denen einer, der nicht gleichzei-
tig Gesellschafter ist, ohne das Wissen
des anderen, der auch Gesellschafter
ist, Untreuehandlungen zu Lasten
der Gesellschaft begeht. Nach Auf-
fassung des beschließenden Senats
kann in dieser Konstellation dem
Gesellschafter-Geschäftsführer eine
vGA aufgrund der widerrechtlichen
Handlung des Nur-Geschäftsführers
nicht zugerechnet werden.
5. Den Gesellschafter-Geschäftsführer
kann zwar auch dann eine persön-
liche Haftung treffen, wenn er auf-
grund mangelnder Überwachung
des Mitgeschäftsführers von des-
sen Tun keine Kenntnis hatte. Diese
Haftung betrifft das Verhältnis
nach außen und damit die Interes-
sen schützenswerter Dritter, näm-
lich der Gläubiger der GmbH, auch
des Steuergläubigers im Falle des §
69 AO. Diese Pflichtverletzung wird
in gewisser Weise sanktioniert. Ob
gleichzeitig eine weitere Sanktion
durch Zurechnung der veruntreu-
ten Beträge als eigene Einkünfte
des Gesellschafter-Geschäftsführers
notwendig ist, erscheint jedoch kei-
nesfalls zwingend. Maßgeblich ist
insoweit allein die Frage, ob eine
gesellschaftsrechtliche Veranlassung
für die Vermögensminderung besteht
oder ob es sich um eine allein von dem
handelnden Geschäftsführer veran-
lasste Vermögensminderung handelt.
Letztlich ist zu entscheiden, ob die
Nachlässigkeit eines Gesellschafters in
seiner Eigenschaft als Geschäftsfüh-
rer zu einer gesellschaftsrechtlichen
Veranlassung der von einem Mitge-
schäftsführer in unredlicher Weise
verursachten Vermögensminderung
führt. Das ist nach der Überzeugung
des Senats nicht der Fall.
PRAXISHINWEISE:
Die Entscheidung betrifft zwar nur das Aussetzungsverfahren, gleichwohl ergeben sich aus der Begründung des FG inter-
essante Aspekte zur Argumentation zur Zurechnung von vGA in Schwarzgeldfällen.
2.02
KStG KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
EStG § 6a
Abwehr
Anwendung der Grundsätze zur Überversorgung Gestaltung
X Wissen
FG Köln, Urteil vom 29.04.2015, 13 K 2435/09 EFG 2015 S. 1563, Haufe-Index 8299371
Weiterführende Literatur FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.12.2014 , EFG 2015
S. 321
LEITSATZ:
Bei der Beurteilung von Pensionszusagen sind die Grundsätze des BFH zur Überversorgung (§ 6a EStG) auch bei der Zusage von
Festbeträgen weiterhin anzuwenden (gegen FG Berlin-Brandenburg vom 02.12.2014).
PROBLEMSTELLUNG:
Eine im Jahr 1995 gegründete GmbH hatte
ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer
im Jahr 1997 eine Pensionszusage mit ei-
nem Festbezug von monatlich DM 20.000
auf das 65. Lebensjahr erteilt. Zum Zeit-
punkt der Erteilung der Zusage betrugen
die monatlichen Aktivbezüge des Ge-
schäftsführers DM 40.000. Die laufenden
Bezüge wurden zum 01.07.2000 auf mo-
natlich DM 4.000,00 und zum 01.07.2001
auf monatlich DM 2.000,00 und schließlich
zum 01.12.2001 auf DM 0,00 reduziert.
Mit Beschluss vom 07.10.2005 wurde
vereinbart, die Pensionsrückstellung nach
dem Stand vom 31.12.2004 einzufrieren.
Nach einer BP wurde die ab 01.12.2001
vereinbarte Gehaltsreduzierung als Bar-
lohnverzicht gewertet, so dass durch die
15
Februar 2016
unveränderte Pensionszusage eine Über-
versorgung eingetreten sei. Die Berech-
nung der Überversorgung erfolgte nach
den Vorgaben des BMF-Schreibens vom
03.11.2004 und ergab eine Kürzung der
Rückstellung um 58,40%.
KERNAUSSAGEN:
1. Nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4
EStG sind Werterhöhungen oder
Verminderungen von Pensionsleis-
tungen nach dem Schluss des Wirt-
schaftsjahres, die hinsichtlich des
Zeitpunktes ihres Wirksamwerdens
oder ihres Umfanges ungewiss sind,
bei der Berechnung des Barwertes der
künftigen Pensionsleistungen und der
Jahresbeträge erst zu berücksich-
tigen, wenn sie eingetreten sind.
Diese Regelungslage lässt sich durch
eine entsprechende Höherbemessung
der Versorgung in Form eines Festbe-
trages nicht umgehen.
2. Eine Vorwegnahme künftiger Ent-
wicklungen in Gestalt ansteigender
Einkommenstrends führt typisierend
dann zu einer Überversorgung und
zur Kürzung der Pensionsrückstel-
lung, wenn die Versorgungsanwart-
schaft zusammen mit der Renten-
anwartschaft aus der gesetzlichen
Rentenversicherung 75% der am
jeweiligen Bilanzstichtag bezogenen
Aktivbezüge übersteigt. Zur Prüfung
einer möglichen Überversorgung wird
auch bei Festzusagen stets auf die
vom Arbeitgeber während der aktiven
Tätigkeit des Begünstigten tatsächlich
erbrachten Leistungen abgestellt.
3. Die Zusage einer gemessen am aktu-
ellen Arbeitsentgelt überhöhten, d.h.
die 75%-Grenze überschreitenden,
betrieblichen Altersversorgung bildet
dabei lediglich ein Indiz bzw. einen
Anhalt für eine steuerrechtlich un-
zulässige Vorwegnahme künftiger
Lohntrends und führt deshalb nicht
zwingend zur steuerrechtlichen Ver-
sagung einer entsprechenden Pensi-
onsrückstellung. Maßgebend für die
Beantwortung der Frage, ob das hohe
Versorgungsniveau einer Zusage auf
Leistungen der betrieblichen Alters-
versorgung von vorneherein beab-
sichtigt worden ist oder ob durch
die Höhe künftige Einkommens- und
Lohnentwicklungen vorweggenom-
men werden sollen, sind demnach
die Umstände des jeweiligen
Einzelfalles. Das Überschreiten der
75%-Grenze durch Beibehaltung der
Festbetragsversorgungszusage bei re-
duzierten Aktivbezügen kann danach
im Einzelfall gerechtfertigt sein.
4. Bei einem völligen Barlohnverzicht
gibt es kein Verhältnis von Aktiv- zu
Ruhebezügen mehr, so dass die fort-
bestehende Versorgung in Form von
Festbeträgen in Höhe des gesamten
zugesagten Ruhegeldes eine Über-
versorgung indiziert. Nach den
Verhältnissen im Streitfall konnte die
Höhe der zugesagten Festbetragsver-
sorgung nicht mehr gerechtfertigt
werden, ohne künftige Einkommens-
entwicklungen vorwegzunehmen.
5. Die Frage der Überversorgung und
der darauf beruhenden Anerkennung
der Pensionszusage ist zu jedem Bi-
lanzstichtag nach den jeweils vorlie-
genden Umständen zu beurteilen.
Die Tatsache, dass eine Versorgungs-
zusage im Zeitpunkt der Zusage ge-
messen an den in diesem Zeitpunkt
gezahlten Bezügen die 75%-Grenze
nicht überschritten hat und dem-
entsprechend zunächst keine Über-
versorgung beinhaltete, führt nicht
dazu, dass die Versorgungszusage
dauerhaft und unabhängig von der
künftigen Gehaltsentwicklung als an-
gemessen anzusehen wäre.
6. Anhaltspunkte für eine nur vorüber-
gehende Verminderung der Arbeits-
leistung und des Gehaltes z.B. zum
Zwecke der Sanierung bestehen im
Streitfall nicht. Die Umstände wider-
legen die durch die Überschreitung
der 75%-Grenze indizierte Überver-
sorgung der Höhe nach nur insoweit,
wie mit dem Verzicht auf die Aktiv-
bezüge der Geschäftsführer nicht
mehr tätig war. Die Reduzierung
der Arbeitszeit des Geschäftsfüh-
rers rechtfertigt eine Absenkung
des Gehalts, ohne dass es einer An-
passung der Versorgungszusage
bedürfte. Diesem Umstand hat der
Beklagte dadurch Rechnung getra-
gen, dass er unter Berücksichtigung
der ab 01.12.2001 fehlenden Tätig-
keit des Geschäftsführers für die Kl.
die Dauer der gerechtfertigten Ver-
sorgungszusage zu der Dauer der
nicht gerechtfertigten Versorgungs-
zusage entsprechend der Tz 19 des
BMF-Schreibens vom 03.11.2014 ins
Verhältnis gesetzt und entsprechend
die anzuerkennende Höhe der Pensi-
onsrückstellung berechnet hat.
7. Der Einwand der Kl., sie sei zivilrecht-
lich nicht ohne weiteres in der
Lage gewesen, eine Reduzierung
der Versorgung gegenüber ihrem
Geschäftsführer durchzusetzen, greift
nicht durch. Als Alleingesellschafter
hatte es der Geschäftsführer in der
Hand, neben einem Gehaltsverzicht
auch eine entsprechende Anpassung
der Pensionszusage zu vereinbaren.
Der BFH hat ausdrücklich ausge-
führt, der steuerrechtliche Maßstab
der Überversorgung beziehe sich
ausschließlich auf die aus § 6a EStG
16
Ausgabe Nr. 1
abzuleitende Bewertung der Versor-
gungsanwartschaft. Die Vorschrift
wirke als spezielle Bewertungs-
vorschrift mit einschränkenden
Sondervoraussetzungen, wobei
sie allerdings an das Vorliegen einer
zivilrechtlich wirksam erteilten, den
Verpflichteten wirtschaftlich belas-
tenden, Versorgungsverpflichtung
anschließe. Ob eine Kürzung des
Versorgungsversprechens gegen das
arbeitsrechtliche Verbot eines Teilwi-
derrufs der Versorgungszusage ver-
stoße, sei daher für die steuerrechtli-
che Entscheidung ohne Bedeutung.
PRAXISHINWEISE:
1. Das FG hat die Revision im Hinblick auf die abweichende Rechtsauffassung des FG Brandenburg, über das in FN 2/2015
unter Tz 2.01 berichtet wurde, zugelassen, das Urteil ist jedoch rechtskräftig geworden.
2. Das FG Brandenburg hatte sich in seiner Entscheidung gegen die ständige Rechtsprechung des BFH zur Überversorgung
als auch gegen die Auffassung des BMF im Schreiben vom 04.11.2004 zur Ermittlung der Überversorgungsgrenzen
gewandt. Daraus ergeben sich insbesondere für die Abwehrberatung sehr gute Argumente.
3. Ist mit einer Pensionszusage eine Überversorgung verbunden, kann die gebildete Pensionsrückstellung insoweit im ersten
offenen Jahr entsprechend aufgelöst werden. Dies gilt für alle Zusagen, also unabhängig davon, ob der Anspruchsbe-
rechtigte Gesellschafter ist oder nicht.
2.03
KStG KStG §§ 32a, 8 Abs. 3 Satz 2
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
X Abwehr
Sachlicher Anwendungsbereich des § 32a KStG bei vGA Gestaltung
X Wissen
BFH-Beschluss vom 05.06.2015, VIII B 20/15 GmbHR 2015 S. 1053, Haufe-Index 8469287
Weiterführende Literatur
LEITSATZ:
Es bestehen ernstliche Zweifel daran, ob die Änderung eines ESt Bescheides auf § 32a KStG gestützt werden kann, wenn eine auf
Gesellschafterebene zu erfassende vGA bereits im vorangegangenen ESt-Bescheid – allerdings mit abweichenden Werten- erfasst
worden ist.
PROBLEMSTELLUNG:
Im Streitfall hatte das FA bei einer GmbH
im Rahmen einer durchgeführten BP
vGA zugunsten des Alleingesellschafter-
Geschäftsführers festgestellt, die durch
nicht dienstvertraglich vereinbarte Kfz-
Nutzungen durch ihn und seine Ehefrau
hervorgerufen wurden. Dabei wurde die
vGA für den Geschäftsführer nach der
1% Regelung bemessen, während der
Nutzungsvorteil der Ehefrau mit den
bei der Gesellschaft angefallenen Kfz-
Kosten angesetzt wurde. Im geänderten
KSt-Bescheid der GmbH vom 28.12.2012
wurde eine vGA von insgesamt T€ 33,2
berücksichtigt. Im Rahmen seiner ESt
erklärte der Gesellschafter die vGA, be-
rechnete den Nutzungsvorteil aus der Kfz
Nutzung für beide Fahrzeuge aber nach
der 1%-Regelung (insgesamt T€ 21,9).
Das FA folgte der Erklärung mit Bescheid
vom 10.02.2014. Aufgrund einer vom
04.06.2014 datierenden Kontrollmittei-
lung, die eine vGA von T€ 46,9 (bei Kfz
Kosten T€ 33,3) auswies, erließ das FA
am 30.06.2014 unter Hinweis auf § 32a
KStG einen entsprechenden Änderungs-
bescheid. Der mit dem Einspruch gestellte
Antrag auf AdV wurde sowohl vom FA als
auch vom FG des Saarlandes abgelehnt.
KERNAUSSAGEN:
1. Die Regelung des § 32a KStG ent-
hält eine formelle Änderungs-
möglichkeit, begründet jedoch keine
materielle Bindung der Steuerfestset-
zung gegenüber dem Gesellschafter.
Sie dient dem Ziel, die verfahrens-
17
Februar 2016
rechtlichen Hemmnisse, die einer zu-
treffenden materiellen Besteuerung
von Körperschaften und Anteilseig-
nern entgegenstehen, zu beseitigen.
Sie ist danach im Ergebnis auf die
Kongruenz der Besteuerung der
Ebenen der Gesellschaft und des
Anteilseigners angelegt und ge-
währt einer materiell richtigen Ein-
kommensteuerfestsetzung Vorrang
gegenüber dem Vertrauen des Stpfl.
in die Bestandskraft der bereits erfolg-
ten Steuerfestsetzung.
2. § 32a KStG regelt anders als § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht die
Anpassung eines Folgebeschei-
des an den Grundlagenbescheid.
Dementsprechend stellt sich zumin-
dest die Frage, ob eine auf § 32a
KStG gestützte Korrektur eines be-
standskräftigen ESt-Bescheides des
Gesellschafters jedenfalls dann aus-
geschlossen ist, wenn dem FA nicht
nur das Vorliegen der vGA dem
Grunde nach bekannt war, sondern
der KSt-Bescheid im Zeitpunkt des
Erlasses des bestandskräftig gewor-
denen Einkommensteueränderungs-
bescheides bereits vorlag. Folgt das
FA in einem solchen Fall der in Bezug
auf die Höhe der vGA abweichenden
Erklärung des Stpfl. und setzt die ESt
unter Aufhebung des Vorbehalts der
Nachprüfung erklärungsgemäß fest,
so erscheint es zumindest fraglich, ob
es eine spätere Durchbrechung der
eingetretenen Bestandskraft dieses
Bescheides auf § 32a KStG stützen
kann, ohne dass der KSt-Bescheid
geändert wird.
3. Ernstliche Zweifel bestehen auch
daran, dass der Erlass des streitigen
Änderungsbescheides auf neue Tat-
sachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
gestützt werden kann. Nachträglich
werden Tatsachen oder Beweismit-
tel bekannt, wenn deren Kenntnis
nach dem Zeitpunkt erlangt wird,
in dem die Willensbildung über die
Steuerfestsetzung abgeschlossen ist.
Maßgeblich ist die Kenntnis der zur
Bearbeitung des Steuerfalls orga-
nisatorisch berufenen Dienststelle.
Tatsache im Sinne dieser Vorschrift
ist alles, was Merkmal oder Teilstück
eines gesetzlichen Steuertatbestandes
sein kann, also Zustände, Vorgänge,
Beziehungen und Eigenschaften ma-
terieller oder immaterieller Art. Kei-
ne Tatsachen in diesem Sinne sind
Schlussfolgerungen aller Art, insbe-
sondere juristische Subsumtionen.
Der Kontrollmitteilung, auf die das
FA sich im Zusammenhang mit dem
Erlass des streitgegenständlichen Än-
derungsbescheides bezieht, ist eine
solche neue Tatsache nicht zu ent-
nehmen.
PRAXISHINWEISE:
Der BFH hat die gewährte AdV ausschließlich auf verfahrensrechtliche Überlegungen gestützt und zur Frage, ob die Be-
rechnung der Kfz-Nutzungsvorteile im Streitfall statt nach den Kosten nach der 1%-Regelung erfolgen kann, ausdrücklich
offen gelassen. Ungeachtet der Frage, ob der BFH Gelegenheit bekommt, sich im Hauptsacheverfahren zu dieser Frage zu
äußern, können die vom BFH angestellten Überlegungen im Rahmen von Abwehrberatungen genutzt werden.
18
Ausgabe Nr. 1
3. GEWERBESTEUER
3.01
GewStG GewStG, §§ 2, 7; EStG; § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abwehr
Teilbetrieb nur bei hinreichender Selbständigkeit des Geschäftsbereichs Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 22.10.2015, IV R 17/12 NWB Dok-ID: ZAAAF-1842, BFH/NV 2016 S. 209
Weiterführende Literatur
LEITSÄTZE:
1. Der Begriff des Teilbetriebs ist gewerbesteuerrechtlich ebenso zu verstehen wie in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, also als organisch
geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein funktions- bzw.
lebensfähig ist.
2. Bei einem Groß- und Einzelhandel mit Getränken, der Abholmärkte betreibt und in einem Geschäftsbereich „Gastronomie“
Gastronomiebetriebe und Veranstaltungen beliefert, ist dieser Geschäftsbereich kein Teilbetrieb i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG, wenn diesem Geschäftsbereich zwar zum Teil eigene Arbeitnehmer zugeordnet sind, die Dienstleistungen der Unterneh-
mensbereiche getrennt beworben und Lieferverträge getrennt ausgehandelt werden, im Übrigen aber die Unternehmensbereiche
organisatorisch einheitlich geführt werden, der Geschäftsbereich „Gastronomie“ nicht räumlich vom Rest des Unternehmens
getrennt ist und nicht über eine eigenständige Buchführung verfügt.
PROBLEMSTELLUNG:
Die Kl. betrieb einen Groß- und Einzel-
handel mit Getränken. Dabei wurden ne-
ben Getränkeabholmärkten, die sowohl
in eigener Regie als auch im Wege des
Franchise geführt wurden, auch Gast-
ronomiebetriebe bzw. Veranstaltungen
im Bereich der Gastronomie beliefert.
Ein Grundstück verwendete die Kl. für
die Leergutlagerung und -sortierung des
Gesamtbetriebs. Die Unternehmensbe-
reiche wurden in der Öffentlichkeit zwar
unterschiedlich beworben. Räumlich war
der Bereich der Gastronomie vom Rest
des Unternehmens aber nicht getrennt.
Es war auch keine jeweils eigenständige
Buchführung für die Unternehmensberei-
che eingerichtet, sondern deren waren-
wirtschaftliche Trennung wurde lediglich
teilweise in der Kostenstellenrechnung
nachvollzogen. Eine Aufteilung der jewei-
ligen Erlöse und Kosten war insoweit zwar
herleitbar, wurde aber nicht durchgängig
vorgenommen. Eine die Eigenständigkeit
ermöglichende interne Organisation und
Verwaltung waren nicht klar erkennbar.
Im Jahre 2006 verkaufte die Kl. den Be-
reich „Gastronomie“, wobei das Grund-
stück allerdings nicht mit veräußert wurde.
In ihrer Feststellungserklärung erklärte die
Kl. einen Gewinn aus der Veräußerung
eines Teilbetriebs nach § 16 Abs. 1 Nr.
1 EStG; in ihrer Gewerbesteuererklärung
bezog sie den Gewinn jedoch nicht ein. Im
Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat das
FA die Auffassung, es sei kein Teilbetrieb
veräußert worden, weil das Grundstück
eine wesentliche Betriebsgrundlage dar-
stelle. Ohne die Leergutlagerung und -sor-
tierung habe man den Bereich „Gastro-
nomie“ nicht fortführen können, so dass
es an der Veräußerung aller wesentlichen
Betriebsgrundlagen des Teilbetriebs fehle.
KERNAUSSAGEN:
1. Die weitgehende Verselbständi-
gung eines Teilbetriebs im Rahmen
des gesamten Gewerbebetriebs ist
maßgebliche Rechtfertigung dafür,
dass auch Gewinne aus der Aufgabe
oder Veräußerung eines Teilbetriebs
nicht der Gewerbesteuer zu unter-
werfen und damit den Gewinnen aus
der Aufgabe oder Veräußerung des
Gesamtbetriebs gleichzustellen
sind.
2. Ob die veräußerten Wirtschaftsgü-
ter in ihrer Zusammenfassung einer
sich von der übrigen gewerblichen Tä-
tigkeit des Veräußerers deutlich ab-
hebenden Betätigung dienen und
als Betriebsteil die für die Annah-
me eines Teilbetriebs erforderliche
Selbständigkeit besitzen, ist nach
dem Gesamtbild der Verhältnisse zu
entscheiden, und zwar nach den Ver-
hältnissen beim Veräußerer und nicht
beim Empfänger.
3. Bei dieser Gesamtwürdigung sind
z.B. folgende Abgrenzungsmerk-
male zu beachten: räumliche Tren-
nung vom Hauptbetrieb, eigener
19
Februar 2016
Wirkungskreis, gesonderte Buchfüh-
rung, eigenes Personal, eigene Ver-
waltung, eigenes Anlagevermögen,
ungleichartige betriebliche Tätigkeit,
eigener Kundenstamm und eine die
Eigenständigkeit ermöglichende in-
terne Organisation.
4. Diese Merkmale brauchen zwar nicht
sämtlich vorzuliegen, der Teilbe-
trieb erfordert allerdings eine ge-
wisse Selbständigkeit gegenüber
dem Hauptbetrieb. Ob zivilrechtlich
unter dem Aspekt des sachenrecht-
lichen Bestimmtheitsgrundsatzes ein
zur Veräußerung vorgesehener
Teil des Gesamtbetriebs definiert
werden kann, ist für den steuerrechtli-
chen Begriff des Teilbetriebs nicht von
Bedeutung.
PRAXISHINWEISE:
1. Auf die Frage, ob das Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage des (vermeintlichen) Teilbetriebs „Gastronomie“
darstellte, kam es im Streitfall nicht mehr an. Für die Praxis ist zu empfehlen, in vergleichbaren Fällen auf eine eindeutige
Trennung der Teilbetriebe nach den vom BFH aufgezeigten Kriterien zu achten.
2. Zu beachten ist, dass für einkommensteuerliche und umwandlungsrechtliche Tatbestände unterschiedliche Teilbetriebs-
begriffe bestehen, die im Rahmen von Gestaltungen gesondert zu prüfen und zu beurteilen sind.
3.02
GewStG GewStG, § 8 Nr. 1 Buchst. e Abwehr
Hinzurechnung von am Umsatz des Pächters bemessenen Grundstückspachtzahlungen Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 18.08.2015, I R 43/14 NWB Dok-ID: VAAAF-18885, BFH/NV 2016 S. 232
Weiterführende Literatur
LEITSATZ:
Auch bei einer Umsatzpacht sind die Pachtzinsen bei der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrags nach § 8 Nr. 1 Buchst. e)
GewStG hinzuzurechnen.
PROBLEMSTELLUNG:
Die Kl., eine GmbH, hat mehrere Immo-
bilien gepachtet, um sie gewerblich zu
nutzen. Mit den Grundstückseigentümern
wurden zum Teil umsatzabhängige Pach-
ten vereinbart, verbunden mit der Ver-
pflichtung, das Gewerbe auch tatsäch-
lich zu betreiben (Betriebspflicht). Andere
Verträge sehen vor, dass sich das Entgelt
aus einer Mindestpacht und einer umsatz-
abhängigen Vergütung zusammensetzt.
Während das FA auch im Falle der umsatz-
abhängigen Pacht die an die Eigentümer
gezahlten Pachtzinsen in voller Höhe ge-
mäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG gewerbe-
ertragserhöhend erfasste, war die Kl. der
Auffassung, dass von den Pachtentgelten
zunächst bestimmte Betriebskosten ab-
zusetzen seien und nur der sich daraus
ergebende Differenzbetrag dem Grunde
nach der Hinzurechnung unterliege.
KERNAUSSAGEN:
1. Gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG
werden dem Gewinn aus Gewer-
bebetrieb ein Viertel der Summe
aus dreizehn Zwanzigstel (ab 2010:
der Hälfte) der Miet- und Pachtzin-
sen für die Benutzung der unbe-
weglichen Wirtschaftsgüter des
Anlagevermögens, die im Eigentum
eines anderen stehen, wieder hinzu-
gerechnet.
2. Der Begriff der Miet- und Pachtzinsen
ist wirtschaftlich zu verstehen. Er
erfasst daher nicht nur die laufenden
Barzahlungen des Mieters oder Päch-
ters an den Vermieter oder Verpächter.
Vielmehr gehören auch die vom Mieter
oder Pächter getragenen Instandhal-
tungskosten und z.B. die Kosten einer
Kaskoversicherung zu den Miet- oder
Pachtzinsen, wenn und soweit diese
Kosten nach den für diesen Vertragstyp
gültigen gesetzlichen zivilrechtli-
chen Vorschriften nicht ohnehin der
Mieter oder Pächter zu tragen hätte.
20
Ausgabe Nr. 1
3. Das Gesetz stellt auf das im Außen-
verhältnis gegenüber dem Ver-
pächter gezahlte Entgelt ab. Daher
spielen interne Kalkulationsgrundla-
gen des Pächters, die ihn veranlasst
haben, eine bestimmte Pachthöhe
oder eine bestimmte Methode der
Pachtbemessung im Außenverhältnis
zum Verpächter vertraglich zu ak-
zeptieren, für die Anwendung der
Hinzurechnungsnorm keine Rolle.
4. Auch gleichheitsrechtliche Überle-
gungen, wonach Umsatzpachtver-
hältnisse und Festpachtverhältnisse
ungleich behandelt würden, rechtfer-
tigen es nicht, vom Pächter getrage-
ne Betriebskosten von der gezahlten
Umsatzpacht als dem maßgeblichen
Hinzurechnungsbetrag abzuzie-
hen. Zwar mag es zutreffen, dass bei
einer Umsatzpacht der Pächter die von
ihm zu tragenden Betriebskosten (z.B.
für Strom) in den Umsatz einkalkuliert
und die Kosten somit mittelbar die zu
zahlende Umsatzpacht und damit
den Hinzurechnungsbetrag erhöhen.
Doch werden bei einer Festpacht die
Betriebskosten ebenfalls in die Kalku-
lation einfließen und der Verpächter
hat sich - jedenfalls auf mittelbare Wei-
se - ebenfalls seine Beteiligung an den
gezogenen Früchten in Gestalt der
Festpacht vorbehalten.
PRAXISHINWEISE:
Der BFH hält die gesetzlich gebotene Hinzurechnung der Grundstücksmieten und -pachten für eindeutig verfassungskon-
form. Er verweist in diesem Zusammenhang auf sein Urteil vom 04.06.2014 (BStBl II 2015, 289). Er hat das Verfahren daher
trotz des vom FG Hamburg angestrengten Normenkontrollverfahrens beim BVerfG (Az. 1 BvL 8/12) nicht ausgesetzt. Der
BFH schätzt die Vorlage als offensichtlich aussichtslos ein.
21
Februar 2016
4. BILANZSTEUERRECHT
4.01
Bilanz EStG § 5 Abwehr
Steuerliche Behandlung von kundenspezifischen mit Werkzeugkostenzuschüssen geförderten
Werkzeugen
Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 28.05.2015, IV R 3/13 BStBl II 2015 S. 7977, NWB 2015 S. 2842, kösdi 2015 S. 19500
Weiterführende Literatur
LEITSATZ:
Zuschüsse des Auftraggebers für kundenspezifische Werkzeuge sind ertragswirksam zu erfassen, wenn der Auftraggeber Eigentü-
mer der Werkzeuge wird. Der Auftragnehmer darf die Zuschüsse weder durch Rechnungsabgrenzungsposten noch Rückstellungen
neutralisieren.
PROBLEMSTELLUNG:
Die als Automobilzulieferer tätige K-GmbH
& Co. KG erstellte zur Erfüllung von Liefer-
aufträgen Werkzeuge, die zivilrechtliches
Eigentum der Kunden wurden. Die Kun-
den zahlten Zuschüsse zur Herstellung der
Werkzeuge, die die Kosten für die Herstel-
lung regelmäßig überstiegen. Im Hinblick
auf die Zuschüsse gewährte die K-GmbH
& Co. KG den Kunden Preisnachlässe auf
die fortlaufend gelieferten Kfz-Teile.
Die K-GmbH & Co. KG aktivierte die
Werkzeuge und schrieb sie über die vor-
aussichtliche Nutzungsdauer ab. Für die
Zuschüsse bildete sie passive Rechnungs-
abgrenzungsposten, die sie im Hinblick
auf künftige Preisermäßigungen für die
Teilelieferung laufzeitorientiert auflöste.
Das FA vertrat die Auffassung, dass kein
passiver Rechnungsabgrenzungsposten
zu bilden sei, da die Verträge über die
Werkzeugkostenzuschüsse als Kauf- oder
Werklieferungsverträge anzusehen seien.
Aus Vereinfachungsgründen löste das FA
den passiven Rechnungsabgrenzungspos-
ten nur insoweit gewinnerhöhend auf, als
dieser den Betrag der aktivierten Werk-
zeuge überstieg.
Kunde
Zuschuss zur Herstellung spezifischer Werkzeuge mit verbilligter Lieferverpflichtung
Bilanzierung des Stpfl.:
ff Zuschuss: passiver RAP (Auflösung über Vertragslaufzeit)
ff Werkzeug: Herstellkosten (planmäßige Abschreibung)
Berichtigung des FA:
ff Auflösung des passiven RAP, soweit Herstellkosten überschrittenK-GmbH&Co.KG
KG
FIRMA
22
Ausgabe Nr. 1
KERNAUSSAGEN:
1. Rechnungsabgrenzung gemäß § 5
Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG betrifft in
erster Linie typische Vorleistungen
eines Vertragspartners im Rahmen ei-
nes gegenseitigen Vertrages i.S.d.
§§ 320 ff. BGB. Da das bezogene Ent-
gelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur
insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag
für eine bestimmte Zeit „nach die-
sem Zeitpunkt“ darstellt, muss eine
Verpflichtung zu einer nach diesem
Bilanzstichtag noch zu erbringen-
den Gegenleistung bestehen. Im
Hinblick auf eine bereits vollzogene
Leistung kann eine Rechnungsab-
grenzung nicht erfolgen.
Beruht die Zahlung von Werkzeug-
kostenzuschüssen auf Kauf- bzw.
Werklieferungsverträgen, die
dem Auftraggeber das zivilrechtliche
Eigentum an den Werkzeugen ver-
schaffen, stellen die Zahlungen kei-
ne Vorleistungen auf die künftige
Lieferung der mit den Werkzeugen
hergestellten Serienteile dar. Eine
vertragliche Verknüpfung der
Werkzeugkostenzuschüsse mit dem
Übergang des zivilrechtlichen Ei-
gentums an den Werkzeugen legt
eine synallagmatische Verknüpfung
zwischen Herstellungs- und Lie-
ferpflicht hinsichtlich der Werkzeuge
und den Werkzeugkostenzuschüs-
sen als Gegenleistung nahe. Der Ver-
pflichtung, die zu produzierenden
Serienteile in Abhängigkeit von der
Zuschusshöhe verbilligt zu liefern,
führt nicht zwingend zu der Annah-
me, die Werkzeugkostenzuschüsse
als Vorleistungen auf die künftige
Lieferung von Fahrzeugteilen zu be-
urteilen.
2. Werkzeugkostenzuschüsse führen
nicht zur Passivierung von Rückstel-
lungen, da die mit den Verpflichtun-
gen zur verbilligten Lieferung der
Serienteile keine ungewissen Ver-
bindlichkeiten i.S. von § 249 Abs. 1
Satz 1 HGB darstellen. Die Verpflich-
tung, die Serienteile in Abhängigkeit
von der Zuschusshöhe verbilligt zu
liefern, ist rechtlich eigenständig
und bei späterer Lieferung der noch
zu produzierenden Serienteile am
Bilanzstichtag rechtlich noch nicht
wirksam entstanden. Durch eine
vage Vertragsformulierung „in
Abhängigkeit von der Zuschusshö-
he“ und dem Umstand, dass diese
Verpflichtung erst mittelbar über
die Preiskalkulation der noch her-
zustellenden Serienteile zum Tragen
kommt, bleibt ungewiss, ob und in
welcher Höhe eine Verbindlichkeit
in Zukunft eintreten wird. Die Ver-
pflichtung zur verbilligten Lieferung
ist wirtschaftlich mit den künfti-
gen Lieferungen verknüpft, so
dass erst in den künftigen Jahren
eine Belastung des Vermögens
eintritt und demnach wirtschaftlich
erst in jenen Jahren verursacht ist.
3. Eine Passivierung der Werkzeugkos-
tenzuschüsse als Anzahlungen auf
schwebende Geschäfte scheidet
aus, sofern die Werkzeugkostenzu-
schüsse nicht für künftige Liefe-
rungen gezahlt werden, sondern
die Gegenleistung für die Über-
eignung der Werkzeuge darstellen.
PRAXISHINWEISE:
1. Der BFH setzt sich umfassend mit den zivilrechtlichen Grundlagen zur Gewährung der Werkzeugkostenzuschüsse aus-
einander. Im Ergebnis steht nach Auffassung des BFH unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der Verhältnisse die Ver-
schaffung des zivilrechtlichen Eigentums im Mittelpunkt der vertraglichen Gestaltung. Daher scheidet eine erfolgsneutrale
Behandlung durch die Passivierung von Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen oder Anzahlungen aus. In der
Praxis steht einer vertraglich eindeutig geregelten, verbilligten Lieferverpflichtung das Interesse des Werkzeugherstellers
gegenüber, im Rahmen der Vertragsauslegung die Verpflichtung zur verbilligten Lieferung nicht eindeutig festzulegen. Für
die Bilanzierung kommt es danach auf das zivilrechtliche (und wirtschaftliche) Eigentum an (vgl. auch IDW HFA 2/1996).
2. Der BFH hatte nicht zu beurteilen, welche bilanziellen Auswirkungen eine verbilligte Lieferverpflichtung hat, die die
Ergebnisse künftiger Perioden negativ belasten. Sofern die Ergebnisauswirkungen konkreter Lieferverpflichtungen
quantifizierbar sind, ist die Bildung einer Drohverlustrückstellung zumindest zu prüfen.
23
Februar 2016
4.02
Bilanz EStG § 6, AStG § 1 X Abwehr
Teilwertabschreibung auf ungesicherte Gesellschafterdarlehen an Auslandstochtergesellschaft X Gestaltung
Wissen
BFH-Urteil vom 26.06.2015, I R 29/14 BB 2015 S. 2544, kösdi 2015 S. 19505
Weiterführende Literatur DB 2015 S. 2479, BMF-Schreiben vom 29.03.2011
LEITSÄTZE:
1. Aufgrund des sog. Rückhalts im Konzern kann es fremdvergleichsgerecht sein, bei einer Darlehensgewährung zwischen Kapi-
talgesellschaften in einem Konzern von Sicherheiten abzusehen. Der Konzernrückhalt lässt jedoch keinen Schluss auf die Rück-
zahlung der Darlehensverbindlichkeit durch die Tochtergesellschaft und damit die Werthaltigkeit des Rückforderungsanspruchs
aus dem gewährten Darlehen zu (Abweichung vom BMF-Schreiben vom 29.03.2011, Tz. 3.).
2. Der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm‘s length“ nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: nach Art. IV DBA-
Großbritannien 1964) ermöglicht eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten (hier: nach § 1 Abs. 1
AStG) nur dann, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe, also seiner Angemessenheit
nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Er ermöglicht indessen nicht die Korrektur einer Abschreibung, die (nach
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) auf den Teilwert der Forderung auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und auf Zinsrückstände vor-
zunehmen ist, weil die inländische Muttergesellschaft das Darlehen ihrer ausländischen (hier: englischen) Tochtergesellschaft in
(ggf.) fremdunüblicher Weise unbesichert begeben hat (Abweichung vom BMF-Schreiben vom 29.03.2011, Tz. 3.). Die fehlende
Besicherung schlägt sich insoweit nur im entsprechend bepreisten Zins nieder.
PROBLEMSTELLUNG:
Eine deutsche GmbH gewährte der in
Großbritannien ansässigen Tochtergesell-
schaft mit einem Nennkapital von T£ 50
darlehensweise verschiedene Transfer-
zahlungen. Die Beträge wurden mit 5 %
verzinst, die Tochtergesellschaft gewährte
keine Sicherheiten. Aufgrund der schlech-
ten Geschäftsentwicklung und nachhalti-
ger Verluste wurde der Geschäftsbetrieb
der Tochtergesellschaft Ende 2002 einge-
stellt und die Gesellschaft im Jahr 2004
liquidiert.
Das FA wertete die Beträge als Einlagen
und nahm eine Gewinnkorrektur nach § 1
AStG vor. Die Teilwertabschreibungen sah
das FA wegen des sog. Rückhalts im Kon-
zern als nicht gerechtfertigt an.
KERNAUSSAGEN:
1. Werden Einkünfte eines Stpfl. aus
Geschäftsbeziehungen mit einer
ihm nahestehenden Person da-
durch gemindert, dass er im Rahmen
solcher Geschäftsbeziehungen zum
Ausland Bedingungen vereinbart,
die von denen abweichen, die von-
einander unabhängige Dritte unter
gleichen oder ähnlichen Verhältnis-
sen vereinbart hätten, so sind seine
Einkünfte nach § 1 Abs. 1 AStG a.F.
unbeschadet anderer Vorschriften
so anzusetzen, wie sie unter den
zwischen unabhängigen Dritten ver-
einbarten Bedingungen angefal-
len wären. Geschäftsbeziehungen
i.S. der Abs. 1 und 2 liegen nach § 1
Abs. 4 AStG a.F. vor, wenn die den
Einkünften zugrundeliegende Bezie-
hung entweder beim Stpfl. oder bei
der nahestehenden Person Teil einer
Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15,
18 oder § 21 EStG anzuwenden sind
oder wären, wenn die Tätigkeit im
Inland vorgenommen würde.
2. Im Zusammenhang mit unbesicher-
ten Darlehensgewährungen kann
hinsichtlich der korrekturauslösenden
Voraussetzungen des § 1 Abs. 1
AStG a.F. kontrovers diskutiert
werden,
ff ob das (verzinste) Darlehen im
Rahmen einer Geschäftsbezie-
unbesichertes Darlehen(sog. Konzernrückhalt)
Deutschland Großbritannien
GMBH LTD
24
Ausgabe Nr. 1
hung i.S. von § 1 Abs. 4 AStG a.F.
begeben wird oder ob es sich um
eine eigenkapitalersetzende
Maßnahme handelt, die die An-
nahme einer Geschäftsbeziehung
nach § 1 Abs. 4 AStG ausschließt,
ff ob die fehlende Besicherung
des Darlehens eine Bedingung
im Sinne des Gesetzes ist,
ff ob die fehlende Besicherung
und die infolgedessen ausgelös-
te Teilwertabschreibung nach §
6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG für
die Einkünfteminderung als Ge-
winnverlagerung in das Aus-
land ursächlich ist.
3. Selbst wenn alle Voraussetzungen
des § 1 Abs. 1 AStG a.F. erfüllt
sind, scheidet eine Einkünftekor-
rektur wegen einer fehlenden
Darlehensbesicherung aufgrund
des DBA zwischen der Bundesrepu-
blik Deutschland und dem Vereinigten
Königreich Großbritannien und Nord-
irland und mit dem darin bestimmten
Fremdvergleichsmaßstab aus. Aus-
schlaggebend für eine Korrektur ist
bei einer Darlehensbegebung allein
der vereinbarte Zinssatz, der einem
Fremdvergleich standhalten muss.
Im Falle der fehlenden Besicherung
-aufgrund des Konzernrückhalts und
ggf. nach den Umständen des Einzel-
falls und der dadurch ausgelösten Be-
sicherungsintensität ist der Zinssatz
im Rahmen einer konzerninternen Fi-
nanzierung um einen angemessenen
Risikozuschlag zu erhöhen.
4. Der ausschlaggebende Regelungs-
maßstab wird durch Art. IV DBA-
Großbritannien gesetzt, und nicht
durch die nationale Vorschrift des
§ 1 Abs. 1 AStG a.F. Es sind keine
Anhaltspunkte ersichtlich, dass
§ 1 Abs. 1 AStG a.F. als sog. Treaty
override ausgestaltet ist. Bei Darle-
hensgewährungen zwischen Kapi-
talgesellschaften in einem Konzern
kann es fremdvergleichsgerecht
sein, von Sicherheiten abzusehen,
wenn die Konzernbeziehungen für
sich gesehen eine Sicherheit bedeu-
ten. Ob der Rückhalt im Besicherungs-
fall tatsächlich und uneingeschränkt
greift, ist damit noch nicht ausge-
macht. Dass die Muttergesellschaft
im Außenverhältnis regelmäßig
für Verbindlichkeiten der Tochterge-
sellschaft gegenüber Dritten einsteht
(sog. Eventualverbindlichkeit), lässt
keinen zwingenden Schluss auf
die Rückzahlung der Darlehens-
verbindlichkeit durch die Tochter-
gesellschaft zu. Gerade dann, wenn
die Tochtergesellschaft auf die Inan-
spruchnahme des Konzernrückhalts
angewiesen ist, um Drittgläubiger zu
befriedigen, ist davon auszugehen,
dass die Darlehensverbindlichkeit ge-
genüber der Muttergesellschaft nicht
bedient wird. Der Konzernrückhalt
berührt die handels- wie steuerrecht-
lich gebotene Teilwertabschrei-
bung einer konzerninternen Darle-
hensforderung prinzipiell nicht.
PRAXISHINWEISE:
1. Ein sog. Konzernrückhalt kann zur Folge haben, dass die Muttergesellschaft für den etwaigen Ausfall der Darlehens-
summe „geradesteht“. Und gerade deswegen ist eine Besicherung im Konzernzusammenhang nicht zwingend und
unter allen Umständen einzufordern. Jedoch können Darlehensgewährungen im Konzern nicht allein deshalb als vGA
beurteilt werden, weil für sie keine Sicherheit verlangt wurde. Der Auffassung der Finanzverwaltung, diese Rechtspre-
chung zum Beleg dafür zu nehmen, eine an sich gebotene Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG
mangels dauernder Wertminderung auszuschließen, erteilt der BFH eine deutliche Absage. Das BFH-Urteil entzieht dem
BMF-Schreiben vom 29.03.2011 (Tz. 3.2) zu § 1 AStG in erheblichem Maße die Grundlage.
1. Die Frage der Anerkennung von Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen zwischen Kapitalgesellschaften hat
an Bedeutung verloren. Durch § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG unterliegen Teilwertabschreibungen dem Abzugsverbot. Für
Mutter-Einzelunternehmen und –Personengesellschaften bleibt die Frage der Anerkennung trotz des Teilabzugsverbots
nach § 3c Abs. 2 S. 2 EStG von praktischer Bedeutung.
25
Februar 2016
4.03
Bilanz EStG §§ 15a, 16 Abwehr
Einbeziehung eines negativen Kapitalkontos in die Berechnung des Veräußerungsgewinns eines
gegen Entgelt aus einer KG ausscheidenden Kommanditisten
Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 09.07.2015, IV R 19/12 BB 2015 S. 2288 mit Anm., DB 2015 S. 1874, DStR 2015 S.
1859, GmbHR 2015 S. 999
Weiterführende Literatur AktStR 2015 S. 575
LEITSATZ:
Scheidet ein Kommanditist gegen Entgelt aus einer KG aus, ist ein von ihm nicht auszugleichendes negatives Kapitalkonto bei der
Berechnung seines Veräußerungsgewinns in vollem Umfang zu berücksichtigen. Es kommt nicht darauf an, aus welchen Gründen
das Kapitalkonto negativ geworden ist.
PROBLEMSTELLUNG:
K schied aus der Publikums-GmbH & Co.
KG mit einem negativen Kapitalkonto
aus. Nach den Bestimmungen des Gesell-
schaftsvertrags bestand keine Nachschuss-
pflicht. Entnahmen waren außerhalb von
Gewinnausschüttungen nur zulässig,
wenn die Gesellschafterversammlung ei-
nen entsprechenden Beschluss fasste und
es die Liquiditätslage der Gesellschaft zu-
ließ. Die Rückzahlung ausgezahlter Ent-
nahmen war nicht vorgesehen. Das FA
erhöhte den Veräußerungsgewinn um das
durch Entnahmen negativ gewordene Ka-
pitalkonto. Demgegenüber vertrat das FG
die Auffassung, dass das Kapitalkonto nur
dann den Veräußerungsgewinn erhöhe,
wenn es sich um rückzahlungspflichtige
Entnahmen handele und die KG auf diese
Ausgleichsforderung verzichte.
Ausscheiden aus KG mit
negativem Kapitalkonto auf-
grund von…
Auffassung des Stpfl. Auffassung des FA Auffassung des FG
Verlusten Erhöhung des Veräußerungs-
gewinns
Erhöhung des Veräußerungs-
gewinns
Erhöhung des Veräußerungs-
gewinns
rückzahlungspflichtigen Ent-
nahmen
Erhöhung des Veräußerungs-
gewinns
Erhöhung des Veräußerungs-
gewinns
Erhöhung des Veräußerungs-
gewinns
nicht rückzahlungspflichtigen
Entnahmen
Keine Erhöhung des Veräuße-
rungsgewinns
Erhöhung des Veräußerungs-
gewinns
Keine Erhöhung des Veräuße-
rungsgewinns
KERNAUSSAGEN:
1. Scheidet ein Kommanditist aus einer
KG aus, so wächst sein Anteil am Ge-
sellschaftsvermögen kraft Gesetzes
den verbleibenden Gesellschaftern
zu (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB,
§ 738 Abs. 1 BGB). Scheidet ein
Kommanditist gegen Entgelt aus ei-
ner KG aus, handelt es sich steuerlich
um eine Veräußerung des Gesell-
schaftsanteils an die verbleibenden
Gesellschafter. Die Gewinne aus der
Veräußerung des Mitunternehme-
ranteils gehören nach § 16 Abs. 1 Nr.
2 EStG zu den Einkünften aus Ge-
werbebetrieb. Der Veräußerungs-
gewinn ergibt sich aus der Differenz
zwischen den dem Ausscheidenden
aus diesem Anlass zugewandten Leis-
tungen und seinem Kapitalkonto.
Ein negatives Kapitalkonto ist dem
Veräußerungspreis gegenüberzustel-
len und führt zur Erhöhung eines
Veräußerungsgewinns, soweit es
nicht ausgeglichen wird.
2. Der Veräußerungsgewinn des aus-
scheidenden Kommanditisten erhöht
sich um das nicht auszugleichende
negative Kapitalkonto. Im Ergebnis
bleiben die darin enthaltenen verre-
chenbaren Verluste nach § 15a EStG
ohne ertragsteuerliche Auswir-
kung, da der Gewinn aus der Auf-
lösung des negativen Kapitalkontos
insoweit um den für den Komman-
ditisten festgestellten verrechenbaren
Verlust zu mindern ist.
3. In den Veräußerungsgewinn des
ausscheidenden Kommanditisten ist
auch der Teil des negativen Kapi-
26
Ausgabe Nr. 1
talkontos einzubeziehen, der auf
Entnahmen i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2
EStG zurückzuführen ist. Dabei ist
unerheblich, ob es sich bei Entnah-
men um nach dem Gesellschafts-
vertrag rückzahlungspflichtige
oder nicht rückzahlungspflichtige
Auszahlungen handelt. Ein durch
Entnahmen negativ gewordenes
Kapitalkonto bringt im Verhältnis
der Gesellschafter untereinander
zum Ausdruck, dass der belastete
Gesellschafter am künftigen Vermö-
genszuwachs der Gesellschaft bis
zur Auffüllung des negativen Kapi-
talkontos nicht beteiligt ist. Der Ge-
sellschafter hat seine Gewinnanteile
den Mitgesellschaftern zu überlas-
sen (vgl. § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB).
4. Leistet der ausscheidende Gesell-
schafter keine Ausgleichszahlung,
entfällt mit dem Ausscheiden die
Belastung, ein negatives Kapital-
konto mit zukünftigen Gewinnen
auszugleichen und geht auf die ver-
bleibenden Gesellschafter über.
Insoweit erlangt der Ausscheidende
mit der Befreiung von der Verpflich-
tung, das negative Kapitalkonto mit
zukünftigen Gewinnen auszuglei-
chen, eine Gegenleistung für die
Veräußerung seines Kommanditan-
teils. Die Besteuerung des Gewinns
aus der Auflösung des negativen
Kapitalkontos ist auch im Hinblick
auf die Besteuerung nach der indivi-
duellen Leistungsfähigkeit geboten.
Es besteht kein sachlicher Grund für
die Steuerbarkeit eines Gewinns aus
der Auflösung eines negativen Ka-
pitalkontos nach dem Kriterium der
Rückzahlungspflicht zu unterschei-
den.
5. Dass eine später nicht „ausgegliche-
ne“ Entnahme, die zum Entstehen
oder zu einer Erhöhung eines ne-
gativen Kapitalkontos führt, vom
Kommanditisten grundsätzlich zu
versteuern ist, ergibt sich auch aus
§ 15a Abs. 3 Satz 1 EStG. Danach
ist einem Kommanditisten im Fall ei-
ner vorangegangenen Verlustnutzung
(§ 15a Abs. 3 Satz 2 EStG) der Betrag
einer Entnahme als Gewinn zuzurech-
nen, soweit durch die Entnahme ein
negatives Kapitalkonto des Komman-
ditisten entsteht oder sich erhöht
(Einlageminderung) und soweit
nicht aufgrund der Entnahmen eine
nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu be-
rücksichtigende Haftung besteht oder
entsteht. Liegen die Voraussetzungen
des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG vor, ist
dem Kommanditisten in Höhe der
Entnahme ein Gewinn allerdings nicht
erst im Jahr der Auflösung seines Ka-
pitalkontos zuzurechnen, sondern
bereits im Jahr der Entnahme.
PRAXISHINWEISE:
1. Das BFH-Urteil schafft Rechtssicherheit, da der Wegfall negativer Kapitalkonten unabhängig von ihrer gesellschafts-
rechtlichen Würdigung zu einem Veräußerungsgewinn führen. In der Praxis wird zu prüfen sein, inwieweit durch die
Beteiligung an Anlage-Publikumsgesellschaften Steuerzahlungen zu erwarten sind. In der Beratungspraxis kann es
zweckmäßig sein, die Kapitalkonten der Kommanditisten zu erheben, um unerwartete Liquiditätsabflüsse zu vermeiden.
2. Das steuerliche Kapital i.S.d. § 15a EStG setzt sich aus dem Kapitalkonto des Kommanditisten in der Gesamthands-
bilanz und dem Kapital der Ergänzungsbilanz zusammen, Sonderbilanzen bleiben unberücksichtigt. In der Praxis ist
stets zu prüfen, inwieweit eine konkret drohende Haftungsinanspruchnahme ohne realisierbare Ausgleichs- und Rück-
griffsansprüche besteht. In diesen Fällen ist in der Sonderbilanz eine Rückstellung zu bilden, die zu einer Kürzung des
Veräußerungsgewinns führt.
27
Februar 2016
4.04
Bilanz EStG § 34 X Abwehr
Tarifbegünstigung des Betriebsaufgabegewinns trotz vorheriger Ausgliederung einer 100 %-Be-
teiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Buchwert
Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 28.05.2015, IV R 26/12
BStBl II 2015 S. 797, BB 2015 S. 1839, DB 2015 S. 1694 mit
Anm., DStR 2015 S. 1668, FR 2015 S. 892 mit Anm., GmbHR
2015 S. 1061, GmbH-StB 2015 S. 276, kösdi 2015 S. 19386,
WPg 2015 S. 852
Weiterführende Literatur NWB 2015 S. 2924
LEITSATZ:
Der Gewinn aus der Aufgabe eines Betriebs unterliegt auch dann der Tarifbegünstigung gemäß § 34 EStG, wenn zuvor im engen
zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesell-
schaft zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen übertragen oder überführt worden ist.
PROBLEMSTELLUNG:
M war alleiniger Kommanditist der RS-
GmbH & Co. KG, zudem hielt er sämt-
liche Geschäftsanteile der RS-GmbH, die
als Komplementärin am Ertrag und Ver-
mögen nicht beteiligt war. Die RS-GmbH
& Co. KG vermietete den in ihrem Mitei-
gentum stehenden Grundstücksteil an die
GS-GmbH, an der M ebenfalls sämtliche
Geschäftsanteile hielt. Die Anteile an der
RS-GmbH und der GS-GmbH wurden im
Sonderbetriebsvermögen des M bei der
RS-GmbH & Co. KG bilanziert.
Zum 31.12.2004 schied die RS GmbH aus
der RS GmbH & Co. KG aus und das bishe-
rige Gesellschaftsvermögen der RS-GmbH
& Co. KG wurde in das Privatvermögen
des M übernommen. Die Anteile an der
RS-GmbH und der GS-GmbH überführte
M in das Sonderbetriebsvermögen der
V-KG, an der M zu 40 % beteiligt war.
Für die Überführung des Grundstücksteils
erklärte M einen tarifbegünstigten Veräu-
ßerungsgewinn in Höhe von 47 T€. Das FA
und FG versagten die Tarifbegünstigung
mit der Begründung, dass nicht sämtliche
stille Reserven aufgedeckt worden sind,
da die Anteile an der RS-GmbH und der
GS-GmbH in ein anderes Sonderbetriebs-
vermögen überführt wurden.
M
RS-GmbH & Co. KG
Zum 31.12.2014:
ff Ausscheiden der RS GmbH aus RS GmbH & Co. KG
ff Anteile der RS-GmbH nd GS-GmbH werden Sonder-
betriebsvermögen der V-KG
ff Tarifbegünstigte Entnahme des Grundstücks streitig
RS-GmbH GS-GmbH
GMBH GMBHKG
28
Ausgabe Nr. 1
KERNAUSSAGEN:
1. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG
unterliegen in dem zu versteuernden
Einkommen enthaltene außeror-
dentliche Einkünfte der Tarifbe-
günstigung nach den Sätzen 2 bis
4. Gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 1
EStG kommen als außerordentliche
Einkünfte nur die enumerativ in §
34 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 EStG aufge-
führten Einkünfte in Betracht, so
u.a. nach Nr. 1 Veräußerungsgewinne
i.S. des § 16 EStG. Nach § 34 Abs.
2 Nr. 1 EStG unterliegt ein Veräu-
ßerungs- oder Aufgabegewinn der
Tarifbegünstigung nur, wenn er
auch „außerordentlich“ ist. Dies
setzt bei allen Tatbeständen des §
34 Abs. 2 EStG eine zusammenge-
ballte Realisierung der über die Zeit
entstandenen, gesammelten stillen
Reserven voraus.
2. Die Tarifbegünstigung gemäß § 34
EStG erfordert, dass alle stillen
Reserven, die in den wesentlichen
Grundlagen einer betrieblichen
Sachgesamtheit angesammelt
wurden, in einem einheitlichen
Vorgang aufgelöst werden. Zu
den wesentlichen Grundlagen
eines Betriebs gehören in diesem
Zusammenhang neben den funk-
tional wesentlichen Wirtschafts-
gütern auch solche Wirtschafts-
güter, die funktional gesehen für
den Betrieb, Teilbetrieb oder Mit-
unternehmeranteil nicht erforder-
lich sind, in denen aber erhebliche
stille Reserven gebunden sind, sog.
funktional-quantitative Betrach-
tungsweise. Unerheblich ist, ob
die Wirtschaftsgüter im Gesamt-
handsvermögen oder im Sonder-
betriebsvermögen der Mitunter-
nehmer gehalten werden.
3. Zu den in § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG auf-
geführten Veräußerungsgewinnen
gehören u.a. die Gewinne aus der
Veräußerung/Aufgabe des gan-
zen Gewerbebetriebs, eines Teil-
betriebs oder eines Mitunterneh-
meranteils. Als Teilbetrieb gilt nach
§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG
auch die das gesamte Nennkapital
umfassende Beteiligung an einer
Kapitalgesellschaft.
Die Tarifbegünstigung knüpft nach
der ausdrücklichen Entscheidung des
Gesetzgebers nicht stets an die voll-
ständige Aufgabe des betrieblichen
Engagements an. Vielmehr sind auch
die Veräußerung/Aufgabe eines
Teilbetriebs, einer das gesamte
Nennkapital umfassenden Beteili-
gung an einer Kapitalgesellschaft
als fingierter Teilbetrieb oder ei-
nes Mitunternehmeranteils als
Sachgesamtheiten begünstigt. Die
Frage der Tarifbegünstigung ist
somit bezogen auf die jeweilige
Sachgesamtheit zu prüfen und im
Sinne einer segmentierten Betrach-
tung die Aufdeckung der in den we-
sentlichen Wirtschaftsgütern vor-
handenen stillen Reserven nur im
Hinblick auf die jeweils veräußerte
oder aufgegebene Sachgesamt-
heit zu untersuchen.
4. Der Gewinn aus der Aufgabe ei-
nes Betriebs unterliegt auch dann
der Tarifbegünstigung gemäß § 34
EStG, wenn im engen zeitlichen
Zusammenhang mit der Betriebsauf-
gabe eine das gesamte Nennkapital
umfassende Beteiligung an einer
Kapitalgesellschaft zum Buchwert
in ein anderes Betriebsvermögen
übertragen oder überführt wird.
Eine derartige Beteiligung wird
in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2
EStG einem Teilbetrieb gleichge-
stellt, um die stillen Reserven der
Beteiligung einer ermäßigten Be-
steuerung zu unterwerfen und
somit die Veräußerung der Beteili-
gung derjenigen eines Teilbetriebs
wirtschaftlich gleichzustellen. Die
gesetzliche Fiktion eines Teilbe-
triebs hat denknotwendig zur Fol-
ge, dass der Gesamtbetrieb fiktiv
aus zwei Teilbetrieben, d.h. zwei
Sachgesamtheiten, besteht und die
Tarifbegünstigung bezogen auf die
jeweils betroffene Sachgesamt-
heit zu prüfen ist. Da es für die Ta-
rifbegünstigung im Ergebnis keinen
Unterschied machen kann, welcher
der beiden Teilbetriebe zuerst veräu-
ßert oder aufgegeben wird, ist kein
Grund dafür ersichtlich, eine begüns-
tigte Veräußerung der das gesamte
Nennkapital umfassenden Beteiligung
an einer Kapitalgesellschaft nur dann
anzunehmen, wenn der verbleibende
Teilbetrieb fortbesteht und nunmehr
als (Rest-)Betrieb fortgeführt wird.
Demgegenüber ist die vergleichbare
Fallkonstellation, nämlich die Veräu-
ßerung bzw. Aufgabe des wirtschaf-
tenden Teilbetriebs, deshalb nicht als
tarifbegünstigte Betriebsveräußerung
bzw. Betriebsaufgabe zu beurteilen
ist, weil die das gesamte Nennkapital
umfassende Beteiligung an einer
Kapitalgesellschaft (der fiktive
Teilbetrieb) in ein anderes Betriebs-
vermögen überführt worden ist.
29
Februar 2016
PRAXISHINWEISE:
1. Der BFH geht in seiner Begründung nicht auf die Gesamtplanrechtsprechung ein. Im Sinne der segmentierten Betrach-
tung liegen im Besprechungsfall drei Teilbetriebe vor. Die GmbH-Beteiligungen werden als fingierte Teilbetriebe zum
Buchwert übertragen, die KG-Beteiligung wird aufgegeben. Der Sachverhalt stellt somit kein Gestaltungsmodell dar,
sondern eine dem Gesetz zwingend zu entnehmende Rechtsfolge (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG).
2. Der BFH führt in der Urteilsbegründung aus, dass soweit dem BFH Urteil vom 02.10.1997 (IV R 84/96, BStBl II 1998
S. 104) eine andere Rechtsauffassung zu Grunde liegt, daran nicht festgehalten wird.
30
Ausgabe Nr. 1
5. UMSATZSTEUER
5.01
UStG UStG § 1 Abs. 1a Abwehr
Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung von Grundbesitz und Inventar an meh-
rere Erwerber
Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 04.02.2015, XI R 42/13 NWB Dok-ID: SAAAE-94258
Weiterführende Literatur UStDD 14/2015, S. 2
LEITSATZ:
Beim Verkauf verpachteter Altenheime von einer Unternehmensgruppe an eine andere Unternehmensgruppe liegt keine Ge-
schäftsveräußerung im Ganzen vor, wenn die Fortführung der Verpachtungstätigkeit die Übertragung von Grundbesitz, Inventar
und Gesellschaftsanteilen erfordert und diese Übertragungen von verschiedenen (selbständigen) Veräußerern an verschiedene
(selbständige) Erwerber erfolgen.
PROBLEMSTELLUNG:
Die Kl., eine aus Eheleuten bestehende
GbR, vermietete Grundbesitz – zum Teil
mit Inventar – an die Betreiber von „Se-
niorenresidenzen“, die diese wiederum
teilweise unterverpachteten. Ende 2006
wurden sämtliche Seniorenresidenzen an
eine aus vier Aktiengesellschaften beste-
hende Investorengruppe veräußert. Die
Erwerber des Grundbesitzes und des In-
ventars waren allerdings unterschiedliche
Gesellschaften. Im notariellen Kaufvertrag
traten die Veräußerer zudem in verschie-
denen Eigenschaften auf – zum einen als
„Verkäufer 1“, zum anderen als „Verkäu-
fer 2“ und dann wiederum als „Eheleute
X“. Die Kl. sah die Veräußerungsvorgänge
als Einheit und dementsprechend als
nicht steuerbare Geschäftsveräußerung
im Ganzen (GiG) an, da die Investoren-
gruppe das Unternehmen unverändert
habe fortführen wollen. Dem widerspra-
chen sowohl das FA als auch das FG.
KERNAUSSAGEN:
1. Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen
die Umsätze im Rahmen einer GiG
an einen anderen Unternehmer für
dessen Unternehmen nicht der USt.
Der Erwerber muss dabei beabsichti-
gen, den übertragenen Geschäfts-
betrieb oder Unternehmensteil zu
betreiben.
2. Für die Annahme einer GiG ist ent-
scheidend, ob das übertragene Unter-
nehmensvermögen als hinreichen-
des Ganzes die Ausübung einer
wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht
und ob die vor und nach der Über-
tragung ausgeübten Tätigkeiten
übereinstimmen oder sich hinrei-
chend ähneln. Es kommt insoweit
nicht darauf an, ob beim Veräußerer
eine eigenständige betriebliche
Organisation vorlag, sondern viel-
mehr darauf, ob ein Teilvermögen
übertragen wird, das vom Erwerber
als selbständiges Unternehmen fort-
geführt werden kann.
3. Eine GiG ist nicht bereits dann anzu-
nehmen, wenn ein Geschäftsbetrieb
auf mehrere Unternehmer übertra-
gen wird und diese den Geschäftsbe-
trieb in der bisherigen Form nur ge-
meinsam fortführen können.
4. Die Veräußerung des Inventars
allein versetzt einen Erwerber nicht
in die Lage, ein vorher betriebenes
Vermietungs- und Verpachtungsun-
ternehmen fortzusetzen. Dazu sind
auch die Übertragungen von Grund-
besitz und/oder Gesellschaftsanteilen
erforderlich.
5. Bestehen Leistungsbeziehungen
auf Veräußerer- bzw. Erwerberseite je-
weils zwischen mehreren Vertrags-
partnern, dürfen diese Vorgänge bei
der Prüfung der Voraussetzungen ei-
ner GiG nicht einbezogen bzw. zu-
sammengefasst werden. Es handelt
sich insoweit um ust-rechtlich eigen-
ständige Vorgänge.
31
Februar 2016
PRAXISHINWEISE:
Der Sachverhalt im Besprechungsurteil mag zwar zunächst nicht alltäglich erscheinen, allerdings kommt es durchaus vor,
dass gerade auf Seiten des Erwerbers mehrere Vertragspartner auftreten. Für diese Fälle zeigt die Entscheidung, dass Vorsicht
geboten ist. Sie liegt im Übrigen auf einer Linie mit dem BFH-Urteil vom 04.02.2015 (XI R 42/13, FN 5/2015 Tz 5.02). Die
Voraussetzungen einer GiG liegen danach nicht vor, wenn der (bisherige) Pächter einer Gaststätte lediglich ihm gehörende
Teile des Inventars veräußert und der Erwerber den Gaststättenbetrieb sowie das übrige Inventar durch einen weiteren
Vertrag von einem Dritten pachtet. Letztlich kann nur die Empfehlung gegeben werden, in entsprechenden Kaufverträgen
stets eine Optionsklausel aufzunehmen (vgl. BMF-Schreiben vom 23.10.2013, BStBl 2013 I S. 1304) oder eine verbindliche
Auskunft der Finanzverwaltung einzuholen.
5.02
UStG UStG § 4 Nr. 14 Abwehr
Überlassung von Operationsräumen durch einen Anästhesisten Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 18.03.2015, XI R 15/11 NWB Dok-ID: AAAAE-93360
Weiterführende Literatur
LEITSATZ:
1. Überlässt ein Anästhesist, der ein „OP-Zentrum“ betreibt, einem anderen Arzt Operationsräume nebst Ausstattung gegen
Entgelt zur Durchführung von Operationen, an denen er selbst teilnimmt, ist die Raumüberlassung durch den Anästhesisten an
den Operateur nicht als Heilbehandlung steuerfrei.
2. Es kann insoweit aber eine einheitliche steuerfreie Heilbehandlungsleistung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG des Anästhesisten gegen-
über den Patienten oder ein steuerfreier mit dem Betrieb einer anderen Einrichtung eng verbundener Umsatz i.S. von § 4 Nr.
16 Buchst. c UStG (a.F.) vorliegen.
PROBLEMSTELLUNG:
Die Kl. ist als Anästhesistin freiberuflich
tätig. Sie stellte anderen Ärzten für am-
bulante Operationen, an denen sie selbst
als Anästhesistin mitwirkte, ihre Operati-
onsräume einschließlich der notwendigen
Ausstattung zur Verfügung. Grundlage
waren mündliche Verträge, wonach den
Ärzten die (Mit-)Nutzung der Räume für
die Durchführung der Operationen ge-
stattet wurde. Hierfür erhielt sie von den
Ärzten ein Entgelt, indem der jeweilige
Operateur einen Anteil der Vergütung,
den er von der Krankenkasse zur Abde-
ckung des Aufwandes für die Nutzung
des OP-Raumes erhielt, an die Kl. wei-
terleitete. Das FA sah in der entgeltlichen
Überlassung der OP-Räume stpfl. Um-
sätze.
KERNAUSSAGEN:
1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind
steuerfrei die Umsätze aus der Tätig-
keit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker,
Physiotherapeut, Hebamme oder aus
einer ähnlichen heilberuflichen Tätig-
keit. Steuerbefreite Heilbehand-
lungen sind danach Tätigkeiten, die
zum Zweck der Vorbeugung, Dia-
gnose, der Behandlung und, soweit
möglich, der Heilung von Krankhei-
ten oder Gesundheitsstörungen
bei Menschen vorgenommen werden.
2. Ein Arzt kann – wie z.B. ein Laborarzt
– auch gegenüber anderen Ärzten
steuerfreie Heilbehandlungsleistun-
gen erbringen. Für die Steuerfreiheit
kommt es nicht auf die Person des
Leistungsempfängers an, da sich
die personenbezogene Voraussetzung
der Steuerfreiheit auf den Leistenden
bezieht, der Träger eines ärztlichen
oder arztähnlichen Berufs sein muss.
3. Bei der bloßen Überlassung von
Praxisräumen nebst Ausstattung
durch einen Arzt an andere Ärzte
handelt es sich jedoch weder um
eine ärztliche noch um eine arzt-
ähnliche Leistung. Eine Überlassung
kann zwar einer Heilbehandlung die-
nen, stellt aber selbst keine solche dar.
32
Ausgabe Nr. 1
4. Der Begriff „ärztliche Heilbehand-
lung“ kann nicht auf sämtliche
Leistungen, die mit der Behandlung
des Patienten zusammenhängen,
ausgedehnt werden. Allerdings kön-
nen mehrere Leistungen unter dem
Gesichtspunkt von Haupt- und Ne-
benleistung zu einer einheitlichen
Leistung „verschmolzen“ werden.
Dazu sind die Vertragsverhältnisse
zwischen den jeweiligen Patienten
maßgebend.
5. Nach § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG (a.F.,
jetzt § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppel-
buchst. bb) ) sind unter bestimmten
weiteren Voraussetzungen die mit
dem Betrieb der Krankenhäuser, Dia-
gnosekliniken und anderen Einrich-
tungen ärztlicher Heilbehandlung
eng verbundenen Umsätze steuerfrei.
PRAXISHINWEISE:
1. Der BFH hat das Verfahren an das FG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen. Dieses muss nun prüfen, ob eine einheitliche
Leistung vorliegt. Allerdings führt der BFH bereits aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Anästhesieleistung der
Kl., der chirurgischen Leistung des Operateurs und somit der gemeinschaftlichen Nutzung der OP-Räume durchaus
zu erkennen ist. Letztlich wird es aber auf den konkreten Behandlungsvertrag ankommen, d.h. auf die Frage, ob der
Vertrag zwischen der Kl. und den Patienten alle Leistungen des OP-Zentrums erfasste.
2. Auch muss sich das FG mit den Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 UStG (hier i.d.F. der Jahre 2001 bis
2004) auseinandersetzen. Dazu hat es festzustellen, ob das OP-Zentrum als „Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung“
anzusehen ist. Diesbezüglich wird es sicherlich auch die BFH-Urteile vom 18.03.2015 (XI R 8/13 u. 38/13) sowie vom
23.10.2014 (V R 20/14) beachten (vgl. FN 5/2015 Tz 5.03). Diese sind zwar zur Steuerfreiheit privater Krankenhausbe-
treiber ergangen (§ 4 Nr. 16 Buchst. b, a.F. bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG). Die Ausführungen
könnten aber sinngemäß auch auf den hier zu beurteilenden Fall zutreffen.
3. Sofern mit dem FA in einschlägigen Fällen keine Einigung erzielt werden kann, sollten diese jedenfalls offen gehalten
werden, bis das FG Rheinland-Pfalz in dem hier besprochenen Verfahren die erforderlichen Feststellungen nachgeholt
hat und alle Entscheidungsparameter bekannt sind.
5.03
UStG UStG § 12 Abs. 2 Nr. 9 Abwehr
Umsatzsteuer für Saunaleistungen in Schwimmbädern Gestaltung
X Wissen
Bayerisches Landesamt für Steuern, Erlass vom 10.07.2015,
S 7243.1.1-5/5 St 33
NWB Dok-ID: OAAAE-94670
Weiterführende Literatur UStDD 14/2015, S. 9
LEITSATZ:
Das Bayerische Landesamt für Steuern beschäftigt sich mit der Frage des zutreffenden Steuersatzes, wenn Schwimmbad- und
Saunaleistungen zusammentreffen.
PROBLEMSTELLUNG:
Durch BMF-Schreiben vom 28.10.2014 (IV
D 2 - S 7243/07/10002-02) sind Saunaleis-
tungen aus dem Anwendungsbereich des
ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2
Nr. 9 UStG ab 01.07.2015 ausgenommen,
da sie kein verordnungsfähiges Heilmittel
i. S. von § 4 der Heilmittel-Richtlinie in
Verbindung mit dem sog. Heilmittelka-
talog sind. Dadurch stellt sich beim Zu-
sammentreffen von Schwimmbad- und
Saunaleistungen die Frage nach dem zu-
treffenden Steuersatz.
33
Februar 2016
KERNAUSSAGEN:
1. Die Umsätze aus dem Betrieb von
Schwimmbädern unterliegen nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG dem ermäßig-
ten Steuersatz. Die Ermäßigung be-
zieht sich hierbei auf die unmittelbar
mit dem Betrieb eines Schwimmbads
verbundenen Umsätze, wobei der
Begriff „Schwimmbad” richtlinien-
konform i. S. einer „Sportanlage”
auszulegen ist. Diesbezüglich wird
auf die Änderung des UStAE (Ab-
schnitt 12.11) verwiesen. Danach gilt:
Ein Schwimmbad i.S. des § 12 Abs. 2
Nr. 9 UStG muss dazu bestimmt und
geeignet sein, eine Gelegenheit zum
Schwimmen zu bieten. Dies setzt vo-
raus, dass insbesondere die Wasser-
tiefe und die Größe des Beckens
das Schwimmen oder andere
sportliche Betätigungen ermög-
lichen (vgl. BFH 28.08.2014, BStBl.
2015 II S. 194). Die sportliche Betäti-
gung muss nicht auf einem bestimm-
ten Niveau oder in einer bestimmten
Art und Weise, etwa regelmäßig oder
organisiert oder im Hinblick auf die
Teilnahme an sportlichen Wettkämp-
fen, ausgeübt werden.
2. Bietet das Schwimmbad zusätzlich
auch einen Saunabereich an, ist
nach den Grundsätzen der Einheit-
lichkeit der Leistung zu prüfen, ob
hierfür der Regelsteuersatz oder der
ermäßigte Steuersatz anzuwenden
ist.
3. In der Regel ist jede Leistung als ei-
gene und selbständige Leistung
zu betrachten. Ggf. können aber
unter bestimmten Umständen meh-
rere formal eigenständige Leistun-
gen, die getrennt erbracht werden,
als einheitlicher Umsatz angesehen
werden, wenn sie voneinander ab-
hängig sind.
4. Saunaleistungen in Schwimmbädern
stellen grundsätzlich eine selbstän-
dige Leistung dar und unterliegen
somit ab dem 01.07.2015 dem Re-
gelsteuersatz. Die Nutzung des
Saunabereichs stellt einen eigenen
Zweck für die Leistungsempfän-
ger dar, so dass hier regelmäßig keine
einheitliche Leistung vorliegt, sondern
zwei eigenständige Leistungen,
die für die Anwendung des ermäßig-
ten Steuersatzes getrennt zu beurtei-
len sind. Denn die Saunaleistungen
sind in der Regel weder untrennbar
mit den Schwimmbadleistungen ver-
bunden noch stellen sie ein Mittel dar,
um diese unter optimalen Bedingun-
gen in Anspruch nehmen zu können.
5. Zur Trennung der Entgelte bei Ab-
gabe mehrerer unterschiedlich zu
besteuernder Leistungen zu einem
pauschalen Gesamtverkaufspreis ist
dieser unter Anwendung der ein-
fachstmöglichen Aufteilungsmethode
sachgerecht aufzuteilen.
PRAXISHINWEISE:
1. Bereits vor mehr als zehn Jahren hatte der BFH entschieden, dass die Nutzung einer Sauna in einem Fitnessstudio lediglich
dem allgemeinen Wohlbefinden diene und dementsprechend die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 9 EStG nicht
in Betracht komme (Urteil vom 12.05.2005, V R 54/02). Das BMF hat diese Rechtsprechung jedoch äußerst zaghaft
umgesetzt und eine Übergangsfrist bis zum 30.06.2015 gewährt. Mit der Umsetzung der BFH-Rechtsprechung ist zwar
die Abgrenzungsproblematik bei Fitnessstudios mit angeschlossenen Saunen entfallen, jedoch haben sich Folgeprobleme
insbesondere bei Schwimmbädern mit Saunen und bei sog. Thermen ergeben. Hier kann nun der aktuelle Erlass des
Bayerischen Landesamts für Steuern als Unterstützung dienen. In drei ausführlichen Beispielen wird dargestellt, wie
die Entgelte in den unterschiedlichen Fallkonstellationen aufzuteilen sind und die USt entsprechend zu ermitteln ist. In
entsprechenden Fällen sollte der Erlass daher zur Hand genommen werden.
2. Sofern es um das Zusammentreffen von Sauna- mit Beherbergungsleistungen geht, sollte im Übrigen das BMF-
Schreiben vom 21.10.2015 (III C 2 - S 7243/07/10002-03) berücksichtigt werden. Danach gilt: Werden nach dem
30.06.2015 Beherbergungsleistungen, die ermäßigt zu besteuern sind, zusammen mit Saunaleistungen zu einem
pauschalen Gesamtentgelt erbracht, ist das einheitliche Entgelt sachgerecht auf die einzelnen Leistungen aufzuteilen.
Dabei kann der Anteil des Entgelts, der auf die nicht ermäßigte Leistung entfällt, im Wege der Schätzung ermittelt
werden. Schätzungsmaßstab kann beispielsweise der kalkulatorische Kostenanteil zuzüglich eines angemessenen
Gewinnaufschlags sein.
34
Ausgabe Nr. 1
5.04
UStG UStG § 15 X Abwehr
Vorsteuerabzug im Insolvenzverfahren Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 15.04.2015, V R 44/14 NWB Dok-ID: WAAAE-91562
Weiterführende Literatur UStDD 11/2015, S. 2
LEITSATZ:
Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des – zum Vorsteuerabzug berechtigten – Unternehmens
wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzver-
walters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als
Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
PROBLEMSTELLUNG:
Eine Einzelunternehmerin hatte Umsätze
mit Recht auf Vorsteuerabzug ausgeführt,
bevor über ihr Vermögen das Insolvenzver-
fahren zur Befriedigung unternehmerischer
wie auch privater Insolvenzforderungen er-
öffnet wurde. Sie hatte ihre unternehmeri-
sche Tätigkeit bereits vor der Insolvenzer-
öffnung eingestellt. Der Insolvenzverwalter
übernahm Abwicklungstätigkeiten. Für
seine Tätigkeit erteilte er eine Rechnung
mit Steuerausweis an die Einzelunterneh-
merin und nahm für diese den Vorsteu-
erabzug zugunsten der Insolvenzmasse
in Anspruch. Das FA kürzte jedoch den
Vorsteueranspruch mit der Begründung,
die Leistung des Insolvenzverwalters habe
sich auch auf den nichtunternehmerischen
Bereich der Schuldnerin bezogen.
KERNAUSSAGEN:
1. Für den Vorsteuerabzug muss ein di-
rekter und unmittelbarer Zusam-
menhang zwischen Eingangs- und
Ausgangsleistung bestehen. § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG setzt so-
mit voraus, dass der Unternehmer
Leistungen für sein Unternehmen
zu verwenden beabsichtigt. Die Aus-
gangsleistungen des Unternehmers
müssen zudem steuerpflichtig oder
in § 15 Abs. 3 UStG benannt sein.
2. Beabsichtigt der Unternehmer, eine
von ihm bezogene Leistung zugleich
für seine wirtschaftliche und seine
nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu
verwenden, kann er den Vorsteuer-
abzug grundsätzlich nur insoweit in
Anspruch nehmen, als die Aufwen-
dungen hierfür seiner wirtschaftli-
chen Tätigkeit zuzurechnen sind.
Beabsichtigt der Unternehmer daher
eine teilweise Verwendung für
eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, ist
er insoweit nicht zum Vorsteuerabzug
berechtigt. Bei der dann erforderlichen
Vorsteueraufteilung für Leistungs-
bezüge, die einer wirtschaftlichen und
einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit
des Unternehmers dienen, ist § 15
Abs. 4 UStG analog anzuwenden.
3. Der Unternehmer kann die nicht ab-
ziehbaren Teilbeträge im Wege einer
sachgerechten Schätzung ermit-
teln. Eine Ermittlung des nicht ab-
ziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge
nach dem Verhältnis der Umsätze,
die den Vorsteuerabzug ausschließen,
zu den Umsätzen, die zum Vorsteuer-
abzug berechtigen, ist nur zulässig,
wenn keine andere wirtschaftliche
Zurechnung möglich ist.
4. Die Leistungen des Insolvenz-
verwalters stehen im direkten und
unmittelbaren Zusammenhang mit
den im Insolvenzverfahren angemel-
deten Insolvenzforderungen. Das In-
solvenzverfahren bezieht sich dabei
auf das gesamte Vermögen des
Schuldners. Handelt es sich bei dem
Gemeinschuldner um eine natürliche
Person, die als Unternehmer tätig
war, kann das Insolvenzverfahren
daher gleichermaßen der Befriedi-
gung unternehmerischer wie auch
privater Verbindlichkeiten dienen.
5. Die Leistung, die der Insolvenzverwalter
gegen Entgelt an den Gemeinschuld-
ner erbringt, ist eine einheitliche
Leistung. Bezieht sich diese auf die
Gesamtheit der im Insolvenzverfah-
ren angemeldeten Forderungen der
Insolvenzgläubiger, besteht der für den
Vorsteuerabzug maßgebliche direkte
und unmittelbare Zusammenhang zu
der Gesamtheit dieser Insolvenzforde-
rungen. Eine Berücksichtigung einzel-
ner Verwertungshandlungen des
Insolvenzverwalters kommt demge-
genüber nicht in Betracht.
6. Dient ein Insolvenzverfahren sowohl
der Befriedigung von Verbindlich-
keiten des – zum Vorsteuerabzug be-
35
Februar 2016
rechtigten – Unternehmers wie auch
der Befriedigung von Privatverbind-
lichkeiten des Unternehmers, ist der
Unternehmer aus der Leistung des
Insolvenzverwalters nur zum antei-
ligen Vorsteuerabzug berechtigt.
7. Die Vorsteuerbeträge sind nach dem
Verhältnis der zur Tabelle ange-
meldeten unternehmerisch begrün-
deten Verbindlichkeiten zu den Privat-
verbindlichkeiten aufzuteilen.
PRAXISHINWEISE:
1. Ein Anspruch auf den vollen Vorsteuerabzug aus den Leistungen des Insolvenzverwalters – ohne Vorsteueraufteilung –
besteht nur, wenn alle angemeldeten Forderungen dem Unternehmensbereich zuzuordnen wären. Das war im Streitfall
nicht gegeben.
2. Sofern eine Aufteilung erforderlich ist, stellt der BFH auf die angemeldeten Forderungen ab. Zwar hat er offen gelassen,
ob auch andere Aufteilungsmaßstäbe zulässig sind. Allerdings hat er die Aufteilungsmethode der Vorinstanz verworfen.
Das FG hatte nämlich die Erlöse aus der Verwertung von Gegenständen in die Aufteilung einbezogen. Insofern muss
in der Praxis wohl davon ausgegangen werden, dass von der vom BFH vorgegebenen Methode nur in absoluten Aus-
nahmefällen abgewichen werden kann.
3. Offengelassen hat der BFH, wie zu entscheiden wäre, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen fortgeführt hätte.
Der BFH ist auch nicht näher auf den Fall eingegangen, dass das Unternehmen vor der Insolvenz ust-pflichtige und
ust-freie (vorsteuerschädliche) Umsätze ausgeführt hat. Man wird hier aber davon ausgehen müssen, dass eine weitere
Aufteilung des Vorsteuerabzugs erforderlich wird.
4. Zu Fragen, die sich im Zusammenhang mit Handlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ergeben, hat das BMF mit
Schreiben vom 20.05.2015 (BStBl. 2015 I S. 476) Stellung genommen. In entsprechenden Fällen sollten dieses Schreiben,
das zahlreiche Beispiele enthält, zur Hand genommen werden.
5.05
UStG UStG § 17 Abwehr
Änderung der Bemessungsgrundlage wegen vorübergehender Uneinbringlichkeit aufgrund
eines Sicherungseinbehalts
Gestaltung
X Wissen
BMF-Schreiben vom 03.08.2015,
III C2 – S 7333/08/10001:004
BStBl 2015 I, S. 624
Weiterführende Literatur
LEITSATZ:
Soweit ein Unternehmer, der der Sollbesteuerung unterliegt, seinen Entgeltanspruch über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren
nicht verwirklichen kann, weil der Leistungsempfänger zur Absicherung seiner Gewährleistungsansprüche einen Teilbetrag vertrags-
gemäß einbehält, ist er bereits für den VA-Zeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung berechtigt.
PROBLEMSTELLUNG:
Insbesondere im Baugewerbe ist es durch-
aus üblich, dass Kunden zur Sicherung
ihrer Gewährleistungsansprüche Beträge
zwischen 5 und 10 Prozent der vereinbar-
ten Vergütung – vertraglich zulässig – ein-
behalten. Aufgrund der Sollbesteuerung
war der Leistende bislang nicht berech-
tigt, seine USt bereits bei Erbringung der
Leistung zu berichtigen. Mit Urteil vom
24.10.2013 (V R 31/12) hatte der BFH die
Auffassung der Finanzverwaltung jedoch
verworfen (vgl. FN 3/2014, S. 30).
KERNAUSSAGEN:
1. Nach den Grundsätzen des BFH-Ur-
teils vom 24.10.2013 (a.a.O.) ist ein
der Sollbesteuerung unterliegender
Unternehmer bereits für den VA-
Zeitraum der Leistungserbringung
zur Steuerberichtigung nach § 17
36
Ausgabe Nr. 1
UStG wegen Uneinbringlichkeit
berechtigt, soweit er seinen Entgel-
tanspruch aufgrund eines vertrag-
lichen Einbehalts zur Absicherung
von Gewährleistungsansprüchen
über einen Zeitraum von zwei bis
fünf Jahren nicht verwirklichen kann.
2. Entgeltforderungen, die auf so ge-
nannten Sicherungseinbehalten
für Baumängel beruhen, sind daher
grundsätzlich uneinbringlich, da
der Unternehmer die insoweit beste-
henden Entgeltansprüche ganz oder
teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit
rechtlich und tatsächlich nicht durch-
setzen kann (Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz
2 UStAE). Soweit der Unternehmer je-
doch eine vollständige Entgeltzah-
lung bereits mit Leistungserbringung
für die Fälle beanspruchen kann, in
denen er die Gewährleistungsansprü-
che seiner Leistungsempfänger durch
Bankbürgschaft gesichert hat oder
ihm eine derartige Bürgschaftsge-
stellung möglich war, liegt hinge-
gen keine Uneinbringlichkeit vor.
Der Unternehmer hat die Voraus-
setzungen für eine Minderung der
Bemessungsgrundlage wegen Unein-
bringlichkeit nachzuweisen. Aus
den Nachweisen muss sich leicht und
einwandfrei ergeben, dass für jeden
abgeschlossenen Vertrag konkrete,
im Einzelnen vom Unternehmer be-
gehrte Gewährleistungsbürgschaften
beantragt und abgelehnt wurden.
3. Soweit der Unternehmer unter den
zuvor genannten Voraussetzungen
die Entgeltansprüche zulässig als
uneinbringlich behandelt, hat der
Leistungsempfänger die Vorsteuer
aus den jeweiligen Leistungsbezügen
entsprechend zu berichtigen. Der
Unternehmer ist nicht verpflichtet,
dem Leistungsempfänger die Behand-
lung seiner Ansprüche mitzuteilen.
Das FA des Unternehmers ist jedoch
berechtigt, das FA des Leistungs-
empfängers auf die Behandlung der
offenen Entgeltansprüche als unein-
bringlich hinzuweisen (Abschn. 17.1
Abs. 5 Sätze 9 und 10 UStAE).
PRAXISHINWEISE:
1. Es ist zu begrüßen, dass das BMF die Auffassung des BFH teilt, auch wenn es fast zwei Jahre benötigt hat, um sich zu
einer klaren Aussage „durchzuringen“. Erwartungsgemäß hat das BMF die Fälle von einer Steuerberichtigung ausge-
nommen, in denen die Gewährleistungsansprüche der Leistungsempfänger durch Bankbürgschaft gesichert worden
sind oder Bürgschaftsgestellungen zumindest möglich waren. Die Finanzverwaltung beruft sich insoweit zwar auf das
BFH-Urteil vom 24.10.2013, allerdings hat der BFH es in dieser Klarheit nicht gesagt.
2. Wichtig wird künftig sein, die Steuerberichtigung im „richtigen“ Zeitpunkt vorzunehmen. Gerade um den Jahreswech-
sel herum muss sorgfältig darauf geachtet werden, die Steuer bereits in dem VA-Zeitraum zu korrigieren, in dem die
Leistung erbracht worden ist und nicht erst, wenn der endgültige Zahlungsausfall droht. Beispiel: Eine Leistung wird im
Dezember 2015 erbracht, der Kunde hält 5 Prozent des Entgelts vertragsgemäß zu Sicherungszwecken ein. Mitte 2016
wird klar, dass das Entgelt endgültig uneinbringlich sein wird. Hier muss die Steuerberichtigung bereits im Dezember
2015 erfolgen.
37
Februar 2016
6. ERBSCHAFTSTEUER
7. BEWERTUNG
8. ABGABENORDNUNG
8.01
AO AO § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1; BewG § 151
Abs. 2 Nr. 2 S. 1 Hs. 2, § 154 Abs. 1
X Abwehr
Gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes gegenüber mehreren Miterben Gestaltung
X Wissen
BFH-Urteil vom 30.09.2015, II R 31/13 DStRE 2015 S. 1523, BFH/NV 2016 S. 96, DB 2015 S. 2917
Weiterführende Literatur
LEITSÄTZE:
1. Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt
sind.
2. Die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes erfolgt gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für
die Miterben. Inhaltsadressaten der Feststellung sind die Miterben, für deren Besteuerung der Grundbesitzwert von Bedeutung ist.
3. Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Miterben muss klar und
eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten.
PROBLEMSTELLUNG:
Die Kl. sind die Ehefrau und die Söhne
des im Jahr 2009 verstorbenen Erblassers,
sowie die aus den Erben bestehende Er-
bengemeinschaft. Zum Nachlass gehörten
mehrere Grundstücke. Die am 13.05.2011
beim FA eingereichte Erklärung zur Fest-
stellung des Bedarfswertes, für eines die-
ser Grundstücke, unterzeichnete nur die
Ehefrau als Erwerberin.
Mit Bescheid vom 26.05.2011 stellte das
FA den Grundbesitzwert gesondert und
einheitlich auf 285.418 EUR fest und
rechnete ihn der Erbengemeinschaft zu.
Den Bescheid gab das FA der Ehefrau als
Empfangsbevollmächtigte für die „O.-Er-
bengemeinschaft” bekannt. Der Bescheid
enthält den Zusatz:
„Der Bescheid ergeht mit Wirkung für
und gegen die Erbengemeinschaft und
alle Miterben.”
Den Einspruch der Kl. wies das FA als un-
begründet zurück. Als Einspruchsführer
bezeichnete das FA die „Erbengemein-
schaft nach H.O., bestehend aus W.O.,
S.O. und R.O., …”.
KERNAUSSAGEN:
1. Gegen einen Bescheid der nach
seinem Wortlaut ausdrücklich mit
Wirkung für und gegen die Erben-
gemeinschaft und alle Miterben
ergangen ist, können sich alle Be-
troffenen mit dem Einspruch und der
Klage wenden, um den Anschein der
Rechtswirksamkeit zu beseitigen.
2. Die Angabe des Inhaltsadressaten
ist konstituierender Bestandteil je-
des Verwaltungsaktes, denn es muss
unzweifelhaft feststehen, gegenüber
wem der Einzelfall geregelt werden
soll.
3. Inhaltsadressat eines Verwaltungs-
aktes ist derjenige, gegen den er
sich richtet, für den er bestimmt ist
und gegen den er wirken soll. Bei
Steuerbescheiden ist dies der Steuer-
schuldner, bei Feststellungsbescheiden
der Feststellungsbeteiligte, gegen den
sich die Feststellungen richten. Der
Feststellungsbeteiligte ist regelmä-
ßig identisch mit demjenigen, dem
der Gegenstand der Feststellung bei
der Besteuerung zuzurechnen ist.
4. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG
sind Grundbesitzwerte gesondert
festzustellen, wenn die Werte für
die Erbschaftsteuer oder eine andere
Feststellung im Sinne dieser Vorschrift
von Bedeutung sind. Beim Erwerb
durch eine Erbengemeinschaft er-
folgt die Zurechnung in Vertretung
der Miterben auf die Erbenge-
meinschaft.
38
Ausgabe Nr. 1
5. Inhaltsadressat der Feststellung des
Grundbesitzwertes ist der Erbe,
für dessen Besteuerung die Fest-
stellung des Grundbesitzwertes von
Bedeutung ist. § 151 Abs. 2 Nr. 2
S. 1 Halbsatz 2 BewG regelt den Fall
der gesonderten und einheitlichen
Feststellung des Grundbesitzwertes
bei mehreren Erben. Die Regelung
soll bewirken, dass der Feststellungs-
bescheid für die durch die Erbenge-
meinschaft vertretenen Miterben Bin-
dungswirkung hinsichtlich der Art
der wirtschaftlichen Einheit und des
festgestellten Wertes hat, sowie
darüber, dass die wirtschaftliche Ein-
heit allen Miterben zuzurechnen ist.
Damit wird die Erbengemeinschaft
jedoch nicht zum Inhaltsadressa-
ten des Feststellungsbescheids, denn
die zu treffenden Feststellungen sind
nicht für die Besteuerung der Erben-
gemeinschaft selbst, sondern bei der
Festsetzung der Erbschaftsteuer ge-
gen die von den Feststellungen be-
troffenen Miterben von Bedeutung.
Inhaltsadressaten der gesonderten
Feststellung bleiben die Miterben,
auch wenn die Feststellung gegen-
über der Erbengemeinschaft in Ver-
tretung für die Miterben erfolgt.
6. Dem Bescheid über die gesonder-
te und einheitliche Feststellung des
Grundbesitzwertes bei mehreren
Miterben muss klar und eindeutig
entnommen werden können, gegen
welche Beteiligten der Erbenge-
meinschaft sich die Feststellungen
richten. Dabei ist es ausreichend,
wenn sich die Beteiligten zwar nicht
aus dem Adressfeld, wohl aber aus
dem weiteren Inhalt des Bescheids
ergeben, z.B. aus einer Anlage, aus
den Erläuterungen des Bescheids oder
aus einem in Bezug genommenen Be-
richt über eine Außenprüfung.
7. Die Bezeichnung Erbengemeinschaft
mit dem Zusatz der Namen der
Erben ist ausreichend, denn die
Mitglieder der Erbengemeinschaft
können einem solchen Bescheid ent-
nehmen, dass dieser sich gegen sie
als Erbengemeinschaft richtet.
8. Eine mangelnde Bezeichnung der
Inhaltsadressaten im Bescheid kann
nicht durch eine korrekte Bezeich-
nung in der Einspruchsentschei-
dung geheilt werden.
PRAXISHINWEISE:
1. Die Miterben sind als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer auch am Feststellungsverfahren beteiligt. Für Bewertungs-
stichtage nach dem 30.06.2011 folgt dies ausdrücklich aus § 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG n.F., wonach diejenigen, die eine
Steuer schulden, für die die Wertfeststellung von Bedeutung ist, am Feststellungsverfahren beteiligt sind. Für frühere
Bewertungsstichtage folgt dies aus der Rechtsprechung des BFH, wonach den in Betracht kommenden Steuerschuldnern
der Gegenstand der Wertfeststellung i.S. des § 154 Abs. 1 Nr. 1 BewG zuzurechnen ist und diese Stpfl. am Feststel-
lungsverfahren beteiligt sind.
2. Das Urteil zeigt erneut die hohen formellen Anforderungen an einen Steuerbescheid auf. Insbesondere, wenn Steuer-
bescheide nicht standardisiert sind, sondern Einzelfälle betreffen, erhöht sich das Risiko formaler Fehler. Fallen in der
Beratungspraxis andere Änderungsmöglichkeiten für Steuerbescheide aus, empfiehlt sich die detaillierte Suche nach
Formfehlern zur Beseitigung des Steuerbescheids.
8.02
AO AO § 163
EStG § 4
X Abwehr
Verteilung eines Übergangsgewinns Gestaltung
Wissen
BFH-Urteil vom 01.10.2015 , X R 32/13 DStR 2015 S. 2664, BFH/NV 2016 S. 91, DB 2015 S. 2856
Weiterführende Literatur
LEITSÄTZE:
1. Eine Billigkeitsentscheidung über die Verteilung eines Übergangsgewinns bindet auch hinsichtlich dessen Höhe.
2. Die Billigkeitsentscheidung kann in dem Steuerbescheid des Übergangsjahres enthalten sein.
39
Februar 2016
PROBLEMSTELLUNG:
Der Kl. erzielte Einkünfte aus Gewerbebe-
trieb. Er ermittelte bis 2006 seinen Gewinn
durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung,
seit 2007 durch Betriebsvermögensver-
gleich. Den erklärten Übergangsgewinn
verteilte er auf die Veranlagungsjahre ab
2007. Die Steuererklärung setzte das FA
antragsgemäß fest und führte im An-
schluss eine Außenprüfung für die Jahre
2005 bis 2007 durch. In dem Prüfungs-
bericht vom 04.05.2009 errechnete der
Prüfer einen abweichenden Übergangs-
gewinn und vermerkte dazu „Ansatz mit
1/3 in den Jahren 2007-2009”. Unter Auf-
hebung des VdN erging am 09.06.2009
ein geänderter Einkommensteuerbescheid
2007, in dessen Erläuterungen es heißt:
„Der Festsetzung/Feststellung liegen die
Ergebnisse der bei Ihnen durchgeführ-
ten Außenprüfung zu Grunde (siehe
Prüfungsbericht vom 04.05.2009).” Mit
unter VdN stehenden Bescheiden setzte
das FA die ESt bzw. den Gewerbesteuer-
messbetrag für 2008 in der Weise fest,
dass es den erklärten Gewinn um 1/3 des
Übergangsgewinns erhöhte.
Am 01.04.2011 beantragte der Kl. die
Änderung der ESt- und der Gewerbesteu-
ermessbescheide für 2007 und 2008 und
machte einen Übergangsverlust geltend.
Das FA lehnte alle Anträge ab, da eine
Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1
Nr. 2 der AO nicht bestehe. Im Übrigen sei
wegen der fehlenden Änderungsmöglich-
keit für 2007 der ermittelte Übergangs-
gewinn auch für 2008 und 2009 maß-
geblich. Der Kl. machte hinsichtlich des
Jahres 2008 geltend, mangels gesonder-
ter Feststellung über die Ermittlung und
Verteilung des Übergangsgewinns gebe
es keine Bindungswirkung für die Jahre
2008 und 2009.
KERNAUSSAGEN:
1. Ist eine Billigkeitsentscheidung
darüber getroffen worden, dass der
Übergangsgewinn in bestimmter
Höhe auf mehrere Jahre verteilt
wird, so bindet diese auch für die
Folgejahre und ist in deren Veran-
lagungen zu übernehmen. Diese
Entscheidung kann nach § 163 S.
3 AO mit der Steuerfestsetzung
des Übergangsjahres verbunden
und zudem konkludent ausgespro-
chen werden.
2. Eine Entscheidung der Finanzbehör-
de nach § 163 S. 2 AO über Höhe
und Verteilung des Übergangsge-
winns auf mehrere Jahre ist in die
Veranlagungen aller betroffenen
Jahre zu übernehmen.
3. Die Entscheidung über die in der
abweichenden Verteilung liegende
Billigkeitsmaßnahme ist nach der
AO auch dann Gegenstand eines
gesonderten Verwaltungsverfah-
rens und damit eines gesonderten
Bescheids, wenn äußerlich beide
Entscheidungen in einem Bescheid
zusammengefasst werden. § 163 Satz
3 AO regelt dies zwar nicht unmittel-
bar, setzt es aber voraus. Der Bescheid
hinsichtlich der Billigkeitsmaßnahme
ist seinerseits ein für die Festsetzung
einer Steuer bindender Verwaltungs-
akt und damit Grundlagenbescheid
für die Steuerfestsetzung.
4. Die Bindungswirkung einer Billigkeits-
entscheidung, die den Übergangsge-
winn auf mehrere Jahre verteilt, be-
zieht sich nicht nur auf die Verteilung,
sondern erstreckt sich auch auf die
Höhe dieses Gewinns. Eine Vertei-
lung im Billigkeitswege nach § 163
S. 2 AO bzw. R 4.6 Abs. 1 S. 2 bzw. 4
EStR ändert die Höhe des insgesamt
zu berücksichtigenden Übergangsge-
winns nicht.
5. Eine Entscheidung über die Berück-
sichtigung einer Besteuerungs-
grundlage in einem späteren Zeit-
punkt schließt die Entscheidung
über diese Besteuerungsgrundla-
ge selbst ein. Das zeigt sich bereits
daran, dass über die Verteilung eines
Übergangsverlusts nach anderen Kri-
terien zu entscheiden wäre als über
die Verteilung eines Übergangsge-
winns. Nach § 163 Satz 2 AO dürfte
ein Übergangsverlust, da er die Steu-
er mindert, nicht zu einem späteren,
sondern nur zu einem früheren Zeit-
punkt berücksichtigt werden.
6. Auch wenn Steuerfestsetzung und
Billigkeitsmaßnahme unter dem
Geltungsbereich des § 163 AO zwei
voneinander zu unterscheidende
Verwaltungsakte sind, die folglich
Gegenstand zweier unterschiedlicher
Verfahren sein können, so dürfen
beide Verfahren doch miteinander
verbunden werden. § 163 Satz 3
AO gestattet ausdrücklich die Ver-
bindung der Entscheidung über die
abweichende Festsetzung mit der
Steuerfestsetzung. Zur abweichenden
Festsetzung im Sinne dieser Vorschrift
gehören die Billigkeitsmaßnahmen
sowohl nach § 163 Satz 1 AO als auch
nach § 163 Satz 2 AO.
7. Bei der Frage, ob ein Bescheid eine
weitere – konkludente – Entschei-
dung in Gestalt einer Billigkeits-
maßnahme enthält, können dessen
Einzelaspekte nicht isoliert, son-
dern nur als Gesamtheit betrachtet
werden. Nur so kann der nach § 133
BGB maßgebende wirkliche Wille
ermittelt werden.
40
Ausgabe Nr. 1
PRAXISHINWEISE:
1. Die Billigkeitsentscheidung ist kein Steuerbescheid, sondern ein sonstiger Verwaltungsakt, daher gelten die Formvor-
schriften der §§ 118 ff. AO, nicht die des § 157 Abs. 1 AO. Die Billigkeitsentscheidung kann daher auch konkludent im
Rahmen einer Steuerfestsetzung oder Feststellung getroffen werden, muss aber als Verwaltungsakt nach § 119 Abs. 1
AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies schließt zwar nicht aus, dass ihr Inhalt durch Auslegung ermittelt werden
muss; erforderlich ist aber, dass sie klar, eindeutig und widerspruchslos erkennen lässt, welche Rechtswirkungen sie
entfalten soll.
2. Einer Billigkeitsentscheidung muss zu entnehmen sein, ob und in welchem Umfang von der an sich gesetzlich vorge-
sehenen Steuerfestsetzung abgewichen worden ist. Dazu muss nicht die Steuer vor und nach der Billigkeitsmaßnahme
angegeben werden. Es kann genügen, dass sich die abweichende Steuerfestsetzung aus der Höhe der festgesetzten
Steuer ermitteln lässt. Einer gesonderten Erläuterung im Steuerbescheid bedarf es nicht zwingend.
3. Ausgangspunkt einer Verteilung ist grundsätzlich das Erstjahr, so dass die für diesen VAZ ergangenen Bescheide im
Zweifel bis zum Ende des Verteilungszeitraums offengehalten werden sollten.
8.03
AO AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 173
Abs. 1 Nr. 1; EStG § 3 Nr. 63
X Abwehr
Änderung von Steuerbescheiden: Neue Tatsachen und unlautere Mittel Gestaltung
X Wissen
BFH Urteil vom 08.07.2015 - VI R 51/14 DStR 2015, 2131
Weiterführende Literatur
LEITSATZ:
Hat der Stpfl. dem FA den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt im Veranlagungsverfahren vollständig offengelegt, han-
delt er nicht arglistig und bedient sich auch nicht sonstiger unlauterer Mittel i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO, wenn
er sich im Einspruchsverfahren weiterhin auf Angaben in der Lohnsteuerbescheinigung bezieht, der nach Auffassung des FA eine
unzutreffende rechtliche Würdigung des Arbeitgebers zugrunde liegt.
PROBLEMSTELLUNG:
Die Kl. erklärten in der Anlage N zu den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
Bruttoarbeitslohn in Höhe von € -20.201
EUR (€ -26.980,08 und € 6.920) und Ent-
schädigungen in Höhe von € 174.034. Die
Arbeitgeber der Kl. übermittelten dem FA
elektronisch die gleichen Daten.
Aus dem beim FA eingereichten Auf-
hebungsvertrag der Kl. ergab sich eine
Abfindung i.H.v. € 174.034,28, von der
ein Teilbetrag i.H.v. € 50.017 in eine
Direktversicherung einbezahlt werden
sollte. Des Weiteren reichten die Kl. eine
Bescheinigung mit einer „Aufstellung der
bescheinigten Summe in der Lohnsteuer-
bescheinigung Zeile 3” ein. Danach hatte
der Arbeitgeber die „Einzahlung aus Ab-
findung in Direktversicherung” in Höhe
von € 50.017 als Abzugsposten berück-
sichtigt und gelangte so zu einem Wert in
Höhe von € -6.980,08 EUR.
Das FA setzte die Einkommensteuer fest
und wies darauf hin, dass der Bruttoar-
beitslohn der Kl. € 29.956 betrage. Der
Betrag für die Direktversicherung sei und
von der Abfindung abzuziehen, so dass
€ 124.017 als ermäßigt besteuerter Ar-
beitslohn zu berücksichtigen seien. Da-
gegen legten die Kl. Einspruch ein, dem
das FA abhalf.
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprü-
fung beim Arbeitgeber stellte das FA die
falsche Lohnsteuerschlüsselung fest und
erließ einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
geänderten Einkommensteuerbescheid
und berücksichtigte dabei einen Brutto-
arbeitslohn der Kl. i.H.v. von € 29.956 und
eine Entschädigung i. H. v. € 124.017.
41
Februar 2016
KERNAUSSAGEN:
1. Keine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1
Nr. 1 AO ist, dass das FA nach erneu-
ter Prüfung aller bereits bekannter
Informationen zu einem anderen
Ergebnis gelangt, wenn diese Beur-
teilung das Ergebnis einer Subsum-
tion und einer Auslegung von Sach-
verhalten ist und nicht Folge neuer,
nachträglich bekannt gewordener
Tatsachen.
2. Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Buchst. c AO darf ein Steuerbe-
scheid geändert werden, soweit er
durch unlautere Mittel, wie arg-
listige Täuschung, Drohung oder
Bestechung erwirkt worden ist. Arg-
listige Täuschung in diesem Sinne
ist die bewusste und vorsätzliche
Irreführung, wie jedes vorsätzliche
Verschweigen oder Vortäuschen von
Tatsachen, durch das die Willensbil-
dung der Behörde unzulässig beein-
flusst wird. Für Arglist reicht bereits
das Bewusstsein aus, wahrheitswid-
rige Angaben zu machen. Nicht er-
forderlich ist dagegen die Absicht,
damit das FA zu einer Entscheidung
zu veranlassen. Ein Mitverschulden
der Finanzbehörde ist unerheblich,
insbesondere der Umstand, dass es
die Unrichtigkeit hätte durchschauen
können.
3. Nachdem der Sachverhalt dem FA
bereits vollständig offengelegt ist,
ist der schlichte Vortrag einer ande-
ren Rechtsauffassung im Rahmen
des Einspruchsverfahrens nicht „arg-
listig” oder in sonstiger Weise „un-
lauter”. Die Lohnsteuerbescheinigung
entfaltet lediglich einen Beweiswert
dahingehend, wie der Lohnsteu-
erabzug tatsächlich stattgefunden
hat und nicht darüber, wie er hätte
durchgeführt werden müssen, so
dass auch aus diesem Grund durch
die Bezugnahme auf die Lohnsteu-
erbescheinigung keine „unrichtigen
(tatsächlichen) Angaben” gemacht
wurden. Eine etwaige Hoffnung
der Kl., das FA werde sich ohne eine
weitere Sachprüfung ihrer Rechtsauf-
fassung anschließen, ist keine arglis-
tige Täuschung.
PRAXISHINWEISE:
1. Für die Praxis empfiehlt es sich, die tatsächlichen Verhältnisse stets genau zu prüfen, weil die Rechtsprechung des BFH
zeigt, dass vielfach die auf neue Tatsachen gestützte Änderung von Steuerbescheiden nicht hinreichend begründbar ist.
2. Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen
Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Nicht
unter den Tatsachenbegriff fallen dagegen Schlussfolgerungen aller Art, rechtliche Würdigungen und Bewertungen,
Rechtsansichten und juristische Subsumtionen, bei denen auf Grund von Tatsachen anhand gesetzlicher Vorschriften
ein bestimmter Schluss gezogen wird. Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis
nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist. Grundsätzlich
kommt es dabei auf den Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalls berufenen Dienststelle an, wobei aktenkun-
dige Tatsachen stets als bekannt gelten.
42
Ausgabe Nr. 1
9. ANDERE RECHTSGEBIETE
10. SONSTIGES
Es empfiehlt sich, Anfragen stets zeitnah beim Verband zu stellen, damit eine Bearbeitung im zweimonatlichen Tagungsrhythmus
erfolgen kann.
Die zu den Beiträgen zitierten Quellen können ggf. über die Geschäftsstelle des Verbandes bezogen werden.
Termin für die nächste Sitzung des Steuerechtsausschusses des Verbandes ist der 10. und 11. März 2016.
IMPRESSUMFACHNACHRICHTEN des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe e.V.
Herausgeber und Verleger: Steuerberaterverband Westfalen-Lippe e.V.
Postfach 20 20 20, 48101 Münster; Gasselstiege 33, 48159 Münster
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Verantwortlich für den Inhalt: Dipl.-Kfm. Marcus Tuschen, StB / WP, Präsident des Verbandes
Redaktion: Steuerrechts-Ausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe e.V.
Entwicklung und Realisation: Michael Tiggemann
Druck: Bitter & Loose GmbH, Mergenthalerstraße 18, 48268 Greven
Alle Angaben ohne Gewähr. Abdruck sowie fotomechanische und elektronische Wiedergabe, auch auszugsweise, sind nur mit
ausdrücklicher Genehmigung des Verbandes gestattet.
Der StBV- eine starke Gemeinschaft von Mitgliedern für Mitglieder!
Wer selbst überzeugt ist, kann andere am besten über-zeugen. Denn als Mitglied kennen Sie die Vorteile des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe ganz genau. Überzeugen Sie auch andere davon und profitieren Sie!
Ab sofort erhält jedes neu geworbene Mitglied (ausgenom-men Schnuppermitglieder) wahlweise einen Gutschein für ein ASW-Ganztagesseminar im Wert von 250,00 € oder einen Platz für seinen Kanzleinachwuchs zur Vorbereitung auf die Steuerfachangestellten-Prüfung im Wert von 330,00 €. Und das werbende Mitglied erhält diese Prämie ebenfalls!
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Mitmachen ist ganz einfach:Sie nennen uns einen Kollegen, der noch nicht dem Steuerbe-raterverband Westfalen-Lippe angehört und teilen uns dessen Kontaktdaten über unsere Webseite www.stbv.de mit. Wir wer-den das neue Mitglied dann um die schriftliche Bestätigung des Mitgliedsantrags bitten. Sobald dieser vorliegt, werden wir Sie informieren und Ihnen den Seminargutschein zukommen lassen.
Voraussetzung ist lediglich, dass die Interessentin/der Interessent mindestens zwei Jahre kein Mitglied im Verband war.
Die Kampagne läuft unbegrenzt, Mitglied kann jeder Steuerbe-rater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt werden. Auch Nicht-mitglieder können eine Mitgliedschaft im Steuerberaterverband Westfalen-Lippe empfehlen.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Herrn Frank Hass, den Sie telefonisch unter der Nummer:
(0251) 5358613 oder per E-Mail: hass@stbv.de erreichen können.
Mitglieder werben Mitglieder:Empfehlen Sie uns weiter – und wir sagen Danke!
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