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200 Thilo Kleickmann, Ilonca Hardy, Judith Pollmeier und Kornelia Möller Zusammenfassung. In der Frage, wie naturwissenschaftliches Wissen von Grundschulkindern beschaffen ist, haben sich zwei konkurrierende Positionen etabliert. Der Kohärenzansatz betont in Analogie zu wissenschaftlichen Theorien die Integriert- heit und Strukturiertheit des anfänglichen naturwissenschaftlichen Wissens, wohingegen der Fragmentierungsansatz das Wis- sen als idiosynkratisch und aus vielen unverbundenen Einzelelementen bestehend ansieht. Aufbauend auf neuere Studien, die zur Untersuchung des naturwissenschaftlichen Wissens von Grundschulkindern personenzentrierte Analysen genutzt haben, wurde in der vorliegenden Studie ein Analyseansatz gewählt, der die personen- und die variablenzentrierte Sichtweise verbindet und somit die Beschreibung sowohl qualitativer als auch quantitativer Unterschiede im Wissen erlaubt. Es zeigte sich erstens, dass die genutzten Faktor-Mischverteilungsmodelle geeignet sind, das naturwissenschaftliche Wissen von Grundschulkindern zu beschreiben. Zweitens fanden sich Hinweise, dass Fragmentierungs- und Kohärenzansatz nicht unbedingt alternativ zu verstehen sind, sondern das Wissen von Subgruppen mit qualitativ unterschiedlichem Wissen beschreiben können. Drittens zeigte sich, dass Lerngelegenheiten im Unterricht eine wichtige Bedeutung für die Beschaffenheit naturwissenschaftlichen Wissens von Grundschulkindern haben. Schlüsselwörter: Naturwissenschaftliches Wissen, Grundschule, Faktor-Mischverteilungsanalyse, Messinvarianz The structure of scientific knowledge of elementary school children: A person- and variable-centered analysis Abstract. Two competing positions have been established to describe scientific knowledge of elementary school children. The knowledge-as-theory approach emphasizes coherence and relational structure of the initial scientific knowledge. Accor- ding to the knowledge-in-pieces approach, initial scientific knowledge is idiosyncratic and consists of isolated pieces of knowledge. Based on recent studies that have investigated scientific knowledge of elementary school children by means of person-centered approaches, we chose a combination of person- and variable-centered analysis (factor mixture analysis), which allows for the detection of qualitative as well as quantitative differences in scientific knowledge. These factor mixture analyses fitted the data quite well. Second, the results indicate that the knowledge-as-theory and the knowledge-in-pieces approach do not necessarily have to be regarded as alternatives. Rather, they may describe the knowledge of subgroups with qualitatively different kinds of knowledge. Third, instruction was shown to be an important predictor of the quality of scientific knowledge. Key words: scientific knowledge, primary school, factor mixture analysis, measurement invariance Zur Struktur naturwissenschaftlichen Wissens von Grundschulkindern Eine personen- und variablenzentrierte Analyse Thilo Kleickmann 1 , Ilonca Hardy 2 , Judith Pollmeier 3 und Kornelia Möller 3 1 IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Universität Kiel 2 Institut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt 3 Seminar für Didaktik des Sachunterrichts, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Sonderdruck aus: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 43 (4), 200–212 © Hogrefe Verlag Göttingen 2011 DOI: 10.1026/0049-8637/a000053 In diesem Artikel analysieren wir Daten aus dem Projekt Science-P. Das Projekt wird gefördert durch eine Sachbeihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Kennz.: MO 942/4-2) im Schwerpunktprogramm „Kompetenzmodelle zur Erfassung indivi- dueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozes- sen“ (SPP 1293). Naturwissenschaftliches Wissen, verstanden als konzep- tuelles bereichsspezifisches Wissen, wird als ein zentraler Bestandteil naturwissenschaftlicher Kompetenz bereits im Grundschulalter angesehen. Es ist von Wissen über Naturwissenschaften, also dem Wissen über naturwis- senschaftliche Methoden und dem Wissenschaftsver- ständnis, zu unterscheiden (Hardy et al., 2010). Seit den 1970er Jahren haben zahlreiche Studien gezeigt, dass Grundschulkinder im Bereich naturwissenschaftlichen Wissens keine „unbeschriebenen Blätter“ sind. Sie haben bereits Vorstellungen zu naturwissenschaftlichen Phäno- menen und Begriffen, auch ohne zuvor explizit Unterricht dazu erhalten zu haben (Wandersee, Mintzes & Novak, 1994). Ein robuster Befund dieser Forschungen ist, dass diese vorunterrichtlichen Vorstellungen der Kinder häu- fig nicht mit wissenschaftlichen Sichtweisen kompatibel sind und zu Lernschwierigkeiten führen können, wenn die Kinder wissenschaftlich angemessenere Vorstellungen entwickeln sollen (Duit & Treagust, 2008). Es besteht weit- gehend Einigkeit darin, dass die Entwicklung wissen- schaftlich angemessener Vorstellungen somit nicht nur

© Hogrefe Verlag Göttingen 2011 Zur Struktur ... · In diesem Artikel analysieren wir Daten aus dem Projekt Science-P. Das Projekt wird gefördert durch eine Sachbeihilfe der Deutschen

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200 Thilo Kleickmann, Ilonca Hardy, Judith Pollmeier und Kornelia Möller

Zusammenfassung. In der Frage, wie naturwissenschaftliches Wissen von Grundschulkindern beschaffen ist, haben sich zweikonkurrierende Positionen etabliert. Der Kohärenzansatz betont in Analogie zu wissenschaftlichen Theorien die Integriert-heit und Strukturiertheit des anfänglichen naturwissenschaftlichen Wissens, wohingegen der Fragmentierungsansatz das Wis-sen als idiosynkratisch und aus vielen unverbundenen Einzelelementen bestehend ansieht. Aufbauend auf neuere Studien, diezur Untersuchung des naturwissenschaftlichen Wissens von Grundschulkindern personenzentrierte Analysen genutzt haben,wurde in der vorliegenden Studie ein Analyseansatz gewählt, der die personen- und die variablenzentrierte Sichtweise verbindetund somit die Beschreibung sowohl qualitativer als auch quantitativer Unterschiede im Wissen erlaubt. Es zeigte sich erstens,dass die genutzten Faktor-Mischverteilungsmodelle geeignet sind, das naturwissenschaftliche Wissen von Grundschulkindernzu beschreiben. Zweitens fanden sich Hinweise, dass Fragmentierungs- und Kohärenzansatz nicht unbedingt alternativ zuverstehen sind, sondern das Wissen von Subgruppen mit qualitativ unterschiedlichem Wissen beschreiben können. Drittenszeigte sich, dass Lerngelegenheiten im Unterricht eine wichtige Bedeutung für die Beschaffenheit naturwissenschaftlichenWissens von Grundschulkindern haben.Schlüsselwörter: Naturwissenschaftliches Wissen, Grundschule, Faktor-Mischverteilungsanalyse, Messinvarianz

The structure of scientific knowledge of elementary school children: A person- and variable-centered analysis

Abstract. Two competing positions have been established to describe scientific knowledge of elementary school children.The knowledge-as-theory approach emphasizes coherence and relational structure of the initial scientific knowledge. Accor-ding to the knowledge-in-pieces approach, initial scientific knowledge is idiosyncratic and consists of isolated pieces ofknowledge. Based on recent studies that have investigated scientific knowledge of elementary school children by means ofperson-centered approaches, we chose a combination of person- and variable-centered analysis (factor mixture analysis),which allows for the detection of qualitative as well as quantitative differences in scientific knowledge. These factor mixtureanalyses fitted the data quite well. Second, the results indicate that the knowledge-as-theory and the knowledge-in-piecesapproach do not necessarily have to be regarded as alternatives. Rather, they may describe the knowledge of subgroups withqualitatively different kinds of knowledge. Third, instruction was shown to be an important predictor of the quality ofscientific knowledge.Key words: scientific knowledge, primary school, factor mixture analysis, measurement invariance

Zur Struktur naturwissenschaftlichenWissens von Grundschulkindern

Eine personen- und variablenzentrierte Analyse

Thilo Kleickmann1, Ilonca Hardy2, Judith Pollmeier3 und Kornelia Möller3

1IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematikan der Universität Kiel

2Institut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe,Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt

3Seminar für Didaktik des Sachunterrichts, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Sonderdruck aus: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 43 (4), 200–212© Hogrefe Verlag Göttingen 2011

DOI: 10.1026/0049-8637/a000053

In diesem Artikel analysieren wir Daten aus dem ProjektScience-P. Das Projekt wird gefördert durch eine Sachbeihilfe derDeutschen Forschungsgemeinschaft (Kennz.: MO 942/4-2) imSchwerpunktprogramm „Kompetenzmodelle zur Erfassung indivi-dueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozes-sen“ (SPP 1293).

Naturwissenschaftliches Wissen, verstanden als konzep-tuelles bereichsspezifisches Wissen, wird als ein zentralerBestandteil naturwissenschaftlicher Kompetenz bereitsim Grundschulalter angesehen. Es ist von Wissen überNaturwissenschaften, also dem Wissen über naturwis-senschaftliche Methoden und dem Wissenschaftsver-ständnis, zu unterscheiden (Hardy et al., 2010). Seit den

1970er Jahren haben zahlreiche Studien gezeigt, dassGrundschulkinder im Bereich naturwissenschaftlichenWissens keine „unbeschriebenen Blätter“ sind. Sie habenbereits Vorstellungen zu naturwissenschaftlichen Phäno-menen und Begriffen, auch ohne zuvor explizit Unterrichtdazu erhalten zu haben (Wandersee, Mintzes & Novak,1994). Ein robuster Befund dieser Forschungen ist, dassdiese vorunterrichtlichen Vorstellungen der Kinder häu-fig nicht mit wissenschaftlichen Sichtweisen kompatibelsind und zu Lernschwierigkeiten führen können, wenn dieKinder wissenschaftlich angemessenere Vorstellungenentwickeln sollen (Duit & Treagust, 2008). Es besteht weit-gehend Einigkeit darin, dass die Entwicklung wissen-schaftlich angemessener Vorstellungen somit nicht nur

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Kleickmann, T., Pollmeier, J., Hardy, I. & Möller, K. (2011). Die Struktur naturwissenschaftlichen Wissens von Grundschulkindern - eine person- und variablenzentrierte Analyse. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 43(4), 200-212
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201Naturwissenschaftliches Wissen von Grundschulkindern

den Neuerwerb von Wissen, sondern auch Ausdifferen-zierungen und Umstrukturierungen vorhandenen Wis-sens erfordert (Schneider, Vamvakoussi & van Dooren, inpress; Duit & Treagust, 2008). Unklar ist aber, wie dasnaturwissenschaftliche Wissen von Kindern am bestenzu beschreiben ist, das in diesen Conceptual Change-Pro-zessen auch unter dem Einfluss gezielter Instruktion in derGrundschule verändert wird. Hier haben sich zwei unter-schiedliche Positionen etabliert: Vertreter des Fragmen-tierungsansatzes konzeptualisieren das Wissen als sehridiosynkratisches Wissen, das aus weitgehend isoliertenWissenselementen besteht (diSessa, Gillespie & Esterly,2004; diSessa, 2008), wohingegen Vertreter des Kohärenz-ansatzes das Wissen als bereits theorie-ähnlich und kohä-rent beschreiben (Vosniadou & Brewer, 1992; Vosniadou,Vamvakoussi & Skopeliti, 2008).

In den letzten Jahren wurden Vorschläge gemacht, dasnaturwissenschaftliche Wissen von Grundschulkindernmit personenzentrierten Analysen (Bates, 2000) zu unter-suchen und so weitere Hinweise auf dessen Struktur undBeschaffenheit zu erhalten. Personenzentrierte Analysenzielen darauf ab, Gruppen von Personen („Typen“) zuidentifizieren, die durch unterschiedliche Merkmalskon-stellationen gekennzeichnet sind. Im Gegensatz zu variab-lenzentrierten Analysen, die an der Identifizierung quanti-tativer Unterschiede entlang einer Merkmalsdimensioninteressiert sind, werden im personenzentrierten Ansatzsomit qualitative Unterschiede zwischen Personengrup-pen analysiert. Anhand solcher personenzentrierter Ana-lysen konnten Gruppen von Kindern mit qualitativ unter-schiedlichem naturwissenschaftlichen Wissen identifi-ziert werden (Nobes, Martin & Panagiotaki, 2005; Straate-meier, van der Maas & Jansen, 2008). Dabei fanden sichHinweise, dass der Kohärenz- und der Fragmentierungs-ansatz nicht unbedingt alternativ zu sehen sind, sonderndas Wissen von Kindern aus unterschiedlichen Subpo-pulationen beschreiben (Schneider & Hardy, submitted).In der hier dargestellten Untersuchung werden die Befun-de und methodischen Ansätze dieser Studien aufgegrif-fen. Darauf aufbauend wird ein Analyseansatz gewählt,der die personenzentrierte Sichtweise mit einer variablen-zentrierten Perspektive kombiniert. Es wird also geprüft,inwieweit eine solche Verbindung der Analyseperspekti-ven geeignet ist, das naturwissenschaftliche Wissen vonGrundschulkindern zu beschreiben.

Die Klärung der Frage nach der Beschaffenheit natur-wissenschaftlichen Wissens im Grundschulalter ist vongroßer Bedeutung, um den Aufbau wissenschaftlich adä-quater Vorstellungen im Grundschulunterricht besser un-terstützen zu können. Denn Unterricht, der auf das „vor-handene“ Wissen der Schülerinnen und Schüler eingeht,gilt bei Vertretern des Kohärenz- wie auch des Fragmentie-rungsansatzes als Voraussetzung für die Einleitung vonKonzeptwechselprozessen und die Entwicklung wissen-schaftlicher Vorstellungen. In den Folgerungen für dieGestaltung von Lerngelegenheiten gibt es aber durchausunterschiedliche Akzentuierungen bei den Vertretern derbeiden Ansätze. Somit kommt, insbesondere auch vor demHintergrund des Stellenwerts früher Wissenserwerbspro-

zesse für das spätere Lernen, der Frage nach der Strukturnaturwissenschaftlichen Wissens im Grundschulalter einegroße Bedeutung zu.

Im Folgenden werden zunächst der Kohärenz- und derFragmentierungsansatz skizziert und es wird auf die Be-deutung von gezielten Lerngelegenheiten im Rahmen desGrundschulunterrichts für die Veränderung naturwissen-schaftlichen Wissens bei Grundschulkindern eingegan-gen. Anschließend werden Befunde der neueren Studienmit personenzentrierten Analysen berichtet und es wirddie Idee sog. Faktor-Mischverteilungsmodelle vorgestellt,die eine Verbindung aus personen- und variablenzentrier-ter Analyseperspektive darstellen und somit die Beschrei-bung sowohl qualitativer als auch quantitativer Wissens-unterschiede erlauben.

Fragmentierung oder Kohärenz desnaturwissenschaftlichen Wissens?

Die Frage, wie naturwissenschaftliches Wissen bei Kin-dern im Grundschulalter strukturiert ist, wird von Vertre-tern des Kohärenzansatzes anders beantwortet als vonVertretern des Fragmentierungsansatzes (diSessa, Gille-spie & Esterly, 2004; diSessa, 2008; Vosniadou, Vamva-koussi & Skopeliti, 2008; für einen Überblick: Schneider& Hardy, submitted). Vertreter des Kohärenzansatzessehen bereits das anfängliche naturwissenschaftlicheWissen von Kindern als theorie-ähnlich, d.h. kohärentorganisiert an. In Analogie zu wissenschaftlichen Theo-rien wird davon ausgegangen, dass auch dieses anfängli-che naturwissenschaftliche Wissen kohärent und logi-schen Beziehungen folgend strukturiert ist, bestimmtenontologischen Prämissen unterliegt und Funktionen derVorhersage und Erklärung erfüllt (Chi, 2008; Vosniadou,Vamvakoussi & Skopeliti, 2008).

Die Entwicklung wissenschaftlicher Vorstellungen er-fordert aus der Sicht des Kohärenzansatzes eine Umstruk-turierung der ursprünglichen naiven Theorien. Konzeptu-elle Entwicklung kann daher als das Durchlaufen einerSequenz verschiedener subjektiver Theorien von initialenüber verschiedene synthetische Modelle bis hin zum wis-senschaftlichen Modell verstanden werden, wobei dieSequenz interindividuell variieren kann (Vosniadou &Brewer, 1992; Vosniadou, Vamvakoussi & Skopeliti, 2008).In einer querschnittlichen Perspektive zeigen sich bei un-terschiedlichen Kindern verschiedene subjektive Theo-rien (Vosniadou & Brewer, 1992). Beispielsweise konnte inUntersuchungen mit Kindern über Vorstellungen zur Erdegezeigt werden, dass verschiedene subjektive Theorienzur Erde unterschieden werden können und jüngere Kin-der häufig die initiale Theorie einer flachen Erde bilden,welche eng mit Alltagsbeobachtungen einer flachen Erd-oberfläche und der Beobachtung, dass Objekte herunterfallen, verbunden ist (Vosniadou & Brewer, 1992).

Vertreter des Fragmentierungsansatzes stellen dieExistenz eines theorie-ähnlichen und kohärenten anfängli-chen naturwissenschaftlichen Wissens grundsätzlich in

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202 Thilo Kleickmann, Ilonca Hardy, Judith Pollmeier und Kornelia Möller

Frage (diSessa, Gillespie & Esterly, 2004; diSessa, 2008).Sie verstehen das anfängliche Wissen in einem naturwis-senschaftlichen Inhaltsbereich als ein Wissen in Einzel-elementen. Diese Wissenselemente sind zunächst „frag-mentiert“, d.h. unstrukturiert und kaum bzw. nur losemiteinander verknüpft. Vertreter des Fragmentierungsan-satzes betonen dabei im Gegensatz zu Anhängern desTheorieansatzes die Kontextualität des anfänglichen na-turwissenschaftlichen Wissens. Dieses Wissen sei gera-de nicht durch Generalisierung und Anwendbarkeit aufein weites Spektrum an Kontexten gekennzeichnet, wie esbei wissenschaftlichen Theorien der Fall sei. Vielmehr seies in hohem Maße an den spezifischen Kontext gebun-den, in dem es erworben wurde, bzw. es sei durch spezi-fische kontextgebundene Handlungsaufforderungen imSinne von p-prims (phenomenological primitives) konsti-tuiert (diSessa, Gillespie & Esterly, 2004). Auch die Frageder Entwicklung wissenschaftlich adäquateren Wissensaus dem anfänglichen Wissen wird von Vertretern desFragmentierungsansatzes anders beantwortet als von Ver-tretern des Kohärenzansatzes. Aus der Perspektive desFragmentierungsansatzes erfordert sie vor allen Dingeneine Integration von Wissenselementen zu einer kohären-teren (wissenschaftlichen) Sichtweise (Linn, 2006; Schnei-der & Stern, 2009). In einer querschnittlichen Perspektiveunterscheiden sich Kinder somit in den Wissenselemen-ten, den Relationen, die sie bereits entwickelt haben, unddamit auch in der Kohärenz des Wissens (Schneider &Hardy, submitted; diSessa, 2008).

Sowohl die Vertreter des Kohärenzansatzes als auchdie Vertreter des Fragmentierungsansatzes können empi-rische Belege für ihre Position anführen. Hinweise aufkohärentes naives Wissen, das theorie-ähnliche Charak-teristika aufweist, konnten seit den 1970er Jahren in ganzunterschiedlichen Inhaltsbereichen gewonnen werden(Vosniadou, Vamvakoussi & Skopeliti, 2008; Wandersee,Mintzes & Novak, 1994). Verschiedene empirische Befun-de deuten jedoch auch Grenzen des Kohärenzansatzes an.So wird vielfach berichtet, dass sich Kinder bei der Deu-tung von Naturphänomenen widersprechen und dass sieoft nur vage Intuitionen oder gar keinen Erklärungsansatzhaben. Manchmal verstehen sie einzelne Konzepte ineinem Inhaltsbereich, sehen aber nicht, wie diese zu-einander in Beziehung stehen. Für eine starke Kontextge-bundenheit und Inkonsistenz des Wissens finden sichmittlerweile ebenfalls zahlreiche Belege (diSessa, Gillespie& Esterly, 2004; Schneider & Hardy, submitted; Straate-meier, van der Maas & Jansen, 2008; von Aufschnaiter &Rogge, 2010).

Die Frage der Beschaffenheit anfänglichen naturwis-senschaftlichen Wissens ist somit weiter als offen anzu-sehen. Unterschiede zwischen den Ansätzen besteheninsbesondere in Bezug auf die Konzeptualisierung an-fänglichen, d. h. naiven Wissens. Weisen Kinder bzw.Novizen in einer Domäne grundsätzlich theorieähnliches,kohärentes (wenn auch wissenschaftlich unangemesse-nes) Wissen auf, oder zeichnet die anfänglichen Stadiendes konzeptuellen Wissenserwerbs eher lose zusammen-hängendes und stark kontextualisiertes Wissen aus? An-

fängliches Wissen muss sich dabei nicht notwendiger-weise auf die Konzepte junger Kinder beziehen, wie siebeispielsweise zu den Vorstellungen der Erde oder denTag-Nacht-Zyklus erhoben wurden. Es kann sich auch aufdas naive, durch Alltagserfahrungen geprägte naturwis-senschaftliche Wissen beziehen, welches noch im Er-wachsenenalter auftritt. Sowohl der Prozess der Umstruk-turierung im Kohärenzansatz als auch der Prozess der In-tegration im Fragmentierungsansatz beziehen sich also aufgrundlegende kognitive Prozesse der konzeptuellen Ent-wicklung.

Zur Bedeutung gezielter Instruktionfür die Entwicklungnaturwissenschaftlichen Wissens

Obwohl die Vertreter beider Ansätze unterschiedlicheMechanismen der konzeptuellen Entwicklung annehmen,messen sie gleichermaßen der gezielten Instruktion in na-turwissenschaftlichen Inhaltsgebieten eine bedeutsameRolle zu. Unterricht, der auf Schülervorstellungen eingeht,gilt als Voraussetzung für die Einleitung von Konzept-wechselprozessen und Entwicklung wissenschaftlicherVorstellungen. Dennoch finden sich bei den Vertretern derbeiden Ansätze unterschiedliche Akzentuierungen in denFolgerungen für die Gestaltung von Instruktion. Für Ver-treter des Kohärenzansatzes ist es entscheidend, durchInstruktion die Spanne zwischen naiven Theorien undintendierten wissenschaftlichen Theorien für die Kinderzu verringern, um die Umstrukturierung des Wissens zuerleichtern. Die gezielte Planung der Sequenz der zu erwer-benden Konzepte und auch das In-Frage-Stellen der nai-ven Theorien („Konflikt-Strategie“) stellen hier wichtigeAnsatzpunkte dar (Vosniadou, Ioannides, Dimitrakopou-lou & Papademetriou, 2001; Vosniadou, Vamvakoussi &Skopeliti, 2008). Vertreter des Fragmentierungsansatzesbetonen demgegenüber, die Vielfalt der kindlichen Intui-tionen und Ideen zu nutzen, indem darin befindliche richti-ge Ansätze unterstützt und weitergeführt werden. Außer-dem komme es darauf an, im Unterricht aufzuzeigen, wiedie zunächst unverbundenen Wissenseinheiten der Kin-der in Beziehung stehen (diSessa, 2008).

Bezogen auf naturwissenschaftlichen Unterricht in derGrundschule sind beide Akzentuierungen mit einer schü-lerorientierten, an konstruktivistischen Prinzipien orien-tierten Unterrichtsgestaltung zu vereinbaren. Belege fürden Erfolg eines solchen Unterrichts für die Entwicklungnaturwissenschaftlichen Wissens finden sich beispiels-weise bei Hardy, Jonen, Möller und Stern (2006). Dort truginsbesondere eine Unterrichtssequenz zum Schwimmen/Sinken mit Strukturierungsanteilen zur Entwicklung wis-senschaftlicher Vorstellungen bei Drittklässlern bei, wäh-rend bei einer Kontrollgruppe ohne Unterricht lediglichFortschritte bei alltagstauglichen, begrenzt generalisier-baren Vorstellungen zu verzeichnen waren. Die Studiehebt auch hervor, dass nicht alle Lerngelegenheiten derGrundschule eine Veränderung des anfänglichen natur-wissenschaftlichen Wissens hin zu wissenschaftlich adä-

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quateren Vorstellungen unterstützen. Unterricht ist alsonicht immer erfolgreich darin, eine solche Veränderung desWissens bei den Kindern zu bewirken. Vielfach konntegezeigt werden, dass das vorunterrichtliche Wissen äu-ßerst robust ist gegen Veränderung durch Instruktion unddass viele Fehlvorstellungen bis ins Sekundarstufenalterauftreten (Wandersee, Mintzes & Novak, 1994). Zusam-mengefasst kann festgehalten werden, dass unabhängigvon der eingenommenen Perspektive (Fragmentierung vs.Kohärenz) gezielte Instruktion als notwendige, aber nichthinreichende Voraussetzung für die Veränderung des an-fänglichen naturwissenschaftlichen Wissens hin zu wis-senschaftlich adäquaterem Wissen angesehen wird.

Personen- oder variablenzentrierteAnalysen zur Strukturnaturwissenschaftlichen Wissens?

In neueren Studien wurde versucht, die Struktur naturwis-senschaftlichen Wissens bei Grundschulkindern mit per-sonenzentrierten Analysen zu beschreiben. Mithilfe von(latenten) Klassenanalysen konnten in diesen StudienGruppen von Kindern identifiziert werden, die sich in ihrenAntwortprofilen bei der Lösung von Testaufgaben syste-matisch unterscheiden (Nobes, Martin & Panagiotaki,2005; Schneider & Hardy, submitted; Straatemeier, van derMaas & Jansen, 2008). Schneider und Hardy kategorisier-ten die Antworten von Drittklässlern auf Testaufgaben imInhaltsbereich Schwimmen/Sinken in Fehlvorstellungen(konfligieren mit wissenschaftlichen Sichtweisen), All-tagsvorstellungen (erklären bereits eine größere Bandbrei-te an Beobachtungen, sind aber durch gezielte Evidenzwiderlegbar) und wissenschaftliche Vorstellungen (in derwissenschaftlichen Community geteilte Erklärungsan-sätze) (Schneider & Hardy, submitted; Hardy et al., 2006).Über die drei Kategorien wurden Summenwerte berech-net, die als kontinuierliche Indikatoren in einer latentenKlassenanalyse (latent profile analysis) verwendet wur-den. Favorisiert wurde eine Lösung mit fünf latenten Klas-sen. Darunter befand sich eine Klasse mit einem wissen-schaftlichen Profil, das durch geringe Werte bei Fehl- undAlltagsvorstellungen und einen hohen Wert bei wissen-schaftlichen Vorstellungen gekennzeichnet war sowieeine Klasse mit hohen Werten auf allen drei Indikatoren.Dieses letztere Profil wurde als fragmentiert bezeichnet,da Fehl-, Alltags- und wissenschaftliche Vorstellungenparallel geäußert wurden (Schneider & Hardy, submitted).Schneider und Hardy interpretieren die Befunde der laten-ten Profilanalyse als Hinweis darauf, dass der Fragmen-tierungs- und der Kohärenzansatz nicht unbedingt Alter-nativen darstellen, sondern die Struktur des Wissens inSubpopulationen von Grundschulkindern beschreibenkönnen.

Straatemeier und Kollegen identifizierten bei einerAnalyse von Schülervorstellungen zur Erde auf der Basiseiner „klassischen“ latenten Klassenanalyse mit nicht-kontinuierlichen Indikatoren (latent class analysis; LCA)drei Gruppen von Kindern (vier bis elf Jahre). Die kohären-

ten anfänglichen Modelle von Vosniadou und Brewer fan-den sich in keiner der drei identifizierten latenten Klassen.Es zeigte sich stattdessen eine Klasse, die vorwiegend diewissenschaftlichen Modelle präferierte, eine Klasse, dieganz unterschiedliche Modelle zur Erklärung heranzog,und eine Klasse, die zwischen dem wissenschaftlichenund einem naiven Erklärungsansatz wechselte. Die Auto-ren interpretieren die Befunde als Hinweis auf die Gültig-keit des Fragmentierungsansatzes (Straatemeier, van derMaas & Jansen, 2008). Zu ähnlichen Folgerungen kom-men Nobes, Martin und Panagiotaki (2005) ebenfalls aufder Basis eines personenzentrierten Analyseansatzes.

Personenzentrierte Analysen mit kategorialen latentenVariablen, wie sie in den skizzierten Studien gewählt wur-den, ermöglichen es, Subpopulationen („Typen“) von Ler-nenden zu identifizieren, die sich in ihrem naturwissen-schaftlichen Wissen qualitativ unterscheiden. Diese Artvon Analysen konnte bereits einen Beitrag zur Klärungder Debatte um die Frage der Kohärenz oder Fragmentie-rung naturwissenschaftlichen Wissens von Grundschul-kindern leisten. Ein potenzieller Nachteil von (latenten)Klassenanalysen, die rein auf die Beschreibung von qua-litativ unterschiedlichen Subgruppen fokussieren (Nobes,Martin & Panagiotaki, 2005; Straatemeier, van der Maas &Jansen, 2008), liegt darin, dass sie Unterschiede im Wis-sen eben nur als qualitative Unterschiede zwischen Sub-gruppen darstellen können und eine dimensionale, variab-lenzentrierte Perspektive nicht zulassen (Bates, 2000). Einesolche ist aber zur Beschreibung kontinuierlicher Unter-schiede in der Ausprägung naturwissenschaftlichen Wis-sens durchaus plausibel. Denn Prozesse einer graduellen,kontinuierlichen konzeptuellen Veränderung, wie sie vonVertretern sowohl der Kohärenz- als auch der Fragmentie-rungshypothese beschrieben werden, machen kontinuier-liche, dimensionale Ausprägungen des Wissens wahr-scheinlich (Vosniadou, Vamvakoussi & Skopeliti, 2008;diSessa, 2008). Entsprechend finden sich für die Verwen-dung dimensionaler Beschreibungen naturwissenschaft-lichen Wissens bei Grundschulkindern auch zahlreicheBeispiele, u. a. in internationalen Leistungsvergleichsstu-dien (Wittwer, Saß & Prenzel, 2008; Prenzel et al., 2003).Durch die Verwendung von kontinuierlichen Indikatorenim Rahmen einer latenten Profilanalyse konnten Schneiderund Hardy (submitted) gleichzeitig graduelle Unterschie-de in der Ausprägung von Fehl-, Zwischen- und wissen-schaftlichen Vorstellungen als auch qualitative Wissens-unterschiede zwischen Subgruppen darstellen.

Eine weitere Möglichkeit, die personen- und die vari-ablenzentrierte Perspektive zu verbinden, stellen sog. Fak-tor-Mischverteilungsanalysen (FMA; factor mixture ana-lysis) dar. Diese wurden bereits in der psychiatrischenForschung zur Beschreibung (klinischer) Merkmale, aberauch in Analysen von Leistungstestdaten, hier vor allemim Rahmen von IRT-Ansätzen (Mixed Rasch-Modelle),angewendet (Embretson, 2007; Lubke et al., 2007). DieseAnalysen stellen eine Generalisierung von Faktorenana-lyse (FA) und latenter Klassenanalysen (LCA) dar. In derLCA wird das Antwortverhalten von Personen auf ein Setvon Aufgaben durch die Zugehörigkeit der Personen zu

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204 Thilo Kleickmann, Ilonca Hardy, Judith Pollmeier und Kornelia Möller

Subgruppen (den latenten Klassen) mit subgruppen-spe-zifischen Antwortprofilen erklärt. In der FA wird das Ant-wortverhalten bei einem Set von Aufgaben hingegen aufwenige latente kontinuierliche Faktoren zurückgeführt. Beider FA resultieren somit kontinuierliche latente Variablen(eine oder mehrere), während bei der LCA eine latente ka-tegoriale Variable (mit den latenten Klassen als Katego-rien) bestimmt wird (Bartholomew, 1987; Clogg, 1995).Durch die Kombination dieser beiden Ansätze ermöglichtes die FMA, sowohl graduelle dimensionale Unterschiedeim Wissen (Perspektive der FA) als auch qualitative Un-terschiede im Wissen zwischen Subgruppen (Perspektiveder LCA) zu repräsentieren (nähere Erläuterung der FMAim Methodenteil). In der vorliegenden Studie wurde ge-prüft, inwieweit die FMA im Vergleich zu FA und LCAgeeignet ist, die Struktur naturwissenschaftlichen Wis-sens bei Grundschulkindern zu beschreiben. Untersuchtwurde dies bei Grundschulkindern der zweiten, dritten undvierten Jahrgangsstufe in den Inhaltsbereichen Schwim-men/Sinken sowie Verdunstung/Kondensation.

Fragestellungen

Folgende Fragen waren für die Untersuchung leitend: (1.)Ist naturwissenschaftliches Wissen von Grundschulkin-dern besser als dimensional, kategorial oder als sowohldimensional und kategorial zu beschreiben? Anders aus-gedrückt: Welche Rolle spielen qualitative Unterschiedezwischen Subpopulationen und quantitativ-dimensionaleWissensunterschiede beim naturwissenschaftlichen Wis-sen von Grundschulkindern? Außerdem interessierte(2.), inwieweit die Analysen die Kohärenz- oder die Frag-mentierungshypothese oder beide Ansätze stützen. BeiSchneider und Hardy (submitted) konnten Gruppen vonGrundschulkindern mit kohärentem und solche mit frag-mentiertem Wissen identifiziert werden. Da sowohl Vertre-ter des Kohärenz- als auch des Fragmentierungsansatzesgezielten Lerngelegenheiten eine zentrale Rolle für die Ent-wicklung kohärenten, wissenschaftlich adäquateren Wis-sens beimessen, sollte zusätzlich untersucht werden (3.),ob und inwieweit bereits erhaltene schulische Instruktionin den beiden fokussierten Inhaltsbereichen mit der Kohä-renz des Wissens zusammenhängt.

Methode

Design und Stichprobe

Bei der Studie handelt es sich um eine querschnittlicheErhebung in den Klassenstufen 2, 3 und 4. Insgesamt 1817Schülerinnen und Schüler bearbeiteten Tests zum na-turwissenschaftlichen Wissen in den InhaltsbereichenSchwimmen/Sinken und Verdunstung/Kondensation so-wie zum Wissen über Naturwissenschaften. Die Stich-probe besteht aus 87 ganzen Schulklassen (die durch-schnittliche Klassengröße beträgt damit etwa 21 Kinder).Die teilnehmenden Klassen stammen sowohl aus städti-schen als auch ländlichen Schulen in der Umgebung vonMünchen und Münster. Die Rekrutierung geschah über

die Schulleitungen, die Klassen für die Teilnahme aus-wählten. Um zu vermeiden, dass in erster Linie leistungs-starke Klassen gewählt werden, wurde den Schulleitun-gen deutlich gemacht, dass die Durchführung der Testskeinesfalls dazu dient, einzelne Schulen oder Klassen zubewerten. Der Anteil an Mädchen in der Stichprobe be-trägt 51%, und die Jahrgangsstufen 2, 3 und 4 sind mit597, 606 und 614 Kindern etwa gleich stark vertreten.

Instrumente

Der Gesamttest für den Bereich naturwissenschaftlichesWissen umfasst 66 Aufgaben (32 Schwimmen/Sinken und34 Verdunstung/Kondensation), die in einem Multi-Ma-trix-Design vorgegeben wurden und zuvor in mehrerenSchritten pilotiert und revidiert worden waren (Kleick-mann et al., 2010). Die letzte Pilotierung vor der hier darge-stellten Haupterhebung umfasste noch 89 Aufgaben, dieebenfalls in einem Multi-Matrix-Design 719 Kindern derJgst. 3 und 459 Kindern der Jgst. 4 vorgegeben wurden.Da sich hier noch Probleme bei statistischen Kennwerteneiniger Aufgaben (Trennschärfen, Schwierigkeit) und desGesamttests (Reliabilität) zeigten, wurden diese Aufgabenvor der Haupterhebung entweder aus dem Test entferntoder noch einmal überarbeitet.

Für die Analysen der vorliegenden Studie wurden achtdichotom kodierte Aufgaben herangezogen, die von allen1817 Schülerinnen und Schülern im Rahmen der Haupter-hebung bearbeitet wurden (Ankeraufgaben). Diese Auf-gaben haben sich in der vorliegenden Stichprobe undauch in den Pilotierungen als trennscharfe Aufgaben er-wiesen, die substanziell mit anderen Aufgaben korrelieren(Trennschärfen von .30 bis .58 in der vorliegenden Stich-probe). Die Aufgaben erfassen naturwissenschaftlichesWissen in den Inhaltsbereichen Schwimmen/Sinken (vierAufgaben) und Verdunstung/Kondensation (vier Auf-gaben). In beiden Bereichen wird das Verständnis vonje zwei zugrundeliegenden physikalischen Konzepten er-fasst, indem neben wissenschaftlichen Vorstellungen alsAttraktoren in der Literatur berichtete Fehlvorstellungenals Distraktoren vorgegeben werden. Im Bereich Schwim-men/Sinken werden die physikalischen Konzepte Verdrän-gung und Dichte fokussiert. Bei den Aufgaben zum Ver-drängungskonzept wird getestet, ob Verdrängung alsFunktion des Volumens eines Gegenstandes und nicht alsFunktion anderer Merkmale des Gegenstandes (insb.Masse) gesehen wird. Die Lösung der Aufgaben zumDichtekonzept erfordert ein korrektes In-Beziehung-Set-zen von Volumen und Masse eines Gegenstandes. Beiden Aufgaben zu Verdunstung/Kondensation werden dieÜbergänge zwischen gasförmigem und flüssigem Aggre-gatzustand am Beispiel Wasser fokussiert. Die Lösung derAufgaben zu Verdunstung erfordert die Annahme vonErklärungen, die verdunstetes Wasser als unsichtbar inder Luft vorliegend beschreiben, und die Ablehnung vonErklärungen, das Wasser sei bspw. in den Untergrund ein-gezogen oder habe sich aufgelöst. Bei den beiden Kon-densationsaufgaben muss u. a. erkannt werden, dass kon-densiertes Wasser nicht spontan entsteht oder aus demUntergrund hervortritt, sondern aus dem zuvor gasförmig

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205Naturwissenschaftliches Wissen von Grundschulkindern

in der Luft verteilten Wasser hervorgeht. Die Aufgabenerfassen nicht die freie Produktion von Erklärungen(recall), sondern die Bewertung der Korrektheit vorgege-bener Erklärungen (recognition). Abbildung 1 zeigt eineBeispielaufgabe. Analysen zur Validität der Aufgabensind bei Pollmeier, Hardy, Koerber und Möller (in Druck)dargestellt.

Alle Aufgaben wurden den Kindern vorgelesen, umEinflüsse des Leseverständnisses zu minimieren. Bei fünfder acht Aufgaben wurden die zugrunde liegenden Opera-tionen zusätzlich zu der bildlichen Darstellung im Testheftmit realen Gegenständen demonstriert. Bspw. wurde beiVerdrängungs-Aufgaben gezeigt, wie der Wasserstand ineinem Bassin ansteigt, wenn ein Klotz hineingelegt wird.Für die Bearbeitung der Aufgaben wurde genügend Zeitgegeben. Der Anteil gelöster Aufgaben liegt für die achtAufgaben zwischen 28% und 60%; der Anteil Missingsdeutlich unter einem Prozent.

Die 87 Lehrkräfte bearbeiteten einen Lehrerfragebo-gen, in dem u.a. erfragt wurde, ob in der jeweiligen Klassebereits Unterricht in den beiden fokussierten Inhaltsberei-chen erteilt wurde.

Datenauswertung

In der vorliegenden Studie dienen Faktor-Mischver-teilungsmodelle als statistischer Rahmen, um Fragen der

Struktur naturwissenschaftlichen Wissens bei Grund-schulkindern zu klären. Das FMA-Rahmenmodell, das wieoben skizziert Eigenschaften von FA und LCA vereint,wird im Folgenden kurz beschrieben. In Abbildung 2 stel-len u1 bis ur die beobachteten Indikatoren dar. In der vor-liegenden Studie handelt es sich um acht dichotom kodier-te Aufgaben. Wie im FA-Ansatz beinhaltet das Modelleinen latenten Faktor F, der die dimensionale Perspektiverepräsentiert. Da es sich in diesem Fall um acht dichotomeAufgaben handelt, symbolisieren die Pfeile vom Faktor Fzu den Indikatoren die acht logistischen Regressionen deru1 bis u8 auf den Faktor. Diese Regressionen haben einIntercept (Schwellenparameter, „Aufgabenschwierigkeit“)und ein Regressionsgewicht (Ladungsparameter, „Faktor-ladung“). Neben dem latenten Faktor umfasst das Modelleine latente Klassenvariable C, die die kategoriale Per-spektive einbringt (Kategorien sind die latenten Klassen).Die Pfeile zu den Indikatoren u1 bis ur symbolisieren, dassdie Schwellenparameter der Aufgaben zwischen den Klas-sen variieren können, d.h. dass die Aufgaben für Perso-nen unterschiedlicher latenter Klassen unterschiedlichschwer sein können. Die Pfeile, die auf die Pfeile zwischenFaktor und Indikatoren deuten, drücken aus, dass auchdie Faktorladungen klassenspezifisch variieren können(Clark et al., 2009).

Qualitative Unterschiede zwischen Subgruppen (la-tenten Klassen) können im FMA-Ansatz somit über grup-penspezifische Aufgabenschwierigkeiten und Faktor-ladungen dargestellt werden. Unterscheiden sich Aufga-benschwierigkeiten und Faktorladungen zwischen denlatenten Klassen, ist dies ein Hinweis auf eingeschränkteMessinvarianz zwischen den Subgruppen. Dies bedeutetdann, dass der Faktor in den Gruppen unterschiedlicheKonstrukte, in diesem Fall ein qualitativ unterschiedlichesWissen, repräsentiert (Meredith, 1993). Ob qualitative Un-terschiede zwischen den Subgruppen nur in den Auf-gabenschwierigkeiten (sog. metrische Invarianz) oderzusätzlich auch in den Faktorladungen bestehen (sog.konfigurale Invarianz), kann durch den Vergleich der Pas-sung eines FMA-Modells mit klassenspezifischen Aufga-benschwierigkeiten und Faktorladungen mit der Passung

Abbildung 1. Beispiel-Aufgabe aus dem Bereich Verduns-tung und Kondensation; L1 = Fehlvorstellungen, L2 =Zwischenvorstellung, L3 = wissenschaftliche Vorstel-lung; L2-Antworten wurden in den Analysen für diesenArtikel nicht berücksichtigt.

Abbildung 2. Vereinfachtes Faktor-Mischverteilungsmo-dell (vgl. Clark et al., 2009).

u1 ur

C F

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206 Thilo Kleickmann, Ilonca Hardy, Judith Pollmeier und Kornelia Möller

eines restringierten FMA-Modells, in dem nur die Aufga-benschwierigkeiten zwischen den latenten Klassen variie-ren, geklärt werden.

Um zu prüfen, ob FMA-Modelle geeignet sind, be-stimmte Daten zu beschreiben, wird empfohlen, eine Se-quenz aus FA-, LCA- und FMA-Modellen durchzuführenund die Passung dieser Modelle zu vergleichen. Bei denFMA-Analysen wird die Zahl der Faktoren und latentenKlassen bis zu der Zahl schrittweise erhöht, die sich in denvorhergehenden FA- bzw. LCA-Modellen bewährt hat(Clark et al., 2009). Um die Passung von FA-, LCA- undFMA-Modellen zu vergleichen, sind Maße erforderlich,die einen Vergleich nicht hierarchisch geschachtelterModelle erlauben. In dieser Studie werden in Anlehnungan Clark et al. (2009) sowie Lubke und Muthén (2005) derAIC und der aBIC herangezogen. AIC (Akaike Informa-tion Criterion) und aBIC (sample size-adjusted BayesianInformation Criterion) sind Informationskriterien, die diePassung des Modells zu den empirischen Daten (Likeli-hood) unter Berücksichtigung der Sparsamkeit der Mo-dellierung (Zahl zu schätzender Parameter) bewerten.Niedrigere AIC- und aBIC-Werte zeigen das besser pas-sende Modell an. Für den Vergleich von Modellen mitunterschiedlich vielen latenten Klassen wird zusätzlich derBootstrapped Likelihood Ratio Test (BLRT) berichtet, dereinen inferenzstatistischen Vergleich der Passung einesModells mit k Klassen mit einem Modell mit k-1 Klassenvornimmt. Ein signifikantes Ergebnis des BLRT (p-Wert <.05) indiziert, dass das Modell mit k Klassen signifikantbesser auf die Daten passt als das sparsamere mit einerKlasse weniger (Clark et al., 2009; Nylund, Asparouhov &Muthén, 2007). Bei den FA-Modellen werden zusätzlichCFI und RMSEA angegeben, um die absolute (nicht nurrelative) Passung dieser Modelle beurteilen zu können.Werte über .95 (CFI) bzw. unter .06 (RMSEA) deuten hierauf gute Modellpassung hin (Nylund, Asparouhov &Muthén, 2007). Die Modellevaluation sollte allerdingsnicht nur auf der Basis statistischer Kriterien erfolgen,sondern auch durch inhaltlich-substanzielle Abwägun-gen vorgenommen werden (Muthén, 2003).

Aus solchen Erwägungen wurde bei den FA-Model-len wegen der zu erwartenden Bereichsspezifität naturwis-senschaftlichen Wissens (Vosniadou, Vamvakoussi &Skopeliti, 2008) eine 2-Faktor-Struktur (Schwimmen/Sin-ken sowie Verdunstung/Kondensation) oder sogar eine4-Faktor-Struktur (für die vier Konzepte Dichte, Verdrän-gung, Verdunstung und Kondensation) angenommen.Eine 8-Faktor-Struktur würde vollständige Kontextualisie-rung des Wissens repräsentieren.1 Alle Analysen wurdenmit dem Programm Mplus 5.2 durchgeführt (Muthén &Muthén, 1998–2007). Dabei wurde die geschachtelteStruktur der Daten (Schüler in Klassen) berücksichtigt,und durch die Verwendung eines FIML-Schätzers (fullinformation maximum likelihood; Arbuckle, 1996) wurdenalle verfügbaren Informationen berücksichtigt. FehlendeWerte führten also nicht zu Fallausschluss.

Ergebnisse

Zum Vergleich der verschiedenen FA-, LCA- und FMA-Modelle sind in Tabelle 1 die o.g. Fit-Indizes berichtet. Beiden FA-Modellen zeigt sich zunächst, dass das 4-Faktor-Modell nach AIC und aBIC am besten auf die Daten passt.Auch die absolute Passung des Modells nach CFI undRMSEA ist sehr gut. In diesem Modell werden die einzel-nen Konzepte Verdrängung, Dichte, Verdunstung undKondensation als separate Faktoren dargestellt.

Unter den LCA-Modellen sprechen sowohl AIC undaBIC als auch der BLRT für das Modell, das fünf Subgrup-pen (latente Klassen) von Kindern unterscheidet. Im di-rekten Vergleich der LCA- mit den FA-Modellen anhanddes AIC und des aBIC zeigt sich allerdings, dass dieFA-Modelle besser auf die Daten passen. Unter denFMA-Modellen weist das Modell mit zwei Faktoren undzwei latenten Klassen (2F 2K) die beste Passung nach AICund aBIC auf. Auch der BLRT zeigt an, dass innerhalb derFMA-Modelle mit zwei Faktoren das 2F-2K-Modell ambesten passt. Alle FMA-Modelle mit einem und vier Fak-toren passen nach AIC und aBIC schlechter als das2F-2K-Modell (der BLRT kann für den Vergleich zwischenModellen mit unterschiedlich vielen Faktoren nicht ge-nutzt werden). Im Vergleich zwischen FMA und FA zeigtsich keine klare Präferenz für eines der beiden Verfahren.Das sehr gut passende rein dimensionale 4-Faktor-Modellund das 2F-2K-Modell zeigen ähnlich hohe AIC- undaBIC-Werte. Das FMA-Modell ist nach AIC überlegen,nach aBIC jedoch unterlegen.

Im Hinblick auf Fragestellung 1 zeigt sich also folgen-des Bild: Modelle, die eine dimensionale, variablenzentrier-te Perspektive berücksichtigen (FA und FMA), scheinenbesser auf die Daten zu passen als Modelle, denen einerein kategoriale, personzentrierte Modellierung des Wis-sens zugrunde liegt (LCA). Das nach absolutem Modell-Fit (CFI, RMSEA) sehr gut passende rein dimensionaleFA-Modell mit vier Faktoren repräsentiert die Daten ähn-lich gut wie das FMA-Modell mit zwei Faktoren und zweilatenten Klassen, das neben der dimensionalen Sicht auchqualitative Unterschiede zwischen zwei Subgruppen vonKindern berücksichtigt.

Um näher zu klären, ob diese qualitativen Unterschie-de nur in klassenspezifischen Aufgabenschwierigkeitenoder zusätzlich auch in klassenspezifischen Faktorladun-gen bestehen, wurde das 2F-2K-FMA-Modell mit klassen-spezifischen Aufgabenschwierigkeiten und Faktorladun-gen, das sich in den vorigen Analysen bewährt hatte (s.Tabelle 1), mit einem restringierten 2F-2K-FMA-Modellverglichen, in dem nur die Aufgabenschwierigkeiten zwi-schen den latenten Klassen variieren. Da es sich bei denbeiden zu vergleichenden Modellen um geschachtelteModelle handelt, kann ein 2-Differenzentest zum direktenVergleich der Modellpassung verwendet werden. DieserTest zeigt eine bessere Passung des Modells, in dem ne-ben den Aufgabenschwierigkeiten auch die Faktorladun-gen klassenspezifisch variieren ( 2-diff (6) = 101; p < .05).Das restringierte Modell wird daher trotz etwas besserer

1 Wir danken einem anonymen Gutachter für den Hinweis,auch diese Variante zu prüfen.

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207Naturwissenschaftliches Wissen von Grundschulkindern

Werte bei AIC (17838) und aBIC (17903) verworfen (Wertedes unrestringierten Modells: s. Tabelle 1). Die weiterenAnalysen basieren somit auf dem Modell mit klassenspe-zifischen Aufgabenschwierigkeiten und Faktorladungen.Im Folgenden werden zunächst Unterschiede in den Auf-gabenschwierigkeiten zwischen den beiden Subgruppenvon Kindern berichtet.

Abbildung 3 zeigt die Schwellenparameter, die dieSchwierigkeit der acht Aufgaben in beiden latenten Klas-sen anzeigen. Es zeigt sich, dass die meisten Aufgaben fürdie latente Klasse 1 leichter sind. Das betrifft insbesonderedie Aufgaben zur Verdrängung, wo die Differenzen zwi-schen den Klassen 3.8 bzw. 4.5 Logits betragen. Außer-dem sind die Aufgaben zu Verdunstung für die Klasse 1leichter als für Klasse 2 (etwa ein Logit Differenz). DieKondensationsaufgaben sind für beide Gruppen etwagleich schwer und bei den Dichteaufgaben zeigt sich ein

Tabelle 1. Vergleich der Modellpassung von FA-, LCA- und FMA-Modellen

Modell LogL #Par AIC aBIC BLRT CFI/RMSEAp-Wert

Konfirmatorische Faktorenanalyse (FA)

FA 1F –8990 16 18013 18050 0.91 / .06FA 2F –8943 17 17920 17960 0.97 / .04FA 4F –8907 22 17859 17910 1.00 / .01FA 8F –9259 36 18590 18674 1.00 / .00

Latente Klassenanalyse (LCA)

LCA 2K –9032 17 18098 18138 .00LCA 3K –8973 26 17998 18058 .00LCA 4K –8919 35 17908 17990 .00LCA 5K –8890 44 17867 17970 .00LCA 6K –8880 53 17869 17990 .50

Faktor-Mischverteilungsanalyse (FMA)

FMA 1F 2K –8929 33 17924 18001 .00FMA 1F 3K –8892 50 17883 18000 .43FMA 1F 4K –8875 67 17885 18041 .20FMA 1F 5K –8863 84 17893 18089 .19FMA 2F 2K –8891 34 17851 17930 .00FMA 2F 3K –8870 53 17879 18003 .09FMA 2F 4K –8861 71 17863 18028 .09FMA 2F 5K –8869 77 17892 18071 .38FMA 4F 2K –8887 45 17864 17968 1.00FMA 4F 3K –8890 68 17916 18075 1.00FMA 4F 4K –8877 91 17936 18148 —*FMA 4F 5K –8880 114 17939 18204 —*

Anmerkungen: AIC = Akaike Information Criterion; aBIC = sample size-adjusted Bayes Information Criterion; BLRT = BootstrappedLikelihood Ratio Test; CFI = Bentler’s Comparative Fit Index; RMSEA = Root Mean Square Error of Approximation; LogL = LogLikelihood;#Par = Anzahl geschätzter Parameter; F = Faktor/en; K = Klasse/n; FMA-Modelle mit nur einer latenten Klasse entsprechen einem FA-Modellund sind daher unter den FMA-Modellen nicht aufgeführt; *BLRT nicht interpretierbar, da der Loglikelihood-Wert im Bootstrap-Verfahrennicht repliziert wurde.

Abbildung 3. Schwierigkeit (Schwellenparameter in Lo-gits) der acht Aufgaben nach latenter Klasse; di = Dichte;vd = Verdrängung; ko = Kondensation; ve = Verdunstung.

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208 Thilo Kleickmann, Ilonca Hardy, Judith Pollmeier und Kornelia Möller

uneinheitliches Muster. Hier ist die zweite Aufgabe fürKlasse 1 leichter, wohingegen die erste Aufgabe für Klas-se 2 leichter ist. Die Differenzen betragen allerdings nur0.6–0.7 Logits.

Die (latente) Klasse 1 kann insgesamt als die kompe-tentere Klasse bezeichnet werden, wobei sie insbesonderedurch ein deutlich besseres Verständnis des Verdrän-gungskonzepts (Abhängigkeit der Verdrängung vom Vo-lumen des Gegenstandes und nicht von anderen Eigen-schaften des Gegenstandes) und ein besseres Verständ-nis von Verdunstung gekennzeichnet ist. Eine der beidenVerdrängungsaufgaben wird von praktisch allen Kindernaus der kompetenten Klasse gelöst.

Hinsichtlich der Faktorladungen zeigt sich, dass diesein der kompetenten Klasse 1 durchweg höher (standar-disierte Ladungen der vier Aufgaben, die den FaktorSchwimmen/Sinken reflektieren: .87 bis .94; Faktor Ver-dunstung/Kondensation: .36 bis .94) ausfallen als in Klas-se 2 (Schwimmen/Sinken: .60 bis .65; Verdunstung/Kon-densation: .15 bis .74). Die Unterschiede in Aufgaben-schwierigkeiten und Faktorladungen zwischen den beidenlatenten Klassen weisen auf eingeschränkte Messinva-rianz zwischen den Gruppen hin. Die Faktoren Schwim-men/Sinken und Verdunstung/Kondensation repräsentie-ren also in den beiden latenten Klassen ein qualitativ un-terschiedliches Wissen. Diese qualitativen Unterschiedeim Wissen beziehen sich u.a. darauf, inwieweit bereits einVerständnis einzelner Konzepte (Verdrängung, Verduns-tung) aufgebaut wurde.

Tabelle 2 stellt die Verteilung der in die beiden latentenKlassen klassifizierten Kinder über die drei Jahrgangsstu-fen dar. Es zeigt sich, dass der Anteil der kompetentenGruppe von 10% in Klassenstufe 2 über 25% in Klassen-stufe 3 bis auf knapp 40% in Klassenstufe 4 ansteigt. Überalle Schülerinnen und Schüler betrachtet beträgt der An-teil von Klasse 1 25 %.

In der dimensionalen Perspektive lassen sich im FMA-Ansatz Niveauunterschiede im Wissen der Kinder darstel-len. Neben der Klassenzugehörigkeit werden für jedePerson auch Faktorwerte zu den latenten Faktoren desModells berechnet. Tabelle 3 zeigt Ergebnisse eines Ver-gleichs der Faktorwerte für die beiden Faktoren Schwim-men/Sinken sowie Verdunstung/Kondensation zwischenden Klassenstufen 2, 3 und 4.

Hier zeigt sich, dass die Unterschiede zwischen denKlassenstufen 2 und 3 sowie zwischen 3 und 4 bei mittle-ren Effektstärken durchweg signifikant sind. Nur in derlatenten Klasse 1 findet sich zwischen Klassenstufe 2 und3 bei Verdunstung/Kondensation lediglich ein kleinerEffekt. Auch zeigt sich, dass die Varianz in der latentenKlasse 1 deutlich größer als in Klasse 2 ist. Unterschiedeim Wissensniveau zwischen den beiden latenten Klassenwerden wegen der nicht gegebenen Messinvarianz nichtinterpretiert.

Für die Frage der Fragmentierung oder Kohärenz desWissens ist die Konsistenz der Antworten auf die Aufga-ben der beiden Faktoren interessant. Mithilfe der Kuder-

Tabelle 2. Klassenzugehörigkeit nach Jahrgangsstufe

Jgst. 2 Jgst. 3 Jgst. 4

Häufigkeit absolut relativ absolut relativ absolut relativLatente Klasse 1 60 .10 149 .25 241 .39

Latente Klasse 2 537 .90 457 .75 373 .61

Tabelle 3. Niveau des Wissens (Faktorwerte) in den Inhaltsbereichen Schwimmen/Sinken sowie Verdunstung/Kondensa-tion nach Klassenstufe: Mittelwerte, Standardabweichungen und Effektstärken (Cohens d)

Klassenstufe 2 3 4 2 vs. 3 3 vs. 4 M SD M SD M SD d d

Schwimmen/Sinken

Lat. Klasse 1 –.36 2.67 1.31 2.45 2.93 2.07 .65** .72**Lat. Klasse 2 –1.32 1.43 –.49 1.33 .16 1.18 .60** .52**

Verdunstung/Kondensation

Lat. Klasse 1 –.51 2.50 .23 2.77 2.27 2.52 .28* .77**Lat. Klasse 2 –.89 1.15 –.31 1.02 .19 .92 .53** .52**

Anmerkungen: *p < .05, **p < .01.

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209Naturwissenschaftliches Wissen von Grundschulkindern

Richardson-Formel 20 (KR20) wurde ein Maß für die Kon-sistenz des Antwortverhaltens ermittelt. Es zeigt sich,dass die Schülerinnen und Schüler in der kompetenteren(latenten) Klasse 1 bei den vier Aufgaben zu Schwimmen/Sinken ein deutlich konsistenteres Antwortverhalten zei-gen (.78 versus .43 in Klasse 2). Auch bei den vier Aufga-ben zu Verdunstung/Kondensation ist das Antwortver-halten in Klasse 1 konsistenter, der Unterschied ist jedochgeringer (.48 versus .34 in Klasse 2).

Um Hinweise auf die Bedeutung schulischer Lerngele-genheiten für die Struktur naturwissenschaftlichen Wis-sens zu erhalten (Fragestellung 3), wurde geprüft, inwie-weit bereits erhaltene schulische Lerngelegenheiten inden Inhaltsbereichen Schwimmen/Sinken sowie Verduns-tung/Kondensation die Zugehörigkeit zu den beiden la-tenten Klassen vorhersagen können. Dazu wurden logis-tische Mehrebenen-Regressionsanalysen durchgeführt.Auf Klassenebene dienten dummy-kodierte Variablen(Unterricht im jeweiligen Inhaltsbereich bereits erhaltenoder noch nicht erhalten) als Prädiktoren. Auf Individual-ebene wurde für Alter (z-transformiert) und Geschlechtkontrolliert (s. Tabelle 4).

Es zeigt sich, dass sowohl die vorherige Teilnahme anUnterricht zum Thema Schwimmen/Sinken als auch zumThema Verdunstung/Kondensation mit der Zugehörigkeitzu einer der beiden latenten Klassen in Zusammenhangsteht. Die negativen Vorzeichen indizieren, dass die Wahr-scheinlichkeit, Klasse 1 angehörig zu sein, bei vorherigerTeilnahme an Unterricht in den beiden Inhaltsbereichenansteigt. Auf Individualebene zeigt sich, dass Jungen einesignifikant höhere Wahrscheinlichkeit haben, in der laten-ten Klasse 1 zu sein.

Diskussion

Die Ergebnisse geben bzgl. der ersten Fragestellung Hin-weise darauf, dass für die Modellierung der Struktur na-

turwissenschaftlichen Wissens von Grundschulkindernein Ansatz, der eine dimensionale, variablenzentriertemit einer kategorialen, personenzentrierten Perspektiveverbindet (FMA), einem rein kategorialen Ansatz, der dieDaten allein über eine Klassifizierung von Personen re-präsentiert (LCA), überlegen zu sein scheint. Auch reindimensionale Modelle bewährten sich bei den vorliegen-den Daten sehr gut. Dabei muss berücksichtigt werden,dass auch die Art der Erfassung naturwissenschaftlichenWissens einen Einfluss auf die Ergebnisse von Analysenzur Struktur dieses Wissen haben kann. In dieser Studiewurden Aufgaben verwendet, die die Annahme wissen-schaftlicher Vorstellungen und die Ablehnung von Fehl-vorstellungen erfordern. Schneider und Hardy (submit-ted) bspw. nutzten demgegenüber stärker aggregierteIndikatoren, indem Scores für Fehl-, Zwischen- und wis-senschaftliche Vorstellungen gebildet wurden. WelchenEinfluss die Art der Wissenserfassung auf Befunde zurStruktur naturwissenschaftlichen Wissens im Grund-schulbereich hat, stellt noch eine offene Forschungsfragedar.

Hinsichtlich der Frage nach der Kohärenz oder Frag-mentierung des naturwissenschaftlichen Wissens (Frage-stellung 2) zeigte sich folgendes Bild: Zunächst sprechendie Ergebnisse für ein ausgesprochen inhaltsspezifischvariierendes naturwissenschaftliches Wissen bei Grund-schulkindern. Dies wird durch die gute Passung des4-Faktor-FA-Modells, das die erfassten vier einzelnenKonzepte (Dichte, Verdrängung, Verdunstung und Kon-densation) modelliert, und auch die gute Passung desFMA-2F-2K-Modells, bei dem sich deutliche konzeptspe-zifische Wissensunterschiede (Verdunstung, Verdrän-gung) zwischen den latenten Klassen zeigen, deutlich.Dies deutet an, dass die untersuchten Grundschulkinderallenfalls am Anfang einer kohärenten Theoriebildung zuVerdunstung und Kondensation sowie Schwimmen undSinken stehen. Die Ergebnisse der FMA-Modelle legenjedoch nahe, zwischen zwei Gruppen von Grundschulkin-

Tabelle 4. Vorhersage der Zugehörigkeit zu einer der beiden latenten Klassen (Referenzkategorie = latente Klasse 2) durchUnterricht und Individualmerkmale. Unstandardisierte Koeffizienten aus logistischen Mehrebenen-Regres-sionsanalysen

Modell 1 Modell 2SE SE

IndividualebeneGeschlecht (1=weibl., 0=männl.) .68** .13 .69** .15Alter .10 .12 .07 .15Pseudo-R2

Individualebene .03 .04

KlassenebeneUnterricht zu SuS erhalten? (1=ja; 0=nein) –.45* .21

Unterricht zu VuK erhalten? (1= ja; 0=nein) –.92** .25

Pseudo-R2Klassenebene .05 .22

Anmerkungen: SuS = Schwimmen und Sinken, VuK = Verdunstung und Kondensation; * p < .05, **p < .01.

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210 Thilo Kleickmann, Ilonca Hardy, Judith Pollmeier und Kornelia Möller

dern zu unterscheiden: Eine kleinere Gruppe (latente Klas-se 1), die in Klassenstufe 2 nur 10% der Kinder umfasst, inden Klassenstufen 3 und 4 allerdings bereits 25% undknapp 40% der Schülerinnen und Schüler ausmacht,zeichnet sich im Vergleich zu den anderen Kindern durchein deutlich besseres Verständnis von Verdrängungeinerseits und Verdunstung andererseits aus. Außerdemzeigt diese kleinere Gruppe ein konsistenteres Wissen alsdie größere Gruppe. Die Zunahme des Anteils der latentenKlasse 1 von der zweiten bis zur vierten Klassenstufe spie-gelt also auch wider, dass relativ mehr Kinder bereits einkonsistenteres Wissen entwickelt haben (ähnlicher Be-fund bei Straatemeier, van der Maas & Jansen, 2008). Den-noch ist auch in Klassenstufe 4 die Mehrheit der Kinderder Gruppe mit dem inkonsistenten Wissen zuzuordnen.Die Befunde zu den qualitativen Wissensunterschiedenzwischen den latenten Klassen (bzgl. der Konsistenz desWissens) können einen weiteren Hinweis darauf darstel-len, dass der Fragmentierungs- und der Kohärenzansatznicht alternativ zu sehen sind, sondern das naturwissen-schaftliche Wissen von Kindern aus unterschiedlichenSubpopulationen beschreiben können. Schneider undHardy (submitted) kommen mit anderer Erfassung desWissens (s.o.) zu der gleichen Schlussfolgerung. Bei derBetrachtung von Niveauunterschieden im erfassten Wis-sen zwischen den drei Jahrgangsstufen (dimensionalePerspektive) zeigten sich in beiden Inhaltsbereichen deut-lich höhere Werte in der jeweils höheren Klassenstufe.Dies deutet darauf hin, dass von der zweiten bis zur vier-ten Klassenstufe von deutlichen Wissenszuwächsen inden erfassten Inhaltsbereichen ausgegangen werdenkann.

Schließlich wurde der Frage nachgegangen, welcheBedeutung bereits erhaltenen Lerngelegenheiten im Un-terricht für die Struktur des naturwissenschaftlichen Wis-sens bei Grundschulkindern zukommt. Dabei zeigte sich,dass die vorherige Teilnahme an Unterricht in den beidenim Test erfassten Inhaltsbereichen die Wahrscheinlich-keit für ein Kind erhöht, der kompetenten (latenten) Klas-se mit dem konsistenteren Wissen zugeordnet zu werden.Das Vorhandensein vorheriger schulischer Lerngelegen-heiten kann aber die Klassenzugehörigkeit bei weitemnicht vollständig erklären. Dies steht in Übereinstimmungmit den eingangs zitierten Befunden zur Bedeutung geziel-ter Instruktion für die Entwicklung wissenschaftlich adä-quateren Wissens. Auch in der kompetenten Klasse mitdem konsistenteren Antwortverhalten haben insgesamt29% der Kinder (70% in Klassenstufe 2, 44% in Klassen-stufe 3, 7% in Klassenstufe 4) weder explizit Unterricht zuSchwimmen/Sinken noch zu Verdunstung/Kondensationerhalten. Dieser Befund könnte einmal mehr auf die nichtunerhebliche Bedeutung außerschulischer Lerngelegen-heiten für die Entwicklung naturwissenschaftlichen Wis-sens im Grundschulalter hinweisen (Prenzel et al., 2003).Bei den Analysen zur Vorhersage der Klassenzugehörig-keit zeigte sich außerdem ein Effekt des Geschlechts. Jun-gen haben im Vergleich zu Mädchen eine größere Wahr-scheinlichkeit, der kompetenteren Klasse 1 anzugehören.Vorteile für Jungen beim naturwissenschaftlichen Wissenim Grundschulalter zeigten sich ebenfalls bereits in ande-

ren Studien (Wittwer, Saß & Prenzel, 2008; Straatemeier,van der Maas & Jansen, 2008).

Aus den gewonnenen Erkenntnissen der vorliegen-den Studie ergeben sich Implikationen für das Verständ-nis der Entwicklung naturwissenschaftlichen Wissens imGrundschulalter und auch für die Gestaltung von Lernge-legenheiten im Rahmen schulischer Instruktion. Die in denvorgenommenen Analysen bewährten FA- und FMA-Modelle zeigen, dass das naturwissenschaftliche Wissender untersuchten Zweit-, Dritt- und Viertklässler noch alsweitgehend fragmentiert zu beschreiben ist. Dies gilt inbesonderem Maße für die Kinder in der als weniger kom-petent beschriebenen latenten Klasse 2. Die untersuchtenGrundschulkinder scheinen erst am Anfang einer kohä-renten Theoriebildung in den untersuchten Inhaltsgebie-ten zu stehen. Dieser Befund ist in Übereinstimmung mitErkenntnissen aus anderen Domänen wie der Mathematik(Schneider & Stern, 2009). Dies legt nahe, Prozesse desnaturwissenschaftlichen Wissenserwerbs im Grundschul-alter nicht primär aus einer Perspektive der Wissensum-strukturierung (z.B. Treagust & Duit, 2008), sondern stär-ker auch aus einer Perspektive der Wissensintegration zubetrachten. Für die Gestaltung von Instruktion wäre unterdieser Perspektive die Frage entscheidend, wie die Kinderdarin unterstützt werden können, Beziehungen zwischenKonzepten und auch einzelnen Alltagserfahrungen herzu-stellen, also ursprünglich fragmentiertes Wissen zu inte-grieren (Schneider & Stern, 2009). Beispielsweise kanneine sinnvolle Strukturierung der Lernumgebung Kinderdarin unterstützen, naturwissenschaftliche Prinzipien hin-ter „äußerlich“ unterschiedlichen Phänomenen zu erken-nen und somit integrierteres Wissen aufzubauen (Hardyet al., 2006). Um die Wissensintegration zu unterstützen,kann es ferner hilfreich sein, Konzepte zu identifizieren,die für die weitere Ausbildung kohärenten Wissens erfor-derlich sind. In dieser Studie zeigte sich z.B., dass einrecht großer Anteil an Schülerinnen und Schülern (etwa60%) noch in Klassenstufe 4 große Schwierigkeiten mitdem Verdrängungskonzept hat. Diese Kinder sollten auchdeutliche Schwierigkeiten haben, ein kohärentes Ver-ständnis von Schwimmen und Sinken zu entwickeln (s.auch die niedrige Konsistenz des Wissens in dieser Grup-pe), da das Verdrängungskonzept als wichtige Vorausset-zung u. a. für das Auftriebskonzept angesehen werdenkann (Möller et al., 2006). Es wäre daher anzunehmen, dassUnterstützung bei der Entwicklung adäquater Vorstellun-gen von Verdrängung für diese Kinder besonders hilfreichsein sollte, ein adäquateres und kohärenteres Wissen zumSchwimmen und Sinken zu entwickeln.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sollten wegender recht geringen Anzahl an Aufgaben, die den Analy-sen zugrunde liegen, in weiteren Studien abgesichert wer-den. Auch eine Erweiterung um längsschnittliche Datenwäre wünschenswert. Für die längsschnittliche Modellie-rung der Entwicklung naturwissenschaftlichen Wissensbei Grundschulkindern scheinen vor dem Hintergrund derErgebnisse dieser Studie Modelle, die die dimensionaleund die kategoriale Perspektive vereinen, vielverspre-chend zu sein (z.B. Muthén, 2008). Stärkere Umstrukturie-

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211Naturwissenschaftliches Wissen von Grundschulkindern

rungen des Wissens, Veränderungen in der Integrationdes Wissens oder auch Lernprozesse, die sich auf sehrspezifische Inhaltsbereiche beziehen, können in diesenModellen als Übergang von einer latenten Klasse in einelatente Klasse mit einem qualitativ anders beschaffenenWissen repräsentiert werden; eher kontinuierliche Aus-differenzierungen und Erweiterungen des Wissens, die zuUnterschieden im Wissensniveau führen, können über diedimensionale Komponente der Modelle dargestellt wer-den.

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Dr. Thilo Kleickmann

IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogikder Naturwissenschaften und Mathematikan der Universität KielOlshausenstraße 6224098 KielE-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Ilonca Hardy

Johann Wolfgang Goethe-UniversitätInstitut für Pädagogik der Elementar- und PrimarstufeSenckenberganlage 1560054 Frankfurt am Main

Dipl.-Psych. Judith PollmeierProf. Dr. Kornelia Möller

Westfälische Wilhelms-UniversitätSeminar für Didaktik des SachunterrichtsLeonardo-Campus 1148149 Münster