STIEFS SPRECHSTUNDE Experten-Tipps gegen die Schnupfennase€¦ · Ziel muss es daher sein,...

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Als Chefarzt im MünchnerKlinikum Großhadern erle-be ich jeden Tag, wie wichtigmedizinische Aufklärungist. Meine Kollegen und ich(www.facebook.de/Urolo-gieLMU) möchten den Le-sern daher jeden Montag einThema vorstellen, das für ih-re Gesundheit von Bedeu-tung ist. Im Zentrum derheutigen Seite stehen Erkäl-tungen und die Grippe. DerExperte des Beitrags ist Prof.Jörg Schelling. Er führt eineAllgemeinarztpraxis in Mar-tinsried und erklärt, wieman die echte Grippe er-kennt und wie man sich voreinem Infekt schützen kann.Seit 1. Oktober 2014 ist dererfahrene Allgemeinarzt zu-dem Leiter des neu gegrün-deten Instituts für Allge-meinmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität(LMU) München. In mehrals 250 Lehrpraxen in undum München sollen die Stu-denten in direktem Kontaktmit den Patienten lernen.

Prof. Dr. Christian Stief

Einzelfächern. Der Hausarztist eine besondere Disziplin,die besondere Fähigkeitenverlangt. Das Studium hat dasbislang zu wenig vermittelt.

-Wie wollen Sie das än-

dern?Die angehenden Ärzte wer-den so früh wie möglich inLehrpraxen ausgebildet,durch erfahrene Hausärzte,die als ehrenamtliche Lehrbe-auftragte arbeiten. Die Stu-denten begleiten sie in ihremberuflichen Alltag. An der Unihaben die späteren Medizinerbislang außerdem fast nurKontakt mit Hochspezialis-ten. Jetzt lernen sie auch denHausarzt als Vorbild kennen –und sehen, wie erfüllend derBeruf sein kann.

ner mit Menschen zu tun?Natürlich. Der Hausarztbleibt aber immer an der Seiteseiner Patienten, nicht seltensein halbes Leben lang. Er be-handelt sie, wenn sie einenHusten haben. Und er beglei-tet sie, wenn sie schwer kranksind – und zusätzlich beimFacharzt behandelt werden.Viele Patienten erzählen überihr Leben, ihre Familie – undich ihnen auch über meines.Da kommt man menschlicheine Schicht tiefer.

-An der Uni unterrich-

ten Experten aller Fachrich-tungen. Warum braucht esein eigenes Institut für All-gemeinmedizin?

Die Allgemeinmedizin istnicht nur ein Destillat aus den

Der Hausarzt wird nie wegra-tionalisiert.

-Näher am Patienten?

Hat es nicht jeder Medizi-

der Medizin zu tun. Der Allge-meinmediziner ist noch einechter Vollarzt, dabei näheram Menschen. Und: Der Be-ruf ist absolut zukunftssicher.

Vor allem auf dem Land dro-hen Lücken: Immer mehrHausärzte finden keinenNachfolger. Prof. Jörg Schel-ling leitet seit vier Monatendas neu gegründete Institut fürAllgemeinmedizin an derLudwig-Maximilians-Univer-sität München. Er will den Be-ruf des Hausarztes wieder at-traktiver machen.

-Sie sind Allgemeinarzt.

Warum nicht Orthopädeoder Radiologe? Die ver-dienen besser.

(lacht) Mal ehrlich: Auch einguter Allgemeinmedizinermuss nicht gerade verhun-gern. Außerdem ist es einwunderschöner, abwechs-lungsreicher Beruf. Man hates mit dem ganzen Spektrum

INTERVIEW ________________________________________________________________________________________________________________________________________________

„Der Hausarzt wird nie wegrationalisiert“

Hausarzt aus Leidenschaft: Prof. Jörg Schelling. KLAUS HAAG

Bayern schnieft undhustet. Die Wartezim-mer der Hausärzte sindderzeit voll mit Erkäl-tungsopfern. Und: DieGrippewelle könnteerst noch anrollen. EinExperte gibt Tipps, wasgegen die Viren hilft.

VON SONJA GIBIS

Die Nase ist wund, die Klei-dung schmerzt auf der Haut.Nachts schütteln einen Hus-tenanfälle. Derzeit sind dieWartezimmer wieder voll mitPatienten, die über solche Be-schwerden klagen – auch dasvon Prof. Jörg Schelling inMartinsried. Denn Hustenund Schnupfen gehören imWinter zum Alltag jedes All-gemeinarztes. Daran konntenauch die Fortschritte der Me-dizin nichts ändern.

Doch warum gibt es keineSpritze gegen den Schnup-fen? „Man bräuchte Dutzen-de Impfungen – und die jedesJahr“, erklärt Schelling. Läuftdie Nase, steckt dahinternämlich nicht immer derselbeÜbeltäter. Die häufigsten An-greifer heißen Rhinoviren.Insgesamt können aber mehrals 200 verschiedene ErregerErkältungen auslösen. Vieledavon sind zudem Verwand-lungskünstler – wie bei derechten Grippe. Auch ein Me-dikament gegen die Viren istnicht in Sicht. Es müsste einesehr breite Wirkung haben.„Die Nebenwirkungen wärenwohl schlimmer als die Erkäl-tung selbst“, sagt Schelling.Dennoch hat der Allgemein-mediziner einige Tipps fürSchnupfennasen.

Wie gut helfenParacetamol & Co?

Wenn das Fieber steigt,greifen viele in die Hausapo-theke. Doch Medikamentewie Paracetamol, Ibuprofenund der Aspirin-WirkstoffAcetylsalicylsäure (ASS) lin-dern nur die Symptome derErkältung. Paracetamol senktvor allem das Fieber, Ibupro-fen hilft gut gegen Glieder-schmerzen. Insgesamt senkenalle drei Wirkstoffe das Fieber,hemmen Entzündungen undSchmerzen. „Schneller ge-sund machen sie aber nicht“,sagt Schelling. Im Gegenteil:Wie Untersuchungen gezeigthaben, ist es nicht günstig,leichtes Fieber gleich zu un-terdrücken und die Entzün-dungsreaktion des Körpers zuhemmen. Die Erkältung kanndann sogar länger dauern.

Das beste Rezept ist daher:sich Ruhe gönnen und vieltrinken. Denn eine Erkältungist nicht immer harmlos.„Auch bei einem harmlosenInfekt, kann der Herzmuskelleicht beteiligt sein“, sagtSchelling. Oder die Virenbreitet sich auf die Nebenhöh-len aus. Sport ist daher tabu.Hustet und fiebert man nacheiner Woche immer noch,sollte man zum Arzt gehen.

Was taugenKomplexmittel?

Skeptisch sind viele Exper-ten bei Komplexmitteln. Zwaraddieren sich oft die Neben-wirkungen der Inhaltsstoffe,wegen der geringen Dosisbleibt eine Wirkung aber oftaus. Viele schlucken bei einerErkältung zudem noch andereMittel wie Paracetamol. Dassdas bereits im Komplexmittelenthalten ist, wissen sie oftnicht. Wenn Mittel frei ver-käuflich sind, heißt das auchnicht, dass sie keine Neben-wirkungen haben. „ASS kannden Magen angreifen, Parace-tamol zu Leberschäden füh-ren“, sagt Schelling. ASSwirkt zudem blutverdünnend– und das noch Tage nach derEinnahme. Auch Ibuprofenkann Magen und Darm an-

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Rezept gegen eine Anste-ckung ist daher: Hände wa-schen! Und das regelmäßig,und mit Seife. In der U-Bahnsollte man darauf achten,nicht zuerst an die Haltestan-ge und dann ins Gesicht zugreifen. Auch Handschuheschützen. „Kein Hausarzt istzudem böse, wenn man ihmzur Begrüßung die Hand lie-ber nicht gibt“, sagt Schelling.

Ziehen Siesich warm an!

Viele Menschen glauben,dass eine Erkältung von Kältekommt. Dabei infiziert mansich wohl meist in warmen In-nenräumen. Die Ursache vonErkältungen sind dabei stetsViren. Der Name geht wohleher darauf zurück, dass dieOpfer frösteln.

Dennoch hilft es, sich warmanzuziehen. Wer friert, ist of-fenbar anfälliger. Das habenVersuche bestätigt: So muss-ten Testpersonen ihre Füßeentweder in Eiswasser baden,die anderer blieben warm.Unter denen, die kalte Füßehatten, erkrankten bald da-rauf mehr an einer Erkältung.Ein Grund: Bei Kälte gelangtweniger Blut in die Schleim-häute – und damit wenigerAbwehrzellen. Auch verliertdas Immunsystem allgemeinbei Kälte an Schlagkraft.

chen die Abwehr fit.Bei der Suche nach Mitteln,

die die Krankheit verkürzen,gibt es laut Schelling immer-hin aussichtsreiche Kandida-ten unter den Spurenelemen-ten: Zink und Selen. EinigenStudien zufolge kann die Ein-nahme helfen, einen Infektschneller loszuwerden, aller-dings nur geringfügig.

Hände waschen,nicht vergessen!

Viren sind winzig und gera-de im Winter allgegenwärtig.Dennoch kann sich jederschützen. Hochwirksam, aberoft unterschätzt ist die richtigeHygiene. Erkältungsviren ver-breiten sich zwar auch überdie Luft. Bei jedem kräftigenNiesen schleudern Erkranktezahllose kleine Tröpfchen he-raus, in denen Viren stecken.Die vielleicht größere Gefahrist aber eine Schmierinfekti-on. „Die Türklinke ist unter-schätzt“, sagt Schelling. Sogilt es als höflich, sich beimHusten die Hand vor denMund zu halten. Doch beimGang aus dem Büro oder aufdie Toilette landen die Virenauf der Klinke. Der nächsteöffnet die Tür, greift sich mitder Hand an die kitzelnde Na-se oder die juckenden Augen –und sie haben ihren neuenWirt gefunden. Ein wichtiges

ge Rolle im Immunsystemspielt, also auch bei der Ab-wehr von Viren. Und: Vor al-lem am Ende des Winters ha-ben hierzulande viele Men-schen einen Mangel, vor allemwenn sie eine dunkle Haut ha-ben. Denn das Vitamin wirdmit Hilfe der UV-Strahlen derSonne in der Haut gebildet.Läuft die Nase bereits, hilftaber auch Vitamin D nichtmehr. Zudem sollte man da-von nicht beliebig viel schlu-cken. Das Vitamin wird imKörper gespeichert, eineÜberdosierung ist daher mög-lich. Ob man tatsächlich an ei-nem Vitamin D-Mangel lei-det, erfährt man durch einenBluttest beim Hausarzt.

Wie stärkt manseine Abwehr?

Insgesamt ist eine gute Ver-sorgung mit Vitaminen zwarwichtig, um gesund zu blei-ben. Doch ist ein Mangel hier-zulande selten. Bei Mitteln,die versprechen, die Abwehrzu stärken, ist indes Skepsisangebracht. Denn die Schlag-kraft unseres Immunsystemslässt sich nicht so einfach miteinem Pülverchen erhöhen.Besser wirkt gesunde Ernäh-rung, vor allem Rohkost.Auch regelmäßige Bewegung,Wechselduschen, Kneipp-Kuren und Sauna-Gänge ma-

greifen. Auf keinen Fall sollteman sich nach dem Motto ku-rieren: „Viel hilft viel!“ Daskann bei Paracetamol sogartödlich sein.

Wer auf pflanzliche Mittelwie Echinacea schwört oderlieber zu homöopathischenGlobuli greift, dem rät Schel-ling nicht ab. Wissenschaft-lich nachgewiesen sei die Wir-kung aber oft nicht.

Wie gutschützen Vitamine?

Wenn es Winter wird, grei-fen viele zu Vitamin C. Schonals Kind haben sie gelernt:Das schützt vor Erkältungen.Schelling ist allerdings skep-tisch. Studien zufolge, ist esvor allem der Glaube an dieMacht des Vitamins, der hilft.„Vitamin C schützt wohlkaum“, sagt der Allgemein-arzt. Zwar ist eine heiße Zitro-ne wohltuend, schneller ge-sund macht Vitamin C aberauch nicht, wenn man es ingroßen Mengen schluckt. DerKörper scheidet es einfachwieder aus. Deutliche Effektefanden die Forscher nur beiMenschen, die großer Kälteoder Anstrengung ausgesetztwaren wie Soldaten und Ma-rathonläufern.

„Anders ist das bei VitaminD“, sagt Schelling. So gibt esHinweise, dass es eine wichti-

Wann helfenAntibiotika?

Antibiotika sind zwarhochwirksame Medikamente,gegen eine Erkältung helfensie aber nicht. Die Mittel tötennur Bakterien. Und hinter Er-kältungen stecken Viren.Manchmal macht es die Er-kältung aber auch Bakterienleicht, sich zu vermehren. Willetwa das Halsweh nicht mehrweggehen, ist es vielleicht zueiner bakteriellen Superinfek-tion gekommen. Dann sindAntibiotika sinnvoll.

Leider werden diese oft zuschnell verschrieben. Das hatFolgen: Immer öfter treten re-sistente Bakterien auf, gegendie die Mittel machtlos sind.Ziel muss es daher sein, Anti-biotika seltener einzusetzen.Schelling hat gute Erfahrun-gen damit gemacht, seine Pa-tienten mit in die Verantwor-tung zu nehmen: Steht dasWochenende bevor und esgibt Anzeichen, dass sichBakterien breitmachen, stellter schon mal ein Rezept aus –und gibt den Rat, es nur ein-zulösen, wenn es schlimmerwird. Die meisten verzichtenerst mal auf die Pillen, und derKörper hilft sich oft selbst.Auch bei Antibiotika, die einbreites Spektrum von Bakte-rien abtöten, ist Schelling eherzurückhaltend.

Wie gefährlich istdie echte Grippe?

„Ich hatte eine Grippe.“Das hört derzeit oft. Dochmeist war der Schuldige einErkältungsvirus – und nichtder Influenza-Erreger. Sonennt man das Virus, das dieechte Grippe auslöst. Wäh-rend die Erkältungserregerderzeit umgehen, ist die Grip-pewelle noch nicht richtig an-gerollt. Doch gibt es noch kei-ne Entwarnung: „Sie kannauch erst im März zuschla-gen“, sagt Schelling.

Dabei werde die Erkran-kung noch immer unter-schätzt. Experten zufolge solldie Grippe in Deutschland je-des Jahr zu mehr als 8000 Tö-desfällen führen. Sie überfälltihre Opfer dabei meist rechtplötzlich. Typisch sind hohesFieber über 39 Grad, ge-schwollene Lymphknotenund ein schweres Krankheits-gefühl, aber nicht unbedingtein Schnupfen. „Man fühltsich wie gerädert“, sagt Schel-ling. Oft klagen Grippeopferdarüber, dass sie sich nochwochenlang erschöpft fühlen.

Zudem ist die Grippe kei-neswegs harmlos. Die Virenkönnen eine Lungentzün-dung auslösen und den Herz-muskel angreifen. Nicht sel-ten kommt es auch im An-schluss zu einer Infektion mitBakterien. Mediziner vermu-ten, dass auch Herzinfarktenach einer Grippe vermehrtauftreten. Gerade älteren undchronisch kranken Patientenmacht schon allein das langeLiegen zu schaffen. Für sie be-deutet ein solcher Infekt nichtselten den Anfang vom Ende.

Schelling rät daher vor al-lem Senioren zur Impfung.Auch wenn der Schutz bei Äl-teren nicht mehr ganz so gutwirkt und manche trotzdemerkranken. Das könnte vor al-lem in diesem Jahr grassieren:Denn der Impfstoff schütztnur teils vor den grassieren-den Viren. Experten schätzendie Wirksamkeit auf etwa 23Prozent. Dennoch: „In nor-malen Jahren sind die meistendurch die Impfung geschützt“,sagt Schelling. Und: Einen an-deren zuverlässigen Schutzgibt es nicht. Auch Schellingselbst lässt sich daher jedesJahr impfen – auch, um seinePatienten zu schützen.

Für Erkältungsopfer gibt es vor allem ein Rezept: Bettruhe und viel trinken. Medikamente können zudem die Beschwerden lindern. PANTHERMEDIA

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