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Reverse Auctions im Einkauf
Reverse Auctions im Einkauf
Empirische Analyse von Anbieterreaktionen und deren Ursachen
Von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Dr. rer. pol.)
genehmigte Abhandlung
Vorgelegt von Wolfgang Schnellbächer
aus Koblenz
Hauptberichter: Prof. Dr. Dr. h.c. Ulli Arnold
Mitberichter: Prof. Dr. Georg Herzwurm Eingereicht am: 06.07.2011 Tag der mündlichen Prüfung: 19.12.2012
Institut für Betriebswirtschaft der Universität Stuttgart 2011
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Aufl. - Göttingen : Cuvillier, 2013
Zugl.: Stuttgart, Univ., Diss., 2011
978-3-95404-340-8
© CUVILLIER VERLAG, Göttingen 2013
Nonnenstieg 8, 37075 Göttingen
Telefon: 0551-54724-0
Telefax: 0551-54724-21
www.cuvillier.de
Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist
es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg
(Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen.
1. Auflage, 2013
Gedruckt auf säurefreiem Papier
978-3-95404-340-8
Meinen Eltern
VII
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand neben meiner Tätigkeit als akademischer Mitarbeiter am
Betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Stuttgart. Sowohl die Betreuung der
Studenten dieses Instituts, als auch das wissenschaftliche Arbeiten haben mir große Freude
bereitet.
Die Anfertigung einer Dissertationsschrift ist ein jedoch nicht immer leichtes Unterfangen.
Allzu häufig droht man sich im Strudel nicht enden wollender Informationen zu verlieren.
Immer wieder entdeckt man neue Aspekte, die von der Ferne allesamt bedeutsam
erscheinen und allzu selten kommt man ohne Umwege zu einem Ziel und einer Erkenntnis.
Von besonderem Wert ist da ein erfahrener Doktorvater, der Wichtiges von Unwichtigem
zu trennen vermag. Der Gedanken ordnet, wertvolle Impulse gibt, jedoch die Freiheit lässt,
die Arbeit nach eigenen Vorstellungen zu Gestalten. Ich möchte mich bei Herrn Professor
Dr. Dr. h.c. Ulli Arnold für seine ausgezeichnete Dissertationsbetreuung bedanken. Trotz
einer bewundernswert vitalen Tätigkeit in einer Vielfalt wissenschaftlicher Projekte wurde
er nie müde, mich zu leiten und zu unterstützen.
Dank sei an dieser Stelle auch den Mitarbeitern am Lehrstuhl ausgesprochen. Philipp
Glaser-Gallion, der es als einer der wenigen Menschen auf der Erde vermag einen
sportlichen Ehrgeiz mit wahrer Freundschaft zu verbinden. Jürgen Lamparth, der mit seiner
Ruhe und Erfahrung stets für eine angenehme Atmosphäre am Lehrstuhl sorgte.
Unabhängig davon was die Zukunft bringt, werden die Jahre am Lehrstuhl als goldenes
Zeitalter in meine persönliche Geschichte eingehen.
Die Kraft all unseres Seins liegt in unserer Familie. Zu dieser gehört auch meine Freundin
Sabina Jakobi, der ich vor allen für die Unterstützung und die Freude während der letzten
Jahre danke. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern Elisabeth und Manfred Schnellbächer.
Mit steter Liebe und Fürsorge haben sie alle meine Wege begleitet.
IX
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ............................................................................................................................. VII
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................... IX
Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................... XII
Tabellenverzeichnis ......................................................................................................... XIV
Stichwortverzeichnis ....................................................................................................... XVI
Zusammenfassung .......................................................................................................... XVII
Abstract ............................................................................................................................ XIX
1 Problemstellung der Untersuchung ............................................................................ 1
1.1 Reverse Auctions als Erkenntnisobjekt ................................................................... 1
1.2 Zugrunde liegendes Forschungskonzept ................................................................. 3
2 Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung ................................... 6
2.1 Darstellung elektronischer Beschaffungsauktionen ................................................ 6
2.1.1 Charakterisierung des Verhandlungsinstruments ............................................. 6 2.1.2 Vorstellung möglicher Auktionsparameter ...................................................... 8
2.2 Zugrunde liegende Theorien .................................................................................. 17
2.2.1 Market-Structure-Conduct-Performance-Paradigma ..................................... 17 2.2.2 Konzept der Voice-, Exit- und Loyality ......................................................... 20 2.2.3 Anreiz-Beitrags-Theorie................................................................................. 25 2.2.4 Produkt-Markt-Matrix .................................................................................... 28
3 Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen ................ 32
3.1 Zielsetzungen der eRA-Einführung ....................................................................... 32
3.1.1 Vorstellung möglicher Zielsetzungen ............................................................ 32 3.1.2 Verknüpfung der Zielsetzungen mit Anreizsystemen für Einkäufer ............. 35
3.2 Auswahl und Entscheidungsprozesse zu eRAs ..................................................... 36
3.2.1 Auswahl der Beschaffungssituation ............................................................... 36 3.2.2 Auswahl der Auktionsdesigns und der Kommunikationsstrategie ................ 42 3.2.3 Verknüpfung der Beschaffungssituation mit der Auktionsstrategie .............. 53
3.3 ERA-Einbindung in den Beschaffungsprozess...................................................... 54
3.3.1 Initiatoren und Treiber der eRA-Einführung ................................................. 54 3.3.2 Darstellung des auktionsintegrierten Beschaffungsprozesses ........................ 59
4 Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs 65
4.1 Marktstrukturveränderungen als determinierende Wahrnehmungsvariablen ........ 65
Inhaltsverzeichnis
X
4.2 Darstellung der Marktstrukturverschiebungen durch eRAs .................................. 67
4.2.1 Senkung des Preisniveaus .............................................................................. 67 4.2.2 Erhöhung der Wettbewerberanzahl ................................................................ 70 4.2.3 Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses ................................................... 72 4.2.4 Verlust der relativen Markttransparenz .......................................................... 76
4.3 Auktionswahrnehmung der Zulieferer ................................................................... 80
4.3.1 Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments .................................... 80 4.3.2 Fairnesswahrnehmung als determinierende Variable der Beziehungsqualität 84
5 Systematisierung der Zuliefererreaktionen auf eRAs ............................................ 88
5.1 Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen ........................................................... 88
5.1.1 Darstellung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen ............................... 88 5.1.2 Verknüpfung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen mit der eRA-Wahrnehmung .............................................................................................................. 98
5.2 Kompensationsversuche finanzieller Einbußen ..................................................... 99
5.2.1 Darstellung der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen ................... 99 5.2.2 Verknüpfung finanzieller Kompensationsversuche mit der eRA-Wahrnehmung ............................................................................................................ 102
5.3 Strategische Neuausrichtungen ............................................................................ 103
5.3.1 Darstellung strategischer Neuausrichtungen ................................................ 103 5.3.2 Verknüpfung strategischer Neuausrichtungen mit der eRA-Wahrnehmung 106
6 Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse ................. 108
6.1 Darstellung des Messverfahrens der Lieferantenwahrnehmung ......................... 108
6.1.1 Strukturgleichungsverfahren mithilfe von Partial Least Squares ................. 108 6.1.2 Gütebeurteilung von PLS-Modellen ............................................................ 112 6.1.3 Operationalisierung des Messmodells .......................................................... 116
6.2 Darstellung des Messverfahrens zur Wahrscheinlichkeit von Gegenreaktionen 124
6.2.1 Die logistische Regression ........................................................................... 124 6.2.2 Gütebeurteilung von logistischen Regressionsmodellen.............................. 126
6.3 Darstellung der Datenerhebung ........................................................................... 128
6.3.1 Form und Gestaltung der Erhebung ............................................................. 128 6.3.2 Zielgruppe der Befragung ............................................................................ 131
7 Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle ................................................ 134
7.1 Vorbereitende qualitative Analyse und Datengrundlage der Untersuchung ....... 134
7.1.1 Aufbau und Vorgehensweise der qualitativen Analyse ............................... 134 7.1.2 Ergebnisse der qualitativen Analyse ............................................................ 137 7.1.3 Datenerhebung und Charakteristika der Stichprobe..................................... 139
7.2 Ergebnisse zu den Determinanten der Auktionswahrnehmung ........................... 142
7.2.1 Prüfung des Messmodells ............................................................................ 142 7.2.2 Prüfung des Strukturmodells ........................................................................ 152
7.3 Ergebnisse zu Häufigkeiten und Determinanten der Gegenreaktionen ............... 157
Inhaltsverzeichnis
XI
7.3.1 Auftreten und Ursachen verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen ......... 157 7.3.2 Auftreten und Ursachen finanzieller Kompensationsversuche .................... 163 7.3.3 Auftreten und Ursachen strategischer Neuausrichtungen ............................ 167
7.4 Direkte Implikationen für die Unternehmenspraxis ............................................ 171
7.4.1 Implikationen für beschaffende Unternehmen ............................................. 171 7.4.2 Implikationen für liefernde Unternehmen .................................................... 175
8 Zusammenfassende Betrachtung der Analyse ....................................................... 178
8.1 Wissenschaftliche Ergebnisse.............................................................................. 178
8.1.1 Inhaltliche Erkenntnisse ............................................................................... 178 8.1.2 Theoretische und methodische Konsequenzen aus der Vorgehensweise ..... 180 8.1.3 Limitationen der Arbeit und Möglichkeiten zukünftiger Forschung ........... 182
8.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis ......................................................... 184
Literaturverzeichnis .......................................................................................................... XV
XII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vorgehensweise der wissenschaftlichen Untersuchung .................................. 5
Abbildung 2: Systematisierung verschiedener Verhandlungskonzepte ................................. 8
Abbildung 3: Grundtypen von eRAs .................................................................................... 10
Abbildung 4: Transparenzgrade in eRAs mit englischem Auktionsdesign ......................... 11
Abbildung 5: Hierarchische Anordnung der Abnehmerbindung ......................................... 13
Abbildung 6: Verfahren unterschiedlicher Angebotsbewertung .......................................... 15
Abbildung 7: Unterschiedliche Gebotsbewertung in einer holländischen eRA ................... 15
Abbildung 8: Parameter elektronischer Beschaffungsauktionen ......................................... 17
Abbildung 9: Market-Structure-Conduct-Performance-Paradigma ..................................... 19
Abbildung 10: Ableitung von Abwanderungs- und Widerspruchswahrscheinlichkeiten in
Abhängigkeit der Kostenverursachung ................................................................................ 23
Abbildung 11: Entscheidungsprozess nach der Anreiz-Beitrags-Theorie ........................... 27
Abbildung 12: Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff ............................................................. 29
Abbildung 13: Veränderung der TCO-Parameter im Zeitverlauf ........................................ 35
Abbildung 14: Beispielhafte Matrixdarstellung von Beschaffungsobjektkriterien.............. 37
Abbildung 15: Mechanismen zum Vertrauensaufbau .......................................................... 51
Abbildung 16: Entscheidungsparameter einer elektronischen Beschaffungsauktion .......... 53
Abbildung 17: Entscheidungssystem zur Auswahl des Auktionsdesigns ............................ 54
Abbildung 18: Einbettung des Dienstleisters in den Auktionsprozess ................................ 56
Abbildung 19: Dienstleistungskombinationen für elektronische Beschaffungsauktionen .. 58
Abbildung 20: Systematisierung verschiedener Verhandlungsvarianten............................. 60
Abbildung 21: Der auktionsintegrierte Beschaffungsprozess .............................................. 60
Abbildung 22: Wahrnehmung und Einfluss auf die Geschäftsbeziehung als intervenierende
Variablenim MSCP-Paradigma ............................................................................................ 67
Abbildung 23: Der Vertriebsprozess bei industriellen Ausschreibungen ............................ 74
Abbildung 24: Determinanten lieferantenseitiger eRA-Wahrnehmung ............................... 87
Abbildung 25: Zusammenhang zwischen Struktur- und Messmodell ............................... 110
Abbildung 26: Klassifizierung teilnehmender Unternehmen anhand der Mitarbeiterzahl 140
Abbildung 27: Klassifizierung der Probanden anhand ihrer Beschäftigungsdauer ........... 141
Abbildung 28: Graphische Darstellung des Strukturmodells ............................................. 154
Abbildung 29: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen in der Praxis .......................... 160
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildung 30: Kompensationsversuche finanzieller Einbußen in der Praxis .................... 164
Abbildung 31: Strategische Neuausrichtungen in der Praxis ............................................. 168
Abbildung 32: Verknüpfung Kausalanalyse logistische Regression ................................. 182
XIV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vorteile externer Service Provider im Zeitverlauf .............................................. 59
Tabelle 2: Empirische Ergebnisse zu Preisreduktionen durch eRAs ................................... 68
Tabelle 3: Kriterien für die Wahrscheinlichkeit von Kollusionen ....................................... 95
Tabelle 4: Kollusionsfördernde und kollusionshemmende Effekte durch eRAs ................. 97
Tabelle 5: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen zu eRAs.......................................... 98
Tabelle 6: Kompensationsversuche finanzieller Einbußen durch eRAs ............................ 102
Tabelle 7: Strategische Neuausrichtungen aufgrund von eRAs ......................................... 106
Tabelle 8: Zusammenstellung der Prüfkriterien für reflektive und formative Konstrukte 115
Tabelle 9: Erfassung der Senkung des Preisniveaus .......................................................... 117
Tabelle 10: Erfassung des Anstiegs der Wettbewerberanzahl ........................................... 118
Tabelle 11: Operationalisierung der Kostensenkungen im Vertriebsprozess .................... 119
Tabelle 12: Operationalisierung der absoluten MT-Erhöhung .......................................... 120
Tabelle 13: Operationalisierung der Fairnesswahrnehmung von eRAs ............................. 122
Tabelle 14: Operationalisierung des eRA-Einflusses auf die Geschäftsbeziehung ........... 123
Tabelle 15: Gütemaße des Modellfits der logistischen Regression ................................... 128
Tabelle 16: Verbesserte Operationalisierung des relativen Markttransparenzverlusts ...... 138
Tabelle 17: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen zu eRAs ...................................... 139
Tabelle 18: Einzelindikatorenbeurteilung: Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses ... 142
Tabelle 19: Gütebeurteilung: Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses ........................ 143
Tabelle 20: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT der beschaffenden Unternehmen
............................................................................................................................................ 143
Tabelle 21: Gütebeurteilung: Erhöhung MT der beschaffenden Unternehmen ................. 144
Tabelle 22: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT des eigenen Unternehmens ..... 145
Tabelle 23: Gütebeurteilung: Erhöhung MT des eigenen Unternehmens .......................... 145
Tabelle 24: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT der konkurrierenden Unternehmen
............................................................................................................................................ 146
Tabelle 25: Gütebeurteilung: Erhöhung MT der konkurrierenden Unternehmen .............. 147
Tabelle 26: Einzelindikatorenbeurteilung: Verlust der relativen MT ................................ 147
Tabelle 27: Gütebeurteilung: Verlust der relativen MT ..................................................... 148
Tabelle 28: Einzelindikatorenbeurteilung: Fairnesswahrnehmung von eRAs ................... 149
Tabelle 29: Gütebeurteilung: Fairnesswahrnehmung von eRAs........................................ 150
Tabellenverzeichnis
XV
Tabelle 30: Einzelindikatorenbeurteilung: eRA-Einfluss auf die Geschäftsbeziehung ..... 151
Tabelle 31: Gütebeurteilung: eRA-Einfluss auf die Geschäftsbeziehung .......................... 151
Tabelle 32: t-Werte der formativen Messungen ................................................................. 152
Tabelle 33: Hypothesenprüfung auf Strukturmodellebene ................................................ 153
Tabelle 34: Darstellung des R2 und der Vorhersagevalidität auf Strukturmodellebene ..... 155
Tabelle 35: Überprüfung der Multikollinearität auf Strukturmodellebene ........................ 156
Tabelle 36: Regressionsanalytische Berechnung der Einflussgrößen der
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA................................................ 157
Tabelle 37: Häufigkeit von verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen .......................... 158
Tabelle 38: Modellfit: Fairnesswahrnehmung – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen
............................................................................................................................................ 161
Tabelle 39: Modellfit: Beziehungsqualität – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen . 162
Tabelle 40: Einfluss eRA-Wahrnehmung – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen ... 162
Tabelle 41: Häufigkeit von finanziellen Kompensationsversuchen ................................... 163
Tabelle 42: Modellfit: Fairnesswahrnehmung –finanzielle Kompensationsversuche ....... 165
Tabelle 43: Modellfit: Beziehungsqualität –finanzielle Kompensationsversuche ............. 166
Tabelle 44: Einfluss eRA-Wahrnehmung – finanzielle Kompensationsversuche ............. 167
Tabelle 45: Ergebnisse zur Durchführung strategischer Neuausrichtungen ...................... 167
Tabelle 46: Modellfit: Fairnesswahrnehmung – strategische Neuausrichtungen .............. 169
Tabelle 47: Modellfit: Beziehungsqualität – strategische Neuausrichtungen .................... 170
Tabelle 48: Einfluss eRA-Wahrnehmung – strategische Neuausrichtungen ..................... 170
XVI
Stichwortverzeichnis
B-to-B Business-to-Business
B-to-C Business-to-Consumer
e-auction electronic auction
e-business electronic business
eRA electronic Reverse Auction
ISO International Organisation of Standardisation
MSCP Paradigma Marketstructure-Conduct-Performance Paradigma
PLS Partitial Least Squares
TCO Total Cost of Ownership
TCPF Total Cost of the Purchasing Function
XVII
Zusammenfassung
Die electronic reverse auction (eRA) ist das meistdiskutierte Beschaffungsinstrument der
vergangenen Jahre. Einkäufer erhoffen sich von ihrem Einsatz vor allem signifikante
Preisreduktionen durch einen erhöhten und transparenten Wettbewerb. Die
wissenschaftliche Literatur behandelte primär Fragestellungen nach geeigneten
Beschaffungssituationen zur Anwendung des Verhandlungsinstruments und dem optimalen
Set-up von eRAs zur Erreichung der angestrebten Preisreduktionen. In jüngeren
Untersuchungen liegt der Fokus dagegen darauf, wie Lieferanten die Rückwärtsauktionen
wahrnehmen. Nahezu übereinstimmend wird festgestellt, dass diese eRAs als
opportunistisches und unfaires Verhandlungsinstrument wahrnehmen. Nicht erforscht ist,
ob diese negative Einstellung zu lieferantenseitigen Maßnahmen gegen die Auktionen führt,
welche Gefahren aus derartigen Reaktionen für Einkäufer entstehen und wie sie diesen
begegnen können. Die vorliegende Arbeit stellt sich diesen Fragen.
In einem ersten Schritt werden die Faktoren untersucht, die zu Gegenreaktionen auf eRAs
führen können. Dabei werden elektronische Beschaffungsauktionen als technische
Innovation verstanden, die zu einer Reihe von Veränderungen in der Marktstruktur für
Zulieferer führt. Zu diesen Veränderungen gehören sinkende Preisniveaus, eine Erhöhung
der Anzahl um einen Auftrag konkurrierender Wettbewerber, Effizienzsteigerungen des
Vertriebsprozesses der Zulieferer und ein relativer Markttransparenzverlust gegenüber
einkaufenden Unternehmen. Die Arbeit untersucht in einem Strukturgleichungsmodell, wie
sich die aufgedeckten Marktstrukturveränderungen auf die Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments unter Zulieferern und die von ihnen empfundene Qualität der
Geschäftsbeziehung auswirken. In einem nächsten Schritt identifiziert die Analyse drei
Reaktionsfelder auf eRAs und ordnet jedem ein Set an Gegenmaßnahmen zu. Das erste
Feld, „verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“, umfasst unter anderem die
Gegenmaßnahmen der Nichtteilnahme an dem Verfahren, der kollusiven Absprachen oder
der Störungsversuche der Auktion. Beispielhafte Maßnahmen des zweiten Reaktionsfelds,
„Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen“, sind Preiserhöhungen von
Zusatzleistungen, Senkungen der Qualitätsstandards oder die höherpreisige Abrechnung
zukünftiger Aufträge, die nicht über eRAs verhandelt werden. Das letzte Reaktionsfeld,
„strategische Neuausrichtungen“, enthält Maßnahmen wie ein Eintritt in Absatzmärkte, in
denen eRAs nicht angewandt werden, oder Modifikationen des eigenen Produktprogramms,
Zusammenfassung
XVIII
die die Anwendung von eRAs erschweren sollen. Mithilfe einer logistischen
Regressionsanalyse wird untersucht, ob die Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments und der lieferantenseitig empfundene Einfluss von eRAs auf die
Qualität der Geschäftsbeziehung die Wahrscheinlichkeit von Gegenreaktionen
beeinflussen.
Die empirische Erhebung zur Ermittlung der vermuteten Zusammenhänge erreichte einen
Rücklauf von 248 Fragebögen von Zulieferern unterschiedlicher Branchen. Bei der
Auswertung des Strukturgleichungsmodells zeigte sich, dass die Fairnesswahrnehmung von
eRAs signifikant von der Erhöhung der um einen Auftrag konkurrierenden
Wettbewerberanzahl und von Preisreduktionen durch das Beschaffungsinstrument
bestimmt wird. Ein weiterer Einfluss geht von der relativen Markttransparenzverschiebung
zugunsten der Lieferanten durch eRAs aus. Nicht beeinflusst wird die
Fairnesswahrnehmung von einer möglichen Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses.
Des Weiteren deckte die Studie auf, dass die Fairnesswahrnehmung der Auktionen den
Versuch zur Einflussnahme auf das Verhandlungsinstrument signifikant determiniert. Die
Prüfung der Abhängigkeit der Gegenreaktionen auf eRAs von der Fairnesswahrnehmung
des Beschaffungsinstruments und dem Einfluss der Auktionen auf die Qualität der
Geschäftsbeziehung mit Hilfe der logistischen Regression führte zu folgenden Ergebnissen.
Während die beiden unabhängigen Variablen die Wahrscheinlichkeit von
verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen deutlich erhöhen, wirken sie sich nicht auf
Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen aus. Die Wahrscheinlichkeit
strategischer Neuausrichtungen wird den Ergebnissen zufolge zwar von dem Einfluss der
Auktionen auf die Qualität der Geschäftsbeziehung determiniert, jedoch nicht von der
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments. Auch innerhalb der Reaktionsfelder
ergab sich ein heterogenes Bild. Bei den „verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen“ war
die Beschwerde über die Auktionsanwendung die mit Abstand beliebteste Option. Die
Einzelmaßnahmen innerhalb der „Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen“
waren recht gleichmäßig verteilt. Bei den „strategischen Neuausrichtungen“ dominierten
Modifikationen des Produktprogramms.
XIX
Abstract
Electronic reverse auctions (eRAs) are the most discussed purchasing instrument of recent
years. In using them, procurement managers expect significant price reductions through an
increased and more transparent competition. Until recently, scholarship primarily examined
which situations were most suitable to the use of eRAs and which eRA set-ups were most
likely to yield the desired price reductions. Recent publications shift focus from purchasing
to supplying companies and their perceptions of eRAs. Their findings indicate that most
suppliers consider eRAs to give buying companies an undue amount of leverage and object
to the use of this procurement tool. This study investigates how negative perceptions of
eRAs influence supplier behaviour
In a first step, the study examines the reasons for countermeasures to eRAs. To approach
this topic, the study views eRAs as a technical innovation leading to a variety of market-
structure changes for suppliers. These market-structure changes include decreasing price
levels, an increased number of competitors, a more efficient sales process and a market less
transparent to bidders than to buyers. The analysis uses a structural equation model to
examine how these market-structure changes affect the fairness perception of eRAs by
suppliers as well as the perceived quality of the business relationship. In a next step, three
reaction fields to eRAs are identified. Each of them contains a set of countermeasures. The
first reaction field, “negotiation related counteractions”, includes as countermeasures,
among others, the refusal to participate in eRAs, collusive bidding behaviour, and attempts
to disrupt the auction. Countermeasures pertaining to the second field, “attempts to
compensate financial losses”, include increased prices for additional services, lowered
quality standards, and higher prices in future purchases. Examples for countermeasures
within the last the reaction field, “strategic adjustments”, are entry into markets without
eRA negotiations and modifications to the product portfolio to impede future auctions.
Using a logistic regression analysis, the study examines how the likelihood of these
counteractions depends on the suppliers´ fairness perception of eRAs and on the impact that
these auctions have on the perceived quality of the business relationship.
The empirical survey to test the developed hypotheses resulted in 248 fully completed
responses from suppliers in diverse industries. The analysis of the structural equation model
shows that the fairness perception of eRAs by suppliers is strongly influenced by the
increased number of competitors as well as by decreasing price levels. Another significant
Abstract
XX
influence on the fairness perception results from the shift of relative market transparency
from sellers to buyers. Improved efficiency in the sales process had no measureable effect
on the fairness perception of eRAs as procurement tools. The analysis also detected that
suppliers’ fairness perceptions of eRAs have a significant influence on the perceived
quality of the business relationship. The tests to ascertain whether or not the two
independent variables, i. e. fairness perceptions and perceived quality of business
relationships, determine the likelihood of countermeasures yielded diverging results. The
two independent variables significantly increase the likelihood of negotiation-related
counteractions. However, they do not influence the likelihood of attempts to compensate
for financial losses. The likelihood of strategic adaption is influenced by the eRAs’ impact
on the business relationships, but not by fairness perceptions. Suppliers often showed clear
preferences towards specific countermeasures within reaction fields. Thus, complaints to
the buying company about the use of eRAs were by far the most common measure within
the field of negotiation-related counteractions. Within the field of strategic adaption,
preference was given to modifications of the product portfolio to impede the use of eRAs.
No such preferences were found in the reaction field of compensation for financial losses.
There, the individual countermeasures were evenly distributed.
1
1 Problemstellung der Untersuchung
1.1 Reverse Auctions als Erkenntnisobjekt
Der Ursprung elektronischer Beschaffungsauktionen lässt sich auf das Jahr 1994
zurückführen, als das Instrument von einem Mitarbeiter der Firma General Electric
entwickelt wurde.1 Ermöglicht wurde es durch die zunehmende elektronische Vernetzung
zwischen Unternehmen.2 Maßgeblicher Treiber der folgenden rasanten Ausbreitung dieser
electronic reverse auctions (eRAs) waren Erwartungen auf erzielbare Preisreduktionen.3
Heute setzen die meisten großen deutschen Firmen das Beschaffungsinstrument regelmäßig
ein. Zeitgleich mit den ersten praktischen Anwendungen erschienen die frühesten
wissenschaftlichen Beiträge zu den theoretischen Möglichkeiten von Rückwärtsauktionen.4
Seitdem entwickelten sich eRAs zu einem der am intensivsten diskutierten Themen der
akademischen Beschaffungsliteratur. Trotzdem befindet sich die Forschung zu diesem
Verhandlungsinstrument nach Ansicht einiger Autoren „noch immer in den
Kinderschuhen“5. Eine Tatsache, die in der meist einseitigen Ausrichtung bisheriger
Arbeiten begründet liegt. Wagner/Schwab (2004) systematisieren die bisherige Literatur in
drei Kategorien.6
- Beiträge, die sich mit der optimalen Beschaffungssituation für eine eRA
beschäftigen. Hierbei stehen meist markt- oder objektbezogene Kriterien im
Vordergrund.
- Beiträge, die das optimale Auktionsdesign zur Durchführung einer eRA fokussieren
(siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 3.2.1).
- Beiträge, die Fragestellungen nach der optimalen Eingliederung der Auktion in den
Beschaffungsprozess zum Schwerpunkt haben. Primäre Zielsetzung dieser Analysen
sind Kosteneinsparungen über interne Effizienzverbesserungen und nicht über
Preisreduktionen.7
Seit der Untergliederung scheint sich der wissenschaftliche Fokus verschoben zu haben. So
untersuchten Carter/Kaufmann (2007) die Opportunismuswahrnehmungen unter
1 Vgl. Tully, 2000, S. 1. 2 Vgl. Lancioni, 2005, S. 113. 3 Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 47. 4 Vgl. Bertsekas/Castañon, 1992; Vgl. Bertsekas et al., 1993. 5 Arnold et al., 2005, S. 116. 6 Vgl. Wagner/Schwab, 2004. 7 Vgl. Arnold et al., 2005.
Problemstellung der Untersuchung
2
Zulieferern durch eRAs und mögliche Effekte dieser Wahrnehmungen auf die „Supplier-
Performance“.8 Jap/Haruvy (2008) ermittelten den Zusammenhang zwischen schwachem
Bietverhalten während einer Beschaffungsauktion und dem Willen, in die
Geschäftsbeziehung mit dem Einkäufer zu investieren.9 Eine weitere vieldiskutierte Arbeit
war die von Caniėls/Raaij (2009), die der Fragestellung nachgingen, ob einzelne
Zulieferergruppen eRAs anders wahrnehmen als andere.10 In den vergangenen Jahren
überwiegen Erhebungen und Analysen, die die andere Marktseite, die Lieferanten und ihre
Sichtweise auf Beschaffungsauktionen, betrachten. Nicht zuletzt geht es dabei um die
Angst, Zulieferer könnten ihre Leistungsfähigkeit aufgrund von eRAs reduzieren und so
dem beschaffenden Unternehmen schaden. Zwei mögliche Ursachen werden dafür
vermutet: zum einen Missstimmungen, die auf Lieferantenseite durch das als
opportunistisch und vertrauensbrechend wahrgenommene Verhandlungsinstrument
hervorgerufen werden und beispielsweise zu absichtlichen Qualitätsreduktionen führen.11
Zum anderen eine durch die Preisreduktionen entstandene finanzielle Schwäche, die
Zulieferer zu Kosteneinsparungen zwingt. Schränken diese Kosteneinsparungen die
Leistungsfähigkeit bei der Erstellung der eingekauften Güter ein, ergeben sich negative
Konsequenzen für das beschaffende Unternehmen.12 Immer wieder warnen Autoren, die
erzielten Preisreduktionen könnten durch nachträglich entstehende Folgekosten
zunichtegemacht werden.13 Dieser Aspekt ist allerdings so bedeutsam, dass die Systematik
von Wagner/Schwab um eine vierte Kategorie „Lieferantenreaktionen/langfristige
Konsequenzen“ erweitert wird. Bestätigt sehen wir dieses Anliegen in der zunehmenden
Anzahl wissenschaftlicher Beiträge zu dem Themenfeld.14 Trotz der Relevanz der
Lieferantenwahrnehmung und der Gegenreaktionen auf Beschaffungsauktionen sind die
zentralen Fragestellungen dieses Forschungsgebiets noch immer unbeantwortet. So
existieren zwar Einzelvermutungen bezüglich möglicher Gegenreaktionen, jedoch noch
keine Auflistung oder gar Systematisierung, welche Reaktionsoptionen Anbieter überhaupt
auf elektronische Beschaffungsauktionen besitzen und nutzen. Auch ist unbekannt, ob die
lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs eine Rolle beim Auftreten von Gegenreaktionen
spielt. Ebenso wenig wissen wir, was wiederum die Determinanten dieser vieldiskutierten
8 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007. 9 Vgl. Jap/Haruvy, 2008. 10 Vgl. Caniėls/Raaij, 2009. 11 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007. 12 Vgl. Jap, 2000, S. 30. 13 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007, S. 22; Vgl. Beall et al., 2003, S. 25. 14 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007; Vgl. Jap/Haruvy, 2008; Vgl. Caniėls/Raaij, 2009.
Problemstellung der Untersuchung
3
Lieferantenwahrnehmung sind und ob Einkäufer sie positiv beeinflussen können.
Aufbauend auf den beschriebenen Defiziten behandelt diese Arbeit folgende
Forschungsfragen:
- Was sind die Determinanten der lieferantenseitigen Wahrnehmung elektronischer
Beschaffungsauktionen (Forschungsfrage 1)?
- Welche Reaktionsoptionen haben Lieferanten auf eRAs und wie häufig werden
diese in der Praxis genutzt (Forschungsfrage 2)?
- Wie wirkt sich die lieferantenseitige Wahrnehmung elektronischer
Beschaffungsauktionen auf die Durchführung von Gegenreaktionen der Zulieferer
aus (Forschungsfrage 3)?
Bezüglich der praktischen Anwendbarkeit der Ergebnisse fokussiert die Analyse zwei
Zielgruppen. Zum einen sollten Einkäufer Gegenreaktionen auf ihre Auktionen antizipieren
und auf diese dann auch besser reagieren können. Auf der anderen Seite sollen aber auch
Lieferanten von einer klaren Systematisierung ihrer strategischen wie operativen
Reaktionsoptionen profitieren.
1.2 Zugrunde liegendes Forschungskonzept
Im folgenden Kapitel werden die definitorischen und theoretischen Grundlagen der Analyse
festgelegt. Schwerpunkt bei Ersterer ist eine genaue Darstellung des Begriffs „elektronische
Beschaffungsauktion“ und der unterschiedlichen Designs, mit denen das
Verhandlungsinstrument angewandt werden kann. Als theoretische Fundierung der Arbeit
werden das MSCP-Paradigma nach Bain und Manson, das Konzept der Exit-, Voice- und
Loyality von Hirschman, die Anreiz-Beitrags-Theorie nach Barnard sowie March/Simon
und die Produkt-Markt-Matrix von Ansoff erläutert. Der dritte Teil der Abhandlung stellt
die Anwendung von eRAs in der Praxis dar. Auf den Zielsetzungen der Einkaufsmanager
aufbauend wird erklärt, wie das Instrument ausgestaltet und in den Beschaffungsprozess
integriert wird. Diese Erkenntnisse führen zum vierten Kapitel
„Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs“. Als zentral
werden eine Absenkung des Preisniveaus, ein effizienterer Vertriebsprozess, eine Erhöhung
der Wettbewerberanzahl und ein Verlust der relativen Markttransparenz identifiziert. Neben
dieser Systematisierung formuliert das Kapitel Hypothesen zur Verknüpfung der
Problemstellung der Untersuchung
4
Marktstrukturveränderungen durch eRAs mit der Lieferantenwahrnehmung des
Beschaffungsinstruments und den Einfluss der Auktionen auf die Qualität der
Geschäftsbeziehung. Zudem werden bisherige Erkenntnisse zur Lieferantenwahrnehmung
von eRAs dargestellt. Dem MSCP-Paradigma folgend führen die durch
Beschaffungsauktionen verursachten Marktstrukturveränderungen zu Verhaltensan-
passungen auf Lieferantenseite. Dieser Transformationsschritt wird durch die
Lieferantenwahrnehmung als intervenierende Variable unter Anwendung der Theory-of-
Reasoned-Action sowie der Anreiz-Beitrags-Theorie weiter erhellt. Die konkreten
Gegenreaktionen werden in Kapitel fünf hergeleitet und systematisiert. Drei
Reaktionsfelder können abgegrenzt werden: direkte Gegenreaktionen während des
Verhandlungsprozesses, Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen und
strategische Neuausrichtungen. Jedem Reaktionsfeld wird ein Set an konkreten
Reaktionsmechanismen zugeordnet. Neben der Systematisierung der Gegenreaktionen
wurde eine sachlogische Verknüpfung dieser mit den Marktstrukturänderungen, über die
verbindenden Elemente „Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments“ und
„Einfluss der Auktionen auf die Qualität der Geschäftsbeziehung“ hergestellt. Es wurden
Hypothesen aufgestellt, wonach die Maßnahmen in jedem Reaktionsfeld umso
wahrscheinlicher angewandt werden, je negativer die eRA-Wahrnehmung ist. Danach
werden in den Kapiteln sechs und sieben die aufgestellten Systematisierungen und
Wirkungshypothesen in der Praxis getestet. Zunächst wurden dazu die latenten Konstrukte
operationalisiert und ein Fragebogen entworfen, der zur Analyse der
Marktstrukturveränderungen in der Praxis, deren Wahrnehmung unter Lieferanten und die
Verknüpfung und Ausprägung mit Gegenreaktionen auf eRAs untersuchen sollte. Als
Zielgruppe wurden nach dem Schlüsselinformantenkonzept Vertriebsmitarbeiter, die bereits
aktiv bei eRAs mitgeboten haben, bestimmt. Als Analyseverfahren zur Aufdeckung der
Wirkungszusammenhänge zwischen den Marktstrukturveränderungen durch eRAs und der
Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments wurde ein Strukturgleichungs-
modell gewählt. Die Verknüpfung dieser Wahrnehmung mit Gegenreaktionen der
Zulieferer wurde mithilfe der logistischen Regression untersucht. Bevor der Fragebogen
versandt wurde, wurden seine Gestaltung, die Formulierung der Fragestellungen, aber auch
die generellen Inhalte, die Art und Anzahl der abgefragten Marktstrukturveränderungen und
Gegenreaktionen über Experteninterviews einem Praxistest auf ihre Vollständigkeit und
Genauigkeit unterzogen. Zur genaueren Darstellung der Vorgehensweise dient die folgende
Abbildung 1.
Problemstellung der Untersuchung
5
Abbildung 1: Vorgehensweise der wissenschaftlichen Untersuchung
Das achte Kapitel stellt die abschließende Bewertung der Analyse dar.
6
2 Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
2.1 Darstellung elektronischer Beschaffungsauktionen
2.1.1 Charakterisierung des Verhandlungsinstruments
Der Begriff „Auktion“ stammt von dem lateinischen Ausdruck „augere“, welcher dem
deutschen Wort „vermehren“ entspricht.15 Bei einer traditionellen Verkaufsauktion, wie
man sie beispielsweise aus einem Auktionshaus kennt, geben Bieter sukzessiv höhere
Gebote für ein zum Verkauf stehendes Gut ab.16 Derjenige mit dem höchsten Gebot erhält
das Auktionsobjekt.17 McAfee/McMillan fassen den Auktionsbegriff weiter, als „market
institution with an explicit set of rules determining resource allocation and prices on the
basis of bids from the market participants.“18 Milgrom definiert Auktionen ganz allgemein
als „mechanism to allocate resources among a group of bidders“19. Ziel ist eine effiziente
Ressourcenallokation.20 Auktionen brechen dazu aus dem System fixierter Abgabepreise
aus21 und bilden einen eigenen Preisbildungsmechanismus für eine fest definierte
Leistung.22 Dieser Preisbildungsmechanismus vollzieht sich in einer Marktveranstaltung23,
die auf von öffentlichen oder privaten Institutionen betriebenen Auktionsplattformen oder
Marktplätzen stattfindet.
Ausschreibungen können als abgewandelte Auktionsart (die sogenannte one bid sealed
auction) aufgefasst werden.24 Hier wird ebenfalls ein flexibler Preisbildungsmechanismus
zu einer effizienteren Ressourcenallokation angewandt. Nun werden jedoch möglichst
niedrige Angebote auf eine beschriebene Leistung eingeholt und das preislich günstigste
oder durch sonstige Kriterien am besten geeignete ausgewählt.25 Bei einer öffentlichen
Ausschreibung ist der Zuschlag bindend und die Vorgehensweise der Ausschreibung
zwingend durch das öffentliche Auftragsrecht fixiert.26 Anders stellt sich dies bei
15 Vgl. Reichwald et al., 2000, S. 542. 16 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116. 17 Vgl. Gampfer, 2003, S. 31 f. 18 McAfee/McMillan, 1987, S. 701. 19 Milgrom, 2004, S. 37. 20 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 88. 21 Vgl. Diller, 2001, S. 1299. 22 Vgl. Klein, 1997, S. 3; Vgl. Skiera/Wiswede, 2001, S. 73 23 Vgl. Skiera/Wiswede, 2001, S. 73. 24 Vgl. Gampfer, 2003, S. 32; Vgl. Kräkel, 1992, S. 6. 25 Vgl. De/Mathew, 1999, S. 435; Vgl. Kempken, 1980, S. 9; Vgl. Kräkel, 1992, S. 107. 26 Vgl. Berz, 2007, S. 37.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
7
Ausschreibungen von privaten Wirtschaftssubjekten dar. Hier können der ermittelte Preis
und auch der zum Zuge kommende Anbieter Teilbestandteil weiterer Verhandlungen und
Angebotsrunden sein.27 Darüber hinaus steht es einem privatwirtschaftlichen Unternehmen
frei, den gesamten Auftrag aufgrund unzureichender Angebote zurückzuziehen. Was die
Ausschreibung zu den klassischen Auktionen abgrenzt, ist ein Mangel an der dynamischen
Preisfindungskomponente.28 Gebote werden lediglich zu einem Zeitpunkt t = 0 abgegeben.
Integriert man eine solche dynamische Komponente, so versuchen die Wettbewerber, sich
in einem weitgehend fixierten zeitlichen Rahmen29 preislich zu unterbieten30,und es findet
eine dynamische Rückwärtsauktion oder reverse auction statt.31 Wie bei einer öffentlichen
oder privaten Ausschreibung signalisiert die beschaffende Seite einen spezifizierten Bedarf
und versucht, über das Verfahren einen möglichst effizienten32 Anbieter zu finden. Da die
Gebote meist elektronisch über das Internet33 oder über private Netzwerke34 abgegeben
werden, spricht man von electronic reverse auctions (eRAs).35 In der Literatur synonym
verwendete Begriffe zu eRA sind beispielsweise online reverse auction36, Internetauktion37,
Beschaffungsauktion38, Einkaufsauktion39 oder Onlineauktion40. Abbildung 2 stellt
elektronische Einkaufsauktionen in Abgrenzung zu anderen Verhandlungsmechanismen
dar.
27 Vgl. Berz, 2007, S. 38. 28 Vgl. Hirschsteiner, 2002, S. 380. 29 Auf das sogenannte weiche Ende, bei dem die Wettbewerber einen Einfluss auf die Auktionsdauer haben,
wird in Kapitel 2.1.2 eingegangen. 30 Vgl. Mueller/Windhaus, 2002, S. 132 f. 31 Vgl. Schwab, 2003, S. 38 ff.; Vgl. Mueller/Windhaus, 2002, S. 136 f.; Vgl. Jap, 2002, S. 507. 32 Die Effizienz wird hier über das Minimumprinzip definiert, es gilt also, den spezifizierten Bedarf möglichst
ressourcenschonend (über einen niedrigen Preis) zu beschaffen. 33 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 88; Vgl. Van Weele/Lakemond, 2005, S. 294; Vgl. Beall et al., 2003, S. 7;
Vgl. Jap, 2003, S. 96; Vgl. Carter et al., 2004, S. 230; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116; Vgl. Daly/Nath, 2005, S. 157; Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 48.
34 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177. 35 Vgl. Gampfer, 2003, S. 153. 36 Vgl. Emiliani/Stec, 2002. 37 Vgl. Schmidt et al., 1998, S. 450. 38 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201. 39 Vgl. Engellandt, 2004, S. 51. 40 Vgl. Lüdtke, 2003, S. 2f.; Vgl. Wildemann, 2003, S. 218.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
8
Abbildung 2: Systematisierung verschiedener Verhandlungskonzepte41
2.1.2 Vorstellung möglicher Auktionsparameter
Durch den Auktionator direkt beeinflussbare Parameter
Der Auktionstyp: Elektronische Beschaffungsauktionen lassen sich anhand der Sichtbarkeit
und der Anzahl der Gebote klassifizieren.42 Diese Systematisierung führt zu vier
Auktionsgrundtypen:43 die englische, die holländische, die verdeckte Erstpreis- und die
verdeckte Zweitpreisauktion.44
In der englischen Auktion können mehrere Gebote abgegeben werden, und diese sind für
alle Wettbewerber sichtbar.45 Im Gegensatz zu einer Verkaufsauktion, bei der von einem
niedrigen Startpreis ausgegangen wird, geht eine englische Beschaffungsauktion von einem
hohen Startpreis aus. Dieser wird dann durch die Gebote der potenziellen Lieferanten
sukzessive gesenkt.46 Die Auktion endet, wenn ein Lieferant ein Gebot abgegeben hat, das
nicht mehr von anderen unterboten wird.47 Dieser Fall kann auf drei verschiedene Arten
eintreten:
- Nach einer bestimmten, zuvor definierten Frist nach dem letzten Gebot wurden
keine Gebote mehr eingereicht;
- der durch den Abnehmer festgelegte Zeitrahmen der Auktion ist beendet;
41 Diller/Seyfarth, 2007, S. 12 in Anlehnung an Backhaus, 2010, S. 27 und Pinker et al., 2003, S. 1462. 42 Vgl. Kaufmann, 2003a. 43 Vgl. Jochen/Resch, 2007, S. 311. 44 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 701; Vgl. Klemperer, 1999, S. 229. 45 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 18. 46 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 702; Vgl. Bulow/Klemperer, 1996, S. 180; Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S.
14; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Jochen/Resch, 2007, S. 311. 47 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Kumar/Chang, 2007, S. 78; Vgl. Beall et al., 2003, S. 22.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
9
- ein durch den Einkäufer vorher festgelegtes Preisniveau wurde durch einen
Bieter unterschritten.48
Der Lieferant mit dem niedrigsten Gebot erhält den Beschaffungsauftrag zum Preis seines
Gebots.49 Bei der holländischen Auktion kann ein Bieter nur ein Gebot abgeben, und dieses
ist für alle Teilnehmer sichtbar.50 Mit Abgabe des einzigen Gebots endet die Auktion. Eine
holländische Beschaffungsauktion startet mit einem sehr niedrigen Preis. Dieser wird in
Zeit- und Preisintervallen gesteigert, bis der erste Lieferant bereit ist, den Auftrag zu dem
gegebenen Preis anzunehmen.51 Der Bieter erhält den Zuschlag der Auktion zum Preis
seines (einzigen) Gebots.52 Die verdeckte Erstpreisauktion entspricht einer herkömmlichen
Ausschreibung; ihr fehlt die dynamische Komponente. In eRA-bezogenen
Veröffentlichungen wird sie deshalb häufig nicht gesondert betrachtet.53 Jeder Teilnehmer
gibt ein einziges Gebot ab, das für die anderen vor Auktionsende nicht sichtbar ist. Der
Bieter mit dem geringsten Gebot erhält den Zuschlag zum Preis seines Gebots.54 Da auch
hier von jedem Teilnehmer lediglich ein Gebot abgegeben werden kann, ist eine spontane
Gebotsanpassung durch die unterlegenen Lieferanten nicht möglich.55 Bei der verdeckten
Zweitpreisauktion (nach ihrem Entdecker William Vickrey auch „Vickrey-Auktion“
genannt)56 sind ebenfalls die Gebote der anderen Wettbewerber nicht sichtbar und es kann
nur ein Gebot abgegeben werden. Auch dieser Auktionsvariante fehlt die dynamische
Komponente, und auch sie wird von vielen eRA-behandelnden Veröffentlichungen nicht
betrachtet.57 Der Lieferant mit dem niedrigsten Gebot erhält hier allerdings den Auftrag
zum Preis des zweitniedrigsten Gebots.58 Der Bieter wird damit in einem ersten Schritt
besser gestellt, da ihm im Vergleich zur verdeckten Erstpreisauktion die Differenz zum
zweithöchsten Gebot „geschenkt“ wird. Ziel dabei ist es, einen Anreiz zu schaffen, dass
sich Gebote an der subjektiven Wertschätzung des Lieferanten orientieren.59 Bei jedem
Preis, der höher als dieser Indifferenzpreis liegt, erwirtschaftet der Lieferant Gewinn. Die
48 Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 14. In diesem Fall begrenzt der Einkäufer jedoch automatisch zusätzliche
Savings, genau in der Höhe, in der der Bieter bereit gewesen wäre, sich unter die Preisschwelle unterbieten zu lassen.
49 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Kumar/Chang, 2007, S. 78. 50 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 18. 51 Vgl. Jochen/Resch, 2007, S. 311; Vgl. Katok/Roth, 2004, S. 1045. Eine holländische Verkaufsauktion
startet mit einem sehr hohen Verkaufspreis, der dann sukzessive gesenkt wird. 52 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Bichler, 2000, S. 251. 53 Vgl. Beall et al., 2003, S. 82. 54 Vgl. Klemperer, 1999, S. 229; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201 f. 55 Vgl. Barrmeyer, 1982. 56 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 702. 57 Vgl. Beall et al., 2003, S. 82. 58 Vgl. Bichler, 2000, S. 251; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 202. 59 Vgl. Kräkel, 1992, S. 14; Vgl. Beckmann, 1999, S. 31.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
10
Höhe des Gewinns richtet sich aber nicht – wie bei der verdeckten Erstpreisauktion – nach
einer subjektiven Einschätzung der Gebote anderer, sondern wird automatisch aus der
Differenz zu diesen bestimmt. Abbildung 3 fasst die anhand der Anzahl und der
Sichtbarkeit der Gebote vorgenommene Systematisierung elektronischer
Beschaffungsauktionen grafisch zusammen.
Abbildung 3: Grundtypen von eRAs60
Die vier Auktionsgrundtypen können durch Abwandlungen in weitere Varianten
untergliedert werden.61 So lassen sich Auktionen anhand des Transparenzgrades auf einer
Skala zwischen offenen und verdeckten Verfahren systematisieren.62 Kriterien dabei sind
die Menge und Bedeutung der den Bietern offengelegten Informationen. Beispiele dafür
sind die exakte derzeitige Gebotshöhe oder die Anzahl und Identität der Konkurrenten.63 In
einer transparenten holländischen Auktion wären beispielsweise alle teilnehmenden Firmen
namentlich angegeben. Ein intransparentes Design hingegen würde sowohl die Anzahl als
auch die Identität der Teilnehmer im Unklaren lassen. Millet et al. unterscheiden bei
englischen Beschaffungsauktionen vier Formen des Transparenzgrades:
60 Kaufmann, 2003a, S. 202. 61 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 702f.; Vgl. Amor, 2002, S. 53 ff. 62 Vgl. Jap, 2002a, S. 507 f. 63 Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 13.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
11
- In Best/Not best eRAs erfahren die Auktionsteilnehmer, ob oder ob nicht ihr
jetziges Gebot das niedrigste ist;
- in Rank eRAs sehen die Teilnehmer zusätzlich den Rang ihrer Gebote
(beispielsweise das Zweit- oder Achtbeste);
- in Best bid eRAs wird die genaue Höhe des besten Gebots dargestellt, sodass die
Teilnehmer wissen, welche Preissprünge nötig sind, um dieses zu schlagen;
- eine Kombination aus den Rank und Best bid eRAs sind die Best bid and Rank
eRAs, in denen den Bietern beide Informationen offengelegt werden.64
In Abbildung 4 sind die Transparenzgrade zusammengefasst.
Abbildung 4: Transparenzgrade in eRAs mit englischem Auktionsdesign
Liegt eine vollkommen transparente englische eRA vor, sind alle Gebote aller Teilnehmer
sichtbar. Hierbei ist zu differenzieren, ob die Teilnehmer namentlich genannt oder lediglich
anonym, beispielsweise als Anbieter A bis N, aufgeführt sind. Bei einer holländischen
Auktion sind derart viele Abstufungen des Transparenzgrades nicht möglich. Die
Teilnehmer können entweder über die Anzahl ihrer Konkurrenten im Unklaren gelassen
oder informiert werden. Beim höchsten Transparenzgrad ist neben der genauen Anzahl der
Konkurrenten auch deren Identität bekannt.
64 Vgl. Millet et al., 2004, S. 172.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
12
Preisschwellen/Preisstufen: Die einzige Gebotsvariable einer eRA ist in gängiger Praxis
der Preis.65 Im Auktionsdesign ist festgehalten, ob bei jedem weiteren Gebot vorgegebene
Preisstufen eingehalten werden müssen. Ein Beispiel wäre, dass jedes Gebot das vorherige
um 1.000 € unterbieten muss. Dabei ist auch festzulegen, ob nur das eigene niedrigste oder
das niedrigste Gebot aller Teilnehmer zu schlagen ist.66 Neben einer Mindesthöhe für
Preisschritte kann außerdem eine Deckelung dieser erfolgen. Dies führt zu einer Erhöhung
der absoluten Gebotsanzahl. Das damit verbundene Ziel ist, Bieter aktiv zu halten und allzu
überraschende Preissprünge zu verhindern.67 Eine Preisschwelle kann ein geheim
gehaltener Reservationspreis oder ein an die Bieter kommunizierter Zielpreis sein, der die
Vergabe des Auftrags auslöst.68 Auch der Startpreis einer Auktion stellt eine Preisschwelle
dar. In einer englischen eRA sind alle Preise oberhalb des Startpreises von vornherein
ausgeschlossen. Bei einer holländischen Auktion geht der Auktionator davon aus, dass er
das Gut oder die Leistung nicht günstiger beschaffen kann.69
Vertragsbedingungen: Ebenfalls direkt von dem beschaffenden Unternehmen beeinflussbar
sind die Vertragsbedingungen und Bindungen, die sich an die Auktion anschließen. Ein
privatwirtschaftliches Unternehmen besitzt das Recht, den Gesamtauftrag nach der
Auktionierung aufgrund unzulänglicher Gebote zu stornieren. Ebenfalls steht es dem
Unternehmen frei, ob es die Auktion als Ausgangsbasis für weitere Verhandlungen nutzt
oder den Zuschlag alleine aufgrund der Auktionsgebote vergibt. In einem solchen Fall
würde sich der Lieferant zu einem Gebot verpflichten, das für die Marktgegenseite nicht
bindend ist. Der Einkäufer kann sich auch die Option offenhalten, nicht automatisch das
niedrigste oder nach an den Gesamtkosten orientierten Kriterien beste Gebot anzunehmen,
sondern ein anderes von ihm präferiertes. Dabei schließt jede Hierarchiestufe der
ausbleibenden Lieferantenbindung die Freiheiten der nachfolgenden Stufen mit ein. So
wird sich ein Einkäufer, der sich vorbehält, die Gebote nachzuverhandeln, die Option
offenlassen, dies mit mehreren und nicht lediglich mit dem günstigsten Lieferanten zu tun.
In Abbildung 5 sind die Hierarchiestufen der Abnehmerbindung zusammengefasst.
65 Vgl. Skiera/Spann, 2004, S. 104 f. Zu mehrdimensionalen Auktionen siehe den nächsten Gliederungspunkt:
„Bewertung der Gebote“. 66 Vgl. Schwab, 2003, S. 128; Vgl. Gampfer, 2003, S. 159 f. 67 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 18. 68 Vgl. Wildemann, 2003, S. 234. 69 Ebenda.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
13
Abbildung 5: Hierarchische Anordnung der Abnehmerbindung
Zusätzlicher Bestandteil der vertraglichen Bindung ist die Möglichkeit, zusammengefasste
Beschaffungsvolumina (Bundle Auction) zu splitten und in mehreren Auktionen (Cherry
Picking) zu vergeben.70 Dieses Verfahren bietet zwei Optionen:
- Die Auftragsvergabe am Ende der Auktion erfolgt wirklich gesplittet, jeweils an
die Gewinner der einzelnen Teilauktionen zu den in diesen Verfahren
ermittelten Preisen oder
- der Auftrag wird gebündelt an den im Durchschnitt günstigsten Lieferanten
vergeben. Der Gesamtpreis ergibt sich als Summe der in den einzelnen
Auktionen ermittelten Einzelpreise. Da dieser Preis nicht allein durch den das
Verfahren gewinnenden Zulieferer zustande kam und sich weitgehend seiner
Kontrolle entzieht, eignet er sich jedoch eher als Kalkulationsgrundlage.
Bewertung der Gebote: Um den Zulieferern ein genaues Bieten auf das Auktionsobjekt zu
ermöglichen, sind alle Produkt- sowie Lieferungs- und Leistungsparameter vor der Auktion
in genauen Produktspezifikationen festgehalten.71 Bei einer Parametric Auction jedoch
kann der Lieferant zusätzliche Vertragsparameter und mit ihnen den Wert seines Gebots
verändern. Bei einem Auktionssetup, das nicht automatisch dem günstigsten Lieferanten
den Vertrag zuspricht, können diese modifizierten Parameter und damit die
Vertragsbedingungen vom Einkäufer selbst bewertet und gegeneinander abgeglichen
70 Vgl. Mueller/Windhaus, 2002, S. 137 ff. 71 Vgl. Skiera/Spann, 2004, S. 104 f.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
14
werden. Führt das günstigste Gebot automatisch zu einer Auftragsvergabe, so müssen
Nicht-Preis-Parameter in die Gebotsbewertung eingerechnet werden. Ein Beispiel für eine
solche Parametric Auction – durchgeführt bei der Motorola Corporation – liefern Metty et
al.72 Der Zuschlag wird hier aufgrund der beiden Kriterien Preis (p) und Qualität (q)
vergeben, die in einem Algorithmus gleich gewichtet werden. Ein Beispiel für die
Berechnung der weighted prices (wp) stellt die folgende Formel dar.
p5,0q5,0wp
Das Angebot einer Firma, ein spezifiziertes Produkt in der Qualitätsstufe 20 zu einem Preis
von 10€ zu liefern, besäße demnach einen wp-Wert von 5 und könnte mit anderen
Qualitätspreiskombinationen gemessen werden. Die Herausforderung des Verfahrens
besteht darin, die einzelnen Qualitätsstufen zu definieren und ihre Präferenz mit den Preisen
in Beziehung zu setzen. Der dargestellte lineare Zusammenhang dürfte dabei jedoch die
Ausnahme darstellen.
Einen ähnlichen Bewertungsalgorithmus benötigt das beschaffende Unternehmen, wenn es
die Gebote einzelner Lieferanten unterschiedlich gewichten will. Ein solcher Fall tritt
beispielsweise ein, wenn bei einem der Lieferanten in der Vergangenheit Mängel
aufgetreten sind und das beschaffende Unternehmen auch bei zukünftigen Aufträgen von
einem niedrigen Qualitätsstand ausgeht. Die Kosten zur Beseitigung solcher Schwächen
sind abzuschätzen und auf die Gebote des Lieferanten aufzuschlagen. Ein
entgegengesetztes Szenario zu diesem Malussystem ist ein Bonus auf die Gebote eines
bevorzugten Lieferanten. Ein Anwendungsfall hierfür ist, dass die Entwickler des
beschaffenden Unternehmens einen Lieferanten bevorzugen und bei ihm von geringeren
Folgekosten ausgehen. Eine weitere Möglichkeit ist, dass sich die Marke eines Lieferanten
für eine Ingredient-Branding-Strategie eignet. Im Falle einer englischen Auktion wird bei
Geboten des Lieferanten ein Bonus abgezogen. Wie in Abbildung 6 dargestellt, kann dieser
prozentual oder relativ zum Angebotspreis berechnet werden.
72 Vgl. Metty et al., 2005, S. 20 f.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
15
Abbildung 6: Verfahren unterschiedlicher Angebotsbewertung
Auch bei einer holländischen Auktion ist eine Bonusvergabe integrierbar. Gibt man hier
dem präferierten Lieferanten einen Bonus, wird ihm ein höherer Preis angezeigt als seinen
Konkurrenten. Beispielhaft betrachten wir eine Auktion mit einem Startpreis von
22 €/Stück, der sich sukzessive in 2-Euro-Schritten erhöht. Der präferierte Lieferant
(Zulieferer A) wäre nun in Kenntnis zu setzen, dass sein potenzielles Gebot noch einen
absoluten oder relativen Preisaufschlag erhält. Läge dieser beispielsweise bei 2 €/Stück,
führte dies zu einem für ihn effektiv geltenden Startpreis von 24€, der sich von dort an
parallel zu den anderen senkt (siehe Abbildung 7).
Abbildung 7: Unterschiedliche Gebotsbewertung in einer holländischen eRA
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
16
Durch den Auktionator nicht direkt beeinflussbare Parameter
Dauer der Auktion: Einfluss auf die Auktionsdauer besitzt das beschaffende Unternehmen
abhängig von dem gewählten Auktionsdesign. Bei einer verdeckten Erst- oder
Zweitpreisauktion kann es einen festen Zeitrahmen vorgeben, indem das Einreichen von
Geboten möglich ist.73 Eine ähnliche Situation ergibt sich bei einer englischen Auktion mit
einem „harten Ende“ (hard close rule). Hier endet die Auktion automatisch zu einem zuvor
definierten Zeitpunkt, unabhängig davon, ob die Lieferanten weiterhin bereit wären, Gebote
abzugeben. Wird die englische Auktion mit einem unbedingten „weichen Ende“ (soft close
rule) geführt, so verlängert sich die Auktionsdauer mit jedem weiteren abgegebenen Gebot
um ein festes Zeitintervall. Den Lieferanten wird die Möglichkeit gegeben, das gegenwärtig
niedrigste Gebot mit eigenen Preisuntergrenzen abzugleichen. Da das beschaffende
Unternehmen die Anzahl der Gebote nicht bestimmen kann, besitzt es lediglich über die
Festlegung der durch jedes Gebot ausgelösten Auktionsverlängerung Einfluss auf die
Verfahrensdauer.74 Auch bei einer holländischen Auktion ist eine Beeinflussung der
Auktionszeit nur indirekt möglich: zum einen über die Festlegung der Zeitdauer, die
vergeht, bis ein Gebot sich sukzessive erhöht75, zum anderen über einen möglichen
Ausstiegspreis, ab dem die Auktion automatisch endet, wenn noch kein Bieter ein Gebot
angenommen hat. Ein solcher Ausstiegspreis markiert den Preispunkt, ab dem das
Unternehmen auf die Beschaffung des Produkts durch die Auktion verzichtet. Die
kumulierte Dauer der Auktionsschritte bis zu diesem Punkt bildet die Höchstdauer der
Auktion.
Anzahl der Wettbewerber: Ebenfalls lediglich indirekt beeinflussbar ist die Anzahl der an
der Auktion teilnehmenden Lieferanten. Stellhebel für eine hohe Bieterzahl können nicht
nur viele Einladungen zur Auktionsteilnahme sein. Ebenso positiv dürfte sich eine gute
Geschäfts- und Auktionsreputation auswirken, die die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme
eingeladener Lieferanten erhöht. Abbildung 8 fasst die Charakterisierungsmerkmale
elektronischer Beschaffungsauktionen zusammen.
73 Vgl. Hartley et al., 2006, S. 202; Vgl. Schwab, 2003, S. 4. 74 Dazu kann ein anfänglicher fixer Zeitblock gestaltet werden, der auch ohne Gebotsabgabe eingehalten wird. 75 Die zeitlichen Intervalle dieser Gebotsschritte können entweder fix oder dynamisch sein, wenn sie sich
beispielsweise mit jedem weiteren Schritt verkürzen.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
17
Abbildung 8: Parameter elektronischer Beschaffungsauktionen
2.2 Zugrunde liegende Theorien
2.2.1 Market-Structure-Conduct-Performance-Paradigma
Das Market-Structure-Conduct-Performance-(MSCP)-Paradigma lässt sich in die
Forschungsrichtung der Industrieökonomik einordnen. Sie hat zum Ziel, die Interaktion
zwischen Markt und Unternehmen zu untersuchen.76 Ihre Ursprünge liegen in der Mitte des
letzten Jahrhunderts in den Werken von Mason77 und Bain78 (traditionelle
Industrieökonomik), auf deren Analysen das MSCP-Paradigma in weiten Teilen basiert.79
Es beschreibt eine „effective competition“80, ein Wettbewerbsmodell, das
Unvollkommenheiten als unabdingbar akzeptiert und Wettbewerb als dynamischen
Prozess, gekennzeichnet durch eine Folge von Vorstößen und Verfolgungsaktionen der
Unternehmen, versteht.81 Um diesen Prozess und seine Intensität zu analysieren, unterteilt
das Modell den Markt in drei Konstrukte: die Marktstruktur (market structure), das
Marktverhalten (market conduct) und das Marktergebnis (market performance). Jedes
Konstrukt wird durch ein zugeordnetes Kriterienset charakterisiert.82
76 Vgl. Bester, 2004, S. 1. 77 Vgl. Mason , 1939. 78 Vgl. Bain, 1956. 79 Vgl. Bester, 2004, S. 1. 80 Vgl. Schmidt, 2005, S. 10. 81 Vgl. Clark, 1961, S. 9 ff. 82 Vgl. Clark, 1961, S. 9 ff
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
18
Unter Elementen der Marktstruktur versteht Bain solche, die strategischen Einfluss auf die
Preisgestaltung der Unternehmen und den Wettbewerb im Markt ausüben.83 Sie können
zudem nicht in der kurzen Frist von den Teilnehmern verändert werden und müssen als fixe
Bestandteile in deren kurzfristige Unternehmensplanung eingehen.84 Beispiele sind die
Anbieterkonzentration, Eigenschaften der Kostenfunktion, Produkteigenschaften, die
Elastizität der Nachfrage85 oder Markteintrittsbarrieren86. Das Marktverhalten beschreibt
seinem Namen folgend Verhaltensweisen von Unternehmen.87 Es ist im Gegensatz zur
Marktstruktur in der kurzen Frist veränderbar.88 Die sich so ergebende Abgrenzung von
Marktstruktur- und Marktverhaltenskriterien kann jedoch nur als grobe Trennung
verstanden werden. Häufig erlaubt sie keine eindeutige Zuordnung in eines der beiden
Konstrukte.89 Beispiele für Marktverhalten sind die Preissetzung oder die Art und der
Umfang von Unternehmensinvestitionen in Forschung und Entwicklung oder Werbe- und
Kommunikationsstrategien.90 Essenzieller Bestandteil der Analyse des Konstrukts
Marktverhalten ist, zu untersuchen, welche Aktionen in welcher Häufigkeit durchgeführt
werden und ob diese von mehreren Unternehmen zeitgleich (kollektiv) oder zeitversetzt
(individuell) erfolgen. Im Falle kollektiv durchgeführter Wettbewerbsaktionen spricht man
von Wettbewerbsbeschränkungen.91 Das Marktergebnis fasst die Ergebnisse der
Unternehmen zusammen.92 Kriterien seiner Messung sind beispielsweise der Umsatz oder
der Gewinn einer Branche, die Produktqualität93, das Preisniveau oder die allokative
Kosteneffizienz94.
Das MSCP-Paradigma stellt einen kausalen Zusammenhang zwischen den drei Konstrukten
her.95 Die Marktstruktur mit ihren fixen Gegebenheiten beeinflusst das Marktverhalten der
Unternehmen.96 Dieses wiederum wirkt sich auf das Marktergebnis aus. Der Einfluss
bestimmt sich zum einen durch den Grad der Abstimmung des Marktverhaltens auf die
83 Vgl. Bain, 1968, S. 7 und S. 9. 84 Vgl. Bartling, 1980, S. 21 f. 85 Vgl. Bester, 2004, S. 3. 86 Vgl. Jacquemin, 1972, S. 122. 87 Vgl. Bain, 1968, S. 9. 88 Vgl. Kaysen/Turner, 1959, S. 59. 89 Vgl. Kaysen/Turner, 1959, S. 59 f. 90 Vgl. Bester, 2004, S. 3. 91 Vgl. Schmidt, 2005, S. 57 f. 92 Vgl. Bain, 1968, S. 10f.; Vgl. Bartling, 1980, S. 22. 93 Vgl. Tolksdorf, 1994, S. 56; Vgl. Schmidt, 2005, S. 58. 94 Vgl. Bester, 2004, S. 3. 95 Vgl. Porter, 1981, S. 611 1. Spalte; Bester, 2004, S. 3. 96 Vgl. Bester, 2004, S. 3.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
19
Marktstruktur, zum anderen durch die Effizienz seiner Ausführung. Einige Autoren sehen
im Marktverhalten jedoch lediglich ein Zwischenglied zwischen Marktstruktur und
Marktergebnis und führen Letzteres vollständig auf die Gegebenheiten der Marktstruktur
zurück.97 Empirische Arbeiten, die diesem Gedanken folgen, untersuchen beispielsweise
die Abhängigkeit des Gewinns von der Anbieterkonstellation.98 Welche der Sichtweisen
näher an der Wahrheit liegt, dürfte stark von dem betrachteten Markt abhängen. Im
dynamischen Prozess beeinflusst das Marktergebnis nun in einer zirkulären Verknüpfung
wiederum die Marktstruktur. Ein Beispiel sind Unternehmen, die hohe Gewinne
erwirtschaften und als Folge andere Wettbewerber übernehmen99 oder neue Anbieter in den
Markt locken.
Abbildung 9: Market-Structure-Conduct-Performance-Paradigma
Ein Kritikpunkt am MSCP-Paradigma ist, dass eine reale Marktstruktur nicht, wie im
Modell vorgegeben, als endogene „Startvariable“ vorliegt, sondern durchaus auch vom
Verhalten der Marktteilnehmer bestimmt wird.100 Dem ist jedoch entgegenzusetzen, dass
das Modell diese Art der Beeinflussung durchaus beinhaltet, nur eben indirekt, über die
beiden anderen Konstrukte Marktverhalten und Marktergebnis. Wie Abbildung 9 zeigt,
beeinflussen sich alle Konstrukte des Modells gegenseitig. Weitere Kritik richtet sich gegen
97 Ebenda. Diese Sichtweise war zudem entscheidend für die Entwicklung des market based view; Porter,
1981 und Porter, 1991. 98 Vgl. Bester, 2004, S. 4. 99 Vgl. Schmidt, 2005, S. 56; Vgl. Tolksdorf, 1994, S. 58. 100 Vgl. Bester, 2004, S. 5.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
20
die Kriterienanzahl innerhalb der drei Konstrukte. Sie wird als zu hoch bemängelt. In
diesem Kontext wird auch aufgeführt, dass nur unzureichende Vorgaben für die
Kriterienzuordnung zu den Konstrukten existieren. Eine Systematisierung von 26 MSCP-
Normen, entwickelt von achtzehn Autoren, ergab, dass dieselben Elemente häufig in
unterschiedliche Konstrukte eingeordnet wurden.101 Auch wird bemängelt, dass sich nicht
alle Marktergebnisse durch die Marktstruktur und das Marktverhalten erklären lassen. So
können zwei Anbieter, die im selben Markt eine ähnliche Strategie verfolgen zu sehr
unterschiedlichen Marktergebnissen gelangen, ohne dass das Modell konkrete Antworten
auf diese Abweichung seines Erklärungsmusters geben kann.
Die vorliegende Abhandlung nutzt das MSCP-Framework als zentrales Erklärungsmuster
zur Analyse von Anbieterreaktionen auf elektronische Beschaffungsauktionen. Dazu wird
die Einführung von eRAs als Änderung der Marktstruktur verstanden, auf die die
Lieferantenreaktionen als Änderungen des Marktverhaltens in einem zweiten Schritt
erfolgen. Daraus resultierende Änderungen des Marktergebnisses und zirkuläre
Verknüpfungen von dort zurück auf die Marktstruktur sind nicht Bestandteil der
Untersuchung.
2.2.2 Konzept der Voice-, Exit- und Loyality
1968 entwickelte Albert O. Hirschman das Konzept der Voice-, Exit- und Loyality. Es
versucht, konträr zur damals vorherrschenden neoklassischen Ökonomie, auch soziale und
politische Handlungsmotive in ökonomische Analysen zu integrieren.102 Individuelles und
kollektives Widerspruchshandeln sollen dabei als Alternative zum Marktmechanismus
erfasst werden.103 Nach Hirschmans Konzeption stehen einem Individuum, das sich mit
einer unvorteilhaften Entwicklung innerhalb einer Organisation oder eines Systems
konfrontiert sieht, grundsätzlich drei Reaktionsoptionen offen: der Widerspruch (Voice),
die Abwanderung (Exit) und die Loyalität (Loyality).104 Ein Beispiel für eine solche
negative Entwicklung ist der Leistungsverfall eines Produkts.
101 Vgl. Sosnick, 1970. 102 Vgl. Maurer, 2006, S. 68. 103 Ebenda. Maurer verweist dabei auch auf Williamson, 1974, der Hirschman vorwarf, die Theorie der Firma
und das Konkurrenzmodell sowie die in der Neuen Institutionenökonomik bearbeitete Hierarchie und Kontrolle zu vernachlässigen.
104 Vgl. Hirschman, 1970, S. 4.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
21
Widerspruch ist dabei, „die Handlung des sich Beschwerens und sich Organisierens zum
Zweck der Kritik oder des Protests mit der Absicht, eine direkte Verbesserung der Qualität
zu erzielen“105. Das vom Leistungsverfall betroffene Individuum wendet sich an die
Leitung der Organisation und tut seine Unzufriedenheit mit dem wahrgenommenen
Absinken der Qualitätslevel kund.106 Ein mit einer Transaktionsbeziehung betrauter
Verkäufer, der die Entwicklung des Verhaltens eines Kunden negativ wahrnimmt, würde
beispielsweise in Terminen mit Einkäufern seines Transaktionspartners auf
wahrgenommene Missstände hinweisen. Die Gegenseite erhält durch die Beschwerden die
Möglichkeit, nach Abhilfen und Verbesserungen zu suchen. Ein Mechanismus, der jedoch
nicht zwangsläufig eintritt.107 Zum Verständnis der Wirkungsweise des Widerspruchs wählt
Hirschman den Begriff der schlaffen Organisation (slack). Er beschreibt zufällige, doch
regelmäßig auftretende Leistungsschwankungen innerhalb eines Systems. Sie sind nicht
willentlich von der Organisationsleitung herbeigeführt und können von dieser beseitigt
werden.108 Der Widerspruch ist eine Chance, dass die Organisationsleitung auf die Existenz
des Slacks oder deren Auswirkungen auf die Organisationsmitglieder aufmerksam wird.
Aufseiten der vom Leistungsverfall betroffenen Einheiten stellt sich die Frage nach der
Intensität und Dosierung des Widerspruchs. Er ist, wie jede ökonomische Handlung, mit
Kosten verbunden. Beispiele dafür sind Personalkosten oder Reise- und
Kommunikationsaufwendungen. Daher ist für jede Situation ein optimales
Widerspruchsmaß zu finden.109 Die Beschwerdeoption wird folglich primär bei den als
wichtig empfundenen Transaktionen und Organisationen gewählt.110 Zu beachten ist auch
die Interaktion mit den Widersprüchen anderer, ebenfalls vom Leistungsverfall betroffener
Systemmitglieder. Sie sind in eine erfolgreiche Beschwerdestrategie aufzunehmen.111 Oft
ist die Aufwendung von Energie zur Motivation von Äußerungen anderer Systemmitglieder
Erfolg versprechender als weiteres Artikulieren der eigenen Unzufriedenheit.
Hirschman definiert die Abwanderungsoption als „Handlungsweise des einfachen
Fortgehens, gewöhnlich weil man glaubt, dass man bessere Waren, Dienst- oder
105 Hirschman, 1992, S. 332 f. 106 Vgl. Hirschman, 1974, S. 25. 107 Vgl. Hirschman, 1974, S. 4. 108 Maurer, 2006, S. 73. 109 Vgl. Maurer, 2006, S. 76. 110 Vgl. Hirschman, 1974, S. 33. 111 Vgl. Falck, 2006, S. 88.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
22
Sozialleistungen in einer anderen Firma oder Organisation beziehen kann“112. Die
Abwanderung kann als äußerste Reaktionsoption angesehen werden.113 Übertragen auf ein
zulieferndes Unternehmen, wäre dies die Annahme, die eigenen Waren und Leistungen
einem anderen Marktpartner zu besseren Konditionen veräußern zu können. Allgemein gilt
die Abwanderung oder der Nichtkauf als klassische ökonomische Reaktionsweisen auf
steigende Preise und sinkende Qualitätsstandards.114 Übertragen auf die Sichtweise von
Lieferanten sind dies beispielsweise sinkende Preise oder steigende und damit
kostenintensivere Qualitätsstandards. Für den Abwandernden ist nach erfolgreichem
Austritt die weitere Entwicklung der Organisation von geringer Bedeutung.115 Auch die
Abwanderung kann zu Richtungskorrekturen und Verbesserungen im betroffenen System
führen. Durch Rückgang der Organisationsmitglieder und der mit ihnen verbundenen
Einkünfte wird die Leitung veranlasst, nach Mitteln und Wegen zur Korrektur der
Entwicklung zu suchen.116 Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang der „Demonstrative
Exit“, der durch seine spektakuläre Gestaltung neben der Abwanderung auch Elemente des
Widerspruchs enthält.117
Die Loyalitätsoption beschreibt das Verbleiben innerhalb der Organisation trotz des
nachteiligen Prozesses.118 Ein Individuum, das diese Option wählt, verzichtet auf
kurzfristige Abwanderungsgewinne, da es sich eine mittel- bis langfristige Verbesserung
seiner Situation erhofft.119 Ein Grund für das Verbleiben in der Organisation kann jedoch
auch ein Mangel an Alternativen sein. Für Hirschman zählt ein gewisses Loyalitäts- und
damit auch Toleranzmaß zu einer guten Strategieplanung.120 Im Vergleich zu den beiden
anderen Kategorien stellt sich die eindeutige Einordnung der Loyalität als eigenständige
Option problematisch dar. Hirschman behandelt sie abweichend als Disposition und als
Verhalten.121 Als „retardierendes Element der Abwanderungsoption“122 begünstigt sie
einerseits den Widerspruch, kann aber genauso zu Passivität führen.123 Da zu viel
112 Hirschman, 1992, S. 332. 113 Vgl. Hirschman, 1974, S. 37. 114 Vgl. Maurer, 2006, S. 75. 115 Vgl. Hirschman, 1978, S. 274. 116 Vgl. Hirschman, 1974, S. 3 f. 117 Vgl. Hirschman, 1978, S. 273. 118 Vgl. Hirschman, 1974, S. 66. 119 Vgl. Maurer, 2006, S. 78. 120 Vgl. Vanberg, 2008, S. 3 ff. 121 Vgl. Nerré, 2006, S. 91. 122 Hirschman, 1974, S. 67. 123 Vgl. Nerré, 2006, S. 91.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
23
Abwanderung den Widerspruch in manchen Systemkonstellationen leicht be- oder gar
verhindern kann und Hirschman der Loyalität eine widerspruchsfördernde Komponente
zuschreibt, verknüpft er mit einer zu einem System vorherrschenden Loyalität auch ein
Problemlösungspotenzial von Organisationen.124 Es sollte jedoch stets hinterfragt werden,
ob Loyalität im Einzelfall tatsächlich zu mehr Widerspruch führt oder nicht in
„Resignation, Sabotage und innerer Emigration“125 endet.
Dem Auswahlprozess zwischen Abwanderung und Widerspruch kann ein ökonomisches
Kalkül zugrunde gelegt werden.126 Die Akteure wägen Erträge wie Aufwendungen der
beiden Optionen gegeneinander ab und treffen in Kombination mit einer
Wahrscheinlichkeitsabschätzung ihre Entscheidung.127 Die folgende Darstellung liefert ein
Schema, auf dem aufbauend eine Analyse der Abwanderungs- und
Widerspruchswahrscheinlichkeiten erfolgen kann.
Abbildung 10: Ableitung von Abwanderungs- und Widerspruchswahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit
der Kostenverursachung128
Im rechten oberen Feld der Matrix wird eine Situation dargestellt, in der die
Organisationsmitglieder diese kostenfrei verlassen und sie durch eine dortige
Kostenverursachung schwächen können. Eine solche Situation führt zu einer kollektiven
Wahl der Abwanderungsoption aller Mitglieder, die die Entwicklung als negativ
wahrnehmen, und entspricht dem ökonomischen Modell der vollkommenen Konkurrenz.
Diese zeichnet sich durch eine vollkommen transparente Informationslage, fehlende
124 Vgl. Maurer, 2006, S. 78. 125 Maurer, 2006, S. 79. 126 Vgl. Falck, 2006, S. 86. 127 Vgl. Maurer, 2006, S. 74. 128 Maurer, 2006, S. 87.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
24
Wechselkosten und eine Vielzahl von Anbietern aus. Der Widerspruch erfolgt nicht, da die
Abwanderung die bequemere Option darstellt. In dem linken unteren Feld ist die
Organisation nicht auf die Mitglieder und ihre Beiträge angewiesen und kann es sich
leisten, ihre Widersprüche zu ignorieren. Sie verpuffen wirkungslos, und die für die
Mitglieder bei einem Austritt entstehenden Kosten halten sie von diesem Schritt ab.
Ebenfalls unbedeutend würden die Widersprüche, wenn der Austritt für die Organisation
zwar schädlich wäre, für die Mitglieder aber unmöglich oder wirkungslos ist. Erstere
Situation wäre in einem monopolistischen Markt gegeben, Letztere wenn die negative
Entwicklung bei allen Marktteilnehmern auftritt.129 In diesem Fall wechselt man lediglich
zwischen unvorteilhaften Transaktionspartnern, ohne Aussicht auf Besserung des als
unvorteilhaft empfundenen Zustands. Die eigentliche Abwägung findet in der Darstellung
am rechten unteren Rand der Abbildung statt. Sowohl die Organisation als auch das
Mitglied werden hier durch den Austritt mit Kosten belastet. Je höher die Kosten für die
Organisation durch die Abwanderung sind und je höher die Organisation die
Wahrscheinlichkeit dieses Austritts einschätzt, desto wirksamer ist der Widerspruch.130
Begrenzen lässt sich diese Austrittswahrscheinlichkeit durch die Abwanderungskosten der
Organisationsmitglieder. Es empfiehlt sich für die Organisation, diese prohibitiv hoch
anzusetzen.131 Ein möglicher Weg, dies zu tun, ergibt sich aus der Netzwerktheorie. Eine
zentrale Aussage ist hier, dass je länger eine Transaktionsbeziehung anhält, desto höher die
Austrittskosten aus dieser ansteigen.132
In der vorliegenden Arbeit soll die Konzeption von Albert O. Hirschman zur Analyse des
Verhaltens von Lieferanten genutzt werden, deren Kunden ihre Verhandlungsprozesse auf
eRAs umstellen. Diese Zulieferer sehen sich mit einem Leistungsverfall konfrontiert und
müssen darauf eine Reaktion wählen. Obwohl die Anwendung der Konzeption auf
Business-to-Business-Beziehungen (B-to-B) zur gängigen Praxis der akademischen
Literatur gehört133, sind bei der Übertragung der Systematik zwei besondere Charakteristika
von B-to-B-Beziehungen zu berücksichtigen. Zum einen geht Hirschman davon aus, dass
die abnehmende Organisation meist nur reagiert und originär agiert. Dies ist in
Geschäftsbeziehungen zweier Organisationen nicht zwangsläufig der Fall, auch bei
129 Vgl. Hirschman, 1974, S. 21. 130 Vgl. Nerré, 2001, S. 90 ff. 131 Vgl. Nerré, 2006, S. 91. 132 Vgl. Jarillo, 1988, S. 37; Vgl. Podolny/Page, 1998, S. 60. 133 Vgl. Johnston et al., 2006; Vgl. Johnston/Hausman, 2006; Vgl. Kingshott, 2006.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
25
Beschaffungsauktionen geht die erste Handlung von der abnehmenden Einheit aus, und die
liefernde Einheit wählt darauf eine Reaktion. Zum anderen ist das Individuum in
Hirschmans Konzeption eines von vielen Organisationsmitgliedern und damit meist weit
weniger mächtig als die liefernde Institution. Auch diese Annahme ist in B-to-B-
Beziehungen nicht zwangsläufig gegeben. Gerade Beschaffungsauktionen werden meist
von großen abnehmenden Einheiten angewandt134, und mehrere Lieferanten müssen eine
geeignete Reaktion darauf finden.
2.2.3 Anreiz-Beitrags-Theorie
Eine Zulieferer-Abnehmer-Beziehung ist, ähnlich wie die Beziehung eines Mitarbeiters zu
seinem Arbeitgeber, im Kern ein Austauschverhältnis. Ein theoretisches Erklärungsmuster
dieser bieten die austauschtheoretischen Ansätze. In Bezug auf das interorganisationale
Verhalten werden häufig die Anreiz-Beitrags-Theorie und die Equity Theory verwendet.135
In Letzterer wird das Empfinden von Gerechtigkeit (equity) an den Vergleich mit einem
Referenzobjekt, beispielsweise einem anderen Mitarbeiter oder einem anderen Zulieferer
des Unternehmens, geknüpft.136 Diese Modellierung erscheint jedoch im Kontext einer
wirtschaftlich streng kalkulierten Zuliefererbeziehung als realitätsfern. Hier steht bei der
Bewertung einer Geschäftsbeziehung das Verhältnis von eigenen Kosten und Erträgen im
Vordergrund. Daher wird die Anreiz-Beitrags-Theorie als theoretisches Erklärungsmodell
verwendet. Der Saldo der Kosten und Benefits einer Geschäftsbeziehung wird hier
weitgehend eigenständig bewertet, obwohl auch äußere Determinanten, beispielsweise
Opportunitätskosten, die Bewertung beeinflussen.
Die Anreiz-Beitrags-Theorie geht auf die Werke von Barnard (1938)137 und March/Simon
(1958)138 zurück. Grundgedanke des Modells ist ein organisationales Gleichgewicht
(organisational equilibrium).139 Auf diesem aufbauend wird das Entscheidungsverhalten
von Organisationsteilnehmern untersucht140, wobei der Organisationsbegriff weit, und zwar
134 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413. 135 Vgl. Scheer et al., 2003. 136 Vgl. Homans, 1958, S. 30. 137 Vgl. Barnard, 1938. 138 Vgl. March/Simon, 1958. 139 Vgl. Barnard, 1938, S. 57; Vgl. March/Simon, 1958, S. 83 f. 140 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 51.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
26
als System bewusst koordinierter Handlungen gefasst wird.141 Im Kern werden drei
Entscheidungsarten analysiert:142
- Eintrittsentscheidungen: warum ein Teilnehmer in eine Organisation eintritt;
- Verbleibeentscheidungen: warum ein Teilnehmer Loyalität gegenüber einer
Organisation aufbaut und in dieser verbleibt;
- Austrittsentscheidungen: warum ein Teilnehmer eine Organisation verlässt.
Die Theorie verknüpft die organisatorische Zielerreichung mit der Erreichung der Ziele und
Erwartungen der Teilnehmer.143 Beispielsweise können die Produkte und Dienstleistungen
eines Zulieferers (Teilnehmer) als Beiträge und die monetären Gegenleistungen des
Abnehmers (Organisation) als Anreize gesehen werden. Anreize wie Beiträge können
monetärer und nicht monetärer Natur sein.144 Individuen bewerten nun das Verhältnis aus
gewährten Anreizen und zu leistenden Beiträgen einer Austauschbeziehung145 und basieren
auf diesem Abgleich ihre Entscheidung.146 Bei der Manifestation der Entscheidungen geht
die Theorie von vier Annahmen aus:147
- begrenzte Informationsgenerierungs- und Verarbeitungskapazität der
Teilnehmer;
- begrenzte Rationalität der Entscheidungsträger;
- unvollständige Informationen;
- begrenzte Bereitschaft der Teilnehmer, sich für die eigene Organisation zu
engagieren.
Überwiegen die vom Teilnehmer wahrgenommenen Anreize die Beiträge oder herrscht ein
Gleichgewicht, wird er sich für den Eintritt oder Verbleib in die Organisation entscheiden.
Überwiegen jedoch die Beiträge, wird er die Organisation verlassen oder von einem Eintritt
absehen.148 Organisationen sind demzufolge nur dann überlebensfähig, wenn es ihnen
gelingt, die von den Organisationsmitgliedern erwarteten Beiträge durch eine
Nutzengewährung in Form von Anreizen mindestens zu kompensieren.149 Die Bewertung
des Anreiz-Beitrags-Verhältnisses wird neben der absoluten Höhe der Anreize und Beiträge
vor allem von zwei Faktoren bestimmt: der Bindung an die Kooperation und den 141 Vgl. Barnard, 1938, S. 65. 142 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 51, erläutert die drei Entscheidungsarten in Bezug auf einen Arbeitgeber
(als Organisation) und einen Mitarbeiter (als Teilnehmer). 143 Vgl. Anold, 1974, S. 64 ff. 144 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 52. 145 Vgl. Barnard, 1938, S. 83. 146 Vgl. Simon, 1997, S. 141. 147 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 62. 148 Vgl. March/Simon, 1958, S. 93; Vgl. Wentges, 2002, S. 90. 149 Vgl. March/Simon, 1958, S. 83.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
27
Opportunitätskosten.150 Eine der zentralen Determinanten für die Bindung des Teilnehmers
an die Kooperation sind die Wechselkosten, die beim Verlassen des organisationalen
Gebildes anfallen.151 Sie steigen meist proportional zum Intensitätsgrad der Kooperation.152
Die Opportunitätskosten repräsentieren den Nutzen alternativer Kooperationen, auf die der
Teilnehmer zugunsten der gegenwärtigen Kooperation verzichtet hat.153 Zu beachten sind
dabei auch die unvollständige Informationsausstattung und die daraus erwachsende
Unsicherheit auf Teilnehmerseite.154 Sie führt zu einem Antizipationsproblem des
zukünftigen Anreiz-Beitrags-Verhältnisses, dem die Organisation durch einen
Reputationsaufbau entgegenwirken kann.155 Aus Sicht des Zulieferers wäre dies ein
weiterer Abnehmer, auf dessen Belieferung man bei beschränkten Kapazitäten zugunsten
des jetzigen Abnehmers verzichtet hat. Beide Konstrukte, die Bindung an die Kooperation
sowie die Opportunitätskosten, hängen gemäß der Anreiz-Beitrags-Theorie von der
Verfügbarkeit an Alternativen ab.156 In Abbildung 11 findet sich der Prozess der
Entscheidungsfindung auf der Theorie basierend zusammengefasst.
Abbildung 11: Entscheidungsprozess nach der Anreiz-Beitrags-Theorie157
150 Vgl. March/Simon, 1958, S. 111. 151 Vgl. Allen/Meyer, 1990, S. 1. 152 Vgl. Essig, 1999, S. 163. 153 Vgl. Stock-Homburg, 2008, S. 53. 154 Vgl. Essig, 1999, S. 161, wendet die Theorie auf Beschaffungskooperationen (Organisation) und ihre
Mitglieder (Teilnehmer) an. 155 Vgl. Essig, 1999, S. 162. 156 Vgl. Wiswede, 2007. 157 Stock-Homburg, 2008, S. 54.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
28
In ihrem Ursprung wurde die Anreiz-Beitrags-Theorie zur Erklärung des Verhaltens von
Mitarbeitern und Führungskräften eines Unternehmens entwickelt, die für ihre Leistungen
adäquate Anreize erhalten sollen.158 Die zu erreichende Balance von Anreizen und
Beiträgen ist jedoch keinesfalls auf dieses Verhältnis beschränkt. So findet die Theorie
beispielsweise bei der Untersuchung der Eintritts-, Verbleibe- und Austrittsentscheidungen
von Unternehmen in Beschaffungskooperationen159 oder für die Analyse von
Lieferantenentscheidungen zur Aufrechterhaltung oder Beendigung einer
Geschäftsbeziehung Anwendung. In diesem Kontext soll sie auch in dieser Analyse genutzt
werden.
2.2.4 Produkt-Markt-Matrix
Igor Ansoff entwickelte Anfang der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts die Produkt-
Markt-Matrix zur Systematisierung strategischer Vorgehensweisen von Unternehmen.160 Er
war der Ansicht, dass sich Entscheidungsträger zu sehr mit operativen Fragen der Umsatz-
und Gewinnsteigerung beschäftigten und strategische Fragestellungen oft nur am Rande
(beispielsweise bei Produktverbesserungen) diskutiert wurden.161 Darüber hinaus trete die
Beschäftigung mit der Unternehmensstrategie erst zu einem Zeitpunkt ein, in dem bereits
deutliche Warnsignale sichtbar seien und die Existenz der Organisation häufig gefährdet
sei.162 Die vorhandene Strategie hat zu diesem Zeitpunkt bereits in die falsche Richtung
geführt und hätte zuvor angepasst werden müssen. Ein Unternehmen, so seine Auffassung,
das langfristig erfolgreich sein will, muss sich ständig erneuern und neue Methoden und
Absatzmärkte schaffen.163 Eine Erkenntnis, die in den heutigen sich schnell wandelnden
Konsum- und Industriegütermärkten umso offensichtlicher klingt. Strategische
Veränderungen sind für Ansoff Veränderungen der Absatzmarktlage.164 Eine strategische
Ausrichtung ist für ihn ein immerwährender Prozess: „To position and relate the firm to its
environment in a way which will assure its´ continued success and make it secure from
surprises.“165
158 Vgl. March/Simon, 1958, S. 83. 159 Vgl. Essig, 1999, S. 159 ff. 160 Vgl. Ansoff, 1966. 161 Vgl. Ansoff, 1982, S. 23. 162 Vgl. Ansoff, 1966, S. 24f. und S. 145. 163 Vgl. Ansoff, 1966, S. 69. 164 Vgl. Ansoff, 1966, S. 149. 165 Ansoff, 1984, S. XV.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
29
Folgt man der in dieser Definition enthaltenen Handlungsanweisung, ergibt sich ein über
die Zeit dynamisches Portfolio an Unternehmensaktivitäten. Darauf aufbauend definiert
Ansoff drei Möglichkeiten zur Beschreibung eines Unternehmens und seiner strategischen
Bemühungen: die Absatzmarktlage, den Konkurrenzvorteil und den Wachstumsvektor. Die
Absatzmarktlage stellt den Bereich dar, in dem das Unternehmen aktiv und passiv nach
neuen Absatzoptionen sucht. Der Konkurrenzvorteil beschreibt ein Prüfkriterium, mit dem
man diese Optionen auf ihre Erfolgsaussichten hin prüft.166 Der Wachstumsvektor
beschreibt die allgemeine Richtung der (Neu-)Positionierung innerhalb eines festen
Rahmens. Dabei kann er als „roter Faden“ gesehen werden, der gegenwärtige mit
zukünftigen Unternehmensaktivitäten verbindet.167 Den Rahmen, in dem sich der
Wachstumsvektor bewegt, bildet die Produkt-Markt-Matrix.168 Sie ist in Abbildung 12
dargestellt.
Abbildung 12: Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff169
Ansoff systematisiert vier Arten, mit denen unternehmerisches Wachstum auf dem
Absatzmarkt erreicht werden kann. Die erste, Marktdurchdringung, versucht, den
Marktanteil auf bestehenden Märkten mit bisherigen Produkten zu erhöhen.170 Die Strategie
166 Vgl. Ansoff, 1966, S. 133. 167 Vgl. Ansoff, 1966, S. 126 f. 168 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132. 169 Vgl. Ansoff, 1966, S. 13 ff. 170 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
30
besteht in einer Konzentration auf das bisherige Produkt- und Marktportfolio.171
Erlössteigerungen werden erzielt, indem beispielsweise Wettbewerber aus dem Markt
verdrängt werden oder die Produktnutzung der Kunden zunimmt. Die Marktentwicklung
zielt darauf ab, neue Bedürfnisse für die Produkte des Unternehmens zu finden oder zu
wecken.172 Das bestehende Produktportfolio wird in einen oder mehrere neue Märkte
getragen.173 Die Abgrenzung der Marktentwicklung zur Marktdurchdringung setzt eine
genaue Definition des Marktbegriffs voraus. Kriterien für einen abgeschlossenen
Absatzmarkt können beispielsweise geografischer oder soziodemografischer Natur sein.
Die Produktentwicklung steht für die Erschaffung und das Absetzen neuer Produkte in
bisherigen Märkten.174 Innerhalb des Feldes der Produktentwicklung unterscheidet Ansoff
weiter in solche Entwicklungen, die auf bisherige Herstellungsverfahren zurückgreifen, und
solche, die technologisches Neuland für das Unternehmen darstellen.175 Dazu systematisiert
er vertikale Entwicklungen entlang der Wertschöpfungskette und horizontale, die über die
bisherige Wertschöpfungskette hinausgehen.176 Wählt das Unternehmen die
Diversifikation, zielt es darauf ab, mit neuen Produkten neue Bedürfnisse zu bedienen.177
Ansoff unterscheidet die Diversifikation von den drei anderen Stoßrichtungen, bei denen er
eine gemeinsame Linie erkennt, da sie entweder auf vorhandene Herstellungsverfahren oder
Vertriebsstrukturen zurückgreifen.178 Aufgrund des Mangels an Synergie und Know-how
empfiehlt Ansoff den Schritt lediglich für Situationen, in denen die Unternehmensziele
durch Ausschöpfung der drei anderen Varianten nicht erreicht werden konnten.179 Weitere
Motive, die zur Diversifikation führen können, sind überschüssige Barmittel, ein Mangel an
Investitionsmöglichkeiten oder außergewöhnlich hohe Marktpotenziale in dem neuen
Gebiet.180 Steht ein Unternehmen vor einer Diversifikationsoption, empfiehlt Ansoff eine
zweistufige Vorgehensweise aus einer internen und einer externen Analyse. Bei Ersterer
geht es um die Darstellung und Bewertung der Stärken und Schwächen, die das
Unternehmen bei seinen neuen Aktivitäten aufweisen würde.181 Der zweite Teil untersucht
171 Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 521. 172 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132. 173 Vgl. Meffert, 1998, S. 234. 174 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132; Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 522. 175 Vgl. Ansoff, 1966, S. 153. 176 Vgl. Ansoff, 1966, S. 153 f. 177 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132 und S. 150; Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 522. 178 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132 und S. 150. 179 Vgl. Ansoff, 1966, S. 157, nennt als Beispiele die Verschlechterung der kurz- oder langfristigen
Ertragslage, die Absättigung des Markts, Konkurrenzdruck oder eine Veralterung der Nachfrage. 180 Vgl. Ansoff, 1966, S. 151. 181 Vgl. Ansoff, 1966, S. 215.
Theoretische und begriffliche Grundlagen der Abhandlung
31
die für die Diversifikation infrage kommenden Industriezweige auf ihr Ertrags- und
Wachstumspotenzial. Nur wenn beide Analysen ein für das Unternehmen positives
Ergebnis bedeuten, ist eine Diversifikation aus Sicht von Ansoff sinnvoll.182
In der vorliegenden Arbeit wird die Systematisierung von Igor Ansoff als Grundgerüst zur
Herleitung möglicher strategischer Neuausrichtungen von Lieferanten als Reaktion auf eine
eRA-Anwendung ihrer Abnehmer verwendet.
182 Ebenda.
32
3 Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden
Unternehmen
3.1 Zielsetzungen der eRA-Einführung
3.1.1 Vorstellung möglicher Zielsetzungen
Bei Initiierung und Durchführung elektronischer Beschaffungsauktionen werden in der
Literatur meist zwei Zielsetzungen für das einkaufende Unternehmen genannt: zum einen
direkte Kosteneinsparungen durch niedrigere Einstandspreise, zum anderen sinkende
Administrations- und Prozesskosten, in den mit der Güterbeschaffung betrauten
Unternehmenseinheiten.183 In vielen Unternehmen wird lediglich die Senkung der
Einstandspreise als einzige Zielgröße betrachtet.184 Damit ist sie zugleich alleiniges Maß
für den Auktionserfolg. Darauf aufbauend stellt sich die Frage nach der Operationalisierung
dieses Erfolgskriteriums. Um den Auktionserfolg zu messen, muss das beschaffende
Unternehmen einen Preis definieren, mit dem der durch die Auktion erzielte Einkaufspreis
verglichen werden kann. Millet et al. (2004) stellen hierzu drei Optionen vor:
- der bisher gezahlte Preis, sofern das Produkt/die Leistung bereits bezogen
wurde;
- den Startpreis der Auktion;
- das erste oder höchste Gebot, das während der Auktion abgegeben wurde.185
Millet et al. gehen davon aus, dass die ersten beiden Optionen zu fehlenden oder verzerrten
Werten führen können und argumentieren für den Abstand zwischen dem höchsten und
dem niedrigsten Gebot als Prüfmaß. Dabei weisen sie allerdings auf eine hohe Korrelation
der drei Werte hin.186 In der Praxis dürfte jedoch die vergangenheitsbezogene Methode –
die Differenz des durch die Auktion erzielten zu dem in der Vergangenheit genutzten Preis
– die häufigste Verwendung finden. Hier wird offensichtlich, was die
Auktionsdurchführung im Vergleich zu traditionellen Verhandlungen leistet. Da
183 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl.Kaufmann/Carter, 2004, S. 15 und S. 21, ein weiteres Ziel ist hier
eine beschleunigte Umstellung auf E-Business-Aktivitäten innerhalb des Unternehmens; Hartley et al., 2003, differenzieren zudem die Identifikation neuer Lieferanten und die Erfüllung strategischer Ziele als Zielsetzungen von eRAs.
184 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116 f.; Vgl. Emiliani, 2004, S. 66; Vgl. Hur et al., 2007, S. 404. 185 Vgl. Millet et al., 2004, S. 173. 186 Ebenda.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
33
elektronische Beschaffungsauktionen selten für neuartige, sondern in der Regel für
bekannte, klar definierbare Beschaffungsobjekte durchgeführt werden187, ist eine
Herleitung des Preises aus vergangenen Einkaufsszenarien in den meisten Fällen möglich.
Zu beachten sind dabei Verschiebungen in Produktions- und Kostenfunktionen über die
Zeit.188 Ziel der Messung ist das effizientere Verhandlungsergebnis und nicht die allgemein
erhöhte Markteffizienz. Gegen die zweite Variante – den Abstand zwischen dem Startpreis
und dem schlussendlich akzeptierten Gebot – spricht, dass die auktionsdurchführende
Person (oder Institution) eine Manipulationsmöglichkeit ihres Beurteilungskriteriums
erhält. Die von Millet et al. präferierte Distanz zwischen dem höchsten und dem
wettbewerbsfähigsten Gebot böte ebenfalls eine Manipulationsmöglichkeit, unterstellt man,
dass sich die ersten Gebote am Startpreis orientieren und nicht gleich zuvor definierte
Preisbereitschaften geboten werden.
Während eine Vielzahl von Unternehmen eine Senkung der Einstandspreise als primäres
oder gar einziges Auktionsziel ansieht, plädiert die Literatur jedoch für eine ganzheitliche
Betrachtung. Alle von der eRA betroffenen Kostenkomponenten sollen berücksichtigt
werden.189 Diese Notwendigkeit wird besonders offenbar, wenn man in der Praxis
geschilderte Fälle betrachtet, in denen die erzielten Preisreduktionen nicht einmal die
gesamten Kosten der Auktionsdurchführung abdecken konnten.190 Untersuchungen unter
den ersten eRA-Anwendern ermittelten zudem große Spannweiten der wirklich erzielten
Effekte auf die Gesamtkosten durch einzelne eRAs, die sich nur zum Teil in den
Preissenkungen niederschlugen.191 Auch sind die erzielten Preisreduktionen bei
mehrmaliger Auktionsdurchführung häufig nur noch marginal verbesserbar, sodass
Einsparungen bei Prozess- und Administrationskosten eine immer größere Bedeutung
einnehmen.192 Ein Bewusstsein für alle Kosten entlang des Beschaffungsprozesses ist
notwendig, um den Erfolg einer eRA zu beurteilen.193 Die Theorie plädiert daher für an den
„Total Cost of Ownership“ (TCO) orientierten Bewertungen.194 Sie werden bereits in
187 Vgl. Emiliani, 2000, S. 178; Vgl. Kjerstad/Vagstad, 2000, S. 1243 ff., Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984;
Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Vgl. Arnold/Schnabel, 2008, S. 88; Vgl. Hahn/Kaufmann, 2003, S. 275; siehe auch Kapitel 3.2.1.1 dieser Arbeit.
188 Vgl. Engel, 2008, S. 40. 189 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118, Vgl. Mabert/ Skeels, 2002, S. 76. 190 Vgl. Hannon, 2003. 191 Vgl. Handfield et al., 2002. 192 Vgl. Arnold/Schnabel, 2008. 193 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 127. 194 Vgl. Arnold/Schnabel, 2008; Vgl. Arnold et al., 2005.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
34
einigen Unternehmen durchgeführt.195 Die meisten eRA-Nutzer verzichten bisher jedoch
auf eine solche Betrachtung, obwohl die technischen Möglichkeiten dazu nach Ansicht
einiger Autoren vorhanden sind.196 Allgemein beinhalten TCO „all relevant costs, such as
purchasing administration, follow-up, expediting, inbound transportation, inspection and
testing, rework, storage, scrap, warranty, service, downtime, customer returns, and lost
sales”197. Kostenkomponenten, die in Bezug auf reverse auctions mit einzuplanen und in
die TCO-Betrachtung aufzunehmen sind, beinhalten beispielsweise:
- Gebühren für externe Service Provider, die die Auktion durchführen;
- Switching Costs einer möglichen Lieferantenumstellung198;
- sonstige Liefer-, Leistungs- und Produktparameter, die durch die Vergabe über
eine Auktion geändert wurden199.
Der letzte Punkt kann auch Kostenverschiebungen enthalten, die sich positiv für das
beschaffende Unternehmen auswirken. Kostensenkungspotenziale ergeben sich
beispielsweise durch kürzere Verhandlungszyklen.200 Arnold et al. (2005) weisen zudem
darauf hin, dass eRAs über sichtbare Kostenkomponenten hinaus auch nicht sichtbare und
schwer zu erfassende positive beziehungsweise negative Auswirkungen haben können.201
Ein Beispiel sind beschädigte Lieferantenbeziehungen. Obwohl hier eine qualitative
Erfassung meist unmöglich ist oder einen ungerechtfertigt hohen Aufwand mit sich brächte,
sollte der Einkäufer dazu angehalten sein, diese Effekte trotzdem zu berücksichtigen.
Dieser Ratschlag ist umso schwieriger durchzusetzen, je enger die für die Einkäufer
kommunizierten Anreizsysteme (siehe das folgende Kapitel) an quantitative Ergebnisse der
eRA geknüpft sind. In Abbildung 13 wird die Verschiebung der TCO-Parameter von einer
traditionellen Beschaffung über die ersten eRAs bis hin zu späteren Auktionen dargestellt.
Die Abbildung geht davon aus, dass die Umstellung auf das neue Beschaffungsinstrument
zu Beginn zu einer absoluten Kostenerhöhung führt. Erst im weiteren Verlauf werden durch
die Erzielung von Skaleneffekten tatsächliche Einsparungen realisiert.
195 Vgl. Metty et al., 2005, S. 12 ff. 196 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 197 Leenders/Fearon, 1997, S. 309. 198 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 199 Vgl. Metty et al., 2005, S. 13, nennen hierzu z. B. Lieferzeitpunkte oder Fehlertoleranzen. 200 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118, weist jedoch darauf hin, dass diese nicht zwangsläufig zu sinkenden
Prozesskosten führen. 201 Vgl. Arnold et al., 2005.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
35
Abbildung 13: Veränderung der TCO-Parameter im Zeitverlauf202
3.1.2 Verknüpfung der Zielsetzungen mit Anreizsystemen für
Einkäufer
Allgemein stellen Anreizsysteme „alle aufeinander abgestimmten Maßnahmen dar, Dritte
zu einem für den Anreizgewährer förderlichen Verhalten zu veranlassen“203. Im hier
betrachteten unternehmerischen Kontext ist ein Anreizsystem ein Instrument, das dazu
dient, Menschen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu einem bestimmten Verhalten zu
bewegen. Dieses Verhalten soll sich dabei durch eine hohe Leistung positiv auf den
Unternehmenszweck auswirken.204 Überträgt man diese Anforderung auf Anreizsysteme
für Einkaufsmitarbeiter, so sollen deren Einkaufsaktivitäten die Unternehmensziele stützen,
die in der jeweiligen Beschaffungssituation für das Unternehmen optimal erreichbaren
Preis-Leistungs-Parameter abbilden. Da diese jedoch vielfach nicht direkt beobachtbar und
messbar sind, ist eine vollständige Verknüpfung des Anreizsystems mit der Zielsetzung
nicht möglich. Häufig wird lediglich die Preiseinsparung (savings), die im Vergleich zu
Katalogpreisen205 oder vorherigen Transaktionen erreicht wurde, als Erfolgsmaß
herangezogen. In der bis dato veröffentlichten empirischen Literatur liegen noch keine
Erkenntnisse über Anreizsysteme für Einkäufer bei eRAs vor. Da Beschaffungsauktionen
primär zur Senkung von Preisniveaus angewandt werden206 und deren Erfolgsmessung in
202 Arnold et al., 2005, S. 126. 203 Vgl. Drumm, 2005, S. 553. 204 Vgl. Hungenberg, 2006, S. 354. 205 Vgl. Backhaus/Voeth, 2010, S. 238. 206 Vgl. Emiliani, 2004, S. 66; Vgl. Hur et al., 2007, S. 404; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116 ff.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
36
den meisten Fällen jedoch lediglich über Preisreduktionen erfasst wird, ist eine einfache
Verknüpfung der Anreizsysteme bei eRAs an die erzielten Preisreduktionen
wahrscheinlich.
3.2 Auswahl und Entscheidungsprozesse zu eRAs
3.2.1 Auswahl der Beschaffungssituation
Die Literatur nennt drei entscheidende Elemente für den Erfolg einer eRA: das
Beschaffungsobjekt, den Beschaffungsmarkt und die Beschaffungsorganisation. Jedes ist
mit einem Kriterienset verknüpft, das sich auf die Auktionierbarkeit eines
Beschaffungsloses auswirkt. Bei nicht oder nur unvollständiger Erfüllung der Kriterien ist
eine Auktionsanwendung nicht zielführend. Folglich sind eRAs nicht für jedes
Unternehmen praktikabel und können nicht überall zu Kosteneinsparungen führen.207
Beschaffungsobjektkriterien
Die Wertigkeit der über eRAs verhandelten Güter fällt in der Praxis sehr unterschiedlich
aus.208 Die Literatur argumentiert jedoch für möglichst hohe Beschaffungs- und damit
Auktionsvolumina.209 Zum einen sollen die erzielten relativen Preisreduktionen auch zu
signifikanten absoluten Einsparungen führen.210 Zum anderen muss das Auktionsvolumen
attraktiv genug sein, eine ausreichende Lieferantenanzahl zum Bieten zu bewegen.
Smeltzer/Carr (2001) berichten beispielsweise von einer Auktion zur Beschaffung von
Kunststoffteilen, die aufgrund des geringen Volumens keine Bieter fand.211 Große
Auktionsvolumina werden häufig auch durch die Preismodelle externer Service Provider
gefördert, da diese vielfach pauschale Auktionsgebühren verlangen.212 Neben dem
Volumen spielt die strategische Relevanz des Beschaffungsobjekts eine entscheidende
Rolle. So argumentiert Jap (2003) auf Grundlage eines Quasiexperiments, dass die
Kostensenkungen, die durch eRAs möglich sind, stark mit der Objektkategorie verknüpft
sind.213 Olson/Ellram (1997) liefern eine Systematisierung anhand der strategischen
Relevanz und der Schwierigkeit der Beschaffungssituation (difficulty to manage the
207 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 94. 208 Vgl. Eichstädt, 2008, S. 116 f. 209 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 88; Vgl. Hur et al., 2007, S. 413; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 210 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413. 211 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 212 Vgl. Germer, 2008, S. 318 f. 213 Vgl. Jap, 2003.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
37
purchase situation).214 Sie unterteilen in: unkritische Objekte (non critical), Hebelobjekte
(leverage), Engpassobjekte (bottleneck) und strategische Objekte (strategic).215 Das Modell
basiert auf dem Ansatz von Krajic, der jedoch die „Supply Market Complexity“ anstelle der
„difficulty to manage the purchase situation“ aufführt.216 Die Matrix ist in Abbildung 14
dargestellt.
Abbildung 14: Beispielhafte Matrixdarstellung von Beschaffungsobjektkriterien217
Aufbauend auf der Matrix argumentiert Van Weele 2002 für den ausschließlichen Einsatz
von eRAs bei Hebelobjekten.218 Für sie spricht nicht nur das hohe Beschaffungsvolumen
(siehe vorheriger Abschnitt), sondern auch die häufige Normiertheit und der hohe Grad an
Standardisierung dieser Güter. Sie ermöglicht eine leichte wie verbindliche
Qualitätsprüfung und einen unkomplizierten Lieferantenwechsel.219 Die Mehrzahl der
Autoren hält elektronische Beschaffungsauktionen jedoch auch für andere Objekte, mit
Ausnahme strategischer Bedarfe, für geeignet.220 Bei Verhandlung der
Beschaffungsmodalitäten der strategisch relevanten Güter werden flexible Zeitspannen,
kreative Freiräume sowie Anpassungsmöglichkeiten der Liefer-/Leistungsparameter für
214 Vgl. Olson/Ellram, 1997, S. 105. 215 Vgl. Skjott-Larsen et al., 2003, S. 206f.; Vgl. Olson/Ellram, 1997, S. 105. 216 Vgl. Krajic, 1983, S. 111; Vgl. Talluri/Ragatz, 2004, S. 53. 217 Vgl. Hur et al., 2007, S. 407. 218 Vgl. van Weele, 2002, S. 148 f. 219 Ebenda. 220 Vgl. Beall et al., 2003.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
38
integrative Lösungen benötigt.221 Oft sind strategische Beziehung auch von
unvollständigenVerträgen und Lösungskonzepten geprägt.222 In solchen Fällen wäre eine
Auktionsanwendung aufgrund der fehlenden Beschreibbarkeit des Bedarfs nicht möglich.
Ebenfalls nachteilig auf die eRA-Anwendbarkeit wirkt sich eine allzu starke Integration
derZulieferer in die eigene Supply-Chain und damit in die eigene Wertschöpfungskette
aus.223 Bray (2003) argumentiert jedoch, dass sich die Anwendungsmöglichkeiten von
eRAs künftig auch auf strategische Produktkategorien ausweiten werden.224 Diese
Vermutung bestätigte sich in der nachfolgenden Literatur jedoch nicht.225 Das dritte
Kriterium, welches Beschaffungsobjekte für ihre eRA-Eignung zu erfüllen haben, ist eine
gute Spezifizierbarkeit.226 Die Lieferanten brauchen klare Vorgaben, sodass sie die
potenziellen Kosten des Auftrags kalkulieren und ihre Gebote danach ausrichten können.227
Dies gilt sowohl für eindimensionale Auktionen, bei denen der Preis der einzige variable
Parameter ist, als auch für mehrdimensionale Verfahren.228 Bei diesen sind neben dem Preis
noch weitere Dimensionen, beispielsweise die Qualität oder Lieferbedingungen, variabel
und damit Bestandteil der Verhandlung. Über eine Mindestanforderung hinaus müssen hier
Gebotsstufen für die zusätzlichen Kriterien definiert und auch gegeneinander abgewogen
werden.229 Die Spezifikationen lassen sich beispielsweise gut mithilfe von ISO-
Zertifizierungen, Lieferzeiten, Größenangaben oder sonstigen konkreten Liefer- und
Leistungsbedingungen vornehmen.230 Werden Beschaffungsobjekte mit einer mangelnden
Spezifikation auktioniert, führt dies zu zwei negativen Konsequenzen: zum einen zu
mangelndem Bietverhalten, das sich aus Unsicherheit der Lieferanten über die Kosten des
Auftrags und einer mangelnden Lieferantenbeteiligung zusammensetzt231, zum anderen zu
mangelhaften Leistungen. Eine Studie unter Lieferanten der amerikanischen
Luftfahrtindustrie zeigte beispielsweise, dass durch eRAs erzielte Einstandspreissenkungen
häufig nicht gehalten werden konnten. Im Nachhinein traten immer wieder
Leistungskomponenten auf, die zuvor nicht spezifiziert und damit für die Lieferanten
221 Vgl. Raiffa, 1982. 222 Vgl. Hahn/Kaufmann, 2003, S. 275. 223 Vgl. Skjott-Larsen et al., 2003, S. 207; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 224 Vgl. Bray, 2003. 225 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 226 Vgl. Kjerstad/Vagstad, 2000, S. 1243 f. 227 Vgl. Beall et al., 2003, S. 52; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 228 Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 16 f. 229 Beispielsweise erlaubte Parts Per Million als mögliche Abstufung von 300 auf 200 auf 100 oder die
Auflösung eines Bildschirms für ein Navigationsgerät. 230 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984; Vgl. Emiliani, 2000, S. 178. 231 Vgl. Hawkins et al., 2009, S. 65.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
39
häufig separat abrechenbar waren.232 Problematisch ist auch, wenn die geforderte Menge
des Beschaffungsobjekts zum Zeitpunkt der Auktion noch nicht absehbar ist. Vor allem bei
hohen Produktfixkosten führt dies zu Kalkulationsunsicherheiten der endgültigen
Stückpreise und damit zu einem Risiko für die Lieferanten bei der Gebotsabgabe.233
Auf diesen Überlegungen aufbauend argumentieren einige Autoren, dass die Komplexität
des Gutes zweitrangig sei, solange das Produkt:
- klar vom Käufer beschrieben werden kann;
- die Zulieferer die vom Käufer kommunizierten Informationen richtig
interpretieren.234
„If you can specify it, you can bid it“235, lautet die auf eine einfache Formel gebrachte
Devise. In der Praxis dürfte jedoch ein Trade-off zwischen der Komplexität eines Gutes
und dem Beschaffungsvolumen auftreten. Ein hohes Beschaffungsvolumen mag die
Aufstellung und Kommunikation umfangreicher Anforderungen eines komplexen Produkts
vor der eigentlichen Verhandlung rechtfertigen. Je niedriger das Volumen und die damit
verbundenen potenziellen Preiseinsparungen jedoch sind, desto eher wird man davon
absehen. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Tatsache, dass eine hohe Komplexität auch
auf der Zuliefererseite im Auktionsvorfeld zu hohen Kalkulationskosten führt. Eine hohe
Bieteranzahl bei der Auktionierung komplexer Beschaffungsvolumina ist demnach nur bei
großen Auktionsvolumen zu erwarten, die den Kalkulations- und Vorbereitungsaufwand
rechtfertigen. Konkret geeignet für den eRA-Einsatz hält die Literatur
anwendungsspezifische Maschinenkomponenten, Press- oder Spritzteile, elektronische
Komponenten236, aber auch Dienstleistungen237, IT-Services238 oder Beratungsleis-
tungen239.
Beschaffungsmarktkriterien
Der Beschaffungsmarkt, in dem die Auktionen durchgeführt werden, sollte vor allem drei
Kriterien erfüllen:
232 Vgl. Emiliani/Stec, 2004. 233 Vgl. Lüdtke, 2003, S. 94 ff. 234 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 235 Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 16. 236 Vgl. Emiliani, 2000, S. 178. 237 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 238 Vgl. Prema, 2006, S. 47; Vgl. Albano et al., 2008. 239 Vgl. Hur et al., 2005, S. 65.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
40
- genügend potenzielle Lieferanten;
- hohe Wettbewerbsintensität;
- elastische Produktionspreise.240
Genügend potenzielle Lieferanten: Die meisten Autoren sehen in einer ausreichenden
Wettbewerberanzahl eines der entscheidendsten Kriterien für eine erfolgreiche
Auktionsdurchführung.241 Diese Relevanz verwundert zunächst, bedenkt man, dass eine
englische Auktion ab zwei, eine holländische oder verdeckte Auktion bereits ab einem
Lieferanten erfolgreich durchgeführt werden kann.242 Hawkins et al. (2003) ermitteln
zudem, dass der von den Einkäufern empfundene Wettbewerb entscheidend für ihre
Wahrnehmung einer Anwendbarkeit von Beschaffungsauktionen ist.243 Wildemann (2003)
weist auf die benötigte Qualifizierung der potenziellen Lieferanten hin.244 Dazu nennt er
mögliche Kriterien dieser Qualifizierung, die sich in zwei Kategorien gliedern lassen. Zum
einen in solche, die auch ohne eRA-Anwendung von Relevanz sind, beispielsweise
langfristige Lieferfähigkeit oder Leistungsvergleichbarkeit. Zum anderen in solche, die erst
durch die elektronische Auktionierung eine Rolle spielen, wie beispielsweise den IT-
Umsetzungsgrad.245 Ein Einkäufer, dem an einer hohen Wettbewerberanzahl und einer
dadurch geförderten Rivalität gelegen ist, könnte Qualifizierungskriterien der ersten Art
außer Acht lassen. Die Auktion würde dazu mit unqualifizierten Teilnehmern aufgefüllt
werden, ohne dass die Intention besteht, diesen letztendlich den Zuschlag zu erteilen. Das
Kalkül hierbei ist, dass sich die vom Einkäufer präferierten Lieferanten durch die erhöhte
Konkurrentenanzahl zu niedrigeren Preisen genötigt sehen. Gegen die Vorgehensweise
sprechen nicht nur ethische Bedenken, sondern auch die Tatsache, dass sie nur bei einem
für den Einkäufer nicht bindenden Auktionsergebnis möglich ist. Ein Beispiel für Kriterien
der zweiten Kategorie ist der IT-Umsetzungsgrad. Befinden sich in dem Markt nicht
genügend Lieferanten, die den Kriterien der zweiten Kategorie entsprechen, kann das
beschaffende Unternehmen versuchen, diese demgemäß zu schulen.
240 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 241 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 88; Vgl. Emiliani, 2000, S. 178; Vgl. Berz, 2007, S. 131; Vgl.
Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Schoenherr/Mabert, 2007. 242 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Kaufmann, 2003, berichtet in der Tat von einer holländischen
Auktion, die mangels Alternativen nur mit einem unwissenden Lieferanten durchgeführt wurde. 243 Vgl. Hawkins et al., 2009. 244 Vgl. Wildemann, 2003, S. 227 f. 245 Ebenda.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
41
Hohe Wettbewerbsintensität: Das zweite Kriterium für die Eignung des
Beschaffungsmarkts ist eine hohe Wettbewerbsintensität unter den Lieferanten.246 Diese ist
häufig eng mit Überkapazitäten im Zielmarkt und einer daraus resultierenden Rivalität
verbunden.247 Zusätzliche wettbewerbsfördernde Anreize entstehen beispielsweise durch
Folgeaufträge oder Cross-Selling-Möglichkeiten, die sich an den Auktionsauftrag
anschließen.248 Die Rivalität wird zudem gesteigert, wenn das beschaffende Unternehmen
einen Wert als Referenzkunde hat.249
Elastische Produktionspreise: Diese Anforderung ist eng mit den Beschaffungsobjekt-
kriterien verknüpft. Sind die Produktionspreise elastisch, so führen die vor der
Auktionierung vorgenommenen Bedarfsbündelungen zu verstärkten Preiseffekten aufgrund
der erhöhten Abnahmemengen.250
Beschaffungsorganisationskriterien
Die einkaufende Institution muss über eine ausreichende organisatorische Infrastruktur
verfügen.251 Zu dieser gehören vor allem der Zugriff auf eine sichere Auktionssoftware und
eigenes oder gekauftes Know-how über deren Anwendung252 sowie die Kommunikation
mit den Lieferanten.253 Dazu müssen kompetente Einkaufsmitarbeiter mit hohem
Marktwissen verfügbar sein254, die zudem die Entscheidung zur Auktionierung mittragen
und fördern.255 Hier besteht eine akute Gefahr der Nichtakzeptanz. Die beschriebenen
Kriterien verdeutlichen, dass das beschaffende Unternehmen über signifikante personelle
wie technische Ressourcen zur Durchführung einer eRA verfügen muss. Verbunden mit
den zuvor erläuterten Beschaffungsobjektkriterien (ein hohes Auktionsvolumen) und
Beschaffungsmarktkriterien (Marktmacht) lässt sich schließen, dass eRAs in erster Linie
für große Konzerne infrage kommen.256
246 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Carter et al., 2004, S. 245. 247 Vgl. Jap, 2002, S. 515; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 486; Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74. 248 Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 50. 249 Ebenda. 250 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 486. 251 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 252 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 21. 253 Ebenda. 254 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413. 255 Vgl. Hawkins et al., 2009, S. 65. 256 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
42
3.2.2 Auswahl der Auktionsdesigns und der Kommunikationsstrategie
Das einkaufende Unternehmen besitzt vielfältige Möglichkeiten zur Gestaltung einer
Beschaffungsauktion. Im Folgenden soll untersucht werden, welche Designs sich in
welcher Beschaffungssituation besonders eignen, um die mit dem Verfahren verknüpften
Zielsetzungen zu erreichen. Die Analyse folgt dabei der in Kapitel 2.1.2 eingeführten
Untergliederung in direkt und indirekt beeinflussbare Auktionsparameter.
Ausgestaltung direkt beeinflussbarer Auktionsparameter in der Praxis:
Auktionstyp: Die Auswahl des Auktionstyps stellt sich in der Praxis primär als eine
Abwägung zwischen der englischen und der holländischen Auktion dar.257 Hier ist eine
Vielzahl an Faktoren zu beachten. So ermittelten empirische Arbeiten und
Experteninterviews eine erhöhte Kollusionsgefahr bei der englischen im Vergleich zur
holländischen Auktionsvariante.258 Bei einer holländischen Auktion nimmt ein eventueller
Kollusionsbrecher seinen Mitbewerbern durch Gebotsabgabe und die gleichzeitige
Beendigung der Auktion jede Möglichkeit, sich auf die neue Situation und den
wiederhergestellten Wettbewerb einzustellen. Bei einer englischen Auktion können die
Teilnehmer nach einem derartigen Vereinbarungsbruch durch die Abgabe eigener nach
unten angepasster Gebote reagieren. Für die holländische Auktion sprechen auch die
Untersuchungsergebnisse der Auktionierung von UMTS-Lizenzen in verschiedenen
europäischen Ländern. Englische Auktionen führten hier bei starken Asymmetrien
zwischen der Leistungsfähigkeit der Lieferanten dazu, dass die Schwächeren den
Wettbewerb als aussichtslos betrachteten.259 Jeder ihrer Gebotsschritte ist den starken
Wettbewerbern klar ersichtlich und kann so leicht und genau abgestimmt unterboten
werden. Eine Tatsache, die unabhängig von der Wahrnehmung wettbewerbsschwacher
Zulieferer gegen die Nutzung englischer Auktionen bei Marktasymmetrien mit einem
starken Wettbewerber spricht. Im Gegenzug geht man davon aus, dass die englische
Auktion zu aggressiverem Bietverhalten und damit auch zu niedrigeren Geboten führt.260
Positiv an englischen Auktionen ist außerdem, dass sowohl den einzelnen Wettbewerbern
als auch dem Einkäufer ein erhöhtes Marktwissen zugänglich wird. Während die
holländische Auktion nur die Preisuntergrenze des niedrigsten und damit nur eines
Lieferanten aufdeckt, ermittelt die englische theoretisch die Preisbereitschaft jedes
257 Vgl. Arnold/Schnabel, 2008. 258 Vgl. Göthlich/Hofer, 2003, S. 8; Vgl. Diller/Seyrath, 2007, S. 59. 259 Vgl. Wolfstetter, 2001, S. 8. 260 Vgl. Engel/Wambach, 2006; Vgl. Parlane, 2003; Vgl. Board, 2007.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
43
einzelnen Teilnehmers. Carter et al. (2004) legen diese Auktionsform darauf aufbauend vor
allem dann nahe, wenn den Teilnehmern die Wettbewerbssituation verdeutlicht werden
soll.261
Transparenzgrad: Ein verdecktes Auktionsdesign führt zu einem Abbau von Bedenken
bezüglich der Informationssicherheit seitens des beschaffenden262 und der liefernden
Unternehmen. Ebenfalls für ein verdecktes Auktionsdesign spricht die Tatsache, dass
Lieferanten bei allzu großer Transparenz und regelmäßiger Auktionsdurchführung ihre
Bietstrategien anpassen können. Für den Einkäufer ergäben sich dadurch zukünftig
schlechtere Startbedingungen.263 Zu beachten ist zudem, dass mit zunehmender
Transparenz die Durchführung von Preisabsprachen erleichtert wird, da die Teilnehmer ihr
Verhalten gegenseitig besser beobachten und somit kontrollieren können. Einige Autoren
argumentieren auch, dass verdeckte Beschaffungsprozesse zu niedrigeren Preisen führen.
Eine Erklärung hierfür könnte die Tatsache bieten, dass Verfahren, in denen Lieferanten
Unsicherheit empfinden, diese zu aggressiverem Bieten stimulieren.264 Die tatsächliche
Wettbewerberanzahl bleibt im Verborgenen, wodurch der Wettbewerbsdruck steigt.265 Im
Gegenzug stimuliert die Sichtbarkeit des Höchstgebots – im Kontrast zu lediglichen Rank-
eRAs – die Bieter zu niedrigeren Geboten und damit niedrigeren Preisen.266
Preisstufen/Preisschwellen: Primäre Fragestellung zu Preisschwellen elektronischer
Beschaffungsauktionen ist die Festlegung des Startpreises.267 In Bezug auf die
Einstandspreissetzung bei Vorwärtsauktionen existieren hier zwei entgegengesetzte
Theorien: Zum einen kann ein niedriger Startpreis zu vielen Teilnehmern und dadurch zu
einem hohen und damit für den Verkäufer positiven Endpreis führen.268 Zum anderen kann
ein hoher Startpreis als Preisanker fungieren, der einen hohen Objektwert signalisiert. Die
Bieter würden dadurch ebenfalls zu hohen Geboten und der Akzeptanz hoher Preise
stimuliert.269 Überträgt man diese Ansätze auf eRAs, so ergibt sich hier ein Trade-off aus
einem hohen Startpreis, der viele Bieter anziehen, und einem niedrigen Startpreis, der dem
Lieferanten die geringe Wertigkeit des Auftrags suggerieren soll. In der Praxis sind beide
261 Vgl. Carter et al., 2004, S. 246. 262 Vgl. Hartley et al., 2006, S. 215. 263 Vgl. Luton/McAfee, 1986, S. 191. 264 Vgl. Engel, 2008, S. 36. 265 Vgl. Göthlich/Hoefer, 2003, S. 20. 266 Vgl. Carter et al., 2004, S. 256. 267 Vgl. Wildenmann, 2002, S. 37 f.; Vgl. Jap, 2002, S. 516. 268 Vgl. Ariely/Simpnson, 2003, S. 115. 269 Vgl. Tversky/Kahnemann, 1986; Vgl. Ariely/Simpnson, 2003, S. 115.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
44
Effekte zu erwarten. Die Funktion des Preisankers ist vor allem bei Beschaffungsobjekten
ohne Referenzpreise im Markt von Bedeutung.270 Empirische Erhebungen über die
Differenz von Start- zu Endpreis wie auch von Start- zu Vergangenheitspreisen bei
elektronischen Beschaffungsauktionen liegen zurzeit noch nicht vor. Auf den
beschriebenen Überlegungen aufbauend könnte es sein, dass hohe Startpreise vor allem bei
standardisierten und leicht zu bewertenden Gütern eingesetzt werden, um eine hohe
Wettbewerberanzahl zur Auktionsteilnahme zu motivieren (Wettbewerbseffekt). Niedrige
Startpreise sollten demnach vor allem bei Aufträgen Anwendung finden, deren Aufwand
und damit deren Kostenpotenzial für Zulieferer im vornherein schwer einzuschätzen ist
(Preisankereffekt).
Vertragsbedingungen: In Kapitel 2.1 wurden vier Stufen der einkäuferseitigen Bindung an
das Auktionsergebnis identifiziert. Die Nichtvergabe eines Auftrags im Anschluss an eine
Auktion dürfte selten sein. Einkäufer haben in der Regel eine genaue Vorstellung von den
Gütern, die sie über die Auktion beschaffen wollen.271 Die Größe des Auktionsauftrags
sorgt für eine ausreichende Lieferantenanzahl, sodass ein Nichtabschluss unwahrscheinlich
erscheint. Weitverbreitet ist hingegen die Nachverhandlungsoption.272 Hierbei sind
unangekündigte von angekündigten Nachverhandlungen abzugrenzen. Eine gängige
Variante angekündigter Nachverhandlungen ist die Durchführung einer eRA, bei der sich
eine bestimmte Anzahl von Gewinnern für Nachverhandlungen qualifizieren. Obwohl der
Einkäufer kaum eine Verpflichtung eingeht, ist diese Variante bei Lieferanten nicht
unbeliebt.273 Zum einen behält der Beschaffungsprozess eine persönliche Note.274 Zum
anderen bleiben den einzelnen Lieferanten durch die Nachverhandlung
Differenzierungsspielräume erhalten.275 Zu beachten ist, dass eRAs mit Nachverhandlungen
zu einer geringeren Bietdynamik führen.276 Von der Durchführung unangekündigter
Nachverhandlungen rät die gegenwärtige Literatur ab, um Lieferantenbeziehungen nicht zu
schädigen.277 Trotzdem scheinen sie in der Praxis noch häufig Anwendung zu finden.278
Auch die Vergabe des Auftrags an einen anderen Bieter als den Auktionsgewinner wird in
270 Vgl. Ariely/Simpnson, 2003, S. 115. 271 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 272 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 124 f.; Vgl. Daly/Nath, 2005, S. 163. 273 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 124. 274 Vgl. Daly/Nath, 2005, S. 163. 275 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 124. 276 Ebenda. 277 Ebenda. 278 Vgl. Tassabehji et al., 2004, S. 172 f.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
45
der Praxis oftmals durchgeführt.279 In solchen Fällen empfiehlt die Theorie eine genaue
Kommunikation der Entscheidungsbegründung im Anschluss an die Auktion, um
bestehende Lieferantenbeziehungen nicht zu gefährden.280 Ähnlich wie bei der
Nachverhandlungsoption müssen die Einkäufer jedoch auch hier mit weniger aggressivem
Bietverhalten der Zulieferer in der Zukunft rechnen.281
Bewertung der Gebote: Die Einkäufer können sich entscheiden, ob sie die Gebote der
Bieter ungleich werten und damit eine Diskriminierung durchführen. Die Literatur
beschäftigt sich in dieser Hinsicht mit zwei Fragestellungen. Zum einen mit der
Besserstellung von Zulieferern, an die man den Auftrag lieber vergeben würde als an die
Konkurrenz. Gründe dafür können sein, dass diese Lieferanten bereits bekannt oder schlicht
aus demselben Land wie das beschaffende Unternehmen stammen.282 Zum anderen
beschäftigt sich die Literatur mit der Besserstellung wettbewerbsschwacher Lieferanten. So
wird argumentiert, dass bei Ausschreibungen zu Bau- und Konstruktionsaufträgen, die sich
an Forschungsaufträge anschließen, die Lieferantengruppen, die diese Forschungsaufträge
ausführten, benachteiligt werden sollten. Auf diese Weise würde das mangelnde Know-how
kompensiert und ein fairer Wettbewerb hergestellt.283 Auf der anderen Seite wird davon
abgeraten, finanzschwachen Firmen Boni zu gewähren, da diese die Risikoneigungen der
ohnehin schwachen Bieter verstärken würden.284 Die Anwendung derartig fixer
Gebotsdiskriminierungen dürfte jedoch in der Praxis selten sein. Einerseits ist die genaue
Erfassung der Präferenzen oder Marktasymmetrien und damit die genaue Festlegung der
Boni hochkomplex. Andererseits widersprechen derartige Modifikationen dem fairen
Wettbewerb und sind dementsprechend schwer zu kommunizieren.
Durch den Auktionator nicht direkt beeinflussbare Parameter
Anzahl der Wettbewerber: Den beschaffenden Unternehmen steht es frei, eine beliebige
Lieferantenanzahl zu einer Beschaffungsauktion einzuladen. Da es jedoch die eigentliche
Teilnahme der Zulieferer an der Auktion nicht erzwingen kann, ist die Teilnehmeranzahl
nur indirekt beeinflussbar. Als Erstes ist es dabei von Interesse, mit welcher
279 Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 49. 280 Vgl. Lüdtke, 2003, S. 143. 281 Vgl. Wildenmann, 2002, S. 44. 282 Vgl. Göthlich/Hoefer, 2003, S. 7. 283 Vgl. Luton/McAfee, 1986, S. 181 und S. 191. Die Autoren argumentieren zudem, dass die bei der F&E-
Vergabe erfolgreichen Firmen ohnehin Wettbewerbsvorteile besitzen, denen sie diese Aufträge verdanken. 284 Vgl. Engel, 2008, S. 42 f.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
46
Wahrscheinlichkeit eine Einladung zu einer aktiven Auktionsteilnahme führt. Eine
empirische Analyse von 14.000 Beschaffungsauktionen ermittelte eine durchschnittliche
Teilnahmewahrscheinlichkeit von 75,5 % aller eingeladenen Lieferanten.285 Die bisherige
Literatur gibt beschaffenden Unternehmen verschiedene Hinweise, mit wie vielen
Teilnehmern eine Auktionsdurchführung möglich ist und wie viele Bieter optimal für das
Verfahren sind. So argumentiert Kaufmann (2003), dass bereits zwei Lieferanten für eine
erfolgreiche Auktion ausreichendseien, solange nur genügend Rivalität unter ihnen
herrsche.286 Mabert/Skeels (2002) sprechen sich hingegen dafür aus, dass ein einwandfreies
Funktionieren der Auktion erst ab drei Zulieferern gewährleistet ist.287 Dem schließen sich
die mikroökonomischen Studien von McAfee/McMillan (1987) an, die jedoch auf
Verkaufsauktionen zugeschnitten sind.288 Ebenfalls für eine Mindestanzahl von drei bis
fünf Bietern plädieren: Smart/Harrison (2002); Wagner/Schwab (2004); Carter et al.
(2004); Lüdtke (2003) und Kaufmann/Carter (2004).289 Auch bezüglich der optimalen
Bieteranzahl herrscht eine Heterogenität an Meinungen. Carter/Stephenson führten ein
Laborexperiment durch, bei dem sechs Bieter zu deutlich niedrigeren Geboten führten als
drei Bieter.290 Millet et al. (2004) gehen von einer optimalen Anzahl von acht Lieferanten
aus.291 Insgesamt wird sowohl in der mikroökonomischen (meist auf Vorwärtsauktionen
ausgerichteten)292 als auch in der eRA-fokussierten Literatur293 die These vertreten, dass
eine hohe Bieteranzahl zu wettbewerbsintensiveren Geboten führt. Jap weist diesbezüglich
jedoch auch darauf hin, dass eine hohe Bieteranzahl kontraproduktiv wirken kann, wenn
Lieferanten aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks und den daraus resultierenden
geringen Erfolgswahrscheinlichkeiten von der Gebotsabgabe absehen.294 Engel (2008)
warnt weiter, dass mehr Wettbewerb auch das Lieferantenausfallrisiko erhöht. Er
argumentiert, dass die Zulieferer sich aufgrund der hohen Wettbewerbsintensität zu
unökonomischen Geboten drängen lassenkönnten.295 Die Praxis scheint den Empfehlungen
nach einer hohen Lieferantenanzahl zu folgen. So berichtet Emiliani (2000), dass im
285 Vgl. Millet et al., 2004. 286 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 204. 287 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 288 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 711. 289 Vgl. Smart/Harrison, 2002, S. 282; Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 22 f.; Vgl. Carter et al., 2004, S. 245;
Vgl. Lüdtke, 2003, S. 206; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 290 Vgl. Carter/Stevens, eine Jahreszahl wird von den Autoren leider nicht angegeben, S. 16. 291 Vgl. Millet et al., 2004, S. 177. 292 Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 711. 293 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 294 Vgl. Jap, 2002. 295 Vgl. Engel, 2008, S. 35.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
47
Vorfeld der Auktion 50 bis 60 fähige Lieferanten und aus diesen ein Mix bisheriger und
neuer Lieferanten zusammengestellt wird.296 Das tatsächliche Vorhandensein einer solch
hohen Zuliefereranzahl dürfte jedoch nur selten auftreten. Primäre Aufgabe des
Beschaffungsmanagements ist es, eine möglichst hohe Lieferantenanzahl ausfindig zu
machen und zur Auktion einzuladen.
Dauer der Auktion: Der zeitliche Rahmen einer englischen Auktion setzt sich aus maximal
zwei Komponenten zusammen: eine Hauptphase und mögliche Verlängerungsintervalle.
Die Hauptphase besitzt einen fixen, zuvor definierten Start- und Endzeitpunkt.297 In Bezug
auf B2C- und C2C-Auktionen wird die Hauptphase in der wissenschaftlichen Literatur
nochmals in drei Intervalle unterteilt: das Start-, das Mittel- und das Endintervall.298
- Das Startintervall beschreibt die Zeit vor der ersten Gebotsabgabe des betrachteten
Bieters.
- Im Mittelintervall muss der Teilnehmer immer wieder abwägen, ob, um wie viel
und wann er sein Gebot erhöht oder im Fall einer Beschaffungsauktion verringert.
- Im Endintervall wird gegebenenfalls ein letztes, irreversibles Gebot abgegeben.299
Der zeitliche Rahmen der Hauptphase wird zwischen 30 Minuten und zwei Stunden
angegeben.300 Werden Verlängerungsintervalle nach der Hauptphase gestattet, liegt ein
weiches Auktionsende (Soft-Close Rule) vor. Bei der Abwägung zwischen dem harten und
dem weichen Ende spielt die Sniping-Strategie, die Gebotsabgabe erst kurz vor
Auktionsende, eine entscheidende Rolle.301 Zielsetzung der Strategie ist es, eine
Gegenreaktion der anderen Teilnehmer durch eine zeitliche Beschränkung zu verhindern.
Die Sniping-Strategie findet bei Auktionen mit Hard-Close Rule nicht nur von Beginn an
mehr Anwendung; sie wird auch bei mehrfachen Auktionen immer häufiger benutzt.
Anders stellt sich dies bei Auktionen dar, die mit einer Soft-Close Rule enden. Hier ist die
Sniping-Strategie nicht zielführend, da durch die automatische Verlängerung des
Verfahrens bei Gebotsabgabe kurz vor dem Ende der Auktion keine zeitliche Beschränkung
entsteht. Daher nimmt die Nutzung der Sniping-Strategie bei weichem Ende im Zeitverlauf
ab.302 Bei konsequenter Sniping-Anwendung aller Teilnehmer in einer Hard-Close-Rule-
296 Vgl. Emiliani, 2000, S. 179. 297 Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 161. 298 Vgl. Ariely/Simonson, 2003, S. 115. 299 Vgl. Ariely/Simonson, 2003, S. 117. 300 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76; Vgl. Diller/Seyfrath, 2007, S. 61. 301 Vgl. Ariely et al., 2001. 302 Ebenda.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
48
Auktion stellt sich die Frage nach der Abgrenzung zur Ausschreibung: Es wird jeweils von
jedem Teilnehmer nur ein Gebot abgegeben. Dieses ist zwar für die anderen sichtbar, sie
können darauf aber nicht mehr reagieren. Die Literatur empfiehlt Beschaffungsmanagern
daher ein weiches Ende für ihre Auktionen.303 Auch in der Praxis findet dieses deutlich
häufigere Anwendung. Eine systematische Untersuchung zu den Auswirkungen der beiden
Auktionsdesigns steht jedoch noch aus.304 Die zeitliche Verlängerung im Falle einer Soft-
Close Rule sollte sich nach den relativen, wertmäßigen Gebotsintervallen richten. Je höher
das wertmäßige Gebotsintervall ist, desto größer sollte der zusätzliche zeitliche Spielraum
für erneute Kalkulationen auf Lieferantenseite ausfallen. Bei niedrigeren Gebotsintervallen
ist hingegen eine geringere Verlängerung der Dauer akzeptabel.
Auswahl der Kommunikationsstrategie
Die Erreichung der preis- oder TCO-orientierten Ziele wird auch durch die
Kommunikationsstrategie der eRA-durchführenden Institution unterstützt. Mit den
genannten Auktionsparametern ist diese oft eng verknüpft. So ist es eine Frage der
Kommunikationsstrategie, ob die Lieferanten im Auktionsvorfeld über die Anzahl und
vielleicht auch die Identität ihrer Konkurrenten informiert werden sollen oder nicht; eine
Information, die sich häufig direkt auf die Preissetzung auswirkt. Zusätzlich kann eine
geeignete Kommunikationsstrategie die Auktionswahrnehmung der Lieferanten steuern.
Dies ist doppelt von Bedeutung: So führt eine negative Auktionswahrnehmung zu einer
schlechteren Lieferantenleistung. Diese wird sich in den TCO des Beschaffungsprozesses,
den mit der Beschaffung des Gutes verknüpften Gesamtkosten, niederschlagen. Bei einer
mangelnden Auktionsreputation nehmen zudem weniger Lieferanten an den Auktionen des
beschaffenden Unternehmens teil.305 Die Literatur argumentiert nun, dass Vertrauen in die
Auktion und das auktionsdurchführende Unternehmen seitens der Lieferanten die zentrale
Voraussetzung für eine positive Lieferantenwahrnehmung und eine erfolgreiche Auktion
ist.306 Ziel der Kommunikationsstrategie muss deshalb sein, dieses Vertrauen zu erzeugen.
Dies ist gerade aufgrund der extremen Informationsasymmetrie innerhalb einer
Beschaffungsauktion von Bedeutung.307 Die Asymmetrie ergibt sich beispielsweise durch
das Wissen des Auktionators über die Anzahl der Wettbewerber oder mögliche
303 Vgl. Millet et al., 2004, S. 177. 304 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 206f.; Vgl. Jap, 2002, S. 517. 305 Vgl. Caniėls/Raaij, 2009. 306 Vgl. Arcache, 2003, S. 126. 307 Vgl. Stölzle, 2007, S. 169.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
49
Reservationspreise. Häufig fürchten Lieferanten auch ein aktives Ausnutzen der
Informationsasymmetrien durch Einkäufer, beispielsweise über das Abgeben von
Phantomgeboten.308 Der Auktionator gibt hier selbst Gebote ab, die den Teilnehmern als
Offerten von Mitbietern suggeriert werden. Es wird ein unnatürlicher Wettbewerbsdruck
erzeugt, mit dem Ziel, die Preise weiter zu drücken. Dabei setzt sich der Einkäufer jedoch
dem Risiko aus, dass sein Phantomgebot das niedrigste bleibt.309 Neben Phantomgeboten
ist ein weiteres Risiko für Lieferanten, dass der Einkäufer, ohne vorheriges Wissen der
Bieter, das Auktionsergebnis nicht als finalen Preis anerkennt, sondern weitere
Nachverhandlungen startet.310
Die Entwicklung von Vertrauen in wirtschaftlichen Beziehungen ist bisher ein „under
researched topic“311. Fest steht, dass Vertrauensaufbau innerhalb einer Geschäftsbeziehung
nur in kleinen Schritten erfolgen kann.312 Gründe für den Vertrauensaufbau können zum
einen persönliche Erfahrungen oder Erfahrungen unabhängiger Dritter sein, in denen sich
die Organisation zuverlässig verhalten hat.313 Zusätzlich vertrauensbildend sind
Transparenz und eine offene Kommunikation oder objektiv wahrnehmbare Maßnahmen,
beispielsweise digitale Zertifikate.314 Für einen strukturierten Vertrauensaufbau stehen
einem Unternehmen zwei nachgelagerte Instrumente zur Verfügung: das Signaling und das
Screening. Das Screening beinhaltet im ersten Schritt die Ermittlung von Risikoquellen für
die opportunistische Ausnutzung von Informationsasymmetrien. Das Signaling will diese
Risikoquellen in einem zweiten Schritt abbauen oder zumindest vermindern.315 Dazu stehen
dem Signaling ebenfalls zwei Mechanismen zur Verfügung: die Reputation und die
Selbstbindung.316
Einer Organisation mit einer guten Reputation wird geglaubt, dass ihr zukünftiges
Verhalten sich nach der Reputation richtet und damit vorhersehbar ist. Ihr wird ein
überzeugtes und selbstverständliches Vertrauen entgegengebracht.317 Reputation wird durch
308 Vgl. Beckmann, 1999, S. 296 f. 309 Vgl. Kersten, 2001, S. 28. 310 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983. 311 Vgl. Welter/Smallbone, 2006, S. 471. 312 Vgl. Stölzle, 2007, S. 155. 313 Vgl. Einwiller, 2000, S. 734 f. 314 Vgl. Einwiller et al., 2000, S. 734 f. 315 Vgl. Stölzle, 2007, S. 158. 316 Vgl. Stölzle, 2007, S. 160. 317 Vgl. Blois, 1999, S. 209.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
50
ein dauerhaft zuverlässiges Verhalten aufgebaut.318 Dieser sukzessive Aufbau von
Reputation und Vertrauen innerhalb einer Geschäftsbeziehung durch Kontinuität erinnert
stark an den Aufbau einer Marke. Grundlage hier ist eine fortlaufende Einhaltung der durch
die Marke transportierten Leistungsversprechen.319 Übertragen auf B-to-B-Beziehungen
entwickelt sich Vertrauen hier durch die fortlaufende Einhaltung der in der
Geschäftsbeziehung kommunizierten Zusagen und Verpflichtungen.
Der Aufbau einer Auktionsreputation ist für die einkaufende Organisation jedoch nur dann
sinnvoll, wenn die durch sie erzielten Einsparungen über ein besseres Image bei den
Lieferanten die Kosten des fairen Verhaltens übertreffen.320 Dieses ökonomische Kalkül
könnte jedoch durch die weit kurzfristigeren Anreizfunktionen der Einkäufer oder
Einkaufsberater gestört werden. Ein Verantwortungsträger, der davon ausgeht, eine gewisse
Position nur für eine begrenzte Zeit innezuhaben und der an derzeitigen Einsparungen
gemessen wird, dürfte kurzfristige Verhandlungserfolge einem langfristigen
Reputationsaufbau vorziehen.
Die Selbstbindung zielt darauf ab, die durch den Lieferanten empfundenen Risiken durch
eigene Verpflichtungen, wie eine hohe Vertragsdauer oder die Zusicherung eines
bestimmten Auftragsvolumens, zu mindern.321 Zwischen Selbstbindung und Reputation
herrscht ein substitutionales Verhältnis.322 Einem Unternehmen mit guter Reputation bietet
sich die Möglichkeit, Selbstbindungen zu unterlassen, und ein Unternehmen mit guten
Selbstbindungsmechanismen kann auf den Reputationsaufbau verzichten.
318 Vgl. Hosmer, 1995. 319 Vgl. Backhaus/Voeth, 2010, S. 175. 320 Die Argumentation ist dabei angelehnt an die von Backhaus/Voeth, 2010, S. 175, in Bezug auf das
ökonomische Kalkül zur Abwägung der Sinnhaftigkeit eines Markenaufbaus. 321 Vgl. Stölzle, 2007, S. 159. 322 Ebenda.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
51
Abbildung 15: Mechanismen zum Vertrauensaufbau323
Beide Signaling-Mechanismen werden bei elektronischen Beschaffungsauktionen
angewendet. Manche Organisationen versuchen eine Auktionsreputation aufzubauen,
indem sie opportunistische Verhaltensweisen meiden und so Glaubwürdigkeit herstellen.324
Auch der Weg des Vertrauensaufbaus über eine offene und transparente Kommunikation325
wird in der Praxis beschritten. Dazu werden ausnahmslos alle relevanten
Vergabebedingungen offengelegt326, sodass sich opportunistische Verhaltensweisen
teilweise von selbst ausschließen. Wie weit verbreitet solche Bemühungen unter Einkäufern
sind, ist nicht bekannt. Die negative Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA bei
Lieferanten327 deutet jedoch nicht auf allzu starke Bemühungen zum Reputationsaufbau
hin. Die Selbstbindung der Abnehmer kann auf vielfältige Weise erfolgen. So ist bereits vor
der Auktion eine Verpflichtung auf das niedrigste Gebot möglich, egal, von wem oder in
welcher Höhe dieses eingereicht werden wird. Dabei wird deutlich, dass die Selbstbindung
mit hohen Kosten verbunden sein kann. Von Bedeutung ist daher eine gründliche
Lieferantenvorauswahl, um die Vergabe an unseriöse oder nicht lieferfähige Anbieter zu
323 Stölzle, 2007, S. 160. 324 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 325 Vgl. Einwiller et al., 2000, S. 734 f. 326 Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 20; Kaufmann, 2003a. 327 Vgl. Jap, 2007.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
52
verhindern.328 Eine weitere Stufe der Selbstbindung ist ein ganzer Katalog von
Commitments, zu denen sich der Einkäufer im Auktionsvorfeld verpflichten kann.
Selbstverständlich kann der Einkäufer solche Commitments auch von den Anbietern
verlangen.329 Prominente Beispiele solcher Auktionsspielregeln sind die „Golden Rules“
der Metro AG330 oder die Verhaltensregeln der Firma Sun Microsystems331. Einzelne
Inhalte dieser Vereinbarungen weichen zwischen verschiedenen Firmen voneinander ab,
das Ziel des Vertrauensaufbaus haben sie jedoch gemeinsam.332
Neben der Selbstbindung und der Reputation zum Vertrauensaufbau existieren noch
weitere wesentliche Komponenten einer Kommunikationsstrategie. Von großer Bedeutung
ist eine vollständige und verständliche Kommunikation der Anforderungen an das
Beschaffungsobjekt, sodass die Lieferanten genau wissen, wofür sie in der Auktion
bieten.333 Zusätzlich müssen die Zulieferer an die technischen Funktionsweisen der
Systeme herangeführt werden, um ein einfaches und sicheres Bieten zu ermöglichen. Dazu
gehört auch, Vertrauen in die IT-Systeme der Auktion zu schaffen.334 Darüber hinaus
besteht die Möglichkeit, die Zulieferer in einem Auktionsfeedback über ihre
Wettbewerbssituation zu informieren und so nochmals die Transparenz des Verfahrens zu
erhöhen.335 Eine Maßnahme, die umso sinnvoller erscheint, je intransparenter das
ursprüngliche Auktionsdesign angelegt war. Die im Theorieteil hergeleiteten
Auktionsparameter (siehe Abbildung 8) müssen in der praktischen Anwendung noch um
die Kommunikationsstrategie ersetzt werden (siehe Abbildung 16).
328 Eine gründliche Lieferantenvorauswahl wirkt ebenfalls vertrauensfördernd, da die Anbieter von einem
seriösen, fairen Wettbewerbsumfeld ausgehen. Vgl. Jap, 2002, S. 517 f.; Vgl. Tassabehji et al., 2006, S. 179:
329 Vgl. Emiliani, 2005, S. 526 ff. 330 Vgl. Kaufmann, 2003, S. 209. 331 Vgl. Carbone, 2005: 332 Vgl. Emiliani, 2005, S. 526 f. 333 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122, bereits im vorherigen Kapitel zu den Beschaffungsobjektkriterien wurde
deshalb auf eine möglichst niedrige Komplexität des Beschaffungsobjekts verwiesen, die mit dem Beschaffungsvolumen im Einklang stehen sollte.
334 Vgl. Arcache, 2003, S. 128; Vgl. Schwab, 2003, S. 32. 335 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125 ; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 207.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
53
Abbildung 16: Entscheidungsparameter einer elektronischen Beschaffungsauktion
3.2.3 Verknüpfung der Beschaffungssituation mit der Auktionsstrategie
Die vergangenen Kapitel haben gezeigt, dass bei Durchführung einer eRA zwei
Entscheidungsfelder zu berücksichtigen sind: zum einen die grundsätzliche Entscheidung
zur Auktionierung unter Berücksichtigung der aufgezeigten Kriterien Beschaffungsmarkt,
Beschaffungsobjekt und Beschaffungsorganisation, zum anderen die Auswahl des
geeigneten Auktionsdesigns. Hierbei spielen nur noch Beschaffungsmarkt- und
Beschaffungsobjektkriterien eine Rolle. Beschaffende Unternehmen müssen die jeweilige
Situation mit einem Design und einer geeigneten Kommunikationsstrategie verknüpfen.
Diese Zuordnung kann entweder ungestützt oder über ein Entscheidungssystem erfolgen. In
einem solchen System sind entweder alle Auktionsparameter, beispielsweise der
Transparenzgrad oder die Dauer der Hauptphase, variabel und können zu immer neuen
Konstellationen zusammengefügt werden oder es gibt einige fest definierte
Auktionsdesigns, von denen jeweils eines ausgewählt wird. Letztere Option ist weit
weniger komplex und für Mitarbeiter und Technik leichter zu bewerkstelligen.
Beispielsweise können zwei Designs existieren, eines für wettbewerbsintensive Märkte mit
vielen Anbietern und geringer Kollusionsgefahr und eines für segmentierte Märkte mit
wenigen, gut vernetzten Bietern und einer hohen Kollusionswahrscheinlichkeit. Das erste
Design sollte transparent sein, um den hohen Wettbewerbsdruck zu kommunizieren. Beim
zweiten Design wäre hingegen eine verdeckte Variante zu bevorzugen, um mangelnden
Wettbewerb zu verschleiern und Kollusionen zu erschweren. Abbildung 17 stellt den
Aufbau eines möglichen Entscheidungssystems grafisch dar. In einem solchen System sind
zwei Anpassungsmöglichkeiten über die Zeit denkbar: Einerseits können die Markt- und
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
54
Objektkriterien aus den Auktionserfolgen heraus angepasst werden (wie der Pfeil rechts in
der Abbildung andeutet), andererseits können Parameter innerhalb des Auktionsdesigns
wechseln (beispielsweise eine Verschlechterung des Transparenzgrades in Auktionsdesign
B) oder sogar komplette Designs hinzugefügt oder entfernt werden.
F eedback über Auktionserfolg, ggf. Anpassung des E ntscheidungs‐
systems
Abbildung 17: Entscheidungssystem zur Auswahl des Auktionsdesigns
3.3 ERA-Einbindung in den Beschaffungsprozess
3.3.1 Initiatoren und Treiber der eRA-Einführung
Die Umstellung von Face-to-Face- oder anderen traditionellen Verhandlungsmechanismen
auf Beschaffungsauktionen benötigt Initiatoren und Treiber innerhalb des beschaffenden
Unternehmens.336 Hier lässt sich eine Initiierung von der Konzernleitung, bei der die eRA-
Nutzung der Einkaufsabteilung vorgegeben wird (top-down), und die Initiierung der
Einkaufsabteilung, die der Unternehmensführung die eRA-Nutzung vorschlägt (bottom-up)
336 Die Informationen über die Möglichkeiten von Beschaffungsauktionen können zuvor auf vielfältige Weise
in das Unternehmen gelangt sein: Wissenschaftliche Artikel, Mund-zu-Mund-Propaganda oder Werbung von externen Service Providern (auf die im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird).
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
55
abgrenzen. In der Praxis sind beide Prozesse ungefähr gleich häufig verteilt.337 Widerstand
kommt jedoch nicht selten von den Einkäufern mit direktem Lieferantenkontakt.338 Die
Literatur nennt zwei Ursachen für diesen Widerstand. Zum einen stören eRAs die mühsam
aufgebauten Lieferantenbeziehungen.339 Nur in Ausnahmefällen berichten Einkäufer, dass
die Geschäftsbeziehungen durch Beschaffungsauktionen verbessert wurden, meist trat eine
Verschlechterung ein.340 In gewisser Weise stellen eRAs sogar den Wert partnerschaftlicher
Beziehungen infrage.341 Das zweite Widerstandsmotiv ist, dass Auktionen die zentrale
Stärke der Einkäufer, eine intensive Lieferantenkommunikation, untergraben. In dem
Verfahren werden nur noch sehr einseitig Informationen vorgegeben und darauf lediglich
Preisvorschläge erwartet.342 Interne Widerstände wurden dementsprechend als eine der
Hauptursachen für ein Scheitern elektronischer Beschaffungsauktionen ausgemacht.343
Einige Autoren argumentieren deshalb, die Widerstände seien bei einer Top-down-
Implementierung höher als bei einer Bottom-up-Einführung.344 Ein Instrument zur
Überwindung solcher Widerstände ist eine klare Kommunikation der Gründe für die eRA-
Einführung345, ein weiteres sind Mitarbeiterschulungen, die diesen die Vorteile der
Beschaffungsauktionen näherbringen sollen.346
Von der Initiierung der Auktion zu trennen ist deren Durchführung. Dabei ist zunächst zu
unterscheiden, ob das beschaffende Unternehmen die benötigten Ressourcen vollständig
selbst zur Verfügung stellt oder sich externe Unterstützung einkauft. Wird das gesamte
Verfahren selbstständig abgewickelt, so ist ein spezialisiertes Team innerhalb der
Einkaufsabteilung zu bilden, welches die einzelnen Schritte des Beschaffungsprozesses
sukzessive abarbeitet.347 Externe Hilfe kann die Firma durch auf Beschaffungsauktionen
337 Vgl. Carter et al., 2004, S. 237. 338 Vgl. Carter et al., 2004, S. 237. 339 Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 48. 340 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 341 Vgl. Jap/Mohr, 2002, S. 34f. 342 Vgl. Skjott-Larsen, 2003, S. 207. 343 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 344 Vgl. Hawkins et al., 2009, S. 65. 345 Auch die Kommunikation nach außen kann zur Steigerung der internen Akzeptanz beitragen, nämlich
dann, wenn dadurch die Beziehungen zwischen Einkäufern und Lieferanten weniger stark belastet werden. 346 Vgl. Carter et al., 2004, S. 238. Die Autoren berichten beispielsweise von einem Unternehmen, in dem 300
Mitarbeiter je 13 Stunden zu eRAs geschult wurden. 347 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177 ff.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
56
spezialisierte Dienstleister oder Plattformbetreiber erhalten.348 Wie Abbildung 18 zeigt,
unterstützen diese als dritte Partei zwischen Anbieter und Nachfrager den Auktionsprozess.
Abbildung 18: Einbettung des Dienstleisters in den Auktionsprozess349
Diese Unterstützung kann entweder über den gesamten Beschaffungsprozess oder nur
phasenweise erfolgen.350 Des Weiteren ist zu differenzieren, ob der Dienstleister
technische, personelle oder eine Kombination beider Ressourcen zur Verfügung stellt.
Technische Ressourcen sind in der Regel neutrale und sichere Systeme, mit denen die
Auktionen durchgeführt werden.351 Häufig funktionieren die Systeme auch als virtuelle
Marktplätze, die möglichst viele Anbieter und Nachfrager anziehen sollen. Die
Marktplatzbetreiber werden dann von Abnehmern mit der Durchführung einzelner
Auktionen beauftragt.352 Allgemein stellen elektronische Marktplätze Systeme dar, in denen
Nachfrager und Anbieter Informationen über Angebote und Bedarfe, Preise und
Preisbereitschaften austauschen und daran anschließend Transaktionen abwickeln
können.353 Kurz nach der Jahrtausendwende entstand eine Vielzahl dieser
Handelsplattformen, von denen sich jedoch bei Weitem nicht alle auf dem Markt behaupten 348 Vgl. Saggau, 2007, S. 51; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117; Vgl. Wildemann, 2002, S. 2; Vgl. Diller et al.,
2005, S. 399 f.; Vgl. Jap, 2001, S. 4 f.; Vgl. Buchwalter, 2001, S. 17. 349 Sashi/O‘Leary, 2002, S. 107. 350 Vgl. Jap, 2001, S. 4; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117; Vgl. Buchwalter, 2001, S. 17. 351 Vgl. Saggau, 2007, S. 51. 352 Vgl. Skiera/Spann, 2004, S. 1042. 353 Vgl. Bakos, 1991, S. 296; Vgl. Segev et al., 1991, S. 139.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
57
konnten.354 Ein Grund ist die Tatsache, dass große Unternehmen zunehmend eigene
Beschaffungsplattformen aufbauen. Neben den Kosteneinsparungen für externe Betreiber
profitieren sie dabei von der Generierung zugeschnittener Daten der
Beschaffungsmarktforschung.355 Die Treuhänderrolle der externen Dienstleister356 geht so
für die einkaufenden Konzerne jedoch verloren. Personalressourcen beziehungsweise
Beratungsleistungen sind beispielsweise Markt- und Gebotsanalysen357 oder
Hilfestellungen beim Design der Auktion.
Nach der Intensität der Beratungsleistungen klassifizieren Hur et al. (2007) drei
Dienstleistungsstufen. Bei allen drei wird von einer vollständig technischen Unterstützung
ausgegangen.
- Full Service: Das beschaffende Unternehmen übergibt dem Dienstleister die
gesamte Prozessverantwortung, von der Lieferantenidentifikation über die
Lieferantenschulung bis zur nachträglichen Gebotsanalyse.
- Self Service: Das beschaffende Unternehmen führt die Auktion selbstständig
unter Verwendung der technischen Ressourcen des Dienstleisters durch. Dieser
beschränkt sich auf Softwareupdates und Einkäuferschulungen.
- Hybrid E-Auction: Diese Form entspricht dem Self Service, jedoch mit
phasenweisem Zugriff auf die Beratungsleistungen des Dienstleisters.358
Neben dieser Klassifizierung ist es auch möglich, dass ein Unternehmen über ausreichende
technische Möglichkeiten verfügt, sich aber externe Beratungsleistungen einkauft, um eine
möglichst effiziente Auktionsabwicklung zu erreichen.359 Auch können diese
Beratungsleistungen phasenweise oder in Kombination mit begrenzten technischen
Ressourcen nachgefragt werden. Aufbauend auf den Überlegungen von Hur et al. (2007)
systematisiert Abbildung 19 unterschiedliche Dienstleistungskombinationen für
elektronische Beschaffungsauktionen.
354 Vgl. New, 2008, S. 96 ff. 355 Vgl. Saggau, 2007, S. 52. 356 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 209 f. 357 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177. 358 Vgl. Hur et al., 2007, S. 408. 359 Vgl. Meyer, 2008.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
58
Abbildung 19: Dienstleistungskombinationen für elektronische Beschaffungsauktionen
Die Aufwendungen für Dienstleister und Service Provider sind sehr heterogen. Arnold et al.
(2005) ermittelten auf Basis von 19 Experteninterviews Kosten zwischen 600 und 40.000 €
für die Durchführung einer Auktion (der Durchschnitt lag bei 4.150 €; der Median bei
2.500 €). Neben der Anzahl nachgefragter Leistungen (technische und personelle) waren
das Ordervolumen und die Auktionserfahrenheit der einkaufenden Institution mit den
Kosten für den Dienstleister korreliert. Auktionserfahrene Unternehmen zahlten für die
gleichen Leistungen weniger.360 Ob die niedrigeren Kosten dabei in einem erhöhten
Fachwissen und damit einer geringeren Beratungsintensität oder aber einem höheren
Markt-Know-how über die Preise der Provider begründet liegen, ist nicht ersichtlich.
Angesichts dieser für Beratungen anfallenden Kosten ist es nicht verwunderlich, dass die
Literatur beschaffenden Unternehmen rät, das externe Wissen zu Auktionen schnell zu
internalisieren und dann höhere Rückflüsse zu erzielen.361 Empirischen Erhebungen zufolge
greifen fast alle Einkäufer während der ersten Auktionen auf externe Anbieter zurück und
fahren diese Nachfrage dann sukzessive herunter, nachdem sie selbst Know-how aufgebaut
haben.362 Tabelle 1 stellt die unterschiedlichen Nutzenarten (Benefits) der Dienstleister im
Zeitverlauf dar. Auffällig ist, wie viele der Nutzenarten mit der Zeit an Wert verlieren.
360 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 120. 361 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 362 Vgl. Hur et al., 2007, S. 408.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
59
Benefit Value then Value now
1. Tested software, support and project management High High
2. Identification of new suppliers High Low
3. Auction process training High Low
4. Transition of current supplier base High Low
Tabelle 1: Vorteile externer Service Provider im Zeitverlauf363
3.3.2 Darstellung des auktionsintegrierten Beschaffungsprozesses
Eine Beschaffungsauktion besteht aus einem Softwaretool und einem Bietprozess.364 Dieser
fügt sich meist in einen Beschaffungsprozess mit vielerlei traditionellen Elementen ein und
stellt dabei zeitlich nur einen sehr geringen Teil dar.365 Eine Beschaffung lediglich über
eine eRA ist äußerst selten.366 Eine Vielfalt an kommunikativen und organisatorischen
Aktivitäten findet vor, während und nach der Auktion statt. Diese schließen häufig auch
andere Verhandlungsschritte wie Face-to-Face-Erläuterungen oder Face-to-Face-
Nachverhandlungen mit ein, weshalb man von auktionsintegrierten Beschaffungsprozessen
spricht.367 Abbildung 20 stellt die Kombination verschiedener Interaktionsmöglichkeiten
und sich daraus ergebende Verhandlungsvarianten dar.
363 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74. 364 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74. 365 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74, schätzen, dass die Auktion, die häufig nur eine halbe Stunde dauert,
lediglich 2 bis 3 % des Gesamtzeitaufwands ausmacht. 366 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 203. 367 Vgl. Kaufmann/Germer, 2004, S. 62; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 18f.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
60
Abbildung 20: Systematisierung verschiedener Verhandlungsvarianten368
Eine idealtypische Integration der eRA in den Beschaffungsprozess wurde bereits von
mehreren Autoren vorgenommen.369 Im Folgenden wird der auktionsintegrierte
Beschaffungsprozess exemplarisch auf der Grundlage von Arnold et al. (2005)370
dargestellt. Hier ist der Prozess, wie in Abbildung 21 verdeutlicht wird, in vier Phasen
unterteilt: die Analysephase, die Auktionsanbahnung, die Vereinbarungs- und schließlich
die Abwicklungsphase. Die einzelnen Phasen untergliedern sich wiederum in mehrere
Schritte.
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information management (monitoring/controlling)
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information management (monitoring/controlling)
Procurement Process
Abbildung 21: Der auktionsintegrierte Beschaffungsprozess371
368 Kaufmann/Carter, 2004, S. 19. 369 Vgl. Emiliani, 2000; Vgl. Smeltzer/Ruzucka, 2000; Vgl. Meier et al., 2002; Vgl. Beall et al., 2003; Vgl.
Kaufmann, 2003a; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004; Vgl. Buchwalter, 2001; Vgl. Arnold et al., 2005. 370 Vgl. Arnold et al., 2005. 371 Arnold et al., 2005, S. 117.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
61
Die erste Prozessstufe des eRA-gestützten Beschaffungsprozesses ist die Analysephase
(problem analysis). Hierbei wird sowohl die strategische Ausgangslage in der
Beschaffungssituation als auch das Beschaffungsobjekt selbst einem Fitnesstest auf die
eRA-Eignung unterzogen.372 Die Einkäufer bewerten die „suitability of the different
solutions for their specific commodities supplier relation and portfolio of purchasing
requirements”373. Die strategische Analyse umfasst dabei die markt- und
unternehmensbedingten Voraussetzungen, die die Beschaffungssituation beeinflussen.374
Die Untersuchung des Beschaffungsmarkts geschieht unter Zuhilfenahme der in Kapitel
3.1.2 aufgezeigten Kriterien. Unterstützend bei der Generierung von Marktwissen ist die
Beschaffungsmarktforschung. In Verbindung mit eRAs wird sie meist elektronisch
durchgeführt. Sie sammelt Informationen und bereitet diese auf, um die Entscheidungen der
Beschaffungsmanager zu unterstützen.375 Um die Kompatibilität der Auktionsanwendung
mit der Unternehmensstrategie zu untersuchen, werden in einem ersten Schritt die
unternehmensübergreifenden Zielsetzungen in beschaffungsbezogene Zielsetzungen
heruntergebrochen und dann in Beschaffungsstrategien übersetzt.376 In einem zweiten
Schritt können diese auf ihre eRA-Kompatibilität überprüft werden. Von mindestens
ebenso hoher Relevanz ist die Fitnessanalyse des Beschaffungsobjekts. Eine falsche
Auswahl an dieser Stelle gilt als die häufigste Ursache für das Scheitern einer Auktion.377
Hierbei erfolgt die Auswahl unter Rückgriff auf die Kriterien aus Kapitel 2.1.2.
Danach erfolgt die Auktionsanbahnung, die „Initiation“. Sie ist bei einer elektronischen
Beschaffungsauktion mit mehr Aufwand verbunden als bei einer traditionellen Face-to-
Face-Verhandlung.378 Fallstudien zufolge umfasst sie ungefähr 50 Personentage.379 Die
Initiation besteht aus der Bedarfsspezifikation und der Lieferantenvorauswahl. Die
Bedarfsspezifikation definiert die genaue Ausprägung des Objekts.380 Sie umfasst häufig
mehrere Varianten des Produkts oder der Dienstleistung und damit verschiedene
Einzelspezifikationen381, von denen im Prozessverlauf eine ausgewählt wird. Da eine
Auktion keine Zeit für Nachfragen und Erläuterungen ermöglicht, müssen die 372 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 373 Vgl. De Boer et al., 2002, S. 25. 374 Vgl. Essig/Kärner, 2001, S. 1. 375 Vgl. Wirtz/Keineicken, 2003, S. 252 f. 376 Vgl. Wirtz/Keineicken, 2003, S. 251. 377 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 378 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 117. 379 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 74. 380 Vgl. Hofbauer/Bauer, 2004, S. 38. 381 Vgl. Geerkens, 2001, S. 48.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
62
Spezifikationen sehr genau sein. In der Praxis ergeben sich dafür häufig Einsparpotenziale
durch Standardisierungen und Bündelungen382 sowie durch eine erleichterte Interaktion mit
den Lieferanten in weiteren Prozessschritten.383 Ein spezielles Team nimmt alle relevanten
Parameter eines Beschaffungsobjekts auf und fertigt daraus die Spezifikation an.384 Der
erste Schritt der Lieferantenvorauswahl (supplier selection) besteht in der Ermittlung aller
Anbieter, die über die Fähigkeiten verfügen, den Auftrag nach einem Zuschlag zu erfüllen.
Dabei wird zunächst eine Vielzahl an Zulieferern aufgenommen, wobei häufig auf bereits
bekannte Kontakte zurückgegriffen wird.385 Ergänzend kommen Firmendatenbanken und
Lieferantensuchdienste zum Einsatz.386 Der gesammelte Anbieterpool wird dann auf die
konkrete Lieferfähigkeit hin überprüft. Hierbei spricht vieles für eine rigorose Auswahl.
Zum einen wird dadurch die weitere Abwicklung erleichtert, zum anderen ein faires
Wettbewerbsumfeld geschaffen387 und dadurch (wie bereits in Verbindung mit den
Kommunikationsstrategien beschrieben) lieferantenseitiges Vertrauen aufgebaut.388 Primäre
Kriterien der Lieferfähigkeit sind die Marktstellung, das Qualitätssystem oder vorhandene
Kapazitäten.389 Der Auswahlprozess erfolgt nun trichterförmig aus der anfangs erstellten
Zuliefererliste.390 In jedem Prozessschritt wird die Erfüllung weiterer Kriterien überprüft
und die Lieferantenzahl damit sukzessive gesenkt. Haben Zulieferer alle diese
Auswahlschritte überstanden, werden sie zu der Auktion eingeladen. Die durchschnittliche
Anzahl dieser Gruppe beträgt ungefähr zehn Lieferanten.391 Die nächste Aufgabe der
Einkäufer besteht darin, dafür zu sorgen, dass möglichst viele der ausgewählten Zulieferer
tatsächlich an der Auktion teilnehmen.392 Wichtige Faktoren dabei sind beispielsweise der
„supplier fit“ auf das beschaffende Unternehmen, die Auktionscharakteristika393 oder der in
Kapitel 3.2.2 dargestellte Aufbau einer Auktionsreputation.
Die Prozessphase Vereinbarung (Agreement) besteht aus den Schritten Vorbereitung
(Preparation), der eRA-Durchführung (eRA procedure) und der Auswertung (Evaluation).
382 Vgl. Kaufmann/Germer, 2004, S. 63. 383 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 384 Vgl. Emiliani, 2000, S. 178. 385 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 120. 386 Vgl. Wirtz/Keineicken, 2003, S. 252 f. 387 Vgl. Carter, 2004, S. 242. 388 Vgl. Jap, 2002, S. 517 f.; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 208 f. 389 Vgl. Wildemann, 2003, S. 233; Vgl. Jap, 2002, S. 518. 390 Vgl. Aust et al., 2000, S. 30. 391 Vgl. Millet et al., 2004, S. 171 spricht innerhalb seiner Studie von 10,4 Lieferanten bei einer
Standardabweichung von 14,4 und einer Spannweite von 2 bis 156. 392 Vgl. Millet et al., 2004, S. 171. 393 Vgl. Millet et al., 2004, S. 174.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
63
In der Vorbereitungsphase wird das Auktionsdesign bestimmt. Die Kriterien aus Kapitel
3.2.2 werden mit der Beschaffungssituation durch einfache Abwägungen, Heuristiken oder
speziellen Entscheidungssystemen394 in Einklang gebracht.395 Limitiert werden die
theoretisch möglichen Designs durch die Beschränkungen des Softwareprogramms.396 Zur
Vorbereitungsphase zählen auch Einweisungen und Schulungen der Lieferanten, die mit
dem Beschaffungsinstrument an sich und mit den speziellen Ausprägungen und technischen
Funktionsweisen der geplanten Auktion vertraut gemacht werden. Diese Einweisungen
können sehr zeitintensiv sein, da sie häufig Einzelgespräche erfordern.397 Dazu hat es sich
bewährt, realitätsgetreue Testauktionen durchzuführen, die die Lieferanten sowohl mit der
Software als auch mit den Bietprozessen vertraut machen.398 In dem Schritt „eRA-
Durchführung“ findet die eigentliche Auktion statt. Für den Beschaffungsprozess ist dabei
von Bedeutung, ob die Auktion die einzige Verhandlungsstufe darstellt oder ob weitere
Verhandlungen folgen, die dann meist Face-to-Face durchgeführt werden.399 In diesen
Fällen steigen die administrativen Kosten des beschaffenden Unternehmens, und die
erzielten Preisreduktionen gehen verloren.400 Auch können verschiedene Auktionen
hintereinander geschaltet werden.401 In der Praxis wird dabei häufig von einer englischen,
gefolgt von einer holländischen Auktion berichtet.402 Die Lieferanten unterbieten sich
zunächst sukzessive von einem Ausgangspreis ausgehend. Danach wird unter dem
niedrigsten Gebot der englischen Auktion der Startpreis der holländischen Auktion
festgelegt, der sich in definierten Zeit- und Preisintervallen erhöht. Den Lieferanten wird so
in einem ersten Schritt die Intensität des Wettbewerbs vor Augen geführt. Im zweiten
Schritt werden sie diesem Wettbewerb in einer Situation ausgesetzt, in der ihre
Entscheidungen irreversibel sind.403 Um in der Einkaufsabteilung ein Bewusstsein für
Auktionen und ihre Möglichkeiten zu schaffen, wird empfohlen, die Auktion auf
Bildschirmen in der Einkaufsabteilung zu übertragen.404
394 Wie sie in Kapitel 3.2.3 vorgestellt werden. 395 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 123. 396 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 98 f. 397 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 124, sprechen von ca. zwei Stunden pro Gespräch. 398 Vgl. Kaufmann, 2005a, S. 205 ff. 399 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 201; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 89. 400 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117 und S. 124. 401 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 402 Vgl. Meyer, 2008. 403 Wie in Kapitel 2.1.2 dargelegt, ist bei einer holländischen Auktion nicht nur die Entscheidung zur
Gebotsabgabe bindend, sondern auch die Nichtabgabe, denn sobald ein Wettbewerber ein Gebot eingereicht hat, ist kein nachträgliches Unterbieten mehr möglich.
404 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76.
Auktionsziele und Vorgehensweisen der beschaffenden Unternehmen
64
Der letzte Schritt der Vereinbarungsphase ist die Auswertung. Während der Auktion
werden automatisch alle Eingaben der Teilnehmer gespeichert. Für umfangreiche Analysen
dieser Daten existieren spezifische Softwarelösungen.405 Die Analysen können
unternehmensintern und nach außen hin eingesetzt werden. So empfiehlt es sich besonders,
unerfahrenen Lieferanten ein Feedback über ihr Auktionsverhalten zu geben.406 Intern
lassen sich sukzessive Datenbanken aufbauen, in denen immer mehr Wissen aus Auktionen
gesammelt wird.407 Aus diesem Datensatz können Analysen zu Marktpreisen,
Kostenstrukturen oder der E-Readiness einzelner Lieferanten abgeleitet werden.408
Die letzte Phase ist die Abwicklung (Settlement) des über die eRA vergebenen Auftrags.
Über den gesamten Prozess sollten ein Monitoring und Controlling der
Zielerreichungsgrade der einzelnen Schritte stattfinden.
405 Vgl. Elmaghraby, 2007, S. 411. 406 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125 ; Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 207. 407 Vgl. Hur et al., 2006, S. 25 f. 408 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125.
65
4 Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige
Wahrnehmung von eRAs
4.1 Marktstrukturveränderungen als determinierende
Wahrnehmungsvariablen
Das vorgegangene Kapitel hat in idealtypischer Weise gezeigt, wie einkaufende
Unternehmen bei Anwendung elektronischer Beschaffungsauktionen vorgehen. Nun gilt es,
die Ausprägungen und Ursachen des daraus resultierenden Lieferantenverhaltens zu
untersuchen. Dem MSCP-Paradigma folgend lässt sich eine Verhaltensanpassung auf
Veränderungen in der Marktstruktur zurückführen.409 In einem ersten Schritt wird
untersucht, welche Marktstrukturverschiebungen sich durch die eRA-Anwendung für
Zulieferer ergeben können. Diese Verschiebungen werden durch zwei Bedingungen
charakterisiert: Sie dürfen aus Sicht der Lieferanten in der kurzen Frist nicht veränderbar
sein und müssen sich zugleich auf deren Handlungen auswirken.410 Das Paradigma
postuliert nun eine direkte Ableitung des Marktverhaltens aus den Strukturveränderungen
und betrachtet nicht die Wahrnehmung dieser seitens der Handelnden. Es ist jedoch davon
auszugehen, dass die lieferantenseitigen Reaktionen umso heftiger ausfallen, je stärker und
polarisierter das Beschaffungsinstrument wahrgenommen wird. Aus diesem Grund stellt die
vorliegende Analyse die Lieferantenwahrnehmung als intervenierende Variable zwischen
die Marktstruktur- und die Marktverhaltensänderung. Den theoretischen Rahmen dieser
Vorgehensweise bildet die „Theory-of-Reasoned-Action“ nach Fishbein/Ajzen. Sie
postuliert die Verknüpfung zwischen der Einstellung gegenüber einer Handlung und der
Durchführung der Handlung an sich.411 Der Zusammenhang wurde in vielfältigen
empirischen Studien bestätigt.412 Sheppard et al. (1988) schließen nach Durchführung einer
Metaanalyse zu Werken zur Theory-of-Reasoned-Action, dass das Modell einen hohen
Prognosecharakter auch in Bezug auf Situationen hat, die nicht in der ursprünglichen
Modellintention liegen.413 Das Konstrukt der Einstellung gegenüber einer Handlung ist
jedoch für Probanden nur abstrakt zu fassen und daher schwierig abfragbar. Fazio et al.
409 Vgl. Bester, 2004, S. 3. 410 Vgl. Bain, 1968, S. 7 und S. 9; Vgl. Bartling, 1980, S. 21 f. 411 Vgl. Ajzen/Fishbein, 1980, S. 5 ff. 412 Vgl. Ajzen, 1980, S. 115 ff. 413 Vgl. Sheppard et al., 1988, S. 325 ff.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
66
(1989) ersetzten es daher mit der Einstellung gegenüber einem Objekt.414 Übertragen auf
den untersuchten Zusammenhang bedeutet dies, dass das Reaktionsverhalten auf
elektronische Beschaffungsauktionen zentral von der Wahrnehmung der eRAs determiniert
wird. Dabei unterscheiden wir die reine Wahrnehmung der Fairness, des
Verhandlungsinstruments und den Einfluss von eRAs auf die Qualität der
Geschäftsbeziehung.
Die Einsetzung der Lieferantenwahrnehmung zwischen die beiden industrieökonomischen
Konstrukte Marktstruktur und Marktverhalten ist mit dem Übergang von einem S-R-Modell
(Stimulus-Response-Modell) zu einem S-O-R-Modell (Stimulus-Organism-Response-
Modell) vergleichbar. Einem S-R-Modell zufolge führt ein gesetzter Reiz (Stimulus) direkt
zu einer Reaktion des Individuums (behavioristische Erklärungsansätze).415 Im S-O-R-
Modell fungiert der Organismus als intervenierende, nicht direkt messbare Variable416
zwischen den beiden anderen Konstrukten (neobehavioristische Erklärungsansätze). In der
vorliegenden Analyse bilden die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA
und der Einfluss der Beschaffungsauktionen auf die Qualität der Geschäftsbeziehung diese
intervenierende Variable zwischen den Marktstrukturänderungen und den
Verhaltensanpassungen der Zulieferer. Abbildung 22 stellt die theoretische Vorgehensweise
grafisch dar.
414 Vgl. Fazio et al., 1989, S. 280 ff. 415 Vgl. Meffert, 1998, S. 101. 416 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 29 f.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
67
Abbildung 22: Wahrnehmung und Einfluss auf die Geschäftsbeziehung als intervenierende
Variablenim MSCP-Paradigma
4.2 Darstellung der Marktstrukturverschiebungen durch eRAs
4.2.1 Senkung des Preisniveaus
Preisreduktionen sind – wie in Kapitel 3.1.1 dargelegt – die primäre Motivation417 und das
entscheidende Erfolgsmaß418 einkaufender Institutionen bei der Durchführung von reverse
auctions. Über den tatsächlich erreichten Level der Preissenkungen findet sich in der
gegenwärtigen Literatur eine heterogene Vielzahl an Angaben. Die nachfolgende Tabelle
gibt einen Überblick der Ergebnisse bisheriger Erhebungen. Sie beziehen sich auf die
Reduktionen bei einmaliger Auktionsdurchführung.
417 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 381,
argumentieren auf Basis einiger Experteninterviews jedoch, dass die Berücksichtigung von „non-price-attributes“ zunimmt.
418 Vgl. Beall et al., 2003, S. 48.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
68
Autor Erscheinungsjahr Erzielte Preisreduktionen
Tully 2000 5-43 %
Smeltzer/Carr 2001 5-12 %
Mabert/Skeels 2002 25-50 %
Cohn 2002 15-20 %
Emiliani 2003 10-30 %
Beall et al. 2003 10-20 %
Smart/Harrison 2003 22-30 %
Arnold et al. 2005 5-12 %
Tabelle 2: Empirische Ergebnisse zu Preisreduktionen durch eRAs419
Gemeinsam ist allen, dass die Preise durch eRAs im Durchschnitt sinken und dass die
Rückgänge signifikant sind, meist sogar im zweistelligen Bereich liegen. Von Relevanz ist
dabei, dass eRAs in der Regel bei hochvolumigen Aufträgen angewandt werden.420 Hier
führt selbst eine zweiprozentige Preissenkung zu deutlichen Konsequenzen auf Zulieferer-
wie Abnehmerseite. Auffällig ist zudem die hohe Varianz und Spannweite der Angaben.
Sie lässt sich durch eine länder- und branchenspezifische Heterogenität erklären. Eine
Verringerung der Einsparungen über die Zeit ist nicht erkennbar. Auf Lieferantenseite
bedeuten die erzielten Preisreduktionen eine direkte Kürzung der Margen und Gewinne.421
Dies kann im Extremfall dazu führen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, in
ausreichendem Maße Neuinvestitionen zu tätigen.422 Relativierend sollte man jedoch
beachten, dass die in der Auktion erzielten Preisreduktionen meist nicht die „real savings“
der Einkäufer (und damit die „real losses“ der Lieferanten) sind. Häufig enthalten die vor
der Auktion kommunizierten Spezifikationen nicht alle Produktkomponenten, sodass
spätere Anpassungen durchzuführen sind.423 Da die Spezifikation als Vertragsgrundlage
gilt, sind die nachträglichen Anpassungen aus Lieferantensicht abrechenbar und reduzieren
die erlittenen Erlöseinbußen.
Bisher wenig diskutiert ist die Frage nach Preisreduktionen bei fortwährender
Auktionsdurchführung. Mabert/Skeels (2002) ermittelten hier weitere Einsparpotenziale
419 Vgl. Tully, 2000; Vgl. Cohn, 2000, S. 36 f.; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl. Mabert/Skeels, 2002,
S. 70; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117. 420 Vgl. Eichstädt, 2008, S. 116. 421 Vgl. Jap, 2007, S. 157. 422 Vgl. Jap, 2000, S. 30. 423 Vgl. Emiliani, 2004, S. 66.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
69
von 1 bis 2 % pro Auktion, wobei sich die Frage stellt, wie lange ein solch prozentuales
Absinken haltbar ist.424 Prinzipiell sind drei Optionen für die dynamischen Anpassungen
denkbar.
- Die Preissenkungsdynamik setzt sich auch bei wiederholten Auktionen fort. Ein
möglicher Grund hierfür ist, dass im ersten Durchgang unterlegene Lieferanten
zukünftig aggressiver bieten. Einkäufer können zudem das Auktionsdesign und
den Lieferantenpool bei mehrmaliger Anwendung sukzessiv optimieren und so
immer bessere Ergebnisse erzielen.425
- Das durch die Auktion erreichte Preisniveau bleibt stabil oder passt sich nur
noch geringfügig nach unten an.426 In diesem Fall hätte das Verfahren den
tatsächlichen Marktpreis ermittelt.427 Weitere Preissenkungen durch Auktionen
werden erst dann wieder möglich, wenn sich Verschiebungen in den
Kostenstrukturen der Lieferanten ergeben. Solche Verschiebungen können durch
technologische Entwicklungen, Bündelungen oder eine verbesserte
Lieferantenintegrationen hervorgerufen werden.428 Geben die Zulieferer die
daraus resultierenden Kostenvorteile nicht direkt weiter, können weitere
Auktionen zur Transferierung dieser Einsparungen auf die abnehmende Seite
genutzt werden.
- Die erzielten Preisreduktionen sind in weiteren Durchgängen nicht haltbar. Ein
plausibles Erklärungsmuster für diese Option ist, dass sich die Lieferanten bei
zukünftigen Bietrunden gegen die Preissenkungen organisieren und Kollusionen
eingehen.429 Eine weitere Erklärung ist, dass die Bieter bei den ersten
Auktionsdurchgängen in einer Art „Winners-Curse“-Phänomen unter ihren
wirtschaftlichen Preisschwellen geboten haben und diese bei künftigen
Durchgängen einhalten. In diesem Fall liegen Lerneffekte bei mehrmaligen
Auktionsdurchführungen vor.
Im nächsten Schritt geht es um die Fragestellung, wie sich die Marktstrukturveränderung
des gesunkenen Preisniveaus auf die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
der Lieferanten auswirkt. Durch den direkten negativen Einfluss auf Margen und Gewinne
424 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76. 425 Vgl. Schoenherr, 2008, S. 264. 426 Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 383. 427 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 428 Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 383. 429 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 123; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 98.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
70
der Zulieferer ist davon auszugehen, dass Lieferanten die Preisreduktionen negativ
bewerten und dass die Fairnesswahrnehmung von eRAs umso negativer ist, je höher die
durch die Auktionen erzielten Preisreduktionen ausfallen. Daher lautet die erste Hypothese
zur Bildung der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments:
H1: Je höher die durch die Auktion erzielten Preisreduktionen sind, desto negativer ist die
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments.
4.2.2 Erhöhung der Wettbewerberanzahl
Bei Einführung elektronischer Beschaffungsauktionen erhöht sich meist die Anzahl der für
ein Beschaffungsobjekt bietenden Lieferanten.430 Dies lässt sich auf zwei Effekte
zurückführen: Zum einen wird durch eRAs die geografische Reichweite der
Lieferantensuche wesentlich erhöht.431 Da die Auktionen meist über normale
Internetverbindungen durchgeführt werden, können theoretisch qualifizierte Zulieferer aus
der ganzen Welt teilnehmen, ohne dass signifikante Zusatzkosten im Verhandlungsprozess
entstehen.432 In diesem Zusammenhang wird auch argumentiert, dass kulturelle Schranken
– vor allem bei Preisverhandlungen – durch eRAs in den Hintergrund treten.433 Durch eine
Entpersonalisierung der Verhandlung434 treten zudem weniger Missverständnisse auf.
Neben zusätzlichen Anbietern bisher bezogener Leistungen ist es theoretisch auch möglich,
Substitutionslösungen und Produkte von bisher zu weit entfernten Anbietern in die
Verhandlungen mit einzubeziehen. Der zweite Effekt stellt eine mögliche
Teilnehmerzunahme aufgrund des simultan ablaufenden Bietprozesses dar.435 Bei
mehrfachen Face-to-Face-Runden müssen immer wieder alle Anbieter kontaktiert werden,
was sowohl zeit- wie auch prozesskostenaufwendig ist. Bei Auktionen können mehrere
Bietrunden mit geringem Zeitaufwand simultan hintereinander geschaltet werden, ohne
dass sich die Prozesskosten dabei signifikant erhöhen.436 Bei mehreren, hintereinander
430 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 21; Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Sashi/O‘Leary, 2002, S. 108; Vgl.
Arnold/Schnabel, 2007, S. 89; Vgl. Brenner/Wenger, 2007, S. 8; Vgl. Emiliani, 2000, S. 182. 431 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373; Vgl. Ariely/Simonson, 2003. 432 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27. 433 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 213. 434 Vgl. Germer/Kaufmann, 2004, S. 64; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 97. 435 Dieser Effekt tritt jedoch nur im Vergleich zu einer Face-to-Face-Verhandlung, nicht beim Wechsel zur
Auktion von einer Ausschreibung auf. 436 Eine holländische Auktion würde sich sogar eher verkürzen, da durch die zusätzlichen Teilnehmer die
Wahrscheinlichkeit eines frühen Gebots steigt.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
71
geschalteten Verhandlungsrunden wirkt der Vorteil des simultanen Bietprozesses besonders
stark.437
Trotz der erhöhten Wettbewerberanzahl und der damit verbundenen Erhöhung des
Wettbewerbsdrucks in Beschaffungsauktionen bevorzugen einkaufende Unternehmen auch
bei eRAs Abschlüsse mit bisherigen Lieferanten.438 Loesch (2007) ermittelte, dass in 78 %
der Fälle über eRAs verhandelte Aufträge an bereits bekannte Zulieferer gehen. In 51 % der
Fälle wird gar der Lieferant ausgewählt, der den Auftrag bisher ausgeführt hat.439 Beall
et al. (2003) kamen zu einem ähnlichen Ergebnis. Ihrer Erhebung zufolge gehen 50 % der
Aufträge an vorherige Lieferanten.440 Bedenkt man, dass der bisherige Zulieferer nur einer
von vielen Bietern ist, ist dies ein beachtlicher Wert. Die Bevorzugung der bisherigen
Lieferanten kann zum einen durch eine Besserbehandlung in sich an die Auktion
anschließenden Face-to-Face-Verhandlungen oder durch die in Kapitel 3.2.2 vorgestellten
Bonus-/Malussysteme erfolgen.441
Für Lieferanten bedeutet die Erhöhung der Bieteranzahl eine direkte Verringerung der
statistischen Wahrscheinlichkeit, den Auftrag zu erhalten. Auf der anderen Seite müsste
sich die Anzahl der Verhandlungsrunden, zu denen man als Lieferant eingeladen wird,
erhöhen. Durch Ausdehnung der geografischen Reichweite werden die Anbieter nun
zusätzlich von weit entfernten Nachfragern berücksichtigt. Die Änderung des
Verhandlungsverfahrens wirkt sich ja nicht auf die gesamte Anzahl der Aufträge aus.
Diesem beschriebenen ausgleichenden Effekt steht jedoch die Tatsache gegenüber, dass vor
allem Zulieferer aus Schwellenländern von eRAs zu profitieren scheinen.442 Eine plausible
Erklärung ist, dass Abnehmer aus Industrieländern diese nun vermehrt in ihre
Beschaffungsverfahren integrieren. Die Lieferanten der Industrieländer gewinnen dadurch
jedoch kein Mehr an Auftragsoptionen, da sie von den Abnehmern dieser Länder meist
ohnehin berücksichtigt wurden. Es ist fraglich, ob das Hinzukommen der Zulieferer aus
Schwellenländern mit zunehmend über geografische Barrieren beschaffenden Abnehmern
aus weniger entwickelten Ländern kompensiert wird. Die vorliegende Studie bezieht sich
437 Vgl. Kaufmann, 2003b, S. 32. 438 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 122. 439 Vgl. Loesch, 2007, S. 7. 440 Vgl. Beall et al., 2003, S. 58. 441 Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007. Die Autoren nennen hier sogar beispielhaft eine Beschaffungssituation, bei
der das Gebot des bisherigen Lieferanten bis zu 20 % über dem niedrigsten Gebot liegen durfte. 442 Vgl. Caniëls/Raaij, 2008.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
72
auf Zulieferer aus dem industriell hoch entwickelten deutschsprachigen Raum. Es ist davon
auszugehen, dass Lieferanten eine Erhöhung der Wettbewerberanzahl und die damit
absinkende Wahrscheinlichkeit, Aufträge zu erhalten, negativ bewerten. Dies führt dann
ebenfalls zu einer negativen Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments. Die zweite
Hypothese lautet daher:
H2: Je höher die durch die Auktion verursachte Steigerung der Wettbewerberanzahl ist,
desto negativer ist die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments.
4.2.3 Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses
Grundlage einer detaillierten Analyse der Vertriebsprozessänderung durch elektronische
Beschaffungsauktionen ist eine genaue Abgrenzung zu den vorher angewandten
Verhandlungsverfahren. Die Literatur spricht in der Regel von traditionellen Face-to-Face-
Verhandlungen, die durch eRAs abgelöst werden. Es ist jedoch auch möglich, dass vor
Auktionseinführung einfache Ausschreibungsverfahren angewandt wurden. Zur Analyse
der Änderung des Vertriebsprozesses ist daher zunächst eine differenzierte Betrachtung
vorzunehmen.
Prozessveränderung bei vorheriger Face-to-Face-Verhandlung
Der Wechsel von Face-to-Face-Verhandlungen zu elektronischen Auktionen und sonstigen
E-Absatzformen bringt eine Reihe an Veränderungen für den Vertriebsprozess mit sich. Die
auffälligste ist, dass dieser meist signifikant verkürzt wird.443 Erhebungen beim auf der
anderen Marktseite spiegelbildlich stattfindenden Einkaufsprozess ermittelten
Zeiteinsparungen von bis zu 50 %.444 Diese liegen vor allem im Wegfallen zeitintensiver
Verhandlungsrunden der Preis- und Leistungskomponenten begründet.445 Es ist jedoch, auf
Vertriebs- wie auf Beschaffungsseite, zwischen der reinen Prozessdauer und dem zeitlichen
Mitarbeiterinput und damit der Prozesskosten zu differenzieren.446 Die Verkürzung der
Ersteren führt zu günstigeren cash-cyclen, weniger gebundenem Kapital und damit
verringerten Kapitalkosten (Kapitalkosteneffekt).447 Ein zweiter Kosteneffekt kann in der
443 Vgl. Carbone, 2005, S. 42 f.; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373; Vgl. Smeltzer/Carr, 2002, S. 48. 444 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 483; Vgl. Beall et al., 2003, S. 8. 445 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177, argumentiert, dass allein bei den Preisverhandlungen Monate eingespart
werden können. 446 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118. 447 Vgl. Beall et al., 2003, S. 29.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
73
Veränderung des benötigten zeitlichen Inputs der Mitarbeiterstunden liegen. Hierzu liegen
noch keine empirischen Befunde vor. Bisherige Befragungen deuten an, dass
Vertriebsmitarbeiter bei Umstellung auf eRAs nicht weniger Zeit benötigen als bei
traditionellen Verhandlungen, sondern diese mit anderen Tätigkeiten verbringen.448 Viele
der bei erstmaliger Auktionsdurchführung anfallenden Tätigkeiten reduzieren sich im
Zeitverlauf. Beispiele hierfür sind Testauktionen oder die Schulung von Mitarbeitern.
Daher ist auf Dauer, vor allem durch das Wegfallen der zeitaufwendigen
Preisverhandlungen449, von positiven Prozesskosteneffekten auszugehen. Eine weitere
Vertriebsprozessänderung liegt in den Bedarfsspezifikationen der zu liefernden Produkte
und Leistungen. Einkaufende Unternehmen gaben an, diese bei Auktionen deutlich früher
und genauer anzufertigen.450 Während einer eRA sind keine zeitaufwendigen Fragen und
Erläuterungen möglich, sodass das Beschaffungsobjekt vorab genau spezifiziert sein
muss.451 Dies führt aus Lieferantensicht zu besseren und damit kostengünstigeren
Kalkulationsgrundlagen.452 Missverständnisse und damit verbundene nachträgliche
Anpassungen treten zudem seltener auf.453 Trotzdem bemängeln noch viele Zulieferer
fehlende oder unzureichende Spezifikationen vor Auktionsbeginn als eines der
Hauptprobleme im Zusammenhang mit eRAs.454 Als dritten Effekt auf den
Vertriebsprozess reduzieren eRAs die administrativen Kosten.455 Beispielsweise müssen
die Vertriebsmitarbeiter seltener zu externen Verhandlungen reisen, oder firmenexterne
Einkäufer sind weniger häufig im eigenen Haus zu bewirten. Die genannten Effekte
zusammenfassend, ist auf Anbieterseite von einem Absinken der Vertriebskosten
auszugehen. Dass diese Kostenreduktionen die durch Preissenkungen geschmälerten Erlöse
kompensieren, ist jedoch unwahrscheinlich. Ein Indikator für das relativ geringe Gewicht
der Kostensenkungen findet sich auf Abnehmerseite, wo die Reduktionen der
administrativen Aufwendungen verglichen mit den erzielten Preissenkungen meist wenig
ins Gewicht fallen.456
448 Vgl. Beall et al., 2003, S. 11. 449 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177. 450 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45 und S. 52; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 451 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 203. 452 Vgl. Arnold/Schnabel, 2008, S. 67. 453 Vgl. Kaufmann, 2003b, S. 32; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 454 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45. 455 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 48. 456 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 120.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
74
Prozessveränderung bei vorheriger Ausschreibung
Die Teilnahme an einem industriellen Ausschreibungsprozess kann als Auktion mit einer
Gebotsabgabe verstanden werden.457 Entsprechend ähnlich sind die zugehörigen
Vertriebsprozesse. Abbildung 23 zeigt den Vertriebsprozess bei einer Ausschreibung.458
Die ersten drei Schritte, die Suche nach Ausschreibungen, die Vorkalkulation und darauf
aufbauend die Teilnahmeentscheidung (zusammengefasst als Anfrageselektion)459, können
identisch auf den Vertrieb von Auktionen übertragen werden. Auch hier müssen Mitarbeiter
den Markt nach Angeboten durchsuchen460 und eine Vorauswahl der potenziellen Aufträge
vornehmen.
Abbildung 23: Der Vertriebsprozess bei industriellen Ausschreibungen461
Ob sich die folgenden Schritte des Vertriebsprozesses ändern, ist abhängig vom gewählten
Auktionsdesign. Der Auktionstheorie folgend sind eine Ausschreibung und damit eine one-
bid-sealed auction strategisch äquivalent mit der holländischen Auktion.462 Bei beiden
Verfahren kann lediglich ein Gebot abgegeben werden, das entweder den Zuschlag erhält
oder nicht, jedoch in keinem Fall nachgebessert werden kann. Entweder stellt sich nach der
457 Vgl. Kaufmann, 2003b. 458 In Anlehnung an Backhaus/Voeth, 2004, S. 1076. 459 Vgl. Backhaus/Voeth, 2004, S. 1075. 460 Sofern sie nicht von dem beschaffenden Unternehmen zur Teilnahme an einer Ausschreibung oder
Beschaffungsauktion aufgefordert werden. 461 In Anlehnung an Backhaus/Voeth, 2004, S. 1076. 462 Vgl. Kräkel, 1992, S. 18 und S. 30.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
75
Ausschreibung heraus, dass das eigene Gebot das günstigste war und der Auftrag
gewonnen ist oder eben nicht. Entweder läuft die holländische Auktion bis zum eigenen
Gebotspreis, man nimmt den Preis an und gewinnt den Auftrag oder es wird zuvor ein
Konkurrenzgebot abgegeben. Das Gleiche gilt für eine englische Auktion mit einer Hard
Close Rule, einem fest definierten Endzeitpunkt. Hier besteht die optimale Strategie darin,
das Gebot erst kurz vor Auktionsende abzugeben und so Gegengebote zu verhindern. In
allen drei Fällen gilt es, ein Gebot zu finden, das den Erwartungswert aus dem zu
erzielenden Deckungsbeitrag und der Wahrscheinlichkeit, den Auftrag zu erhalten,
maximiert. Je höher das Gebot, desto höher ist der Deckungsbeitrag bei Annahme. Jedoch
sinkt bei höheren Geboten die Wahrscheinlichkeit, den Auftrag zu erhalten. Sowohl bei der
holländischen Auktion als auch bei der englischen Auktion in Anwendung einer Hard Close
Rule entsteht kein signifikanter Mehraufwand bei der Vorbereitung des Verfahrens und den
damit verknüpften Kosten. In allen drei Fällen sind Entscheidungssysteme anzuwenden, die
den eigenen Deckungsbeitrag der Wahrscheinlichkeit der Konkurrenzgebote
gegenüberstellt. Die Kernleistung besteht in einer Analyse der Wettbewerbsfähigkeit der
konkurrierenden Unternehmen und der eigenen Deckungsbeiträge. Anders ist dies bei einer
englischen Auktion mit einem offenen Ende. Hier lassen sich die Gebote beliebig oft
anpassen. Da jedes Gebot über den Grenzkosten ökonomisch effizient ist, ist vor der
Auktion lediglich diese Kostengrenze zu bestimmen. Die Wahrscheinlichkeitsanalyse der
Konkurrenzgebote und die sorgfältige Auswahl eines eigenen fixen Gebotspreises entfallen
daher. Ob sich aus dieser Tatsache eine signifikante effizienzsteigernde Wirkung ableiten
lässt, ist allerdings fraglich.
Ob durch die Umstellung auf Beschaffungsauktionen eine effizienzsteigernde Wirkung auf
den Vertriebsprozess ausgeht, ist nicht nur abhängig vom Effizienzgrad des
auktionsintegrierten Vertriebsprozesses, sondern auch von dem vor der Umstellung primär
angewandten Verhandlungsverfahren. Wurden zuvor in erster Linie Ausschreibungen und
nur wenige Face-to-Face-Verhandlungen angewandt, sollte sich die Umstellung auf eRAs
nicht allzu effizienzsteigernd auswirken. Überwogen jedoch zuvor Face-to-Face-
Verhandlungen, können eRAs die Vertriebseffizienz durchaus erhöhen. Eine erhöhte
Vertriebseffizienz durch elektronische Beschaffungsauktionen wirkt sich wiederum positiv
auf die Ertragslage der Zulieferer aus und kann dazu beitragen, die durch eRAs
geschmälerten Erlöse zu kompensieren. Je niedriger die Senkungen der
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
76
Vertriebsprozesskosten durch Beschaffungsauktionen sind, desto negativer ist daher die
Steigerung der Vertriebseffizienz. Die dritte Hypothese lautet deshalb:
H3: Je niedriger die durch die Auktion verursachten Senkungen der
Vertriebsprozesskosten sind, desto negativer ist die Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments.
4.2.4 Verlust der relativen Markttransparenz
Bei einer elektronischen Beschaffungsauktion wird automatisch eine Datenfülle generiert,
die je nach Auktionsdesign stark variiert. Aus ihr lassen sich detaillierte
Marktinformationen beispielsweise zu Preisuntergrenzen einzelner Anbieter oder
Preiselastizitäten ableiten. Da die Daten unterschiedlichen Marktteilnehmern in
abweichendem Maße zur Verfügung stehen und ihnen unterschiedlichen Nutzen generieren,
entsteht eine Verschiebung der relativen Markttransparenz. Um diese zu untersuchen,
werden zunächst die Informationszugewinne der einzelnen Marktakteure aus Sicht eines
exemplarischen Zulieferers (das beschaffende Unternehmen, das eigene Unternehmen, die
Konkurrenzunternehmen) isoliert dargestellt.
Das beschaffende Unternehmen
Allgemein hat sich für Einkäufer durch das E-Business und insbesondere durch das Internet
eine deutlich erhöhte Preistransparenz ergeben.463 Bei einer eRA liegen die generierten
Daten dem beschaffenden Unternehmen vollständig vor. Als Initiator oder zumindest
Auftraggeber der Auktion genießt es vollen Zugriff auf diese auswertbaren Informationen.
Bei einer englischen Auktion gewinnt es somit einen detaillierten Einblick in
Mindestpreise, Preiselastizitäten und damit in die Kostenstrukturen seiner Lieferanten.464
Anders ist dies bei der holländischen Auktion, die jedoch weit seltener angewandt wird. Bei
der klassischen Anwendung wird nur der Mindestpreis des günstigsten Lieferanten
offenbart. Der informative Mehrwert ist stark begrenzt. Gestaltet das beschaffende
Unternehmen die Auktion jedoch so, dass die Preisintervalle weitersteigen, bis alle (oder
fast alle) Lieferanten ein Gebot abgegeben haben und trotzdem das niedrigste Gebot den
463 Vgl. Lancioni, 2005, S. 113. 464 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27 ff.; Kaufmann/Carter, 2004, S. 22.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
77
Zuschlag erhält, werden die Mindestpreise aller Lieferanten gewonnen. Der Einkäufer, der
zuvor oft auf einen im Markt eines bestimmten Produkts weit vertrauteren
Vertriebsmitarbeiter traf465, gewinnt deutlich an Informationen und Markttransparenz.466
Aus Sicht des liefernden Unternehmens ist diese Steigerung des Marktwissens negativ zu
bewerten. Der Informationsgewinn der Marktgegenseite ist ja eine Verschlechterung der
relativen Markttransparenz für den Anbieter. Diese komparative Schlechterstellung dürfte
umso stärker wahrgenommen werden, je mehr die Mitarbeiter der Zulieferer von einer
einkäuferseitigen Transparenzsteigerung ausgehen.
H4-1: Je höher der von Zulieferern wahrgenommene Transparenzgewinn der Einkäufer
ist, desto stärker nehmen die Lieferanten den relativen Markttransparenzverlust wahr.
Das eigene Unternehmen
Auch für den exemplarisch betrachteten Zulieferer hängt der Informationsgewinn stark von
der Ausgestaltung der Auktion ab. Zusätzlich zur generellen Fragestellung, welche Daten
durch das Verfahren generiert werden, tritt jedoch die Frage auf, welche Informationen das
einkaufende Unternehmen weiterzugeben bereit ist. Diese Weitergabe kann auf zwei
Wegen stattfinden. Zum einen kann die Auktion transparent gestaltet sein (siehe Kapitel
2.1.2), sodass den Teilnehmern die Daten direkt bei ihrer Generierung verfügbar sind. Zum
anderen kann der Einkäufer in einer Post-Event-Analyse den Auktionsverlauf und die darin
enthaltenen Informationen darlegen.467 Die Lieferanten können aus den Daten eine
fundierte Analyse der eigenen Wettbewerbssituation generieren.468 Caniëls/Raaji (2009)
argumentieren sogar, dass die erhöhte Transparenz die erlittenen finanziellen Einbußen mit
kompensieren könnte.469 Wie wertvoll die durch die Auktion generierten Daten für
Zulieferer sind, zeigen auch Berichte von Lieferanten, die an Auktionen teilnehmen, ohne
ernsthaftes Interesse am zu vergebenden Auftrag zu haben. Einziges Ziel ist über das
Sichten der Konkurrenzgebote auswertbare Daten zur Wettbewerbsintensität zu sammeln
(bird watching).470 Einige Einkäufer versuchen, diesem Verhalten mit Auktionsregeln
465 Vgl. Beall et al., 2003, S. 48. 466 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 71; Vgl. Engelbrecht-Wiggans/Katok, 2006, S. 582. 467 Vgl. Beall et al., 2003, S. 29. 468 Vgl. Jap, 2000, S. 30; Vgl. Emiliani, 2000, S. 182; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 483, merken an dieser
Stelle jedoch an, dass der Mehrwert dieser Informationen bei mehrmaliger Auktionsdurchführung stark abnimmt, da bereits nach dem ersten Verfahren ein hoher Transparenzgewinn vorlag.
469 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009. 470 Vgl. Millet et al., 2004, S. 176; Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Sashi/O´Leary, 2002, S. 109; Vgl. Beall
et al., 2003, S. 29.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
78
entgegenzuwirken, nach denen man in bestimmten Zeitintervallen eine Mindestgebotszahl
abgeben muss, um weiterhin an dem Verfahren teilzunehmen.471 Diese Maßnahmen lassen
auf eine nicht unerhebliche Verbreitung des „bird watching“ schließen. Das einkaufende
Unternehmen könnte Bieter, die sich in vorherigen Auktionen strikt passiv verhalten haben,
auch grundsätzlich von weiteren Auktionsverfahren ausschließen. Eine weitere Option ist
eine Gebühr für die Auktionsteilnahme. Sie müsste mindestens so hoch liegen wie der
subjektiv empfundene monetäre Wert der gesammelten Informationen. Diese Maßnahmen
zeigen, dass die durch eRAs zu gewinnenden Daten für einen Zulieferer durchaus von Wert
sind und seine absolute Markttransparenz steigern.472 Diese aus Lieferantensicht positive
Steigerung wirkt dem zuvor beschriebenen relativen Markttransparenzverlust durch einen
absoluten Informationsgewinn der einkaufenden Seite entgegen und schwächt diesen ab.
Der relative Markttransparenzverlust dürfte umso höher angesehen werden, je geringer die
Lieferanten ihre eigenen absoluten Informationsgewinne und damit die Abschwächung des
einkäuferseitigen Informationsvorteils wahrnehmen. Die zweite Hypothese zur Erfassung
der relativen Verschiebung der Markttransparenz lautet daher:
H4-2: Je niedriger der von den Zulieferern wahrgenommene eigene Transparenzgewinn
ist, desto stärker nehmen die Lieferanten den relativen Markttransparenzverlust wahr.
Die Konkurrenzunternehmen
Die Literatur beschreibt Auktionen, bei denen die Gewichtung der Gebote einzelner
Lieferanten durch Bonus-/Malussysteme besser oder schlechter gestellt werden. Beispiele,
in denen eine asymmetrische Informationsversorgung unter den Bietern vorlag, existieren
jedoch nicht. Alle an einer Auktion teilnehmenden Lieferanten erhalten dieselben
Informationen und damit den gleichen absoluten Markttransparenzgewinn. Dabei ist jedoch
unbekannt, welchen zusätzlichen Nutzen die einzelnen Anbieter aus den Informationen
ziehen können und welchen Wert dieses Wissen für sie hat. Lieferanten, die durch eine gute
Marktforschung oder ein hohes Mitarbeiterwissen bereits gut informiert sind, dürften
weniger profitieren als in diesen Bereichen schwächer aufgestellte Unternehmen. In jedem
Fall verlieren die zusätzlichen Informationen durch die Teilhabe der Konkurrenz an
Exklusivität und Knappheit. Aus Sicht eines exemplarischen Zulieferer sind alle der
471 Vgl. Beall et al., 2003, S. 48. 472 Vgl. Smart/Harrison, 2002, S. 280; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22; Vgl. Germer/Kaufmann, 2004, S.
62.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
79
Konkurrenz zur Verfügung gestellten Informationen also negativ zu bewerten. Dies führt
dazu, dass der relative Markttransparenzverlust umso höher eingeschätzt wird, je höher die
absoluten Informationsgewinne der konkurrierenden Unternehmen wahrgenommen werden.
Hypothese 4-3 lautet deshalb:
H4-3: Je höher der von den Zulieferern wahrgenommene Transparenzgewinn ihrer
Konkurrenzunternehmen ist, desto stärker nehmen Lieferanten den relativen
Markttransparenzverlust wahr.
Ein zusätzlicher Informationseffekt für die beteiligten Unternehmen auf Anbieter- wie auf
Abnehmerseite besteht darin, dass die Wettbewerbssituation durch Auktionen glaubhafter
dargestellt wird.473 Bei einer traditionellen Verhandlung mussten die Lieferanten dem
Einkäufer glauben, wenn dieser behauptete, es lägen günstigere Gebote vor. In einer eRA
werden ihnen diese Gebote zeitgleich mit ihrer Abgabe vor Augen geführt.474 Gegenseitiges
Misstrauen wird abgebaut, was für beide Seiten positiv ist.
Zusammengefasst ergeben sich die folgenden Effekte durch eRAs auf die absolute
Markttransparenz der einzelnen Marktteilnehmer:
- ein deutlicher Transparenzgewinn für das beschaffende Unternehmen;
- ein kleinerer für den exemplarischen Lieferanten;
- eine simultane Informationsversorgung der mit dem Lieferanten
konkurrierenden Unternehmen.
Aus diesen Einzeleffekten lassen sich ein relativer Transparenzgewinn für das beschaffende
Unternehmen und ein relativer Transparenzverlust für die liefernden Unternehmen
ableiten.475 Diese Besserstellung führt zu einer Marktmachtverschiebung von der
anbietenden zur abnehmenden Seite.476 Es ist davon auszugehen, dass der relative
Transparenzverlust von den Lieferanten negativ wahrgenommen wird und sich nachteilig
auf die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments auswirkt. Daher lautet die
vierte Hypothese.
473 Vgl. Jap, 2002. Dies nur unter der Voraussetzung, dass die Bieter der Auktion vertrauen und nicht mit der
Abgabe von Phantomgeboten der beschaffenden Institution oder dem Teilnehmen unqualifizierter Lieferanten zur Drückung der Preise rechnen.
474 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 22. 475 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27 f.; Vgl. Jap, 2002, S. 514. 476 Vgl. Giampietro/Emiliani, 2007, S. 81.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
80
H4: Je höher der von den Lieferanten empfundene relative Markttransparenzverlust ist,
desto negativer ist die Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA.
Betrachtet man die gesamten Marktstrukturveränderungen für Lieferanten durch eRAs, so
ergibt sich eine Schlechterstellung für die Abnehmerseite. Von fünf zentralen Änderungen
sind drei (die Senkung des Preisniveaus, die Erhöhung der Wettbewerberanzahl und der
Verlust der relativen Markttransparenz) klar negativ und eines (die Veränderung der
Vertriebsprozesse) positiv zu bewerten. In Letzterer liegen Chancen für eine effizientere
Vertriebsstruktur, die genannten negativen Effekte aufwiegen kann sie jedoch nicht. Fasst
man die Effekte zusammen, ergibt sich eine erste schlüssige Erklärung für die bisher
mehrfach gemessene negative Lieferantenwahrnehmung von eRAs (siehe dazu auch die
Argumentation im folgenden Kapitel 4.3.1).477
Betrachtet man die langfristigen Entwicklungen, die sich aus den aufgezeigten
Veränderungen ergeben, ist ein mögliches Szenario, dass sich die Strukturveränderungen
derart negativ auf das Marktergebnis niederschlagen, dass sich die Anbieterkonzentration
(und damit ein weiterer Marktstrukturparameter) durch Übernahmen schwächerer durch
stärkere Firmen erhöhen wird (zur theoretischen Argumentation siehe auch Kapitel
2.2.1).478 In diesem Fall wird der Machtübergang revidiert, da die verbleibenden
konzentrierteren Lieferanten über mehr relative Marktmacht verfügen. Einige Autoren
schließen als Konsequenz eine erzwungene Rückkehr zu Face-to-Face-Verhandlungen
nicht aus.479
4.3 Auktionswahrnehmung der Zulieferer
4.3.1 Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
Nöcke (2010) definiert Fairness innerhalb von Kooperationen in Anlehnung an Philipps
(2003)480 als „die Einstellung sich während Kooperationen, an denen Personen freiwillig
partizipieren, dadurch Opfer, bzw. Einschränkungen ihrer Freiheit akzeptieren und in denen
der Freiraum für opportunistisches Verhalten besteht, an die zugrunde gelegten sozialen
477 Vgl. Emiliani/Stec,2004, S. 68; Vgl. Jap, 2003; Vgl. Jap, 2007; Vgl. Tassabehij et al., 2006; Vgl. Jap,
2000; Vgl. Caniëls/Raaji, 2009. 478 Vgl. Schmidt, 2005, S. 56; Vgl. Tolksdorf, 1994, S. 58. 479 Vgl. Kwak, 2002, S. 18. 480 Vgl. Philipps, 2003.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
81
Normen zu halten und die Opportunismusmöglichkeit nicht zu ergreifen“481. Die jüngere
Literatur geht von einem vierdimensionalen Fairnesskonstrukt aus. Dies besteht aus:
- einer distributiven,
- einer prozessuralen,
- einer informationellen und
- einer interpersonellen Fairness.482
Die distributive Fairness geht auf Homans (1958)483 zurück und beschreibt die
wahrgenommene Verteilungsgerechtigkeit in einer Kooperation. Aufgegriffen wird diese
Verteilungsgerechtigkeit in der Equity Theory oder der Anreiz-Beitrags-Theorie, die eine
Verteilungsgerechtigkeit nach dem Beitragsprinzip bewerten.484 In beiden Theorien stellen
die Teilnehmer einer Kooperation ihre eingebrachten Beiträge (in der Equity Theory: Input)
mit den erhaltenen Anreizen (Output) gegenüber und bewerten das Austauschverhältnis.
Die distributive Fairness wurde als erste Fairnessdimension eigenständig entwickelt.
Ergänzt wurde sie durch Thibaut/Walker (1975) mit der prozessuralen Fairness.485 Sie
beschreibt die Einschätzung, dass „ein legitimes, neutrales, repräsentatives und
kontrolliertes Verfahren über das Ergebnis entscheidet“486. Faire Prozesse zeichnen sich
laut Leventhal dadurch aus, dass sie fehlerfrei, konsistent, korrigierbar und beteiligend
sind.487 Die Bedeutung der Beteiligung des Teilnehmers lässt sich aus der „Referent
Cognition Theory“ ableiten.488 Ein Gefühl der ungerechten Behandlung tritt hiernach
besonders dann ein, wenn der Teilnehmer ein vorteilhafteres Ergebnis durch einen
partizipativeren Prozessablauf als wahrscheinlich erachtet.489 Auch die prozessuale Fairness
entstand als eigenständiges Konstrukt. Anders verhält es sich mit der interpersonellen und
der informationellen Fairness. Sie entstanden als konzeptionelle Trennung der zuvor von
Bies/Moag (1986) als dritte Fairnessdimension eingeführten Interaktionsfairness.490 Die
Interaktionsfairness umfasst die Erwartungen, die Menschen an den Verlauf
zwischenmenschlicher Dialoge stellen.491 Ihr Bestandteil „interpersonelle Fairness“ bezieht
481 Nöcke, 2010, S. 4. 482 Vgl. Aholt, 2008, S. 322. 483 Vgl. Homans, 1958. 484 Zur Equity Theory siehe Adams, 1965 zur Anreiz-Beitrags-Theorie siehe March/Simon, 1958. 485 Thibaut/Walker, 1975. 486 Vgl. Wiswede, 2004, S. 194. 487 Vgl. Leventhal, 1980. 488 Vgl. Folger, 1986. 489 Vgl. Colquitt et al., 2005, S. 36. 490 Vgl. Greenberg, 1993; vgl Greenberg, 1994; Vgl. Maier et al., 2007, S. 33; Vgl. Nöcke, 2010, S. 5. 491 Vgl. Bies/Moag, 1986; Vgl. Folger/Bies, 1989.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
82
sich dabei auf den zwischenmenschlichen Austausch, der jeder Interaktion zugrunde liegt.
Einfühlungsvermögen und interpersonelle Intelligenz üben hier einen sehr großen Einfluss
aus.492 Theoretisch fundieren lässt sich die interpersonelle Fairness mit der „Theory of
Moral Sentiments“ von Smith/Haakonssen (2002).493 Die informationelle Fairness umfasst
die „Offenheit und Ehrlichkeit der Kommunikation“494. Ihre theoretische Fundierung findet
sich in der Kommunikationstheorie495. Alle vier Dimensionen basieren auf
unterschiedlichen theoretischen Grundlagen. Colquitt et al. (2001) zeigten in einer
Metaanalyse zur Fairnessforschung zudem, dass die vier Dimensionen separat gemessen
werden können, zu abweichenden Effekten führen und unterschiedliche Determinanten
beeinflussen.496 Sie müssen somit auch separat in die Messung des Konstrukts einfließen.
Alle Fairnessdimensionen werden durch die Einführung elektronischer
Beschaffungsauktionen beeinflusst. Die distributive Fairness wird allein durch die
Preisreduktionen497 entschieden tangiert. Sie ist eine direkte Verschiebung des Anreiz-
Beitrags oder Input-Output-Verhältnisses, auf dem die Beurteilung der Fairnessart basiert.
Auch die in einen Vertriebsprozess eingebrachten Aufwendungen (Vertriebskosten) oder
die durch ihn erhaltenen Informationen sind durch eRAs verschobene Bestandteile dieses
Saldos. Durch die Auktion findet zudem eine umfassende Neugestaltung des Beschaffungs-
bzw. Vertriebsprozesses statt.498 Durch diese Änderung ist die Dimension der prozessualen
Fairness ebenfalls direkt tangiert. Auch die informationelle Fairness als „Offenheit und
Ehrlichkeit der Kommunikation“ ist durch eRAs direkt betroffen. Bei einer
Beschaffungsauktion liegt im transparentesten Fall eine vollkommene
Informationsweitergabe über das Preisfindungsverfahren vor. Durch ein transparentes
Auktionsdesign kann das beschaffende Unternehmen die Offenheit des Verfahrens direkt
beeinflussen. Ebenfalls von Relevanz sind hier die sich an die Auktion anschließenden
Feedbackgespräche. Letztlich wird die interpersonelle Fairness durch eRAs berührt. Dies
äußert sich an den heftigen Widerständen durch die Einkäufer, die durch die Auktion ihre
zentrale Stärke, eine gute Lieferantenkommunikation, infrage gestellt und als überflüssig
492 Vgl. Colquitt et al., 2001, S. 427; Vgl. Nöcke, 2010, S. 5. 493 Vgl. Smith/Haakonssen, 2002. 494 Nöcke, 2010, S. 5. 495 Vgl. Dimbleby/Barton, 1992. 496 Vgl. Colquitt et al., 2001, S. 437 ff. 497 Vgl. Tully, 2000; Vgl. Cohn, 2000, S. 36 f.; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl. Mabert/Skeels, 2002,
S. 70; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117. 498 Vgl. dazu exemplarisch die Arbeit von Arnold et al., 2005.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
83
betrachtet sehen.499 In einer auktionsgestützten Verhandlung werden nur noch sehr
einseitige Informationen vorgegeben und lediglich Preisvorschläge erwartet.500 Die
interpersonelle Fairness, der Verlauf zwischenmenschlicher Dialoge, wird damit ebenfalls
beeinträchtigt. Die Betrachtung des eRA-Einflusses auf die einzelnen Fairnessdimensionen
legt eine eher negative Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments nahe. Dieses
Resultat deckt sich mit der Summierung einzelner Marktstrukturverschiebungen durch
eRAs. Von vier Auswirkungen waren drei aus Lieferantensicht negativ zu bewerten (die
Senkung des Preisniveaus, die Erhöhung der Wettbewerberanzahl und der Verlust an
relativer Markttransparenz). Lediglich die Erhöhung der Prozesseffizienz bringt Vorteile
für die Anbieter. Die bisherigen empirischen Befunde stützen diese theoretischen
Überlegungen. In einer Vielzahl an Befragungen empfand die Mehrzahl der Zulieferer
eRAs als opportunistische und unfaire Maßnahme der Einkäufer.501 Einige Autoren
konnten zudem Differenzierungen in der Wahrnehmung einzelner Anbietergruppen
ermitteln. So fühlen sich vor allem bisherige Lieferanten unfair behandelt.502 Eine
Erkenntnis, die nicht weiter verwundert. Während neue Zulieferer an einer free lottery503
für neue Absatzoptionen teilnehmen, ergibt sich für bisherige Lieferanten das Risiko,
entweder Preisreduktionen in bisherigen Aufträgen zu erleiden oder diese vollständig zu
verlieren.504 Eine umfassende Studie zu unterschiedlichen eRA-Wahrnehmungen innerhalb
von Zuliefererkategorisierungen führten Caniëls/Raaji (2009) durch.505 Auch sie ermittelten
eine durchschnittliche negative Meinung zu dem Beschaffungsinstrument506 und
identifizierten drei (vermutlich hoch korrelierte) Anbietergruppen, die eine positivere
Wahrnehmung von Beschaffungsauktionen haben als andere:
- Anbieter aus Entwicklungsländern;
- Anbieter, die primär über Preise und nicht über Serviceangebote konkurrieren;
- Anbieter, die bei eRAs bisher überdurchschnittlich erfolgreich waren.507
499 Vgl. Carter et al., 2004, S. 237. 500 Vgl. Skjott et al., 2003, S. 207. 501 Vgl. Emiliani/Stec,2004, S. 68; Vgl. Jap, 2003; Vgl. Jap, 2007; Vgl. Tassabehij et al., 2006. 502 Vgl. Jap, 2000. 503 Einem Spiel, bei dem entweder eine Besserstellung oder ein Verbleiben im Status quo erfolgt. 504 Vgl. Tassabehij et al., 2006. 505 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009. 506 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 20. 507 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 20 f.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
84
4.3.2 Fairnesswahrnehmung als determinierende Variable der
Beziehungsqualität
Zum Konstrukt der Beziehungsqualität existiert, ähnlich wie zur Fairness, keine einheitlich
anerkannte Definition in der Literatur.508 Viele Veröffentlichungen verstehen
Beziehungsqualität ausschließlich als Higher-Order-Konstrukt, das wiederum aus
verschiedenen anderen Konstrukten, beispielsweise Vertrauen oder Commitment, und ihren
Beziehungen zueinander besteht. Andere versuchen, den Begriff direkt zu fassen und zu
beschreiben.509 Für Johnson (1999) gehören zur Beziehungsqualität die übergreifende Tiefe
und das Klima einer Beziehung.510 Wong/Sohal (2002) sehen in ihr ein Bündel nicht
greifbarer Werte, welches die Produkte und Dienstleistungen eines Anbieters anreichert.511
Bruhn (2001) hingegen definiert Beziehungsqualität als die Fähigkeit, die Komplexität
zwischen den Beziehungspartnern zu reduzieren sowie die Interaktionseffizienz zu
erhöhen.512 Diese Charakterisierung basiert auf der Transaktionskostentheorie. Sie verweist
auf deutliche Effizienzvorteile längerfristiger, vertrauensvoller Bindungen bei spezifischen
Investitionen und hohen Qualitätsunsicherheiten.513 Keller/Stopler (2006) verändern den
von Bruhn aufgezeigten Blickwinkel. Sie sehen in Beziehungsqualität die Güte einer
Beziehung, die auf der „kundenseitigen Wahrnehmung einzelner Komponenten und
Einflussgrößen basiert“514. Die vorliegende Abhandlung bezieht sich auf die beiden
letztgenannten Charakterisierungen des Konstrukts Beziehungsqualität. Sie folgt zum einen
Bruhn der von einer effizienzsteigernden Komponente der Beziehungsqualität ausgeht.
Gleichzeitig folgt sie Keller/Stopler, überträgt deren Definition jedoch auf die beschaffende
Seite eines Unternehmens. Damit ist sie die lieferantenseitige Wahrnehmung einzelner
Komponenten und Einflussgrößen einer Geschäftsbeziehung. Zu diesen gehören in einer
Zulieferer-Abnehmer-Beziehung die Instrumente zur Verhandlung der Preis- und
Leistungsparameter und damit die Anwendung einer eRA. Beachtung findet auch die
Tatsache, dass Keller Stopler Beziehungsqualität von vornherein als wahrgenommene
Variable verstehen. Während wir das Fairnesskonstrukt daher als „wahrgenommene
Fairness des Beschaffungsinstruments“ benennen, wird das Konstrukt der
508 Vgl. Keller/Stopler, 2006, S. 5; Vgl. Henning-Thurau, 2000; Vgl. Hadwich, 2003, S. 19, stellt einen
Überblick über verschiedene Definitionen von Beziehungsqualität dar. 509 Vgl. Wenske, 2008, S. 69. 510 Vgl. Johnson, 1999, S. 6. 511 Vgl. Wong/Sohal, 2002, S. 36. 512 Vgl. Bruhn, 2001, S. 66. 513 Vgl. Williamson, 1979. 514 Keller/Stopler, 2006, S. 6.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
85
Beziehungsqualität lediglich als „Einfluss von eRAs auf die Beziehungsqualität“
bezeichnet.
Die Fairness innerhalb einer Geschäftsbeziehung übt einen positiven Effekt auf die
wahrgenommene Qualität derselben aus. Der Effekt lässt sich zum einen direkt zwischen
den beiden Konstrukten und indirekt über das moderierende Konstrukt Vertrauen
begründen. Kumar et al. (1995) zeigten positive Auswirkungen sowohl der distributiven als
auch der prozessualen Fairness auf die Qualität der Geschäftsbeziehung.515 Die Relevanz
der distributiven Fairness nimmt nach ihren Ergebnissen bei steigendem Gewinn zu,
wohingegen die Bedeutung der prozessualen Fairness mit steigender Unsicherheit an
Bedeutung gewinnt.516 Wahrgenommene Fairness erhöht das Vertrauen gegenüber einem
Geschäftspartner. Ein hohes Vertrauen wirkt sich wiederum steigernd auf die Qualität der
Beziehung aus.
Die Ausprägung des Einflusses von eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung ist dabei
auch ein Gradmesser dafür, welche Rolle das Beschaffungsinstrument eRA und seine
wahrgenommene Fairness für Lieferanten spielt. Ergibt sich zwischen den beiden
Konstrukten nur ein geringer Zusammenhang, wenn beispielsweise eine eRA-
Wahrnehmung als sehr unfaires Beschaffungsinstrument keine negativen Auswirkungen
auf die Qualität der Geschäftsbeziehung hat, so scheinen eRAs aus Lieferantensicht von
nachgelagerter Bedeutung zu sein. Sind die Konstrukte jedoch hoch korreliert, beeinflusst
die Auktionswahrnehmung die Qualität der Geschäftsbeziehung signifikant, sind eRAs für
Zulieferer nicht nur bedeutend, sondern wirken sich der Theory of reasoned action folgend
auch deutlich auf das Verhalten der Lieferanten aus.517
Der Intuition zufolge wirkt sich die empirisch ermittelte negative Auktionswahrnehmung
schwächend auf die von Lieferanten empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung aus.
Dem widersprechen die Ergebnisse einer qualitativen Studie unter 89 Einkäufern und 54
Lieferanten von Loesch/Lambert (2007). Sie stellen nur eine getrübte Wahrnehmung auf
Einkäuferseite fest.518 Ihr Fazit für die Lieferantenseite lautet wie folgt: „The suppliers’
515 Vgl. Kumar et al., 1995, S. 59 ff.; Die Autoren untersuchten für ihre Studie das Verhältnis von
Automobilherstellern zu 417 Autohändlern in den USA und 289 in den Niederlanden. 516 Vgl. Kumar et al., 1995, S. 59 ff. 517 Vgl. Ajzen/Fishbein, 1980, S. 5 ff. 518 Vgl. Loesch/Lambert, 2007, S. 60.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
86
perception of their relationship with the buyer, on the other hand, remains largely
unaffected in e-RAs.”519 Die Mehrheit der Autoren bestätigt jedoch den induktiven Befund
und widerspricht den Ergebnissen von Loesch/Lambert. Carter et al. (2004) ermittelten eine
erhöhte Besorgnis unter Lieferanten über unethisches, opportunistisches Verhalten auf
Einkäuferseite und einen damit verknüpften Schaden für die Geschäftsbeziehung.520
Emiliani/Stec (2004) und (2005) führten Expertengespräche mit Lieferanten der Luftfahrt-
(2004) und der Holzindustrie (2005) durch. In beiden Studien gaben die Zulieferer an, dass
die Beziehungen nach Auktionsdurchführung weniger kooperativ waren.521 Auch Pearcy
et al. (2002) und Jap (2003) fanden heraus, dass Zulieferer, die mit Auktionen konfrontiert
wurden, ihre Kooperationsbereitschaft reduzierten.522 Einige Autoren warnen beschaffende
Firmen sogar, eRAs durchzuführen. Sie argumentieren, dass sie den Unternehmen durch
Reduktion des Lieferantenvertrauens dauerhaft schaden.523
H5: Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA ist, desto
negativer ist der empfundene Einfluss von eRAs auf die Qualität der
Geschäftsbeziehung.
Abbildung 24 stellt das Strukturmodell als Übersicht zusammen.
519 Loesch/Lambert, 2007, S. 60. 520 Vgl. Carter et al., 2004, S. 243 verweist dabei auch auf Carter, 2000. 521 Vgl. Emiliani/Stec, 2004; Vgl.Emiliani/Stec, 2005. 522 Vgl. Pearcy et al., 2002; Vgl. Jap, 2003. 523 Vgl. Jap, 2000; Vgl. Emiliani, 2004; Vgl. Emiliani/Stec, 2004.
Marktstrukturveränderungen und lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs
87
Abbildung 24: Determinanten lieferantenseitiger eRA-Wahrnehmung
88
5 Systematisierung der Zuliefererreaktionen auf eRAs
5.1 Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen
5.1.1 Darstellung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen
Die erste Systematisierung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen erfolgt in
individuelle Maßnahmen und solche, die nur im Kollektiv durchgeführt werden können.
Albert O. Hirschman beschreibt in seinem Voice-, Exit- and Loyality-Paradigma drei
Reaktionsmöglichkeiten auf eine negative Entwicklung innerhalb einer Organisation oder
eines Systems: Widerspruch (Voice); Abwanderung (Exit) und Loyalität (Loyality).524 In
der Vergangenheit wurde das Paradigma vielfach auf das Management von Lieferanten-
und Kundenbeziehungen angewandt.525 Den drei Optionen folgend, sollen individuelle,
verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen von Lieferanten zu eRAs systematisiert werden.
Individuelle Gegenmaßnahmen (Voice):
Beschwerde/Störung der Auktion: Ziel dieser Anwendung der Widerspruchsoption ist es,
durch Artikulation des ungewünschten Zustands eine Verbesserung zu erreichen.526 Im hier
betrachteten Fall wäre das Ziel also eine Auftragsvergabe ohne Auktionsanwendung. Dabei
sind drei Verhaltensweisen differenzierbar:
- Zunächst können Mitarbeiter des absetzenden Unternehmens versuchen, mit den
Einkäufern ins Gespräch zu kommen und ihnen die sich für sie ergebenden
negativen Entwicklungen durch das Beschaffungsinstrument aufzeigen.
Schwerpunkt dieser Argumentation sind die aus den Entwicklungen resultierenden
negativen Konsequenzen für die eingekauften Waren und Dienstleistungen. So
besteht die Gefahr, dass sich die niedrigen Einstandspreise in reduzierten
Qualitätsstandards oder einem Absinken sonstiger Liefer- und Leistungsparameter
sichtbar machen. Dies führt zu schlechteren Produktionsbedingungen des
Einkäufers, die im schlimmsten Fall zu erhöhten Reklamationskosten und
Imageverlusten führen.527 In der Tat konnten Jap/Haruvy (2008) ermitteln, dass die
Lieferanten, die in Auktionen besonders aggressiv bieten und diese somit
524 Vgl. Hirschman, 1970, S. 4. 525 Vgl. Helper, 1990; Vgl. Michalski, 2004, S. 977 ff.; Vgl. Kirst, 2008, S. 57. 526 Vgl. Hirschman, 1992, S. 332 f. 527 Vgl. Beall et al., 2003, S. 29; Vgl. Jap, 2007, S. 157.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
89
wahrscheinlich gewinnen, am wenigsten die Absicht haben, in eine dauerhafte
Geschäftsbeziehung zu investieren.528
- Bei der zweiten, offensiveren Möglichkeit droht der Anbieter zudem mit der
Nichtteilnahme an der Auktion, bei weiteren Bietverfahren oder sogar mit der
Beendigung der kompletten Geschäftsbeziehung. Hier wird die Widerspruchsoption
mit der Androhung der Abwanderungsoption kombiniert. Diese Verknüpfung macht
sie nach Hirschman besonders erfolgversprechend.529 Die Erfolgswahrscheinlichkeit
der Androhung steigt zudem mit der Relevanz des Bieters für den Nachfrager.
Die dritte Differenzierung zeichnet sich dadurch aus, dass neben der Beschwerde
versucht wird, die Auktion gezielt zu stören. Ein Beispiel für eine solche Störung ist
die Gebotsabgabe außerhalb des Auktionsprozesses.530 Ziel dieser Aktionen ist es,
die Auktion obsolet erscheinen zu lassen und somit die traditionelle
Auftragsvergabe zu erzwingen.531
Die genannten Beschwerde-/Störungsmöglichkeiten können sowohl isoliert als auch
kombiniert angewandt werden. Die Ermittlung der Erfolgswahrscheinlichkeit von
Beschwerden kann mit der Systematisierung von Maurer (2006)532 vorgenommen werden,
die ebenfalls auf den Konstrukten von Hirschman aufbaut. Sie bewertet die
Erfolgsaussichten von Beschwerden anhand eines Abgleichs der Kosten, die der
Organisation und dem Teilnehmer bei einer möglichen Abwanderung entstehen. Nur im
Falle einer im Verhältnis zu vorhandenen Ressourcen höheren Kostenentstehung aufseiten
der Organisation ist die Beschwerde aussichtsreich. Da dieser Fall bei elektronischen
Beschaffungsauktionen im Falle einer einzelnen Anbieterbeschwerde jedoch äußerst selten
ist, wird die Beschwerde in den wenigsten Fällen erfolgversprechend sein.
Individuelle Gegenmaßnahmen (Exit):
Die Abwanderungsoption ist nach Hirschman die äußerste Reaktionsvariante.533 Bei der
Abwanderung eines Zulieferers aufgrund von Beschaffungsauktionen können drei
Abstufungen unterschieden werden: die Auktionsteilnahme ohne Gebotsabgabe, die
Nichtteilnahme an Auktionen eines Einkäufers und die vollständige Weigerung, mit dem
Einkäufer weiterhin Geschäfte zu tätigen.
528 Vgl. Jap/Haruvy, 2008. 529 Vgl. Hirschman, 1974, S. 70. 530 Vgl. Snell, 2008, S. 7. 531 Ebenda. 532 Vgl. Maurer, 2006, S. 87. 533 Vgl. Hirschman, 1974, S. 37.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
90
Auktionsteilnahme ohne Gebotsabgabe: Die Literatur nennt Fälle, in denen Lieferanten
ohne Intention einer Gebotsabgabe an Auktionen teilnehmen.534 Die Motivation dazu
könnte – wie in Kapitel 4.2.4 erläutert – die Erlangung von Marktwissen535 oder die
Täuschung des einkaufenden Unternehmens sein. Dieses ist auf eine möglichst hohe Zahl
qualifizierter Bieter angewiesen. Melden sich Lieferanten zu einer Auktion an, ohne bei
dieser mitzubieten, geht der Einkäufer von einer nicht vorhandenen Wettbewerbsintensität
aus, und die Planung einer erfolgreichen Auktion wird ungleich schwieriger.
Nichtteilnahme an der Beschaffungsauktion: Auch die Gefahr der Nichtteilnahme an der
Beschaffungsauktion wird in der Literatur immer wieder diskutiert.536 In einer großzahligen
Analyse von 14.000 eRAs eines beschaffenden Unternehmens ermittelten Millet et al.
(2004) eine Teilnahmequote von 75,5 %, wobei der Wert bei der niedrigsten Auktion bei
11 % lag.537 Bei diesen Zahlen sind jedoch auch Zulieferer, die die oben beschriebene
Strategie der Nichtgebotsabgabe anwenden (nur passiv an der Auktion teilnehmen) zu
berücksichtigen. Findet eine mehrmalige Auktionsdurchführung statt, so kann mit einer
hohen Wiederteilnahmequote gerechnet werden. Hier ergab sich ein durchschnittlicher
Wert von 94 %, wobei der niedrigste Wert bei 64 % lag.538 Bei diesen Zahlen wird jedoch
nicht ersichtlich, ob die Anbieter dem Verfahren aufgrund einer negativen Einstellung
gegenüber dem Beschaffungsinstrument oder aus bloßem Mangel an Interesse an dem zu
vergebenden Auftrag (beispielsweise aufgrund einer subjektiv empfundenen fehlenden
Wettbewerbsfähigkeit bei den zu vergebenden Wertschöpfungsprozessen) fernbleiben.
Zudem ist von Interesse, ob es eine Lieferantengruppe mit bestimmten Charakteristika ist,
die die Auktionsteilnahme verweigert. Hier ist ein Blick auf die beschriebene
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments aufschlussreich, und es werden
Parallelen zur Fairnesswahrnehmung der Lieferanten offenkundig. So nehmen bisherige
Lieferanten äußerst ungern an dem Verfahren teil, während neue Zulieferer die zusätzlichen
Geschäftsmöglichkeiten nutzen wollen und die Auktionen gerne besuchen.539 Dies ist auch
für einkaufende Unternehmen ein negativer Befund, da sie bei Auktionen die
Auftragsvergabe an bekannte Lieferanten präferieren.540 Die verbreitete Angst vor einer
534 Vgl. Millet et al., 2004, S. 176; Vgl. Emiliani, 2005, S. 528. 535 Vgl. Sashi/O´Leary, 2002, S. 109; Vgl. Beall et al., 2003, S. 29. 536 Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283. 537 Vgl. Millet et al., 2004. 538 Ebenda. 539 Vgl. Beall et al., 2003, S. 9. 540 Vgl. Arnold, 2005, S. 26.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
91
Nichtteilnahme bisheriger Anbieter ist ein weiteres Erklärungsmuster für die ihnen
gewährten Bonusregeln innerhalb der Auktion. Auch Caniëls/Raaji (2009) fürchten ein
Wegfallen gerade qualitativ wettbewerbsfähiger Zulieferer, die ihre Stärken durch das
Instrument nicht ausreichend gewürdigt sehen.541 Zudem ermittelten die Autoren, dass
Zulieferer, die hauptsächlich über ihre Serviceleistungen konkurrieren, versuchen, die
Auktionen komplett zu ignorieren.542 Generell dürfte die Bereitschaft, an einer Auktion
teilzunehmen, auch stark von der Wettbewerbssituation innerhalb eines Markts geprägt
sein. In Boomphasen mit vollen Auftragsbüchern und Kapazitätsrestriktionen dürfte die
Teilnahmebereitschaft an einem preisdrückenden Verhandlungsverfahren weit weniger
ausgeprägt sein als in Rezessionszeiten, die von Überkapazitäten und hohen Leerkosten
gekennzeichnet sind. Für Lieferanten ergibt sich durch die Nichtteilnahme eine
automatische Beschneidung der eigenen Akquisemöglichkeiten und damit der Anzahl
potenzieller Aufträge. Dabei wird deutlich, dass die Fähigkeit, die Auktionsteilnahme
abzulehnen, stark von dem Verbreitungsgrad der Auktionen innerhalb eines
Beschaffungsmarkts geprägt ist. Je verbreiteter eRAs in einem Beschaffungsmarkt sind,
desto schwieriger ist die Kompensation der über Auktionen vergebenen Aufträge mit
anderen Absatzmöglichkeiten. Relativierend ist an dieser Stelle anzumerken, dass durch
eRAs an neue Lieferanten vergebene Aufträge diesen in einigen Fällen wieder entzogen
wurden. Die beschaffenden Unternehmen waren hier derart unzufrieden mit der Qualität
der erbrachten Leistung, dass sie die alten Anbieter erneut mit der Lieferung betrauten.543
Bei Nichtteilnahme ist der Auftrag für bisherige Lieferanten nicht in jedem Fall verloren.
Zudem ergab sich in den beschriebenen Fällen wohl eine komfortable
Verhandlungsposition für die Vertriebsmitarbeiter der alten Anbieter. Für die Einkäufer
stellt die beschriebene Maßnahme, ähnlich wie die Teilnahme ohne Gebotsabgabe, eine
unerwünschte, wettbewerbsreduzierende Entwicklung dar.544 Im Gegensatz zur passiven
Teilnahme können die Einkäufer hier jedoch durch den Versuch der Gewinnung neuer
Bieter oder im Extremfall dem Absagen der Auktion entgegensteuern. Dies ist vor allem
bei Verfahren mit einer hohen Selbstbindung vonnöten, bei denen der Auftrag nicht bei
unzureichendem Auktionsergebnis zurückgezogen werden kann (siehe Kapitel 3.2.2). Das
in der Literatur ermittelte wahrscheinliche Wegbleiben qualitativ hochwertiger und
541 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009. 542 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 20. 543 Vgl. Emiliani, 2004, S. 528; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 283. 544 Vgl. Millet et al., 2004, S. 174.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
92
serviceorientierter Anbieter545 zeigt zudem noch einmal die Notwendigkeit der Auswahl
eines geeigneten Beschaffungsobjekts auf.
Vollständige Beendigung der Geschäftsbeziehung: Hier weigert sich der Zulieferer, nicht
nur an den Auktionen des einkaufenden Unternehmens teilzunehmen, sondern es auch bei
sonstigen Aufträgen zu beliefern.546 Eine Verärgerung der Anbieter, die soweit reicht, ist
vermutlich selten. Neben den über Auktionen vergebenen Aufträgen geht der Zugang zu
normal verhandelten (und damit lukrativeren) Absatzmöglichkeiten verloren. Doch auch
diese Option wird in der Literatur diskutiert547, und es existieren Beispiele für ihre
Anwendung. So beschreiben Smeltzer/Carr (2001) einen Lieferanten, der so erbost über die
Auktionsanwendung war, dass er sieben Jahre lang Geschäfte mit dem Abnehmer
ablehnte.548 Einen theoretischen Rahmen für die Erklärung solcher Verhaltensmuster liefert
die Anreiz-Beitrags-Theorie. Nach dieser ergibt sich die Eintritt-, Austritts- oder
Verbleibentscheidung zu einer Geschäftsbeziehung als Ergebnis eines Abwägungsprozesses
der in die Beziehung eingebrachten Beiträge mit den durch sie erhaltenen Anreizen.549
Durch die Auktionsanwendung findet eine Verschiebung des Anreiz-Beitrags-Verhältnisses
statt. Innerhalb eines mit einem Abnehmer abgewickelten Auftragsportfolios verlieren die
über Auktionen abgewickelten Aufträge an Wert und damit an Anreiz für das absetzende
Unternehmen. Gleichzeitig suggeriert der Abnehmer dem Anbieter eine Abwertung der von
ihm geleisteten Beiträge, indem er das bisherige Preis-Leistungs-Verhältnis zur Disposition
stellt.550 Nun lassen sich zwei Fälle differenzieren:
- Die durch die Auktion verlorenen Anreize verschieben das Anreiz-Beitrags-
Verhältnis derart, dass die Beiträge überwiegen. Dies ist beispielsweise der Fall,
wenn die durch die Auktion verlorenen Aufträge derart gewinnbringend waren, dass
sie andere quersubventionierten.
Die reduzierten Absatzmöglichkeiten und damit Anreize reichen nicht aus, das
ursprünglich positive Anreiz-Beitrags-Verhältnis ins Negative zu verkehren. Dies
ist umso wahrscheinlicher, je weniger Quersubventionierungen innerhalb der
545 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 12 und S. 20. 546 Beschafft der Abnehmer im Markt des Lieferanten ausschließlich über eRAs, ist diese Option identisch mit
der bloßen Nichtteilnahme an Auktionen. 547 Vgl. Emiliani, 2005, S. 528. 548 Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 549 Vgl. March/Simon, 1958, S. 93; Vgl. Wentges, 2002, S. 90; Vgl. Staehle, 1999, S. 432. 550 Vgl. Smart/Harrison, 2002, S. 262.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
93
Produktgruppen des Anbieters stattfinden und je geringer der prozentuale Anteil der
Aufträge ist, deren Preisverhandlungen auf Auktionen umgestellt werden.
Für das einkaufende Unternehmen bedeutet die letzte Abstufung der Exit-Option nicht nur
eine verminderte Wettbewerbsintensität innerhalb der Auktion, sondern einen zusätzlichen
Verlust eines Lieferanten, was sich auch auf andere Beschaffungsprozesse
wettbewerbsbeschränkend auswirkt. Besonders schwer wiegt dieser Verlust, wenn es sich
um einen strategisch relevanten Zulieferer handelt.551 Ein solcher Verlust kann sich
bedrohlich auf die operative Leistungsfähigkeit und die strategischen Optionen eines
Unternehmens auswirken.552 Kaufmann (2003) argumentiert in diesem Zusammenhang,
dass sich strategische Beschaffungsaufträge ohnehin nicht für die Auktionsdurchführung
eignen (siehe auch Kapitel 3.2.1) und die beschriebene Gefahr deshalb nicht existent ist.553
Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass derselbe Lieferant sowohl strategisch relevante als
auch nicht strategisch relevante Güter an ein Unternehmen liefert.
Kollektive Gegenmaßnahmen
Kollektive Auktionsverweigerung: Die erste kollektive Gegenmaßnahme ist die
gemeinschaftliche Ablehnung der Auktionsteilnahme (kollektive Abwanderungsoption).
Einigen sich alle für die Lieferung eines Beschaffungsvolumens infrage kommenden
Unternehmen auf ein solches Verhalten, ist das einkaufende Unternehmen machtlos und
muss zur Beschaffung über traditionelle Verfahren zurückkehren. Das Durchhalten einer
solchen Vorgehensweise ist jedoch äußerst unwahrscheinlich. Zu groß ist die Versuchung,
gerade neuer Lieferanten, angesichts lockender Zusatzaufträge aus der Absprache
auszubrechen. Da die Einigung, Aufträge eines bestimmten Kunden zu bedienen, in keinem
Fall rechtlich verbindlich ist, ist das Ausscheren juristisch nicht sanktionierbar.
Kollektive Preisabsprachen (Kollusion): Einigen sich die Lieferanten vor
Auktionsdurchführung auf wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, spricht man von
Kollusion.554 Bei Durchführung einer solchen Preisabsprache sind im Vorfeld ein Sieger
und ein von ihm abzugebendes Niedrigstgebot zu definieren. Unter Umständen wird im
Vorfeld sogar der gesamte Auktionsverlauf festgelegt. Im weiteren Verlauf ergeben sich
zwei Möglichkeiten.
551 Vgl. Arnold, 1997, S. 96 ff. 552 Vgl. Vahrenkamp, 2003, S. 271. 553 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 205. 554 Vgl. Kantzenbach/Kruse, 1989, S. 26; Vgl. Olten, 1998, S. 116.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
94
- Der „Gewinner“ der Auktion zahlt den „Verlierern“ eine Kompensationsleistung.
Diese muss kleiner sein, als die ihm im Auftrag generierte Produzentenrente.
- Der „Gewinner“ alterniert innerhalb der Gruppe. Die Option erfordert jedoch eine
mehrmalige Auktionsdurchführung und führt zudem zu einer erhöhten Auffälligkeit
der Absprache.555
Die Durchführung von Kollusionen erfordert nicht die Teilnahme aller Anbieter.
Theoretisch ist es ausreichend, wenn sich die zwei günstigsten Lieferanten im Vorfeld auf
einen Preis oberhalb des Mindestpreises des Günstigeren einigen. Bezüglich der Häufigkeit
von Kollusionen bei eRAs und deren Verwendung im Vergleich zu traditionellen
Beschaffungsprozessen herrscht in der Literatur eine Vielzahl an Meinungen:
Wambach (2004) argumentiert, dass Kollusionen bei Auktionen nicht mehr möglich
sind;556
Sashi/O‘Leary (2002) sehen die Kollusionswahrscheinlichkeit durch eRAs deutlich
verringert;557
Kaufmann/Carter (2003) ermittelten hingegen eine Zunahme der Preisabsprachen in
elektronischen Beschaffungsauktionen558 und
Arnold et al. (2005) stellten kaum eine Änderung kollusiven Verhaltens fest.559
Da es in der Natur von Preisabsprachen liegt, dass empirische Befunde über sie äußerst
schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu erlangen sind, ist zur Beantwortung der Frage nach
der Kollusionsentwicklung bei eRAs ein anderer Ansatz zu wählen. Tabelle 3 zeigt die
Kriterien für Kollusionswahrscheinlichkeiten innerhalb eines Markts. Im Folgenden wird
versucht, diese mit Marktstrukturveränderungen durch eRAs abzugleichen. Ziel der
Untersuchung ist es herauszufinden, welche Strukturveränderungen die
Kollusionswahrscheinlichkeit erhöhen und welche sie reduzieren.
555 Zu prinzipiellen Möglichkeiten bei Kollusionen in Auktionen siehe Klemperer, 1990, S. 240. 556 Vgl. Wambach, 2004, S. 19 f. 557 Vgl. Sashi/O`Leary, 2002, S. 105. 558 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 559 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 123; siehe dazu auch Arnold/Schnabel, 2007, S. 98.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
95
Kriterien des
Kollusionsmarkts
Kriterien der
Kollusionsgüter
Kriterien der
Kollusionsmitglieder
- Anzahl der Unternehmen
einer Branche
- Homogenität der
Marktteilnehmer
- Marktschranken
- Grad der Markttransparenz
- Homogenität der
Kollusionsgüter
- Substitutionsmöglichkeiten
- Höhe des Marktanteils
- Homogenität des
Produktionsprogramms
- Ähnlichkeit von Interessen
Tabelle 3: Kriterien für die Wahrscheinlichkeit von Kollusionen560
Alle genannten Kriterien des Kollusionsmarkts sind durch die Einführung elektronischer
Beschaffungsauktionen betroffen. Die Erfolgswahrscheinlichkeiten von Kollusionen nimmt
bei steigender Anzahl der Marktteilnehmer ab.561 Die Absprache und Kontrolle der
Kollusionsbindungen wird durch eine große Unternehmensanzahl komplexer und ist
schwieriger durchzuführen.562 Durch eRAs wird die Anzahl potenzieller Marktteilnehmer
erhöht (siehe auch Kapitel 4.2.2).563 Dadurch wird die Kollusionswahrscheinlichkeit
reduziert. Die Homogenität innerhalb des Anbieterpools wirkt sich ebenfalls positiv auf die
Kollusionswahrscheinlichkeit aus. Sie wird durch die Integration kulturell unterschiedlicher
Lieferanten564 in einen eRA-Prozess reduziert. Auch das zweite Kriterium spricht für eine
Abnahme der Kollusionswahrscheinlichkeit. Kollusionsfördernd sind zudem hohe
Marktschranken.565 Sie bestimmen das Ausmaß der externen Bedrohung einer kollusiven
Gruppe. Durch die Integration geografisch entfernter566 Lieferanten in eRAs werden die
Marktschranken sukzessive abgebaut, sodass bereits drei Kriterien auf ein Absinken von
Kollusionsrisiken durch elektronische Beschaffungsauktionen hinweisen. Das letzte
Marktkriterium ist die herrschende Markttransparenz. Von ihr gehen bei der eRA-
560 Abgeleitet aus Cox, 1981, S. 235. 561 Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52; Vgl. Beckmann, 1999, S. 52; Vgl.
Kantzenbach/Kruse, 1989, S. 42. 562 Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52. 563 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 21; Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Sashi/O‘Leary, 2002, S. 108; Vgl.
Arnold/Schnabel, 2007, S. 89; Vgl. Brenner/Wenger, 2007, S. 8; Vgl. Emiliani, 2000, S. 182. 564 Vgl. Kaufmann, 2003a, S. 213. 565 Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Vgl. Ahrns/Freser, 1997, S. 52. 566 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373; Vgl. Ariely/Simonson, 2003.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
96
Einführung zwei entgegengesetzte Effekte auf die Kollusionswahrscheinlichkeit aus.
Prinzipiell spricht eine hohe Markttransparenz für eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit von
Preisabsprachen.567 Unregelmäßigkeiten im Auktionsverlauf sind für alle Auktions- wie
Kollusionsteilnehmer gleichermaßen sichtbar.568 Somit entsteht eine starke
Kontrollfunktion innerhalb der Gruppe, und bei Anwendung einer englischen Auktion
können die Teilnehmer zudem direkt auf einen Kollusionsbruch reagieren und dem
Kollusionsbrecher den Anreiz seiner Abspracheverletzung, nämlich die Erlangung des
Auftrags zu einem verhältnismäßig hohen Preis, direkt wieder entziehen.569 Der zweite
Effekt, der von einer erhöhten Markttransparenz ausgeht, ist jedoch, dass auch das
beschaffende Unternehmen vollen Einblick in den Bietprozess erlangt.570 Ist kollusives
Verhalten jedoch leichter vom Abnehmer erkennbar, sinkt auch die
Kollusionswahrscheinlichkeit.571 Die beiden Effekte kombinierend, ist es schwer zu
bestimmen, ob von der erhöhten Markttransparenz ein Absinken oder Ansteigen der
Kollusionswahrscheinlichkeit ausgeht.
Betrachtet man die Kriterien der Kollusionsgüter, so tritt vor allem deren Homogenität in
den Vordergrund. Ein hoher Grad an Gleichheit führt dazu, dass sich gemeinsame
Kollusionsstrategien einfacher entwickeln und darauf aufbauend durchführen lassen.572 Bei
unterschiedlichen Produkten ist dies weit schwieriger.573 In elektronischen
Beschaffungsauktionen werden die Güter so exakt spezifiziert, dass alle Lieferanten auf ein
homogenes Gut bieten.574 Der Homogenitätsgrad steigt und mit ihm die
Kollusionswahrscheinlichkeit. Die Substitutionsmöglichkeiten eines Gutes werden durch
eRAs nicht wesentlich tangiert.
Nur bei einem Mitgliederkriterium, der Ähnlichkeit der Produktions- und Kostenstrukturen,
lässt sich ein kollusionsverändernder Einfluss durch die eRA-Einführung ableiten.
Ähnlichkeit wirkt kollusionsfördernd, da es für einzelne Marktteilnehmer nicht besonders
lukrativ ist, aus dem Kollusionsbund auszubrechen.575 Die Anbieter können sich auf einen
567 Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Vgl. Ahrns/Freser, 1997, S. 52. 568 Vgl. Chen/Tauman, 2006, S. 146. 569 Vgl. Robinson, 1985, S. 142 ff. 570 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125; Vgl. Beall et al., 2003, S. 28. 571 Vgl. Kräkel, 1992, S. 152. 572 Vgl. Kantzenbach, 1989, S. 48; Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52. 573 Vgl. Cox, 1981, S. 236; Vgl. Kantzenbach, 1989, S. 39. 574 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 99; Vgl. Beall et al., 2003, S. 27. 575 Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52; Vgl. Schmidt, 2005, S. 124.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
97
Preis oberhalb ihrer ähnlichen Vollkosten einigen und die gleichen Vorteile aus dieser
Einigung erzielen. Durch die von den genauen Spezifikationen hervorgerufene
Homogenisierung bei der Einführung elektronischer Beschaffungsauktionen ergibt sich
zwangsläufig eine Angleichung der Produktions- und Kostenfunktionen. Die
kollusionsfördernde Einigkeit steigt. Die Höhe des Marktanteils einzelner Anbieter sowie
die Ähnlichkeit von Interessen, Wettbewerbsfähigkeit und Anpassungsgrad bleiben durch
die Einführung von Auktionen im ersten Schritt unberührt.
Die kollusionsbeeinflussenden Effekte durch elektronische Beschaffungsauktionen sind in
Tabelle 4 dargestellt. Die Mehrzahl der direkten Effekte wirkt sich kollusionsfördernd aus.
Hinzu kommt, dass sich eRAs bisherigen Erhebungen zufolge negativ auf die
lieferantenseitig empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung auswirken. Unterstellt man,
dass Zulieferer sich der Theory-of-Reasoned-Action folgend vor allem in von ihnen als
schlecht empfundenen Beziehungen kollusiv verhalten576, entsteht durch die negative
Wahrnehmung ein weiterer kollusionsfördernder Effekt. Da das Vorhandensein und die
Intensität der einzelnen Faktoren jedoch von Auktion zu Auktion abweichen, ist im
Einzelfall zu prüfen, ob das Kollusionsrisiko sinkt oder steigt.
Kollusionsfördernde Effekte durch
eRAs
Kollusionshemmende Effekte durch
eRAs
Steigerung der Anzahl der
Marktteilnehmer
Steigerung der Transparenz des
Einkäufers
Steigerung der Homogenität innerhalb des
Anbieterpools
Steigerung der Ähnlichkeit der
Produktions- und Kostenstrukturen
Abbau von Marktschranken
Steigerung der Transparenz unter den
Bietern
Steigerung des Homogenitätsgrades der
Güter
Absenkung der Preiselastizitäten
Tabelle 4: Kollusionsfördernde und kollusionshemmende Effekte durch eRAs
576 Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 68; Vgl. Jap, 2003; Vgl. Jap, 2007; Vgl. Tassabehij et al., 2006.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
98
Eine Übersicht über alle verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen bietet Tabelle 5.
Individuelle Gegenmaßnahmen Kollektive Gegenmaßnahmen
Beschwerde/Störung der Auktion Kollektive Auktionsverweigerung
Nichtteilnahme Kollektive Preisabsprachen
Teilnahme ohne Gebotsabgabe
Vollständige Beendigung der
Geschäftsbeziehung
Tabelle 5: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen zu eRAs
5.1.2 Verknüpfung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen mit der eRA-
Wahrnehmung
Die vorliegende Arbeit stellt die lieferantenseitige Wahrnehmung von eRAs als Konstrukt
zwischen die Variablen des MSCP-Paradigmas Marktstruktur und Marktverhalten. Im
vorherigen Kapitel wurden die Einflüsse der Marktstrukturveränderungen auf die
Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments modelliert. Nun gilt es, den
Einfluss dieser Wahrnehmung auf das Marktverhalten zu bestimmen. Die „Theory-of-
Reasoned-Action“ postuliert, dass das Verhalten von Individuen von deren Einstellung
gegenüber einem Objekt gesteuert wird.577 Je positiver die Einstellung gegenüber einem
Objekt (eRA), umso wahrscheinlicher sind also Maßnahmen, die dieses Objekt fördern und
unterstützen. Je negativer die Einstellung gegenüber einem Objekt, umso wahrscheinlicher
sind Gegenmaßnahmen, die das Objekt behindern. Ein die Auktion behinderndes Verhalten
im Umfeld oder während der eRA ist demnach umso wahrscheinlicher, je negativer die
Auktionen auf Lieferantenseite wahrgenommen werden.
HG1 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA, desto
wahrscheinlicher ist die Durchführung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen.
Als genaue Motive der Gegenreaktionen lassen sich zwei Komplexe systematisieren.
Einmal kann sich das liefernde Unternehmen aus den Reaktionen Verbesserungen seiner
wirtschaftlichen Lage erhoffen. So kann die Beschwerde in Kombination mit der Drohung
der Abwanderung im positivsten Falle zur Einstellung der Auktionsanwendung führen. Ein
weiteres Beispiel sind wirtschaftliche Besserstellungen aufgrund der Durchführung von
577 Vgl. Fazio et al., 1989, S. 280 ff.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
99
Preisabsprachen. Die zweite Motivation erwächst aus dem Empfinden, gerade der
etablierten Lieferanten, dass Einkäufer durch eRAs die eng geknüpften
Geschäftsbeziehungen aufkündigen. Eine solche Empfindung kann den Wunsch befördern,
das beschaffende Unternehmen abzustrafen.
Bei der Erstellung des Strukturmodells wurde die Hypothese abgefasst, dass der Einfluss
von eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung von Lieferanten umso negativer
empfunden wird, je unfairer diese das Beschaffungsinstrument wahrnehmen. Die Stärke
dieses Zusammenhangs wurde dabei als Indikator dafür identifiziert, wie bedeutend
Lieferanten eRAs einstufen. Je bedeutender eine negative Entwicklung wahrgenommen
wird, desto wahrscheinlicher wird sie Gegenreaktionen nach sich ziehen. Daher lautet die
zweite Hypothese der Gegenreaktionen:
HG2 Je negativer der lieferantenseitig empfundene Einfluss von eRAs auf die Qualität der
Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung
verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen.
5.2 Kompensationsversuche finanzieller Einbußen
5.2.1 Darstellung der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen
Erlösseitige Kompensationsversuche
Bei der erlösseitigen Kompensation werden zusätzliche Forderungen an die Abnehmerseite
gestellt, die die Einnahmereduktion ausgleichen sollen.578
Preiserhöhung von Zusatzleistungen (i): Preise für Zusatzleistungen (Additional Services),
die zur Nutzung eines Produkts beitragen, können als Reaktion auf die erlittenen
Erlöseinbußen erhöht oder überhaupt erst eingeführt werden.579 Ein Beispiel hierfür sind
die Tarife für technische Services, die vorher ohne Kosten geleistet wurden. Der Verzicht
auf diese Leistungen oder der Zwang, sie extern zu beziehen, kann zu kostspieligen Folgen
für die Einkäufer führen. Damit wäre eine letztendliche Steigerung der Total Cost of
Purchasing Function (TCPF), eine Überkompensation der erzielten Preisreduktionen,
578 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani, 2005, S. 527. 579 Vgl. Jap, 2003, S. 104.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
100
möglich. Beall et al. (2003) glauben jedoch nicht an ein zu heftiges Auftreten dieses
Phänomens in der Praxis. In einer groß angelegten Zahl an Experteninterviews unter
auktionserfahrenen Einkäufern gaben diese an, keinen Rückgang an Serviceleistungen
bemerkt zu haben. Sie zeigten sogar ein Interesse daran, den Wert dieser Services
herauszufinden, da man so ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis besser abschätzen könne.
Letztlich waren sie sich sicher, alle wichtigen Leistungskomponenten ohnehin in den
Spezifikationen zu berücksichtigen.580 Obwohl jedoch Einkäufer kontinuierlich angeben,
die Spezifikationen bei eRAs früher und genauer anzufertigen als bei vorherigen
Beschaffungsverfahren581, zeigten sich immer wieder Lücken in den Spezifikationen.582
Preiserhöhung nachträglicher Anpassungen (ii): Eine ebenfalls durch mangelnde
Produktspezifikationen ausgelöste Gelegenheit zur Kompensation finanzieller Einbußen
sind Forderungen für nachträgliche Anpassungen an den durch die Spezifikation
festgelegten Produkt- und Leistungsparametern.583 Hier bietet sich die Möglichkeit,
Umstellungen zu bepreisen, die zuvor kulanterweise kostenfrei durchgeführt wurden. Ein
Beispiel ist die kostenneutrale Abänderung einer Produkteigenschaft oder zusätzlich
nachgeforderte Einheiten eines Beschaffungsvolumens. Der Anbieter kann versuchen, den
durchschnittlichen Preis dieser über dem in der Auktion verhandelten Einheiten zu
platzieren.584
Preiserhöhungen bei nicht über eRAs verhandelten Aufträgen (iii): Ebenfalls in der
Literatur diskutiert werden Versuche der Lieferanten, die Erlösreduktionen durch höhere
Preise bei anderen, nicht über eRAs verhandelten Aufträgen zu kompensieren.585 Die
durchschnittliche Marge bliebe konstant. Die Fähigkeit des Zulieferers, diese
Ertragsumschichtung durchzuführen, hängt von der Positionierung seiner Produkte im
Beschaffungsportfolio des auktionsdurchführenden Abnehmers ab. Sind diese für ihn von
strategischer Relevanz und nicht durch andere Lieferanten substituierbar, sind
Preiserhöhungen möglich. Allerdings nur bis zu dem Punkt, ab dem das Aufbauen eines
580 Vgl. Beall et al., 2003, S. 11. 581 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45 und S. 52; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 582 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45, berichten beispielsweise, dass Lieferanten mangelnde Produktspezifikationen
als eines der zentralen Probleme bei eRAs ansehen. 583 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 150. 584 Voraussetzung hier ist jedoch, dass diese zusätzlichen Einheiten nicht auch von anderen Anbietern
geliefert und integriert werden können und die Preissetzung damit nicht erneut dem Wettbewerbsdruck ausgesetzt werden kann.
585 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 150.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
101
neuen strategischen Zulieferers für das beschaffende Unternehmen durch die höheren
Preise profitabel wird. Sind die nicht von den Auktionen betroffenen Produkte des
Anbieters jedoch nicht von strategischer Relevanz für das einkaufende Unternehmen,
gestaltet sich eine spürbare Preiserhöhung aufgrund des Wettbewerbsdrucks als schwierig.
Kostenseitige Kompensationsversuche
Senkung der Qualitätsstandards/Produkt (i): Eine Vielzahl von Autoren äußert die
Befürchtung, dass Lieferanten die Qualitätsstandards von über Auktionen abgesetzten
Produkten absenken. So bestimmt Jap (2003) als eine der zentralen Fragestellungen zu
eRAs, ob Einkäufer Qualitätsverluste feststellen.586 Diese Reduktionen könnten als
Trotzreaktion auf die erlittenen Einbußen587 oder zur Kompensation derselben erfolgen.
Carter/Kaufmann (2007) sehen eine Einschränkung der qualitativen Leistungsfähigkeit als
logische Konsequenz von opportunistisch geprägten Auktionen.588 Beall et al. (2003)
argumentieren, dass sich die zuvor ermittelten höheren Preise sehr wohl ungünstig für die
einkaufende Seite ausgewirkt haben können, wenn diese zu niedrigen Gesamtkosten
aufgrund garantierter Qualitätsstandards geführt hätten.589 Arnold et al. (2005) fassen diese
Überlegungen als eine Änderung der TCPF zusammen, in der alle direkten wie indirekten
Kosten des Einkaufs erfasst sind.590 In dieser spielen auch die eingekaufte Produktqualität
und die mit ihr verbundenen Kosten eine wesentliche Rolle.591 Bei den
Qualitätsreduktionen sind drei Fälle zu differenzieren:
- die Qualitätsstandards wurden nur auf ein in den Spezifikationen vorgegebenes
Mindestniveau gesenkt;
- die Qualitätsstandards wurden unter dieses Mindestniveau gesenkt;
- die Standards wurden in Bereichen gesenkt, die in den Spezifikationen nicht oder
nur ungenau erfasst sind.
Im ersteren Fall ist die Absenkung für das einkaufende Unternehmen weder schädlich noch
bedrohlich. Die beiden anderen Fälle enthalten jedoch deutlich die Gefahr einer
Leistungseinschränkung des Abnehmers.
586 Vgl. Jap, 2003, S. 106. 587 Vgl. Jap, 2003, S. 104. 588 Vgl. Carter/Kaufmann, 2007, S. 22. 589 Vgl. Beall et al., 2003, S. 25. 590 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118. 591 Ebenda.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
102
Senkung der Qualitätsstandards/Vertriebsbetreuung (ii): Eine Senkung der
Qualitätsstandards kann auch bei der Betreuung durch den Vertrieb des Anbieters erfolgen.
Organisatorisch umsetzen ließe sich eine solche Absenkung beispielsweise durch eine
Herabstufung des Kundenrangs des einkaufenden Unternehmens.592 Damit würde es eine
intensive Marketingbetreuung, beispielsweise durch einen Key Account Manager,
verlieren.593 Dies wirkt sich wiederum negativ auf die Koordinationskosten mit dem
Zulieferer aus, womit erneut die von Arnold et al. beschriebene TCPF gesteigert wird.594
Zusätzlich können Vertriebsmitarbeiter angehalten werden, die Aufwendungen für
Kommunikation und Beziehungspflege, beispielsweise Reise-, Telekommunikations- oder
Bewirtungskosten, zu reduzieren.
In Tabelle 6 finden sich die einzelnen Kompensationsversuche finanzieller Einbußen
zusammengefasst.
Erlösorientierte
Kompensationsversuche
Kostenorientierte
Kompensationsversuche
Preiserhöhungen Zusatzleistungen (i) Senkung der Qualitätsstandards/Produkt
(i):
Preiserhöhungen nachträglicher
Anpassungen (ii)
Senkung der Qualitätsstandards/Ver-
triebsbetreuung (ii)
Preiserhöhung bei nicht über eRAs
verhandelten Aufträgen (iii)
Tabelle 6: Kompensationsversuche finanzieller Einbußen durch eRAs
5.2.2 Verknüpfung finanzieller Kompensationsversuche mit der eRA-
Wahrnehmung
Die Kompensationen finanzieller Einbußen sind der Theory-of-Reasoned-Action zufolge595
ebenfalls von der Wahrnehmung der Fairness von eRAs und dem Einfluss der Auktionen
auf die lieferantenseitig empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung determiniert.
Letztlich sind Aktionen im aufgezeigten Reaktionsfeld ein Versuch, das durch die Auktion
aus dem Gleichgewicht geratene Anreiz-Beitrags-Verhältnis für die Lieferantenseite zu
592 Vgl. Giampeitro/Emilinai, 2007, S. 81. 593 Vgl. Reinecke/Keller, 2006, S. 259. 594 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 118. 595 Vgl. Ajzen/Fishbein, 1980, S. 5 ff.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
103
verbessern. Entweder wird versucht, die eigenen Beiträge zu reduzieren (kostenseitige
Kompensationsversuche), oder die Anreize innerhalb der Geschäftsbeziehung sollen durch
eine erlösseitig wirkende Preiserhöhung gesteigert werden. Diese Aktionen sind umso
wahrscheinlicher, je unfairer Lieferanten das Beschaffungsinstrument empfinden, das das
Anreiz-Beitrags-Verhältnis gestört hat. Zudem sollte die Wahrscheinlichkeit der
Gegenreaktionen steigen, je negativer die Lieferanten den Einfluss des Instruments auf die
Qualität der Geschäftsbeziehung wahrnehmen, die ja letztlich durch die Ausprägung des
Anreiz-Beitrags-Verhältnisses determiniert wird.596 Die dritte und vierte Hypothese des
Modells zur Messung der Wahrscheinlichkeit von Gegenreaktionen lauten deshalb wie
folgt:
HG3 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA ist, desto
wahrscheinlicher ist die Durchführung von Versuchen zur Kompensation der
finanziellen Einbußen.
HG4 Je negativer der lieferantenseitig empfundene Einfluss von eRAs auf die Qualität der
Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung von Versuchen
zur Kompensation finanzieller Einbußen.
5.3 Strategische Neuausrichtungen
5.3.1 Darstellung strategischer Neuausrichtungen
Lieferanten können sich durch die von eRAs verursachten Veränderungen in ihren Märkten
dazu gedrängt sehen, neben den bereits dargestellten operativen Reaktionen auch ein
strategisches Umdenken einzuleiten. Die Unternehmensstrategie definiert die grundlegende
Ausrichtung des Unternehmens mit langfristigem Zeithorizont.597 Strategische Reaktionen
auf eRAs sind solche, die sich langfristig auf die Aufstellung des Unternehmens und seine
Handlungsspielräume auswirken. Die Systematisierung strategischer Anpassungen erfolgt
ebenfalls in absatzseitige und kostenseitige Anpassungen.
596 Vgl. Barnard, 1938, S. 83. 597 Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 436.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
104
Absatzseitige Strategieanpassungen
Igor Ansoff definiert vier Wege, um unternehmerisches Wachstum zu erzielen:
Marktdurchdringung, Marktentwicklung, Produktentwicklung und Diversifikation.598 Die
Systematisierung der absatzseitigen Strategieanpassungen folgt dieser Unterteilung:
Versuche der Marktdurchdringung: Marktdurchdringung ist nach Ansoff der Versuch, in
bestehenden Märkten mit bestehenden Produkten zu wachsen.599 Dies geschieht primär
durch die Akquise neuer Kunden in dem Marktsegment.600 Wählen Lieferanten diese
Option, versuchen sie, Kunden zu finden, die keine eRAs durchführen. Das Ziel besteht
darin, bei diesen Waren abzusetzen. Eine mögliche Vorgehensweise dazu ist, verstärkt
kleine Unternehmen anzusprechen, da diese im Vergleich zu Großkonzernen eher selten
elektronische Beschaffungsauktionen anwenden.601 Da der Begriff „Marktdurchdringung“
theoretischer Natur und für eine Befragung von Praktikern nicht direkt geeignet ist, wird er
in der Befragung durch die Bezeichnung „Suche nach neuen Kunden“ ersetzt.
Suche nach neuen Absatzmärkten: Hier wird der Versuch unternommen, das bestehende
Produktportfolio oder Teile dessen in neue Märkte zu tragen.602 Im geprüften Kontext
werden Lieferanten versuchen, ihre Produkte in Märkten abzusetzen, in denen noch keine
eRAs eingeführt wurden. Ein Beispiel wäre der Versuch, in Ländern, in denen
Beschaffungsauktionen eine geringere Rolle spielen, zu expandieren. Ein weiteres Beispiel
wäre der Wechsel zwischen Industrien. So ist die Anwendung von eRAs in der
Automobilindustrie sehr verbreitet, sodass man den Versuch unternehmen kann, hier
aufgebautes Know-how in andere Industrien zu tragen und dort Erlöse zu generieren.
Suche nach neuen Produkten: Die Produktentwicklung stellt nach Ansoff den Versuch dar,
neue Produkte in bisherigen Märkten zu erschaffen und abzusetzen.603 Von Auktionen
betroffene Lieferanten können neue Produkte einführen, die sich nicht für die
auktionsgestützte Beschaffung eignen oder bisherige Produkte derart entwickeln, dass auch
598 Vgl. Ansoff, 1966, S. 13 ff. 599 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132. 600 Eine weitere Option sind Cross-Selling-Möglichkeiten mit bestehenden Kunden, diese wurden jedoch
bereits in dem Reaktionsfeld „Kompensationsversuche der finanziellen Einbußen“ erfasst. 601 Vgl. Hur et al., 2007, S. 413. 602 Vgl. Meffert, 1998, S. 234. 603 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132; Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 522.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
105
bei ihnen eine Verhandlung über Beschaffungsauktionen unwahrscheinlich wird. Aus
Kapitel 3.2.1 gehen drei Produktcharakteristika hervor, die die Auktionierbarkeit hemmen:
- die strategische Relevanz des Bedarfs;604
- eine hohe Integration in den Wertschöpfungsprozess des Lieferanten;605
- eine, gemessen am Beschaffungsvolumen, hohe Komplexität.606
Die Produktmanager der Anbieter müssen bei der betrachteten Option versuchen, die
eigenen Produkte mit einer oder mehreren dieser Eigenschaften zu versehen. Dabei sind die
aufgeführten Charakteristika häufig miteinander verknüpft. So führt eine erhöhte
strategische Relevanz wohl meist auch zu einer gesteigerten Integration in die
Wertschöpfungsprozesse des Abnehmers. Die gemessen am Beschaffungsvolumen hohe
Komplexität muss nicht zwangsläufig tatsächlich vorliegen. Entscheidend für die
Auktionierung ist die nachfrageseitig empfundene Komplexität der angebotenen Produkte.
Die vierte von Ansoff charakterisierte Dimension ist die Diversifikation. Mit neuen
Produkten soll in neuen Märkten agiert werden.607 Da dieser Schritt ohne Rückgriffe auf
Synergieeffekte und meist mit mangelndem Know-how erfolgen muss, empfiehlt ihn
Ansoff nur für Ausnahmesituationen.608 Dass Lieferanten nach derart signifikanten Preis-
und Ertragseinbrüchen, wie sie durch eRAs hervorgerufen werden, die Fähigkeit zu einem
solch ressourcenintensiven Schritt haben, ist unwahrscheinlich.609
Kostenseitige Strategieanpassungen
Abbau von Vertriebsinfrastruktur: Die Senkung von Vertriebsprozesskosten wurde bereits
als Option bei den kostenseitigen Kompensationsversuchen finanzieller Einbußen
beschrieben. Führt das Unternehmen dauerhafte Anpassungen der Kostenstrukturen durch,
sodass diese seine langfristige Ausrichtung ändern, liegt eine neue strategische Ausrichtung
vor. Solche dauerhaften Anpassungen können das Einstellen von Außendienstfahrten oder
Printkatalogen sein.
604 Vgl. Beall et al., 2003. 605 Vgl. Skjott-Larsen et al., 2003, S. 207; Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20. 606 Ein ungünstiges Verhältnis führt hier dazu, dass die absolut gesehen geringen Preiseinsparungen die
Aufwendungen für die Erstellung komplexer Produktspezifikationen nicht rechtfertigen. 607 Vgl. Ansoff, 1966, S. 132 und 150; Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 522. 608 Vgl. Ansoff, 1966, S. 166. 609 Vgl. Ansoff, 1966, S. 151, nennt als ein mögliches Motiv für die Diversifikation überschüssige Barmittel,
nach eRAs dürfte jedoch eher Barmittelknappheit vorliegen.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
106
Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer: Befragungen unter Lieferanten ergaben,
dass vor allem Zulieferer aus Niedriglohnländern eRAs als positiv ansehen.610 Durch die
durch eRAs beförderte Kostenrelevanz scheinen solche Anbieter zu profitieren, die an
kostengünstigen Standorten produzieren. Aus diesem Grund erscheint es als konsequent,
nicht strategische, doch kostenintensive Produktionsprozesse ebenfalls an solche Standorte
zu verlagern.
In Tabelle 7 findet sich eine Übersicht der Strategieanpassungen.
Absatzseitige Strategieanpassungen Kostenseitige Strategieanpassungen
Versuche der Marktdurchdringung/Suche
nach neuen Kunden (i)
Abbau von Vertriebsinfrastruktur (i)
Suche nach neuen Märkten (ii) Produktionsverlagerungen in
Niedriglohnländer (ii)
Suche nach neuen Produkten (iii)
Tabelle 7: Strategische Neuausrichtungen aufgrund von eRAs
5.3.2 Verknüpfung strategischer Neuausrichtungen mit der eRA-
Wahrnehmung
Auch bei den strategischen Neuausrichtungen als drittem Reaktionsfeld ist von einer
Verknüpfung der Wahrnehmung mit der Fairness von eRAs und dem Einfluss der
Beschaffungsauktionen auf die Beziehungsqualität auszugehen. Zu beachten ist allerdings,
dass die Chancen der marktseitigen Neuausrichtungen zusätzlich von den
Opportunitätskosten und damit gemäß der Anreiz-Beitrags-Theorie von der Verfügbarkeit
von Alternativen abhängen.611 Da diese jedoch durch das beschaffende Unternehmen nicht
beeinflussbar sind und sich zudem rasch wandeln, wurde von einer spezifischen Erfassung
der Opportunitätskosten im dargestellten Modell abgesehen. Die fünfte und sechste
Hypothese des Reaktionsmodells lauten wie folgt:
HG5 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA ist, desto
wahrscheinlicher ist die Durchführung strategischer Neuausrichtungen der liefernden
Unternehmen.
610 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009, S. 20. 611 Vgl. Wiswede, 2007.
Systematisierung der Zulieferreaktionen auf eRAs
107
HG6 Je negativer der lieferantenseitig empfundene Einfluss von eRAs auf die Qualität der
Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung strategischer
Neuausrichtungen der liefernden Unternehmen.
108
6 Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen
Analyse
6.1 Darstellung des Messverfahrens der Lieferantenwahrnehmung
6.1.1 Strukturgleichungsverfahren mithilfe von Partial Least Squares
Zur Bestimmung des Einflusses der Marktstrukturänderung auf die
Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA ist ein multivariates
Analyseverfahren zu wählen. Dieses zeichnet sich, im Kontrast zu univariaten und
bivariaten Verfahren dadurch aus, dass es die Zusammenhänge von mehr als zwei
Variablen simultan bestimmen kann. Somit wird die Untersuchung des in Abbildung 28
dargestellten Beziehungsgeflechts ermöglicht. Die Methoden der multivariaten Analyse
lassen sich in strukturprüfende (konfirmatorische) und strukturentdeckende (explorative)
Verfahren untergliedern.612 Erstere überprüfen kausale Verknüpfungen einzelner
Modellvariablen, die zuvor als Hypothesen aufgrund sachlogischer Überlegungen
aufgestellt wurden.613 Die strukturaufdeckenden Verfahren versuchen, bisher unbekannte
Zusammenhänge zwischen Forschungsvariablen aufzudecken.614 Da das Ziel der
Untersuchung die Überprüfung der aufgestellten Zusammenhänge ist, ist ein
strukturprüfendes Verfahren zu wählen. Zu diesen zählen beispielsweise die
Regressionsanalyse, die Varianzanalyse oder die Conjoint-Analyse. Die Regressions-
analyse ist von den multivariaten Verfahren der ersten Generation das geeignetste
Instrument zur Erfüllung des vorliegenden Forschungskonzepts. Als einziges Verfahren
misst sie die Zusammenhänge zwischen einer abhängigen und mehreren unabhängigen
Variablen. Homburg identifiziert bei der Regressionsanalyse jedoch drei wesentliche
Schwächen:615
- Das Analyseverfahren setzt voraus, dass alle Variablen fehlerfrei gemessen werden.
Messfehler, die in der Realität auch bei größter Sorgfalt unvermeidbar sind, lassen
sich im Modell nicht berücksichtigen.616
612 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 7. 613 Ebenda. 614 Vgl. Homburg, 1992, S. 499. 615 Ebenda. 616 Vgl. Homburg, 1992, S. 499 ff.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
109
- Zudem wird angenommen, dass die exogenen Variablen unabhängig voneinander
sind, sich also nicht gegenseitig beeinflussen. In der Praxis tritt ein solcher Einfluss
(Multikollinearität) jedoch häufig auf.
- Die Regressionsanalyse eignet sich durch ihre sehr einfache Abhängigkeitsstruktur
nicht zur Erfassung von komplexeren Kausalstrukturen, beispielsweise von
gestuften oder wechselseitigen Abhängigkeiten.
Strukturgleichungsmodelle überwinden diese Schwächen. Mit ihnen kann ein komplexes
Beziehungsgeflecht über die Abhängigkeiten latenter Variablen untersucht werden.617
Dabei unterscheidet sie strikt zwischen Konstrukten und deren Messgrößen.618 Da Erstere
latent und damit nicht direkt messbar sind, müssen sie mithilfe zugehöriger, direkt
messbarer Indikatoren operationalisiert werden.619 Diese sind „unmittelbar messbare
Sachverhalte, welche das Vorliegen der gemeinten, aber nicht direkt erfassbaren
Phänomene […] anzeigen“620. Die Messung der Konstrukte geschieht indirekt über die
Indikatoren.621 Die Zusammenhänge zwischen den latenten Variablen und den Indikatoren
werden durch eine Korrespondenzhypothese ausgedrückt.622 Die latenten Variablen lassen
sich in abhängige und unabhängige Variablen einteilen, wobei Letztere die abhängigen
Variablen determinieren. Die unabhängigen Variablen werden als exogene Größen, die
abhängigen als endogene Größen bezeichnet. Die Trennung in Konstrukte und ihre
Messung führt zur simultanen Schätzung von zwei Modellarten623.
Strukturgleichungsmodelle lassen sich somit gedanklich in zwei Bestandteile zerlegen:
- Messmodelle, die den Zusammenhang der Indikatoren zu den Konstrukten
spezifizieren. Dies geschieht über eine konfirmatorische Faktoranalyse.
- Strukturmodelle zur Abbildung der Beziehung der exogenen und endogenen
Konstrukte untereinander. Diese Beziehungen leiten sich aus der theoretischen
Fundierung und aus sachlogischen Überlegungen her und bilden die aufgestellten
Hypothesen ab.
617 Vgl. Homburg/Pflesser, 2000, S. 636. 618 Vgl. Homburg/Pflesser, 2000, S. 635. 619 Vgl. Kühnel/Krebs, 2001, S. 27. 620 Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 31. 621 Vgl. Hujer/Cremer, 1977, S. 7. 622 Vgl. Kubicek, 1975, S. 96. 623 Vgl. Bollen, 1989; Vgl. Jörekog/Sörbom, 1996.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
110
Eine anschauliche Visualisierung des Zusammenhangs zwischen der Struktur und dem
Messmodell sowie die Darstellung der latent exogenen und der latent endogenen Variablen
liefern Backhaus et al. 2006.
Abbildung 25: Zusammenhang zwischen Struktur- und Messmodell624
Ein Konstrukt kann nur durch einen Faktor (einfaktorielles Konstrukt)625 oder durch
mehrere Indikatoren gemessen werden.626 Zur Messung eines latenten Konstrukts sollten
mehrere Faktoren herangezogen werden.627 Die Wahl der optimalen Faktoranzahl stellt ein
komplexes und mitentscheidendes Problem dar628 und wird durch das weitere statistische
Verfahren determiniert.629 Grundsätzlich ist eine Abwägung zweier gegensätzlicher
Einflüsse zu treffen. Das Ziel einer möglichst genauen Beschreibung des Konstrukts und
der zwei relevanten Ausprägungen spricht für eine hohe Indikatorenanzahl. Chin et al.
(1996) konnten in einer Monte-Carlo-Simulation zu Informationssystemen auf Basis von
PLS zeigen, dass die Anzahl der Indikatoren hoch mit der Güte der Schätzung korreliert
ist.630 Auf der anderen Seite sollen die Probanden nicht durch immer wieder ähnliche, da in
dieselbe Richtung zielende Fragen gelangweilt und demotiviert werden. Üblicherweise
624 Backhaus et al., 2006, S. 355. 625 Vgl. Homburg/Giering, 1996, S. 6. 626 Vgl. Hujer/Cremer, 1977, S. 7. 627 Vgl. Hulland, 1999, S. 198; Vgl. Zinnbauer/Eberl, 2004, S. 4; Vgl. Baumgartner/Homburg, 1996, S. 143;
Vgl. Segars, 1996, S. 111. 628 Vgl. Peter, 1979, S. 13 f. 629 Vgl. Huber et al., 2005a, S . 6 ff. 630 Vgl. Chin et al., 1998, S. 31.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
111
werden fünf bis neun Indikatoren herangezogen.631 Bei der Modellierung der Konstrukte
sind zwei Methoden abgrenzbar, die sich in der Art der Indikatoren äußern.632
- Bei formativen Indikatoren werden die Konstrukte als Summe der Indikatoren
wahrgenommen. Die beobachtbaren Indikatoren bestimmen in dieser Denkweise die
latenten Variablen.633
- Bei reflektiven Indikatoren ist die Annahme genau entgegengesetzt. Hier bestimmt
die latente Variable die Indikatoren.634 Dies führt dazu, dass sich eine Veränderung
des Konstrukts in der Veränderung aller Indikatoren anzeigt und reflektiert wird.635
Schon früh hat sich eine Reihe von Softwareprogrammen zur Unterstützung von
Strukturgleichungsmodellen etabliert.636 Sie lassen sich in zwei Analyseansätze, Partial
Least Square (PLS) und Linear Structural Relations (LISREL) unterscheiden. Zum PLS-
Ansatz gehören die Programme PLSGraph 3.0, Smart PLS, LVPLS, zum LISREL-Ansatz
LISREL, AMOS, EQS.637 Nachteilig ist der LISREL-Ansatz bei relativ kleinen
Stichproben. Hier kam es in einigen Fällen zu erheblichen Fehlern.638 Für die vorliegende
Studie wurden der PLS und das Programm Smart PLS angewandt. Diese Wahl hat zwei
Gründe:
- PLS ermöglicht gute Abschätzungen auch bei Stichproben mit geringer Größe.
Bagozzi et al. (1981) verlangen lediglich mehr als 50 Teilnehmer.639 Auch Hair
et al. (1998) ermittelten, dass bereits ab einer Stichprobengröße von 50 valide
Ergebnisse gut möglich sind.640 Da die Zielgruppe der Befragung ein relativ kleiner
Kreis an Vertriebsmanagern mit Erfahrung mit elektronischen Beschaffungs-
auktionen ist, ist ein Verfahren mit geringen Anforderungen an die Mindestgröße
des Samples von Vorteil.
- Das Verfahren lässt sowohl reflektive als auch formative Indikatoren zu, während
Letztere bei LISREL nicht verwendet werden können. Die Erfassung einiger
631 Vgl. Peter, 1979, S. 13 f. 632 Vgl. Zinnbauer/Eberl, 2004, S. 4; Vgl. Hulland, 1999 S. 201. 633 Vgl. Diamantopoulos/Winkelhofer, 2001, S. 269. 634 Vgl. Homburg/Gierung, 1996, S. 6. 635 Vgl. Christophersen/Grape, 2007, S. 104. 636 Vgl. Lechler, 1997, S. 131. 637 Zur Gegenüberstellung der beiden Softwareanwendungen Vgl.: Stan/Saporta, 2005, S. 757 f.; Pirouz,
2006, S. 10 ff.; Sellin, 1996, S. 263. 638 Vgl. Panthen/Boßhow-Thies, 2007, S. 312, verweisen auch auf Burns, 1993. 639 Vgl. Bagozzi, 1981, S. 380. 640 Vgl. Hair et al., 1998, S. 605.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
112
Konstrukte des Modells ist jedoch nur über formative Indikatoren möglich (siehe
folgendes Kapitel).
6.1.2 Gütebeurteilung von PLS-Modellen
Nach Durchführung der Modellberechnung ist die Gütebeurteilung des Modells
vorzunehmen. Anhand verschiedener Kriterien werden die Gültigkeit und Zuverlässigkeit
der Modellbeziehungen erprobt. Da sowohl das Mess- als auch das Strukturmodell
untersucht werden müssen, werden die Kriterien für beide Untersuchungen vorgestellt.
Überprüfung des Messmodells
Zur Beurteilung der Güte reflektiver Operationalisierungen müssen fünf Kriterien
überprüft werden641:
- Höhe und Signifikanz der Indikatorladungen
- Konvergenzvalidität
- Diskriminanzvalidität
- Vorhersagevalidität
- Unidimensionalität
Die Indikatorreliabilität gibt die Höhe der Varianz eines Indikators an, die durch die
jeweilige Variable erklärt werden kann.642 Bei Ladungen von 0,7 oder besser 0,8 gilt als
sicher, dass die latente Variable mindestens die Hälfte der Varianz eines Indikators
bestimmt.643 Dies zeigt, dass die Varianz zwischen Indikator und Konstrukt die Varianz des
Messfehlers übersteigt.644 Ladungen unterhalb von 0,8 werden aus dem Modell entfernt.
Zur Überprüfung der Signifikanz der Ladungen dient der t-Wert.645 Um ein
Signifikanzniveau von über 5 % zu erreichen, sollten die t-Werte größer als 1,66 sein.646
Die Konvergenzvalidität beschreibt das Kriterium, inwieweit die gewählten Items mit ihren
Messungen übereinstimmen.647 Die Indikatoren eines Faktors sollten untereinander
möglichst hohe Korrelationen aufweisen, um das Kriterium zu erfüllen. Ist dies nicht der
641 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 30 ff. 642 Vgl. Hulland, 1999, S. 198. 643 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31; Vgl. Vgl. Hulland, 1999, S. 198 f. 644 Vgl. Hulland, 1999, S. 198; Carmines/Zeller, 1979, S. 721. 645 Prinzipiell geeignet zu dessen Messung ist sowohl das Bootstrapping als auch das Jacknifing-Verfahren.
Vgl. Götz/Liehr-Gobbers, 2004, S. 721. 646 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31. 647 Vgl. Schnell et al., 1995, S. 148.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
113
Fall, so kann davon ausgegangen werden, dass die einzelnen Indikatoren unterschiedliche
Sachverhalte messen. Die Konvergenzvalidität lässt sich durch die durchschnittlich erfasste
Varianz (DEV) und durch die Faktorreliabilität bestimmen.648 Letztere misst die Eignung
eines Faktors zur Erklärung der ihm zugewiesenen Indikatoren.649 Der mögliche
Wertbereich liegt zwischen 0 und 1, wobei der Wert 0,7 als untere Grenze gilt.650 Die
durchschnittlich erfasste Varianz bildet ein Verhältnis aus dem Anteil der zu den latenten
Variablen gehörenden Indikatoren mit dem nicht erklärten Varianzanteil.651
Die Diskriminanzvalidität beschreibt die Unterschiedlichkeit der Messungen verschiedener
Konstrukte mit einem Messinstrument.652 Zur Überprüfung der Diskriminanzvalidität wird
ebenfalls die DEV herangezogen. Fornell/Larcker sehen das Kriterium als erfüllt an, wenn
die DEV einer latenten Variablen größer ist als jede quadrierte Korrelation dieser latenten
Variablen mit einem anderen Konstrukt im Modell.653
Zur Überprüfung der Vorhersagevalidität wird das Maß Stone-Geiser Q2 herangezogen. Es
zeigt, zu welchem Grad ein latentes Konstrukt durch seine Indikatoren über eine
Blindfolding Procedure reproduziert werden kann.654 Die Idee hinter dem Blindfolding ist
ein systematisches Weglassen von Indikatoren „of one case at a time, to re-estimate the
model parameters on the basis of the remaining cases, and to reconstruct or predict omitted
case values using the re-estimated parameters”655. Auf Basis der Indikatormittelwerte eines
Konstrukts wird nun die Höhe der Residuen der Modellschätzung von Indikatorvariablen
mit der Höhe einer trivialen Vorhersage verglichen.656 Je höher die Q2-Werte, mit einem
kritischen Wert von 0, sind, desto besser kann die Vorhersagevalidität des Modells
angesehen werden.657
Als letztes Gütekriterium des Messmodells dient die Unidimensionalität. Es überprüft, ob
sich die Indikatoren eindeutig zu dem Konstrukt zuordnen lassen, das sie messen sollen.658
648 Vgl. Ringle, 2004, S. 19. 649 Vgl. Ringle, 2004, S. 19; Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31. 650 Vgl. Ringle, 2004, S. 20; Vgl. Hulland, 1999, S. 199. 651 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 30. 652 Vgl. Götz/Liehr-Gobbers, 2004, S. 728. 653 Vgl. Fornell/Larcker, 1981, S. 46. 654 Vgl. Ringle, 2004, S. 16. 655 Sellin, 1995, S. 262. 656 Vgl. Fornell/Cha, 1994, S. 72f. 657 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 34; Vgl. Ringle, 2004, S. 17. 658 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31; Vgl. Segars, 1996, S. 108.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
114
Bei Erfüllung des Kriteriums korrelieren die Indikatoren eines Konstrukts lediglich
untereinander und nicht mit den Indikatoren anderer Konstrukte.659
Bei formativen Konstrukten stehen nicht mehr die Faktorladungen im Fokus, sondern die
statistische Signifikanz der einzelnen Indikatorgewichte. Für sie existieren jedoch keine
konkreten Vorgaben. Die Gütebeurteilung des formativen Messmodells wird zudem über
die t-Werte gemessen, die anders als bei reflektiven Operationalisierungen den Wert 1,98
übersteigen sollen. Liegen Indikatoren unter dieser Signifikanzschwelle, ist trotzdem von
der Eliminierung abzusehen. Sie verkörpern einen Teil des definitorischen Rahmens des
Konstrukts, das durch die Eliminierung inhaltlich verfälscht wird.660 Multikollinearität ist
gegeben, wenn die Werte einer unabhängigen Variablen aus den anderen unabhängigen
Variablen exakt vorhergesagt werden können.661 Da die einzelnen Indikatoren aus dem
formativen Messmodell unabhängige Dimensionen eines Konstrukts darstellen, sollte
Multikollinearität nicht vorliegen. Sie wird mithilfe des Varianzinflationsfaktors (VIF)
gemessen. Der VIF berechnet sich wie folgt:
2R-1
1VIF
R2 steht hier nicht für die erklärte Varianz, sondern für das Bestimmtheitsmaß der
Regressionsanalyse. Die Diskriminanzvalidität ist sowohl bei den reflektiven als auch bei
den formativen Indikatoren zu überprüfen. Auch hier verlangt sie, dass die gemeinsame
Varianz zwischen der latenten Variable und ihren Indikatoren größer ist als die gemeinsame
Varianz mit anderen latenten Indikatoren.
Die Prüfkriterien der reflektiven und formativen Konstrukte finden sich in Tabelle 8
zusammengefasst:
659 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 34. 660 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 34 f. 661 Vgl. Christophersen/Grape, 2007, S. 111.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
115
Messmodellebene Reflektiv Formativ
Gewichte Irrelevant (keine Vorgabe)
Ladung >0,8 Irrelevant
t-Wert >1,66 (einseitig) > 1,98 (zweiseitig)
Multikollinearität (nicht möglich) VIF > 10
Vorhersagevalidität Stone-Geissers Q2
(Kommunalität> 0) (nicht möglich)
Unidimensionalität Höhe und Korrelation der
Residuen; Kreuzladungen (nicht möglich)
Konvergenzvalidität
DEV
Konstruktreliabilität
>0,6
>0,7
(nicht möglich)
(nicht möglich)
Diskriminanzvalidität Fornell-Larcker-Kriterium Konstrukt-Korrelation (<
0,9)
Tabelle 8: Zusammenstellung der Prüfkriterien für reflektive und formative Konstrukte
Überprüfung des Strukturmodells
Das Strukturmodell misst die theoretischen Zusammenhänge der Konstrukte und dient
somit zur Beantwortung der eigentlichen Forschungsfrage. Zunächst wird die Stärke des
Einflusses eines Konstrukts auf die nachgelagerten und damit dem Modell nach
beeinflussten Konstrukte untersucht. Das Verfahren nutzt dabei Höhe der
Strukturparameter (Koeffizienten) und die Signifikanz, die erneut über t-Werte gemessen
wird.662 Nach Chin (1998) sind Pfadkoeffizienten von >0,2 als signifikant anzusehen,
während Lohmöller (1989) einen Mindestwert von 0,1 als Kriterium festlegt.663 Die
kritischen t-Werte zur Überprüfung der Signifikanz der Wirkungszusammenhänge hängen
vom gewählten Signifikanzniveau des t-Tests ab. Bei einem Signifikanzlevel von 5 %
sollten die t-Werte 1,98, bei einem Level von 10 % lediglich 1,66 übersteigen. Zusätzlich
lässt sich die Güte des Strukturmodells mit dem Bestimmtheitsmaß R2 testen.664 Es gibt an,
welcher Anteil eines abhängigen Konstrukts sich durch vorgelagerte Größen erklären
lässt.665 Als Mindestkriterium gilt ein Wert größer als 0,3.666 Zusätzlich zu prüfen ist das
662 Vgl. Baumgartner/Homburg, 1996, S. 154; Vgl. Huber et al., 2005a, S. 35. 663 Vgl. Chin,1998; Vgl. Lohmöller, 1989. 664 Vgl. Albers/Hildebrandt, 2004, S. 30; Vgl. Sellin, 1995, S. 261. 665 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 36; Vgl. Götz/Liehr-Gobbers, 2004, S. 730. 666 Vgl. Ringle, 2004, S. 15.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
116
Maß Stone-Geiser Q2, das bereits auf Messmodellebene getestet wurde. Auf Strukturebene
evaluiert es zugleich die Vorhersagevalidität des Struktur- wie auch des Messmodells.667
Der kritische, zu übertreffende Wert eines abhängigen latenten Konstrukts liegt dabei auf
Strukturmodellebene bei 0. Zudem sollte das Modell auf Multikollinearität, auf lineare
Korrelationen unter den abhängigen Variablen hin überprüft werden.668 Läge
Multikollinearität vor, ließe sich ein Einflussfaktor durch andere Einflussfaktoren erklären,
was verhindert werden sollte. Liegen die Werte des Variance Inflation Factor (VIF)
niedriger als zehn, kann Multikollinearität ausgeschlossen werden.669
6.1.3 Operationalisierung des Messmodells
Das aufgestellte Kausalmodell zeichnet sich hinsichtlich seiner Operationalisierung durch
zwei Besonderheiten aus.
- Alle unabhängigen Konstrukte sind dynamischer Natur. Sie fragen den
wahrgenommenen oder tatsächlich gemessenen Veränderungsgrad eines Zustands
ab. Beispielsweise den wahrgenommenen Verlust an relativer Markttransparenz.
- Dazu sind drei der abhängigen Variablen keine latenten Konstrukte (die Absenkung
des Preisniveaus, die Erhöhung der Wettbewerberanzahl und die
Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses), sondern direkt messbar. Ist dies der
Fall, können die Variablen theoretisch in ein metrisches Intervall gebracht und mit
einer einfachen Abfrage genau erfasst werden. Die Tatsache jedoch, dass die
Variablen direkt messbar sind, bedeutet jedoch nicht automatisch, dass sie in der
Praxis erfasst werden. Zur Anforderung der generellen Messbarkeit kommt somit
noch die Anforderung, dass die Messung der Variablen in einer ausreichend großen
Anzahl an Firmen stattfindet.
Beiden Besonderheiten muss in den folgenden Operationalisierungen Rechnung getragen
werden.
Erfassung der Senkung des Preisniveaus
Aufgrund der Neuartigkeit des Beschaffungsinstruments eRA hat die Mehrzahl der
Lieferanten erst an einer begrenzten Zahl an Auktionen teilgenommen. Die Preissenkungen
667 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 31. 668 Vgl. Huber et al., 2005a, S. 35 f. 669 Vgl. Huber et al.,2005a, S. 36.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
117
sollten daher noch bekannt sein.670 Das gilt umso mehr, da die Reduktionen meist
signifikant sind671 und sich damit maßgeblich auf die Margen der Zulieferer auswirken.
Zusätzlich sind diese Margen häufig mit den Anreizsystemen und Bonuszahlungen der
Vertriebsmitarbeiter verknüpft. Ein weiteres Indiz für die Kenntnis der erlittenen
Preisreduktionen ist deren genaue Erfassung auf der Marktgegenseite – dem beschaffenden
Unternehmen.672 Sie zeigt erneut deren Wichtigkeit und die daraus antizipierte statistische
Signifikanz. Zudem können die beschaffenden Unternehmen die Lieferanten in
Feedbackgesprächen über die Höhe der Preissenkungen informieren.673 Die Messung der
Veränderung des Preisniveaus erfolgt deshalb direkt und nicht als latentes Konstrukt. Um
die Höhe der Preisniveauänderung in dem Modell mit einzuberechnen, wird sie in die in
Tabelle 9 dargestellte fünfstufige Skala übertragen. Diese ist an den bisher in der Literatur
erfassten Preissenkungen durch eRAs orientiert.
Level der
Preissenkung
Keine oder
Erhöhung
0-5 % 5-10 % 10-15 % >15 %
Zugeordnete Stufe
im Messmodell
1 2 3 4 5
Tabelle 9: Erfassung der Senkung des Preisniveaus
Erfassung der Erhöhung der Wettbewerberanzahl
Auch die Erhöhung der Wettbewerberanzahl ist eine eindeutig messbare Größe und einer
der relevantesten Parameter eines auktionsintegrierten Beschaffungsprozesses. Den
Lieferanten wird sie während der Auktion häufig jedoch nicht offenbart. Bei einer Rank-
eRA im Falle einer englischen oder einer holländischen Auktion mit verdeckten
Teilnehmern ist es gerade das Ziel des beschaffenden Unternehmens, die Bieter über die
Anzahl ihrer Konkurrenten im Unklaren zu lassen. Insgesamt sind die verdeckte
holländische und die Rank-eRA jedoch weit weniger verbreitet als die normale englische
Auktion. Sollten die Wettbewerber während des Auktionsprozesses wirklich im Unklaren
über die Anzahl der Konkurrenten sein, so stellt die Anzahl der Wettbewerber eine derart
670 Vgl. Tully, 2000; Vgl. Cohn, 2000, S. 36 f.; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl. Mabert/Skeels, 2002,
S. 70; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117. 671 Vgl. Tully, 2000; Vgl. Cohn, 2000, S. 36 f.; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 983; Vgl. Mabert/Skeels, 2002,
S. 70; Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117; vergleiche dazu auch die Gegenüberstellung der Erhebungen in Kapitel 4.2.1.
672 Zu möglichen Verfahren der Erfassung der erzielten Preisreduktionen Vgl. Millet et al., 2004, S. 173. 673 Zur Relevanz und Häufigkeit der Feedbackgespräche siehe auch: Arnold et al., 2005, S. 125, und
Kaufmann, 2003a, S. 207.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
118
zentrale Komponente des Verhandlungsprozesses dar, dass davon auszugehen ist, dass sie
in die Feedbackanalysen für die Lieferanten mit aufgenommen wird. Die prozentuale
Veränderung der Wettbewerberanzahl wird deshalb ebenfalls in einem metrischen
Skalenniveau erfasst. Tabelle 10 stellt dieses dar.
Level der Erhöhung
der
Wettbewerberanzahl
Keine oder
Verringerung
0-10 % 10-20 % 20-30 % >30 %
Zugeordnete Stufe im
Messmodell
1 2 3 4 5
Tabelle 10: Erfassung des Anstiegs der Wettbewerberanzahl
Für den Fall, dass einzelne Umfrageteilnehmer keine Kenntnis über die Veränderung der
Wettbewerberzahl durch eRAs haben, wurde zudem ein Feld „keine Einschätzung“
integriert. Die mangelnde Einschätzungsfähigkeit bezüglich der Veränderung des
Parameters kann dabei ebenso gut in einer mangelnden Kenntnis der Wettbewerberanzahl
in vorherigen Verhandlungsverfahren (Face-to-Face-Verhandlung oder Ausschreibung)
begründet sein.
Operationalisierung der Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses
Die Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses und dadurch die Absenkung der damit
verbundenen Kosten durch elektronische Beschaffungsauktionen ist ein metrisch genau
erfassbares Konstrukt. Die mit den einzelnen Prozessschritten verknüpften
Kostenkomponenten können in einem ERP-System erfasst und durch einen Vergleich der
beiden Verteilungsverfahren abgeglichen werden. Eine solch genaue Messung ist jedoch in
der Praxis nicht begründbar. So müssten beispielsweise die Vertriebsmitarbeiter jede ihrer
Aktivitäten einzeln erfassen, was zu einem ungerechtfertigten bürokratischen Mehraufwand
führen würde. Die Messung der Veränderung des Vertriebsprozesses wird daher ebenfalls
als latentes Konstrukt durchgeführt. Mackay/Rosier (1996) untersuchten den Einfluss der
Einführung von electronic data interchange (EDI) auf die Kostenstrukturen in
Unternehmen.674 Sie separierten dazu unterschiedliche Kostenkomponenten und fragten auf
einer Fünf-Punkte-Likert-Skala ab, ob die Einführung von EDI zu einer Kostensteigerung
674 Vgl. Mackay/Rosier, 1996.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
119
oder Kostenreduzierung führt.675 Zu Kostenkomponenten, die auf Vertriebsseite durch
eRAs betroffen sein könnten, existieren noch keine quantitativen Befunde. Die junge
Auktionsforschung hat sich in der Vergangenheit primär auf die einkaufende Marktseite
beschränkt. Drei mögliche betroffene Kostenkomponenten werden hier genannt:
- die Anzahl der Mitarbeiterstunden, die für einen Einkaufsprozess aufgewendet
werden müssen;676
- administrative Aufwendungen, beispielsweise für Reisen oder
Telekommunikation;677
- Kapitalkosten durch beschleunigte Prozesse und damit Cash Cycle.678
Die drei Komponenten lassen sich, wie in Kapitel 4.2.3 dargelegt, auf die anbietende
Marktseite übertragen. So führen die wegfallenden Face-to-Face-Verhandlungen auf beiden
Seiten zu einer Reduktion der Mitarbeiterstunden, auch werden durch dieses Wegfallen die
Reisekosten auf allen Marktseiten reduziert. Der Cash Cycle beschreibt die Dauer der
Kapitalbindung innerhalb eines Unternehmens. Durch einen beschleunigten
Vertriebsprozess können produzierte Waren schneller abgesetzt werden, und der
Kapitalumschlag wird beschleunigt. Durch diese Senkung des gebundenen Kapitals sinken
die Kapitalkosten. In der folgenden Tabelle 11 sind die aus diesen Ableitungen
entwickelten drei Indikatoren zur Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses aufgeführt.
1 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten Mitarbeiterstunden
durch eRAs
2 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten administrativen Kosten
(beispielsweise für Reisen oder Telekommunikation) durch eRAs
3 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten absoluten Zeit (Cash
Cycle)
Tabelle 11: Operationalisierung der Kostensenkungen im Vertriebsprozess
Operationalisierung des Verlustes an relativer Markttransparenz
Der Verlust an relativer Markttransparenz setzt sich in dem Modell aus den absoluten
Verschiebungen der Markttransparenz des eigenen Unternehmens, des beschaffenden
675 Mackay/Rosier, 1996 bezeichnen dabei die Kostenreduktionen als „net benefit“, also als
Gewinnsteigerung. 676 Vgl. Emiliani, 2000, S. 177. 677 Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 48. 678 Vgl. Beall et al., 2003, S. 29.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
120
Unternehmens und der um den Auftrag konkurrierenden anderen Zuliefererunternehmen
zusammen. Um eine konsistente Erfassung zu gewährleisten, werden die drei absoluten
Markttransparenzverschiebungen sowie der Verlust an relativer Markttransparenz der
Lieferanten mit denselben Indikatoren operationalisiert.
Markttransparenz entsteht durch die Menge und die Charakteristika der einer Institution zur
Verfügung stehenden Informationen. Letztere lassen sich auch als Informationsqualität
beschreiben. Mohr/Spekman (1994)679 sowie Mohr/Spekman (1996)680 untersuchen den
Einfluss von Informationsqualität bei der Informationsweitergabe auf den Partnership-
Erfolg in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen. Mohr/Sohi (1995) verfolgen ähnliche
Fragestellungen.681 In den Veröffentlichungen wird Informationsqualität über die vier
Indikatoren Vollständigkeit, Genauigkeit, Rechtzeitigkeit und Glaubwürdigkeit
operationalisiert.682 Die vier Indikatoren eignen sich sehr gut für die Abfrage nach der Güte
eines Markttransparenzgewinns eines Akteurs durch eine elektronische
Beschaffungsauktion. Besonders geeignet ist die Vollständigkeit der Marktinformationen.
Durch eine eRA wird eine Vielzahl neuartiger Daten generiert683, die unterschiedlichen
Marktteilnehmern in unterschiedlicher Quantität zur Verfügung stehen. Die
Informationsmenge, die man aus diesem automatisch generierten Datenpool erhält, sollte
sich direkt auf den Grad der Änderung der Markttransparenz auswirken. Tabelle 12 stellt
die gesamten Indikatoren zur Verschiebung der Markttransparenz dar.684
1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen durch eRAs
2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen durch eRAs
3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen durch eRAs
4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen durch eRAs
Tabelle 12: Operationalisierung der absoluten MT-Erhöhung
679 Vgl. Mohr/Spekman, 1994. 680 Vgl. Mohr/Spekman, 1996. 681 Vgl. Mohr/Sohi, 1995. 682 Vgl. Mohr/Spekman, 1994, S. 152; Vgl. Mohr/Spekman, 1996, S. 37; Vgl. Mohr/Sohi, 1995, S. 405.
Zusätzlich übernehmen Tuten/Urban, 2001, S. 151 die von Mohr und seinen Kollegen eingeführte Operationalisierung.
683 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 125. 684 In das Indikatorenset werden dann die Begriffe „absolute“ und „relative Markttransparenz“ sowie „das
beschaffende Unternehmen“, „das eigene Unternehmen“ und „konkurrierende Unternehmen“ eingesetzt.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
121
Operationalisierung der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
Bei der Beschreibung und Messung interorganisationaler Fairness setzt sich immer stärker
ein vierdimensionaler Ansatz durch (vergleiche auch Kapitel 4.3.2).685 Er separiert eine
distributive Fairness, eine Prozessfairness sowie eine informationelle und eine
interpersonelle Fairness. Alle diese Fairnessdimensionen sind durch die Einführung von
eRAs betroffen und sollten deshalb in die Messung der Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments einfließen. Die informationelle und eine interpersonelle Fairness
werden in der Literatur jedoch häufig zur Interaktionsfairness zusammengefasst, aus der sie
entstanden sind.686 Die vorliegende Abhandlung folgt dieser Vorgehensweise. Dies
geschieht zum einen, um die in einer eRA eher sekundäre menschliche Interaktion nicht
überzugewichten. Zum anderen, da die Menge und Qualität der zur Verfügung gestellten
Informationen (informationelle Fairness) in einer eRA bereits Bestandteil der prozessualen
Fairness ist. Lou (2007) untersucht, welche wechselseitigen Beziehungen sich zwischen
den drei Fairnessdimensionen in einer strategischen Geschäftsbeziehung ergeben.687 Dabei
werden zur Messung der prozeduralen Fairness acht Teilprozesse, beispielsweise die
Warenübergabe, gebildet und nach deren Fairnesseinschätzung gefragt. Eine Einteilung des
eRA-gestützten Einkaufsprozesses in einzelne Schritte liefern Arnold et al. (2005). Sie
separieren die Analysephase, die Auktionsanbahnung, die Vereinbarungs- und die
Abwicklungsphase.688 Die Analysephase dient in erster Linie dazu, die Auktionierbarkeit
des Gutes zu bestimmen, und die Lieferanten sind von diesem Schritt noch nicht direkt
betroffen. Die Abwicklungsphase ist zudem nicht auktionsspezifisch und würde nach dem
Ergebnis einer Face-to-Face-Verhandlung oder einer Ausschreibung ähnlich aussehen. In
dieser Arbeit wird daher die Fairness in der Anbahnungs- und -vereinbarungsphase
abgefragt.
Die Interaktionsfairness lässt sich in eine informationelle und eine interpersonelle
Dimension untergliedern, die zu unterschiedlichen Effekten führen können (siehe Kapitel
4.3.1). Informationelle Fairness beschreibt die „Offenheit und Ehrlichkeit der
685 Vgl. Colquitt, 2001; Vgl. Aholt et al., 2008. Einen guten Überblick hierzu liefert auch die
Zusammenfassung zum „State of the Art“ der Fairnessforschung von Nöcke, 2010. 686 Vgl. Lou, 2007. 687 Vgl. Lou, 2007. 688 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 117.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
122
Kommunikation“689. Interpersonelle Fairness bezieht sich auf die Art und den Umfang der
personellen Interaktion.690 Beide Dimensionen werden direkt abgefragt.
Die distributive Fairness beschreibt die Verteilungsgerechtigkeit der eRA-gestützten
Verhandlung. Diese Verteilungsgerechtigkeit wird in der vorliegenden Arbeit von dem
Anreiz-Beitrags-Prinzip abgeleitet.691 Dazu werden die Anreize und Beiträge der einzelnen
in die Interaktion verwickelten Teilnehmer gegenübergestellt und abgeglichen. Lou (2007)
nutzt zur Messung der distributiven Fairness beispielsweise den Indikator: „[…] fairness of
reward and return sharing in view of each partyscontributed resources.”692 Bei
Durchführung einer eRA sind mit dem einkaufenden und den liefernden Unternehmen zwei
Parteien beteiligt. Die Wahrnehmung der distributiven Fairness wird über die eingebrachten
Ressourcen beider Marktseiten gemessen. Tabelle 13 fasst die Indikatoren der
Fairnessmessung zusammen:
1 Fairness während der Auktionsanbahnung
2 Fairness während der Auktionsgestaltung
3 Offenheit und Ehrlichkeit des einkaufenden Unternehmens beim auktionsgestützten
Beschaffungsprozess
4 Persönlicher Umgang durch die Einkäufer im auktionsgestützten
Beschaffungsprozess
5 Fairness gemessen an den vom liefernden Unternehmen eingebrachten und
erhaltenen Ressourcen
6 Fairness gemessen an den vom beschaffenden Unternehmen eingebrachten und
erhaltenen Ressourcen
Tabelle 13: Operationalisierung der Fairnesswahrnehmung von eRAs
Operationalisierung des eRA-Einflusses auf die Beziehungsqualität
Eine Fülle an Untersuchungen hat sich mit Merkmalen der Beziehungsqualität zwischen
Lieferanten und Abnehmern und deren Operationalisierung beschäftigt. Large (2003)
verwendet beispielsweise Vertrauen, Konflikte, Konflikthandhabung, Bereitschaft zur Hilfe
bei aktuellen Problemen und Kooperationsbereitschaft als Messindikatoren für das
689 Vgl. Nöcke, 2010, S. 5. 690 Vgl. Coquitt, 2001, S. 427. 691 Vgl. Maier et al., 2007, S. 98. 692 Vgl. Lou, 2007, S. 653.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
123
Konstrukt Beziehungsqualität.693 Für Homburg/Kiedaisch (1999) besteht
Beziehungsqualität aus den Elementen Zufriedenheit, Vertrauen, langfristige Orientierung
und der beabsichtigten Ausweitung der Geschäftsbeziehung.694 Maloni/Benton (2000)
konstruieren sie aus den Indikatoren Verpflichtung, Vorhandensein von Konflikten,
Konfliktlösung, Kooperation und Vertrauen.695 Bei Kumar et al. (1995) wird die
Beziehungsqualität mit den Elementen Vertrauen, Commitment, Konflikt,
Investitionsbereitschaft und Dauer der Beziehung operationalisiert.696 Es fällt auf, dass alle
genannten Operationalisierungen Vertrauen als zentralen Bestandteil der
Beziehungsqualität begreifen.697 Zusätzlich gehen fast alle Messsysteme auf Konflikte und
eine Verpflichtung oder ein Commitment gegenüber dem Geschäftspartner ein. Diese
Indikatoren sollen auch in der vorliegenden Analyse Verwendung finden. Zusätzlich wird
der von Large (2003) genutzte Indikator „Bereitschaft zur Hilfe bei aktuellen Problemen“698
verwendet. Wie bereits beschrieben, können die gesunkenen Preise durch eRAs als eine
Verschiebung des Anreiz-Beitrags-Verhältnisses angesehen werden. Die „Bereitschaft zur
Hilfe bei aktuellen Problemen“ beschreibt ein Einverständnis zu Hilfestellungen für den
Kunden, die für das eigene Unternehmen mit einigem Aufwand verbunden sind, ohne dass
direkte Gegenleistungen verlangt werden. Sie ist die Bereitschaft zu zusätzlichen Beiträgen
ohne die Kompensation durch weitere Anreize. Zusammenfassend ergeben sich die
folgenden fünf Indikatoren zur Operationalisierung des Konstrukts „eRA-Einfluss auf die
Beziehungsqualität“.
1 Veränderung des Vertrauens gegenüber dem beschaffenden Unternehmen durch eRAs
2 Veränderung der Bereitschaft, dem beschaffenden Unternehmen bei aktuellen
Problemen zu helfen, durch eRAs
3 Veränderung des Commitments gegenüber dem beschaffenden Unternehmen
4 Veränderung der Investitionsbereitschaft in das beschaffende Unternehmen durch
eRAs
5 Veränderung der Konflikte mit dem beschaffenden Unternehmen durch eRAs
Tabelle 14: Operationalisierung des eRA-Einflusses auf die Geschäftsbeziehung
693 Vgl. Large, 2003, S. 144. 694 Vgl. Homburg/Kiedaisch, 1999, S. 28. 695 Vgl. Maloni/Benton, 2000. 696 Vgl. Kumar et al., 1995. 697 Zur selben Ansicht kommt Large, 2003, S. 143. 698 Vgl. Large, 2003, S. 144.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
124
6.2 Darstellung des Messverfahrens zur Wahrscheinlichkeit von
Gegenreaktionen
6.2.1 Die logistische Regression
Die Untersuchung der Auswirkung der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
eRA auf konkrete Gegenreaktionen der Lieferanten kann nicht mithilfe von
Strukturgleichungsmodellen geleistet werden. Hier geht es um die statistische Beurteilung
zwischen einer nominalskalierten Variablen (Gegenreaktion: ja/nein) und mindestens einer
unabhängigen Variablen (Fairnesswahrnehmung gemessen über Likert-Skala). Ein solcher
Zusammenhang ist über eine logistische Regression messbar.699 Sie lässt sich aus der
häufig verwendeten linearen Regression herleiten.700 Diese geht von einem linearen
Zusammenhang zwischen einer oder mehreren abhängigen Variablen (x) und der
unabhängigen Variablen (y) aus. Beispielhaft betrachten wir folgende lineare
Regressionsgleichung:
ixbay
In drei Transformationsschritten lässt sich nun die logistische Regression herleiten.
Zielsetzung ist dabei, dass auf der rechten Seite des Gleichheitszeichens der Ausdruck a +
b xi. bestehen bleibt. Er variiert dabei zwischen -∞ und +∞. Der Ausdruck auf der linken
Seite des Gleichheitszeichens muss somit auch zwischen -∞ und ∞ variieren und
gleichzeitig eine dichotome Variable (ja/nein) abbilden können. Die Transformation in den
einzelnen Schritten lautet wie folgt:701
1. Schritt: Anstelle der metrischen Variable y tritt die Wahrscheinlichkeit, dass
diese die Ausprägung y = 1 aufweist. Sie wird mit pi = 1 abgekürzt. pi variiert
zwischen 0 und 1.
2. Schritt: Nun wird die Eintrittswahrscheinlichkeit pi der
Nichteintrittswahrscheinlichkeit 1 - pi gegenübergestellt. Man spricht dabei von den
699 Vgl. Diaz-Bone/Künemund, 2003, S. 2. 700 Die lineare Regression erlaubt ohne Transformation keine Bestimmung eines Zusammenhangs zwischen
einer metrischen und einer nominal skalierten Variablen. Vgl. dazu auch: Diaz-Bone/Künemund, 2003, S. 2.
701 Zur Vertiefung dieses Transformationsschrittes Vgl. Diaz-Bone/Künemund, 2003, S. 4 f.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
125
Odds des Ereignisses. Dieser Ausdruck variiert nun zwischen 0 und +∞, jedoch
noch nicht zwischen -∞ und 0. Ein weiterer Transformationsschritt ist somit
erforderlich.
3. Schritt: Im letzten Schritt wird der gesamte Ausdruck logarithmiert und erhält
damit einen Variationsbereich bis -∞. In dem dargestellten Fall mit zwei Variablen
kommen wir von der allgemeinen Form
ixba i
i
p-1
pln
Zu
)(0)P(Y
1)P(Yln
1)P(Y-1
1)(Y Pln
p-1
pln
i
ipLogit
Löst man nun die Formel nach p (Y=1)- der eigentlich gesuchten
Wahrscheinlichkeit- auf, so erhält man folgende Gleichung:
)(i
e1
1p
ibxa
Die Wahrscheinlichkeitswerte für alle möglichen x-Werte (die einen
Variablenbereich von -∞ bis +∞ einnehmen können) bewegen sich nun stets
zwischen 0 und 1. Mit diesem Wertebereich ist es möglich, die Wahrscheinlichkeit
für das Auftreten nominalskalierter Ereignisse zu erfassen.
Die Durchführung der logistischen Regression ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen
gebunden, die vor der Anwendung zu testen sind. Zwei Anforderungen stehen dabei im
Vordergrund:
- Zunächst sollte zwischen den unabhängigen Variablen keine Multikollinearität
vorliegen, damit Verzerrungen in den Parameterschätzungen vermieden werden.702
702 Vgl. Menard, 2001, S. 75 ff.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
126
- Zusätzlich sollte jede der abhängigen Variablen aus mindestens 25 Fällen
bestehen.703
6.2.2 Gütebeurteilung von logistischen Regressionsmodellen
Nach der Interpretation des Regressionskoeffizienten grenzen Backhaus et al. (2011) die
Prüfung des Gesamtmodells von der Prüfung einer Merkmalsvariablen zur Bewertung der
Ergebnisse einer logistischen Regression voneinander ab.704 Die Prüfungen des
Gesamtmodells beantworten dabei zwei Fragestellungen: zum einen, wie gut die
Parameterschätzungen in ihrer Gesamtheit das definierte Regressionsmodell abbilden. Zum
anderen, ob extreme Beobachtungsfälle vorliegen. Treten diese nur vereinzelt auf, sind sie
zu eliminieren. Bei gehäuftem Auftreten ist eventuell eine Modellanpassung
vorzunehmen.705 Die Prüfung der Merkmalsvariablen soll Aufschluss über ein mögliches
Modell-Overfitting, das Vorliegen zu vieler erklärender Variablen, geben.706 Innerhalb der
Prüfung des Gesamtmodells lassen sich wiederum drei Arten von Gütekriterien
systematisieren: Gütekriterien auf Basis der Loglikelihood-Funktion; Pseudo-R2-Statistiken
und die Beurteilung der Klassifikationsergebnisse. Zur ersten Kategorie gehören die
Analyse der Devianz und der Likelihood-Ratio-Test. Als Pseudo-R2-Statistiken werden
meist McFaddens-R2, Cox & Snell-R2 oder Nagelkerke-R2 verwendet. Die Beurteilung der
Klassifikationsergebnisse kann direkt über eine Analyse der Klassifikationsmatrix oder
über den Press‘s-Q-Test erfolgen.
Gütekriterien auf Basis der Loglikelihood-Funktion
Analyse der Devianz bzw. des -2 Loglikelihood-Werts: Der Likelihood-Wert gibt die
Wahrscheinlichkeit an, anhand der die gegebenen Parameterschätzungen die empirischen
Werte erhalten.707 Mithilfe der Devianz kann folgende Hypothese getestet werden:
H0: Das Modell besitzt eine perfekte Anpassung.
H1: Das Modell besitzt keine perfekte Anpassung.
703 Vgl. Hosmer/Lemeshow, 2000, S. 339 ff. 704 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 267 ff. 705 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 277 f. 706 Ebenda. 707 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 267.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
127
Bei einem geringen Devianzwert kann die Nullhypothese nicht abgelehnt werden; es ist auf
eine gute Anpassung des Modells zu schließen. Der kritische Wert zur Prüfung der Devianz
ist der χ2-Tabelle zu entnehmen.708 Neben der Angabe des gewünschten alpha-Wertes
benötigt man dazu die Anzahl der Freiheitsgrade (df), die sich wie folgt berechnet:
1 JKdf
Dabei stellt K den Stichprobenumfang und J die Anzahl der Gruppen dar. Bei Anwendung
des Gütemaßes ist zu berücksichtigen, dass es bei stark asymmetrischen Verteilungen der
Merkmalsgruppen zu Verzerrungen kommen kann.709
Pseudo-R2-Statistiken
Diese prüfen die Güte des Gesamtmodells. Häufig verwendet wird das Prüfmaß
Nagelkerke-R2, welches aus Cox & Snell-R2 hervorgegangen ist.
Cox & Snell-R2 ist wie folgt definiert:
L
L
V
0K
2
2 1R Snell &Cox
Da es jedoch den Maximalwert von 1 nie erreichen kann, ist keine eindeutige inhaltliche
Interpretation des Gütemaßes möglich.710 Nagelkerke schlug eine Modifikation des Cox &
Snell-R2 vor, die wie folgt definiert ist.
2max
22
R
RRNagelkerke
Werte von über 0,5 werden beim Nagelkerke-R2 dabei als sehr gut angesehen.711
Beurteilung der Klassifikationsergebnisse 708 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 573. 709 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 267. 710 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 270. 711 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 271.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
128
Der letzte Schritt der Gütebeurteilung kann durch eine direkte Beurteilung der
Klassifikationsergebnisse oder mithilfe eines Testverfahrens (Press‘s-Q-Test oder Hosmer-
Lemeshow-Test) erfolgen. Aufgrund der höheren Pragmatik wird ein präzises
Testverfahren, der Press‘s-Q-Test, gewählt. Der Test berechnet sich wie folgt:
)1(
a]G(K-[KQ Press`s
2
GK
Der kritische Prüfwert wird nun der Chi-Quadrat-Verteilung mit einem Freiheitsgrad von 1
entnommen.712 In der folgenden Tabelle 15 finden sich die in der Analyse verwendeten
Gütemaße zur Beurteilung des Modellfits der logistischen Regression zusammenfassend
dargestellt:
Name des Gütekriteriums Akzeptabler Wertebereich
Devianz (-2LL Wert)
Devianzwert nahe 0
Signifikanzniveau nahe 1
Nagelkerke-R2 Akzeptabel, ab Werte >0,2; gut ab >0,4
Press‘s-Q-Test Möglichst hoher Chi-Quadrat-Wert
Signifikanzniveau <5 %
Tabelle 15: Gütemaße des Modellfits der logistischen Regression
6.3 Darstellung der Datenerhebung
6.3.1 Form und Gestaltung der Erhebung
Auswahl der Erhebungsart
Aufgrund der relativen Neuartigkeit des Beschaffungsinstruments befindet sich die
Forschung zu eRAs noch in ihrem Anfangsstadium.713 Auch die Analyse und Erhebung zu
Marktstrukturveränderungen als Ursache für Veränderungen im Lieferantenverhalten und
der Ausprägung dieser Verhaltensänderungen ist neu und mit bisherigen
Forschungsarbeiten nicht zu vergleichen. Eine Sekundärerhebung, die auf vorhandene
Datensätze zurückgreift, ist deshalb nicht möglich. Eine Primärerhebung ist durchzuführen.
Dies bietet zudem den Vorteil, dass die Erhebung genau auf das Forschungsdesign
712 Vgl. Backhaus et al., 2011, S. 271. 713 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
129
abgestimmt werden kann und erhöht die Aktualität des Datensatzes. Weiterhin wurde eine
standardisierte Befragung verwendet.714 Hier finden genaue Festlegungen aller Fragen und
Antwortmöglichkeiten sowie deren Zuordnung zueinander statt.715 Dadurch war eine bei
allen Befragten identische Interviewsituation gewährleistet; variierende Interpretationen auf
Probanden und auf Forscherseite können ausgeschlossen werden.716 Standardisierte
Fragebogen lassen sich in vier verschiedene Ausprägungen untergliedern: schriftlich;
elektronisch; telefonisch und Face-to-Face. Jedes der Verfahren bietet Vor- und Nachteile.
Die Stärken der elektronischen Befragung wiegen bei der vorliegenden Untersuchung
jedoch besonders schwer.
- Leichte und bequeme Handhabung für die Teilnehmer: Der Zugang zu dem
Fragebogen erfolgt durch Anklicken eines Links in einer den Probanden
zugesandten E-Mail. In einem Arbeitsschritt kann der gesamte Bogen nun am
Rechner ausgefüllt werden. Zu der leichten Handhabung gehört auch die
Kostenersparnis durch einen geringeren administrativen Aufwand mit materiellen
Postsendungen. Die einfache Bearbeitung führt zu einem hohen Komfort auf
Probandenseite und wirkt sich positiv auf die Rücklaufquote aus.
- Erhöhte Datenqualität: Die Daten einer elektronischen Befragung können meist
direkt auf dem Umfragetool in Excel, SPSS oder andere Auswertungsprogramme
übertragen werden. Somit entstehen keine Medienbrüche, und fehleranfällige
manuelle Übertragungen werden vermieden.717
- Geringere Kosten: Die Versendung von Fragebogen über das Internet ist nahezu
kostenfrei. Auf diese Weise ist auch bei beschränkten Budgets die Erreichung großer
und damit valider Fallzahlen möglich. Eine empirische Gegenüberstellung der
Kosten verschiedener Befragungsmethoden liefern Cabanoglu et al. (2001).718
- Erhöhte Geschwindigkeit: Sowohl die Zusendung als auch die Rücksendung
ausgedruckter Fragebogen nimmt Zeit in Anspruch, die bei elektronischen
Befragungen eingespart werden kann. Zudem ist davon auszugehen, dass
schriftliche Befragungen nach ihrem Eintreffen bei den Probanden nicht sofort
ausgefüllt und nach der Bearbeitung nicht direkt zurückgesandt zu werden. Eine
empirische Überprüfung des Zeitaufwands der unterschiedlichen
714 Vgl. Böhler, 1992, S. 77 f. 715 Vgl. Prim/Tilmann, 2000, S. 54. 716 Vgl. Schnell et al., 1999, S. 301. 717 Vgl. Nieschlag et al., 2002, S. 566. 718 Vgl. Cabanoglu et al., 2001, S. 449 f.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
130
Befragungsmethoden liefern ebenfalls Cabanoglu et al. (2001).719 Auch sie
bestimmten das elektronische Verfahren als das zeitgünstigste.
Aufgrund der genannten Vorteile wurde die Befragung elektronisch durchgeführt und der
Fragebogen per E-Mail versandt. Als Software zum Set-up des Erhebung nutzten wir die
Plattform „unipark.de“. Diese bietet neben einer klaren Struktur und einfachen
Handhabbarkeit auch die Funktion einer direkten Datenübertragung in die
Analyseinstrumente Excel und SPSS.
Auswahl der Fragebogengestaltung
Bei der Gestaltung des Fragebogens waren verschiedene, teils divergierende Ziele zu
berücksichtigen. Die umfangreichen inhaltlichen Fragestellungen sollten aufbereitet
werden, ohne die Probanden zu ermüden, zudem sollte den zwei unterschiedlichen
Forschungs- und Analysedesigns Rechnung getragen werden. Der Fragebogen wurde in
fünf Teile gegliedert.
Im ersten Teil wurde den Probanden der in dem Fragebogen verwendete eRA-Begriff
erläutert und allgemeine Hinweise zur Bearbeitung gegeben. Zudem wurden die
Teilnehmer gebeten, ihre Antworten auf alle im Jahr 2009 durchgeführten Auktionen zu
beziehen.
Der zweite Teil stellte allgemeine Fragen zu dem partizipierenden Unternehmen und zu
den Beschaffungsauktionen, an denen es bisher als Anbieter teilgenommen hat. Er
enthielt beispielsweise Fragen nach dem Umsatz, der Mitarbeiterzahl des Unternehmens
oder der Anzahl und Art der durchgeführten eRAs.
Im dritten Teil wurden die Indikatoren der von eRAs verursachten
Marktstrukturveränderungen abgefragt.
Der vierte Teil bestand aus Indikatoren zur Operationalisierung der latenten Konstrukte
„Fairness von eRAs“ und „Auswirkung der eRAs auf die Geschäftsbeziehung“. Die
latenten Konstrukte im dritten und im vierten Teil wurden mit einer siebenstufigen
Likert-Skala gemessen.720
Der fünfte Teil widmete sich den Gegenreaktionen zu eRAs. Dabei wurde zuerst erfragt,
ob das Unternehmen Maßnahmen in einem der Felder „verhandlungsbezogene
Gegenmaßnahmen“, „Kompensationsversuche finanzieller Einbußen“ und „strategische
719 Ebenda. 720 Vgl. Diekmann, 2010, S. 209 ff.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
131
Neuausrichtungen“ durchführte. Danach wurde die Frage gestellt, wie diese
Maßnahmen konkret ausgestaltet waren.
6.3.2 Zielgruppe der Befragung
Eine Erfassung und Einbeziehung aller in einem bestimmten Referenzjahr an
Beschaffungsauktionen teilnehmenden Lieferanten im deutschsprachigen Raum ist aus
Zeit- und Kostengründen nicht möglich. Es muss somit eine Teilerhebung durchgeführt
werden, die Aussagen über die Verhältnisse in der Grundgesamtheit ermöglicht.721
Innerhalb der Teilerhebung ist die zufallsgesteuerte Auswahl von der nicht
zufallsgesteuerten Auswahl zu unterscheiden.722 Die erstgenannte Auswahl ermöglicht
dabei die Anwendung der Inferenzstatistik, die die zweifelsfreie Übertragung der
gemessenen Werte auf die Grundgesamtheit ermöglicht.723
Die Repräsentativität der Stichprobe beschreibt die Übertragbarkeit der darin gemessenen
Ergebnisse auf die Grundgesamtheit. Im hier vorliegenden Fall ist dies die Übertragbarkeit
der gemessenen Gegenreaktionen zu eRAs und deren Ursachen auf alle als Anbieter an
Beschaffungsauktionen teilnehmenden Lieferanten im deutschsprachigen Raum. Die
genaue Messung der Repräsentativität durch einen Abgleich der in der Grundgesamtheit
vorliegenden interessierenden Parameter mit denen der Stichprobe ist meist ausgeschlossen.
Die Unbekanntheit der Ersteren ist ja die Motivation der Erhebung. Man unterstellt deshalb,
dass eine zufällig gezogene Stichprobe ein gutes Abbild der in der Grundgesamtheit
relevanten Charakteristika ergibt.724 Eine Zufallsauswahl liegt vor, wenn jede Einheit der
Grundgesamtheit eine Wahrscheinlichkeit größer null besitzt, um in die Stichprobe
aufgenommen zu werden.725 Damit ist – im Unterschied zu willkürlichen bzw. bewusst
gezogenen Samples – die Berechnung eines Stichproben- bzw. Zufallsfehlers möglich.726
Im vorliegenden Fall ist jedoch die Grundgesamtheit – alle im deutschsprachigen Raum als
Anbieter an eRAs teilnehmenden Unternehmen – unbekannt, und die Kriterien einer
Zufallsstichprobe liegen nicht vor. Ein non-response-bias kann nicht berechnet werden.727
721 Vgl. Kromrey, 2009, S. 258. 722 Vgl. Kromrey, 2009, S. 271 f. 723 Vgl. Friedrichs, 1990, S. 125. 724 Vgl. Hauptmanns, 1999, S. 26 f. 725 Vgl. Berekoven et al., 1996, S. 51. 726 Ebenda. 727 Vgl. Hauptmanns, 1999, S. 26f.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
132
Die Relevanz der Wahrnehmung elektronischer Beschaffungsauktionen beschränkt sich
nicht auf einzelne Teilbereiche oder gar Akteure eines Unternehmens. So fallen
verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen primär in die konkrete Zuständigkeit des
Vertriebs; Qualitätsanpassungen werden in der Produktion vorgenommen und strategische
Neuausrichtungen vom oberen Management beschlossen. Wünschenswert wäre aus diesem
Grund, alle mit Gegenmaßnahmen befassten Personen zu befragen und deren Antworten in
einem zweiten Schritt zu gewichten. Diese Vorgehensweise ist jedoch aufgrund des hohen
Erhebungsaufwands und einer stellenweise unmöglichen Durchführbarkeit ausgeschlossen.
Daher wurde auf das Konzept der Schlüsselinformanten (key informants)
zurückgegriffen.728 Hier stammen die Daten nur von einem Unternehmensmitglied, das
über die relevanten Sachverhalte Auskunft gibt.729 Entscheidend bei dieser Vorgehensweise
ist, dass dieser Informant über die zu untersuchenden Sachverhalte volles Wissen besitzt.
Zudem muss von den Forschern darauf geachtet werden, dass durch das einseitige
Rückgreifen auf den key informant keine informatorische Verzerrung geschieht. Stets ist zu
berücksichtigen, dass key informants Sachverhalte primär aus ihrer Sichtweise und
Erinnerung berichten und so die Gewinnung eines objektiven Bildes erschweren.730
Für die vorliegende Studie wurden die in Beschaffungsauktionen bietenden
Vertriebsmitarbeiter als Schlüsselinformanten identifiziert. Einerseits sind sie das
Sprachrohr, über das kundenseitige Veränderungen, wie die Einführung eines neuartigen
Verhandlungsinstruments, in die liefernde Organisation kommuniziert werden. Ihre
Wahrnehmung bestimmt dadurch die Wahrnehmung im gesamten Unternehmen mit.
Andererseits sind die Vertriebsmitarbeiter an sämtlichen Gegenreaktionen entweder direkt
beteiligt oder zumindest in diese eingeweiht. So besitzen sie beispielsweise Kenntnis über
Entscheidungen des Managements, in Zukunft vermehrt nach Kunden ohne eRA-
Anwendung zu suchen. Ebenso über Preisanpassungen und Qualitätsreduktionen oder
Serviceminderungen werden sie zwangsläufig eingeweiht. Eine ähnliche Vorgehensweise
der ausschließlichen Befragung von key informants als Informationsquelle zu
728 Vgl. Friedrichs, 1990, S. 304f. 729 Vgl. Nicolai/Kieser, 2004b, S. 6. 730 Vgl. Nicolai/Kieser, 2004a, S. 633.
Methodische Grundlagen und Konzeption der empirischen Analyse
133
elektronischen Beschaffungsauktionen findet sich unter anderem bei Arnold/Schnabel
(2007); Arnold et al. (2005) und Germer (2008) wieder.731
Die Tatsache, dass lediglich mit Auktionen betraute Vertriebsmitarbeiter, nur wirkliche
Schlüsselinformanten also, die Fragen beantworten, wurde mit drei Maßnahmen
sichergestellt.
1. Der Fragebogen wurde primär an vorab bekannte Personen mit Auktionserfahrung
gesendet. Diese hatten meist bereits an einer vorgelagerten Befragung zu demselben
Themenkomplex teilgenommen.732 Viele waren auch persönlich bekannt.
2. Zu Beginn des Fragebogens wurde eine kurze Erläuterung des eRA-Begriffs
gegeben. Vertriebsmitarbeitern, die nicht direkt mit Auktionen betraut sind, sollte
auf diese Weise der Anreiz genommen werden, an der Befragung teilzunehmen, da
die Ergebnisse für sie keinen Mehrwert darstellen.
3. Zusätzlich wurden die Probanden im ersten Viertel des Fragebogens als key
informants validiert. Diese Validierung fand über zwei Mechanismen statt. Zum
einen sollten die Probanden angeben, an wie vielen Auktionen sie in ihrer
beruflichen Laufbahn teilgenommen haben, zum anderen wurde der Zeitraum ihrer
Mitarbeit im Vertrieb erfragt. Ein ähnliches Verfahren wendete Germer (2008) bei
der Validierung der Auktionserfahrung von Einkäufern an.733 Er wertete nur solche
Einkäufer als Schlüsselinformanten, die mindestens ein Jahr im Einkauf beschäftigt
waren und wenigstens eine Auktion durchgeführt hatten. Diese Kriterien übernimmt
die vorliegende Arbeit spiegelbildlich für die Anbieterseite. Als key informants in
der Auswertung werden nur die Vertriebsmitarbeiter, die bereits ein Jahr im Verkauf
arbeiten und bei mindestens einer Auktion als Bieter aktiv waren, berücksichtigt.
731 Vgl. Arnold/Schnabel, 2007; Vgl. Arnold et al., 2005; Vgl. Germer, 2008, S. 242 f., setzen sich detailliert
mit der Anwendbarkeit von key-informant-Befragungen in Bezug auf elektronische Beschaffungsauktionen auseinander.
732 Vgl. Arnold/Schnellbächer, 2010a. 733 Vgl. Germer, 2008, S. 234, verweist dabei auch auf die Vorgehensweise von Kaufmann, 2001, S. 165.
134
7 Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
7.1 Vorbereitende qualitative Analyse und Datengrundlage der
Untersuchung
7.1.1 Aufbau und Vorgehensweise der qualitativen Analyse
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Gewinnung einer möglichst detaillierten
Erkenntnis über Ausbreitung und Ursachen von Lieferantenreaktionen zu elektronischen
Beschaffungsauktionen. Eine solch aggregierte Analyseanforderung ist nur über einen
quantitativen Marktforschungsansatz zu erreichen. Aufgrund der Neuartigkeit des
Forschungsgebiets zu elektronischen Beschaffungsauktionen734 im Allgemeinen und der
nahezu gänzlichen Unerforschtheit hier verknüpfter Lieferantenwahrnehmungen und
Reaktionen wird das gewählte quantitative Verfahren durch eine qualitative Analyse
unterstützt. Qualitative Analysen eigenen sich besonders für Situationen, in denen nur
wenig fundiertes Wissen zu einem Forschungsgebiet vorliegt.735 Der Forschungsansatz hilft
dabei, Hypothesen zu formulieren, die in weiteren Schritten überprüft werden können.736
Als Instrument der qualitativen Analyse wurden Experteninterviews ausgewählt. Sie sind
zentraler Bestandteil des Analyseansatzes und bieten aufgrund einer hohen Zahl an
Freiheitsgraden in den Gesprächen den Vorteil, problemrelevante Informationen offen und
umfassend aufzunehmen.737 Experteninterviews sind meist leitfadengesteuerte738
Befragungen einer Person, die über Wissen verfügt, „das sie zwar nicht alleine besitzt, das
aber doch nicht jedermann beziehungsweise jederfrau in dem interessierenden
Handlungsfeld zugänglich ist“739. Sie weist bezüglich der zu untersuchenden
Forschungsfragen einen erheblichen Wissensvorsprung auf.740 Bei Durchführung der
Experteninterviews in dieser Arbeit wurden vier Zielsetzungen verfolgt:
- Das in Kapitel 4.2 und 4.3 entwickelte Kausalmodell zur Verknüpfung der
Marktstrukturveränderungen mit den Lieferantenwahrnehmungen zu eRAs sollte
validiert und gegebenenfalls erweitert werden. Zusätzlich sollten die Indikatoren des
734 Vgl.Arnold et al., 2005, S. 116. 735 Vgl. Stern, 1980, S. 20 ff. 736 Vgl. Stewart, 2002, S. 423. 737 Vgl. Kepper, 1996, S. 34. 738 Vgl. Liebold/Trinczek, 2002, S. 32. 739 Meuser/Nagel, 1997, S. 484. 740 Vgl. Walter, 1994, S. 271.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
135
Kausalmodells daraufhin überprüft werden, ob sie die latenten Konstrukte
tatsächlich operationalisieren;
- die in Kapitel 5.1.1; 5.2.1 und 5.3.1 entwickelte Systematisierung von
Gegenreaktionen zu elektronischen Beschaffungsauktionen sollte validiert und
gegebenenfalls erweitert werden;
- das in Kapitel 5.1.2; 5.2.2 und 5.3.2 entwickelte logistische Regressionsmodell zur
Verknüpfung der Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA mit
Gegenreaktionen sollte validiert werden;
- außerdem galt es, die Verständlichkeit der Fragenformulierung bei Praktikern
sicherzustellen.
Obwohl die Interviews durch einen geringen Standardisierungsgrad und eine möglichst
natürliche Gesprächssituation gekennzeichnet sind, bietet sich ein grober Leitfaden zu
deren Strukturierung an.741 Die Interviewpartner sollten nicht nur eine entscheidende
Funktion im auktionsgestützten Beschaffungsprozess innehaben, sondern diesen möglichst
vollständig überblicken. Daher wurden Gespräche sowohl mit Anbietern wie auch mit
Abnehmern und mit auf Beschaffungsauktionen spezialisierten Beratern geführt. Als
Interviewpartner wurden persönlich bekannte Entscheidungsträger aus der Praxis
angesprochen, ob sie zu einem Interview bereit wären und auch, ob sie zusätzliche Experten
für weitere Interviews nennen könnten (Schneeballsystem).742 Die Mindestanzahl der
heranzuziehenden Fallstudien variiert abhängig von dem zu untersuchenden Sachverhalt.
Sie muss ausreichend sein, „to provide a sufficient (not statistically so) body of
observations with which to „flesh out“ the model and permit the development of some
generalizations to account for divergences in observations“743. Dieser Zustand ist häufig bei
sechs bis zehn Fallstudien erreicht.744 Zur Verfeinerung des Modells dieser Arbeit wurden
acht Fallstudien herangezogen. Zwei der Befragten arbeiten in Beschaffungsabteilungen
großer Konzerne, fünf in meist kleineren Zuliefererunternehmen und einer der Befragten ist
bei einer auf die Durchführung von Beschaffungsauktionen spezialisierten Beratungsfirma
beschäftigt. Zusätzlich zu diesen Interviews wurde die Systematisierung der
Lieferantenreaktionen auf der „20th Annual North American Research/Teaching
Symposium on Purchasing and Supply Chain Management“ in Tempe/Arizona einem
741 Vgl. Kepper, 1996, S. 37. 742 Vgl. Germer, 2008, S. 209; Vgl. Patton, 2002, S. 237 f.; Vgl. Kaufmann, 2001, S. 164. 743 Bonoma, 1985, S. 205. 744 Vgl. Eisenhardt, 1989, S. 545; Vgl. Ellram, 1996, S. 102; Vgl. Yin, 2003, S. 47.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
136
Auditorium von mit Auktionen beschäftigten Professoren und Beschaffungsmanagern
präsentiert und auf ihre Vollständigkeit und Relevanz hin diskutiert.745 Im Rahmen der
Konferenz war es zudem möglich, ein weiteres Interview mit einem Beschaffungsmanager
durchzuführen, sodass die Gesamtzahl der Einzelinterviews auf neun ansteigt.
Die halbstrukturierten Interviews dauerten eine bis drei Stunden. Meist wurden sie an den
Arbeitsplätzen der Experten durchgeführt, um diese in eine vertraute
Kommunikationssituation zu bringen, die die Offenheit des Austauschs erhöhen soll.746
Zunächst wurde in einer nicht strukturierten Einleitung über Einkaufsauktionen im
Allgemeinen und die persönlichen Erfahrungen, die die Befragten mit diesem
Beschaffungsinstrument gemacht haben, gesprochen. Damit sollte sichergestellt werden,
dass sich die Entscheidungsträger, die sich in ihrem Arbeitsumfeld mit vielfältigen
Problemstellungen beschäftigen, im Hauptteil der Befragung voll auf die Themenstellung
einlassen. Im zweiten Teil des Gesprächs wurden die Probanden zunächst gebeten, die
Marktstrukturveränderungen durch eRAs zu benennen, die sich auf die
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments auswirken können. Danach wurden
mögliche Zuliefererreaktionen auf eRAs erfragt und diese aufgenommen. Erst im dritten
Teil der Befragung wurden die Experten mit den vorgenommenen Systematisierungen
konfrontiert. Mit diesem Ablauf sollte sichergestellt werden, dass die Interviewten sich
durch die existierenden Ergebnisse nicht beeinflussen lassen und eigene Vorstellungen zu
gering gewichten. Mit der Vorstellung der Systematisierung im dritten Teil waren zwei
Zielsetzungen verknüpft. Zum einen sollten die Experten überprüfen, ob sie einzelne
Verschiebungen in der Marktstruktur oder Reaktionsoptionen als unrealistisch oder als in
der Praxis nicht existent erachten. Zum anderen sollten sie durch die Darstellung der
Systematisierung angeregt werden, mit den aufgezeigten Reaktionsoptionen und
Marktstrukturveränderungen verknüpfte Möglichkeiten zu benennen. In einem nächsten
Schritt wurden die zur Operationalisierung verwendeten Indikatoren mit den Experten
besprochen. Ziel war es zu ermitteln, ob diese die latenten Konstrukte abbilden oder ob
Indikatoren gestrichen oder hinzugenommen werden sollen. Abschließend wurden die
Formulierungen des Fragebogens auf ihre Verständlichkeit hin überprüft.
745 Vgl. Arnold/Schnellbächer, 2010a. 746 Vgl. Pfadenhauer, 2009, S. 453.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
137
7.1.2 Ergebnisse der qualitativen Analyse
Die Experten zeigten während der Gespräche ein großes Interesse an den Fragestellungen
zu möglichen Reaktionen auf eRAs und den Marktstrukturveränderungen für Lieferanten
durch das Beschaffungsinstrument. Es zeigte sich bereits im ersten Gesprächsteil, dass
aufseiten der befragten Lieferanten keinerlei Reaktionsrichtlinien auf die Auktionen
existieren. Eine Tatsache, die in starkem Kontrast zu den emotionalen Reaktionen steht, die
das Beschaffungsinstrument häufig bei den interviewten Vertriebsmitarbeitern ausgelöst
hat. Auf der anderen Marktseite waren den einkaufenden Entscheidungsträgern keinerlei
Auflistungen oder Systematisierungen bekannt, mit welchem Lieferantenverhalten vor,
während und nach der Auktionsveranstaltung zu rechnen ist. Auf der liefernden Seite zeigte
sich darüber hinaus im ersten, nicht strukturierten Teil der Befragung ein
übereinstimmendes Ressentiment gegenüber eRAs. Primäre Kritikpunkte waren, dass diese
die Wettbewerbsvorteile des eigenen Unternehmens nicht anerkennen und damit den
Wettbewerb zugunsten rein kostenorientierter Konkurrenten verschieben.747
Innerhalb der latenten Konstrukte des Kausalmodells, den einzelnen Veränderungen durch
Beschaffungsauktionen, wurden durch die Experteninterviews keine Änderungen
vorgenommen. Weder in dem verdeckten Teil der Befragungen ohne die Einsicht in das
Modell noch bei Vorliegen des Modells wurden zusätzliche Marktstrukturveränderungen
genannt und die aufgeführten Bestandteile als relevant erachtet. Eine Veränderung wurde
bei den Indikatoren vorgenommen, die die gleich operationalisierten latenten Konstrukte
der absoluten Markttransparenzverschiebungen748 abbilden. Die ursprünglichen vier
Indikatoren Vollständigkeit, Genauigkeit, Rechtzeitigkeit und Glaubwürdigkeit der
Marktinformationen wurden durch den Indikator der Relevanz der Marktinformationen
erweitert. Der zusätzliche Indikator spiegelt dabei die Meinung vieler Experten wider, dass
durch die Auktionen auch eine zusätzliche Fülle weniger relevanter Marktinformationen
generiert wird. Er wurde bereits bei früheren Untersuchungen verwendet.749 Zusätzlich
ergaben sich einige geringfügige Änderungen in den Fragestellungen, die zu einer besseren
Verständlichkeit führen sollen. Als erstes zentrales Resultat der Experteninterviews wurde
747 Siehe dazu auch die Ergebnisse von Caniëls/Raaji, 2009, S. 20 f., nach denen eRAs vor allem von
Anbietern in Entwicklungsländern als positiv angesehen werden. Eine schlüssige Erklärung hierfür ist, dass die starke Preisfokussierung der Auktionen der wettbewerbsstrategischen Aufstellung dieser Unternehmen entgegenkommt.
748 Die Transparenzverschiebungen des eigenen Unternehmens, des beschaffenden Unternehmens und der Konkurrenzunternehmen.
749 Vgl. Low/Mohr, 2001, S. 73.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
138
die Operationalisierung der latenten Konstrukte zur Messung der absoluten
Markttransparenzverschiebungen auf fünf Indikatoren erhöht, siehe Tabelle 16.
1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen des eigenen Unternehmens
durch eRAs
2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen des eigenen Unternehmens
durch eRAs
3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen des eigenen Unternehmens
durch eRAs
4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen des eigenen Unternehmens
durch eRAs
5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen des eigenen Unternehmens durch
eRAs
Tabelle 16: Verbesserte Operationalisierung des relativen Markttransparenzverlusts750
Auch bei den Reaktionsoptionen zu elektronischen Beschaffungsauktionen haben die
Experteninterviews zu einer Anpassung der Systematisierung geführt. Die prinzipielle
Aufteilung in die drei Reaktionsfelder „verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“,
„Kompensation finanzieller Einbußen“ und „strategische Anpassungen“ wurde als geeignet
empfunden. Innerhalb des Reaktionsfelds „verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“
wurde jedoch eine Separierung der Reaktionen „Beschwerde“ und „Störung der Auktion“
angeregt. Die Autoren waren im Vorfeld davon ausgegangen, dass der Versuch der Störung
der Auktion in seinem Wesen eine drastischere Form der Beschwerde darstellt. Diese
Überlegung beruhte vor allem auf der Tatsache, dass die Störung der Veranstaltung,
beispielsweise durch die Abgabe von Geboten außerhalb des Verfahrens, in den
allermeisten Fällen erfolglos bleiben wird. Das beschaffende Unternehmen würde seine
Glaubwürdigkeit verlieren, wenn es auf solche Gebote einginge, und den
Vertriebsmitarbeitern würden dieser Umstand und die damit verknüpfte Erfolglosigkeit der
Störungsstrategie bewusst sein. Für die Experten stellte die Störung der Auktion jedoch
eine deutlich drastischere Eskalationsstufe der Gegenreaktionen dar als die bloße
Beschwerde. Wählt ein verärgerter Vertriebsmitarbeiter den Weg der konsequenten
750 Der Bezugspunkt „eigenes Unternehmen“ wurde bei den anderen Konstrukten durch „das beschaffende
Unternehmen“ und „die konkurrierenden Unternehmen“ ersetzt, der Begriff „die absoluten Markttransparenzgewinne“ beim latenten Konstrukt relativer Markttransparenzverlust durch den Begriff „der relative Markttransparenzverlust“.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
139
Konfrontation, indem er beispielsweise das Verfahren immerfort mit Rückfragen blockiert,
wird er den Auftrag kaum gewinnen, den Auktionsprozess jedoch empfindlich behindern
und damit das beschaffende Unternehmen unter Umständen stark schädigen. Zudem wurde
die Relevanz der Option „vollständige Beendigung der Geschäftsbeziehung“ ebenfalls im
Reaktionsfeld „verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“ diskutiert. Einige Experten
vertraten die Auffassung, dass der mit der Beendigung verknüpfte Verzicht auf mögliche
lohnende Geschäfte in der Zukunft aus Ärger über eRAs eine Reaktion darstellt, die sich
rational kalkulierende Unternehmen nicht leisten können. Da der vollständige Abbruch der
Geschäftsbeziehung in der bisherigen Literatur jedoch erwähnt wird751 und zudem der
Systematisierung von Hirschman folgt752, wird die Reaktionsoption als Antwortmöglichkeit
in der Systematisierung belassen und mit abgefragt. In Tabelle 17 ist die neue
Systematisierung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen nach der Anpassung durch die
Experteninterviews dargestellt.
Individuelle Gegenmaßnahmen Kollektive Gegenmaßnahmen
Beschwerde über die
Auktionsdurchführung
Kollektive Auktionsverweigerung
Störung der Auktion Kollektive Preisabsprachen
Nichtteilnahme
Teilnahme ohne Gebotsabgabe
Vollständige Beendigung der
Geschäftsbeziehung
Tabelle 17: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen zu eRAs
7.1.3 Datenerhebung und Charakteristika der Stichprobe
Das Sample der für die Untersuchung angeschriebenen Unternehmen setzt sich aus zwei
Quellen zusammen. Zum einen wurden bereits vorhandene Kontaktdaten einer
vorliegenden Stichprobe753 genutzt (N = 419). Zum anderen wurde auf die Datenbank
„Hoppenstedt Firmendaten“ zurückgegriffen (N = 1.157). Insgesamt konnten 248
verwertbare Rückläufe erzielt werden, was einer response rate von 15,74 % entspricht.
Berücksichtigt man 25 weitere vollständige, aber nicht hinreichend und mit einigen
751 Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984. 752 Vgl. Hirschman, 1974, S. 37. 753 Vgl. Arnold/Schnellbächer, 2010a.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
140
Ungereimtheiten ausgefüllte Fragebogen, steigt die response rate auf 17,32 %. Diese
Rücklaufquote ist im Zusammenhang mit einer Business-to-Business-Erhebung als
zufriedenstellend anzusehen754, zumal die Befragung online durchgeführt wurde. Eine
große Zahl an Probanden war nicht bereit, konkrete Angaben zum erwirtschafteten Umsatz
im Jahr 2009 zu machen. Dies mag in einer Befürchtung um den Schutz der Identität
aufgrund der Sensibilität der Angaben oder in einer Nichtbereitschaft zur Herausgabe
allgemeiner Unternehmensdaten begründet liegen. Daher wird die Einteilung der
Stichprobe in kleine, mittelgroße, große und sehr große Unternehmen anhand der
Mitarbeiterzahl vorgenommen.755 Die höchste Mitarbeiterzahl betrug dabei 403.000, die
niedrigste 23 Beschäftigte. In der folgenden Abbildung sind die prozentualen Verteilungen
dargestellt.
Abbildung 26: Klassifizierung teilnehmender Unternehmen anhand der Mitarbeiterzahl
Die Repräsentativität der Stichprobe lässt sich schwer beurteilen, da die Grundgesamtheit
aller an Beschaffungsauktionen teilnehmenden Zulieferer im deutschsprachigen Raum
unbekannt ist (siehe auch die Argumentation zur Repräsentativität der Befragung in Kapitel
6.3.1). Schließt man von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit der von eRAs betroffenen
754 Vgl. Fritz, 1992, S. 98. 755 Ein ähnliches Vorgehen wählt Werner, 1997, der sich ebenfalls mit dem Problem mangelnder Angaben
zum Unternehmensumsatz konfrontiert sah. Vgl. Werner, 1997, S. 104.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
141
Lieferanten, fällt auf, dass vor allem kleine Unternehmen verglichen mit ihrer relativen
tatsächlichen Häufigkeit unterrepräsentiert sind. Diese Unternehmensgruppe scheint
weniger stark von Beschaffungsauktionen betroffen zu sein. Eine Begründung für das
Resultat können die Mindestvolumina der über eRAs vergebenen Aufträge756 sein, die über
die Kapazitäten kleinerer Unternehmen hinausgehen. Von entscheidender Bedeutung für
die Aussagekräftigkeit der Stichprobe ist, ob die Ansprechpartner innerhalb der
Unternehmen tatsächlich schon mit Beschaffungsauktionen konfrontiert wurden und auf
diese reagieren mussten. Dies wurde zum einen über das Abfragen der Jahresanzahl, die der
Mitarbeiter bereits im Vertrieb tätig ist, zum anderen über die Anzahl der Auktionen, an
denen er bereits als Lieferant teilgenommen hat, sichergestellt. Eine Übersicht über die
Jahresanzahl der Mitarbeit der Probanden im Vertrieb gibt Abbildung 27.
Abbildung 27: Klassifizierung der Probanden anhand ihrer Beschäftigungsdauer
Auffällig ist hier der proportional hohe Anteil an Vertriebsmitarbeitern mit einer sehr
langen Berufserfahrung. Die Anzahl durchschnittlich durchgeführter Auktionen eines
Vertriebsmitarbeiters lag bei 3,41. Mit einem Höchstwert von 13 und einem Mindestwert
von einer Auktion.
756 Vgl. Eichstädt, 2008, S. 116 f.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
142
7.2 Ergebnisse zu den Determinanten der Auktionswahrnehmung
7.2.1 Prüfung des Messmodells
Die Modellprüfung lässt sich gedanklich in die der reflektiven und formativen Konstrukte
(Messmodell) sowie die Überprüfung des Strukturmodells untergliedern.
Überprüfung der reflektiven Operationalisierungen
Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses: Das erste latente Konstrukt
„Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses“ wird durch drei Indikatoren operationalisiert.
Jeder dieser Indikatoren wird anhand seiner Faktorladung (>0,8) und dem t-Wert (> 1,66)
geprüft. Wie Tabelle 18 zeigt, erfüllen die Indikatoren jeweils die zwei Prüfkriterien und
können angenommen werden.
Indikator Faktorladung t-Wert
(>1,66)
1 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten
Mitarbeiterstunden durch eRAs
0,867 4,950
2 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten
administrativen Kosten (beispielsweise für Reisen oder
Telekommunikation) durch eRAs
0,886 5,332
3 Veränderung der für den Vertrieb eines Gutes aufgewendeten
absoluten Zeit (Cash Cycle)
0,968 5,223
Tabelle 18: Einzelindikatorenbeurteilung: Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses
Ebenfalls erfüllt sind die Konvergenzkriterien. Die durchschnittlich erfasste Varianz liegt
leicht über dem zugehörigen Mindestwert von 0,8 und die Konstruktreliabilität deutlich
über dem bei ihr geltenden Prüfkriterium von 0,7. Die Prüfung des Fornell-Larcker-
Kriteriums zeigte zudem, dass auch die Diskriminanzvalidität gegeben ist. Da der Wert von
Stone-Geissers Q2 größer als null ist, ist auch das Prüfkriterium Vorhersagevalidität erfüllt.
Die Indikatoren korrelieren nur signifikant miteinander und nicht mit denen anderer
Konstrukte, somit ist auch die Unidimensionalität erfüllt. Die Werte zur Gesamtbeurteilung
der Messung des Konstrukts finden sich in Tabelle 19. Die Operationalisierung der
„Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses“ kann damit als geeignet angenommen
werden.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
143
Konvergenzkriterien Werte
DEV (>0,8)
Konstruktreliabilität (>0,7)
0,817255
0,930424
Diskriminanzvalidität
Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2
max= 0,101620
Vorhersagevalidität
Stone-Geissers Q2 (>0) 0,433969
Unidimensionalität
Item 1,2,3 Erfüllt
Tabelle 19: Gütebeurteilung: Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses
Erhöhung der absoluten Markttransparenz des beschaffenden Unternehmens: Die
Erhöhung der absoluten Markttransparenz ist das erste von drei Konstrukten zur Erklärung
des Verlusts an relativer Markttransparenz für Lieferanten durch eRAs. Die Untersuchung
der t-Werte und Faktorladungen der Indikatoren des Konstrukts zeigt, dass die
Mindestanforderungen an die Einzelindikatoren erfüllt werden. Von einer Eliminierung
einzelner Indikatoren wurde abgesehen. Tabelle 20 stellt die einzelnen Indikatorwerte des
Konstrukts dar.
Indikator Faktorladung t-Wert
1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen des
beschaffenden Unternehmens durch eRAs
0,890 15,258
2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen des
beschaffenden Unternehmens durch eRAs
0,896 12,919
3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen des
beschaffenden Unternehmens durch eRAs
0,932 16,242
4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen des
beschaffenden Unternehmens durch eRAs
0,949 15,951
5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen des
beschaffenden Unternehmens durch eRAs
0,939 15,391
Tabelle 20: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT der beschaffenden Unternehmen
Die Überprüfung der weiteren Kriterien des latenten Konstrukts zeigt, dass die
Anforderungen in allen vier Bereichen erfüllt werden. Die durchschnittlich erfasste Varianz
übertrifft den Wert 0,8 und die Konstruktreliabilität den Wert 0,7 erneut deutlich
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
144
(Konvergenzkriterien). Auch die „Diskriminanzvalidität“ und „Vorhersagevalidität“
erweisen sich als ausreichend. Das maximale R2 mit anderen Konstrukten liegt deutlich
unter der DEV und Stone-Geissers Q2 klar über null. Die Prüfung der Unidimensionalität
zeigte zudem, dass die Indikatoren des Konstrukts lediglich untereinander und nicht mit
Indikatoren anderer Konstrukte korrelieren. Tabelle 21 fasst die einzelnen Prüfmaße
zusammen.
Konvergenzkriterien Werte
DEV (>0,8)
Konstruktreliabilität (>0,7)
0,848878
0,965597
Diskriminanzvalidität
Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2
max= 0,413448
Vorhersagevalidität
Stone-Geissers Q2 (>0) 0,761149
Unidimensionalität
Item 1,2,3,4,5 Erfüllt
Tabelle 21: Gütebeurteilung: Erhöhung MT der beschaffenden Unternehmen
Erhöhung der absoluten Markttransparenz des eigenen Unternehmens: Sowohl die
Faktorladungen (>0,8) als auch die t-Werte (>1,66) der fünf Indikatoren des Konstrukts
„Erhöhung der absoluten Markttransparenz des eigenen Unternehmens“ erfüllen die
Mindestanforderungen. Alle Indikatoren können daher beibehalten werden und sind in
Tabelle 22 dargestellt.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
145
Indikator Faktorladung t-Wert
1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen des
eigenen Unternehmens durch eRAs
0,844 8,618
2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen des eigenen
Unternehmens durch eRAs
0,857 9,019
3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen des
eigenen Unternehmens durch eRAs
0,916 9,389
4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen des
eigenen Unternehmens durch eRAs
0,922 11,591
5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen des eigenen
Unternehmens durch eRAs
0,934 10,174
Tabelle 22: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT des eigenen Unternehmens
Auch die Beurteilung der übrigen Kriterien liefert ein zufriedenstellendes Ergebnis.
Während die DEV nur knapp über dem Mindestwert von 0,8 liegt, sind die weiteren
Prüfmaße deutlich in dem das Messmodell stützenden Wertebereich. Mit 0,95 übertrifft die
Konstruktreliabilität den Grenzwert von 0,7 deutlich. Auch das Fornell-Larcker-Kriterium
zur Messung der Diskriminanzvalidität ist erfüllt. Der Wert von Stone-Geissers Q2 liegt mit
0,80 klar über null, und die Unidimensionalität aller fünf Indikatoren ist ebenfalls erfüllt.
Eine Übersicht der Ergebnisse findet sich in Tabelle 23.
Konvergenzkriterien Werte
DEV (>0,8)
Konstruktreliabilität (>0,7)
0,801621
0,952764
Diskriminanzvalidität
Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2
max= 0,4443
Vorhersagevalidität
Stone-Geissers Q2 (>0) 0,801332
Unidimensionalität
Item 1,2,3,4,5 Erfüllt
Tabelle 23: Gütebeurteilung: Erhöhung MT des eigenen Unternehmens
Erhöhung der absoluten Markttransparenz der konkurrierenden Unternehmen: Als letzte
absolute Markttransparenzerhöhung wurde die der konkurrierenden Unternehmen
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
146
gemessen. Wie in Tabelle 24 ersichtlich wird, übertreffen auch hier alle fünf Indikatoren
die kritischen Größen bei der Faktorladung und dem t-Wert.
Indikator Faktorladung t-Wert
1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen der
konkurrierenden Unternehmen durch eRAs
0,879 3,893
2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen der
konkurrierenden Unternehmen durch eRAs
0,859 4,656
3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen der
konkurrierenden Unternehmen durch eRAs
0,918 4,564
4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen der
konkurrierenden Unternehmen durch eRAs
0,938 4,670
5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen der
konkurrierenden Unternehmen durch eRAs
0,923 4,831
Tabelle 24: Einzelindikatorenbeurteilung: Erhöhung MT der konkurrierenden Unternehmen
Tabelle 25 zeigt die weiteren Kriterien zur Prüfung des Messmodells. Erneut liegt die
durchschnittlich erfasste Varianz nur leicht über dem kritischen Wert von 0,8. Die
sonstigen Prüfwerte sind jedoch umso deutlicher erfüllt. Die Konstruktreliabilität liegt mit
0,96 wieder klar über dem Grenzwert von 0,7. Das größte Rij2 wird mit 0,29 von der DEV
mit 0,82 übertroffen, womit auch das Fornell-Larcker-Kriterium erfüllt ist. Stone-Geissers
Q2 ist bei einem Wert von 0,78 ebenfalls klar im annehmbaren Bereich. Unidimensionalität
ist gegeben, da die Indikatoren des Konstrukts nur signifikant miteinander und nicht mit
denen anderer Konstrukte korrelieren.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
147
Konvergenzkriterien Werte
DEV (>0,8)
Konstruktreliabilität (>0,7)
0,816752
0,957010
Diskriminanzvalidität
Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2
max= 0,292161
Vorhersagevalidität
Stone-Geissers Q2 (>0) 0,776965
Unidimensionalität
Item 1,2,3,4,5 Erfüllt
Tabelle 25: Gütebeurteilung: Erhöhung MT der konkurrierenden Unternehmen
Verlust der relativen Markttransparenz: Auch im letzten Konstrukt zur Darstellung der
informatorischen Verschiebung zeigen sich alle fünf Indikatoren als geeignet. Wie Tabelle
26 zeigt, übertreffen sie sowohl bei der Faktorladung als auch beim t-Wert die kritischen
Größen. Keiner der Indikatoren muss daher eliminiert werden.
Indikator Faktorladung t-Wert
1 Veränderung der Vollständigkeit der Marktinformationen des
eigenen Unternehmens durch eRAs
0,933 51,062
2 Veränderung der Genauigkeit der Marktinformationen des eigenen
Unternehmens durch eRAs
0,935 57,458
3 Veränderung der Rechtzeitigkeit der Marktinformationen des
eigenen Unternehmens durch eRAs
0,925 50,039
4 Veränderung der Glaubwürdigkeit der Marktinformationen des
eigenen Unternehmens durch eRAs
0,942 64,401
5 Veränderung der Relevanz der Marktinformationen des eigenen
Unternehmens durch eRAs
0,924 42,474
Tabelle 26: Einzelindikatorenbeurteilung: Verlust der relativen MT
Die sonstigen Prüfwerte der Messung des „Absinkens der relativen Markttransparenz“
finden sich in Tabelle 27. Sie liegen alle in den annehmbaren Wertebereichen. Die
Tatsache, dass sich die Operationalisierung aller vier latenten Konstrukte zur Messung
informationeller Verschiebung zwischen der anbietenden und der nachfragenden Seite als
geeignet erweist, zeigt die Leistungsfähigkeit des Indikatorensets. Auch in Zukunft ist diese
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
148
Zusammenstellung als Messgröße bei der Erfassung von Gewinnen oder Verlusten an
Marktinformation zu empfehlen.
Konvergenzkriterien Werte
DEV (>0,8)
Konstruktreliabilität (>0,7)
0,868479
0,970601
Diskriminanzvalidität
Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2
max= 0,370211
Vorhersagevalidität
Stone-Geissers Q2 (>0) 0,788283
Unidimensionalität
Item 1,2,3,4,5 Erfüllt
Tabelle 27: Gütebeurteilung: Verlust der relativen MT
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments: Von den sechs Indikatoren zur
Operationalisierung des Konstrukts der „Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments“ konnten nur fünf zur weiteren Messung verwendet werden. Die
Fairness gemessen an den vom „beschaffenden Unternehmen eingebrachten und erhaltenen
Ressourcen“ wurde mit einer Faktorladung von 0,796 und einem t-Wert von 10,762
aufgrund der leicht zu geringen Faktorladung eliminiert. Scheinbar ist das Input-/Out-
putverhältnis der Marktgegenseite kein entscheidender Bestandteil der lieferantenseitigen
Bewertung der Fairness von eRAs. Die übrigen Indikatoren erfüllen sowohl die
Anforderungen bezüglich der Faktorladungen als auch des t-Wertes und wurden
beibehalten (siehe Tabelle 28).
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
149
Indikator Faktorladung t-Wert
1 Fairness während der Auktionsanbahnung 0,876 20,652
2 Fairness während der Auktionsgestaltung 0,909 36,792
3 Offenheit und Ehrlichkeit des einkaufenden Unternehmens beim
auktionsgestützten Beschaffungsprozess
0,888 33,671
4 Persönlicher Umgang durch die Einkäufer im auktionsgestützten
Beschaffungsprozess
0,899 31,987
5 Fairness gemessen an den vom beschaffenden Unternehmen
eingebrachten und erhaltenen Ressourcen757
0,796 10,672
6 Fairness gemessen an den vom liefernden Unternehmen
eingebrachten und erhaltenen Ressourcen
0,894 29,042
Tabelle 28: Einzelindikatorenbeurteilung: Fairnesswahrnehmung von eRAs
Die Prüfung der weiteren Kriterien zur Messung des Konstrukts wurde nun ohne den
eliminierten Indikator vorgenommen. Wie aus Tabelle 29 ersichtlich ist, wird die Güte der
Messung durch die verbleibenden fünf Indikatoren erfüllt. Mit 0,81 liegt die DEV über dem
Grenzwert von 0,8. Erneut deutlicher übertroffen wird der kritische Wert von 0,7 der
Konstruktreliabilität (0,955). Da der Wert des höchsten Rij mit 0,67 klar unter der DEV mit
0,81 liegt, wird auch das Fornell-Larcker-Kriterium angenommen. Die Vorhersagevalidität
und die Unidimensionalität sind ebenfalls gegeben, da Stone-Geissers Q2 mit 0,81 über dem
kritischen Wert von null liegt und die Indikatoren des Konstrukts nur signifikant
untereinander, aber nicht mit denen anderer Konstrukte korrelieren. Die
Operationalisierung des Fairnesskonstrukts über seine Dimensionen scheint damit eine
geeignete Vorgehensweise zur Erforschung der Fairness in B-to-B-Beziehungen zu sein.
757 Der Indikator wurde aufgrund der zu geringen Faktorladung eliminiert.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
150
Konvergenzkriterien Werte
DEV (>0,8)
Konstruktreliabilität (>0,7)
0,810504
0,955320
Diskriminanzvalidität
Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2
max
= 0,667396
Vorhersagevalidität
Stone-Geissers Q2 (>0) 0,807769
Unidimensionalität
Item 1, 2, 3, 4, 6 Erfüllt
Tabelle 29: Gütebeurteilung: Fairnesswahrnehmung von eRAs
Einfluss von eRAs auf die Beziehungsqualität: Auch in diesem Set musste einer der
Indikatoren eliminiert werden. Obwohl die „Veränderung der Bereitschaft, dem
beschaffenden Unternehmen bei aktuellen Problemen zu helfen“ bereits zur Messung der
Beziehungsqualität verwendet wurde758 und aus einer theoretischen Überlegung aus der
Anreiz-Beitrags-Theorie durch die Beschaffungsauktionen berührt wird, lud sie nicht
ausreichend auf das Konstrukt. Eine Erklärung kann an dieser Stelle nicht vorgenommen
werden. Es bleibt zu prüfen, ob eine zukünftige Anpassung des Indikatorensets zur
Operationalisierung des Konstrukts vorzunehmen ist.
758 Vgl. Large, 2003, S. 144.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
151
Indikator Faktorladung t-Wert
1 Veränderung des Vertrauens gegenüber dem beschaffenden
Unternehmen durch eRAs
0,916 47,911
2 Veränderung der Bereitschaft dem beschaffenden Unternehmen bei
aktuellen Problemen zu helfen durch eRAs759
0,682 8,392
3 Veränderung des Commitments gegenüber dem beschaffenden
Unternehmen
0,891 26,286
4 Veränderung der Investitionsbereitschaft in das beschaffende
Unternehmen durch eRAs
0,872 20,023
5 Veränderung der Konflikte mit dem beschaffenden Unternehmen
durch eRAs
0,874 27,992
Tabelle 30: Einzelindikatorenbeurteilung: eRA-Einfluss auf die Geschäftsbeziehung
Wie beim vorherigen Konstrukt wurden die weiteren Messkriterien nun ohne den
eliminierten Indikator überprüft. Die folgende Tabelle 31 zeigt, dass sie zufriedenstellend
erfüllt wurden.
Konvergenzkriterien Werte
DEV (>0,8)
Konstruktreliabilität (>0,7)
0,811200
0,944995
Diskriminanzvalidität
Fornell-Larcker-Kriterium (Rij2<DEV) R2
max
= 0,667396
Vorhersagevalidität
Stone-Geissers Q2 (>0) 0,805839
Unidimensionalität
Item 1,3,4,5 Erfüllt
Tabelle 31: Gütebeurteilung: eRA-Einfluss auf die Geschäftsbeziehung
Überprüfung der formativen Operationalisierungen
Die formativen Indikatoren des Modells sind beides einfaktorielle Wiedergaben metrisch
messbarer Sachverhalte. Aus diesem Grund ist die Überprüfung der auf die
Operationalisierung latenter Konstrukte zugeschnittener Reliabilitäts- und Validitätsmaße
759 Der Indikator wurde aufgrund der zu geringen Faktorladung eliminiert.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
152
irreführend. Vor der eigentlichen Überprüfung der Kriterien ist daher die Anwendbarkeit
der Prüfmaße zu untersuchen. Die t-Werte des beidseitigen Tests liegen bei 3,373 und
4,657 und dabei deutlich über dem Mindestwert von 1,98 (siehe Tabelle 32).
Indikator t-Wert
1 Senkung des Preisniveaus 3,373
2 Erhöhung der Wettbewerberanzahl 4,657
Tabelle 32: t-Werte der formativen Messungen
Der Test auf Multikollinearität untersucht, ob sich ein einzelner Indikator eines formativen
Messmodells durch die anderen Indikatoren seines Konstrukts erklären lässt. Da beide
formativen Konstrukte aufgrund ihrer direkten Erfassung jeweils aus einem Indikator
bestehen, ist Multikollinearität automatisch ausgeschlossen und nicht prüfbar. Auch der
Test auf Diskriminanzvalidität ist aufgrund der einfaktoriellen Messung der formativen
Konstrukte obsolet. Da die Konstrukte lediglich durch diese Indikatoren operationalisiert
sind, ist die gemeinsame Varianz zwischen der latenten Variablen und ihrem Indikator
automatisch größer als die gemeinsame Varianz mit anderen latenten Variablen.
7.2.2 Prüfung des Strukturmodells
Nach Überprüfung der Einzelindikatoren auf Messmodellebene und der Bestätigung der
Eignung des Messmodells zur Operationalisierung der latenten Konstrukte folgt die
empirische Überprüfung des Hypothesensystems, das aus theoretischen und sachlogischen
Überlegungen sowie aus den bisher vorliegenden empirischen Überprüfungen abgeleitet
wurde. Zunächst wird dabei die Signifikanz der Modellverbindungen geprüft. Sie
beantwortet die Frage nach Annahme oder Ablehnung einer Modellhypothese und wird
über den t-Wert des Pfadkoeffizienten bestimmt. Dieser lässt sich über die Bootstrapping-
Methode ermitteln und sollte bei einem zweiseitigen Test und einem Signifikanzniveau von
5 % den Wert 1,98 übersteigen. Bei einem Signifikanzniveau von 10 % ist der Wert 1,66 zu
übertreffen. Weitere Voraussetzung für die Annahme der Modellhypothesen ist ein
Pfadkoeffizient von größer 0,1. In Tabelle 33 sind die Ergebnisse der Hypothesenprüfung
des Strukturmodells zusammengefasst.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
153
Hypothesen Pfadkoeffizient t-Wert Ergebnis
H1: Je höher die durch die Auktion erzielten
Preisreduktionen sind, desto negativer ist die
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstru-
ments.
0,314
3,525
bestätigt
H2: Je höher die durch die Auktion verursachte
Steigerung der Wettbewerberanzahl ist, desto
negativer ist die Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments.
0,378
4,721
bestätigt
H3: Je niedriger die durch die Auktion verursachte
Senkung der Vertriebsprozesskosten ist, desto
negativer ist die Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments.
-0,073
0,877
nicht bestätigt
H4: Je höher der von den Lieferanten empfundene
relative Transparenzverlust ist, desto negativer ist
die Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments
eRA.
0,227
2,746
bestätigt
H4-1: Je höher der von Zulieferern
wahrgenommene Transparenzgewinn der
Einkäufer ist, desto stärker nehmen die
Lieferanten den relativen Markttransparenzverlust
wahr.
0,296
2,462
bestätigt
H4-2: Je höher der von den Zulieferern
wahrgenommene eigene Transparenzgewinn ist,
desto schwächer nehmen Lieferanten den relativen
Markttransparenzverlust wahr.
0,104
0,862
bestätigt
H4-3: Je höher der von den Zulieferern
wahrgenommene Transparenzgewinn ihrer
Konkurrenzunternehmen ist, desto stärker nehmen
Lieferanten den relativen Markttransparenzverlust
wahr.
0,035
0,245
nicht bestätigt
H5: Je negativer die Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments eRA ist, desto negativer
ist der lieferantenseitig empfundene Einfluss von
eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung.
0,667
8,121
bestätigt
Tabelle 33: Hypothesenprüfung auf Strukturmodellebene
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
154
Mit hoher Signifikanz anzunehmen sind die Hypothesen 1, 2, 4, 4-1 und 5. Auch die
Pfadkoeffizienten erfüllen bei diesen Wirkungszusammenhängen das angeforderte
Kriterium (>0,1). Keine ausreichende Signifikanz weisen die Hypothesen 3, 4-2 und 4-3
auf. Selbst bei einer erlaubten höheren Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % sind sie
abzulehnen und müssen somit verworfen werden.
Die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments wird durch die Erhöhung der
Wettbewerberanzahl; die Senkung des Preisniveaus und den Verlust an relativer
Markttransparenz determiniert. Die ersten beiden Befunde bestätigen dabei die Ergebnisse
von Jap (2007).760 Nicht relevant ist den Ergebnissen zufolge die Senkung der
Vertriebsprozesskosten. Die Fairnesswahrnehmung ist wiederum die entscheidende
Einflussgröße für die Auswirkung von eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung.
Determinierende Variablen des Verlustes an relativer Markttransparenz sind die absoluten
Markttransparenzgewinne der beschaffenden Organisation sowie die dazu relativen
Gewinne des eigenen Unternehmens. Als nicht signifikant hat sich der Erhebung zufolge
die Markttransparenzerhöhung der konkurrierenden Anbieter erwiesen. Abbildung 28 fasst
die Ergebnisse der Pfadkoeffizienten und t-Werte auf Strukturmodellebene zusammen.
Abbildung 28: Graphische Darstellung des Strukturmodells
760 Vgl. Jap, 2007, S. 156 f.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
155
Der Determinationskoeffizient R2 misst den Anteil, mit dem sich ein Konstrukt durch
vorgelagerte Größen erklären lässt. Er zeigt, wie gut ein endogenes Konstrukt durch die
ihm im Modell vorangestellten Konstrukte abgebildet wird.761 Häufig wird ein Mindestwert
von 0,3 gefordert. Im vorliegenden Modell wird dieser bei zwei von drei endogenen
Konstrukten erfüllt. Der R2-Wert des endogenen Konstrukts des eRA-Einflusses auf die
Qualität der Geschäftsbeziehung liegt bei 0,445, der R2 der Fairnesswahrnehmung auf das
Beschaffungsinstrument liegt bei 0,465. 44,5 % beziehungsweise 46,5 % der Varianz der
abhängigen Konstrukte können über die im Modell vorgelagerten Erklärungsvariablen
erklärt werden. Nicht erfüllt wird der Mindestwert beim endogenen Konstrukt „relative
Verschiebung der Markttransparenz“. Der R2-Wert liegt hier lediglich bei 0,103, womit nur
gut 10 % der Varianz des Konstrukts erklärt werden können. Die vorgelagerten Konstrukte
sind nicht zur Erklärung des endogenen Konstrukts ausreichend. Es ist unwahrscheinlich,
dass noch andere Komponenten die lieferantenseitige Wahrnehmung der relativen
Markttransparenz beeinflussen. Eine mögliche Erklärung ist, dass die allgemeine
Umstellung auf elektronische Beschaffungsprozesse und die damit einhergehende, hohe
Verfügbarkeit von Marktdaten für Einkäufer einen großen Treiber des wahrgenommenen
relativen Transparenzverlusts darstellt. Die absoluten Markttransparenzverschiebungen in
den eRAs wären nur ein Teil der Entwicklungen, die zu einem wahrgenommenen, relativen
Transparenzverlust führen. Zur Prüfung der Vorhersagevalidität des Messmodells müssen
die in Tabelle 34 unter Redundanz aufgeführten Werte den Wert null übersteigen. Dies ist
der Fall, sodass das Prüfkriterium Vorhersagevalidität als erfüllt angesehen werden kann.
R2 Vorhersagevalidität
(Redundanz)
Fairnesswahrnehmung 0,465 0,334482
Verlust der relativen Markttransparenz 0,103 0,088560
Qualität der Geschäftsbeziehung 0,445 0,342558
Tabelle 34: Darstellung des R2 und der Vorhersagevalidität auf Strukturmodellebene
Als letzten Schritt erfolgt die Prüfung der Multikollinearität. Zu dieser wird der korrigierte
R2-Wert herangezogen und mit diesem der Variance Inflation Factor (VIF) berechnet. Wie
in Tabelle 35 dargestellt, liegt er in jedem der Fälle deutlich unter dem kritischen Wert
zehn, sodass Multikollinearität ausgeschlossen werden kann. 761 Vgl. Albers/Hildebrandt, 2004, S. 30; Vgl. Sellin, 1995, S. 261.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
156
R2-korrigiert VIF
Fairnesswahrnehmung von eRAs –
Effizienzsteigerung des Vertriebsprozesses
-0,008 0,992
Fairnesswahrnehmung von eRAs- relativer
Markttransparenzverlust
0,105 1,117
Relativer Markttransparenzverlust – absoluter
Markttransparenzgewinn beschaffendes
Unternehmen
0,074 1,080
Relativer Markttransparenzverlust – absoluter
Markttransparenzgewinn eigenes Unternehmen
0,008 1,008
Relativer Markttransparenzverlust – absoluter
Markttransparenzgewinn konkurrierende
Unternehmen
-0,003 0,997
eRA-Einfluss auf die Beziehungsqualität –
Fairnesswahrnehmung von eRAs
0,425 1,739
Tabelle 35: Überprüfung der Multikollinearität auf Strukturmodellebene
Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass nur zwei Hypothesen aus dem
Erklärungssystem abgelehnt werden mussten. Da die sonstigen Prüfkriterien, mit
Ausnahme des R2-Wertes des Verlusts an relativer Markttransparenz, erfüllt wurden, kann
das Modell zusammenfassend als sehr valide beurteilt werden.
Regressionsanalyse zur direkten Erfassung der Einflussgroßen der Fairnesswahrnehmung
Zusätzlich zur kausalanalytischen Messung führten wir eine direkte Regressionsanalyse der
die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments beeinflussenden Variablen durch.
Dieser Schritt diente weniger der Schaffung eines eigenen Erkenntnisgewinns als der
Überprüfung der in der vorherigen Messung gewonnenen Ergebnisse. Die
regressionsanalytische Messung wurde mit Hilfe des jeweils gewichteten Mittelwertes der
Indikatoren der einzelnen Konstrukte durchgeführt. Die gewichteten Indikatoren lagen
bereits durch die Berechnung des korrigierten R2 zur Ermittlung des VIF vor. Lediglich bei
den Preisreduktionen und der Erhöhung der Wettbewerberanzahl wurden die direkt
erfassten Skalen verwendet.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
157
Koeffizient
(beta)
Signifikanz
(T-Test)
Einfluss der Erhöhung der Wettbewerberanzahl auf die
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
0,299 p < 0,05
Einfluss der Preisreduktionen auf die Fairnesswahrnehmung
des Beschaffungsinstruments
0,306 p < 0,05
Einfluss des Verlusts an relativer Markttransparenz auf die
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
0,111 p < 0,10
Einfluss der Erhöhung der Wettbewerbseffizienz auf die
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
0,000 -
Tabelle 36: Regressionsanalytische Berechnung der Einflussgrößen der Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments eRA
Die Ergebnisse zeigen eine große Übereinstimmung mit den durch das
Strukturgleichungsmodell gewonnenen Werten. Alle im Strukturgleichungsmodell als
Einflussgrößen der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments identifizierten
Konstrukte weisen auch in der Regressionsanalyse einen messbaren Einfluss auf das
abhängige Konstrukt auf. Der im Strukturgleichungsmodell nicht bestätigte Einfluss einer
erhöhten Effizienz des Vertriebsprozesses durch eRAs auf die Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments wurde ebenfalls in der Regressionsanalyse verworfen. Die
Anwendung des Regressionsverfahrens bestätigt also die Ergebnisse des
Strukturgleichungsmodells zur Ermittlung der Einflussgrößen der Fairnesswahrnehmung
des Beschaffungsinstruments eRA.
7.3 Ergebnisse zu Häufigkeiten und Determinanten der
Gegenreaktionen
7.3.1 Auftreten und Ursachen verhandlungsbezogener
Gegenmaßnahmen
Auftreten und Verteilung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen in der Praxis
Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen sind das von Lieferanten am häufigsten
gewählte Reaktionsfeld zu elektronischen Beschaffungsauktionen. 54,84 % (136 von 248
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
158
interviewten Unternehmen) der befragten Zulieferer haben eine oder mehrere
verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen unternommen.
Durchführung verhandlungsbezogener
Gegenmaßnahmen:
Ja Nein
Ergebnisse (N = 248): 54,84 % 45,16 %
Tabelle 37: Häufigkeit von verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen
Die verbreitetste Option innerhalb des Reaktionsfeldes ist die Beschwerde beim
auktionsdurchführenden Unternehmen. Dies führt zu zwei relevanten Schlussfolgerungen.
Zunächst zeigt die Tatsache, dass 52,02 % aller Lieferanten (94,85 % aller Zulieferer, die
verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen durchführten) sich direkt über die
Auktionsanwendung beschweren und dass Lieferanten im deutschsprachigen Raum eRAs
primär als Bedrohung für ihre Geschäftsbeziehungen empfinden. Zusätzlich wird offenbar,
dass Zulieferer, die sonstige verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen durchführen, diese
meist mit einer Beschwerde kombinieren. Die zweithäufigste Option
verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen ist die Nichtteilnahme an
Beschaffungsauktionen, 18,95 % der befragten Lieferanten (34,56 % aller Lieferanten, die
verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen durchführten) haben diesen Schritt
unternommen. Obwohl die Fragestellung klar auf Gegenmaßnahmen zu eRAs abzielte, ist
schwer zu differenzieren, wie viele Anbieter dem Verfahren einzig aufgrund des
Beschaffungsinstruments fernblieben und wie viele die Teilnahme aus anderen Gründen
ablehnten. Auch an Face-to-Face-Verhandlungen und Ausschreibungen nehmen längst
nicht alle eingeladenen Lieferanten teil, sei es aus mangelndem Glauben an die eigene
Wettbewerbsfähigkeit, einen offerierten Auftrag zu erlangen, fehlenden Kapazitäten oder
schlichter Antipathie gegenüber dem beschaffenden Unternehmen. Möglich ist, dass einige
Vertriebsmitarbeiter eine primär aus anderen Gründen herrührende Nichtteilnahme
gegenüber Externen mit dem ungeliebten Beschaffungsinstrument begründen. Die 18,95 %
stehen im Widerspruch zu den Antworten auf die Frage nach der Veränderung der
Wettbewerberanzahl durch eRAs. Hier gab die Mehrheit der Teilnehmer eine Erhöhung an.
Ein Grund für diese Divergenz kann die geografische Ausweitung des Lieferantenpools
durch eRAs sein.762 Möglicherweise werden hiesige Zulieferer, die Bestandteil der
Untersuchung waren und Auktionen fernblieben, durch Lieferanten anderer Länder ersetzt.
762 Vgl. Beall et al. 2003, S. 27; Vgl. Schoenherr/Mabert 2007, S. 373; Vgl. Ariely/Simonson 2003.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
159
Für diese These spricht die Erhebung von Caniëls/Raaji (2009), die aufdeckte, dass eRAs
weit beliebter in Volkswirtschaften mit niedrigem Lohnniveau und einer wettbewerblichen
Ausrichtung auf Kosten sind, als in solchen mit hohem Lohnniveau und anderen
wettbewerblichen Fokussierungen.763 Ebenfalls zu dem divergierenden Effekt beitragen
kann die Tatsache, dass die Auktion den Wettbewerb transparenter und dynamischer
darstellt als andere Verhandlungsverfahren, sodass die Anbieter von einer erhöhten
Wettbewerberzahl ausgehen, obwohl diese gar nicht gegeben ist. Das schwache
Bietverhalten ist die am dritthäufigsten angewandte Reaktionsoption. 12,9 % aller befragen
Lieferanten (23,53 % aller Lieferanten mit verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen)
haben bereits an Beschaffungsauktionen teilgenommen, ohne ernstlich die Abgabe von
Geboten zu erwägen. Auf Zuliefererseite scheinen Beschaffungsauktionen ein akzeptiertes
Instrument zur Erlangung von Marktwissen geworden zu sein. Bisherige Berichte, die vor
dem „bird watching“ warnen, werden dadurch bestätigt.764 Weniger verbreitet ist die
absichtliche Störung der Auktion. 10,48 % aller interviewten Zulieferer (19,12 % aller
Zulieferer mit verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen) führten diesen Schritt durch.
Bedenkt man jedoch, wie wenig die Lieferanten mit diesem Verhalten zu gewinnen haben,
scheint die Anzahl der Störungen jedoch nach wie vor hoch. Lediglich 1,62 % aller
befragten Lieferanten (2,94 % aller Lieferanten mit verhandlungsbezogenen
Gegenmaßnahmen) gaben an, aufgrund einer Auktion eine Geschäftsbeziehung vollständig
beendet zu haben. Auch hier lässt sich, ähnlich wie bei der Nichtteilnahme, nicht exakt
bestimmen, ob das Auktionsverfahren den einzigen Grund für diesen Schritt darstellt. Wie
sich in den Experteninterviews bereits andeutete, scheint diese Maßnahme in der Praxis
keine wirkliche Relevanz zu besitzen. Auch kollektive Gegenreaktionen wurden von den
Probanden kaum genannt. Die kollektive Verweigerung der Auktion wurde von nur einer
der untersuchten Firmen durchgeführt. Die Gründe hierfür können vielfältiger Natur sein;
einmal kann das beschaffende Unternehmen die Identität der Teilnehmer bis zur
eigentlichen Auktion geheim halten, sodass derartige Absprachen erschwert werden. Selbst
bei Auftragsvergaben, bei denen dies nicht möglich ist, beispielsweise weil nur eine sehr
begrenzte Anzahl an Firmen das Produkt liefern kann, bedeutet eine kollektive
Verweigerung einen hohen administrativen Aufwand. Sie stellt zudem ein fragiles Gebilde
dar, der erste Ausbrecher aus der Absprache hätte eine gute Gelegenheit, sich gegenüber
763 Vgl. Caniëls/Raaji 2009, S. 20 f. 764 Vgl. Millet et al., 2004, S. 176; Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Sashi/O‘Leary, 2002, S. 109; Vgl. Beall
et al., 2003, S. 29.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
160
dem beschaffenden Unternehmen zu profilieren. Auch kollektive Preisabsprachen wurden
nicht von den Probanden angegeben. Gegen ihre Anwendung in der Praxis wie auch gegen
ihre Angabe in einem Fragebogen spricht deren Illegalität. Die Preisabsprachen führen
jedoch, im Kontrast zu allen sonstigen verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen, zu
direkten monetären Vorteilen für die liefernden Unternehmen. Ob sich hinter der
mangelnden Angabe der Reaktionsoption daher eine tatsächliche Nichtverbreitung verbirgt,
vermag abschließend nicht gesagt werden. An dieser Stelle sei auf die Ausführungen in
Kapitel 5.1.1 verwiesen. In Abbildung 29 findet sich die Verteilung der einzelnen
Maßnahmen innerhalb des Reaktionsfeldes zusammengefasst.
Abbildung 29: Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen in der Praxis
Verknüpfung des Auftretens verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen mit der
Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments
Die Fragestellung, inwiefern die Durchführung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen
durch die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments und durch seinen Einfluss auf
die Geschäftsbeziehung determiniert wird, wurde mithilfe der logistischen Regression
beantwortet. Zunächst wurde untersucht, inwieweit die metrisch skalierte
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
161
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA das Ereignis Gegenreaktion (1)
oder keine Gegenreaktion (0) beeinflusst. Dabei war es unerheblich, welche genaue Reaktion
innerhalb des Sets durchgeführt wurde. Die beiden Voraussetzungen für die Anwendung des
Analyseverfahrens sind erfüllt. Da jeweils nur eine unabhängige Variable gemessen wird, ist
Multikollinearität ausgeschlossen.765 Zudem führten insgesamt 146 Unternehmen
verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen durch, die Anzahl lag deutlich über 25 Fällen.766
Der -2 LogLikelihood-Wert zur Messung des Einflusses der Fairnesswahrnehmung auf die
Wahrscheinlichkeit verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen liegt bei 251,120 und damit
bei einem Signifikanzniveau von 0,05 % unterhalb des kritischen Wertes von 283,59.
Dieser Prüfwert wurde der χ2-Tabelle entnommen, dazu musste noch die Anzahl der
Freiheitsgrade bestimmt werden. Diese ergeben sich aus der Probandenanzahl abzüglich der
Menge unabhängiger Variablen und des Wertes 1. Da 248 Probanden befragt wurden und
lediglich eine unabhängige Variable vorliegt, ergibt sich ein Wert für die Freiheitsgrade von
246 (df = 246). Auch der Test zur Beurteilung der Pseudo-R2-Statistiken zur Beurteilung
der Güte des Gesamtmodells lieferte ein zufriedenstellendes Ergebnis. Nagelkerkes-R2 liegt
bei 0,408 und damit klar über dem kritischen Wert von 0,2 und sogar über dem als sehr gut
postulierten Grenzwert von 0,4.767 In einem letzten Schritt ist die Beurteilung der
Klassifikationsergebnisse mit dem Press‘s-Q-Test vorzunehmen. Dieser Wert liegt bei
98,43 und damit mehr als deutlich über dem tabellierten kritischen Prüfkriterium von 3,84
bei einem Freiheitsgrad von eins. Die prozentuale Vorhersagewahrscheinlichkeit lieferte
einen Wert von 81,5 %. Die Untersuchung bestätigt den vermuteten Zusammenhang
zwischen der Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA und der
Anwendung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen auf Lieferantenseite. Die einzelnen
Gütekriterien finden sich in Tabelle 38 wieder.
Gütekriterien -2 LogLikelihood
(>283,59)*
Nagelkerkes-
R2**
Press‘s-Q-
Test
(>3,48)***
Vorhersage in
%
Ergebnisse 251,120 0,408 98,43 81,5
Tabelle 38: Modellfit: Fairnesswahrnehmung – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen
[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]
765 Vgl. Menard, 2001, S. 75 ff. 766 Vgl. Hosmer/Lemeshow, 2000, S. 339 ff. 767 Cox & Snell R2 liegt bei 0,305 und spricht damit ebenfalls für die Annahme des Modells.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
162
Die Überprüfung des Zusammenhangs zwischen dem wahrgenommenen Einfluss von eRAs
auf die Geschäftsbeziehung mit verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen lieferte
ebenfalls zufriedenstellende Ergebnisse. Der -2 Loglikelihood-Wert lag hier bei 219,735
und wies damit eine noch deutlichere Güte der Anpassung auf als der vorherige Wert zur
Untersuchung der Verknüpfung der Fairnesswahrnehmung. Nagelkerkes-R2 lag mit einem
Wert von 0,519 im sehr guten Bereich. Auch der Press‘s-Q-Test lieferte mit einem Wert
von 103,49 ein gutes Ergebnis. Die prozentuale Vorhersagewahrscheinlichkeit lag hier bei
82,3 %. In Tabelle 39 finden sich die gegliederten Werte:
Gütekriterien -2 LogLikelihood
(>283,59)*
Nagelkerkes-
R2**
Press‘s-Q-
Test
(>3,48)***
Vorhersage in
%
Ergebnisse 219,735 0,519 103,49 82,3
Tabelle 39: Modellfit: Beziehungsqualität – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen
[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]
Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass sowohl die Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments eRA als auch der Einfluss von eRAs auf die anbieterseitig
empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung einen entscheidenden Einfluss auf die
Wahrscheinlichkeit verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen ausüben. Der auf der Theory-
of-Reasoned-Action768 aufbauende Zusammenhang wurde damit bestätigt (siehe Tabelle 40).
Hypothese Ergebnis
HG1 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
eRA ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung
verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen.
bestätigt
HG2 Je negativer der lieferantenseitg empfundene eRA-Einfluss auf die
Qualität der Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die
Durchführung verhandlungsbezogener Gegenmaßnahmen.
bestätigt
Tabelle 40: Einfluss eRA-Wahrnehmung – verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen
768 Vgl. Fazio et al., 1989, S. 280 ff.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
163
7.3.2 Auftreten und Ursachen finanzieller Kompensationsversuche
Auftreten und Verteilung der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen in der Praxis
Das am zweithäufigsten angewandte Reaktionsfeld sind Versuche der Kompensation der
finanziellen Einbußen durch eRAs. 50,81 % der befragten Lieferanten (126 von 248
Zulieferern) gaben an, derartige Kompensationsversuche durchgeführt zu haben. Innerhalb
des Reaktionsfeldes zeigte sich eine recht gleichmäßige Verteilung der einzelnen
Maßnahmen. Bedenkt man, dass ein Großteil der Lieferanten, die verhandlungsbezogenen
Gegenmaßnahmen durchführten, dies lediglich in Form einer Beschwerde getan haben, so
mag man die Kompensationsversuche finanzieller Einbußen gar als das gewichtigste
Reaktionsfeld ansehen.
Durchführung von Versuchen der Kompensation
finanzieller Einbußen:
Ja Nein
Ergebnisse (N = 248): 50,81 % 49,19 %
Tabelle 41: Häufigkeit von finanziellen Kompensationsversuchen
Die am häufigsten gewählte Variante ist die höherpreisige Berechnung von
Zusatzleistungen. 35,89 % der befragten Lieferanten (und 70,65 % der Lieferanten, die
Kompensationsversuchte unternommen haben) haben diese Maßnahme durchgeführt.
Obwohl der Kompensationsversuch bereits in der Literatur diskutiert wurde769, ist das
Ergebnis bemerkenswert, da Einkäufer häufig angeben, die Spezifikationen früher und
genauer anzufertigen als bei traditionellen Verhandlungsverfahren.770 33,87 % der
Lieferanten (66,67 % der Zulieferer mit Maßnahmen im Reaktionsfeld) nahmen eine
Senkung der Qualitätsstandards vor. Die am zweithäufigsten genannte Maßnahme771 im
betrachteten Reaktionsfeld ist zugleich die in der bisherigen Literatur am häufigsten
diskutierte, weshalb das Ergebnis nicht überrascht.
Höhere Preise für nachträgliche Anpassungen sind mit 27,02 % (53,18 % der Zulieferer mit
Maßnahmen im Reaktionsfeld) die am dritthäufigsten angewandte Option im betrachteten
Reaktionsfeld. In der Literatur wird auch sie mehrfach diskutiert.772 In ihrer Konzeption
769 Vgl. Jap, 2003, S. 104. 770 Vgl. Beall et al., 2003, S. 45 und S. 52; Vgl. Smeltzer/Carr, 2003, S. 485. 771 Vgl. Jap, 2003, S. 104; Vgl. Carter/Kaufmann, 2007, S. 22; Vgl. Beall et al., 2003, S. 25; Vgl. Arnold et
al., 2005, S. 118. 772 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 150.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
164
wie in ihren Konsequenzen für Praktiker beider Marktseiten ähnelt die Reaktionsoption
stark der Streichung von Zusatzleistungen, und auch hier stellt sich die Frage nach der
Genauigkeit der Produktspezifikationen. Nahezu ebenso häufig nahmen sich Lieferanten
vor, die durch eRAs erlittenen Preisreduktionen bei zukünftigen Aufträgen zu
kompensieren. 24,6 % der befragten Lieferanten (48,41 % der Zulieferer mit Maßnahmen
im Reaktionsfeld) gaben diese Option an. Erneut findet sich die Reaktion in bisherigen
Diskussionen in der Literatur.773 Offen bleibt an dieser Stelle, ob die nachträglichen
Anpassungen lediglich das auktionsdurchführende Unternehmen oder auch sonstige
Abnehmer betreffen. Die Senkung der Qualität der Vertriebsbetreuung ist die am wenigsten
verbreitete Maßnahme im untersuchten Feld. 22,98 % (45,24 % der Zulieferer mit
Maßnahmen im Reaktionsfeld) der Lieferanten führten Aktivitäten in dieser Richtung
durch. Anscheinend glauben die Zulieferer nicht, die erlittenen Einbußen mit Reduktionen
in ihren Vertriebskosten ausreichend kompensieren zu können. In Abbildung 30 wird die
relative Häufigkeit der einzelnen Kompensationsversuche angezeigt.
Abbildung 30: Kompensationsversuche finanzieller Einbußen in der Praxis
773 Vgl. Emiliani/Stec, 2005, S. 283; Vgl. Emiliani/Stec, 2004, S. 150.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
165
Verknüpfung des Auftretens der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen mit der
Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments
Im nächsten Schritt gilt es zu prüfen, ob das Auftreten der Kompensationsversuche, wie
zuvor das der verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen, durch die Wahrnehmung des
Beschaffungsinstruments ebenfalls determiniert wird. Zunächst ist jedoch auch hier die
generelle Anwendbarkeit der logistischen Regressionsanalyse zu untersuchen.
Multikollinearität ist weiterhin ausgeschlossen, da erneut jeweils nur eine unabhängige
Variable gemessen wird. Mit 126 Fällen liegt die kleinere der beiden Gruppen zudem
deutlich über der Mindestanzahl von 25 Fällen.774
Der die Anpassungsgüte messende -2 LogLikelihood liegt hier bei 324,938 und damit über
der kritischen Anpassung von 283,59. Auch Nagelkerkes-R2 zur Messung der Güte des
Gesamtmodells liegt mit einem Wert von 0,078 deutlich unter der kritischen Grenze von
0,2. Der Press‘s-Q-Test liefert mit einem Wert von 9,33 ein zufriedenstellendes Ergebnis.
Jedoch muss der Modellfit trotz eines noch akzeptablen Prozentsatzes der richtig
vorhergesagten 59,7 % aufgrund des niedrigen Nagelkerke-R2-Wertes und der zu hohen
Devianz als unzureichend konstatiert werden. In Tabelle 42 sind die Gütekriterien
zusammengefasst.
Gütekriterien -2 LogLikelihood
(>283,59)*
Nagelkerkes-
R2**
Press‘s-Q-
Test
(>3,48)***
Vorhersage in
%
Ergebnisse 328,822 0,078 9,33 59,7
Tabelle 42: Modellfit: Fairnesswahrnehmung –finanzielle Kompensationsversuche
[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]
Es besteht also kein messbarer Zusammenhang zwischen der Fairnesswahrnehmung
elektronischer Beschaffungsauktionen unter Lieferanten und Versuchen, die durch die
Auktionen erlittenen finanziellen Verluste zu kompensieren. Die ebenfalls aus der Theory-
of-Reasoned-Action abgeleitete Hypothese muss daher abgelehnt werden.
Ein ähnlich negatives Ergebnis ergab die Überprüfung des Zusammenhangs zwischen dem
eRA-Einfluss auf die Qualität der Geschäftsbeziehung und den Kompensationsversuchen
774 Vgl. Hosmer/Lemeshow, 2000, S. 339 ff.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
166
der finanziellen Einbußen. Auch hier lag der -2 Loglikelihood-Wert mit 324,938 klar unter
der kritischen Grenze von 283,59 bei einer Signifikanz von <0,05, und auch hier zeigte
Nagelkerkes R2 mit 0,097 eine äußerst unzureichende Güte des Gesamtmodells. Press‘s-Q-
Test wurde mit 7,86 bestanden und der Prozentsatz der richtig Vorhergesagten lag bei 58,9.
Bei Betrachtung aller Gütekriterien muss auch die zweite Hypothese zur
Wahrscheinlichkeitsbildung der Kompensationsversuche finanzieller Einbußen abgelehnt
werden. Die gesammelten Kriterien finden sich in Tabelle 43.
Gütekriterien -2 LogLikelihood
(>283,59)*
Nagelkerkes-
R2**
Press‘s-Q-
Test
(>3,48)***
Vorhersage in
%
Ergebnisse 324,938 0,097 7,86 58,9
Tabelle 43: Modellfit: Beziehungsqualität –finanzielle Kompensationsversuche
[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]
Es stellt sich die Frage, warum die Kriterien für keinen der vermuteten Zusammenhänge
erfüllt wurden, vor allem da sich im vorhergegangenen Reaktionsfeld
„verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen“ durchaus Einflüsse von den Konstrukten
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments und Einfluss auf die
Geschäftsbeziehung nachweisen ließen. Eine Erklärung für diese unterschiedlichen
Ergebnisse ist, dass viele der Kompensationsversuche erst mit einer zeitlichen Verzögerung
zum Auktionsverfahren durchgeführt werden. Während verhandlungsbezogene
Gegenmaßnahmen direkt während der Auktion stattfinden, vergeht bis zur Entscheidung
über Preiserhöhungen bei Zusatzleistungen oder zukünftigen Aufträgen eine Zeitspanne, in
der anfänglicher Ärger über die Auktion in den Hintergrund treten kann. Eine weitere
Erklärung liegt in der Tatsache, dass die Kompensationsversuche finanzieller Einbußen mit
direkten finanziellen Anreizen für das liefernde Unternehmen verknüpft sind. Diese
Verknüpfung mag ebenfalls bewirken, dass sich das Verhalten der Probanden mehr an
finanziellen Anreizen als an Fairnesswahrnehmungen oder an der Beziehungsqualität
orientierte.
Tabelle 44 fasst die Ergebnisse zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen der
Fairnesswahrnehmung elektronischer Beschaffungsauktionen und den Auswirkungen auf
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
167
die Geschäftsbeziehung und der Durchführung von Kompensationsversuchen der
finanziellen Einbußen durch eRAs zusammen.
Hypothese Ergebnis
HG3 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
eRA ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung von Versuchen
zur Kompensation der finanziellen Einbußen.
nicht bestätigt
HG4 Je negativer der lieferantenseitig empfundene eRA-Einfluss auf die
Qualität der Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die
Durchführung von Versuchen zur Kompensation finanzieller
Einbußen.
nicht bestätigt
Tabelle 44: Einfluss eRA-Wahrnehmung – finanzielle Kompensationsversuche
7.3.3 Auftreten und Ursachen strategischer Neuausrichtungen
Auftreten und Verteilung strategischer Neuausrichtungen in der Praxis
Strategische Neuausrichtungen sind das am wenigsten genutzte Reaktionsfeld. Nur 18,15 %
der Lieferanten (45 von 248 befragten Zulieferern) führten hier Maßnahmen durch. Grund
dafür kann die Tatsache sein, dass sich Auktionen in vielen Märkten nicht umfassend
durchgesetzt haben und dass strategische Neuausrichtungen naturgemäß langsamer und
seltener durchgeführt werden als operative Reaktionen.
Durchführung von Versuchen der Kompensation
finanzieller Einbußen:
Ja Nein
Ergebnisse (N=248): 18,15 % 81,85 %
Tabelle 45: Ergebnisse zur Durchführung strategischer Neuausrichtungen
Bei den einzelnen Reaktionsoptionen sind Modifikationen des Produktprogramms, um
dieses von der eRA-Anwendung auszuschließen, die klar präferierte Maßnahme. 13,31 %
der befragten Lieferanten (73,33 % der Zulieferer mit Maßnahmen im Reaktionsfeld)
führten diesen Schritt durch. Erklären lässt sich diese starke Präferenz auch mit einem
allgemeinen Bestreben deutscher Unternehmen, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte
nicht primär über eine Kostenorientierung zu gewährleisten. Die anderen strategischen
Konsequenzen sind weit weniger häufig in der Praxis verbreitet. Andere absatzorientierte
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
168
Konsequenzen, die Suche nach Kunden oder Märkten ohne Beschaffung über Auktionen
wurden jeweils von 3,63 % der befragten Anbieter (20 % der Zulieferer mit Maßnahmen im
Reaktionsfeld) durchgeführt. Auch hier mag die Begründung in einer bisher
unvollständigen Verbreitung des Beschaffungsinstruments liegen. Lediglich 2,42 % der
Lieferanten (17,78 % der Zulieferer mit Maßnahmen im Reaktionsfeld) führten einen
langfristigen Abbau von Vertriebsinfrastruktur aufgrund von eRAs durch, womit die
Maßnahme den zweitniedrigsten Wert aufweist. Bereits bei den Kompensationsversuchen
der finanziellen Einbußen waren operative Kostenkürzungen in der Vertriebsbetreuung die
am wenigsten präferierte Option gewesen. Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer
waren mit 2,02 % (11,11 % der Zulieferer mit Maßnahmen in dem Reaktionsfeld) die am
wenigsten verbreitete strategische Neuausrichtung. Anpassungen der Kostenstrukturen
aufgrund elektronischer Beschaffungsauktionen scheinen in der Praxis keine Relevanz zu
besitzen. Abbildung 31 liefert eine Übersicht über die relative Häufigkeit der einzelnen
strategischen Neuausrichtungen.
Abbildung 31: Strategische Neuausrichtungen in der Praxis
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
169
Verknüpfung des Auftretens strategischer Neuausrichtungen mit der Wahrnehmung des
Beschaffungsinstruments
Auch hier sind die Voraussetzungen zur Anwendung der logistischen Regressionsanalyse
erfüllt. Es wird ebenfalls nur eine unabhängige Variable getestet, womit Multikollinearität
ausgeschlossen ist. Zusätzlich besteht die kleinste Gruppe aus 45 Fällen und liegt damit klar
über dem kritischen Grenzwert (N = 25).775
Die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments schien dabei keinen signifikanten
Einfluss zu besitzen. Der -2 LogLikelihood lag zwar bei 211,917 und damit im akzeptablen
bis guten Bereich, Nagelkerkes-R2 bescheinigte dem Gesamtmodell mit einem Wert 0,145
jedoch keine ausreichende Güte. Press‘s-Q-Test lag bei 90,47 und der Prozentsatz der
richtig vorhergesagten gar bei 80,2 %. Vor dem Gebot wissenschaftlicher Vorsicht ist die
Hypothese des Zusammenhangs zwischen der Fairnesswahrnehmung von eRAs und der
Wahrscheinlichkeit strategischer Neuausrichtungen aufgrund der unzureichenden Pseudo-
R2-Statistik jedoch abzulehnen. Die Hypothese wird nicht bestätigt.
Gütekriterien -2 LogLikelihood
(>283,59)*
Nagelkerkes-
R2**
Press‘s-Q-
Test
(>3,48)***
Vorhersage in
%
Ergebnisse 211,917 0,145 90,47 80,2
Tabelle 46: Modellfit: Fairnesswahrnehmung – strategische Neuausrichtungen
[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]
Als letzter Test des logistischen Regressionsmodells wurde die Verknüpfung des eRA-
Einflusses auf die Qualität der Geschäftsbeziehung überprüft. Erstaunlicherweise lieferte
diese im Kontrast zur vorherigen Untersuchung einen klar messbaren Zusammenhang. Der
-2 LogLikelihood lag mit 188,666 noch deutlicher unter dem kritischen Wert von 283,59,
und Nagelkerkes-R2 bewertete die Güte des Gesamtmodells mit einem Wert von 0,278 als
ausreichend. Auch der Press‘s-Q-Test lieferte mit 95,33 ein sehr gutes Ergebnis, und der
Prozentsatz der richtig Vorhergesagten lag bei 81 %. Die gesammelten Ergebnisse finden
sich in Tabelle 47.
775 Vgl. Hosmer/Lemeshow, 2000, S. 339 ff.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
170
Gütekriterien -2 LogLikelihood
(>283,59)*
Nagelkerkes-
R2**
Press‘s-Q-
Test
(>3,48)***
Vorhersage in
%
Ergebnisse 188,666 0,278 95,33 81,0
Tabelle 47: Modellfit: Beziehungsqualität – strategische Neuausrichtungen
[*α<0,05;** akzeptabel bei Werten>0,2, gut bei Werten>0,4;***α<0,05]
Obwohl die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments keinen signifikanten
Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit strategischer Neuausrichtungen ausübt, erhöht der
Einfluss der eRAs auf die Qualität der Geschäftsbeziehung sehr wohl die
Wahrscheinlichkeit derartiger Schritte auf Lieferantenseite. Dieses zunächst verwundernde
Ergebnis mag darin begründet liegen, dass strategische Neuausrichtungen gerade dann
wahrscheinlich werden, wenn die Qualität der Geschäftsbeziehung aus Lieferantensicht
ohnehin beschädigt und damit anfällig für Auswirkungen ungeliebter
Verhandlungsverfahren ist.
Tabelle 48 fasst die Ergebnisse zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen der
Fairnesswahrnehmung elektronischer Beschaffungsauktionen und den Auswirkungen auf
die Geschäftsbeziehung und der Durchführung von strategischen Neuausrichtungen
zusammen.
Hypothese Ergebnis
HG5 Je negativer die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
eRA ist, desto wahrscheinlicher ist die Durchführung strategischer
Neuausrichtungen der liefernden Unternehmen.
nicht bestätigt
HG6 Je negativer der lieferantenseitig empfundene Einfluss auf die
Qualität der Geschäftsbeziehung ist, desto wahrscheinlicher ist die
Durchführung strategischer Neuausrichtungen der liefernden
Unternehmen.
bestätigt
Tabelle 48: Einfluss eRA-Wahrnehmung – strategische Neuausrichtungen
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
171
7.4 Direkte Implikationen für die Unternehmenspraxis
7.4.1 Implikationen für beschaffende Unternehmen
Beeinflussung der Wahrnehmung von eRAs
Die durch eRAs ausgelösten Marktstrukturveränderungen haben sich als signifikant für die
lieferantenseitige Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments erwiesen. Wollen Einkäufer
diese Wahrnehmung positiv beeinflussen, stehen ihnen drei Stellhebel zur Verfügung:
Beschränkung der Erhöhung der Wettbewerberanzahl: Durch die eRA-Anwendung wird es
häufig möglich, auch zusätzliche Zulieferer an dem Verhandlungsverfahren teilnehmen zu
lassen.776 Verzichtet der Einkäufer auf diesen Schritt und kommuniziert den Verzicht an
seine Lieferanten, wird die Fairnesswahrnehmung positiv beeinflusst. Diese Maßnahme ist
jedoch stets mit den negativen Konsequenzen einer beschränkten Wettbewerberanzahl,
nämlich einer erhöhten Kollusionswahrscheinlichkeit und einem verminderten
Wettbewerbseffekt auf den Endpreis des Verfahrens, abzuwägen.
Rücknahme der erzielten Preisreduktionen: Dieser zweite Stellhebel für eine bessere
Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments ist wenig zielführend, da die
Preisreduktionen die primäre Motivation für die Auktionsanwendung waren. Relevant wird
ein solches Verhalten nur in Ausnahmefällen, wenn die drohende Insolvenz eines
Lieferanten für das beschaffende Unternehmen mit negativeren Konsequenzen verbunden
wäre als eine Subvention des Abnehmers durch höhere Preise.777
Verringerung des relativen Markttransparenzverlustes: Für Einkäufer ist diese
Einflussmöglichkeit von besonderer Bedeutung, da sie weit weniger als die zuvor
beschriebenen Marktstrukturverschiebungen die Ziele des eRA-Einsatzes gefährdet. Der
Ausgleich des durch die Auktionen hervorgerufenen relativen Verlustes kann entweder
direkt während der eRA oder nach diesem erfolgen. Ersterer wird über ein offenes
Auktionsverfahren erreicht. Bei der englischen Auktion sind die Best-Bid + Rank eRA oder
ein Verfahren, in dem alle Gebote sichtbar sind, zu wählen. Bei der holländischen Auktion
ist die Anzahl und unter Umständen auch die Identität aller Bewerber anzuzeigen. Auf
diese Weise entsprechen sich die absoluten Informationsgewinne der Einkäufer und der
776 Vgl. Beall et al., 2003, S. 27; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373; Vgl. Ariely/Simonson, 2003; Vgl.
Kaufmann, 2003a, S. 213. 777 Zur eingehenderen Diskussion dieses „Subventional Pricing“ siehe Arnold/Schnellbächer, 2010b, S. 1469.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
172
Lieferanten und es liegt kein relativer Markttransparenzverlust mehr vor. Da dieser
beschriebene Ausgleich während des Verfahrens den Zulieferern einen größeren Nutzen
stiftet, dürfte er sich deutlicher auf die Fairnesswahrnehmung von eRAs auswirken. Bei der
Aufdeckung der Informationen während des Verfahrens sollten jedoch stets die durch die
gestiegene Transparenz erhöhte Kollusionsgefahr778 und die Möglichkeit der Verbesserung
von Bietstrategien779 berücksichtigt werden. Die Informationsweitergabe nach dem
Auktionsverfahren über gesammelte Datensätze oder Feedbackgespräche gleicht den
relativen Markttransparenzverlust erst zu einem Zeitpunkt aus, an dem die Informationen
für die Anbieter weit weniger wertschöpfend sind. Lediglich bei zukünftigen
Entscheidungsprozessen im jeweiligen Absatzmarkt können sie von Vorteil sein und
wirken sich damit abgeschwächt auf die Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments aus.
Weniger stark wirkt jedoch der zentrale Nachteil der Informationsweitergabe, wenn diese
erst nach dem Verhandlungsverfahren erfolgt. Die Gefahr der Kollusionsbildung ist nur bei
einer wiederholten Auktionsanwendung mit einem sehr ähnlichen Bieterpool zu
berücksichtigen. Bei jeglicher Informationsweitergabe, sowohl während wie auch nach dem
Verfahren, ist zu beachten, dass es den Lieferanten erleichtert wird, eigene Bietstrategien
im Zeitverlauf zu entwickeln (siehe beispielhaft die Argumentation zur Sniping-Strategie in
Kapitel 3.2.2).780
Verhalten im Umfeld der Auktionsverhandlung
Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen sind die am häufigsten von Lieferanten
gewählte Reaktionsoption, sodass Einkäufer ihnen besondere Beachtung schenken sollten.
Möchte man den Maßnahmen entgegenwirken, kann dies über die Fairnesswahrnehmung
des Beschaffungsinstruments geschehen. Im Folgenden werden die einzelnen Maßnahmen
des Reaktionsfeldes separat untersucht.
Beschwerden der Lieferanten über die Auktionsanwendung können als guter Hinweis für
sich anbahnende Aktionen in dem Reaktionsfeld dienen. Nur sehr selten finden diese ohne
begleitende Beschwerden statt. Da die sonstigen Gegenmaßnahmen erst während und nach
Beendigung der Auktion oder gar nicht offenbar werden, kann die Beschwerde hier als
guter Indikator dienen. Die Beschaffungsmitarbeiter sollten auf Beschwerdegespräche
778 Vgl. Schmidt, 2005, S. 124; Ahrns/Freser, 1997, S. 52. 779 Vgl. Luton/McAfee, 1986, S. 191. 780 Vgl. Ariely et al., 2001.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
173
vorbereitet sein und gegebenenfalls speziell geschult werden. Tauchen vermehrt
Beschwerden auf und weisen auf weitere Gegenmaßnahmen hin, stehen zwei
Vorgehensweisen zur Auswahl:
- Die Lieferantenwahrnehmung der Auktionsdurchführung ist über die Abfederung
oben beschriebener Marktstrukturveränderungen zu verbessern und
Gegenreaktionen so weniger wahrscheinlich zu machen.
- Die Präventionsmaßnahmen gegen verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen sind
zu verstärken.
Wird die zweite Option gewählt, ist besonders auf die Nicht- oder die nur passive
Teilnahme von Zulieferern am Auktionsprozess zu achten. Beidem kann mit der Einladung
einer genügend großen Lieferantenanzahl781 oder dem Aufbau einer guten
Auktionsreputation entgegengewirkt werden (siehe dazu auch die Argumentationen in
Kapitel 3.2.2). In Fällen, in denen die Auswahl und Zertifizierung weiterer Lieferanten zu
kostspielig oder gar unmöglich sind, kann den beiden Reaktionsoptionen auch durch die
Auktionsregeln entgegengewirkt werden. Sie sind derart zu gestalten, dass sie zwar für das
beschaffende Unternehmen bindend sind und so über den Signaling-Mechanismus
„Selbstbindung“ Vertrauen auf Lieferantenseite aufbauen.782 Gleichzeitig treten sie jedoch
erst mit der Erfüllung gewisser Kriterien in Kraft. Negative Konsequenzen aus einer
verbreiteten Nichtteilnahme lassen sich durch eine Mindestanzahl an Teilnehmern, die
Bedingung für den Auktionsstart ist, verhindern. Gegen eine gehäufte Nicht- sowie eine
gehäufte passive Teilnahme hilft ein niedriger Startpreis bei einer englischen oder ein
niedriger Endpreis bei einer holländischen Auktion, über den keine Gebote akzeptiert
werden. Diese Maßnahmen sind jedoch mit den Nachteilen niedriger Start- und
Endpreise(siehe Kapitel 3.2.2) abzuwägen.783 Zusätzlich müssen die Auktionsregeln so
gestaltet und angewandt werden, dass eine Störung des Verfahrens nicht möglich ist. Die
vollständige Beendigung der Geschäftsbeziehung aufgrund von eRAs kann aus
Einkäufersicht trotz ihrer mehrmaligen Erwähnung in der Literatur784 vernachlässigt
werden. Für Einkäufer verbindet sich mit dieser Nachricht die Erkenntnis, dass sie auch
Lieferanten in eRAs einbinden können, die sie in Zukunft für den Bezug strategischer Güter
benötigen.
781 Vgl. Mabert/Skeels, 2002, S. 76; Vgl. McAfee/McMillan, 1987, S. 711. 782 Vgl. Stölzle, 2007, S. 159. 783 Vgl. Ariely/Simpnson, 2003, S. 115. 784 Vgl. Emiliani, 2005, S. 528; Vgl. Smeltzer/Carr, 2001, S. 984.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
174
Überwachung von Kompensationsversuchen finanzieller Einbußen
Auch diesem Reaktionsfeld sollten Einkäufer verstärkt Beachtung schenken. Neben dem
häufigen Auftreten der einzelnen Gegenreaktionen liegt die Gefahr der
Kompensationsversuche in der direkten Beschneidung der ursprünglichen Zielsetzungen
der Einkäufer bei der Auktionsanwendung. Durch Maßnahmen zur Beeinflussung der
Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments und zum wahrgenommenen Einfluss auf die
Geschäftsbeziehung kann die Wahrscheinlichkeit von Kompensationsversuchen nicht
verringert werden. Der Fokus muss daher auf der direkten Prävention der einzelnen
Maßnahmen liegen. Besondere Aufmerksamkeit sollte den Produktspezifikationen gelten.
Sind diese präzise und klar formuliert, werden die häufig auftretenden Preiserhöhungen für
Zusatzleistungen, für nachträgliche Anpassungen und auch Qualitätsreduktionen erschwert.
Besonderes Augenmerk ist auf Preiserhöhungen von Zusatzleistungen zu legen. Ein
wichtiger Bestandteil hier ist, dass eine Erhöhung der abgenommenen Mengeneinheiten
möglich ist, ohne dass der Stückpreis dieser erhöht wird. Aus Einkäufersicht differenziert
zu betrachten sind Reduktionen in den Qualitätsstandards des eigentlichen Produkts und der
Vertriebsbetreuung durch den Lieferanten. Bei hier vorgenommenen Reduktionen ist zu
prüfen, ob diese dem beschaffenden Unternehmen wirklich schaden oder ob überflüssige
Qualitäts- und Servicelevel abgebaut werden, die in Zukunft zu weiteren Preisreduktionen
führen können.
Überwachung strategischer Neuausrichtungen der Lieferanten
Strategische Neuausrichtungen der Lieferanten sind aus Einkäufersicht weniger zu
befürchten und sollten deshalb nur in Ausnahmefällen beachtet werden, in denen ein
langfristiges Ausdünnen der Zuliefererbasis für die über eRAs eingekauften Produkte
befürchtet wird. In diesen Fällen ist vor allem darauf zu achten, dass Lieferanten ihr
Produktportfolio durch Modifikationen nicht von der Auktionsanwendung ausschließen
oder in andere Märkte abwandern. Beachtung sollten auch lieferantenseitige Bemühungen
beim Abbau von Vertriebsinfrastruktur erhalten. Die Einführung von eRAs ist meist nur
eine von vielen Maßnahmen, den Einkauf auf elektronische Prozesse umzustellen. Stellen
sich liefernde Unternehmen auf diese Entwicklung ein, können auch dort
Kostenreduktionen erzielt werden, die zu einem weiteren Absinken der Verkaufspreise
führen können. Zudem lässt sich eine bessere Abstimmung des Transaktionsprozesses
erzielen. Weiteres Kostensenkungspotenzial für die beschaffenden Unternehmen liegt in
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
175
lieferantenseitigen Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer, wenn diese geforderte
Qualitätsstandards nicht gefährden.
7.4.2 Implikationen für liefernde Unternehmen
Liefernde Unternehmen erhalten durch die vorliegende Analyse eine detaillierte Auflistung,
welche Reaktionsoptionen von Zulieferern in welchem Grad vorgenommen werden. Sie
können diese nutzen, um ihr eigenes Reaktionsportfolio auf Vollständigkeit und Effektivität
zu überprüfen. Von besonderer Bedeutung sind Maßnahmen um und während des
Auktionsverfahrens. Reaktionen dieses Feldes zeichnen sich dadurch aus, dass sie umso
wirkungsvoller und damit erfolgversprechender werden, je mehr Lieferanten sie
durchführen. Kenntnisse über das Verhalten anderer Lieferanten fallen daher besonders ins
Gewicht. In Bezug auf die Beschwerdeoption hat sich gezeigt, dass sie von einem großen
Teil der untersuchten Lieferanten wahrgenommen wurde. Es scheint daher
erfolgversprechend, die eigenen Proteste mit denen anderer Anbieter zu koordinieren.785 Zu
beachten ist auch die weit niedrigere, jedoch klar messbare Anzahl von Nicht- oder
passiven Teilnehmern. Beschwerden sind umso wirkungsvoller, wenn sie mit der
Androhung der Exit-Option kombiniert werden.786 Die ermittelten Daten unserer Analyse
legen nahe, dass es in einigen Fällen möglich ist, einen Großteil der Lieferanten in einer
Beschwerde zur eRA-Durchführung mit einer angedrohten Nichtteilnahme zu vereinen. Ob
sich auf diese Weise eine höherpreisige Vergabe durchsetzen lässt, wird von der
Geschlossenheit des Anbieterkreises und von der Präferenz des beschaffenden
Unternehmens für die teilnehmenden Zulieferer abhängig sein. Ein solches Vorgehen ist
der Lieferantenseite nur in Fällen mit einer überschaubaren und homogenen Anbieterzahl787
zu empfehlen. Lohnenswert bei einer solchen Strategie kann auch die Einbeziehung
einzelner Einkäufer aus dem beschaffenden Unternehmen sein, die der Einführung
elektronischer Beschaffungsauktionen oft kritisch gegenüberstehen.788 Einen zu großen
Fokus legen Lieferanten bisher auf Störungen der Auktion – beispielsweise über
Gebotsabgaben außerhalb des Verfahrens. Unter Umständen mögen beschaffende
Unternehmen zwar durch gut koordinierte Störungsaktionen einer ausreichend großen
Lieferantenanzahl unter Druck gesetzt werden. Erfolgreiche Fälle derartiger
785 Zur konzeptionellen Erläuterung einer Verstärkung eigener Beschwerden durch Einbeziehung der
Äußerungen anderer nach Hirschman siehe auch Falck, 2006, S. 88. 786 Vgl. Hirschman, 1974, S. 70. 787 Vgl. Ahrns/Feser, 1997, S. 52. 788 Vgl. Carter et al., 2004, S. 237.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
176
Vorgehensweisen, bei denen die Auktionsanwendung verhindert wurde, sind jedoch nicht
bekannt. In jedem Fall sollten individuelle Störungen vermieden werden. Das Ziel,
Missgunst über ein Beschaffungsinstrument auszudrücken, das vertrauensvolle
Geschäftsbeziehungen zu missachten scheint und womöglich die eigenen
Wettbewerbsvorteile nicht ausreichend berücksichtigt, kann auch mit einer Beschwerde
erreicht werden. Eine Auftragsvergabe über traditionelle Verfahren wird ein einzelner
Anbieter über Störungen nicht bewirken können.
Die Studie offenbarte die weite Verbreitung einer Vielzahl an Kompensationsversuchen der
durch eRAs erlittenen finanziellen Einbußen. Vertriebsmitarbeiter sollten Einladungen zu
elektronischen Beschaffungsauktionen unter anderen Voraussetzungen als unter denen zu
sonstigen Verhandlungsverfahren prüfen. Zunächst ist sicherzustellen, ob zu den
Standardprodukten gehörige Zusatzleistungen auch wirklich zu erbringen sind oder aus der
Kostenkalkulation entnommen werden können. Im günstigsten Fall sind sie vom
beschaffenden Unternehmen nachträglich zu erwerben und bieten dem Zulieferer eine
komfortable Position zur Generierung zusätzlicher Erlöse. Eine solche Position kann zudem
durch nachträgliche Anpassungen der in der Auktion festgelegten Produktspezifikationen
entstehen. Ebenfalls genau zu prüfen sind die in den Produktspezifikationen angegebenen
Standards der Produkt- und Servicequalität. Auch hier scheinen in der Praxis regelmäßig
Lücken aufzutreten, die sich in Kosteneinsparungen der Lieferanten umwandeln lassen.
Bezüglich strategischer Neuausrichtungen aufgrund eines erhöhten Preis- und
Wettbewerbsdrucks durch eRAs haben sich Modifikationen des Produktprogramms, um
dieses von der Auktionsanwendung auszuschließen, als beliebteste Alternative erwiesen.
Die Tatsache, dass die Reaktionsoption von einer Vielzahl an Lieferanten durchgeführt
wird, sagt jedoch noch nichts über deren Erfolgspotenzial aus. Durch die langfristige
Wirkung strategischer Neuausrichtungen789 sind die Beurteilung deren Zielerreichung und
mögliche Anpassungen erst nach größeren Zeitabständen möglich. Möchten Zulieferer die
Reaktionsoption anwenden, stehen ihnen zwei Vorgehensweisen zur Verfügung. Sie
können versuchen, ihre Produkte derart zu modifizieren, dass sie für das einkaufende
Unternehmen eine strategische Relevanz erhalten.790 Eine beispielhafte Maßnahme ist es,
eine Produktionsmaschine nicht nur zu liefern, sondern zudem noch langfristig zu
789 Vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 436. 790 Vgl. Beall et al., 2003.
Empirische Überprüfung der Erklärungsmodelle
177
betreiben, sodass das Know-how über die Produktionsprozesse des Kunden in das eigene
Unternehmen übergeht. Die zweite Option zur Modifikation des Produktprogramms ist die
Komplexität der eigenen Leistungen zu erhöhen oder sie gegenüber den Kunden höher
erscheinen zu lassen. Zum einen können Abnehmer Produkte, die sie nicht vollständig
verstehen, nicht spezifizieren und damit auktionieren. Zum anderen besteht bei jeder
Auktion ein Trade-off zwischen den Kosten der Auktionsdurchführung und den
erreichbaren Savings (siehe dazu die Argumentation in Kapitel 3.2.1). Werden Erstere
durch eine Komplexitätssteigerung der anzufertigenden Spezifikationen erhöht, sinkt die
Wahrscheinlichkeit der Auktionsanwendung. Andere erlösseitige Neuausrichtungen (Suche
nach neuen Kunden, Suche nach neuen Märkten) wurden kaum genannt und scheinen daher
nur in Ausnahmefällen Erfolg versprechend zu sein. Ähnlich unbeliebt sind auch
kostenseitige strategische Umstellungen (Abbau von Vertriebsinfrastruktur;
Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer). Sie sollten daher vor ihrer Anwendung als
Reaktionsoption auf eRAs von Lieferanten genau geprüft werden.
178
8 Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
8.1 Wissenschaftliche Ergebnisse
8.1.1 Inhaltliche Erkenntnisse
Zu Beginn der Arbeit wurden drei Forschungsfragen definiert:
- Was sind die Determinanten der lieferantenseitigen Wahrnehmung elektronischer
Beschaffungsauktionen (Forschungsfrage 1)?
- Welche Reaktionsoptionen haben Lieferanten auf eRAs und wie häufig werden
diese in der Praxis genutzt (Forschungsfrage 2)?
- Wie wirkt sich die lieferantenseitige Wahrnehmung elektronischer
Beschaffungsauktionen auf die Durchführung von Gegenreaktionen der Zulieferer
aus (Forschungsfrage 3)?
Bezüglich der ersten Forschungsfrage wurden vier Marktstrukturveränderungen
identifiziert, die durch die technologische Innovation eRA zustande kamen. Die einzelnen
Änderungen wirken sich wie folgt auf die Lieferantenwahrnehmung des
Beschaffungsinstruments aus:
- Die Erhöhung der Wettbewerberanzahl zeigt den deutlichsten Einfluss auf die
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA.
- Ebenfalls einen deutlich messbaren Einfluss auf die Fairnesswahrnehmung von
eRAs unter Lieferanten hat die Senkung des Preisniveaus durch elektronische
Einkaufsauktionen.
- Schwächer, jedoch noch als signifikant anzuerkennen ist der Einfluss des relativen
Markttransparenzverlusts für Zulieferer auf die Fairnesswahrnehmung des
Beschaffungsinstruments.
- Verworfen werden musste die Hypothese, dass sich eine Effizienzsteigerung des
Vertriebsprozesses positiv auf die Wahrnehmung von eRAs auswirkt. Hier wurde
ein nicht signifikanter und zudem unplausibler negativer Wert gemessen.
Weiterhin stellte sich hieraus, dass die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
einen entscheidenden Einfluss auf die Auswirkung von eRAs auf die lieferantenseitig
empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung besitzt. Dieses Ergebnis zeigt, dass
Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
179
Lieferanten eRAs nicht als bloßes kleines Ärgernis, sondern als maßgeblichen negativen
Einfluss auf die Geschäftsbeziehung empfinden. Außerdem wurde untersucht, wie sich der
wahrgenommene relative Verlust an Markttransparenz konstituiert. Als determinierende
Variable wird der absolute Markttransparenzgewinn des eigenen, des beschaffenden und
der konkurrierenden Unternehmen postuliert. Hier wurden die folgenden Ergebnisse
gemessen:
- Den am stärksten messbaren Einfluss übten die absoluten Markttransparenzgewinne
der Einkäufer aus. Je höher diese eingeschätzt wurden, desto höher wird der
absolute Markttransparenzverlust empfunden.
- Ein nur schwach messbarer Einfluss geht von dem absoluten
Markttransparenzgewinn des eigenen Unternehmens aus, der sich senkend auf den
relativen Markttransparenzverlust auf der Lieferantenseite auswirkt.
- Abgelehnt werden musste die Hypothese, dass die absoluten
Markttransparenzgewinne der konkurrierenden Unternehmen einen erhöhenden
Einfluss auf den Verlust der relativen Markttransparenz haben.
In Bezug auf mögliche Gegenreaktionen (zweite Forschungsfrage) zu eRAs ergab die
Analyse aus einer Auswertung themenspezifischer Literatur und der Experteninterviews
eine Systematisierung in die Reaktionsfelder verhandlungsbezogene Gegenreaktionen,
Kompensationsversuche finanzieller Einbußen und strategische Neuausrichtungen. Jedes
dieser Felder ist durch ein Set an verschiedenen Reaktionsoptionen gekennzeichnet, die
sich teilweise sehr unterschiedlich auf die liefernde wie auf die beschaffende Seite
auswirken. Die verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen sind mit 54,84 % das am
häufigsten genutzte Reaktionsfeld. Hier wurde die Beschwerde als prognostizierendes
Element für die Verbreitung anderer Gegenreaktionen ausgemacht. Solche sind häufig die
Nichtteilnahme an Folgeauktionen oder deren Störung. Eine signifikante Verbreitung von
Beendigungen der Geschäftsbeziehung oder kollusive Verhaltensweisen aufgrund von
eRAs konnten nicht ermittelt werden. Gerade bei Letzteren ist jedoch ein unwahres
Antwortverhalten als Begründung nicht auszuschließen. Die logistische Regressionsanalyse
zeigte, dass verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen stark von der
Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA abhängig sind. Sowohl die
Fairnesswahrnehmung des Instruments als auch die Wahrnehmung des Einflusses von
eRAs auf die Geschäftsbeziehung zeigten einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten
von Aktionen in dem Reaktionsfeld.
Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
180
Kompensationsversuche finanzieller Einbußen waren mit 50,81 % das am zweithäufigsten
angewandte Reaktionsfeld. Unter den einzelnen Reaktionsoptionen zeigte sich in der Praxis
eine relativ homogene Verteilung. Lediglich die Preiserhöhung bei Zusatzleistungen stach
leicht als präferierte Maßnahme heraus. Eine Verknüpfung der Durchführung von
Kompensationsversuchen mit der Lieferantenwahrnehmung des Beschaffungsinstruments
eRA oder seinem Einfluss auf die Geschäftsbeziehung konnte nicht gemessen werden. Die
bisherige Literatur geht davon aus, dass die aggressiveren Bieter und damit die
wahrscheinlichen Gewinner der Auktion weniger finanzielle Ressourcen in die
Geschäftsbeziehung einbringen wollen791 und dass die Auktionsgewinner
Beschaffungsauktionen als positiv bewerten.792 Die Ergebnisse dieser Analyse legen jedoch
ein anderes Bild nahe. Lieferanten scheinen die sich aus Auktionen ergebenden
Vertragslücken ausnutzen zu wollen, unabhängig davon, wie positiv oder negativ das
Verhandlungsverfahren wahrgenommen wird.
Das am wenigsten von Lieferanten genutzte Reaktionsfeld waren strategische
Neuausrichtungen. Nur 18,15 % der Zulieferer nahmen hier Aktionen vor. Erklärt werden
kann dieser Befund mit den starken Auswirkungen strategischer Entscheidungen auf das
gesamte Unternehmen und der bisher noch nicht umfassenden Verbreitung von eRAs.
Innerhalb der strategischen Neuausrichtungen zeigte sich eine klare Fokussierung von
Modifikationen des Produktportfolios, um dieses von der Auktionsanwendung
auszuschließen. Die übrigen Reaktionsoptionen waren recht gleichmäßig verteilt. Auch von
den strategischen Neuausrichtungen konnte kein signifikanter Zusammenhang zu der
Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments, jedoch zu dessen wahrgenommenen
Einfluss auf die Qualität der Geschäftsbeziehung hergestellt werden. Dieses zunächst
verwundernde Ergebnis wurde damit erklärt, dass Geschäftsbeziehungen, in denen einzelne
Akteure strategische Neuausrichtungen vornehmen, wohl bereits zuvor angeschlagen
waren.
8.1.2 Theoretische und methodische Konsequenzen aus der Vorgehensweise
Die in der Analyse verwendeten theoretischen Konstrukte haben sich als geeignet zur
Erklärung realer Abläufe und Strukturen erwiesen. Der vom MSCP-Paradigma postulierte
Zusammenhang zwischen der Marktstruktur und dem Marktverhalten konnte empirisch bei
791 Vgl. Jap/Haruvy, 2008. 792 Vgl. Caniėls/Raaij, 2009, S. 20 f.
Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
181
zwei von drei Reaktionsfeldern nachgewiesen werden. Die Wahrnehmung des
Beschaffungsinstruments und seiner Auswirkungen wurden der Theory-of-Reasoned-
Action folgend als zwischengeschaltete Variable identifiziert. Auch dieses theoretische
Modell erwies sich damit als gutes Erklärungsmuster zur Erfassung empirisch zu
ermittelnder Sachverhalte. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Kompensationsversuche der
durch eRAs erlittenen finanziellen Einbußen entgegen der Erwartung nicht mit der
Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments verknüpft sind. Die Übertragung
verhaltenswissenschaftlicher Ansätze im Allgemeinen und der Theory-of-Reasoned-Action
im Besonderen auf häufig nüchtern kalkulierte B-to-B-Beziehungen ist, trotz eines
bereichernden Erklärungsgehalts, mit wissenschaftlichem Augenmaß vorzunehmen.
Grundlegend ist die Verknüpfung eines industrieökonomischen Paradigmas mit
verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen wie der Theory-of-Reasoned-Action, der Anreiz-
Beitrags-Theorie oder dem Konzept der Voice-, Exit- und Loyality zu einem ganzheitlichen
Erklärungsmodell. Während sich verhaltenstheoretische Ansätze mit den Handlungen von
Individuen beschäftigen, bilden bei industrieökonomischen Modellen Organisationen das
Zentrum der Analyse. Da wirtschaftliches Handeln im B-to-B-Kontext meist beide Ebenen
beinhaltet, liegt in der Verknüpfung der Ansätze bedeutendes Potenzial zur Erhöhung des
Erklärungsgehalts wissenschaftlicher Analysen. Die Vorgehensweise findet sich
anschaulich in Abbildung 22 darstellt, wo verhaltenswissenschaftliche Konstrukte zwischen
den industrieökonomischen Variablen Marktstruktur und Marktverhalten wirken. Es ist zu
wünschen, dass eine derartige Kombination auch in Zukunft Anwendung finden wird.
Auch methodisch zeigt die vorliegende Arbeit durch die Verknüpfung zweier Verfahren
neue Wege auf. Zunächst wird mithilfe von Strukturgleichungsverfahren eine
Wahrnehmung abgebildet, von der dann mittels einer logistischen Regressionsanalyse
konkrete Handlungen abgeleitet werden. Strukturgleichungsmodelle als multivariates
Analyseverfahren breiten sich derzeitig stetig in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
aus. Durch die Verknüpfung ihrer exogenen, in der Analyse erklärten Variablen mit
logistischen Regressionsmodellen lässt sich der Erklärungsansatz durch die
Berücksichtigung nominaler Variablen erweitern. Beispielhaft muss die Kaufabsicht nicht
mehr umständlich und häufig verzerrt über eine Vielzahl an Indikatoren operationalisiert
Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
182
werden.793 Durch Verknüpfung der PLS-Analyse mit der logistischen Regression kann eine
tatsächliche erfolgte Kauf-/Nichtkaufentscheidung mit latenten Variablen des Modells
verknüpft werden, wodurch sich der Erklärungsgehalt der Analyse erhöht. In Abbildung 32
ist die Verknüpfung der beiden multivariaten Analyseverfahren Strukturgleichungsmodell
und logistische Regression schematisch dargestellt.
Abbildung 32: Verknüpfung Kausalanalyse logistische Regression
8.1.3 Limitationen der Arbeit und Möglichkeiten zukünftiger Forschung
Der Fokus der Arbeit richtete sich auf die Untersuchung des Reaktionsverhaltens zu eRAs
von Zulieferern aus dem industriell hoch entwickelten deutschsprachigen Raum. Aussagen
zu Anbieterreaktionen und -wahrnehmungen aus anderen geografischen oder kulturellen
Clustern lassen die Ergebnisse daher nicht zu. Dies gilt umso mehr, da bisherige Studien
zeigen, dass die geografische Herkunft eines Zulieferers aus einem industriell entwickelten
oder unterentwickelten Land eine entscheidende Determinante für seine eRA-
Wahrnehmung ist.794 Die empirische Überprüfung einer Übertragung der
Systematisierungen auf Zulieferergruppen anderer Märkte würde hier erhellende
Ergebnisse liefern. Eine weitere Limitation der Arbeit liegt in der mangelnden
Differenzierung von Zulieferern einzelner Branchen. Diese wurde aufgrund des zu
niedrigen Samples und der Tatsache, dass viele Anbieter Kunden verschiedener Branchen
beliefern, nicht vorgenommen. Ein größeres Sample könnte hier zu neuen und
793 Vgl. dazu beispielhaft Spears/Singh, 2004, S. 55. 794 Vgl. Caniëls/Raaji, 2009.
Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
183
differenzierten Erkenntnissen führen. Unerklärt blieben zudem die Determinanten des
relativen Verlusts an Markttransparenz von Zulieferern durch eRAs. Zwar zeigten die
absoluten Informationsgewinne des einkaufenden Unternehmens und die des Zulieferers
signifikante Einflüsse auf das Konstrukt. Dieses konnte jedoch aufgrund des geringen
Bestimmtheitsmaßes R2 nicht ausreichend erklärt werden. Es ist zu vermuten, dass der
relative Markttransparenzverlust noch von weiteren Variablen, wie einer allgemein
verbesserten Informationslage der Abnehmer durch elektronische Prozesse, beeinflusst
wird.
Zur Analyse des weiteren Forschungsbedarfs zu elektronischen Beschaffungsauktionen soll
zunächst die Systematisierung von Forschungsarbeiten zu eRAs von Wagner/Schwab
(2004) betrachtet werden. Sie unterteilt diese in die Schwerpunkte795:
- Die optimale Beschaffungssituation zur Durchführung einer Auktion;
- das optimale Auktionsdesign;
- die optimale Einbindung von Auktionen in den Beschaffungsprozess.
Die Dreiteilung kann aus heutiger Sicht um die Kategorie „Lieferantenverhalten/lang-
fristige Konsequenzen“ ergänzt werden. Die vorliegende Analyse schließt die bestehenden
Forschungslücken innerhalb dieser neuen Kategorie. Nach wie vor enthält das
Forschungsfeld „electronic reverse auctions“ jedoch blinde Flecken, von denen wir nichts
wissen. So sind alle empirischen Untersuchungen zu Beschaffungsauktionen statischer
Natur, da sie die Dynamiken, die das Verhandlungsinstrument durch seine Market-
Structure-Changes auslöst, nicht berücksichtigen.796 Von mindestens ebenso großem
Interesse sind die unterschiedlichen Konsequenzen aus der eRA-Anwendung in
divergierenden Wettbewerbssituationen. In Boomphasen mit vollen Auftragsbüchern und
Kapazitätsengpässen ist ein anderes Wettbewerbs- und Bieterhalten der Lieferanten zu
erwarten als in Zeiten, in denen große Überkapazitäten vorliegen. Es ist jedoch gänzlich
unbekannt, welche Auktionsdesigns Einkaufsmanager in unterschiedlichen
Wettbewerbssituationen wählen sollen. Ist es möglich, dass ein Auktionsdesign einem
anderen in wirtschaftlich starken Phasen überlegen ist, in einer Rezession jedoch nicht? Im
Grunde ist es verwunderlich, dass bei der Untersuchung eines Beschaffungsinstruments,
das nahezu ausschließlich auf das Transparentmachen von Wettbewerb zielt,
795 Vgl. Wagner/Schwab, 2004, S. 15. 796 Lediglich Engel, 2008, untersucht, wie Beschaffungsauktionen das Risiko von Lieferanteninsolvenzen
erhöhen, und wählt damit eine dynamische Betrachtungsperspektive über verschiedene Perioden.
Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
184
unterschiedliche Wettbewerbssituationen bisher unberücksichtigt blieben.
Anreizkompatible Experimente – womöglich mit Studenten in der Rolle des
Vertriebsmitarbeiters in verschiedenen Wettbewerbssituationen – könnten hier wertvolle
Ergebnisse liefern. Das zweite von Wagner/Schwab (2004) vorgeschlagene Forschungsfeld
erhält so eine, seine Realitätsnähe erhöhende, dynamische Vertiefung. Selbige ist auch
beim vierten, in dieser Arbeit definierten Forschungsfeld zu eRAs von Interesse. Es ist
untersuchenswert, ob die Verbreitung einzelner Reaktionsoptionen auf elektronische
Beschaffungsauktionen unabhängig von der gegenwärtigen Auslastung eines Markts ist.
Eine sachlogische Hypothese ist, dass offene Gegenreaktionen wie die Beschwerde über
oder die Nichtteilnahme eher in Boomzeiten auftreten, während verdeckte Aktionen wie
Kompensationsversuche finanzieller Einbußen verstärkt in wirtschaftlich angeschlagenen
Phasen durchgeführt werden.
Nahezu vollständig unbearbeitet ist die Perspektive des optimalen Verhaltens aus
Lieferantensicht. Nur wenige Autoren haben sich bisher vollständig in die Perspektive des
Anbieters versetzt. Eine beidseitige Betrachtung wurde beispielsweise von Carter et al.
(2004) vorgenommen.797 So existieren bisher weder Instrumente noch gesicherte Kriterien
zur optimalen Auswahl von Beschaffungsauktionen, an denen es sich aus der Perspektive
eines Lieferanten lohnt teilzunehmen. Unklar sind zudem häufig konkrete Bietstrategien
innerhalb einzelner Auktionsdesigns. Es lassen sich lediglich indirekt Hinweise aus
verschiedenen auf Vorwärtsauktionen bezogenen Veröffentlichungen ableiten.798 Hier sind
Kriteriensets zu erarbeiten, die sowohl die generelle Attraktivität des Auftrags als auch die
individuellen Stärken und Schwächen des Lieferanten bei der Leistungserstellung des
jeweiligen Auftrags berücksichtigen. Eine weitere Forschungslücke stellt die Einbindung
von Beschaffungsauktionen in den Vertriebsprozess dar, die auf der einkaufenden Seite in
den Beschaffungsprozess bereits vorgenommen wurde.799
8.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis
Implikationen für einkaufende Unternehmen
Die Durchführung elektronischer Beschaffungsauktionen kann zu verschiedenen
Reaktionsmechanismen auf Lieferantenseite führen, die unterschiedliche Gefahren für 797 Vgl. Carter et al., 2004. 798 Vgl. Kräkel, 1992. 799 Vgl. Arnold et al., 2005; Vgl. Arnold/Schnabel, 2008.
Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
185
Einkäufer in sich bergen. Beschaffungsmanager müssen daher abwägen, welche Risiken sie
in einer gegebenen Situation als bedrohlich erachten und Maßnahmen gegen das Risiko
bergenden Lieferantenverhalten vornehmen. Wird eine mangelnde Wettbewerbsintensität
während der Auktion oder ein nicht einwandfreier Ablauf des Verfahrens befürchtet, sind
verhandlungsbezogenen Gegenmaßnahmen durchzuführen. Sieht man jedoch eher die
Gefahr eines opportunistischen Ausnutzens von Vertragslücken auf Lieferantenseite, ist der
Fokus auf die Bekämpfung von Kompensationsversuchen der finanziellen Einbußen zu
richten. Strategische Neuausrichtungen auf Zuliefererseite sollten verhindert werden, wenn
man ein langfristiges Ausdünnen der Lieferantenbasis befürchtet. Lieferantenreaktionen in
den einzelnen Feldern kann auf unterschiedliche Weise entgegengetreten werden:
- Verhandlungsbezogene Gegenmaßnahmen können eingeschränkt werden, indem die
Wahrnehmung von eRAs und deren Einfluss auf die Geschäftsbeziehung verbessert
wird. Als Indikator für die Wahrscheinlichkeit verhandlungsbezogener
Gegenmaßnahmen kann die Häufigkeit von Lieferantenbeschwerden über das
Beschaffungsinstrument herangezogen werden.
- Kompensationsversuche finanzieller Einbußen können über die lieferantenseitige
Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments nicht beeinflusst werden. Hier
empfiehlt sich eine Fokussierung auf die Genauigkeit der vor der Auktion
kommunizierten Produktspezifikationen. Besonderes Augenmerk sollten
Beschaffungsmanager auf nicht genau spezifizierte Zusatzleistungen legen.
- Strategische Neuausrichtungen sind durch die Auswirkungen, die eRAs auf die
Qualität der Geschäftsbeziehung haben, beeinflussbar, wenn auch in schwächerem
Maße. Besondere Beachtung sollten lieferantenseitige Versuche erhalten, das
Produktportfolio derart zu modifizieren, dass es für eine Auktionsanwendung nicht
infrage kommt. Die sonstigen strategischen Gegenreaktionen scheinen in der Regel
vernachlässigbar.
Wollen Einkäufer die Wahrnehmung des Beschaffungsinstruments eRA und mit ihr der
Einfluss der Auktionen auf die Geschäftsbeziehung begrenzen, beispielsweise um
verhandlungsbezogenen Maßnahmen entgegenzuwirken, stehen ihnen verschiedene
Stellhebel zur Verfügung:
- Am wirksamsten ist eine Reduktion der Wettbewerberzahl während der Auktion.
Für Lieferanten ist die durch Auktionen häufig hervorgerufene Erhöhung der
Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
186
Anzahl der Wettbewerber800 der wohl entscheidendste Treiber der negativen
Fairnesswahrnehmung. Einkäufer müssen an dieser Stelle den Vorteil dieser
Wettbewerberanzahlerhöhung, die primär in einem erwarteten Anstieg der
Wettbewerbsintensität liegt, mit den negativen Effekten auf die
Lieferantenwahrnehmung abwägen. Dies gilt umso mehr, da sich eine negative
Lieferantenwahrnehmung auch senkend auf die Anzahl der tatsächlich
teilnehmenden Wettbewerber auswirken kann. Es mag daher in einigen Fällen
sinnvoll sein, die Lieferantenanzahl trotz der Möglichkeiten elektronischer
Auktionen nicht zu erhöhen und dies offen nach außen zu kommunizieren.
- Ein weiterer sehr wirksamer Hebel auf die Wahrnehmung des
Beschaffungsinstruments liegt in der Rücknahme erzielter Preisreduktionen. Da
diese jedoch die ursprüngliche Motivation zur Durchführung der
Beschaffungsauktionen waren,801 ist der Schritt auf Einkäuferseite nicht
empfehlenswert.
- Ebenfalls beeinflusst wird die Lieferantenwahrnehmung durch den lieferantenseitig
empfundenen relativen Verlust an Markttransparenz. Dieser wird sowohl von dem
wahrgenommenen absoluten Markttransparenzgewinn der Einkäufer als auch durch
absolute Markttransparenzgewinne der Zulieferer beeinflusst. Hier kann ein
Offenlegen der durch die Auktion gewonnenen Informationen, beispielsweise in
Feedbackgesprächen, abschwächend wirken. Zu beachten ist dabei allerdings,
inwieweit diese Informationen den Einkäufern schaden können, wenn den
Lieferanten damit beispielsweise Bietstrategien oder gar kollusive Maßnahmen
erleichtert werden.
- Nicht beeinflusst wird die Fairnesswahrnehmung des Beschaffungsinstruments
durch Steigerungen der Effizienz des Vertriebsprozesses durch eRAs.
- Die Fairnesswahrnehmung von eRAs besitzt einen klar messbaren Einfluss auf die
von Lieferanten empfundene Qualität der Geschäftsbeziehung. Einkäufer sollten
den signifikanten Einfluss von eRAs auf die Beziehungsqualität stets
berücksichtigen.
800 Vgl. Kaufmann/Carter, 2004, S. 20; Vgl. Arnold/Schnabel, 2007, S. 89; Vgl. Brenner/Wenger, 2007, S. 8;
Vgl. Emiliani, 2000, S. 182; Vgl. Schoenherr/Mabert, 2007, S. 373. 801 Vgl. Arnold et al., 2005, S. 116 f.; Vgl. Emiliani, 2004, S. 66; Vgl. Hur et al., 2007, S. 404.
Zusammenfassende Betrachtung der Analyse
187
Implikationen für liefernde Unternehmen
Die Ergebnisse zeigen, dass Anbieter das Wettbewerbsniveau und damit die Attraktivität
des Verhandlungsverfahrens nicht einzig anhand der Anzahl eingeladener Lieferanten
beurteilen können. Zu groß ist die Anzahl an Teilnehmern, die gar nicht oder nur passiv an
der Auktion teilnehmen. Ein gehäuftes Beschwerdeaufkommen kann dabei als Indikator für
eine hohe Nichtteilnahme an dem Vertriebsprozess angesehen werden. Unter Umständen ist
es lukrativ, gerade an den umstrittenen Auktionen teilzunehmen. Wählt ein
Zuliefererunternehmen die Beschwerdeoption, sollte es versuchen, diese mit Beschwerden
anderer Lieferanten zu kombinieren. Auch eine gemeinschaftliche oder individuelle
Verknüpfung der Beschwerde mit einer angedrohten Nichtteilnahme sollte erwogen
werden. Von selbstständigen, nicht mit anderen koordinierten Störungen des Verfahrens ist
jedoch abzusehen. Die Analyse hat zudem gezeigt, dass Kompensationsversuche
finanzieller Einbußen in der Praxis ein bei eRAs häufig auftretendes Phänomen sind. Für
Lieferanten verbindet sich mit dieser Information die Nachricht, dass Einladungen zu
Auktionsverfahren und die dazugehörigen Produktspezifikationen anders als bei anderen
Verhandlungsverfahren geprüft werden sollten. Aufwendungen, die zu den
Standardleistungen der Unternehmensprodukte gehören, müssen unter Umständen nicht
geleistet und können aus der Kostenkalkulation entnommen werden. Im günstigsten Falle
sind sie zusätzlich abrechenbar und generieren weitere Erlöse. Auch allgemein geleistete
Qualitäts- und Servicelevel sind nicht zwangsläufig zu erbringen und müssen dann nicht in
die Kostenkalkulation mit aufgenommen werden. Will das Unternehmen strategische
Anpassungen aufgrund elektronischer Beschaffungsauktionen durchführen, sollte die
Möglichkeit von Modifikationen zum Ausschluss des eigenen Produktprogramms von der
Auktionsanwendung geprüft werden. Diese sind möglich, wenn es gelingt, die Produkte so
zu gestalten, dass sie für das beschaffende Unternehmen strategisch relevant sind. Eine
weitere Möglichkeit besteht darin, die Komplexität der Produkte derart hoch erscheinen zu
lassen, dass eine Auktionsanwendung nicht ausführbar ist. Sonstige strategische
Anpassungen aufgrund von eRAs werden nur in Ausnahmefällen durchgeführt und sind
daher genau auf ihr Erfolgspotenzial zu prüfen.
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