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1 Wie trifft man eine gute Entscheidung?

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Wie trifft man eine gute Entscheidung?

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Wie trifft der homo economicus eine rationale Entscheidung?

Definieren von Zielen und Unterzielen

Evaluation der Wichtigkeit dieser verschiedenen Ziele

Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Alternativen zum Erreichen dieser Ziele führen

Für jedes Ziel: Multiplikation der Wichtigkeit des Ziels mit der Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung bei Wahl einer bestimmten Alternative

Für jedes Ziel: Addition dieser multiplikativen Terme zur Errechnung des zu erwartenden Nutzens der verschiedenen Alternativen

Auswahl der Alternative mit dem höchsten Erwartungswert

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Wie trifft der homo economicus Entscheidungen?

Implizite Prämissen dieser Perspektive Es gibt einen objektiv begrenzten Raum möglicher Alternativen Der Nutzen verschiedener Verhaltenskonsequenzen ist objektiv

bestimmbar Die Eintretenswahrscheinlichkeiten sind bekannt oder sind aufgrund

objektiver Informationen zu berechnen bzw. zu schätzen

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Homo oeconomicus versus homo sapiens

Homo oeconomicus

Unbegrenzter Arbeitsspeicher

Unendlich hohe Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung

Kriterium: Maximierung

Prozedur: Verwendung elaborierter mathematischer Entscheidungsregeln

Homo sapiens

Begrenzter Arbeitsspeicher

Informationsverarbeitung kostet Zeit

Kriterium: Effizienz

Prozedur: Verwendung zeitsparender und effizienter Heuristiken (Daumenregeln)

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Simultane versus sequentielle Entscheidungen

Simultane Entscheidungen

Gleichzeitige Bewertung und Auswahl verschiedener Alternativen

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Simultane versus sequentielle Entscheidungen

Sequentielle Entscheidungen

Sequentielle Bewertung von Alternativen

Einmal zurückgewiesene Alternativen unter Umständen nicht länger verfügbar

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Simultane versus sequentielle Entscheidungen

Beispiele für simultane Entscheidungen:

Kauf eines Neuwagens

Bewerbung bei verschiedenen Unternehmen

Partnerbörsen im Internet

Beispiele für sequentielle Entscheidungen

Kauf eines Gebrauchtwagen

Entscheidung für ein konkretes Stellenangebot

Heiraten einer bestimmten Frau / eines bestimmten Mannes

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Das Konzept des Satisficing von Herbert Simon

Erster Schritt: Setzen eines Standards durch Bewertung einer vorab festgelegten Anzahl an Alternativen

Beispiele

Anzahl an Wohnungen

Anzahl potentieller Ehepartner

Zweiter Schritt: Evaluation weiterer Alternativen bis eine Alternative besser ist als die beste Alternative aus der Evaluationsphase

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Was ist eigentlich “Nutzen”?

Normative Entscheidungstheorie: Menschen entscheiden sich für die Alternative mit dem höchsten erwarteten Nutzen Das Konzept des erwarteten Nutzens wird in der normativen

Entscheidungstheorie eher abstrakt definiert

Tatsächlich sind Menschen nicht darum bestrebt, einen abstrakten, antizipierten Nutzen zu maximieren, sondern positive Emotionen zu erreichen

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Was ist eigentlich “Nutzen”?

Das bedeutet: Niemand tut etwas des Geldes wegen, sondern wegen der damit verbundenen Konsequenzen Status

Macht

(Sexuelle) Attraktivität

Die Wahrnehmung dieser Konsequenzen vermittelt uns positive Emotionen

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Was ist eigentlich “Nutzen”?

In unserem Erleben haben objektive Konsequenzen unseres Verhaltens lediglich die Funktion, zu bestimmten Emotionen zu führen Das Lustprinzip bei Sigmund Freud

Auf einer ultimaten Ebene haben Emotionen lediglich die Funktion, uns zum Erreichen bestimmter Verhaltenskon-sequenzen zu motivieren

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Was ist eigentlich “Nutzen”?

Drei Arten von “Nutzen” Antizipierter Nutzen Erfahrener Nutzen Erinnerter Nutzen

Gemäß der normativen Entscheidungstheorie sollten alle drei Nutzenarten miteinander korrespondieren

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Was ist eigentlich “Nutzen”?

Die Vorhersage zukünftiger erlebter Emotionen ist jedoch ausgesprochen schwierig!

Beispiel Jobangebot Alternative 1: Hohes Gehalt, gute Karrierechancen, wenig

Freizeit, unattraktive Stadt (“Gütersloh”) Alternative 2: Mittleres Gehalt, wenig Karrierechancen, viel

Freizeit, attraktive Stadt (“Starnberg”)

Vorhersageziel: Bei welcher von beiden Alternativen werden Sie glücklicher?

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Mögliche Divergenzen zwischen antizipiertem und erfahrenem Nutzen

Biases in der wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit zukünftiger Ereignisse Nutzen simpler Urteilsheuristiken (die uns systematisch in die Irre

führen können) Beispiel: “Wie wird das Wetter in diesem Sommer?”

Motivational bedingte Verzerrungen

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Mögliche Divergenzen zwischen antizipiertem und erfahrenem Nutzen

Verzerrungen in der Vorhersage der subjektiven Bewertung zukünftiger Ereignisse

Beispiele Diversifikations-Bias: Menschen überschätzen ihr Bedürfnis nach

Abwechslung

Duration Bias: Menschen überschätzen den Einfluss spezifischer positiver und negativer Ereignisse auf ihre Lebenszufriedenheit

Ein solcher Bias ist aus evolutionärer Perspektive höchst adaptiv!

Menschen haben Probleme, zwischen durchschnittlichem und marginalem Nutzen einer Alternative zu unterscheiden

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Mögliche Abweichungen zwischen tatsächlich erfahrenem und erinnertem Nutzen

Bei der Bewertung zukünftiger Ereignisse orientieren sich Menschen an der Bewertung vergangener Ereignisse Beispiel: “Fahre ich dieses Jahr wieder nach Spanien?”

Die integrierte Bewertung vergangener Ereignisse ist kognitiv jedoch ausgesprochen aufwändig

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Die “Peak End Rule”

Eine simple Heuristik zur Lösung dieser Aufgabe: Die “Peak End Rule” (Kahneman): Wie war der schönste (schlimmste) Moment? Wie war der letzte Moment? Die Gesamtbewertung eines Ereignisses entspricht dem Mittelwert

dieser beiden Werte

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Die “Peak End Rule”

Eigenschaft dieser Heuristik

Einfach anzuwenden

Wenig Aufwand bei der Informationsverarbeitung

In den meisten Fällen führt die Anwendung dieser Heuristik zu effizienten Lösungen

In spezifischen Fällen jedoch führt die Anwendung dieser Heuristik zu verzerrten Bewertungen Beispiel: Magenspiegelungen

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Die „Peak End Rule“

Gefühls-stärke

ZeitSchlimmster

MomentEnde 1 Ende 2

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Die Prospekttheorie – oder: Wie erhält man als Psychologe den Nobelpreis für Ökonomie?

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Prospekt Theorie

Thema der Prospekt-Theoie

Wie bewerten Menschen zukünftige erwartete Ereignisse in Abhängigkeit von Ihrer Valenz

Ihrer Wahrscheinlichkeit

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Prospekt Theorie

Ereignisse werden in Abhängigkeit von einem Referenzwert entweder als Gewinne oder Verluste erlebt

Konkave Funktion bei Gewinnen

Konvexe Funktion bei Verlusten

Bewertungsfunktion bei Verlusten steiler als bei Gewinnen

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Die Wertfunktion der Prospekt Theorie

GewinnVerlust

SubjektiverWert

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Die Asymmetrie in der Bewertung von Gewinnen und Verlusten

GewinnVerlust

SubjektiverWert

x

- x

Ein Gewinn der Höhe x wird weniger positiv bewertet als ein Verlust der Höhe x negativ bewertet wird.

V(x) < - V(-x)

„Losses loom larger than gains“

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Der Endowment Effekt

Menschen verlangen mehr beim Verkauf eines bestimmten Gutes als sie bereit sind für dieses Gut zu bezahlen Van Boven et al. (2001)

Carmon & Ariely (2000)

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Konsequenzen des abnehmenden Grenznutzens bei Gewinnen

GewinnVerlust

SubjektiverWert

x 2x

Zwei getrennte Gewinne von x werden zusammen positiver bewertet als ein Gewinn von 2x

V(x) + V(x) > V(2x)

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Konsequenzen der Konvexität der Bewertungsfunktion im Verlustbereich

GewinnVerlust

SubjektiverWert

- x- 2x

Zwei getrennte Verluste von -x werden zusammen negativer bewertet als ein Verlust von -2x

V(-x) + V(-x) < V(-2x)

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Eine Anwendung der Prospekt-Theorie:Zur Wirkung von Rabatten und Paketpreisen

Ein Produkt erscheint günstiger, wenn seine Komponenten zu einem Paketpreis angeboten werden.

Ein Produkt erscheint günstiger, wenn Rabatte in Form von Einzelrabatten und nicht als Paket angeboten werden.

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Kritische Anmerkungen zur Prospekt-Theorie

Theorie im wesentlichen nur anwendbar auf Entscheidungen unter Risiko

Theorie weitgehend deskriptiv Warum haben Verluste ein höheres Gewicht als

Gewinne?

Warum gibt es den Endowment-Effekt?

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Kognitive Heuristiken, oder: warum Daumenregeln so praktisch und gefährlich sind

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Urteilsheuristiken

Was sind Urteilsheuristiken?

Einfache Regeln zur Schätzung von Wahrscheinlichkeiten und zur Bewertung bestimmter Ereignisse (Daumenregeln)

Beispiel: Die peak end rule

Heuristiken sind schnell und einfach („fast and frugal“)

Heuristiken stellen nur geringe Anforderungen an die Informationsverarbeitungskapazität

Beispiel: Wie wird morgen das Wetter?

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Die Verfügbarkeitsheuristik

Wenn Menschen die relative Häufigkeit von Ereignissen schäten sollen orientieren sie sich an der Leichtigkeit, mit der sie sich an diese Beispiele erinnern Beispiel: Wie viele Menschen sterben durch Unfälle und wie

viele Menschen sterben durch Krankheiten? Tatsächliches Verhältnis: 1 / 16 Geschätztes Verhältnis: 1 / 1

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Die Ankerheuristik

Klassische Ankerexperimente (Kahneman & Tversky, 1974) Wie gross ist der Prozentsatz afrikanischer Staaten in

der UNO?

Anker 10: Schätzung 25 %

Anker 65: Schätzung 65 %

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Die Ankerheuristik

Anwendung auf den Finanzbereich (Stephan, 1993; Traud, 2000) Frage: Zukünftiger Kurs des Dollar

Anker 1: Über oder unter 1.30 Dollar; 1.16

Anker 2: Über oder unter 0.70 Dollar; 0.94

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Zur (Psycho)logik von Anchoring and Adjustment

Das “selective accessibility model” (Strack & Mussweiler, 1997) Durch den Anker stimuliert wird zunächst nach Informationen darüber

gesucht, ob ein vorgegebener Anker plausibel ist.

Bei der Testung von Hypothesen neigen Menschen dazu, bevorzugt nach solchen Informationen zu suchen, welche die Hypothese bestätigen.

Dadurch sind vor allem solche Informationen salient, die den Anker als plausible Annäherung an einen wahren Wert erscheinen lassen.

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Anchoring and Adjustment bei Gerichtsverhandlungen

Gerichtsverhandlungen (Englich & Mussweiler, 2001) Vpn: Erfahrene Richter, die über ein angemessenes Strafmass bei einer

Vergewaltigung entscheiden sollten

Anker: Strafmassentscheidungen von Jura-Studenten (12 versus 34 Monate Gefängnis)

Entscheidungen der Berufsrichter: 28 Monate versus 35 Monate Gefängnis

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Anchoring and Adjustment bei Gerichtsverhandlungen

„Das letzte Wort hat die Verteidigung“ Welches Plädoyer hat mehr Gewicht?

Laienpsychologische Annahme: Es gibt einen Recency-Effekt

Aber: Das Plädoyer des Staatsanwalts wirkt als Anker für alle nachfolgenden Informationen

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Vom Nutzen und Schaden kognitiver Heuristiken

Kognitive Heuristiken haben ähnliche Eigenschaften wie die Strategie des Satisficing

Sie sind sehr effizient und sparen kognitive Energie

Unter bestimmten Voraussetzungen führen sie zu suboptimalen und falschen Entscheidungen

Die Debatte zwischen Kahneman & Tversky versus Gigerenzer

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Zur Psychologie der Intuition

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Die Psychologie der Intuition

Zum Verhältnis von Intuition und Rationalität

Erste Perspektive: Es lebe die Rationalität! Intuition bzw. das Unbewusste sind primitiv, archaisch, irrational

und fehleranfällig Unser Bewusstsein hingegen ist vernunftbegabt und lernfähig Diese Sichtweise dominiert (zumindest implizit) die präskriptive

Entscheidungstheorie sowie die Wirtschaftswissenschaften allgemein.

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Die Psychologie der Intuition

Zum Verhältnis von Intuition und Rationalität

Zweite Perspektive: Es lebe die Intuition! Das Beharren auf Rationalität ist ein Produkt unserer westlichen,

patriarchalischen Gesellschaft! Menschen sollten ihrer Intuition vertrauen, wenn sie wichtige

Entscheidungen treffen!

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Die Psychologie der Intuition

Was ist überhaupt Intuition?

Intuition ist eine Form der Kommunikation zwischen unserem Unbewussten und unserem Bewusstsein

Was ist „Das Unbewusste“?

Timothy Wilson: „Mental processes that are inaccessible to consciousness, but that influence judgments, feelings, or behavior“ (2002; Seite 23)

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Die Psychologie der Intuition

Intuition kann hierbei zwei verschiedene Formen annehmen:

Der „Geistesblitz“, dessen Validität einer empirischen (rationalen) Überprüfung durchaus offen steht

Das „Bauchgefühl“, das uns ein Gefühl vermittelt, welches wir rational nicht begründen können

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Sollten wir unserer Intuition vertrauen?

Peter fährt von Köln nach Düsseldorf. Die Entfernung beträgt insgesamt 30km. Auf dem Hinweg erreicht er hierbei eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60km/h. Auf dem Rückweg gerät er in einen Stau, so dass seine Durchschnittsgeschwindigkeit lediglich 30km/h beträgt.

Wie hoch ist die Durchschnittsgeschwindigkeit von Peter insgesamt?

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Sollten wir unserer Intuition vertrauen?

In einer Urne seien 1.000 Kugeln, von denen 600 Kugeln weiß und 400 Kugeln rot sind. Insgesamt werden einzeln und nacheinander10 Kugeln aus der Urne gezogen. Sie sollen jeweils raten, welche Farbe die Kugel haben wird.

Wie oft sollten Sie darauf tippen, dass die Kugel rot ist?

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Sollten wir unserer Intuition vertrauen

Die obigen Beispiele zeigen: Unsere Intuition kann uns systematisch in die Irre führen

Schlussfolgerung: Je wichtiger eine Entscheidung ist, desto weniger sollten wir unserer Intuition vertrauen!

Oder?

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Eine Studie zum intuitiven Entscheiden (Dijksterhuis, 2004)

Aufgabe: Versuchspersonen sollten zwischen verschiedenen Apartments wählen

Vpn erhielten positive und negative Informationen über eine Anzahl verschiedener Alternativen

Drei Versuchsbedingungen Unmittelbare Entscheidung

Unreflektierte (intuitive) verzögerte Entscheidung

Reflektierte (bewusste) verzögerte Entscheidung

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Eine Studie zum intuitiven Entscheiden (Dijksterhuis, 2004)

Ergebnisse:

Die schlechtesten Entscheidungen wurden in der ersten Versuchsbedingung getroffen

In der intuitiven im Vergleich zur bewussten verzögerten Entscheidung wählten Versuchspersonen häufiger die objektiv beste

Alternative

war die Entscheidung vor allem auf jenen Attributen basiert, die besonders wichtig waren

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Warum ist ein Poster schön? (Wilson et al., 2002)

Vpn sollten zwischen einer Anzahl an Postern wählen

Zwei Versuchsbedingungen Intuitive Entscheidung

Reflektierte Entscheidung

Abhängige Variablen Wie gut gefiel den Vpn das Poster einige Wochen später?

Waren die Vpn bereit, ihr Poster zu verkaufen?

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Ergebnis

Vpn, die eine intuitive Entscheidung getroffen hatten, waren zufriedener und weniger bereit, ihr Poster zu verkaufen, als Personen, die eine reflektierte Entscheidung getroffen hatten

Interpretation: Bei einer reflektierten Entscheidung verbalisierten die Vpn nicht die objektiv wichtigsten, sondern lediglich die kognitiv am besten zugänglichen Kriterien

Albert Einstein: “Nicht alles, was man zählen kann, zählt. Nicht alles, was zählt, kann man zählen!”

Warum ist ein Poster schön? (Wilson et al., 2002)

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Zusammenfassung Intuition

Die derzeitige Forschungslage zum Thema intuitive versus deliberative Entscheidungen ist sehr heterogen Manchmal führt Intuition zu erstaunlich klugen Entscheidungen

Manchmal führt Intuition uns systematisch in die Irre

Take Home Message für wichtige Entscheidungen:

Wenn sie eine wichtige Entscheidung treffen müssen, denken Sie lange darüber nach - und entscheiden Sie sich anschließend rein intuitiv!

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Zur Psychologie der Selbstkontrolle

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Selbstmord und das Problem niedriger Selbstkontrolle

Stellen Sie sich vor, Sie spazieren abends über eine Rheinbrücke und beobachten eine Person, die offensichtlich plant, sich von der Brücke ins Wasser zu stürzen.

Wie reagieren Sie?

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Selbstkontrolle als “A general theory of crime”(Gottfredson & Hirschi, 1990)

Typische Straftaten ähneln einer Reihe nicht-krimineller Aktivitäten (“analogous behaviors”) Drogenmissbrauch Alkoholmissbrauch Nikotinsucht Nicht intendierte Schwangerschaften Scheidungen Verkehrsunfällen Häufiger Berufs- und Jobwechsel

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Das Problem der Selbst-Kontrolle

Sichtweise der neoklassischen Ökonomie

Menschen sind rationale Wesen mit eindeutigen und zeitlich stabilen Präferenzen

Alternative Sichtweise

Menschen sind geplagt von Leidenschaften und Bedürfnissen, die sie nicht kontrollieren können

Georg Büchner: “Was ist es, das in uns stiehlt, lügt und mordet?”

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Das Problem der Selbst-Kontrolle

Definition Selbstkontrolle: Kontrolle des Selbst über das eigene Verhalten

Beispiele Diäten Rauchen abgewöhnen Weniger Kaffee trinken Drogenkonsum Alkohol Arbeiten Sport machen Kinder erziehen Intime Beziehungen

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Das Problem der Selbst-Kontrolle

Selbstkontrolle als Kampf zwischen zwei Systemen

Automatisches, unbewusst motiviertes Verhalten

Versus

Reflektiertertes, bewusstes Verhalten

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Verstärker-wert

Zeitt1 t2 t3 t4

Verstärker 2

Verstärker 1

Das Problem der Selbstkontrolle nach Wilson und Herrnstein

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Selbstkontrolle aus evolutionärer Perspektive

Definition Selbstkontrolle: Fähigkeit eines Organismus zu einem gegebenen Zeitpunkt Energie auf ein Verhalten zu verwenden, dessen positive Folgen erst in der Zukunft eintreten werden

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Selbstkontrolle aus evolutionärer Perspektive

Beobachtung 1: Menschen (und andere Spezies) haben damit unter bestimmten Bedingungen erhebliche Schwierigkeiten

Beobachtung 2: Unter anderen Bedingungen haben Menschen (und andere Spezies) hiermit erstaunlich wenig Schwierigkeiten Sitzen, Stehen, Laufen lernen Erwerb der ersten Fremdsprache Schwangerschaft und Geburt Jahreszeitlicher Wechsel des Habitats (z.B. bei Zugvögeln) Vorsorge für den Winter (z.B. bei Nagetieren)

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Selbstkontrolle aus evolutionärer Perspektive

Interpretation dieser Befunde

Wenn sich für eine bestimmte Spezies ein bestimmtes Selbstkontrollproblem wiederholt stellt besteht ein hoher Selektionsdruck zur Lösung dieses Problems

Im Laufe der Evolution einer Spezies werden Selbstkontrollprobleme dadurch gelöst, dass sie nicht mehr als solche empfunden werden