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www.landesarchiv.at des Monats Archivale [ 2015 ]

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des Monats

Archivale

[ 2015 ]

Monats

Redaktion: Ulrich Nachbaur

Vorarlberger LandesarchivKirchstraße 286900 BregenzÖsterreichwww.landesarchiv.at

Fotos: Nikolaus Walter; Martin Caldonazzi; unbekanntGestaltung: Martin Caldonazzi, www.caldonazzi.atDruck: Druckerei Thurnher, Rankweil

ISBN 978-3-902622-28-0ISSN 2070-3511 (Print), ISSN 2070-352X (Online)urn:nbn:at:0001-02293 (Persistent-Identifier-Dienst der Deutschen Nationalbibliothek, www.d-nb.de)

Vorarlberger Landesarchiv, Bregenz 2015

Kleine Schriften des Vorarlberger Landesarchivs 29

Archivaledes Monats [ 2015 ]

Kleinausstellungen des Vorarlberger Landesarchivs

Bregenz 2015

Seite 3

Inhalt Mit den besten WünschenAlois Niederstätter 5

Zügelloses WintervergnügenManfred Tschaikner 6

Und wo stehst du, Sklave der Sinneslust?Ulrich Nachbaur mit Anna Mödlagl 8

Nenzinger bedrohen Kloster Altenstadt Manfred Tschaikner 10

Doktordiplom der Universität Wien für Thomas Sander Alois Niederstätter 12

Die verdächtige Tabakpfeife Cornelia Albertani 14

Ein Mord in HohenemsMarkus Schmidgall 16

Beamten-AmenCornelia Albertani 18

Ein Leierkastenmann aus RiezlernAnnemarie Bösch-Niederer 20

Die Tatwaffe zum Verhör Markus Schmidgall 22

Bregenzerwälder Bauhandwerker im heutigen Burgenland Alois Niederstätter 24

„Leicht angetrunken eine Patrullfahrt angetreten“ Ulrich Nachbaur mit Anna Mödlagl 26

„Stille Nacht, heilige Nacht, Landsturmmann auf der Wacht“Annemarie Bösch-Niederer 28

Quellen und Literatur 30

Seite 5

Mit den besten Wünschen

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vorarlberger Landesarchivs freuen sich, Ihnen das Bändchen „Archivale des Monats (2015)“ als kleine Gabe zu den bevorstehenden Weihnachtsfeiertagen und zum Jahreswech-sel überreichen zu dürfen. Ulrich Nachbaur hat es dankenswerterweise zusammengestellt und redigiert.

Zwölf im Lesesaal ausgestellte, kommentierte sowie als Online-Version über die Homepage des Archivs (www.landesarchiv.at) zugängliche Archi-valien sollen zeigen, wie breit das Spektrum des vom „Gedächtnis des Landes“ verwahrten Materials ist, wie unterschiedlich die Themen sind, zu denen die Stücke Auskunft geben.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre! | Alois Niederstätter

Schloss Bludenz, bis 1806 Sitz des

Vogteiamts, im Winter 1920

Seite 7

Zügelloses WintervergnügenKundmachung des Vogteiamts Bludenz, 15. Januar 1806

Schnee und Eis boten Kindern und Jugendlichen immer schon willkom-mene Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Im Winter 1805/06 scheinen sie dabei in Bludenz das Schneeballwerfen so übertrieben zu haben, dass sogar das Vogteiamt dagegen einschritt. Laut Verordnung vom 15. Januar hatten die Erziehungsberechtigten fortan dafür zu sorgen, dass es zu kei-nen derartigen Behelligungen mehr kam. Ihnen wurde auch strengstens aufgetragen, das stundenlange Eislaufen und Herumtreiben der Burschen in den Gassen der Stadt zugunsten des Schulbesuchs und anderer nützlicher Beschäftigungen zu unterbinden. Die Kundmachung lautete:

Nachdem man hier widerholt vernohmen hat, daß die dasige Jugend mit den sogenanten Schneebalnwerfen auf öffentlichen Gassen, ja so gar vor den Gott geheiligten Orten sich so zügelloß betrage, daß sie durch diesen ausgelassenen Muthwille Einheimische und Durchreisende beleidige, da weiter mißliebig zu vernehmen gekomen ist, daß die jungen Pursche auf der Gassen und Plätzen usw. herumlaufen und auf dem Eis halbe Täge zu bringen: so wird den Aeltern und deren Stellvertrettern hiemit strengstens aufgetragen, die ihrer Aufsicht untergeordneten Kinder und Zöglinge von dieser ausgelassenen wilden Aufführung, die immer Mangl an der ver­nünftigen Erziehung verräth, ernstgemessen abzumahnen und abzustraf­fen, sie der allerhöchsten Vorschrift gemäß in die Schule zu schicken, un[t]er der Schulzeit aber auf andere Art nützlich zu beschäftigen. Sollten dieß­falls noch fernere Klagen entstehen, so werden sich die Aeltern solcher Kinder verantwortlich machen, und solche muthwillige Pursche wird man zur erszieglenden[!] Straffe zu ziehen wissen; man versieht sich aber von den Aeltern dießfalls, daß sie diesen bübischen Muthwille selbst abzustel­len werden im Stande seyn. | Manfred Tschaikner

Fürstbischof Bernhard Galura

Seite 9

Und wo stehst du, Sklave der Sinneslust?

Fasten-Patent für die Diözese Brixen im Jahre 1845

Fasten hat etwas Meditatives. Es sollte die Menschen frei machen, um sich besser auf Gott besinnen zu können. Vor Beginn der österlichen Bußzeit ließen die Bischöfe den Katholiken Fastenordnungen verkünden.

Vorarlberg gehörte von 1816/18 bis 1921 zur Diözese Brixen. Vom gelehr-ten Fürstbischof Bernhard Galura (1764 bis 1856) sind gedruckte Fasten-patente überliefert, die seine Priester während des Gottesdienstes zu verlesen hatten. 1845 erinnerte er in seinem Hirtenbrief drastisch und drama tisch an das Weltgericht. Nur jene, die bereits im Leben auf der rechten Seite stünden, würden auch am jüngsten Tag an der Rechten Gottes stehen. Jene aber, die zu Lebzeiten auf der Linken stünden, werde Jesus in das Feuer verweisen, das dem Satan und seinem Anhange bereitet ist – auch Bischöfe und Priester. Deshalb mahnte Galura, ein gottgefälli ges Leben zu führen und die Fastenzeit zur Gewissenserfor-schung zu nützen.

Während der 40-tägigen Fastenzeit durfte man sich nur an den Sonntagen zweimal satt essen, sonst hatte man sich im Genusse der Nahrung einen Abbruch zu thun. Das Abbruchfasten mit einmaliger Sättigung pro Tag galt zudem an weiteren Wochentagen in der Quatember- und der Adventszeit und an den Vorabenden bestimmter Hochfeste. Hinzu kam das Fleisch-fasten: Fleischspeisen waren in der Fastenzeit an Freitagen, Samstagen, Aschermittwoch, Quatembermittwoch und Gründonnerstag verboten. Auch die übrigen Freitage des Jahres waren Abstinenztage, für Geistliche und Ordensleute zudem die Samstage. Fastendispense waren in begrün-deten Fällen möglich. Eine Mäßigung im Alkoholgenuss wird wohl erst seit den 1950er Jahren empfohlen. Dagegen wurde das Abbruchfasten auf Ascher mittwoch und Karfreitag beschränkt. | Ulrich Nachbaur mit Anna Mödlagl

Kloster und Pfarrkirche

Altenstadt um 1676

Seite 11

Nenzinger bedrohen Kloster Altenstadt

Brief der Priorin Maria Johanna von Grenzing, Altenstadt 5. November 1744

Im Herbst 1744, als der Rankweiler Landsturm zur Verteidigung Vorarl-bergs gegen die vorrückenden Franzosen an die Bregenzer Klause zog, begannen erzürnte Männer die Häuser der in Sulz ansässigen Juden zu zer stören, was in der Folge – mit Unterstützung der Vorarlberger Land-stände – zu deren dauerhaften Vertreibung führte. Die in der Literatur erwähn ten Motive dafür reichen vom Antijudaismus über Vergeltung für die unzufriedenstellende Rolle der Juden bei der Landesverteidigung bis hin zur Habgier der Plünderer, so dass auch von einem „Raubzug von Sulz“ gesprochen wird.

Ein Brief der Priorin des Altenstädter Dominikanerinnenklosters, der an den Bludenzer Lehensherrn gerichtet ist, erscheint diesbezüglich auf-schluss reich. Sie berichtet darin nämlich, der Nenzinger Landsturm sei auf seinem Zug ins Unterland mit solchen Schmähungen und Gewalttätig-keiten gegen ihr Kloster vorgegangen, wie sie von den Feinden nicht ärger zu erwarten gewesen wären. Die Männer hätten materielle Forderungen an das Kloster gestellt und zu deren Durchsetzung sogar Tür und Pforte eingeschlagen sowie eiserne Bänder und Riegel ausgehebelt und zerbro-chen. Als die Schwestern dann Sturm geläutet hätten, seien die Nachbarn wegen der befürchteten Feuersbrunst in einen großen Schrecken geraten.

Da die Nenzinger eine weitere Heimsuchung des Klosters bei ihrer Rück-kehr aus dem Unterland angekündigt hatten, suchte die Priorin Schutz bei deren Obrigkeit und erklärte, dass sie die geforderten Mittel gerne ge-währen würde, wenn es dem zwar begüterten, aber nicht liquiden Kloster in den gegenwärtigen schweren Zeiten nur möglich wäre. Auf diese Weise blieben die Dominikanerinnen vor dem Wüten der Landesverteidiger wegen der ihres Erachtens ungerechten Verteilung der öffentlichen Lasten verschont. Es kam zu keinem vermeintlichen „Raubzug von Altenstadt“. Die Sulner Juden aber fanden trotz ihres jährlich bezahlten Schutzgelds keinen Schutzherrn mehr, der sie vor der Vertreibung bewahrt hätte. | Manfred Tschaikner

Seite 13

Doktordiplom der Universität Wien für Thomas Sander

Diplom mit Wappen, Wien 2. September 1666

Um es Kaiser Karl IV., seinem Schwiegervater, gleichzutun, der 1348 in Prag die erste Universität auf Reichsgebiet nördlich der Alpen gegründet hatte, fertigte Herzog Rudolf IV. von Österreich am 12. März 1365 – vor 650 Jahren – die Stiftungsurkunde für eine Hochschule in Wien aus. Die Zustimmung Papst Urbans V. erfolgte bald darauf. Die zunächst vorenthal-tene theologische Fakultät kam allerdings erst 1384 hinzu. Rasch erwarb die Wiener Universität einen guten Ruf und lockte Studenten aus einem sehr weiten Umkreis an. 1386 scheint mit Friedrich Sattler aus Feldkirch der erste Vorarlberger in ihrer Matrikel auf, viele weitere folgten. Mit dem Dornbirner Humanisten und Arzt Ulrich Fabri (um 1494 bis 1544) beginnt die lange Reihe der an der Alma Mater Rudolphina wirkenden Vorarlberger Professoren.

Das älteste im Landesarchiv erhaltene Wiener Doktordiplom stellte Melchior Hueber, der Dekan der philosophischen Fakultät, am 2. Septem ber 1666 für den aus St. Gallenkirch gebürtigen Thomas Sander aus. Die als Libell überaus aufwändig gestaltete Urkunde enthält auch Sanders Wap-pen (in goldenem Schild eine blaue geschweifte Spitze, darin ein gol dener Greif, eine silberne Sanduhr abstreckend, zu beiden Seiten der Spitze ein einwärts flatterndes Fähnlein an senkrechter Lanze). Wahrschein lich ist er mit dem gleichnamigen Pfarrer von Gaschurn (1668 bis 1686) bzw. Schlins (1687 bis 1695) identisch. | Alois Niederstätter

Beweismittel

Seite 15

Die verdächtige Tabakpfeife Protokoll Landgericht Montafon, Schruns 4. August 1835

Johann Anton Klehenz (1783 bis 1845), Pfarrer von St. Gallenkirch, beschäf tigt das Landgericht Montafon häufig. Am 4. August 1835 zeigt er an, dass ihm in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli aus einem Zuber beim Brunnen vor dem Pfarrwidum Tücher gestohlen worden seien. Neben dem Waschzuber, heißt es im Protokoll, sey eine Tabakpfeife gelegen, die ohne Zweifel der Dieb dortselbst fallen lassen habe. Diese hölzerne nach Form eines kurzen Schwanenhalses geschnittene, schon sehr abgenutzte mit Messing beschlagene, und mit einem kurzen beinernen Rohre versehene Tabak pfeife übergebe der Herr Pfarrer dem Gerichte, könne aber den Eigen thümer nicht angeben, obwohl er dießfalls unter der Hand schon widerholt Erkundi gung einzuziehen bemüht gewesen sey.

Doch die Weißnäherin Maria Christina Bargehr, die für sich und ihre Tochter aus weißem Tuch Hemdärmel genäht habe, könne etwas mit dem Dieb-stahl zu tun haben. Sie pflege nämlich mit dem in üblem Rufe stehenden Christian Steu vulgo Nagler Umgang. Der sei Tabakraucher und gebe zu, eine ihm geliehene Tabakpfeife verloren zu haben. Zudem habe Chri-stina Lechthaler Pfarrer Klehenz vertraulich mitgeteilt, dass Steu mit 48 Kreuzern in der Tasche und einem Paket nach Bludenz gegangen sei. Steu habe erzählt, daß er blaue und rothe Kölsche Anzüge habe. Das habe die Lech thalerin ihm nicht geglaubt, und falls es wahr wäre, meine sie, er könnte das Tuch zu Geld gemacht und genannte Stoffe leicht aus dem Erlös gekauft haben. Eine Durchsuchung der Kammer Christian Steus in St. Gallen kirch bleibt jedoch erfolglos.

Das Landgericht ersucht die k. k. Polizeidirektion für Tirol und Vorarlberg in Innsbruck, zur Ausforschung des Täters einen gedruckten Steckbrief anzufertigen. Seine Pfeife liegt heute noch beim umfangreichen Akt. | Cornelia Albertani

Beweismittel

Anatomía del corazón,

Enrique Simonet 1890

Seite 17

Ein Mord in HohenemsLeichenschauprotokoll, Hohenems 23. Februar 1719

Ein Sprichwort besagt, dass es „das perfekte Verbrechen nicht gibt“. Nicht selten bleiben aber auch grausamste Straftaten über Jahre hinweg ungesühnt. Um die Täter dennoch ausfindig machen zu können, helfen den Justizbehörden auch Ärzte bei der Tätersuche. Im Falle eines nicht natürlichen Todes ist beispielsweise eine Leichenschau notwendig.

Am 21. Februar 1719 wurde der einfache Soldat Christian Dietsch bei der Herrschaftsmühle auf der Festung Hohenems tot aufgefunden. Die Um-stände des Todes blieben zunächst unklar und auch von dem Täter fehlte jede Spur. Das erhaltene Gutachten über eine Leichenschau (visum reper­tum) wurde vom Hohenemser Wundarzt und Chirurgen Franz Karl Strei-cher in Anwesenheit des Landammanns Michael Linder, des Stabhalters Johann Georg Waibel und des Fähnrichs Benedict Wiest angefertigt. In die-sem Gutachten beschrieb Streicher zunächst den äußerlichen Zustand der vorgefundenen Leiche mit einer markanten Stichwunde im Brustbereich. Da diese Verletzung offensichtlich zum Tod von Christian Dietsch führte, zeichnete Streicher detailliert die Folgen des Stichs für den Brustkorb, das Brustfell (pleura) und die in Mitleidenschaft gezogenen Rippen nach.

Das grausame Verbrechen erregte auch damals die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit rund um Hohenems und löste eine intensive Suche nach dem Täter und seinen Motiven aus. Eine Akte aus dem Archiv der Reichs-grafschaft Hohenems gibt der Nachwelt einen Eindruck von diesem Verbre chen und der Suche nach Hinweisen auf den Mörder. So finden sich neben dem Gutachten auch Vermögensaufstellungen, Rechnungen oder Verhör protokolle von Verdächtigen in diesem Konvolut.| Markus Schmidgall

Ernst Winsauer

Seite 19

Beamten-AmenAnalysebuch der Chemischen Versuchsanstalt 1954–1955

In einem Analysebuch der Chemischen Versuchsanstalt des Landes Vorarlberg findet sich neben Probeergebnissen für Rupp-Käse folgende Eintragung: Amen!Möge es so kommen, daß ich vor Gott für meine beruflichen Arbeiten die Rechenschaft bestehe. Gedient habe ich 41 ¾ Jahre, vom 1.X.1913 – 30.VII.1955.Bregenz am 20. Juni 1955E WinsauerDirektor Dipl.-Ing. Ernst Winsauer (1890 bis 1962) blickte auf bewegte Zeiten als Landesbeamter und Politiker zurück. 1913 begann er seine Berufslaufbahn als Praktikant der Landwirtschaftlichen chemischen Versuchsanstalt in Bregenz. 1917 bis 1918 vertrat er den Direktor, arbeitete dann wieder als Assistent. 1918 wurde der Christlichsoziale zum Vizepräsidenten des Landeskulturrats gewählt, der 1925 in die Bauernkammer umgewandelt wurde. Nun wurde Winsauer für die Bauernkammer dienstfreigestellt, 1929 gleichzeitig mit der Leitung der Chemischen Versuchsanstalt betraut und in den Nationalrat gewählt.

1934, beim Übergang zum autoritären Regime, wurde Winsauer zum Lan-deshauptmann bestellt. Er vertrat Vorarlberg zudem in der Länderkammer und blieb Direktor der Versuchsanstalt, bis er 1938 allen Posten enthoben und zwangspensioniert wurde. Während der NS-Zeit arbeitete Winsauer in der Privatwirtschaft. Nach der Befreiung 1945 betraute ihn der Landes-ausschuss wieder mit der Leitung der Versuchsanstalt. Von September bis Dezember 1945 gehörte er als Unterstaatsekretär der Provisorischen Staatsregierung an, 1945 bis 1946 dem Bundesrat. | Cornelia Albertani

Berufskollege in den USA 1892

Seite 21

Ein Leierkastenmann aus RiezlernAnsuchen Engelbert Willam, Riezlern 25. Februar 1869

Kriegsinvaliden war es seit Maria Theresia möglich, anstatt einer Rente mit einer Drehorgel das Auskommen zu sichern. Bettelei war nicht erlaubt, daher auch ein Auftreten von Drehorgelspielern strengen Regelungen unterworfen. Die Produktionsbewilligung für Vorarlberg oblag der Statthal-terei in Innsbruck.

Im Februar 1869 suchte der vermögenslose Johann Engelbert Willam (1826 bis 1908) aus Riezlern, kurz nach dem Tod seiner ersten Gattin, im Wege der Bezirkshauptmannschaft Bregenz um die Bewilligung an, mit einer Spielorgel in den österreichischen Staaten, Königreich Ungarn, Baiern, Würtemberg, Baden, in Frankreich und der Schweiz unter Begleitung eines Führers sich Produzieren zu dürfen.

Er sei ohne Beruf und mit einer ganz struppierten [= lahmen] Hand zur Bauersarbeit unfähig. Deshalb sah er sich gezwungen, zur Versorgung sei-ner fünf minderjährigen Kinder diese zuweilen recht lukrative Verdienst-möglichkeit anzustreben.

Neben einem ärztlichen Zeugnis legte Willam ein Leumundszeugnis des Mittelberger Gemeindevorsteher Gedeon Fritz bei, das uns auch eine ge-naue Personenbeschreibung Willams gibt: großer Statur, blonden Haaren, blauen Augen, länglichten Gesichte, gewöhnlichen Mund und Nase und struppierter linken Hand, werde das Zeugnis erteilt, daß derselbe immer treu und redlich war, er war gegen Jedermann freundlich und aufrichtig, in seinem Benehmen solid, nüchtern und in jeder Beziehung von guter Moralität, er verdient daher einen guten Leumund.

Die Statthalterei erteilte im März die Produktionsbewilligung. | Annemarie Bösch­Niederer

Corpus Delicti

Seite 23

Die Tatwaffe zum VerhörVerhörprotokoll, Hohenems 26. Juli 1789

Um Verbrechen aufklären zu können, müssen die Strafverfolgungsbehör-den heute wie zu früheren Zeiten dem vermeintlichen Täter das Verbre-chen nachweisen. Zu diesem Zweck sind Beweismittel von der unmittel-baren Tat bzw. vom Tatort unabdingbar. Konnte ein solcher Gegenstand, mit dem ein Verbrechen begangen wurde, gesichert werden, so spricht man von einem „Corpus Delicti“. Dieser Tatgegenstand dient dann bei Verhören oder auch vor Gericht als Beweisstück. Ein Corpus Delicti fand in Hohenems Einzug in einen Akt.

Am 25. Juli 1789 wurde im Rheindorf im Reichshof Lustenau ein gewisser Karl Benedikt Riedmann erstochen aufgefunden. Am Tatort fand sich neben einem Besteckset (Messer und Gabel) des Erstochenen ein Mes-ser, welches offenbar auf den Täter hinwies. Im Gegensatz zu anderen Verbre chen in jener Zeit konnte die Verfolgung des Täters aufgrund des Tat waffen fundes sehr schnell voranschreiten. Bereits am folgenden Tag, dem 26. Juli 1789, wurden Verhör protokolle in der „Inquisitionssache des Johann Hemmerle, Sohn des Johann Hemmerle“ angelegt. Doch offenbar blieb es nicht nur bei einer Tötung. In den folgenden Protokollen, die sich insge samt über ein ganzes Jahr bis in den August 1790 hinzogen, wurde der Tatver dächtige zusätzlich auch zu einer gefährlichen Körperverletzung an Johann Baptist Hemmerle einvernommen.

Das Aktenkonvolut aus dem Bestand der Reichsgrafschaft Hohenems gibt mit seinen Protokollen einen Eindruck von den damaligen Verhörpraktiken bei schweren Straftaten. Neben den Befragungen haben die Verhörenden auch das am Tatort gefundene Beweisstück dem Tatverdächtigen eindeutig zugeordnet und ihm offenkundig in den Verhören vorgelegt. Somit kamen die Behörden der Verbrechensaufklärung ein Stück näher. | Markus Schmidgall

Seite 25

Bregenzerwälder Bauhandwerker im heutigen Burgenland

Gesellenbrief, St. Margarethen 21. Juni 1696

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse und des Bevölke-rungsdrucks spielte Arbeitsmigration in der Vorarlberger Landesgeschich-te jahrhundertelang eine große Rolle. Vor allem Bauhandwerker zogen als Saisonarbeiter in die Fremde. Beliebte Ziele waren der schwäbische Raum, die Schweiz und das östliche Frankreich. Für Handwerksgesellen galt überhaupt der „Wanderzwang“, die bindende Vorschrift, dass jeder Geselle, um zur Meisterprüfung zugelassen zu werden, einige Wanderjah-re nachweisen musste. Auch Lehrlinge erhielten ihre Ausbildung oft nicht im Heimatort.

Eine ungewöhnlich lange Wanderung zu seinem Lehrherrn hatte Jodok Franz aus Andelsbuch hinter sich. Am 21. Juni 1696 bestätigte ihm die Stein metz- und Maurerzunft des damals noch in Ungarn gelegenen Marktes St. Margarethen „an der Wulka“, dass er seine dreijährige Lehr zeit bei Meister Johannes Stängl in Donnerskirchen „am Ungarischen See“ (Neusied lersee) in der Herrschaft Eisenstadt zur vollen Zufriedenheit absol viert habe und nun ledig gesprochen worden sei. Wer ihm die Stelle ver mittelt hatte, lässt die Urkunde gleichfalls erkennen: Als „Nebenbürgen“ nennt sie den in St. Margarethen ansässigen Maurermeister Kaspar Feurstein, dessen Name ihn als Bregenzerwälder Landsmann ausweist. Der aus dem Andelsbucher Ortsteil Hof gebürtige Jodok Franz war zum Zeitpunkt seiner Ledigsprechung bereits 34 Jahre alt. | Alois Niederstätter

Kasernschiff „Habsburg“

Seite 27

„Leicht angetrunken eine Patrullfahrt angetreten“

Strafprotokollauszug Österreichisch-Deutsche Bodenseeflottille, Gruppe Bregenz, 1915–1917

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde 1914 auch auf dem Bo-densee der Grenzschutz verstärkt. Das Deutsche Reich und Österreich-Un-garn waren verbündet. Ihr Seegrenzschutz ergänzte die Wachen an Land und sollte verhindern, dass aus der neutralen Schweiz auf dem Seeweg alliierte Spione und Saboteure eindringen und Kriegsgefangene und Desserteure in die Schweiz flüchten können; er sollte den Nachrichtenaus-tausch unterbinden und zur Abwehr von Luftangriffen auf die Zeppelin-, Flugzeug- und Motorenwerke in Friedrichshafen beitragen. Der Schweizer Seegrenzschutz hatte vor allem den Ausfuhrschmuggel zu bekämpfen. Auf beide Seiten viel Verwirrung und mäßiger Erfolg.

Nur mühsam gelang es, die Stellen in Baden, Württemberg und Bayern sowie Österreich zu koordinieren. Im März 1915 bündelten sie den Schutz des Obersees in Form einer „Österreichisch-Deutschen Bodenseeflottille“ mit Kommando in Friedrichshafen.

Die „Gruppe Bregenz“ verfügte nur über drei, später drei große und drei kleine, mangelhaft ausgerüstete Motorboote. Ihr Einsatzgebiet beschränk-te sich daher auf die Bregenzer und die Fußacher Bucht. Der Dienst war eintönig. Im Herbst 1918 standen 24 Soldaten auf der Lohnliste des Kommandanten Major Peter Freiherr von Pirquet, zu einem guten Teil heimische Fischer. 12 Mann finden wir in einem Strafprotokollauszug. Zusammengerechnet fassten sie von September 1915 bis Jänner 1917 24 Strafen aus. Die 254 Tage Bordarrest und 26 Tage verschärften Arrest, die sie ausfassten, brummten sie auf dem Raddampfer „Habsburg“ ab, der ihnen am Gütermolo verankert als „Kasernschiff“ diente. Meist wurden Wachvergehen geahndet, einschließlich Fuchsjagd und Wirtshausbesuch. Zwei wurden bestraft, weil Passanten daran Anstoß nahmen, dass sie während des Gottesdiensts wegen der schwülen Luft vor die Kirche traten und an der Tür lümmelten. Weit vom Schuss gibt alte Krieger. | Ulrich Nachbaur mit Anna Mödlagl

Bajonettangriff

einer Landsturmeinheit

in Galizien 1914

Seite 29

„Stille Nacht, heilige Nacht, Landsturmmann auf der Wacht“

Liedaufzeichnung aus Nüziders, 1972

„Stille Nacht, heilige Nacht“ – ein Lied, das heute weltweit in vielen Sprachen verbreitet und untrennbar mit dem Weihnachtsfest verbunden ist. Seine Erfolgsgeschichte beginnt mit den Geschwistern Rainer aus dem Zillertal, die es 1822 erstmals vor kaiserlichen Hoheiten in Schloss Fügen gesungen haben, Lieddrucke verhalfen seit 1833 zu einer Popularität weit über den deutschen Sprachraum hinaus.

In Vorarlberg schlich sich dieses Weihnachtslied vorerst nur leise in den Liederschatz ein, verbreitet durch Gitarre- und Zitherlehrer, die auf gedruckte Versionen zurückgreifen konnten. Erst mit der Aufnahme von „Stille Nacht“ in die „Liedersammlung für Schule und Haus“ des Lehrers Josef Wirthensohn, die seit 1895 in mehreren Auflagen erschienen ist, beginnt auch hier der Durchbruch.

Volkslieder leben von Variantenbildung, wovon zahlreiche Liedbelege in der Musiksammlung des Vorarlberger Landesarchivs zeugen. Zuweilen wurden Melodien vor dem Hintergrund besonderer Ereignisse mit neuen, aktuellen Texten versehen.

Bei einer Liedsammlung in Nüziders 1972 entdeckten Forscher eine Fassung von „Stille Nacht“, deren Text weit von der sonst besungenen weihnachtlichen Idylle entfernt ist. Ihr Dichter ist anonym. Der Inhalt weist deutlich auf eine Entstehungszeit während des Ersten Weltkriegs. Fernab von der Familie, im Schneesturm, mitten in Gefechten hegt der Dichter die Hoffnung auf baldigen Frieden. War es ein Vorarlberger Landsturmmann, der seine erste Weihnacht an der Front verbringen musste? Leider finden sich in den Aufzeichnungen keine weiteren Hinweise zu den Gewährsper-sonen oder der Herkunft des Liedes. | Annemarie Bösch­Niederer

Jänner: Zügelloses Wintervergnügen

Quelle: Kundmachung des Vogteiamts Bludenz, 15. Januar 1806 (VLA: Vogteiamt Bludenz 163/1806/22).

Mai: Die verdächtige Tabakpfeife

Quelle: Protokoll Landgericht Montafon, Schruns 4. August 1835 (VLA: Landgericht Montafon Nr. 1984 [Polizei II-88/1835]).

September: Die Tatwaffe zum Verhör

Quelle: Verhörprotokoll, Hohenems 26. Juli 1789 (VLA: Reichsgrafschaft Hohenems, HoA 080-11).

Literatur: Markus SCHMIDGALL, Ein Mord in alten Tagen. Das Corpus Delicti in den Akten. In: Thema Vorarlberg (2015) 13.

Februar: Und wo stehst du, Sklave der Sinneslust?

Quelle: Fasten-Patent für die Diözese Brixen im Jahre 1845 (VLA: Pfarrarchiv Bregenz Nr. 86 Fastenpatent 1845).

Juni: Ein Mord in Hohenems

Quelle: Leichenschauprotokoll, Hohenems 23. Februar 1719 (VLA: Reichsgrafschaft Hohenems, HoA 079-02).

Oktober: Bregenzerwälder Bauhandwerker im heutigen Burgenland

Quelle: Gesellenbrief, St. Margarethen 21. Juni 1696 (VLA: Nachlass Josef Lipburger: Urkunde Nr. 7554).

Literatur: Alois NIEDERSTÄTTER, Arbeit in der Fremde. Bemerkungen zur Vorarlberger Arbeitsmigration vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert. In: Montfort 48 (1996), S. 105–117.

Quellen und Literatur

Seite 31

März: Nenzinger bedrohen Kloster Altenstadt

Quelle: Brief der Priorin Maria Johanna von Grenzing, Altenstadt 5. November 1744 (VLA: Vogteiamt Bludenz 161/3512).

Juli: Beamten-Amen

Quelle: Analysebuch der Chemischen Versuchsanstalt 1954–1955 (VLA: Institut für Umwelt und Lebensmittelsicherheit, Hs 82, fol 50r).

November: „Leicht angetrunken eine Patrullfahrt angetreten“

Quelle: Strafprotokollauszug Österreichisch-Deutsche Bodenseeflottille, Gruppe Bregenz, 1915–1917 (VLA: Vorarlberger Landesarchiv-Landesevidenzstelle ET Hs 1).

Literatur: Friedrich FACIUS, Die Österreichisch-Deut-sche Bodenseeflottille 1915–1918. Seegrenzschutz und Hoheitsfrage auf dem Bodensee im Ersten Weltkrieg. In: Zeitschrift für Württembergische Landes-geschichte 26 (1967), (Festgabe für Walter Grube zur Vollendung des 60. Lebensjahres), S. 432–458; Jürg MEISTER, Kriege auf Schweizer Seen. Zug/Stuttgart 1986, S. 248-267. Quellenhinweis: Zur Sachdemo-bilisierung der Bodenseeflotille, Gruppe Bregenz (strittige Veräußerung der Motorboote) vgl. VLA: Amt des Vorarlberger Landesrates EA 22/05.

April: Doktordiplom der Universität Wien für Thomas Sander

Quelle: Diplom mit Wappen, Wien 2. September 1666 (VLA: Nachlass Josef Lipburger, Urkunde Nr. 7773).

Literatur: Alois NIEDERSTÄTTER, „Studentica“ im Vorarlberger Lan desarchiv. In: Alemannia Studens. Mitteilungen des Vereins für Vorarlberger Bildungs- und Studentengeschichte 1 (1991), S. 73–81.

August: Ein Leierkastenmann aus Riezlern

Quellen: Ansuchen Engelbert Willam, Riezlern 25. Februar 1869 (VLA: Bezirkshauptmannschaft Bregenz G-60/1869).

Dezember: „Stille Nacht, heilige Nacht, Landsturmmann auf der Wacht“

Quelle: Liedaufzeichnung aus Nüziders, 1972 (VLA: Musiksammlung Mappe 85/3 Nüziders Nr. 26).