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7/26/2019 Rilke_Rainer Maria - Der Cornet
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Rilke
Der Cornet
Erste und letzte Fassung der Prosadichtung
eBOOK-Bibliothek
7/26/2019 Rilke_Rainer Maria - Der Cornet
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eBOOKBIBLIOTHEK
ebook-bibliothek.org
littera scripta manet
AINE AIA ILKE
DER CORNET
Erste und letzte Fassung der Prosadichtung.
Die erste Fassung aus dem Jahr 899 trgt den Titel
Der Cornet, die endgltige Fassung aus dem Jahr 906wurde unter dem TitelDie Weise von Liebe und Tod des
Cornets Christoph Rilkeim Inselverlag verffentlicht.
http://www.ebook-bibliothek.org/http://www.ebook-bibliothek.org/http://www.ebook-bibliothek.org/http://www.ebook-bibliothek.org/http://www.ebook-bibliothek.org/7/26/2019 Rilke_Rainer Maria - Der Cornet
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Rainer Maria Rilke
(4.1.187 9.1.196)
. Ausgabe, Dezember 2005
eBOOK-Bibliothek 2005 fr diese Ausgabe
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Der Cornet
Erste Fassung: Herbst 899
Berlin-Schmargendorf
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Appel Rilke, Herr auf Langenau, Grnitz, Greuenu. s. f. hat drei Shne. Der Jngste, Otto, tritt in oester-reichische Dienste. Er fllt, 8 Jahre alt, als Cornet inder Compagnie des Freiherrn von Pirovano gegen dieTrken in Ungarn (664).
Dieses ist der Inhalt einer Stelle, welche ich in alten Regestengefunden habe. Man kann sie so lesen, oder auch auf folgende
Art.
Reiten, reiten, reiten durch den Tag, durch die Nacht, durchden Tag. Reiten, reiten, reiten. Und der Mut ist so mde ge-
worden und die Sehnsucht so gro. Es giebt keine Berge mehr,kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen. Fremde Htten
hocken durstig an versumpen Brunnen. Nirgends ein Turm.
Und immer das gleiche Bild. Man hat zwei Augen zuviel. Nur
in der Nacht manchmal glaubt man, den Weg zu kennen. Viel-
leicht kehren wir nchtens immer wieder das Stck zurck,
das wir in der fremden Sonne mhsam gewonnen haben?
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Es kann sein. Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Som-
mer. Aber wir haben im Sommer Abschied genommen, frei-
lich. Die Kleider der Frauen leuchteten lang aus dem Grn.Und nun reiten wir lang. Es mu also Herbst sein. Wenigstens
dort, wo traurige Frauen von uns wissen.
Der von Langenau rckt im Sattel und sagt:Herr Marquis.
Sein Nachbar, der kleine feine Franzose, hat erst drei Tage
lang gesprochen und gelacht. Jetzt wei er nichts mehr. Er ist
wie ein Kind, das schlafen mchte. Staub bleibt auf seinem fei-
nen weien Spitzenkragen liegen; er merkt es nicht. Er wird
langsam welk in seinem samtenen Sattel.Aber der von Langenau lchelt und sagt:
Ihr habt seltsame Augen, Herr Marquis. Gewi seht Ihr
Eurer Mutter hnlich
Da blht der Kleine noch einmal auf, und stubt seinen
Kragen ab und ist wie neu.
Dann erzhlt jemand von seiner Mutter. Ein Deutscher offen-bar; laut und langsam setzt er seine Worte wie ein Mdchen,
das ein Krnzel bindet, sinnend die Blumen probt und noch
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nicht wei, was aus dem Ganzen wird: so fgt er seine Worte.
Zu Lust, zu Leide? Alle lauschen, sogar das Spucken hrt auf.
Denn es sind lauter Herren, die wissen was sich gehrt. Undwer das Deutsche nicht kann in dem Haufen, der versteht es
auf einmal
Da sind sie alle einander nah, diese Herren, die aus Frank-reich kommen und aus den Niederlanden und aus Krntens
Tlern und von den bhmischen Burgen und vom Kaiser Leo-
pold. Denn was der Eine erzhlt, das haben auch sie erfahren
und gerade so. Als ob es nur eineMutter gbe
So reitet man in den Abend hinein, in irgend einen Abend.Man schweigt wieder, aber man hat die lichten Worte mit wie
schne Geschenke. Und da hebt der Marquis den schweren
Helm ab. Seine dunklen Haare sind weich und frauenha la-sten sie auf seinem gesenkten Nacken. Jetzt erkennt auch der
von Langenau: Fern ragt etwas in den Glanz hinein, etwas
Dunkles, Schlankes. Eine einsame Sule, halbverfallen. Und
wie sie lange vorber sind, spter, fllt ihm ein, da das eine
Madonna war.
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Wachtfeuer. Man sitzt rundherum und wartet. Wartet bis Ei-ner singt. Aber man ist so md. Das rote Licht ist schwer. Es
liegt auf den staubigen Schuhn. Es kriecht bis an die Kniee, es
schaut in die gefalteten Hnde hinein. Es hat keine Flgel. Die
Gesichter sind dunkel. Dennoch leuchten eine Weile die Augen
des kleinen Franzosen mit eigenem Licht. Er hat eine kleine
Rose gekt, und nun darf sie weiterwelken an seiner Brust.Der von Langenau hat es gesehen, weil er nicht schlafen kann.
Er denkt: Ich habe keine Rose, keine. Und dann singt er. Das ist
ein altes, trauriges Lied, wie es zuhause die Mdchen auf den
Feldern singen, im Herbst, wenn die Ernten zuende gehen.
Sagt der kleine Marquis: Ihr seid sehr jung, Herr? Und dervon Langenau in Trauer halb und halb in Trotz: Achtzehn!
Dann schweigen sie.
Spter fragt der Franzose: Habt Ihr auch eine Braut da-
heim, Herr Ritter?Ihr? giebt der von Langenau zurck.
Sie ist blond wie Ihr, Herr Ritter
Und sie schweigen wieder bis der Deutsche ru:
Aber zum Teufel warum sitzt Ihr denn dann im Sattel und
reitet durch dieses giige Land diesen trkischen Hunden
entgegen?
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Um wiederzukehren, lchelt der Marquis.
Und der von Langenau wird traurig. Er denkt an ein blon-
des Mdchen, mit dem er spielte daheim, wilde Spieledurch Tag und Tann. Und er mchte nach Hause, nur fr ei-
nen Augenblick, nur fr solange, als es braucht, um die Worte
zu sagen:
Magdalena, da ich immer so war, verzeih!
Wie war? denkt der junge Herr.
Und sie sind weit.
Einmal am Morgen ist ein Reiter da, und dann ein zweiter,ganz in Eisen, gro. Dann tausend dahinter: das Heer. Man
mu sich trennen:Kehrt glcklich heim, Herr Marquis.
Die Maria hat Euch lieb, Herr Ritter.
Und sie knnen nicht von einander. Sie sind Freunde auf
einmal, Brder. Sie haben sich viel zu vertrauen, denn sie wis-
sen schon so viel Einer vom Andern. Sie zgern. Und ist Hast
und Hufschlag um sie. Da strei der Marquis den rechtenrauhen Handschuh ab und leise friert seine feine Hand. Er
holt die kleine Rose hervor und nimmt ihr ein Blatt. Das ist,
wie wenn man eine Hostie bricht. Das wird Euch beschir-
men! Lebt wohl.
Der von Langenau staunt. Lange schaut er dem Franzosen
nach. Dann legt er den fremden Frhling unter den Waffen-
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rock. Und das Blatt treibt so hin auf den einsamen Wellen
seines Herzens. Hornruf. Er reitet zum Heer, der Ritter, und
lchelt traurig. Ihn schtzt eine fremde Frau.
X
Ein Tag durch den Tro. Flche, Farben und Lachen da-
von blendet das Land. Kommen bunte Buben gelaufen. Rau-fen und Rufen. Kommen Dirnen mit purpurnen Hten im
flutenden Haar. Winken. Kommen Knechte, schwarzeisern
wie wandernde Nacht. Packen die Dirnen hei, da ihnen
die Kleider zerreien. Drcken sie an den Trommelrand.
Und von der wilden Gegenwehr hastiger Hnde werden die
Trommeln wach, wie im Traum poltern sie poltern Und
Abends halten sie ihm Laternen her seltsame: Wein, leuch-tend in eisernen Hauben. Wein oder Blut. Wer kanns unter-
scheiden?
Endlich vor Spork. Neben seinem Schimmel ragt der Graf,
und auch sein langes Haar hat den glatten Glanz des Eisens.
Der von Langenau hat nicht gefragt, er erkennt den Gene-
ral, schwingt sich vom Ro und verneigt sich in einer WolkeStaub. Er bringt ein Schreiben mit, das ihn empfehlen soll
beim Grafen. Der aber befiehlt: Lies mir den Wisch! Und
seine Lippen haben sich kaum gerhrt. Er braucht sie auch
nicht dazu. Zum Fluchen sind sie grade gut genug. Was dr-
ber hinaus ist, redet die Rechte. Punktum. Und man sieht es
ihr an. Der junge Herr ist lngst zuende. Er wei nicht mehr,
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wo er steht. Der Graf ist vor Allem. Sogar der Himmel ist fort.
Da sagt Spork, der groe General:
Cornet.Und das ist viel.
X
Die Compagnie liegt jenseits der Raab. Der von Langenaureitet hin, allein, allein.Heier Abend. Glanz bricht ber das Land herein, von al-
len Seiten zugleich. Die Heide fngt Feuer, als ob sie pltzlich
hundert brennende Hnde nach dem Himmel streckte. Und
der Mond wird rasch reif in dieser Glut. Er rollt aufwrts,
ganz gro, ganz rot.
Der von Langenau trumt. Trab, trab.Es ru ihn ein Baum.
Ru, wie wund. Trab, trab.
Ru. Da wacht er auf und erschrickt: Halt!
Es ru ihn ein Baum.
Er reitet heran: Ist ein braunes Mdchen daran gebunden,
ru: Mach mich los!Ist ganz nackt das braune Mdchen.
Und ru: Mach mich los!
Und hat die Nacht in den Augen, das braune Mdchen,
und den Abend im Nacken, wie einen Mantel.
Heig durchhaut er die Schnre, die an den Fen zu-
erst, dann die an den Handgelenken, die warm sind vom
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ungeduldigen Blut. Und zum Schlu erlst er die Brust. Und
fhlt ber seine Finger das erste Aufatmen schlagen, wie eine
landende Welle. Und zittert.Und sitzt schon zu Ro.
Und jagt in die Nacht, allein. Blutige Schnre fest in der
Faust.
X
Der von Langenau schreibt einen Brief ganz in Gedanken.Langsam schreibt er mit groen ernsten Lettern:
Meine gute Mutter,
sei stolz: Ich trage die Fahne, sei ohne Sorge: ich trage
die Fahne. Hab mich lieb: ich trage die Fahne Dann steckt er den Brief zu sich in den Waffenrock, an
den einsamsten Ort, nachbarlich dem Rosenblatt, und denkt:
er wird bald duen davon, und denkt: vielleicht findet ihn
einmal Einer denkt. Denn der Feind ist nah.
X
Sie reiten ber einen erschlagenen Bauer. Er hat die Augenweit offen und irgendein fremder, schwerer Himmel spiegelt
sich drin. Spter heulen Hunde. Es kommt also ein Dorf
endlich. Und hinter den Htten steigt steinern ein Schlo.
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Breit hlt sich ihnen die Brcke hin. Gro wird das Tor. Hoch
willkommt das Horn. Horch! Hundegebell, Wiehern im Hof
und Huf und Ruf.
X
Rast! Gast sein, einmal. Nicht immer selbst seine Wnsche
bewirten, mit krglicher Kost. Nicht immerfeindlichnach Al-lem fassen, einmal sich Alles geschehen lassen und wissen was
geschieht ist gut. Auch der Mut mu einmal sich strecken und
sich am Saume seidener Decken in sich selber berschlagen.
Nicht immer Soldat sein. Einmal die Locken offen tragen und
den weiten offenen Kragen und in seidenen Sesseln sitzen und
bis in die Fingerspitzen, so: nach dem Bad sein. Und wieder
einmal lernen, was Frauen sind. Und wie die weien tun undwie die blauen sind, was sie fr Hnde haben, wie sie ihr La-
chen singen, wenn die blonden Knaben die goldenen Schalen
bringen, von vielen Frchten schwer.
X
Als Mahl beganns. Und ist ein Fest geworden. Man wei nichtwie. Die hohen Flammen flackten, die Stimmen schwirrten,
viele Lieder klirrten aus Glas und Glanz und endlich aus den
reifgewordnen Takten entsprang der Tanz. Und alle ri er hin.
Und war ein Wellenschlagen in den Slen, ein Sich-vermischen
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und ein Sich-vermhlen, ein Abschiednehmen und ein Wie-
derfinden, ein Glanzgenieen und ein Lichterblinden, ein
Willigwerden jenen stillern Winden, die wie die Flgel frem-der Blten sind. Aus dunklem Wein und roten Rosen rinnt
die Stunde rauschend in den Traum der Nacht.
X
Und Einer steht und staunt in diese Pracht. Und er ist so gear-tet, da er wartet bis er erwacht. Denn nur im Schlafe schaut
man solchen Staat und solche Feste und solche Frauen. Ihre
kleinste Geste ist eine Falte, fallend in Brokat. Sie bauen ein
Lachen auf aus silbernen Gesprchen und manchmal heben sie
die Hnde so, und du mut meinen, da sie irgendwo hoch in
den Len blasse Rosen brchen, die du nicht siehst. Und dawillst du geschmckt sein mit ihnen und anders beglckt sein
und dir eine Krone verdienen weil deine Stirne so leer ist
X
Einer, der weie Seide trgt, erkennt, da er nicht erwachenkann; denn er ist wach und verwirrt von der Wirklichkeit.
So flieht er bange in den Traum und steht im Park, einsam
im schwarzen Park. Und das Fest ist fern. Und das Licht lgt.
Und die Nacht ist nah ber ihm und khl. Und er fragt eine
Frau, die sich zu ihm neigt: Bist du die Nacht?
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Und sie lacht.
Und da schmt er sich fr sein weies Kleid.
Und mchte weit und allein und in Waffen sein. Ganz inWaffen.
X
Hast du vergessen, da du mein Page bist fr einen Tag? Was
verlassest du mich? Dein weies Kleid gibt mir ein Recht Sehnst du dich nach deinem rauhen Rock?
Und da friert er so als ob ein Wind oder Winter wre.
Hast du Heimweh? lchelt die Grfin.
Aber es ist nur, weil das Kindsein ihm von den Schultern
gefallen ist, dieses weichliche warme Kleid. Jemand hat es
fortgerissen:Du? fragt er gro mit neuer Stimme und staunt:
Du. Und steht da, jnglingsnackt im Gefhl, neu, schlank.
XX
Langsam verlscht das Schlo. Alle sind mde oder verliebtoder trunken. Nach so vielen leeren nchternen Feldnchten:
Betten. Breite eichene Betten. Da betet sichs anders als in der
schlammigen Furche, unterwegs, die einen immer an das
Grab gemahnt. Herr, wie du willst! Krzer sind die Gebete
im Bett. Aber inniger.
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XX
Sie haben das Licht in die Turmstube gerettet. In den Augenhaben sies mitgebracht, in den nichtgesagten Worten, in dem
dunkeln Scho ihrer Sehnsucht. Und es entfaltet sich jetzt. Sie
leuchten sich ins Gesicht mit ihrem Lcheln. Sie betasten sich
wie Blinde, die sich erkennen; sie packen sich wie Kinder, die
Angst haben vor der Nacht. Aber sie frchten sich nicht. Sie
wissen nichts von gestern und denken nicht an ein morgen.Die Zeit ist eingestrzt. Und sie blhn beide aus den Trm-
mern. Sie fragen einander nicht,
weder Er: Dein Gemahl?
noch sie wie heit du ?, sie haben sich ja gefunden,
um sich neue Namen zu geben, alle die ihnen einfallen aus
Geschichten, aus Trumen, in hundert Sprachen
XX
Im Vorsaal ber einem Stuhl hngt der Waffenrock und dasBandelier und der Mantel von dem von Langenau. Seine
Fahne steht steil, gelehnt an das Fensterkreuz. Sie ist schwarzund schlank. Ein Sturm hetzt ber den Himmel hin, pltzlich.
Das Licht zittert vor ihm. So kommt es, da die reglose Fahne
flatternde Schatten hat, als ob sie trumte.
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XX
Es ist eine unruhige Nacht geworden. Die Tren schlagen imganzen Schlo hinter heimlichen Gsten zu, die durch alle
Zimmer gehen. Nur in das Turmgemach findet Keiner. Die
Fahne wacht an der Schwelle. Wie hinter hundert Tren ist
dieser Schlaf, den zwei Menschen so gemeinsam haben wie
eineMutter, oder wie einenTod.
XX
Kommt der Morgen so? Pltzlich ist alles hell: Wnde undWaffen, Stimmen und Stirnen, Helme und Hrner, Lager und
Land. Noch wlzt das Schlo den roten Gedanken in seinem
Hirn, den ungeheuren, der heimlich rei und die Tore ergrei,bis sie alle schreien:
Brand!
Was hil da verrammeln? Jetzt ist es verraten. Ganz nahe
waren Janitscharen. Taten! Taten! Taten! bedarfs. Schande
den Schwachen, die zagha erwachen. Schmach! Langsamerlangt der Drachen das Dach, es schwankt: Krachen. Und
im Hof erschrockene Hrner stammeln: Sammeln, sammeln,
sammeln
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XX
Cornet! Der Cornet fehlt. Zu Pferd! Klirrn! Eile. Schon
schwirrn Pfeile her. Hnde, Helme, Hrner, Fluch und Spruch.Rufe: Cornet! Hufe.
XX
Der Cornet fehlt. Er lu mit den Gngen um die Wette, mitden fremden brennenden Gngen, immer die Fahne hoch.Endlich berholt er den letzten, atemlos, und bndigt ein
Pferd und berhetzt Alles: Licht, Lrm, Land, Leute. Sie er-
kennen ihn, fern voran, wei in Seide, helmlos und wie ge-
panzert in Licht. Er lacht. Da erwacht die Standarte ber ihm,
hoch im Wind. Wird gro, rot, rot? Wessen die Farbe? Und
sie sehen ihn nicht mehr, ihren Cornet. Sie sehen nur einebrennende Fahne mitten im Feind und jagen ihr nach.
XX
Der Tag kommt viel zu spt. Alle Farben sind schon wach.Und der von Langenau leuchtet ihnen ins Gesicht, den frem-
den festlichen Farben: Habt ihr auch Mnner mit? Und
lacht. Seine Augen sind voll zum berflieen von Seide, Ge-
schmeide, Glut und Gold. Der Schrecken umschirmt ihn, und
er hat Zeit, die bunte Pracht zu schauen unter seiner langsam
verlodernden Fahne.
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XX
Wie ein Garten ist das, und es ist kein Wind in den Zwei-gen. Da blitzt ein Yatagan, springt hell wie ein Quell durch
die Lu. Und wieder ein Strahl und wieder einer. Und viele
flimmernde Fontnen rings in den Grten. Da lacht der Cor-
net, die Lippen zum Trinken bereit: Ist das das Leben? Und
giebt sich ihm hin.
XX
Sein Waffenrock ist im Schlosse verbrannt und mit ihm dasRosenblatt der fremden Frau. Den Brief hat keiner gefunden.
Im nchsten Frhjahr, es kam traurig und kalt, ritt ein Ku-
rier des Freiherrn von Pirovano langsam in Langenau ein, mitleeren Hnden. Dort hat er eine alte Frau weinen sehen.
XXX
Ein riesiger Krassier (er ist spter bei St. Gotthardt gefal-len) trug die Grfin aus dem brennenden Schlo. Wie durch
ein Wunder gelang die Flucht. Aber man wei ihren Namen
nicht und nicht den Namen des Sohns, den sie bald in ande-
ren friedsamen Landen gebar.
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Die Weise von Liebe und Tod
des Cornets Christoph Rilke
Endgltige Fassung von 906
Geschrieben 899
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den 24. November 663 wurde Otto von Rilke / aufLangenau / Grnitz und Ziegra / zu Linda mit seinesin Ungarn gefallenen Bruders Christoph hinterlasse-nem Antheile am Gute Linda beliehen; doch mute ereinen Revers ausstellen / nach welchem die Lehensrei-chung null und nichtig sein sollte / im Falle sein Bru-der Christoph (der nach beigebrachtem Totenscheinals Cornet in der Compagnie des Freiherrn von Piro-vano des kaiserl. oesterr. Heysterschen Regiments zuRo verstorben war) zurckkehrt
Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durchden Tag.
Reiten, reiten, reiten.
Und der Mut ist so mde geworden und die Sehnsucht sogro. Es gibt keine Berge mehr, kaum einen Baum. Nichts
wagt aufzustehen. Fremde Htten hocken durstig an ver-
sumpen Brunnen. Nirgends ein Turm. Und immer das
gleiche Bild. Man hat zwei Augen zuviel. Nur in der Nacht
manchmal glaubt man den Weg zu kennen. Vielleicht kehren
wir nchtens immer wieder das Stck zurck, das wir in der
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fremden Sonne mhsam gewonnen haben? Es kann sein. Die
Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer. Aber wir ha-
ben im Sommer Abschied genommen. Die Kleider der Frauenleuchteten lang aus dem Grn. Und nun reiten wir lang. Es
mu also Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurige Frauen
von uns wissen.
Der von Langenau rckt im Sattel und sagt: Herr Marquis Sein Nachbar, der kleine feine Franzose, hat erst drei Tagelang gesprochen und gelacht. Jetzt wei er nichts mehr. Er ist
wie ein Kind, das schlafen mchte. Staub bleibt auf seinem
feinen weien Spitzenkragen liegen; er merkt es nicht. Er wird
langsam welk in seinem samtenen Sattel.
Aber der von Langenau lchelt und sagt: Ihr habt selt-
same Augen, Herr Marquis. Gewi seht Ihr Eurer Mutterhnlich
Da blht der Kleine noch einmal auf und stubt seinen
Kragen ab und ist wie neu.
Jemand erzhlt von seiner Mutter. Ein Deutscher offenbar.Laut und langsam setzt er seine Worte. Wie ein Mdchen,
das Blumen bindet, nachdenklich Blume um Blume probt
und noch nicht wei, was aus dem Ganzen wird : so fgt
er seine Worte. Zu Lust? Zu Leide? Alle lauschen. Sogar das
Spucken hrt auf. Denn es sind lauter Herren, die wissen, was
sich gehrt. Und wer das Deutsche nicht kann in dem Haufen,
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der versteht es auf einmal, fhlt einzelne Worte: Abends
Klein war
Da sind sie alle einander nah, diese Herren, die aus Frank-reich kommen und aus Burgund, aus den Niederlanden, aus
Krntens Tlern, von den bhmischen Burgen und vom Kai-
ser Leopold. Denn was der Eine erzhlt, das haben auch sie
erfahren und gerade so. Als ob es nur eineMutter gbe
So reitet man in den Abend hinein, in irgend einen Abend.Man schweigt wieder, aber man hat die lichten Worte mit. Da
hebt der Marquis den Helm ab. Seine dunklen Haare sind
weich und, wie er das Haupt senkt, dehnen sie sich frauen-
ha auf seinem Nacken. Jetzt erkennt auch der von Langenau:Fern ragt etwas in den Glanz hinein, etwas Schlankes, Dunk-
les. Eine einsame Sule, halbverfallen. Und wie sie lange vor-
ber sind, spter, fllt ihm ein, da das eine Madonna war.
Wachtfeuer. Man sitzt rundumher und wartet. Wartet, daeiner singt. Aber man ist so md. Das rote Licht ist schwer. Es
liegt auf den staubigen Schuhn. Es kriecht bis an die Kniee,
es schaut in die gefalteten Hnde hinein. Es hat keine Flgel.
Die Gesichter sind dunkel. Dennoch leuchten eine Weile die
Augen des kleinen Franzosen mit eigenem Licht. Er hat eine
kleine Rose gekt, und nun darf sie weiterwelken an seiner
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Brust. Der von Langenau hat es gesehen, weil er nicht schlafen
kann. Er denkt: Ich habe keine Rose, keine.
Dann singt er. Und das ist ein altes trauriges Lied, das zuHause die Mdchen auf den Feldern singen, im Herbst, wenn
die Ernten zu Ende gehen.
Sagt der kleine Marquis: Ihr seid sehr jung, Herr?
Und der von Langenau, in Trauer halb und halb in Trotz:Achtzehn.
Dann schweigen sie.
Spter fragt der Franzose: Habt Ihr auch eine Braut da-
heim, Herr Junker?
Ihr? gibt der von Langenau zurck.
Sie ist blond wie Ihr.
Und sie schweigen wieder, bis der Deutsche ru: Aberzum Teufel, warum sitzt Ihr denn dann im Sattel und reitet
durch dieses giige Land den trkischen Hunden entgegen?
Der Marquis lchelt. Um wiederzukehren.
Und der von Langenau wird traurig. Er denkt an ein blon-
des Mdchen, mit dem er spielte. Wilde Spiele. Und er mchte
nach Hause, fr einen Augenblick nur, nur fr so lange, alses braucht, um die Worte zu sagen: Magdalena, da ich
immer so war, verzeih!
Wie war? denkt der junge Herr. Und sie sind weit.
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Einmal, am Morgen, ist ein Reiter da, und dann ein zweiter,vier, zehn. Ganz in Eisen, gro. Dann tausend dahinter: Das
Heer.Man mu sich trennen.
Kehrt glcklich heim, Herr Marquis.
Die Maria schtzt Euch, Herr Junker.
Und sie knnen nicht voneinander. Sie sind Freunde auf
einmal, Brder. Haben einander mehr zu vertrauen; denn
sie wissen schon so viel Einer vom Andern. Sie zgern. Undist Hast und Hufschlag um sie. Da strei der Marquis den
groen rechten Handschuh ab. Er holt die kleine Rose hervor,
nimmt ihr ein Blatt. Als ob man eine Hostie bricht.
Das wird Euch beschirmen. Lebt wohl.
Der von Langenau staunt. Lange schaut er dem Franzo-
sen nach. Dann schiebt er das fremde Blatt unter den Waffen-
rock. Und es treibt auf und ab auf den Wellen seines Herzens.Hornruf. Er reitet zum Heer, der Junker. Er lchelt traurig:
ihn schtzt eine fremde Frau.
Ein Tag durch den Tro. Flche, Farben, Lachen : davon
blendet das Land. Kommen bunte Buben gelaufen. Raufenund Rufen. Kommen Dirnen mit purpurnen Hten im flu-
tenden Haar. Winken. Kommen Knechte, schwarzeisern wie
wandernde Nacht. Packen die Dirnen hei, da ihnen die
Kleider zerreien. Drcken sie an den Trommelrand. Und von
der wilderen Gegenwehr hastiger Hnde werden die Trom-
meln wach, wie im Traum poltern sie, poltern . Und Abends
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halten sie ihm Laternen her, seltsame: Wein, leuchtend in eiser-
nen Hauben. Wein? Oder Blut? Wer kanns unterscheiden?
Endlich vor Spork. Neben seinem Schimmel ragt der Graf.Sein langes Haar hat den Glanz des Eisens.
Der von Langenau hat nicht gefragt. Er erkennt den Gene-
ral, schwingt sich vom Ro und verneigt sich in einer Wolke
Staub. Er bringt ein Schreiben mit, das ihn empfehlen sollbeim Grafen. Der aber befiehlt: Lies mir den Wisch. Und
seine Lippen haben sich nicht bewegt. Er braucht sie nicht
dazu; sind zum Fluchen gerade gut genug. Was drber hinaus
ist, redet die Rechte. Punktum. Und man sieht es ihr an. Der
junge Herr ist lngst zu Ende. Er wei nicht mehr, wo er steht.
Der Spork ist vor Allem. Sogar der Himmel ist fort. Da sagt
Spork, der groe General:Cornet.
Und das ist viel.
Die Kompagnie liegt jenseits der Raab. Der von Langenau
reitet hin, allein. Ebene. Abend. Der Beschlag vorn am Sattelglnzt durch den Staub. Und dann steigt der Mond. Er sieht
es an seinen Hnden.
Er trumt.
Aber da schreit es ihn an.
Schreit, schreit,
zerreit ihm den Traum.
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Das ist keine Eule. Barmherzigkeit:
der einzige Baum
schreit ihn an:Mann!
Und er schaut: es bumt sich. Es bumt sich ein Leib
den Baum entlang, und ein junges Weib,
blutig und blo,
fllt ihn an: Mach mich los!
Und er springt hinab in das schwarze Grn
und durchhaut die heien Stricke;
und er sieht ihre Blicke glhn
und ihre Zhne beien.
Lacht sie?
Ihn graust.
Und er sitzt schon zu Ro
und jagt in die Nacht. Blutige Schnre fest in der Faust.
Der von Langenau schreibt einen Brief, ganz in Gedanken.Langsam malt er mit groen, ernsten, aufrechten Lettern:
Meine gute Mutter,
seid stolz: Ich trage die Fahne,
seid ohne Sorge: Ich trage die Fahne,
habt mich lieb: Ich trage die Fahne
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Dann steckt er den Brief zu sich in den Waffenrock, an die
heimlichste Stelle, neben das Rosenblatt. Und denkt: er wird
bald duen davon. Und denkt: vielleicht findet ihn einmal Ei-ner Und denkt: . . . . ; denn der Feind ist nah.
Sie reiten ber einen erschlagenen Bauer. Er hat die Augenweit offen und Etwas spiegelt sich drin; kein Himmel. Spter
heulen Hunde. Es kommt also ein Dorf, endlich. Und berden Htten steigt steinern ein Schlo. Breit hlt sich ihnen die
Brcke hin. Gro wird das Tor. Hoch willkommt das Horn.
Horch: Poltern, Klirren und Hundegebell! Wiehern im Hof,
Hufschlag und Ruf.
Rast! Gast sein einmal. Nicht immer selbst seine Wnschebewirten mit krglicher Kost. Nicht immer feindlich nach
allem fassen; einmal sich alles geschehen lassen und wissen:
was geschieht, ist gut. Auch der Mut mu einmal sich strek-
ken und sich am Saume seidener Decken in sich selber ber-
schlagen. Nicht immer Soldat sein. Einmal die Locken offen
tragen und den weiten offenen Kragen und in seidenen Ses-seln sitzen und bis in die Fingerspitzen so: nach dem Bad sein.
Und wieder erst lernen, was Frauen sind. Und wie die weien
tun und wie die blauen sind; was fr Hnde sie haben, wie sie
ihr Lachen singen, wenn blonde Knaben die schnen Schalen
bringen, von saigen Frchten schwer.
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Als Mahl beganns. Und ist ein Fest geworden, kaum weiman wie. Die hohen Flammen flackten, die Stimmen schwirr-
ten, wirre Lieder klirrten aus Glas und Glanz, und endlich ausden reifgewordnen Takten: entsprang der Tanz. Und alle ri
er hin. Das war ein Wellenschlagen in den Slen, ein Sich-Be-
gegnen und ein Sich-Erwhlen, ein Abschiednehmen und ein
Wiederfinden, ein Glanzgenieen und ein Lichterblinden und
ein Sich-Wiegen in den Sommerwinden, die in den Kleidern
warmer Frauen sind.Aus dunklem Wein und tausend Rosen rinnt die Stunde
rauschend in den Traum der Nacht.
Und Einer steht und staunt in diese Pracht. Und er ist sogeartet, da er wartet, ob er erwacht. Denn nur im Schlafe
schaut man solchen Staat und solche Feste solcher Frauen:ihre kleinste Geste ist eine Falte, fallend in Brokat. Sie bauen
Stunden auf aus silbernen Gesprchen, und manchmal heben
sie die Hnde so , und du mut meinen, da sie irgendwo,
wo du nicht hinreichst, sane Rosen brchen, die du nicht
siehst. Und da trumst du: Geschmckt sein mit ihnen und
anders beglckt sein und dir eine Krone verdienen fr deineStirne, die leer ist.
Einer, der weie Seide trgt, erkennt, da er nicht erwachenkann; denn er ist wach und verwirrt von Wirklichkeit. So
flieht er bange in den Traum und steht im Park, einsam im
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schwarzen Park. Und das Fest ist fern. Und das Licht lgt.
Und die Nacht ist nahe um ihn und khl. Und er fragt eine
Frau, die sich zu ihm neigt:Bist Du die Nacht?
Sie lchelt.
Und da schmt er sich fr sein weies Kleid.
Und mchte weit und allein und in Waffen sein.
Ganz in Waffen.
Hast Du vergessen, da Du mein Page bist fr diesen Tag?Verlssest Du mich? Wo gehst Du hin? Dein weies Kleid gibt
mir Dein Recht .
Sehnt es Dich nach Deinem rauhen Rock?
Frierst Du? Hast Du Heimweh?
Die Grfin lchelt.
Nein. Aber das ist nur, weil das Kindsein ihm von den
Schultern gefallen ist, dieses sane dunkle Kleid. Wer hat es
fortgenommen? Du? fragt er mit einer Stimme, die er noch
nicht gehrt hat. Du!Und nun ist nichts an ihm. Und er ist nackt wie ein Heili-
ger. Hell und schlank.
Langsam lischt das Schlo aus. Alle sind schwer: mde oder
verliebt oder trunken. Nach so vielen leeren, langen Feldnch-
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ten: Betten. Breite eichene Betten. Da betet sichs anders als in
der lumpigen Furche unterwegs, die, wenn man einschlafen
will, wie ein Grab wird.Herrgott, wie Du willst!
Krzer sind die Gebete im Bett.
Aber inniger.
Die Turmstube ist dunkel.Aber sie leuchten sich ins Gesicht mit ihrem Lcheln. Sietasten vor sich her wie Blinde und finden den Andern wie
eine Tr. Fast wie Kinder, die sich vor der Nacht ngstigen,
drngen sie sich in einander ein. Und doch frchten sie sich
nicht. Da ist nichts, was gegen sie wre: kein Gestern, kein
Morgen; denn die Zeit ist eingestrzt. Und sie blhen aus ih-
ren Trmmern.Er fragt nicht: Dein Gemahl?
Sie fragt nicht: Dein Namen?
Sie haben sich ja gefunden, um einander ein neues Ge-
schlecht zu sein.
Sie werden sich hundert neue Namen geben und einan-
der alle wieder abnehmen, leise, wie man einen Ohrring ab-nimmt.
Im Vorsaal ber einem Sessel hngt der Waffenrock, das Ban-delier und der Mantel von dem von Langenau. Seine Hand-
schuhe liegen auf dem Fuboden. Seine Fahne steht steil,
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gelehnt an das Fensterkreuz. Sie ist schwarz und schlank.
Drauen jagt ein Sturm ber den Himmel hin und macht
Stcke aus der Nacht, weie und schwarze. Der Mondscheingeht wie ein langer Blitz vorbei, und die reglose Fahne hat un-
ruhige Schatten. Sie trumt.
War ein Fenster offen? Ist der Sturm im Haus? Wer schlgt
die Tren zu? Wer geht durch die Zimmer? La. Wer es auch sei. Ins Turmgemach findet er nicht. Wie
hinter hundert Tren ist dieser groe Schlaf, den zwei Men-
schen gemeinsam haben; so gemeinsam wie eineMutter oder
einenTod.
Ist das der Morgen? Welche Sonne geht auf? Wie gro ist dieSonne. Sind das Vgel? Ihre Stimmen sind berall.
Alles ist hell, aber es ist kein Tag.
Alles ist laut, aber es sind nicht Vogelstimmen.
Das sind die Balken, die leuchten. Das sind die Fenster, die
schrein. Und sie schrein, rot, in die Feinde hinein, die drau-
en stehn im flackernden Land, schrein: Brand.Und mit zerrissenem Schlaf im Gesicht drngen sich alle,
halb Eisen, halb nackt, von Zimmer zu Zimmer, von Trakt zu
Trakt und suchen die Treppe.
Und mit verschlagenem Atem stammeln Hrner im Hof:
Sammeln, sammeln!
Und bebende Trommeln.
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Aber die Fahne ist nicht dabei.Rufe: Cornet!
Rasende Pferde, Gebete, Geschrei,Flche: Cornet!
Eisen an Eisen, Befehl und Signal;
Stille: Cornet!
Und noch ein Mal: Cornet!
Und heraus mit der brausenden Reiterei.
Aber die Fahne ist nicht dabei.
Er lu um die Wette mit brennenden Gngen, durch Tren,die ihn glhend umdrngen, ber Treppen, die ihn versengen,
bricht er aus aus dem rasenden Bau. Auf seinen Armen trgt
er die Fahne wie eine weie, bewutlose Frau. Und er findetein Pferd, und es ist wie ein Schrei: ber alles dahin und an
allem vorbei, auch an den Seinen. Und da kommt auch die
Fahne wieder zu sich und niemals war sie so kniglich; und
jetzt sehn sie sie alle, fern voran, und erkennen den hellen,
helmlosen Mann und erkennen die Fahne
Aber da fngt sie zu scheinen an, wir sich hinaus undwird gro und rot
Da brennt ihre Fahne mitten im Feind, und sie jagen ihr
nach.
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Der von Langenau ist tief im Feind, aber ganz allein. DerSchrecken hat um ihn einen runden Raum gemacht, und er
hlt, mitten drin, unter seiner langsam verlodernden Fahne.Langsam, fast nachdenklich, schaut er um sich. Es ist viel
Fremdes, Buntes vor ihm. Grten denkt er und lchelt.
Aber da fhlt er, da Augen ihn halten und erkennt Mnner
und wei, da es die heidnischen Hunde sind : und wir
sein Pferd mitten hinein.
Aber, als es jetzt hinter ihm zusammenschlgt, sind esdoch wieder Grten, und die sechzehn runden Sbel, die auf
ihn zuspringen, Strahl um Strahl, sind ein Fest.
Eine lachende Wasserkunst.
Der Waffenrock ist im Schlosse verbrannt, der Brief und dasRosenblatt einer fremden Frau.
Im nchsten Frhjahr (es kam traurig und kalt) ritt ein
Kurier des Freiherrn von Pirovano langsam in Langenau ein.
Dort hat er eine alte Frau weinen sehen.
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