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§ 4
Fehlerhafte Rechtsgeschäfte
2 Einführung
3
Einführung
Fehlerhafte Rechtsgeschäfte: Fehlerquellen Fehlende o. beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 104
ff.) Bewusste Willensmängel (§§ 116 ff.) Anfechtbarkeit (§§ 119 ff.) insb. aufgrund von
Irrtümern Rechtsfolge der Fehlerhaftigkeit
Unwirksamkeit Nichtigkeit
Beispiel: § 142; §§ 134, 138 Schwebende Unwirksamkeit
Beispiel: §§ 108 Abs.1, 177 Abs.1 BGHZ 137, 267 [Materialien Rn.47]
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Einführung
Teilnichtigkeit (§ 139) Einheitliches Rechtsgeschäft
Einheitlichkeitswille der Parteien? Beispiel: Kaufverträge über Hard- und Software, wenn beide
Kaufverträge miteinander stehen und fallen sollen (BGH, NJW 1990, 312)
Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts Restgeschäft muss als selbständiges Rechtsgeschäft
Bestand haben können! Rechtsfolge
Regelfall: Gesamtnichtigkeit Ausnahme: Bloße Teilnichtigkeit
Hypothetischer Parteiwille
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Einführung
Umdeutung Voraussetzungen
Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts Erfüllung der Erfordernisse eines anderen
Rechtsgeschäfts (Ersatzgeschäft) Ersatzgeschäft, das in seinen Wirkungen nicht über
das Rechtsgeschäft hinausgeht Mutmaßlicher Parteiwille
Beispiel BGH NJW 1998, 76: Umdeutung einer fristlosen in
eine frist-gemäße Kündigung, wenn der undedingte Beendigungswille eindeutig erkennbar ist.
6Fehlende Geschäftsfähigkeit
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§§ 104 ff.
Geschäftsunfähigkeit
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Geschäftsunfähigkeit
Kleinkinder (§ 104 Nr.1) Beispiel: Janne (3) verkauft ihrer Freundin Becky (3) die
Eigentumswohnung ihrer Eltern für 3,07 Euro. Geistesgestörte (§ 104 Nr.2)
BGH, NJW 1970, 1680: […] wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen! (u.a.: IQ < 60)
Temporär Geistesgestörte (§ 105 Abs.2) Beispiel: Kommilitone K (19) hat mit Empörung zur Kenntnis
genommen, dass der U.S.-Bundesstaat Kalifornien Marihuana nun doch nicht legalisiert. Aus Protest raucht K erstmal mehrere Joints nacheinander. Dann bucht er – völlig weggetreten – ein Flugticket (1. Klasse: 12.000,- Euro), um in die U.S.A zu fliegen und gemeinsam mit Ex-Gouverneur Schwarzenegger die Kampagne „Freies Rauchen für Freie Bürger“ aufzuziehen.
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Geschäftsunfähigkeit
Keine Teilnahme am Rechtsverkehr auf eigene Faust! Nichtigkeit der Willenserklärung (§ 105 Abs.1)
Einschränkung: § 105a Satz 1 Wirksamwerden der ihnen gegenüber abgegebenen
Willenserklärung erst durch Zugang beim gesetzlichen Vertreter (§ 131 Abs.1)
Teilnahme am Rechtsverkehr mithilfe gesetzlicher Vertreter Eltern (§§ 1626, 1629); u.U. auch: Vormund (§ 1773
f.) Betreuer (§ 1896)
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§§ 106 ff.Minderjährigenrecht
Beschränkte Geschäftsfähigkeit
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Beschränkte Geschäftsfähigkeit Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 107 ff.)
Minderjähriger […] von der Vollendung des 7. (§ 106) bis zur
Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 2) Einwilligungserfordernis (§ 107)
Einwilligung (§ 183 Satz 1) Beispielsfall: Versicherungsvertreter V (21) verkauft
Anna Ahnungslos (14) eine Heiratsversicherung (Prämie: 100,- Euro im Monat. Laufzeit 45 Jahre).
Rechtsfolge fehlender Einwilligung Schwebende Unwirksamkeit (§ 108 Abs.1)
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Beschränkte Geschäftsfähigkeit
Rechtsfolgen fehlender Einwilligung? Schwebende Unwirksamkeit (§ 108 Abs.1) Endgültige Unwirksamkeit, wenn
[…] der gesetzliche Vertreter die Genehmigung (§ 184 Abs.1) verweigert hat
[…] der gesetzliche Vertreter die Genehmigung im Falle des § 108 Abs.2 Satz 2, nicht rechtzeitig erteilt hat
[…] der andere Teil seine Erklärung wirksam widerrufen hat (§ 109)
Endgültige Wirksamkeit […] wenn der gesetzliche Vertreter genehmigt (§ 184 Abs.1)
Beachte: Genehmigung kann im Falle von § 108 Abs.2 nur dem anderen Teil gegenüber erklärt werden
[…] wenn der nunmehr Volljährige genehmigt (§ 108 Abs.3)
13Fall Nr.1 [Der Tennisschläger]
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Fall Nr.1 [Der Tennisschläger]
Kaufvertrag K (19) – L (17) ? Einwilligung der Eltern?
Erforderlichkeit (§§ 106 f.) Beschränkte Geschäftsfähigkeit des L gem. § 106
L als Minderjähriger (§ 2), der das 7. Lebensjahr bereits vollendet hat!
Keine lediglichlich rechtlich vorteilhafte Willenserklärung
Merke: Maßgeblich ist der ausschließlich rechtliche, nicht der wirtschaftliche Vorteil
Kein Fall des § 110 [Taschengeldparagraph] Konkludente Einwilligung der Eltern, die in der
Auszahlung des Taschengelds liegt (Generaleinwilligung)
15Fall Nr.2 [Der Bauernhof im M.]
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Fall Nr.2 [Der Bauernhof im M.]
Einwilligungserfordernisse bei (vollzogener) Immobilienschenkung? […] aufgrund öffentlich-rechtlicher Belastungen
Steuern und Abgaben […] aufgrund privatrechtlicher Belastungen?
Hypothek (§§ 1113 ff.)
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Immobiliengeschäfte Minderjähriger
S
H C
O H
H U
E L
E
Differenzieren Sie mit Blick auf die rechtlichen Vor- und Nachteile Schenkung (§§ 516 ff.) Eigentumsübertragung (§§ 873,
925) BGH NJW 2005, 415
18 Fall Nr.3 [Der Fußball]
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Fall Nr.3 [Der Fußball]
Leihe
K (19) L (14)
Kaufvertrag Übereignung §§ 433 ff. §§ 929 ff.
Herausgabe
M
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Fall Nr.3 [Der Fußball]
K gegen M auf Hrsg. des Fußballs gem. § 985 Eigentum des K Eigentumsverlust durch RG K – L (§ 929 Satz 1)?
Nein! K hat L den Gebrauch des Fußballs gestattet (§ 598), nicht aber
das Eigentum übertragen!
Eigentumsverlust durch RG L – M gem. § 929 Satz 1? Einigung
Einwilligung der Eltern des L (§§ 1626, 1629)? Erforderlichkeit?
RG ist nicht ausschließlich rechtlich vorteilhaft. RG ist rechtlich neutral; für L entstehen weder Vor- noch
Nachteile RG bedarf nach h.M. keiner Einwilligung, weil L als
Minderjähriger hier nicht schutzbedürftig ist!
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Fall Nr.3 [Der Fußball]
Übergabe Einigkeit Berechtigung
L hat als Nichteigentümer verfügt. M hat jedoch gem. §§ 929 Satz 1, 932 gutgläubig Eigentum an dem Fußball erworben.
Ergebnis
22 Fall Nr.4 [Der Bauernhof in Bayern]
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Fall Nr.4 [Der Bauernhof in Bayern]
Kauf des Bauerhofs wirksam? Einwilligungserfordernis gem. § 107
Kauf des Bauernhofs ist (auch) rechtlich nachteilhaft
Explizite Zustimmung (§§ 183 Satz 1, 184 Abs.1) der Eltern fehlt
§ 110 Konkludente Einwilligung der Eltern durch
Bewilligung des Taschengeldes (konkludente, generelle und antizipierte Einwilligung)?
(P) Reichweite?
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Beschänkte Geschäftsfähigkeit
Einwilligungserfordernis im Minderjährigenrecht
Das RG ist nur rechtlich vorteilhaft
Das RG ist rechtlich neutral
Das RG ist (auch) rechtlich nachteilhaft
BeispielSchenkung
BeispielVeräußerung fremder
Sache
BeispielKauf & Leihe
Einwilligung entbehrlich!
Einwilligung erforderlich!
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Beschränkte GeschäftsfähigkeitRechtsfolgen fehlender Einwilligung
Einseitige RechtsgeschäfteVerträge
Unwirksamkeit Schwebende § 111 S.1 Unwirksamkeit
§ 108 Abs.1
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§§ 112 ff.
Teilgeschäftsfähigkeit
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Teilgeschäftsfähigkeit
Selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts § 112
Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses § 113
Beginn einer Tischlerlehre Einrichtung eines Girokontos, auf das das
Monatsgehalt überwiesen wird
28 Nichtigkeit gem. §§ 116 ff.
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Nichtigkeit gem. §§ 116 ff.
Innerer Vorbehalt, das Erklärte nicht zu wollen
[…] in der Erwartung, der Empfänger werde dies nicht erkennen
[…] im Einverständnis mit dem Empfänger
[…] in der Erwartung, der Empfänger werde
dies erkennen
Erwartung trifft zu
Erwartung trifft
nicht zu
§ 117 Abs.1 § 118
§ 116 S.1 § 116 S.2 Nichtigkeit Nichtigkeit
Erklärung gültig
Erklärung nichtig
[…] nach: Musielak, BGB, 11. Aufl. 2009, Rn.327
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§ 116
Geheimer Vorbehalt
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Geheimer Vorbehalt
Im Interesse des Rechtsverkehrs kann das geltende Recht die Mentalreservation des Erklärenden nicht anerkennen! Fall Nr.5 [Big Mac]
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§ 117
Scheingeschäft
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Scheingeschäft
Fall Nr.6 [Der Bauernhof in Brandenburg] Kaufvertrag (KP: 200.000,- Euro)
Einigung Form (§ 311b Abs.1 Satz 1) Nichtigkeit gem. § 117 Abs.1
Ja! Ergebnis
Kein Kaufvertrag
Kaufvertrag (KP: 500.000,- Euro) Einigung Form (§ 311b Abs.1 Satz 1)
Nein! Ergebnis
Kein Kaufvertrag (§ 125 S.1) Heilungsmöglichkeit gem. §§ 311b Abs.1 Satz 2, 873 Abs.1, 925 Abs.1
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§ 118
Mangel der Ernstlichkeit
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Mangel der Ernstlichkeit
Nichtigkeitsgrund ist die subjektive Erwartung des Erklärenden, der Erklärungsgegner werde die mangelnde Ernstlichkeit erkennen!
36 Anfechtung
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Anfechtung
Begriff Gestaltungsrecht
Einzelfälle Anfechtbarkeit wegen Irrtums (§ 119)
Inhaltsirrtum (§ 119 Abs.1) Erklärungsirrtum (§ 119 Abs.1) Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (§ 119 Abs.2)
Anfechtbarkeit wegen falscher Übermittlung (§ 120) Anfechtung wegen Täuschung (§ 123 Abs.1 Alt.1) oder
Drohung (Alt.2) Rechtsfolge
Nichtigkeit der Erklärung ex tunc (§ 142 Abs.1) Haftung des Erklärenden (§ 122 Abs.1) in Fällen der §§ 119 f.,
nicht aber im Falle des § 123!
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Anfechtung
Anfechtbarkeit […] anfechtbar sind grds. alle
Willenserklärungen empfangsbedürftig oder nicht ausdrücklich oder konkludent
[…] anfechtbar ist auch das Schweigen, es sei denn, es wird gesetzlich als Ablehnung fingiert (§§ 108 Abs.2 Satz 2, 177 Abs.2 Satz 2).
[…] anfechtbar sind auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen (§§ 119 ff. analog)
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Anfechtung
Anfechtungserklärung (§ 143 ff.) Formfreie, empfangsbedürftige Willenserklärung Inhalt
Palandt/Ellenberger, 69. Aufl. 2010, § 143 Rn.3: Die Erklärung muss erkennen lassen, dass die Partei das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will. Das Wort „anfechten“ braucht nicht verwandt zu werden; die Rückforderung des Geleisteten … kann genügen. Der Anfechtungsgrund braucht in der Anfechtungserklärung nicht genannt zu werden. Erforderlich ist aber, dass für den Anfechtungsgegner erkennbar ist, auf welchen tatsächlichen Grund die Anfechtung gestützt wird.
Anfechtungsfrist (§§ 121, 124)
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Anfechtung
Prüfungsreihenfolge Anfechtbarkeit Anfechtungsgrund (§§ 119 ff.) Anfechtungserklärung (§ 143) Anfechtungsfrist (§§ 121, 124) Kein Anfechtungsausschluss (§ 144)
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§§ 119 f.
Irrtumsanfechtung
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Irrtumsanfechtung
Irrtum […] als unbewusste Disparität zwischen
Wille und Erklärung Der Erklärende erklärt, was er nicht erklären will!
Funktion der Irrtumsregelung Interessenausgleich
Interesse des Erklärenden, der sich im Irrtum befindet und sich von der Erklärung lösen kann
Interesse des Erklärungsempfängers, der auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut
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Irrtumsanfechtung
Fall Nr.7 [Fußballfieber I] Irrtum des F ist ein unbeachtlicher
Motivirrtum! Enttäuschte „Hoffnungen und Erwartungen“rechtfertigen grundsätzlich keine Irrtumsanfechtung
Rechtssicherheit
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§ 119 Abs.1 Fall 2: […] eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte
Erklärungsirrtum
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Erklärungsirrtum
Erklärungsirrtum (§ 119 I Fall 2) Begriff
Der Erklärende unterliegt einem Irrtum im Erklärungsakt.
Ihm missglückt die praktische Umsetzung seines Erklärungswillens in eine diesen Erklärungswillen kundgebende Äußerung, etwa indem er sich verspricht, verschreibt oder vergreift.
46 Fall Nr.8 [Fußballfieber II]
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Fall Nr.8 [Fußballfieber II]
K gegen F auf die Eintrittskarte gem. § 433 Abs.1 Kaufvertrag Nichtigkeit des Kaufvertrags gem. §§ 142
Abs.1, 119 Abs.1 Fall 2 Anfechtbarkeit Anfechtungsgrund
Erklärungsirrtum Erheblichkeit (= Kausalität)
Anfechtungserklärung Anfechtungsfrist
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Fall Nr.8 [Fußballfieber II]
K gegen F auf die Eintrittskarte gem. § 433 Abs.2 Ergebnis Ergebniskorrektur gem. § 242 (Treu und
Glauben) Irrtumsanfechtung soll den Erklärenden nicht
besser stellen, als er stehen würde, wenn er sich nicht geirrt hätte! Der Anfechtende muss das wirklich Gewollte gegen sich gelten lassen!
49 Fall Nr.9 [Preisverfall]
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Fall Nr.9 [Preisverfall]
K gegen B auf Herausgabe des Notebooks gem. § 812 Abs.1 Satz 1 Fall 1 Etwas Erlangt
Besitz und Eigentum an dem Notebook Leistung
Lieferung des K „solvendi causa“ Kein Rechtsgrund
Kaufvertrag als Rechtsgrund Einigung
Bestellung des B als Angebot E-Mail der K als Annahme
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Fall Nr.9 [Preisverfall]
Nichtigkeit des Kaufvertrags gem. §§ 142 Abs.1, 120 Nein! Kein Übermittlungsirrtum, weil der Fehler bereits im Machtbereich
des Erklärenden entstanden ist Nichtigkeit des Kaufvertrags gem. §§ 142 Abs.1, 119 Abs.1
Fall 2? Anfechtbarkeit Anfechtungsgrund
Erklärungsirrtum? BGH: Die Verfälschung des ursprünglich richtig Erklärten auf
dem Weg zum Empfänger durch eine unerkannt fehlerhafte Software ist als Irrtum in der Erklärungshandlung anzusehen.
Erheblichkeit des Erklärungsirrtums Anfechtungserklärung (§ 143) Anfechtungsfrist (§ 121)
Ergebnis Ergebnis
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§ 119 Abs.1 Fall 1: […] über deren Inhalt im Irrtum war
Inhaltsirrtum
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Inhaltsirrtum
Begriff Im Unterschied zu einem Erklärungsirrtum entspricht
beim Inhaltsirrtum das äußere Bild der Erklärung der Intention des Erklärenden, die Interpretation, die dieser Erklärung vom Empfängerhorizont aus objektiv zuzumessen ist, weicht indes vom Willen des Erklärenden ab; es liegt somit eine Fehlvorstellung des Erklärenden über den objektiven, rechtlich wirksamen Inhalt seiner Erklärung [...] vor (MüKo/Kramer).
Einfaches Beispiel Kaufmann K kann zwar kein Englisch, bedient sich
aber gern englischer Fachbegriffe um seine Weltläufigkeit zu demonstrieren. Daher […].