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Dr. Astrid Agache DIE SYNTAX Die Bezeichnung „Syntax“ kommt vom griechischen Wort „syntaxis“ und heißt „Zusammenstellung, Anordnung“. In der Grammatik wird damit jener Teil bezeichnet, der „die Verknüpfung der einzelnen Wörter zu übergeordneten Einheiten, in erster Linie zu Sätzen, behandelt“ 1 . Die Syntax hat es sich zur Aufgabe gemacht, die einzelnen Elemente des Satzes, die Konstituenten – wie sie noch heißen - zu beschreiben und die zwischen ihnen existierenden Beziehungen aufzuzeigen. Während in der Schulgrammatik die Syntax als Lehre von Satzgliedern eine zentrale Rolle spielte, hat sich die strukturelle Linguistik erst spät dem Satz als Ganzes zugewandt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen die Phrasenstrukturgrammatik, die generative Transformationsgrammatik und die Dependenzgrammatik eine Vorliebe für syntaktische Fragestellungen. In der generativen Grammatik nimmt der Satz eine zentrale Stellung ein. Man unterscheidet zwischen einfachen Sätzen und komplexen Sätzen. DER EINFACHE SATZ Der einfache Satz besteht aus mehreren Elementen, die in „bestimmten syntaktischen Relationen stehen und dem Satz seine Struktur geben“ 2 . Wenn der Sprecher eine bestimmte Redeabsicht verwirklichen will, so kann der Satz mehrere Formen annehmen. Demnach gibt es: - Aussagesätze - Fragesätze - Ausrufesätze - Aufforderungssätze - Wunschsätze Der Aussagesatz Der Aussagesatz beschreibt einen Sachverhalt oder informiert über einen Sachverhalt. Das finite Verb steht an zweiter Stellung (Grundstellung) und der Ton ist fallend. 1 Hentschel, Elke / Weydt, Harald: Handbuch der deutschen Grammatik, Walter de Gruyter-Verlag, Berlin 1990, S. 302. 2 Idem, S. 306.

1.Teil Der Syntax-Vorlesung

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Dr. Astrid Agache

DIE SYNTAX

Die Bezeichnung „Syntax“ kommt vom griechischen Wort „syntaxis“ und heißt „Zusammenstellung, Anordnung“.In der Grammatik wird damit jener Teil bezeichnet, der „die Verknüpfung der einzelnen Wörter zu übergeordneten Einheiten, in erster Linie zu Sätzen, behandelt“1. Die Syntax hat es sich zur Aufgabe gemacht, die einzelnen Elemente des Satzes, die Konstituenten – wie sie noch heißen - zu beschreiben und die zwischen ihnen existierenden Beziehungen aufzuzeigen. Während in der Schulgrammatik die Syntax als Lehre von Satzgliedern eine zentrale Rolle spielte, hat sich die strukturelle Linguistik erst spät dem Satz als Ganzes zugewandt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen die Phrasenstrukturgrammatik, die generative Transformationsgrammatik und die Dependenzgrammatik eine Vorliebe für syntaktische Fragestellungen. In der generativen Grammatik nimmt der Satz eine zentrale Stellung ein.Man unterscheidet zwischen einfachen Sätzen und komplexen Sätzen.

DER EINFACHE SATZ

Der einfache Satz besteht aus mehreren Elementen, die in „bestimmten syntaktischen Relationen stehen und dem Satz seine Struktur geben“2. Wenn der Sprecher eine bestimmte Redeabsicht verwirklichen will, so kann der Satz mehrere Formen annehmen. Demnach gibt es: - Aussagesätze

- Fragesätze- Ausrufesätze- Aufforderungssätze- Wunschsätze

Der Aussagesatz

Der Aussagesatz beschreibt einen Sachverhalt oder informiert über einen Sachverhalt. Das finite Verb steht an zweiter Stellung (Grundstellung) und der Ton ist fallend.

Hans kommt heute wahrscheinlich später nach Hause.

Der Fragesatz

Der Fragesatz erfragt einen Sachverhalt oder einzelne Teile eines Sachverhalts. Man unterscheidet zwischen einer Entscheidungsfrage und einer Ergänzungsfrage.

Die Entscheidungsfrage, auch Satzfrage genannt, erfragt einen Sachverhalt. Der Hörer /Gefragte muss entscheiden, ob er affirmativ oder negativ auf die gestellte Frage antwortet. Das finite Verb steht an erster Stellung (Spitzenstellung) und der Ton ist fallend steigend.

Kommt Hans heute früher nach Hause?Wohnt er in Iasi?Gehören diese Bücher deinem Bruder?

Die möglichen Antworten sind entweder eine volle Bestätigung (Ja, er kommt heute früher nach Hause.) oder eine Verneinung (Nein, er wohnt nicht in Iasi.)

1 Hentschel, Elke / Weydt, Harald: Handbuch der deutschen Grammatik, Walter de Gruyter-Verlag, Berlin 1990, S. 302.2 Idem, S. 306.

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Die Ergänzungsfrage, auch Gliedfrage oder Wortfrage genannt, fragt nach dem, was unbekannt oder unbestimmt ist. Sie wird dann verwendet, wenn nur Teile eines Sachverhalts bekannt sind. Mit Hilfe der Frage soll Fehlendes ergänzt werden. Der Ton ist meist gleich bleibend.

Wann beginnen die Ferien?Wer besitzt einen Führerschein?Wo wohnt er?

Die Antwort bringt eine Ergänzung des Sachverhalts. Syntaktisch erfragen die Ergänzungsfragen Satzglieder oder Satzgliedteile. (Hans besitzt einen Führerschein. In 5 Wochen beginnen die Ferien. Er wohnt in Iasi.)

Der AusrufesatzDer Ausrufesatz drückt eine Gefühlsbewegung (Angst, Erstaunen, Entzücken, Bewunderung) aus. Das finite Verb kann mehrere Stellungen einnehmen. Es kann an zweiter Stellung stehen:

Du hast aber schön geschrieben! Es kann an erster Stellung stehen:

Hast du aber schön geschrieben!Das finite Verb kann aber auch Endstellung einnehmen:

Wie schön du geschrieben hast!Der Ton ist meist gleich bleibend bis fallend.

Der AufforderungssatzDer Aufforderungssatz drückt eine Bitte, eine Aufforderung oder einen Befehl des Sprechers aus.3 Gewöhnlich steht das finite Verb an erster Stellung:

Bring mir das Buch! Wiederholen Sie bitte den Satz!

Es kann aber auch an zweiter Stellung stehen:Du bringst mir sofort das Buch!Du wirst mir gleich das Buch bringen!

Der Satz kann durch die Konjunktion dass eingeleitet sein und das finite Verb steht dann am Ende des Satzes:

Dass du ja alles lernst!Manchmal sind die Aufforderungssätze stark reduziert, so dass entweder nur ein Infinitiv oder ein Perfektpartizip steht oder gar kein Verb (Ellipse):

Aufstehen!Aufgepasst!Augen auf!

Diese reduzierten Formen stehen eigentlich für ganze Sätze (Ihr sollt jetzt aufstehen! Jetzt wird aufgepasst! Du sollst die Augen aufmachen!) Der Ton ist steigend fallend.

Der WunschsatzDer Wunschsatz drückt einen Wunsch des Sprechers aus. Das Verb steht im Konjunktiv II oder (selten) Konjunktiv I. Meistens sind die Sätze durch die Konjunktion wenn eingeleitet und oft enthalten sie auch Partikel wie: doch, nur, bloß:

Wenn der Kurs doch endlich vorbei wäre!Wäre der Kurs doch endlich vorbei!Wenn sie nur kommen würde!Gott sei ihm gnädig!

Der Ton ist meist steigend fallend.DIE SATZGLIEDER

3 Götze, Lutz und Hess-Lüttich, Ernest W.B.: Knaurs Grammatik der deutschen Sprache, München 1995, S. 321.

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Die Wörter werden im Satz nicht beliebig aneinander gereiht. Sie werden vielmehr deutlich aufeinander bezogen, was vor allem durch die Flexion geschieht. Einzelne Wörter schließen sich zu Wortgruppen zusammen und diese wiederum zu einem Satz. Einzelne Wörter oder Wortgruppen, die im Satz eine bestimmte Aufgabe übernehmen, nennt man Satzglieder. Diese sind Bausteine/Elemente eines Satzes und dürfen nicht mit den Wortarten verwechselt werden.

Mit Hilfe der Umstellprobe und Ersatzprobe kann man erkennen, welche Wörter Satzglieder sind. Die Satzglieder können ihre Stellung verändern.

Sie stellt die Blumen in die Vase.In die Vase stellt sie die Blumen.Die Blumen stellt sie in die Vase.Stellt sie die Blumen in die Vase?

Demnach sind sie (Subjekt), die Blumen (Akkusativobjekt), in die Vase (Lokalbestimmung) und legt (Prädikat) Satzglieder. Sie können auch durch andere Wortarten ersetzt werden:

Maria stellt sie dorthin.

Das Subjekt ist nun durch ein Substantiv, das Akkusativobjekt durch ein Personalpronomen und die Lokalbestimmung durch ein Adverb ausgedrückt. Das Prädikat nimmt unter den Satzgliedern eine Sonderstellung ein, denn ein Verb kann nur durch ein anderes Verb oder durch ein Funktionsverbgefüge ersetzt werden. Die obigen Beispiele zeigen also, dass ein Satzglied entweder aus einem Wort oder aus mehreren Wörter bestehen kann und dass dasselbe Satzglied durch verschiedene Wortarten repräsentiert werden kann. Ersichtlich ist auch, dass sich die Satzglieder in einem Hauptsatz um das finite Verb bewegen lassen. Alle anderen Satzteile, die sich diesen Regeln nicht unterwerfen, werden Satzgliedteile genannt.

Der Professor aus Bonn kommt morgen nach Iasi.Nach Iasi kommt morgen der Professor aus Bonn.Morgen kommt der Professor aus Bonn nach Iasi.*Aus Bonn kommt der Professor morgen nach Iasi.

Der letzte Satz ist ungrammatisch, denn aus Bonn ist in unserem Kontext kein Satzglied, sondern ein Satzgliedteil, das zu dem Satzglied der Professor (dem Subjekt) gehört und ein Präpositionalattribut ist. Demzufolge kann es nur zusammen mit seinem Beziehungswort (in diesem Fall: dem Subjekt) verschoben werden, damit der Satz semantisch nicht verändert wird.

1. DAS PRÄDIKAT

Das Wort „Prädikat“ kommt aus dem Lateinischen („praedicare“) und heißt „laut ausrufen“, “aussagen“4. Die deutsche Bezeichnung in der traditionellen Grammatik heißt Satzaussage, weil das Prädikat jenes Satzglied ist, das etwas aussagt.Das Prädikat kann entweder einteilig oder mehrteilig sein.

1.1. Das einteilige Prädikat

4 Idem, S. 307.

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Wie der Name sagt, besteht das Prädikat nur aus einem Teil, d.h. es wird aus dem finiten Verb gebildet. Das richtet sich in Numerus und Person nach dem Subjekt:

Er schläft.Sie schlafen.

Im einteiligen Prädikat steht das finite Verb in seinen einfachen Tempusformen, d.h. im Präsens oder im Präteritum:

Sie schläft/schlief.

1.2. Das mehrteilige Prädikat

Das mehrteilige Prädikat besteht aus mehreren Teilen. Davon ist ein Teil die notwendige finite Verbform und der andere eine Konstituente. Die Konstituente kann ein grammatischer oder lexikalischer Prädikatsteil oder ein Prädikativum sein..

1.2.1. Der grammatische Prädikatsteil

Der grammatische Prädikatsteil ist der nichtfinite, aber verbale Teiles Prädikats Er kann durch folgende morphologische Formen ausgedrückt werden:

- a.) Infinitiv: Hans wird den Brief schreiben. /Hans will nach B fahren.- b.) Partizip II/Perfektpartizip: Hans hat den Brief geschrieben.-

Der Infinitiv und das Partizip II bilden mit dem finiten Verb die analytische Verbform.Einige Grammatiken rechnen dazu auch das Reflexivpronomen sich:

Der Brief schreibt sich schnell.

1.2.2. Der lexikalische Prädikatsteil

Der lexikalische Prädikatsteil kann durch folgende Wortarten ausgedrückt werden:

a.) Substantiv: Hans fährt Rad./ Sie schreibt Maschine.b.) Adjektiv: Hans lacht sich schief./ Er weiß immer alles besser.c.) trennbares Präfix oder Adverb: Er schreibt den Text ab./ Er schreibt den Text

nieder.d.) Infinitiv (Teil eines zusammengesetzten Verbs): Sie lernen sich beim Studium

kennen.e.) der nichtfinite Teil eines Funktionsverbgefüges (meist Präposition und

Substantiv): Hans brachte das Problem zur Sprache.f.) Reflexivpronomen eines echten reflexiven Verbs: Hans freut sich.

1.2.3. Das Prädikativum

Das Prädikativum ist der nichtfinite und nicht zum Verb gehörende Teil des Prädikats. Man unterscheidet zwischen einem Subjektsprädikativum und einem Objektsprädikativum.

1.2.3.1. Das Subjektsprädikativum

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Das Subjektsprädikativum bezieht sich auf das Subjekt des Satzes. Es wird mit den Verben sein, werden und bleiben und einer Komponenten gebildet. Die Komponente kann durch folgende Wortarten ausgedrückt werden:

a.) Substantiv im Nominativ: Hans ist Student. b.) Substantiv im Genitiv: Wir waren guten Mutes.c.) Präposition + Substantiv: Dieser Satz ist von Bedeutung.d.) Adjektiv: Maria ist kein.e.) (Präposition+) Adverb: Die Zeitung ist von heute./ Sie ist dort.

1.2.3.2. Das Objektsprädikativum

Das Objektsprädikativum bezieht sich auf das Akkusativobjekt des Satzes. Es tritt nach den Verben des Nennens (nennen, heißen, schelten usw.), finden und halten für auf. Es kann durch folgende Wortklassen ausgedrückt werden:

a.) Adjektiv: Hans findet seine Freundin nett.b.) Substantiv: Er nennt seine Freundin Mäuschen./ Sie hält ihn für einen Trottel . c.) Präposition + Substantiv: Er findet sie ganz in Ordnung.

Bei einer Passivtransformation verwandelt sich das Objektsprädikativum in ein Subjektsprädikativum:

Seine Freundin wird (von ihm) Mäuschen genannt.

2. Das Subjekt

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Die Bezeichnung Subjekt kommt aus dem Lateinischen „subicere“ und wird aus dem passiven Perfektpartizip „subiectum“, das „ darunter legen/zugrunde legen“ heißt, abgeleitet. Die deutsche Bezeichnung ist „Satzgegenstand“ und bezeichnet also jenen Satzteil, über den etwas ausgesagt wird. Einige Grammatiker (Ulrich Engel) verwenden für das Subjekt die Bezeichnung Ergänzung im Nominativ.

2.1. Die grammatische Form des Subjektes

Das grammatische Subjekt eines Satzes steht immer im Nominativ und kann mit folgender Frage erfragt werden: wer/was +Prädikat?Das Subjekt kann durch folgende Wortarten ausgedrückt werden:

a.) Substantiv: Maria schreibt einen Brief.b.) Pronomen: Sie schreibt einen Brief.c.) Numeralia: Drei fehlen heute.d.) Adjektive (sie müssen substantiviert werden): Rot ist ihre Lieblingsfarbe.e.) Infinitiv (substantiviert) ohne „zu“: Lesen ist meine Lieblingsbeschäftigung.f.) Infinitiv (substantiviert) mit „zu“: Abzuschreiben ist verboten.g.) Partizipien (substantiviert): Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.h.) Alle Wortarten können als Subjekt auftreten, wenn sie metasprachlich verwendet

werden (d.h. wenn ein Wort in seiner Eigenschaft als Wort ausgesprochen werden soll, um seine Bedeutung oder Verwendung zu erklären): Aber drückt einen Gegensatz aus.

i.) Nebensätze: Dass es dir besser geht freut mich.

2.2. Doppeltes Subjekt

Im Satz Es hängt ein Bild an der Wand ist das Subjekt doppelt vorhanden: bevor das Subjekt Bild genannt wird, wird es durch es vertreten. Dieses es korreliert mit dem Subjekt und wird deshalb Korrelat genannt. Es kann nur am Satzanfang stehen:

Es hängt ein Bild an der Wand.*An der Wand es hängt ein Bild.

Besonders häufig tritt das Subjektskorrelat bei den so genannten absoluten (einwertigen) Verben (kommen, sein, herrschen) auf:

Es kamen viele Leute in die Veranstaltung.Es waren Bauern auf dem Feld.Es herrschte große Freude im Land.

In all diesen Fällen hat das Korrelat keine semantische Funktion; es dient nur dazu, eine syntaktische Leerstelle zu besetzen, denn die Sätze könnten auch ohne Korrelat existieren:

An der Wand hängt ein Bild.Viele Leute kamen in die Veranstaltung.Bauern waren auf dem Feld.Große Freude herrschte im Land.

Zwischen diesen Sätzen und den vorigen besteht inhaltlich kein Unterschied. Der ist nur stilistisch vorhanden, denn das Korrelat es dient dazu, dem eigentlichen Subjekt des Satzes ein zusätzliches Gewicht zu verleihen. Es ist syntaktisch sehr wenig im Satz integriert, denn

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die Form des Prädikats richtet sich nicht nach dem es, sondern nach dem inhaltlichen Subjekt des Satzes:

Es kamen viele Leute.

2.3. Grammatisches und logisches Subjekt

Im Satz Es graut ihm vor dir . trifft die Definition des Subjektes (d.h. es ist jener Teil des Satzes, über den etwas ausgesagt wird) nicht zu. Das Pronomen es im Nominativ bildet zwar das grammatische Subjekt des Satzes, aber der teil des Satzes, über den etwas ausgesagt wird, wird von einem Pronomen im Dativ (Maskulin, 3. Person, Singular) getragen. Ein solches „inhaltliches“ Subjekt, das zwar nicht im Nominativ steht, aber den eigentlichen Gegenstand zur Aussage bildet, nennt man logisches Subjekt. Das zeigt an, dass von den logischen Beziehungen her ein Subjekt vorhanden ist, das gegenüber dem grammatischen Subjekt eine wichtige Rolle spielt. Das grammatische Subjekt kann sogar weggelassen werden:

Ihm graut vor dir.Mich friert. Mir ist kalt.

Es gibt auch Situationen, in denen ein Satz nur ein grammatisches Subjekt hat. Dies ist besonders häufig bei den Beschreibungen von Naturphänomenen:

Es regnet in Strömen.Draußen dämmert es schon.

In diesem Fall erfüllt das es nur formal die Funktion eines Subjektes und kann durch kein anderes Wort ersetzt oder weggelassen werden:

*Regnet in Strömen.*Das Wetter regnet in Strömen.

2.4. Subjektlose Sätze

Es gibt Sätze, die weder ein grammatisches noch ein logisches Subjekt enthalten. Das trifft in folgenden Situationen zu:

a.) Passivsätze(bei denen das Vorfeld durch ein anderes Satzglied besetzt ist): Bis in die Morgenstunde wurde diskutiert.

Angesichts der großen Gefahr musste sofort gehandelt werden. Weil nur wenige anwesend waren, konnte nicht abgestimmt werden.b.) Infinitivkonstruktionen/sätze:

Ohne nach links und rechtszu schauen, überquerte sie die Straße.c.) Partizipkonstruktionen/sätze:

Die Straße bei Rot überquerend, ist sehr gefährlich.

3.Die Objekte

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Die Bezeichnung kommt aus dem Lateinischen „obicere“ und heißt soviel wie „entgegenwerfen/entgegensetzen“, und wird von dem Perfektpartizip „obiectum“, auf Deutsch „entgegengesetzt“ direkt abgeleitet. Das Objekt steht dem Subjekt als Gegenstand des Wahrnehmens, des Erkennens, des Denkens und des Handelns gegenüber. Es bildet also das direkte oder indirekte Ziel des im Verb ausgedrückten Vorgangs und steht in einem „Pflichtkasus“, der entweder vom Verb direkt oder durch eine Präposition regiert wird. Folglich kann man die Objekte im Deutschen danach unterscheiden, welcher Kasus vorliegt oder ob die Rektion mittels einer Präposition erfolgt. Es gibt also: Akkusativ-, Dativ-, Genitiv- und Präpositionalobjekte.

3.1. Das Akkusativobjekt

Das Akkusativobjekt tritt am häufigsten auf, was typisch für alle indoeuropäischen Sprachen ist. Es ist das direkte Gegenstück zum Subjekt, ganz eng an das Verb gebunden und somit Ziel des Geschehens. Verben, die ein Akkusativobjekt benötigen, werden transitive Verben genannt.

Der Student schreibt einen Aufsatz.Großvater raucht Pfeife.Hans hört Musik.Maria sieht Hans kommen.

Die Frage nach dem Akkusativobjekt ist: „Prädikat + wen/was?“Das Akkusativobjekt kann durch folgende Wortarten ausgedrückt werden:

a.)Substantiv oder durch ein Attribut erweitertes Substantiv:Gestern hat er Maria getroffen.Sie kann sein ewiges Jammern nicht leiden.Der Student schreibt einen langen Aufsatz.

b.)Pronomina:Gestern hat er sie getroffen.Sie kann es nicht leiden.Der Student schreibt ihn.Sie weiß immer alles.Das glaube ich nicht.

c.) Numeralia:Von ihren neuen Kolleginnen kennt Maria erst zwei/ jede zweite / ein Drittel.

d.) substantivierte Adjektive und Partizipien: Maria trägt am liebsten Schwarz.Der Lehrer wiederholt oft das bereits Gesagte.

e.) substantivierte Infinitive mit / ohne Artikel und Attribut:Der Lehrer hasst das ewige Schwatzen seiner Studenten.Fernsehen lieben die meisten Kinder.

f.) erweiterte Infinitive:Hans hat vor, morgen in die Bibliothek zu gehen.Maria hasst es, zu spät zu kommen.

g.) Nebensätze, d.h. Objektsätze:Hans weiß, dass Maria nach Hause gefahren ist.Der Lehrer versteht nicht, warum heute so viele Studenten fehlen.Er weiß nicht, ob sein Vater Urlaub hat.Maria sagt, sie habe ihn nicht kommen hören.

Durch eine Passivtransformation wird das Akkusativobjekt zum Subjekt des Satzes:Maria schreibt einen Brief.Ein Brief wird (von Maria) geschrieben.

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Bei einer Nominalisierungstransformation wird das Akkusativobjekt zu einem Genitivattribut:Maria schreibt einen Brief.Das Schreiben des Briefes von Maria.

3.1.1. Das doppelte Akkusativobjekt Nach einigen, wenigen, Verben (abfragen, lehren, kosten)5 können zwei Akkusativobjekte auftreten, wobei das eine eine Person repräsentiert und das andere eine Sache.

Die Lehrerin fragt euch die Regeln ab. /Sie lehrt euch die Regeln.Ihre Ungeduld kostet sie die Prüfung.

Bei dem Verb kosten kann keinen Passivtransformation durchgeführt werden:*Die Prüfung wird sie von ihrer Ungeduld gekostet.*Sie wird von ihrer Ungeduld die Prüfung gekostet.

Bei den anderen beiden Verben ist die Passivtransformation möglich, so dass eines der Akkusativobjekte das Subjekt des Passivsatzes bildet:

Ihr werdet (von der Lehrerin) die Regeln abgefragt./Ihr werdet die Regeln (von der Lehrerin) gelehrt.Aber: Die Regeln werden (von der Lehrerin) abgefragt/Die Regeln werden (von der Lehrerin) gelehrt.Wie aus den letzten beiden Beispielsätzen ersichtlich ist, tritt das Akkusativobjekt der Person nicht mehr auf, wenn das Akkusativobjekt der Sache zum Subjekt des Passivsatzes wird.

ACHTUNG: Das Akkusativobjekt darf nicht verwechselt werden mit:a.) dem Objektsprädikativum.

Bei den Verben: nennen, rufen, heißen, schimpfen handelt es sich nicht um ein doppeltes Akkusativobjekt, denn der zweite Akkusativ ist kein Objekt, sondern ein Objektsprädikativum:

Maria nennt ihren Freund Schatzi.Bei einer Passivtransformation werden beide Akkusative zu Nominativen, wobei nur der erste das Subjekt ist und der zweite Subjektsprädikativum:

Ihr Freund wird Schatzi genannt. b.) Adverbialbestimmungen:

Der Akkusativ steht unabhängig vom Verb und ist meist eine Temporal- oder Lokalbestimmung:

Sie tanzten die ganze Nacht.Er lief den ganzen Weg./ Sie gingen einen Kilometer zu Fuß.

3.2. Das Dativobjekt

Das Dativobjekt gilt als nicht unmittelbar von der Verbalhandlung betroffen und wird bei einigen Verben gebildet, die weniger sind als jene, die einen Akkusativ verlangen. Es antwortet auf die Frage: wem + Prädikat?

Maria hilft ihrer Mutter. Wem hilft Maria?Das Dativobjekt kann nur durch Substantive oder Pronomen ausgedrückt werden:

Maria hilft ihrer Mutter.Maria hilft ihr.

Alle anderen Wortarten müssen unbedingt substantiviert werden, wenn sie als Dativobjekte verwendet werden sollen.

Sie hörte dem Gesagten zu. (substantiviertes Perfektpartizip)

5 Hentschel, S.332.

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Neben Verben wie helfen, zuhören, widersprechen, schaden u.a. wenigen, die ausschließlich Dativobjekte an sich binden, gibt es viele transitive Verben (geben, anvertrauen), die außer dem Akkusativobjekt noch zusätzlich ein Dativobjekt nach sich ziehen.

Maria gibt ihrer Mutter Blumen./ Sie vertraut ihm ein Geheimnis an.Bei den Verben fehlen an, danken für, antworten auf, steht außer dem Präpositionalobjekt auch ein Dativobjekt.

Sie dankt ihm für die Blumen. Er antwortet ihr auf die Frage.Bei einer Passivtransformation bleibt das Dativobjekt erhalten:

Ihm wurde für die Blumen gedankt./ Ihr wurde auf die Frage geantwortet. Bei einer Nominalisierungstransformation6 wird das Dativobjekt zum Präpositionalattribut:

Maria hilft ihrer Mutter. -> Marias Hilfe für ihre Mutter

3.3. Das Genitivobjekt

Das Genitivobjekt wird nach wenigen Verben (sich erinnern, gedenken, entsinnen)gebildet. Deshalb wird es äußerst selten gebraucht, meist in einer gehobenen Sprache oder in festen Wendungen. Es antwortet auf die Frage: wessen + Prädikat? Und wird durch Substantive oder Pronomen repräsentiert.

Maria erinnert sich ihrer Tante. /Wessen erinnert sie sich? Maria erinnert sich ihrer.Er erfreut sich bester Gesundheit./Man verwies ihn des Landes. (feste Wendungen)

Genitivobjekte können im Satz entweder als einziges Objekt stehen oder zusammen mit Akkusativobjekten. Außer bei den Verben gedenken, bedürfen, harren kommen allein stehende Genitivobjekte nur bei reflexiven Verben vor. In den meisten Fällen werden die Genitivobjekte durch Präpositionalobjekte ersetzt:

Maria erinnert sich ihrer Tante. -> Maria erinnert sich an ihre Tante. Bei einer Passivtransformation bleibt das Genitivobjekt erhalten.

Sie gedenken der Helden. -> Der Helden wird gedacht. Durch eine Nominalisierungstransformation wird es zum Präpositionalattribut:

Ihr Gedenken an die Helden /Ihre Erinnerung an die Tante.

3.4 Das Präpositionalobjekt

Beim Präpositionalobjekt wird der Kasus nicht direkt vom Verb gegeben. Das Verb regiert die Präposition und die Präposition regiert den Kasus. Die vom Verb regierte (verlangte) Präposition kann nicht frei gewählt werden, denn sie ist fest mit dem Verb verbunden. Es gibt Verben, bei denen man zwischen zwei Präpositionen wählen kann, aber dann nur zwischen den beiden (mitwirken + an/bei; leiden +an/unter; kämpfen +für/um;). Das Präpositionalobjekt antwortet auf die Fragen: Präposition + wem/wen oder interrogatives Pronominaladverb (worauf, woran...)+Prädikat? Es kann durch Substantive (einschließlich der substantivierten Formen anderer Wortarten) und Pronomina (einschließlich Pronominaladverbien) ausgedrückt werden.

Maria fürchtet sich vor ihrem Vater. /Maria fürchtet sich vor ihm. Vor wem fürchtet sie sich? Vor ihrem Vater/ihm.

Maria fürchtet sich vor Sturm. /Maria fürchtet sich davor: Wovor fürchtet sie sich? Vor dem Sturm/ davor.Das Präpositionalobjekt kann im Satz als einziges Objekt vorkommen, oder zusammen mit einem Akkusativ-, Dativ- oder einem anderen Präpositionalobjekt:

Maria wartet auf einen Brief.Maria bittet ihre Mutter um Rat.Maria dankt ihrer Mutter für den Rat.

6 Helbig/Buscha, S. 547

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Maria rächt sich an ihren Kollegen für deren Haltung.Präpositionalobjekte können auch durch Nebensätze oder Infinitivkonstruktionen ausgedrückt werden:

Maria wartet (darauf), dass sie einen Brief bekommt.Maria wartet (darauf), einen Brief zu bekommen.

ACHTUNG:

Präpositionalobjekte dürfen nicht mit Adverbialbestimmungen verwechselt werden. Die Präpositionalobjekte sind direkt vom Verb abhängig und die Präposition wird syntaktisch vom finiten Verb regier7t:

Maria wartet auf den Freund.Die Präposition bestimmt den Kasus des folgenden Substantivs. In dem Satz : Maria wartet auf vor dem Bahnhof. hinter neben handelt es sich um eine Adverbialbestimmung. Hier stellt die Präposition eine Beziehung zu dem von ihr regierten Wort dar. Bei dem Präpositionalobjekt werden nur ganz bestimmte Präpositionen vom übergeordneten Verb gefordert, während die Adverbialbestimmung mehrere Präpositionen zulässt. Ohne das Verb hätte die präpositionale Konstruktion bei den Präpositionalobjekten keinen Sinnen: auf den Freund wartenBei der Adverbialbestimmung besteht die Wahl zwischen mehreren Präpositionen, die bedeutungsdifferenzierend sind und nicht vom Verb abhängig sind. Sie sind eng an das folgende Substantiv gebunden.Bei einer Passivtransformation bleibt das Präpositionalobjekt erhalten:

Maria wartet auf den Freund. Auf den Freund wurde gewartet.Bei einer Nominalisierungstransformation wird das Präpositionalobjekt zum Präpositionalattribut:

Marias Warten auf den FreundManchmal kann das Präpositionalobjekt in ein Kasusobjekt transformiert werden:

Maria erinnert sich an die Großeltern.Maria erinnert sich der Großeltern (Genitivobjekt)Maria schreibt an ihren Freund.Maria schreibt ihrem Freund. (Dativobjekt)

7 Helbig/Buscha, S. 549.