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ti&m special 2018 Open Innovation Prof. Dr. Philipp Sandner, Frankfurt School Wie verändert die Blockchain-Technologie den Bereich Venture Capital? Samuel Scheidegger, ti&m Studie «Digitalisierung im Alltag – Vereinfachung oder Überforderung» Sebastian Comment, clevercircles Echte Innovation: der weltweit erste Multi-Advisor

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ti&m special2018

Open InnovationProf. Dr. Philipp Sandner, Frankfurt School

Wie verändert die Blockchain-Technologie den Bereich Venture Capital?

Samuel Scheidegger, ti&m Studie «Digitalisierung im Alltag – Vereinfachung oder Überforderung»

Sebastian Comment, clevercircles Echte Innovation: der weltweit erste Multi-Advisor

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Wir leben in einer spannenden Zeit der Veränderung. Innovatio­nen und die Fähigkeit, Ideen in erfolgreiche Produkte und Lösun­gen umzusetzen, sind wieder en vogue. Es reicht, die Zauber­worte «disruptiv» und «Blockchain» in einem Satz zu verwenden, und alle Zuhörer sind überzeugt, dass da gerade was Gross­artiges passiert. Das erinnert mich stark an die Neunziger und den Siegeszug des Internets. Während dieser Zeit ist einerseits viel Unsinn getrieben worden, man erinnere sich an das Schlag­wort «E­Business», andererseits sind damals die heutigen Inter­netriesen entstanden. Vor allem hat das Internet die Welt jedoch nachhaltig und unumkehrbar verändert.

Heute beschäftigt uns die nächste technologische Revo­lution: die umfassende Digitalisierung. Unter dem technologisch getriebenen Begriff versteht man die digitale Erstellung, Abspei­cherung, Verarbeitung und Auslieferung von Produkten und Ser­vices. Analoge Services und Produkte werden digital angereichert und so werden zum Beispiel die Autos der Zukunft zu fahrenden Computern, die sorglose Mobilität versprechen.

Digitalisierung ist kein laues Lüftchen, Digitali­sierung ist ein Megasturm. Da es sich bei dieser Revolution nicht um eine linear beherrschbare Herausforderung handelt, sehen sich ganze In­dustrien gezwungen, sich auf eine unbekannte, digitale Zukunft einzulassen.

Bevor man jedoch das ganze Unternehmen auf den Kopf stellt und sich mit teuren Strategieemp­fehlungen eindeckt, ist es zentral, erstmal zu verstehen, was man wirklich kann und wofür man im Markt bei den Kunden steht. Das mag sich trivial anhören, ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass diese Selbsteinschätzung matchentscheidend sein kann. So hat Kodak zwar die erste digitale Kamera erfunden, die Innovation aber lange ungenutzt verstauben las­sen und dabei einen der fatalsten Fehler der Wirt­schaftsgeschichte begangen. Denn: Man glaubte, das Kerngeschäft sei das Filmbusiness und die Digi­talkamera kannibalisiere dieses. Das Geschäft von Kodak war es aber, den Menschen Erinnerungen an wichtige Momente zu ermöglichen, und nicht, Filme oder Papier zu verkaufen. Diese Fehl einschätzung hat Kodak die Existenz gekostet.

Die Digitalisierung erlaubt es nicht, bestehende Geschäftsmodel­le einfach fortzuführen, sondern verlangt nach tief greifenden, IT­basierten Veränderungen und Innovationen. Folgende Themen gilt es, dabei zu meistern: Bekenntnis zu Agilität: Agilität ist ein Eingeständnis, dass die Fähigkeit, Veränderungen zu antizipieren und entsprechend zu agieren, das zentrale Erfolgsrezept schlechthin ist. Sie führt zu schnellen und realitätsgetriebenen Entscheiden, die dort gefällt werden, wo auch die notwendige inhaltliche Kompetenz ist.Technology matters: Das Verständnis der Schüsseltechnologien der Zukunft für die eigene Produktentwicklung: Die technolo­gischen Treiber der Digitalisierung sind Smartphone, Blockchain, künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und Big Data. Das Smart­phone wird de facto zum Standard­Interface des Kunden. Block­chain und Smart Contracts werden Effizienz sowie Automatisie­rung in alle Bereiche des Mittlergeschäfts und in die Abwicklung sowie in den Verkauf digitaler Dienstleistung bringen. Artificial Intelligence verspricht Optimierungs­ und Automatisierungspo­

tenziale in unterschiedlichsten Geschäfts bereichen. Das Internet der Dinge führt dazu, dass sich Dinge aller Art von passiven zu

aktiven und teilvirtualisierten Akteuren entwickeln, sich in Netzwerke einklinken und Datenströme erzeugen. Big Data umfasst das Sammeln und Auswerten von Kunden­ oder Ge­räteverhalten und ermöglicht datengetriebene Prognosen.

Dies wiederum verspricht neue Geschäftsmöglichkeiten.Kunden- versus Abwicklungsorientierung: Die er­

folgreichen Unternehmen der Zukunft beziehen ihre Kunden und deren Bedürfnisse frühzeitig in

den Innovationszyklus mit ein und fokussie­ren auf Usability und Endkundennutzen.

Themenübergreifendes Know-how: Die Produktinnovationen der Zukunft liegen nicht mehr allein in der absolu­ten Tiefe eines Fachgebiets, sondern

in der Kombination relevanter Fach­bereiche.

Innovationskultur: Kultur ist ein nicht zu unterschätzender Faktor in einer sich

schnell verändernden Welt. Konkret be­deutet dies, dass Fähigkeiten, Wissen und Talent relevanter sind als Hierarchien. Es bedeutet, dass Fehler nicht zu einem Kar­

IMPRESSUM

Herausgeber: ti&m AG, Buckhauserstrasse 24, CH­8048 ZürichRedaktion: Thomas Wüst, Samuel Scheidegger Gestaltung und Produktion: tnt­graphics AG Titelbild: ti&m art@work/Fiona Könz Auflage: 26 500 ExemplareDruck und Distribution: Sedai Druck GmbH & Co. KG und Multicolor Print AG

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser

Mit digitalen und innovativen Grüssen, Ihr Thomas Wüst

riereknick führen, Versagen zum Lernprozess beiträgt und eine gesunde Fehlerkultur gefördert wird.

ti&m packt die Herausforderung Innovation mit der ti&m garage an. Unter einer ti&m garage verstehen wir ein Start­up­Projekt, das Fachexperten, Software­Ingenieure und Digital­Desi­gner innerhalb eines klaren Zeitraums selbstdefiniert kundenge­triebene Problemstellungen lösen lässt. Dies geschieht bei ti&m

nach Scrum und unter Einbezug von Design­Thinking­Ansätzen. Aus der ti&m garage resultiert stets ein Minimal Viable Product, eine mit dem Endkunden verifizierte und lauffähige Software, die als Basis für weiterführende Entscheide dient. Dieses Vorgehen und diese Denkhaltung ist Teil unserer DNA und definiert die ti&m.

Unternehmen müssen sich entscheiden, inwieweit sie Innova­tion durch den Ausbau der Innovationskultur inhouse, die Grün­dung neuer Entitäten, den Zukauf von Start­ups oder in Co­Kreati­on wie beispielsweise mithilfe einer ti&m garage realisieren wollen. Jede dieser Innovationsstrategien birgt Vor­ und Nachteile und muss zur jeweiligen Firma, deren Kultur, Geschäftsmodell und Fähigkeiten passen.

«Die Digitalisierung erlaubt es nicht, bestehende Geschäfts-

modelle einfach fortzuführen, sondern verlangt tief greifende

Veränderungen.»

Inhalt04 Digitalisierung im Alltag –

Vereinfachung oder Überforderung? Samuel Scheidegger, Mitglied der Geschäftsleitung, Head Bern, ti&m

07 Die Zeit ist reif für M-Payment! Geir Norlund, CIO, MeaWallet

09 Forza Generali – Innovation und Digitalisierung Martin Frick, COO, Generali Schweiz

10 Innovationswettbewerb im Kontext der Produktentwicklung Prof. Tom Philipps, Institutsleiter IFID, Institut für Innovation und Design

12 Echte Innovation: der weltweit erste Multi-Advisor Sebastian Comment, Geschäftsführer clevercircles

14 App-Factory: Innovationsvorsprung durch kurze Time-to-Market René Konrad, Head Products, ti&m

18 Systematisch neue Geschäftsmöglich keiten nutzen Prof. Dr. Marc Gruber, Lehrstuhl für Entrepreneurship & Technologie­kommerzialisierung, EPFL, Dr. Sharon Tal, Dozentin & Innovationscoach

20 Erfolg ist 1 % Inspiration und 99 % Transpiration: mit APIs schneller zum Ziel? Matthias Plattner, Head Technology & Pro­cesses, Global Financial Intermediaries, UBS

22 Die Digitalisierungsreise der GVB Thomas von Gunten, CIO Gebäude­versicherung Bern (GVB)

24 Das (Bank-)Kundenportal – Pflicht und Kür Stefan Rüesch, Head Digital Banking, ti&m

26 «Wir verknüpfen die analoge mit der digitalen Welt» Thomas Trachsler, COO, Mobiliar, Gudrun Ziermann, Leiterin Kunden & digitale Zugänge, Mobiliar

28 Wie verändert die Blockchain-Technologie den Bereich Venture Capital? Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center

30 Die offene Bank oder: Wer hält dem Kunden die Tür auf? Martin Fabini, CTO, ti&m

Traue keinem, der nicht innovieren kannThomas Wüst, CEO und Gründer der ti&m AG

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Was macht die disruptiven Helden der Digitalisierung so span­nend für die Nutzer? Ist es bei Uber die einfache Art der Bestel­lung und Bezahlung, der Preis oder die Bewertung der Fahrt als Sicherheitskomponente? Die Antwort steckt wahrscheinlich in der Summe der Funktionalitäten oder in der Abhängigkeit von der Region, in der man sich bewegt. In Bogota wird der Sicher­

heits aspekt mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz anders gewich­tet als beispielsweise im beschaulichen Zürich.

Oder ein kurzer Blick in die Reisebranche: Längst haben OTAs (Online Travel Agencies) wie booking.com oder Sharing­Portale wie Airbnb den Hotel­Direktbuchungen den Rang abgelaufen. Auch hier ist die Liste an Kundennutzen lang: grosse Auswahl,

schnelle Buchung, attraktive Stornierungsbedingungen, Best­ Price­Garantie, nutzungsoptimierte Applikationen, authen tisches Aufenthaltserlebnis, um ein nur wenige zu nennen. Die Beispiele können beliebig weitergeführt werden, der gemeinsame Nenner ist und bleibt immer derselbe: Technologie allein schafft keinen Kundennutzen. Die Technologie ist als Basis für Innovationen mit Kundennutzen zu verstehen.

Digitale Errungenschaften des Bankings im AlltagIm Bereich Banking und Payment gibt es einen klaren Gewinner in der Schweizer und Deutschland: Das Online­Banking wird als massive Vereinfachung für den Alltag betrachtet (siehe Grafik rechts). Nun ist das Online­Banking längst keine neue Errungen­schaft mehr und bereits über 20 Jahre alt, trotzdem ist es ein Vorzeigebeispiel für die Schaffung von Kundennutzen im Bereich Banking. Weder in der Nutzungsquote noch in der Vereinfachung für den Alltag können neuere Angebote und Applikationen mithal­ten. Dies gilt für das Mobile­Banking im gleichen Masse wie für Bezahldienste wie Paypal. Insgesamt werden aber allen ab­gefragten Digitalisierungsangeboten im Bereich Banking und Payment eine gewisse Vereinfachung des Alltags zugestanden. Einzig dem Bereich Kryptowährungen wird trotz des Hypes keine grosse Vereinfachung zugestanden und die Nutzung in der brei­ten Bevölkerung befindet sich noch in den Kinderschuhen. Unter­schiedliche Einschätzungen zwischen der Schweiz und Deutsch­land bezüglich der Alltagsvereinfachung gibt es bei zwei Angeboten: Beim Bezahlen mit dem Smartphone im stationären Handel und bei Personal­Finance­Management­Funktionen im E­Banking. Beide Angebote werden in Deutschland als grössere Vereinfachung des Alltags eingeschätzt als in der Schweiz.

Was bedeutet dieses Ergebnis in der Interpretation? Zum einen scheint es sehr lange zu dauern, bis sich neue Angebote in der Bevölkerung durchsetzen. Zum anderen sind die Nutzer sehr sen­sitiv auf die jeweilige Umsetzung des Angebots. Die Zufrieden­heit mit der anbieterspezifischen Umsetzung variiert deutlich stärker als die Einschätzung der Vereinfachung für den Alltag.

Wer seinen Job gut macht und benutzerfreundliche Applika­tionen zur Verfügung stellt, kann sich positionieren und seine Kunden an den digitalen Kontaktpunkten zufriedenstellen.

Versicherungen im digitalen ZeitalterDigitalisierungsangebote im Bereich Versicherungen werden von der Deutschen und der Schweizer Bevölkerung ebenfalls als Ver­einfachung des Alltags eingeschätzt, aber sehr unterschiedlich genutzt. Während 42 Prozent der Schweizerinnen und Schwei­

Digitalisierung im Alltag – Vereinfachung oder Überforderung?

Studie // Die Studie «Digitalisierung im Alltag» im Auftrag von ti&m zeigt, welche Applikationen und Dienstleistungen genutzt

werden. Im Ländervergleich zwischen der Schweiz und Deutschland gibt es teils verblüffende Unterschiede in der Nutzungsquote.

Samuel Scheidegger, Mitglied der Geschäftsleitung, Head Bern, ti&m

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«Online-Banking ist ein Vorzeigebeispiel für die

Schaffung von Kundennutzen. Weder in der Nutzungsquote noch in der Vereinfachung

können neuere Applikationen mithalten.»

D­CH DE Vereinfachung * Nutzung: oft/gelegentlich ** Nutzung: ja

Online-Banking

Terminvereinbarung

Onboarding

75

Digitaler Kundenservice**

87

Banking & Payment*

4.44.5

Mobiles Bezahlen21 21% 3.73.4

Mobile-Banking25  29% 4.04.0

Personal Finance Management13 13% 3.73.3

Kryptowährungen

4 8% 3.43.0

Kundenportal

31%39 4.03.8

38% 4.04.0

22

4.2

4.2

34%

3.8

4.2

3.9

3.93.7

%

4.0

3.3

48

E-GovernmentE-Voting

Online-Schalter öffentlicher Ämter

würden benutzenbenutzen es

würden benutzen

benutzen eswürden benutzen

benutzen eswürden benutzen

2844%54

26

Online-Schadensmeldung

Versicherungen

benutzen eswürden benutzen

benutzen eswürden benutzen

4219

2726%

Prämien nach Nutzungsprinzip

4

benutzen eswürden benutzen

benutzen eswürden benutzen

%

519

821%

3.7

Sharing Mobility

Mobilität und Logistik**

Online-Tickets

75

69 49

47%

12 14%

Nutzung und Vereinfachung im Alltag

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zer ihre Schadensmeldungen online eingeben, sind es in Deutsch­land nur deren 27 Prozent. Der Unterschied erklärt sich durch die Verfügbarkeit des Angebots. 26 Prozent der Befragten in Deutsch­land würden diese Dienstleistung nutzen, stünde sie zur Verfü­gung. Die Unterschiede im Bereich Krankenversicherung sind nicht wirklich aussagekräftig, da die Krankenversicherungs­systeme in der Schweiz und Deutschland nur begrenzt vergleich­bar sind. Digitalisierungspotenzial gibt es hingegen für das Angebot «Versicherungsprämien im Nutzungsprinzip». Diese An­gebotsform findet noch kaum Verbreitung bzw. wird noch nicht angeboten. Dabei würde rund ein Fünftel der Befragten diese Dienstleistung nutzen, verknüpft mit der Hoffnung, Versiche­rungsprämien zu optimieren.

Die digitale KundenbetreuungBei der digitalen Kundenbetreuung kann man von einer Win­ win­Situation sprechen, da sich Nutzer wie auch Anbieter adm i­nistrativen Aufwand sparen können. Unter den abgefragten dig italen Services erfreut sich vor allem die Online­Termin­ verein barung hoher Beliebtheit. 48 Prozent der Schweizer (Deutschland: 38 Prozent) nutzen dieses Angebot und bewerten die Vereinfachung dieser Dienstleistung für den Alltag im Schnitt mit einer 4 (Schweiz und Deutschland) auf einer 5er-Skala. Der meist genutzte Service im Bereich Banking wie auch Versiche­rung ist in der Schweiz das Kundenportal und in Deutschland das digi tale Onboarding.

Die digitale Kundenbetreuung schreitet voran und wird mehr und mehr zum Standard. Dies ist gleichbedeutend mit der Erkenntnis, dass man sich nur noch aus der Masse hervorheben kann durch eine benutzerfreundliche Umsetzung und den innovativen Einsatz neuer Technologien. Potenzial ergibt sich auch durch die Anrei­cherung der Kundeninteraktionen mit Zusatzdiensten und Infor­mationen rund um die eigenen Kernprodukte.

Geteilte Mobilität ist doppelte MobilitätDie Digitalisierung der Mobilität geht einher mit der Sharing Eco­nomy. Effektiv genutzt werden diese Angebote jedoch nur von einer Minderheit der Befragten in Deutschland und der Schweiz. Bloss 12 Prozent in der Schweiz und 14 Prozent in Deutschland bewegen sich mithilfe von Sharing­Diensten von A nach B. Kaum mehr wegzudenken ist jedoch die Möglichkeit, Tickets online zu buchen. Hier schnellt die Nutzungsquote in der Schweiz auf 75 Prozent. In Deutschland sind es erstaunlicherweise nur 47 Prozent der Bevölkerung, die ihre Flug­, Bahn­ oder Bustickets online buchen. Dieser schwer erklärbare Unterschied verschwin­

Der Autor

Samuel ScheideggerMitglied der Geschäftsleitung, Head Bern, ti&m

In seiner beruflichen Laufbahn war Samuel Scheid­egger in verschiedenen IT­Management­Positionen tätig, u. a. bei der Bank Julius Bär und der Credit Suisse. Er studierte Informatik an der Berner Fachhochschule und hält einen Dual Degree der University of Rochester (MBA) und der Universität Bern (Executive MBA).

det komplett bei der Einschätzung der Vereinfachung des Alltags. Deutsche wie auch Schweizer sind sich einig: Dies erleichtert be­ziehungsweise vereinfacht den Alltag (beide 4,2).

Rund die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer löst das Problem der Paketabholungs­Einladungen und dem damit ver­bundenen Weg zur Postfiliale mithilfe der unterschiedlichen An­gebote, die Zeit und den Abholort des Paketempfangs flexibel zu steuern.

E-GovernmentDie Digitalisierung macht auch nicht halt vor staatlichen Institu­tionen. Geht es nach dem Bürger, so verbringt er seine Zeit lieber am Smartphone oder vor dem Computer als in der Warteschlan­ge vor dem Schalter. In der Schweiz ist dies bereits der Fall. 54 Prozent der Leute nutzen, wo vorhanden, Online-Schalter. Von denjenigen, die diese Möglichkeit nicht haben, würden 26 Prozent gerne diesen Service nutzen. Anders ist die Situation in Deutsch­land. Gerade 28 Prozent der Befragten nehmen Online­Services in Anspruch und 44 Prozent kämen gerne in den Genuss dieser Möglichkeit.

Ungeachtet aller Sicherheitshürden wünschen sich 69 Pro­zent der Schweizerinnen und Schweizer das E­Voting. In der direktdemokratischen Tradition der Schweiz ist dies fast schon ein Auftrag an den Staat, allfällige Hürden anzugehen und E­Voting flächendeckend einzuführen. In Deutschland sieht es mit der Thematik wie folgt aus: 49 Prozent würden dies nutzen, stünde es zur Verfügung. Ein Wert, der sich vielleicht durch die weniger häufigen Wahlmöglichkeiten in Deutschland erklären lässt.

Resümierend über alle befragten Bereiche zur Digitalisierung im Alltag lässt sich festhalten, dass sich der Alltag tatsächlich vereinfacht hat und zudem noch längst nicht alle Personen von allen Möglichkeiten profitieren können. Es gibt also noch viel Raum für Unternehmen, ihre Kunden zu befriedigen, und dabei sprechen wir nicht einmal von Innovationen, die noch nicht gebo­ren sind. Vergessen Sie aber niemals den Nutzer auf Ihrem Inno­vationspfad!

Zur StudieDie Online­Befragung «Digitalisierung im Alltag» wurde durch die GFK Switzerland AG durchgeführt (Befragungszeitraum: Oktober 2017).

Deutschsprachige Schweiz: Personen im Alter von 15 bis 74 Jahre. Bei n = 501 ist die Genauigkeit: +/–4,4 % (bei 95 % Sicherheit)

Deutschland: Personen im Alter von 15 bis 74 Jahre. Bei n = 1015 ist die Genauigkeit: +/–3,1 % (bei 95 % Sicherheit)

Detaillierte Ergebnisse bei ti&m AG: marketing@ti&m.ch

«Die digitale Kunden-betreuung ist Standard.

Herausstechen kann nur die benutzerfreundliche Umset-

zung und der innovative Einsatz neuer Technologien.»

Infolge des rasanten Anstiegs verkaufter Smartphones und des nahezu allgegenwärtigen Internetzugangs haben sich mobile Bezahlverfahren wie M­Payment in den letzten Jahren rasant verbreitet. Die weltweit führenden Finanzdienstleister – Master­card, Visa und American Express – sind sich dieser Entwicklung schon seit Langem bewusst und bieten entsprechende Systeme an. Die entwickelten Systeme werden wiederum Banken und Geldinstituten angeboten. Kunden mit einer digitalen Visa oder Mastercard können mit ihren Geräten in Geschäften dann bei­spielsweise per Tap&Pay bezahlen. Obwohl diese Art des Bezah­lens problemlos möglich ist, wird das mobile Bezahlen von den Banken allerdings noch immer nicht grossflächig eingesetzt. Welche Gründe gibt es dafür?

Eine der grossen Barrieren könnten die vielen verschiedenen Ansätze zum Markteintritt sein: Die Geldinstitute wissen oft nicht genau, für welchen Ansatz sie sich entscheiden sollen. Anfäng­lich gab es nur zwei Möglichkeiten zur Nutzung von mobilen Be­zahlmöglichkeiten, nämlich den Weg über die Gerätehersteller oder jenen über die Telekommunikationsunternehmen, deren Systeme auf den neusten Technologien basierten. Heutzutage entwickeln sich neue Technologien aber so schnell weiter, dass sich Banken infolge der zahlreichen Alternativen nur schwer für eine bestimmte Technologie entscheiden können. Allerdings ist der Wettbewerb im digitalen Segment momentan so hart um­kämpft, dass die Frage nicht lautet ob, sondern vielmehr wann digitale Bezahlsysteme eingeführt werden sollten.

Die Standards haben sich durchgesetztDie Antwort auf diese Frage ist: Der richtige Zeitpunkt, um M­Pay­ment­Lösungen anzubieten, ist jetzt! Im Bereich mobiler Be­zahllösungen haben sich mittlerweile feste Technologie­ und Verfahrensstandards durchgesetzt. Doch um eine geeignete Strategie zur Umsetzung zu finden, müssen sich Banken das ent­sprechende Know­how aneignen. Dies ist ein weiterer Grund, warum sich mobile Bezahlverfahren nur langsam durchsetzen.

Wollen Banken eigene Lösungen implementieren, müssen sie sicherstellen, dass sie dauerhaft über das erforderliche Fachwis­

sen verfügen und stets auf dem aktuellsten Stand der Entwick­lungen bleiben. Der Betrieb einer mobilen Bezahllösung bedeutet auch, mit den neusten Anforderungen im Bereich Sicherheit und Technik vertraut zu sein und sich jährlich mehreren Zertifizie­rungsprozessen zu unterziehen. Das kann sowohl finanziell als auch im Hinblick auf den Arbeitsaufwand sehr kostenintensiv sein. Dies kann ein weiteres Hindernis darstellen.

Die gute Nachricht ist allerdings, dass diese Hürden leicht überwunden werden können, denn trotz aller bestehenden Wid­rigkeiten muss die Einführung von mobilen Bezahloptionen kein aufwendiger und arbeitsintensiver Prozess sein. Eine Koopera­tion mit Unternehmen aus dem Bereich Fintech wie beispiels­weise MeaWallet kann viele Hindernisse beseitigen. Die Kombi­nation aus der Expertise eines solchen Unternehmens mit marktgängigen, zertifizierten Lösungen macht die Einführung entsprechender Systeme innerhalb von wenigen Wochen prob­lemlos möglich. Auch die Aufwände, die mit der Aktualisierung, Wartung und Zertifizierung der eingesetzten Technologien ver­bunden sind, werden deutlich reduziert. Es gibt also keinen Grund, länger zu warten. FO

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Die Zeit ist reif für M-Payment!

Mobile Payment // Viele Bankinstitute überlegen, wie und wann sie der rasanten Entwicklung von M-Payment folgen sollten. Die

Probleme, die mit der Einführung dieser Verfahren verbunden sind, können auf ganz einfache Weise gelöst werden.

Geir Norlund, CIO, MeaWallet

Der Autor

Geir NorlundCIO, MeaWallet

Geir Norlund blickt auf eine lange Karriere – spezialisiert auf mobile Lösungen – in der IT- und Finanzindustrie zurück. In Führungspositionen bei Unternehmen wie Europay, Elavon, Luup Solutions und IBM verantwortete er Lösungen für regionale und internationale Kunden.

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Digitalisierung hat, ernst genommen und konsequent umgesetzt, disruptiven Charakter.1 Diese fundamentale Veränderung geht von der neuen Gewohnheit der Kunden aus, modernste Technologien im täglichen Leben zu nutzen. Entsprechend ändern sich die Be­dürfnisse der Kunden hinsichtlich der Interaktion mit dem Unter­nehmen. Die Antwort des Unternehmens kann nicht kosmetischer Natur sein, sondern erfordert eine umfängliche Neuausrichtung der Marktpräsenz wie auch der internen Geschäftsprozesse.

Neben neuartigen Kundeninteraktionsansätzen ermöglicht die Digitalisierung innovative Ökosysteme, in denen diverse Un­ternehmen in strategischen Kooperationen dem Kunden radikal neue Dienstleistungen und Produkte anbieten können. Gerade in der Versicherungsbranche, deren Produkte viele Aspekte des indi viduellen und betrieblichen Lebens streifen, bieten sich im­

mense Potenziale und völlig neue Kooperationen zur besseren Serviceerbringung für den Kunden an.

Die Generali Schweiz geht diesen Weg der Digitalisierung konsequent, richtet ihre IT­Landschaft neu aus und investiert in die benötigten Plattformen. Eine Data­Streaming­Connection­ Plattform verbindet unsere Versicherungskernsysteme mit den Kanälen, in denen wir unsere Kunden mit einem Omnikanal­An­satz umfänglich bedienen. Die Basis für die bimodale IT ist damit gelegt. Portale zum Self­Service des Kunden, zur Unterstützung unseres Agentennetzwerks, unseres Direktvertriebs und unserer Customer­Care­Einheiten sowie die Schnittstellen zu unseren Ko­operationspartnern werden grundlegend neu strukturiert. Neben diesen Schnittstellen zu unseren Kunden verbessern wir die Customer Value Proposition durch Innovation der Produkte und Automatisierung der internen Prozesse mit modernen Advanced-Analytics- und Artificial-Intelligence (AI)-Methoden.

Raus aus der bestehenden OrganisationInnovation geht immer vom Kunden aus. Human­Centered­ Design­Vorgehensweisen, wie etwa Design Thinking, führen in enger Kundeninteraktion in ein bis zwei Monaten zu greifbaren Prototypen. Um diese in einer Minimum Viable Proposition (MVP) zur Marktreife zu bringen, gehen wir raus aus der bestehenden Organisation der Generali Schweiz und rein in operativ unabhän­gige Start­ups. Wir sind Sponsor des Zürcher F10 Incubators und haben dort z. B. in unserem Start-up «Lings» eine neue Kameraver­sicherung in nur drei Monaten erstellt. In einer anderen Initiative haben wir im gleichen Umfeld in nur sieben Wochen die MVP einer AI- Funktionalität geschaffen, die sich – etwa auf Facebook – um Anliegen unserer jungen Zielgruppen kümmern kann. Im Moment bauen wir eine «Innovations­Garage» auf unserem Campus auf.

Grundlage für eine konsequente Digitalisierung ist die Kultur­veränderung. Es gibt keine Innovation in der Komfortzone. Wir müssen unsere angestammte Umgebung verlassen, alte Denk­weisen hinterfragen und neue Wege gehen. Wege, die auf den ersten Blick ein unternehmerisches wie auch persönliches Risiko darstellen. Die Risiken der konsequenten Innovation sind aber Scheinriesen – in Anlehnung an ein Kinderbuch von Michael Ende: Nähert man sich ihnen, werden sie umgänglich und unge­ahnte Potenziale zur Erneuerung kommen hervor. Der Weg der Digitalisierung und Innovation bei der Generali Schweiz ist vor­gezeichnet, die Basis gelegt und der Kulturwandel unterwegs.

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Forza Generali – Innovation und Digitalisierung

Disruption // Generali Schweiz geht als Versicherungsunternehmen konsequent den Weg der Digitalisierung. Sie richtet ihre IT

völlig neu aus und investiert in die benötigten Plattformen. Human Centered Design ist das Leitmotiv der Umstellung.

Martin Frick, COO, Generali Schweiz

Der Autor

Martin FrickCOO, Generali Schweiz

Martin Frick hält seit Anfang 2017 die Position des COOs der Generali Schweiz. In seiner bisherigen Laufbahn war er im internationalen Umfeld in Technologie­ und Consulting­Firmen, in Start­ups sowie Large­Corporate­Umgebungen tätig – seit 18 Jahren in Executive-Positionen. Zuletzt war er CIO des Fintechs Pintail in Zürich. Er hat drei Töchter, die in Oxford leben.

1 Krafzig Dirk, Deb Manas, Frick Martin: The Digital Cook-Book, 2017. Siehe www.digital­cookbook.com

Wir digitalisieren Ihr Unternehmen. ti8m.com

Client Onboarding – 1 von über 15 Businessmodulen der ti&m channel suite.So pflegen Sie heute und morgen Ihre digitalen Kundenbeziehungen. Einfach, schnell und modular.

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Der Autor

Prof. Tom PhilippsInstitutsleiter IFID, Institut für Innovation und Design

Prof. Tom Philipps studierte Maschinenbau und später Industriedesign. Seit 2000 ist er Professor für Industriedesign mit den Schwerpunkten Entwurf und Technologie an der Hochschule Darmstadt und Institutsleiter des Instituts für Designforschung und des Instituts für Innovation und Design. Seine Forschungsschwer­punkte liegen im Bereich der Designmethodik im Kontext technologi­scher Anwendungen.

Wer kennt die Situation nicht? Bei geladenen Designwettbewerben oder Entwicklungsprojekten ist es üblich, dass Agenturen mit der gleichen Aufgabenstellung gegeneinander antreten. Nach der ers­ten Phasenpräsentation werden die Ergebnisse einzeln vorgestellt, bewertet und dem Auftraggeber eine Empfehlung für die weiteren Schritte gegeben – die finale Entscheidung ist ihm überlassen.

Die erzielten Ergebnisse der einzelnen Teilnehmer werden in der Regel jedoch nicht miteinander verknüpft. Die Idee eines be­teiligten Partners zu verwenden und diese mit der eines anderen zu verknüpfen, bietet offensichtlich einen Mehrwert, ist für den

Auftraggeber aber oftmals eine Herausforderung. Es sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: einerseits formelle, andererseits per­sönliche Gründe. Oftmals sind es die Eitelkeiten der Designer, die zu überwinden sind. Der Anspruch und das Festhalten an «meiner Idee» und deren Überlassung an einen Wettbewerber gilt es, zu lösen. Stellt sich hierbei zu Beginn die Frage nach dem Urheber­ und Nutzungsrecht, zeigt sich rasch, dass klare Spielregeln im Rahmen vertraglicher Regelungen vor Projektbeginn Bedenken ausräumen können. Was können Auftraggeber tun? Ein Ansatz, der international bereits verfolgt wird, ist, dass alle am Designwettbewerb beteiligten Agenturen ihre Ergebnisse vor­ei nander präsentieren. Dadurch entsteht Offenheit und Transpa­renz. Nachteilig bleibt aber an diesem Ansatz weiterhin, dass die nicht weiterverfolgten Ergebnisse nicht genutzt werden – Chan­cen und Potenziale gehen verloren. Open Innovation (OI) bietet im Rahmen der Produktentwicklung einen neuen Ansatz im De­

sign, indem die Agenturen einander nicht nur ihre Ergebnisse präsentieren, sondern sie auch weiter nutzen sollen.1 Von diesem Ansatz profitieren sowohl die Auftraggeber als auch die im Wett-bewerb stehenden Agenturen: Für den Auftraggeber erhöht sich die Wertschöpfung durch bessere Ergebnisse, für alle beteiligten Agenturen ergeben sich durch das hohe Innovationspotenzial in der Ausarbeitung des Projekts genügend Aufgaben. Eine klassi­sche Win­win­Situation, die Innovation und Partnerschaft för­dert.2 Diesen Ansatz zur Innovationsfindung und Nutzung von Potenzial wende ich seit vielen Jahren sowohl im Rahmen der Lehre als auch im industriellen Kontext in Form von Entwick­lungsprojekten an.

Für den Fahrradanhänger­Hersteller zweipluszwei GmbH aus Köln (heute Crouzer GmbH) lud unser Institut drei international agierende Designagenturen aus England, Deutschland und der Schweiz zu einem fünfmonatigen Projekt ein. Dieses Projekt wur­de erstmalig unter dem Aspekt des oben beschriebenen Open­ Innovation­Konzepts durchgeführt. Die anfängliche Skepsis gegenüber dem Verfahren schwand nach kurzer Zeit. Alle entwi­ckelten Teil­ und Abschlussergebnisse der einzelnen Projektpart­ner wurden über eine Datenplattform geteilt und zur Verfügung gestellt. Zu Beginn starteten alle Protagonisten mit der gleichen Aufgabenstellung. Nach den gemeinsamen ersten Zwischenprä­sentationen entstanden aus dem Fundus der Ideen spezialisierte Teilaufgaben, die den jeweiligen Schwerpunkt themen der Agentu­ren entsprachen. Ein primärer Vorteil des Verfahrens für den Auf­traggeber war, dass die Agenturen aufgrund der Wettbewerbssi­tuation ein deutlich höheres Ideenpotenzial ausschöpften. Im beschriebenen Beispiel reichte der Ideenpool für einen angestreb­ten Fünfjahresplan mit Perspektivanalyse und Aufbau einer mo­dularen Produktfamilie. Im OI­Design prozess ist der monetäre Aufwand zwar höher, der Ertrag aber auch um ein Vielfaches grösser als beim tradierten Prozess.

Nun kann gesagt werden, dass es sich hierbei im weitesten Sinne um die Vorteile von Gruppenarbeit handle und dies sei nichts Neues. Das ist grundsätzlich richtig. Neu ist der OI­Design­prozess aber im Kontext der Agenturszene, in der Agenturen im Wettbewerb stehen und üblicherweise nicht gemeinsam an Pro­jekten arbeiten.

Um den Studierenden diese Methodik näherzubringen, prak­tiziert das IFID u. a. das Prinzip des Open-Innovation-Prozesses in Kooperation mit Partnern aus der Industrie. Dem oft adressier­ten Wunsch, junge und unverbrauchte Köpfe (Studierende) mit Situationen aus der Praxis zu konfrontieren, können wir damit gerecht werden.

Die CESAR-Methodik am Beispiel ZuckerDas OI­Designprojekt «Innovationen mit Zucker» für den WVZ (Wirtschaftlicher Verband Zucker) ist hierfür ein gutes Beispiel. Der Verband plante ursprünglich, einen klassischen Studenten­wettbewerb zum Thema Zuckerstreuer zu lancieren. Da die in­haltliche Herausforderung nicht ausreichte, und Zucker im Kon­text mit Ernährung in der Gesellschaft mit einem sehr schlechten Image kämpft, entschied man sich, die Vorteile des Zuckers im Rahmen eines OI­Designprojekts zu betrachten.

Gemeinsam mit den Studierenden wurden im Rahmen eines Semesterprojekts die Zukunftspotenziale von Zucker aufgegriffen und in Form von Konzepten ausgearbeitet. Das Siegerprojekt «Zu­ckerbatterie» erlangte über die Veranstaltung hinaus Aufmerksam­keit und gewann einen Internationalen Design wettbewerb.3

Als methodische Grundlage diente die von mir entwickelte CESAR-Methodik zur Analyse, Gewichtung und Innovationsfin­dung. Neben den Aspekten des OI­Designprozesses ist vor allem die analytische Betrachtung des Entwurfskontextes in drei unter­schiedlichen Dimensionen von Bedeutung. So bezieht sich das Modell im Rahmen der ersten Dimension auf die wirtschaftlich­un­ternehmerische Perspektive (C = Corporate) und betrachtet hier­bei z. B. Wettbewerbsfaktoren und strategische Positionen. Auf der subjektbezogenen Experience­Dimension (E) konzentriert sich das Modell auf den Nutzer bzw. Anwender und integriert auch Er­kenntnisse der Psychologie, Ergonomie und User Experience. Die dritte Dimension stellt die technisch­systemische Perspektive (S = System) dar und umfasst alle funktionalen bzw. technischen Aspekte des Entwurfs. Hierbei spielen auch die neuen Produkti­onsverfahren und Wertstoffkreisläufe bis hin zur Life cycle Analy­sis eine Rolle. Die beiden darauffolgenden Phasen Action (A) und Result (R) bezeichnen primär einen auf Basis des Design Thinking aufbauenden Prozess des Entwerfens.

Innovationswettbewerb im Kontext der Produktentwicklung

Open Innovation // Die Kombination des Open-Innovation-Ansatzes mit der CESAR-Methodik ermöglicht einen grösseren Output

an Ideen, die effektivere Nutzung von Ressourcen und auch nach langer Zeit nachvollziehbare Entscheidungen.

Prof. Tom Philipps, Institutsleiter IFID, Institut für Innovation und Design

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Die CESAR-Methodik als methodische Grundlage zu Open Innovation

1 Chesbrough, Henry: Open Innovation: The new imperative for creating and profiting from technology. Harvard Business School Press, Boston 2003, S. XXIV.

2 Vgl. Huff, Anne Sigismund; Möslein, Kathrin M.; Reichwald, Ralf (Hg.) (2013): Leading open innovation. Cambridge: The MIT Press.

3 www.schmecktrichtig.de/category/zucker/zukunft­zucker

Modul 0Motivation

Modul 1Recherche + Analyse

Systemische Betrachtung

Modul 2Innovation + Konzeption

Design

Workshop, Design

FP 1

FP 2

FP 3

FP 4

FP 5

FP 6

FP 7

Fokuspoints

Modul 3Definition

Modul 4Realisation

Corporate

Experience

System

Action Result

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Der Autor

Sebastian CommentGeschäftsführer clevercircles

Sebastian Comment war in den letzten zehn Jahren als Marketingleiter für den Aussenauftritt und die Kommunikation der Banque CIC (Suisse) verantwortlich sowie für diverse Projekte. Zuvor hat er die Vermögensverwaltung mit Fonds aufgebaut und geleitet. Als Geschäftsführer von clevercircles verantwortet Sebastian Comment die Entwicklung und Vermarktung der gleichnamigen neuen Anlageplattform und weiterer Fintech­ Innovationen. Sebastian Comment ist studierter Betriebsökonom und Master of Corporate Communications.

Die Banque CIC (Suisse) hat gemeinsam mit ti&m eine neuartige digitale Vermögensverwaltungsplattform entwickelt, die sich deutlich von bestehenden Angeboten unterscheidet. Die Platt­form, die unter dem Namen clevercircles im Frühling 2018 auf den Markt kommt, verknüpft die Vorteile von Robo­Advisors erst­mals mit der Möglichkeit, die Asset Allocation taktisch selber zu steuern und dabei die eigene Meinungsbildung mit selbst ge­wählten Vertrauenspersonen oder der Crowd abzustimmen. So kombiniert clevercircles als weltweit erster Multi­Advisor die In­telligenz von Menschen mit der Effizienz von Maschinen.

Der Kunde will regelmässig mitentscheidenWenn es um die Verwaltung von Vermögen geht, wünschen sich die Schweizer neben einer einfachen und günstigen Lösung vor allem die Möglichkeit, regelmässig über ihre Portfolio­Zusam­menstellung mitentscheiden zu können. Zwei von drei Personen erachten dies als wichtig, in der jüngeren Generation sind es sogar 74 Prozent. Die Partizipation des Kunden als wichtiges Bedürfnis steht deshalb im Zentrum der neuen Plattform. Mit clevercircles können Kunden ihre Anlageentscheide über einfa­che und intuitive Fragen regelmässig auf Stufe der taktischen Asset Allocation anpassen. Damit füllt clever circles die Lücke im digitalen Angebot der Banken zwischen automatisierten Vermögensverwaltungsmandaten und komplexen Trading­Platt­formen.

Echte Innovation: der weltweit erste Multi-Advisor

Sebastian Comment, Geschäftsführer clevercircles

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Von der Idee zur Lösung Eine Idee ist nur so gut wie die Menschen, die sie umsetzen. Oft werde ich gefragt, woher die Idee zu clevercircles kommt. Es gibt dazu keine abenteuerliche und mystische Story. Wir haben einfach strukturiert nachgedacht, weil uns klar war, dass bestehende Robo­ Advisor­Lösungen in aller Regel existierende Vermögensverwaltungs­lösungen sind, die einfach mit einer digitalen Kundenschnittstelle erweitert wurden. Sie decken aber kein zusätzliches Kundenbedürfnis ab, abgesehen von tieferen Kosten. Ebenso schienen uns die beste­henden Lösungen zu passiv und langweilig. Institutionelle Investoren machen es vor: Sie achten nicht nur auf die Kosten, sondern sie besprechen regelmässig Markterwartungen und stimmen das Port ­ folio darauf ab. Das war die Geburtsstunde der Circles, dem Online­ pendant als privates «Anlage komitee». Entscheidend für die Lösung, die daraus entstanden ist, war aber nicht die Idee, sondern das Teamwork danach!

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Clevercircles ist weit mehr als ein Robo-AdvisorAuf clevercircles definiert der Kunde seine Anlagestrategie. Er kann dabei die Investitionsquoten von 16 zugrunde liegenden Asset ­Klassen beliebig und komplett individuell bestimmen. Dar­über hinaus stellt der Kunde für jede Anlageklasse taktische Bandbreiten ein, innerhalb deren er regelmässig über eine Unter­ oder Übergewichtung entscheiden kann. Der Kunde ist dabei äusserst flexibel und kann auch asymmetrische Band breiten de­finieren. Ein tendenziell risikoaverser Kunde stellt also bei Aktien beispielsweise eine tiefe Minimalquote ein, sodass er bei negati­ver Aussicht das Risiko deutlich nach unten anpassen kann.

Alle zwei Monate findet ein Umschichtungszyklus statt. Das Herzstück ist dabei die Abstimmung. Mit einem einfachen Frage­bogen kann jeder Teilnehmer seine Erwartungen zu den wichtigs­ten Märkten abgeben. Die Fragen sind intuitiv formuliert, sie kön­nen auch ohne Vorwissen beantwortet werden. Die ergänzenden Begleittexte und Argumente sind frei von Anglizismen und Fach­begriffen aus der Finanzsprache. Ein kleiner, aber feiner Unter­schied für die Nutzerfreundlichkeit der Plattform.

Wie es in Familien, Freundeskreisen und insbesondere auch bei professionellen Anlegern üblich ist, kann der clever­circles­Kunde nun seine Meinung mit derjenigen seines Circles vergleichen. Man kann sich einen Circle als selbst zusammen­gestelltes «Anlagekomitee» vorstellen. Mit dem Unterschied,

dass der Depotinhaber zwar seine Sicht mit Vertrauenskreisen validieren kann, schlussendlich aber eigenständig über eine ef­fektive Umschichtung entscheidet.

Win-win-win-Effekt für Vermögensverwalter und BankenFast alle Finanzinstitute beschreiben dasselbe Problem. Ob­schon die Börsen seit Jahren im Hoch sind und auch neutrale Experten immer wieder bestätigen, dass es langfristig Sinn macht, Anlagen zu tätigen, passiert wenig auf Kundenseite. Auch neue Onlinekanäle im Anlagegeschäft konnten dieses passive Kundenverhalten nicht verändern. Clevercircles bringt neue An­sätze und überzeugt nicht nur mit den harten Faktoren, wie zum Beispiel tiefen Kosten und einem einfachen Zugang, sondern auch mit weichen Faktoren. Im Zentrum steht der Mensch. Dies schliesst Experten genauso ein wie unerfahrene Anleger. Bevor ein Mensch eine wichtige Entscheidung trifft, validiert er in der Regel seine Meinung mit Vertrauenspersonen. In Zeiten von So­cial Media findet dieser Prozess auch zunehmend online statt, es entstehen Communitys, die oft grösser und vielfältiger sind als der rein persönliche Kontakt. Clevercircles hat dies erkannt und den Community­Gedanken in die Anlagewelt transferiert. Clever­circles ist mandantenfähig und kann von anderen Vermögensver­waltern, Banken und Versicherungen im White­Label­Modell ein­

Banking // Die digitale Vermögensverwaltungsplattform clevercircles der Banque CIC (Suisse) kombiniert als weltweit

erster Multi-Advisor die Intelligenz von Menschen mit der Effizienz von Maschinen. So wird der Community-Gedanke in

die Anlagewelt transferiert.

Clevercircles ermöglicht es, die eigene Markterwartung mit derjenigen der Community zu vergleichen

gesetzt werden. Es ist eine schnelle und kostengünstige Variante, einen Multi­Advisor anzubieten. Die bestehende clevercircles­ Community kann dabei mit der eigenen Community verschmol­zen werden. Damit nimmt die kollektive Intelligenz für alle Betei­ligten zu und es entstehen echte Win­win­win­Situationen. Das Partnerinstitut kann auf eine bestehende Community zurückgrei­fen und die bestehende Community profitiert von den neuen Stimmen, die auf die Plattform kommen. Der Kunde als grösster Nutzniesser profitiert dabei von einer grösseren Vielfalt und einer stärkeren Basis in den Kollektivstimmen.

Das ist echte Coopetition und Innovation. Clevercircles ist eine Schweizer Erfindung, zu 100 Prozent in der Schweiz gemein­sam mit ti&m entwickelt und ausgerichtet auf einen multiplen, weltweiten Einsatz.

«Die bestehende clever-circles-Community kann mit

der eigenen Community verschmolzen werden. Damit

nimmt die kollektive Intelligenz zu.»

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Bislang haben sich nur wenige Fintechs als echte Konkurrenz für die etablierten Banken hervorgetan. Nicht etwa, weil ihre meist auf einen Service ausgerichteten Produkte nicht gut wären, son­dern, weil ihnen der Kundenzugang oder die dafür notwendigen Mittel zur Kundengenerierung fehlen. Dies führte zu einer Ent­wicklung, bei der sich immer mehr Fintechs nicht mehr als Pro­duktanbieter im Kundenmarkt aufstellen, sondern als Techno­logieanbieter positionieren oder sich vollständig in eine etablierte Bank integrieren.

Im EU­Raum könnte diese Entwicklung mit PSD2 wieder eine Trendwende erleben, da der Zugang zu Kundendaten über eine Schnittstelle gewährleistet werden muss. Davon profitieren alle Zahlungsauslösedienstleister und Kontoinformationsveredler. Die Herausforderung, wie man Herr über die eigenen Kunden­schnittstellen bleibt, gewinnt damit zusätzlich an Dringlichkeit. Wer seine direkte Kundenbeziehung nicht aus der Hand geben will, muss eigene, innovative Services anbieten.

Der Einkauf einer neuen Dienstleistung bzw. Technologie ist aber nicht nur eine Frage des Preises, sondern bringt auch einen hohen Integrationsaufwand mit sich. Die Entwicklung eigener Innovationen erfordert wiederum nicht nur das notwendige Know­how, sondern auch eine Innovationskultur. Egal, welche Innovationsstrategie man wählt, Zukauf oder Eigenentwicklung, eine kurze Time­to­Market als erfolgskritischer Faktor ist mit kei­ner Variante wirklich garantiert.

Hier kommt das Konzept der App­Factory zum Einsatz. Eine App­Factory vereinfacht nicht nur die Entwicklung, sondern auch die Integration neuer Services in eine bestehende Systemwelt. Kunden der hauseigenen ti&m channel suite profitieren zum Bei­

spiel von allen zukünftigen Fremd­ und Eigenentwicklungen mit dem CDK (channel suite development kit). Dieses Zusammen­spiel ist vergleichbar mit dem App­Store von Apple und dem iPhone­SDK. Kunden der ti&m channel suite bekommen nicht nur Services out­of­the­box, sondern lösen mit dem App­Factory­ Prinzip des CDK gleichzeitig auch die zeitkritischen Fragen bei der Integration eingekaufter Dienstleistungen oder der Entwick­lung eigener Software­Lösungen.

Die ti&m channel suite unterteilt sich in zwei Bereiche: einer­seits in Business­Services (ein eigentlicher App­Store für Banken), andererseits in Integrationsmodule (Adapter). Technologisch un­terscheiden sich die beiden Servicetypen nicht – beide sind als Micro­Services aufgebaut und somit unabhängig voneinander einsetzbar. Business­Services verantworten die fachlichen Aspek­te, während die Integrationsmodule die Schnittstelle beziehungs­weise die Endpunkte zu den Umsystemen sicherstellen.

Continuous Delivery und DeploymentSoftware­Projekte werden ohne sinnvolle Hilfsmittel stetig kom­plexer. Vor allem im Bereich einer Micro­Service­Architektur wer­den unter Umständen mehrere Hundert Software­Komponenten in Services konsolidiert und über mehrere Umgebungen hinweg ausgeliefert (engl. «deployed»). Um Fehlerquellen wegen der Komplexität zu eliminieren und innerhalb nützlicher Frist ganze Systeme vollumfänglich zu implementieren, abstrahiert und auto matisiert das CDK die Deployment Pipelines. Während in einer typischen Testumgebung die meisten Schnittstellen noch simuliert (engl. «mocked») sind, werden auf den weiteren Stufen Kern­ und Informationssysteme mit Testdaten und produktiven Daten angebunden. Diese Deployment­Prozesse stellen sicher, dass neue Services beim Erstkontakt mit Kunden auch funktio­nieren und korrekte Daten angezeigt werden, denn bekanntlich zählt der erste Eindruck. Ein etablierter Player kann es sich nicht erlauben, dass der Kunde zum Testnutzer wird. Dies gilt ins­besondere, wenn es um sensible Finanzdaten beziehungsweise Finanztransaktionen geht.

Frontend und Prozessmodellierung«Enterprise Grade»­Software muss auch sinnvoll ins Frontend integriert werden können. Deshalb unterstützt die App­Factory (CDK) moderne Web-Technologien wie z. B. Angular und React zur Frontend­Integration in ein Portal, eine Webseite oder auch in eine SPA (Single Page Application).

Der Autor

René KonradHead Products, Mitglied der Geschäftsleitung, ti&m

René Konrad ist seit über zehn Jahren in den Bereichen Kundenportale, Client Onboarding, Mobile und Web Security sowie Credit Risk tätig. Er ist Gründer mehrerer E­Commerce­ sowie Digital­Marketing­Start­ups.

Darüber hinaus können mit dem «Business Process Manage­ment»­Modul der ti&m channel suite Prozesse End­to­End digita­lisiert und eigene Software dadurch schneller und standardisier­ter umgesetzt werden. Bewährte Modellierungsstandards wie zum Beispiel BPMN (Business Process Model and Notation) oder CMMN (Case Management Model and Notation) werden eingesetzt, um die Prozesse zu entwerfen und unterbruchsfrei auszurollen. Regelbasierte Systeme können auf Basis von DMN (Decision Model and Notation) modelliert und in den Soft­ware­Komponenten verwendet werden. Dies gewährleistet zu­dem, dass bestehende und funktionierende Prozesse nicht für neue Services angepasst werden müssen, sondern bestehende Prozesse eins zu eins digitalisiert werden können.

Mit der ti&m channel suite und dem zugehörigen Develop­ment Kit eröffnet sich Banken eine zusätzliche Option, Herr über

die eigenen Kundenschnittstellen und den darauf basierenden Services zu bleiben. Die App­Factory ist demnach auch die rich­tige Antwort auf die Frage, mit welcher Strategie kundenrelevan­te Innovationen zur Verfügung gestellt werden: doppelt so schnell wie die Konkurrenz. Ob eingekauft oder selbst entwickelt, wird richtigerweise zur Nebensache.

App-Factory: Innovationsvorsprung durch kurze Time-to-Market

Kundenschnittstellen // Eine der grössten Herausforderungen für die Bankenwelt ist, Herr über die eigenen Kundenschnittstellen und den darauf

basierenden Services zu bleiben. Bedingt ist dies durch technische wie auch regulatorische Veränderungen. Zu «Make or Buy» als Lösungsstrategie

kommt eine weitere Option hinzu: die App-Factory.

René Konrad, Head Products, Mitglied der Geschäftsleitung, ti&m

«Ein etablierter Player kann es sich nicht erlauben,

dass der Kunde zum Test-nutzer wird – ins besondere,

wenn es um sensible Finanzdaten geht.»

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Neue Technologien schaffen die Grundlage für neue Produkte und Dienstleistungen sowie für neue Prozesse und Geschäfts­modelle. Um die technologischen Möglichkeiten in ökonomi­schen Erfolg zu verwandeln, müssen die neuen Marktchancen aber erst identifiziert werden. In diesem Zusammenhang wird von Innovatoren oftmals das «Aha­Erlebnis» beschrieben, das mit einer Zufallsentdeckung einhergeht.

Um dem Phänomen der Entdeckung von Geschäftsmöglich­keiten systematischer auf die Spur zu kommen, begann Marc Gruber vor rund 15 Jahren, gezielt der Frage nachzugehen, was Unternehmen auszeichnet, die diese Aktivität besonders gut be­herrschen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Arbei­ten mit zwei amerikanischen Forschern war, dass wiederholt er­folgreiche Gründer – sogenannte Serial Entrepreneurs – anders vorgehen als Neugründer. Sie erkennen zunächst eine Vielzahl von Geschäftsmöglichkeiten, bevor sie sich für eine entscheiden. Mit Sharon Tal hat er diesen Befund vertieft. Insgesamt wurden Daten zu mehr als 1000 Start­up­Unternehmen analysiert.

Der «Market Opportunity Navigator»Um die Ergebnisse der Geschäftswelt zugänglich zu machen, ist von Gruber und Tal der «Market Opportunity Navigator» entwi­

ckelt worden, der sowohl Start­ups als auch etablierte Unterneh­men dabei unterstützen soll, neue Geschäftsmöglichkeiten sys­tematisch aufzuspüren, zu evaluieren und mithilfe einer agilen Strategie bestmöglich umzusetzen. Drei Schritte bilden das Herz­stück des Navigators.

1. Das «Market Opportunity Set»: Das Ziel des ersten Schrit­tes ist es, möglichst viele verschiedene Marktmöglichkei­

ten auf Basis der eigenen Ressourcen oder Fähigkeiten zu identi­fizieren. Dabei kann es sich um verschiedenste Möglichkeiten aus einem breit gefächerten Spektrum von Märkten handeln – zum Beispiel von Anwendungen in der Raumfahrt bis hin zu Märkten wie der Erdölförderung oder der Automobilindustrie. Wichtig ist die Offenheit gegenüber neuen Ideen. Neue Markt­möglichkeiten können sich mitunter erheblich in ihrer Attraktivi­tät unterscheiden, sodass eine breite Sichtweise hilft, die relative Qualität der Ideen einzuschätzen (siehe Schritt 2). Es ist wichtig, die generische Funktionalität der eigenen Ressourcen oder Fä­higkeiten zu verstehen – was können diese unabhängig von einer spezifischen Applikation leisten? Stellen Sie sich beispielsweise die Hitzeschildkachel des Space Shuttles vor – die grundlegen­den Fähigkeiten können nicht nur in der Raumfahrt eingesetzt werden, sondern auch bei Katalysatoren, in Kaminen etc. Ein praxisnahes Worksheet unterstützt diese Aktivität.

2. Die «Attractiveness Map»: Der zweite Schritt soll helfen, den potenziellen Wert verschiedener Marktmöglichkeiten

besser zu verstehen. Die «Attractiveness Map» hilft bei der Be­wertung der Möglichkeiten anhand ihres Potenzials und der da­mit verbundenen Herausforderungen – und dies nicht nur für eine Idee, sondern für alle identifizierten Möglichkeiten. Wieder­um unterstützt ein Worksheet diese Aktivität. Wenn Sie an die Hitzeschildkacheln und ihre verschiedenen Anwendungsfelder denken, ist in diesem Schritt jede Marktmöglichkeit anhand ihres Potenzials und ihrer Herausforderungen zu evaluieren und an­schliessend in die «Attractiveness Map» einzufügen. Sie sehen dann sowohl die einzelne Platzierung als auch die Gesamtüber­sicht aller Marktmöglichkeiten: Ihr Opportunity­Portfolio!

3. Das «Agile Focus Dartboard»: Das Ziel des «Agile Focus Dartboard» ist es, eine Strategie zu entwickeln, die das

Risiko von Innovationen abfedert und gleichzeitig die Chance er­öffnet, neuen ökonomischen Wert zu schaffen. Dies gelingt durch die Verknüpfung verschiedener Marktmöglichkeiten, die eng miteinander verbunden sind und sich daher mit geringerem Aufwand (gemeinsam) nutzen lassen. Mit Blick auf die identifi­

Der Autor

Prof. Dr. Marc GruberVize-Präsident für Innovation und Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship & Technologie-kommerzialisierung (ENTC) an der EPFL

In seiner Forschungsarbeit befasst sich Prof. Dr. Marc Gruber mit zentralen Fragen des Entrepreneurship und des Innovationsmanage­ments. Er zählt zu einer der einflussreichsten Entrepreneurship­For­scher weltweit und wurde mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet.

Die Autorin

Dr. Sharon TalDozentin für Marketing und Entrepreneurship, Start-Up-Coach

Sharon Tal ist eine der Mitgründerinnen und frühere Exekutiv­Direktorin des Technion Entrepreneurship Center in Haifa, Israel. In ihrer Doktorarbeit erforschte sie die Identifizierung und Nutzung von neuen Marktmöglichkeiten.

zierten Marktmöglichkeiten sollten sich Unternehmensgründer fragen, wie sie einerseits fokussieren, andererseits einen Plan B oder eine weitere Wachstumsoption in ihre Strategie einbinden können. Dies hat bereits in einer frühen Phase eine grosse Be­deutung, indem zum Beispiel Ressourcen flexibler gestaltet oder ein Markenname gewählt wird, der diese alternativen Entwick­lungspfade berücksichtigt. Wiederum unterstützt ein praxis­nahes Worksheet diese Aktivität. Beispielsweise könnte diese Analyse zeigen, dass die Raumfahrt­Marktmöglichkeit den ersten Marktfokus bilden soll, und die Marktmöglichkeit bei Katalysato­ren in der Automobilindustrie eine weitere Wachstumsmöglicheit schafft, die man bereits jetzt anhand von Markenbildung, IP­Stra­tegie oder Technologiestrategie ins Auge fassen kann, ohne tat­sächlich in den Markt einzutreten. Man bereitet sich also bereits darauf vor, um dann rascher und mit geringeren Kosten in einen weiteren Markt eintreten zu können.

Ein fortlaufender ProzessIn unserer Arbeit mit Jungunternehmern und etablierten Firmen stellten wir immer wieder fest, dass sich der Nutzen des Market «Opportunity Navigator» nicht nur einmalig zur Identifizierung, Evaluation und Nutzung neuer Geschäftsmöglichkeiten entfaltet. Der Prozess kann in eine fortlaufende Routine überführt werden: Neue Chancen werden immer wieder erkannt und es ist wichtig, sie im Kontext der bisherigen Chancen zu verstehen. Auch ist es

manchmal erforderlich, sich bisherige Entscheidungen in Erinne­rung zu rufen, sodass der «Market Opportunity Navigator» auch eine Methode für eine bessere Dokumentation dieser wichtigen unternehmerischen Entscheidungen darstellt.

Der technologische Wandel schafft die Voraussetzungen für neue Produkte, Dienstleistungen und Prozesse – aber es braucht eine unternehmerische Vision – ein «Entrepreneurial Mindset» –, um die neuen Geschäftsmöglichkeiten zu erkennen und für sich zu nutzen. Der «Market Opportunity Navigator» ist ein unerläss­licher Partner auf dem Weg zur unternehmerischen Wertschöp­fung und bildet mit anderen Methoden – insbesondere der «Business Model Canvas» und des «Lean Start-Up»-Ansatzes – eine Suite von Business­Tools, die den neuen Realitäten des Wirt­schaftens entsprechen und Gründer sowie Manager in ihrem Arbeitsalltag unterstützen.

Weiterführende InformationenWer mehr zu dieser neuen Methode erfahren möchte, findet unter der Webseite der Autoren (www.wheretoplay.co) und im kürzlich erschienenen Praxiswerk «Where to Play» (Gruber & Tal, Financial Times/Pearson) detailliertere Ausführungen und Gratis­Downloads des Navigators und der im Artikel erwähnten Worksheets. Ebenso kann ein Gratis­Onlinekurs «Which markets to play in: A tool for innovators and entrepreneurs» (Gruber & Tal) auf der Plattform edX belegt werden.

Systematisch neue Geschäftsmöglichkeiten nutzen

Market Opportunity Navigator // Die richtigen Geschäftsmöglich-keiten zu finden, hängt oft vom Zufall ab. Die Autoren entwickelten ein Instrument, mit dem Opportunitäten systematisch aufgespürt,

evaluiert und umgesetzt werden können.

Prof. Dr. Marc Gruber, Lehrstuhl für Entrepreneurship & Technologiekommerzialisierung, EPFLDr. Sharon Tal, Dozentin & Innovationscoach

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Als Digitalisierungsexperte im Finanzbereich komme ich mehr­mals täglich in Kontakt mit dem Ruf nach Innovation. Es scheint fast, als würde das Überleben von Banken davon abhängen. Inno­vationslabore und Inkubatoren schiessen wie Pilze aus dem Bo­den, um innovative Geschäftsideen zu finden und zu fördern. Dies bringt mehrere positive Effekte: Zum Beispiel werden träge Firmen wachgerüttelt und ein Nährboden für interessante Pro­dukte und Dienstleistungen entsteht. Doch ganz so einfach scheint es dann doch nicht zu sein, sich am Markt zu etablieren.

Kreativität im Gehirn Gemäss Henning Beck zerlegt das Gehirn ein Problem in Einzel­teile, vergleicht es mit schon bekannten Lösungen und kann dann eine neue Lösung erzeugen. Gänzlich Neues schaffen kann das Gehirn gemäss Beck nicht, jedoch kann es aus bestehendem Wissen frische Ideen kreieren. Interessant hierbei ist, dass es zwei grundsätzlich unterschiedliche Denkansätze zur Zielerrei­chung gibt: konvergentes und divergentes Denken. Beim ersten Ansatz wird überwiegend analytisch und rational vorgegangen. Gegrübelt wird so lange, bis eine Lösung gefunden wird. Beim divergenten Denken schweift man ab, um Freiraum für das Ge­hirn zu schaffen und ihm zu ermöglichen, auch auf scheinbar abwegige Ideen zu kommen. Das eine Denkmuster schliesst üb­rigens das andere nicht aus.

An der Hochschule St. Gallen wurde die Entstehung von Busi­ness­Modell­Innovationen untersucht. Dabei wurde deutlich, dass ca. 90 Prozent aller Business-Modell-Innovationen Kombi­nationen aus 55 bekannten Mustern (wie z. B. Rasor & Blade) sind. Diese Businessmodell­Archetypen können dann mit neuen Ideen kombiniert werden, um das Erfolg versprechendste Busi­ness-Modell zu finden. Dazu wird die Idee und der Archetyp an­hand des Business­Modells Canvas ausdifferenziert1.

Per aspera ad astraDas eigentliche Innovieren ist für viele Menschen lustbringend und motivierend. Was dann folgt, ist für viele das pure Gegenteil. Nun heisst es, die Idee bzw. das Konzept sauber durchzudenken und auszuarbeiten. Dies hat der römische Philosoph Seneca schön mit seinem oben erwähnten Spruch umschrieben. Über­setzt heisst das «Über raue Pfade zu den Sternen».

Die Grafik unten rechts illustriert exemplarisch die zu durch­dringenden Hierarchiestufen und Dimensionen anhand einer ver­einfachten Prozesslandschaft für Vermögensverwalter. Es gilt nun, sehr sauber und strukturiert die Idee über sämtliche Dimen­sionen, von der Strategie über die Prozessebenen bis zum IT­ Design, durchzudenken. Speziell beim Prozessdesign ist darauf zu achten, dass sämtliche Betriebsprozesse auf Interdependen­zen überprüft werden, um spätere Überraschungen zu vermei­

Der Autor

Matthias PlattnerHead Technology & Processes, Global Financial Intermediaries, UBS

Matthias Plattner ist verantwortlich für die weltweite Digitalisierungsstrategie des UBS­Geschäftsbereichs «Financial Intermediaries» (unabhängige Vermögensverwalter). Seit einigen Jahren geht er spezifischen Fragen im Kontext der Digitalisierung im Finanz­B2B­Bereich nach. Im Rahmen seiner Master­Thesis des eMBA in Business Engineering hat er sich mit den Digitalisierungsmöglich­keiten der Customer Journey in Skigebieten beschäftigt. Die Arbeit wurde als «Beste Business-Engineering-Arbeit 2015/2016» ausgezeichnet.

den. Beim Vorgehensmodell gilt es, den richtigen Engineering­ Ansatz zu finden. Kann das Vorhaben eher mit einem Lean-Start-up­Ansatz oder doch besser mittels eines klassischen Ansatzes erreicht werden? Erfolgreiche Firmen können mit beidem um­gehen. Dies bringt uns ganz kurz zur Kultur einer Firma – dazu ein Zitat von Peter Drucker: «Culture eats strategy for breakfast.» Firmen müssen ein entsprechendes Umfeld und Freiräume schaffen, die Innovationen ermöglichen. Scheitern muss erlaubt sein, aber natürlich ohne die Firma zu gefährden.

Wie auch immer der Ansatz gewählt wird, plädiere ich für ein starkes Handlungsprimat anstelle von Analysen über Analy­sen. Bill Gates soll einmal gesagt haben: «If you can show me your business case, it's already too late.»

Wie APIs den Innovationsprozess beschleunigen könnenIn den vergangenen Jahren wurde viel über Fintech­Unterneh­men, disruptive Geschäftsmodelle und die Entflechtung von Bankdienstleistungen diskutiert. In letzter Zeit verlagerte sich der Fokus von den disruptiven Tendenzen hin zur Zusammen­arbeit. Einige Fintechs, die zunächst direkt Kunden bedienen wollten, verlagern sich auf das Angebot ihrer Software an andere Firmen (B2B).

Anstelle der Installation und des Betriebs im eigenen Umfeld werden nun APIs genutzt. Durch diese leichte Integration kann eine Bank oder ein Vermögensverwalter die Dienstleistung oder die Nutzer erfahrung relativ schnell für den Endkunden verbes­sern. Dies ist in der Zeit von immer kürzeren Produktlebenszyklen und stark erhöhten Anforderungen an das Kundenerlebnis (durch z. B. von Apple, Amazon oder Facebook verwöhnte Kunden) von eminenter Bedeutung. Selbstverständlich ist für die Nutzung die­ser Services eine entsprechende Gebühr zu entrichten. Womit wir bei der «Make or Buy»­Fragestellung sind. Im Kern steht die Fra­ge, ob der Entwicklungsaufwand der neuen Lösung genügend Alleinstellungsmerkmale und somit zusätzlichen Gewinnbeitrag bringt. Ich beobachte, dass sich Kollaborationen eher auf Ergän­zungs­ und Randthemen beziehen und die Kerndienstleistungen (noch) immer selbst entwickelt werden. Doch auch das könnte sich aufgrund des Margendrucks und der fehlenden Differenzie­rungsmöglichkeiten über die Zeit ändern.

Der Verbraucher bestimmt den GewinnerDer heftigste Kampf im Fintech­Bereich wird derzeit um die Vor­herrschaft bei der Kontotransparenz und der Zahlungsverarbei­tung ausgetragen. Konsolidierungsdienstleistungen, Kryptowäh­rungen und Web­ oder App­basierte Zahlungssysteme stehen im Wettbewerb mit traditionellen Zahlungsmitteln wie Bargeld oder Bank­ und Kreditkarten. Die europäischen Gesetzgeber unterstüt­zen neue Akteure mit der Verabschiedung der neuen Zahlungs­dienstrichtlinie II (ZDR II), die bald in Kraft treten wird. Die Vorgän­gerrichtlinie regelte die Zahlungsdienste zwischen etablierten Unternehmen, das neue Gesetz deckt alle elektronischen Zu­gangsarten zu Konten ab und möchte für die neuen Anbieter die gleichen Rahmenbedingungen schaffen wie für etablierte.

Was mit Konten begann, kann sich mit der Zeit auf sämtliche Finanzdienstleistungen erstrecken. Es wäre denkbar, dass Fir­men, die heute schon eine sehr hohe Nutzerzahl und Akzeptanz ihrer Plattformen (wie Amazon, Google, Facebook) haben, auch Bankdienstleistungen anbieten. Nicht als Bank selbst, sondern mit einer oder mehreren Banken im Hintergrund, die über APIs verbunden sind. APIs werden also zum Brandbeschleuniger im digitalen Wettbewerb.

Erfolg ist 1 % Inspiration und 99 % Transpiration: mit APIs schneller zum Ziel?

Banking // Disruption war gestern. Heute verlagert sich der Fokus zunehmend auf die Zusammenarbeit zwischen etablierten Firmen und Start-ups.

APIs werden dabei zum Brandbeschleuniger im digitalen Wettbewerb.

Matthias Plattner, Head Technology & Processes, Global Financial Intermediaries, UBS

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Innovation ist auch harte Arbeit: Es gilt, Hierarchiestufen und Dimensionen zu durchdringen

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Logistics (Office, Telephony, Meeting Rooms, IT Hardware, Client Meeting Rooms)

Management

Strategy(Vision, Mission,

Strategy)

Process Design

IT Design

1 www.bmilab.com

Legal

Marketing

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Digitalisierung bedeutet die Wandlung von analogen in digitale Daten. Digitale Transformation hingegen umfasst den durch technologischen Fortschritt ausgelösten gesellschaftlichen und unternehmerischen Wandel. Wichtigste Treiber dafür sind neben schnelleren Prozessoren und effizienteren Speichersystemen vor allem Netzwerke, Mobile Devices, künstliche Intelligenz und da­mit verbundene Anwendungen. Vor allem aber: Kunden verän­dern ihr Verhalten schneller als Organisationen.

Selbst kleine Unternehmen sind heute in der Lage, ganze Wertschöpfungsketten von der physischen Infrastruktur los ­ zu lösen und auf eine komplett virtuelle Ebene zu transferieren. Mit geringem Aufwand lassen sich so neue Geschäftsmodelle realisieren, vorausgesetzt, die Akteure beherrschen die Technolo­gien, finden Wege, sich zu finanzieren, und verstehen es, sich konsequent auf die Kundenbedürfnisse zu fokussieren. Diese Entwicklung setzt vor allem traditionelle Unternehmen potenziell unter Druck.

Der Weg zur DigitalstrategieViele Unternehmen sind aber aus ihrer Lethargie erwacht. Es gibt kaum ein Grossunternehmen, das nicht ein eigenes Innovation Lab auf die Beine gestellt, mindestens eine App entwickelt, neue

Geschäftsmodelle prototypisch umgesetzt oder Beteiligungen an Start­ups realisiert hat. Eine digitale Strategie zu ent wickeln, be­deutet, sich mit Technologietrends auseinander zusetzen. Die GVB setzte ihren CIO gemeinsam mit dem Marketingleiter auf das Thema an. Trend recherche und die Zusammenarbeit mit ei­nem Trendforschungsinstitut stellten die ersten wichtigen Schrit­te des Wegs dar. Workshops mit gleichgesinnten Unternehmen anderer Branchen verdeutlichten die Wichtigkeit von Partner­schaften in Ökosystemen und des Auf­ und Ausbaus von Netz­werken.

Eine kurze, selbstkritische Auseinandersetzung mit der eige­nen digitalen Maturität zeigte schnell, dass es in Sachen digitaler Transformation noch viel zu tun gibt. Zwar investierte die GVB seit Jahren in Digitalisierung als Mittel zur Erhöhung der Operati­onal Excellence, nicht aber in einen darüber hinausgehenden, di­gitalen Wandel.

Trends – und wie damit umgehenSind die Trends und deren Auswirkungen auf die Organisation erkannt, müssen Handlungsoptionen erarbeitet und qualifiziert werden. Den daraus resultierenden Fokus sollte man nie aus den Augen verlieren. Es hilft, eine digitale Reise zu planen, die Stake­

Der Autor

Thomas von GuntenCIO Gebäudeversicherung Bern (GVB)

Seit 2005 Mitglied der Geschäftsleitung der GVB und für die gesamtheitliche Führung der Informatik verantwortlich. Nach der kaufmännischen Ausbildung bei einer Bank folgte das Ingenieursstudium in Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule, später ergänzt durch ein Executive MBA in Integrated Management.

Die Digitalisierungsreise der GVB

Digitaler Wandel // Vielen Unternehmen fällt es schwer, einen sinnvollen Umgang mit dem digitalen Wandel zu finden. Die GVB

zeigt, wie sie sich mit Trends befasst, die Chancen der Digitali- sierung nutzt, die eigene digitale Maturität steigert und sich dabei

der Vorteile agiler Vorgehensweisen bedient.

Thomas von Gunten, CIO Gebäudeversicherung Bern (GVB)

holder mit an Bord zu holen und die dazu nötigen Rahmenbedin­gungen zu schaffen. Die GVB stellte für diesen Prozessschritt ein kleines, aus überwiegend jungen Mitarbeitenden bestehendes Team zusammen. Dieses leistete einen essenziellen Beitrag zur Überzeugungsarbeit. Die Vision der digitalen GVB wurde mittels Videoclips visualisiert, die erfolgreich in unterschiedlichen Gremi­en eingesetzt wurden.

Nach gelungener Überzeugungsarbeit stand der nächste Schritt an: die Erweiterung der Organisation zur Bewältigung der anstehenden Reise. Kunden, Mitarbeiter, Prozesse und Systeme sind vorwiegend auf das bestehende Geschäftsmodell aus­gerichtet. Diese gut eingespielte Konstellation soll zum einen nicht gefährdet und zum anderen weiterentwickelt werden. Pa ral­lel dazu müssen im Rahmen der Digitalstrategie auch neue Wege beschritten werden. Dieser Spagat stellt eine grosse Herausfor­derung dar.

Oft ist dabei ein klickbarer Prototyp überzeugender als ein mehrseitiges Konzept. Um mit dem sich rasant verändernden Kundenverhalten mitzuhalten, ist es ein Muss, den Kunden frü­hestmöglich in die Entwicklungen mit einzubeziehen. Getreu dem Motto «fake it till you make it» muss eine Produktentwicklung nicht abgeschlossen sein, um Feedback zu erhalten.

Bimodale IT: die Invasion der SchnellbooteDie erwähnte Parallelität widerspiegelt die Zerreiss probe, sich einerseits der Pflege und Weiterentwicklung des Bestehenden zu widmen, ohne das Vorantreiben von Innovationen zu vernachläs­sigen. Gartner prägte den Begriff der bimodalen IT, die der auf Stabilität und Zuverlässigkeit ausgerichteten, traditionellen IT eine auf Innovation und Differenzierung zielende IT zur Seite stellt. Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungszyklen wird das Modell auch als IT der zwei Geschwindigkeiten bezeichnet. Gerne bemüht man auch das Bild des grossen Tankers und der kleinen Schnellboote.

Schnellboote bedienen sich agiler Vorgehensweisen und bie­ten sich daher für digitale Transformationsprojekte geradezu an. Explorativ sollen sie Entscheidungsgrundlagen liefern, ob eine Integration in die Gesamtorganisation Erfolg verspricht. Ist der Entscheid positiv, kann dem Schnellboot ein umfangreicheres Projekt folgen. Bei einem Negativentscheid verschwindet das Schnellboot wieder von der Projektlandkarte. Nach erfolgreicher Überzeugungsarbeit in sämtlichen Gremien rief die GVB dafür eine eigene Einheit ins Leben. Unter der Führung der neu ge­schaffenen und intern besetzten Stelle des Chief Digital Officers wurden die ersten Schnellboote gemeinsam mit einem externen Team gestartet.

Agiles Vorgehen und seine TückenSchnellboote werden iterativ und inkrementell entwickelt. In Kombination verspricht dies Geschwindigkeit und Projekterfolg, weil das Produkt in Einzelteilen (Inkrementen), die ein Set an Funktionalitäten repräsentieren, entwickelt und stufenweise an­gepasst und verbessert wird. Jeder Zyklus besteht aus einer Pla­nung, der Abarbeitung, dem Review und der Retrospektive sowie kurzen Tagesmeetings (Dailys). Für alle Vorgänge werden fixe Zeitfenster (Timeboxes) definiert. Sind diese Projekte Teil einer grösseren Gesamtprojektlandschaft, bestehen gegenseitige Ab­hängigkeiten, die in einem Releasemanagement koordiniert wer­den. Diese Praktik erfordert weitreichende Umstellungen.

Die GVB hat erste Projekte mit Scrum umgesetzt, Trainings für Product Owner und Scrum Master durchgeführt und sowohl das Gesamtprojektmanagement als auch die Release­Planung auf agil umgestellt. Noch ist dieses Changemanagement nicht unternehmensweit abgeschlossen.

Ups and downs: Ernüchterungen als Ansporn verstehenDie GVB hat die ersten Schritte auf dem Weg der Digitalisierung getan. Für die involvierten Personen ist es eine äusserst span­nende Reise, die allerdings nicht ganz frei von Hindernissen ist. Nicht immer gelingt es, diese aus dem Weg zu räumen, zu um­gehen oder zu überspringen. Rückschläge gehören dazu und sollten unbedingt als Chance gesehen werden, denn sie sind lediglich Teilkosten auf dem Weg zur Innovation.

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Der Autor

Stefan RüeschHead Digital Banking, ti&m

Stefan Rüesch digitalisiert seit 17 Jahren verschiedene Geschäftsfelder als Manager und Strategieberater bei Banken und Internetcompanies. Bei ti&m verantwortet er den Bereich Digital Banking.

In der konsequenten und stringenten Umsetzung eines Kunden­portals spielt die physische Filiale eine sehr zentrale Rolle. Der Beweggrund zur Erstellung eines Kundenportals sollte immer das Kundenbedürfnis sein. Eine Bank ohne physische Beratung beziehungsweise physische Filiale ist heute für die meisten Kun­den nicht bedürfnisgerecht. Bedürfnisgerecht ist es, dem Kunden die Wahl des Kanals und den Zeitpunkt des Kanalwechsels selbst zu überlassen und Medienbrüche möglichst zu vermeiden. Eine rein funktionsgetriebene Digitalisierung der Kundenbeziehung ist weder durchdacht noch anspruchsvoll. Oder anders formuliert: Die schlichte Abarbeitung von neuen Kommunikations­ und Transaktionsmodulen wird weder bankintern noch beim Kunden die gewünschte Zufriedenheit bringen.

Die Pflichterfüllung mit Auszeichnung sieht vor, dass ein Kundenportal jede mögliche User Journey virtuos begleitet. Vom ersten Kontakt mit dem Hypothekenrechner auf dem Smart­phone über das persönliche, Tablet­basierte Beratungsgespräch bis hin zur Unterzeichnung des Hypothekarprodukts mit elektro­nischer Signatur. Die Orchestrierung dieser Vielzahl von User Journeys erfordert eine gute Anbindung an die Kernsysteme und eine flexible Abbildung der bestehenden Prozesse und Informa­tionsflüsse in und zwischen den Kundenapplikationen rund um das Kundenportal.

Dies befriedigt nicht nur digitalen Bedürfnisse des Kunden, son­dern stärkt auch die Rolle des klassischen Kundenberaters. Bera­tungsgespräche werden durch das Kundenportal zielgerichtet sowie persönlich und die Chance, zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Beratung beziehungsweise dem richtigen Produkt zur Stelle zu sein, wird deutlich erhöht.

Die Kür – deutlich mehr als ein KundenportalEin Blick über den Tellerrand offenbart, was alles möglich wäre in der Kür­Version des Kundenportals. Google war mal eine Such­maschine, ein E­Mail­Provider, ein Browseranbieter, ein Karten­dienst und vieles mehr. Das ist Google immer noch. Aber in der Regel meldet man sich heute einmal mit dem Konto an und kann alle Services aufrufen. Dadurch werden die Suchergebnisse per­sönlicher, das Handling der verschiedenen Services einfacher und somit immer effizienter. Natürlich hat dieses Nutzer erlebnis einen Preis: die Weitergabe privater Daten. In der Grundidee und in der Umsetzung jedoch kann man nur lernen und staunen.

Wo liegen aber nun die Gemeinsamkeiten oder Potenziale für das Kundenportal in der Kür­Version? Nehmen wir mal die Kern elemente «Single Sign­on», «Personalisierung» und «Öko­systeme». In der konsequenten Umsetzung des Single Sign­on meldet sich der Bankkunde einmal im Kundenportal an und kann dann von allen Bankdienstleistungen profitieren. Die Kommuni­kation ist sicher und direkt, das E­Banking erfordert keine weite­ren Zugangsformalitäten und Sicherheits­Checks, statt mit Brief­post signiert er zwischen den Einzahlungen noch schnell offene

Dokumente. Ausgerechnet das kontaktintensive E­Banking nicht in ein Kundenportal zu integrieren, ist in etwa so, wie ein Restau­rant zu bauen und das Essen über einen Food truck um die Ecke auszugeben.

Personalisierung aus der Marketingperspektive Deutlich spannender wird es bei der Personalisierung der Bank­produkte aus einer Marketingperspektive. Stellen Sie sich vor, Sie haben in einem Vorsorgekonto 3a bereits eine beachtliche Sum­me angespart und bekommen die Meldung im E­Banking, dass Sie aus steuerlichen Gründen ein zweites Konto eröffnen sollten. Kombiniert wird die Meldung mit den Optionen, dies direkt zu er­öffnen, sich inhaltlich schlauzumachen, warum dies wichtig ist, oder direkt einen Beratungstermin zu vereinbaren. Der Durch­schnittsbürger hat meist keine Ahnung und interessiert sich nicht für diese steuertechnische Konstellation, bis sie erreicht ist.

Oder wie wäre es mit folgender Idee: Im Sparkonto bekommt der vorsichtige Sparer die Meldung «Mit dem Anlageprodukt xyz, gestartet vor fünf Jahren, beliefe sich Ihr Vermögen auf folgende Summe. Erstellen Sie noch heute Ihr persönliches Anleger­/Risi­koprofil oder lassen Sie sich von Ihrem Kundeberater unterstüt­zen.» Und wieso diese Empfehlungen nicht auf Kundenwunsch ein­ oder ausblenden und diejenigen belohnen, welche dies zulas­sen? Den Ideen sind nahezu keine Grenzen gesetzt und lassen aktuelle Personal­Finance­Management­Funktionen fast schon stiefmütterlich erscheinen.

Ökosysteme sind eine mögliche Antwort auf viele FragenMit Ökosystemen könnte vielleicht im Selbstverständnis der Ban­ken eine Grenze erreicht werden. Spannend ist es aber allemal. Was spricht dagegen, den Inhaltsbereich des Kundenportals mit passenden Partner­ oder Eigenangeboten anzureichern? Newhome.ch, ein Immobilienportal von 18 Kantonalbanken in der Schweiz, passt beispielsweise perfekt in den Themenbereich Immobilienfinanzierung. Gleiches gilt auch für Immobilien­bewertungs­Applikationen oder Immobilienmiteigentum mit einem Crowd­Ansatz. Die Liste ist nicht abschliessend und wird ziemlich lang, berücksichtigt man alle Themen bereiche rund ums Banking für Privat­ wie auch Firmenkunden. Wer als Bank die zu­künftige Klientel und deren Bedürfnisse im Auge hat, muss darü­ber nachdenken, wie man das Banking und somit auch die Aus­einandersetzung mit Bankdienstleistungen und ­produkten spannender und interaktiver gestalten kann. Ökosysteme sind eine mögliche Antwort auf diese Frage.

Als erfahrener Umsetzungspartner für Kundenportale kennen wir sowohl die Bedürfnisse als auch die Hürden einer Pflicht­Um­setzung. Wer diesen Weg erfolgreich zurückgelegt hat, gehört ak­tuell zu einer kleinen und exklusiven Gruppe von digital funktionie­renden Banken. Wir empfehlen unseren Kunden aber, die Kür und den ursprünglichen Beweggrund für diese Digitalisierungsinves­tition nicht aus den Augen zu verlieren. Denn von der Pflicht zur Kür ist der Weg nicht weit, sind erst einmal die Weichen gestellt.

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Das (Bank-)Kundenportal – Pflicht und Kür

Banking // Ein Kunde hat durchschnittlich alle drei Jahre einen persönlichen Kontakt mit seiner Bank. Digital hat er einen

Kontakt pro Monat. Viele Banken schöpfen dieses Kontakt-potenzial nicht vollständig aus. Die Wahrnehmung dieser Chance

ist für ti&m bei der Umsetzung eines Kundenportals die Kür.

Stefan Rüesch, Head Digital Banking, ti&m

«Die neuen Möglichkeiten lassen Personal-Finance-

Management-Funktionen fast stiefmütterlich erscheinen.»

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ti&m: Wo spüren Sie die Digitalisierung privat am stärksten?Thomas Trachsler: In der Kommunikation. Wir sind sehr viel ver­netzter als vor wenigen Jahren und dauernd online. Zum Beispiel skype ich regelmässig mit meinem Bruder, der in den USA lebt. Früher hatten wir mit viel mehr Aufwand seltener Kontakt als heute. Natürlich nutze ich auch E­Mail oder WhatsApp. Eine Ge­burtstagskarte schreibe ich aber auch mal von Hand.

Und geschäftlich?Thomas Trachsler: Genau gleich: Wir telefonieren via Skype, chatten miteinander und diskutieren in Videokonferenzen. Das Bedürfnis nach physischer Visualisierung hat aber wieder zuge­nommen, zum Beispiel mit Post­its an den Wänden. Es muss nicht immer alles digital sein. Der Mix macht es aus – und zu wissen, in welcher Situation welcher Weg der beste ist.Gudrun Ziermann: Genauso verhalten sich auch unsere Kundin­nen und Kunden. Sie kaufen Salat und Kartoffeln im Quartier­laden und bestellen im nächsten Moment neue Schuhe oder einen Krimi online.

Wie geht die Mobiliar mit diesen hybriden Kunden um?Thomas Trachsler: Wir lassen sie entscheiden, wie sie mit uns kommunizieren. Das kann heute per WhatsApp sein, morgen per Mail und übermorgen via Telefon oder persönlich am Schalter der Generalagentur. Wichtig ist, dass wir bei jedem Kundenkon­takt ein positives Erlebnis schaffen.Gudrun Ziermann: Und zusätzlich stellen wir sicher, dass das Kundenerlebnis auch bei einem Wechsel von einem Kontakt­punkt zum anderen nahtlos top ist. Wir müssen überall punkten, denn die Chance dafür erhalten wir nicht alle Tage: Die Kontakt­frequenz ist in unserer Branche niedrig.

Versicherungen sind ja auch nicht besonders sexy, kein Mensch interessiert sich normalerweise dafür.Thomas Trachsler: Bis ein Schaden eintritt. Dann ändert sich das schlagartig. Aber es stimmt schon: Unsere Kunden kaufen ein Versprechen, kein Produkt zum Anfassen. Darum müssen wir im Moment der Wahrheit für unsere Kunden da sein und das Ver­sprechen einlösen. Eine starke Marke, der man vertraut, hilft da­bei sehr.Gudrun Ziermann: Wie im persönlichen Kontakt können auch digi­tale Interaktionen Vertrauen in eine Marke aufbauen oder zer­stören. Wenn ich nicht weiss, warum mir in einem Self­Service­Pro­zess bestimmte Fragen gestellt werden oder warum welcher Schritt als nächster kommt, verliere ich schnell das Vertrauen.Thomas Trachsler: Und genau darum ist unser Weg nicht entwe­der digital oder persönlich, sondern sowohl als auch. Unser An­spruch ist es, die persönlichste Versicherung zu sein – digital und analog.

Können Sie ein Beispiel nennen?Thomas Trachsler: Auf unserer Website, im Kundenportal und in der App, ist es immer und überall möglich, Kontakt mit uns aufzu­nehmen. Nicht mit einer anonymen Person in einem Callcenter, sondern mit dem persönlichen Berater bei der Agentur in der Nähe. Wir verknüpfen die analoge mit der digitalen Welt. Zum Bei­spiel, indem unsere Mitarbeitenden ganz einfach Video botschaften aufnehmen und versenden können. Wenn ich sehe, dass sich ein Mensch um meinen Schadensfall kümmert und er sogar noch den gleichen Dialekt spricht, weil er eben im Dorf nebenan und nicht in einer Zentrale sitzt, dann schafft das Vertrauen. Obwohl der Kon­takt digital stattfindet, geht es kaum persönlicher.

Der Interviewpartner

Thomas Trachsler COO, Mobiliar

Thomas Trachsler führt bei der Mobiliar seit Juli 2017 den Geschäftsleitungsbereich Operations als COO. Der Betriebsökonom FH und EMBA­HSG war seit 1986 in verschiedenen Funktionen am Hauptsitz der Mobiliar tätig, bevor er 1998 bis 2009 als Generalagent selbstständiger Unternehmer innerhalb der Gruppe Mobiliar war. 2010 wurde er als Leiter Markt Management in die Geschäftsleitung berufen.

Die Interviewpartnerin

Gudrun Ziermann Leiterin Kunden & digitale Zugänge, Mobiliar

Gudrun Ziermann ist seit Juli 2016 Leiterin Kunden & digitale Zugänge. Bevor sie zur Mobiliar kam, arbeitete sie bei der Swisscom, wo sie unter anderem für den Aufbau und die Umsetzung der Online­Self­Service­Strategie für KMU und die kanalübergreifende Customer Experience verantwortlich war. Davor war sie als Beraterin in verschiedenen Branchen in Deutschland tätig.

Gudrun Ziermann: Wir testeten vor Kurzem eine Beratung via Video konferenz. Das Gespräch wird face­to­face geführt und der Berater kann den Kunden virtuell auf seinen Bildschirm blicken lassen. Beide schauen gleichzeitig auf die gleiche Offerte oder können gemeinsam ein Formular ausfüllen – wie wenn sie zu Hause im Wohnzimmer sitzen würden.

Wie kommt diese Videoberatung an?Gudrun Ziermann: Bisher sehr gut! Nicht alle Kunden wollen den Berater bei sich zu Hause haben und schätzen es, wenn sie nicht extra in die Agentur kommen müssen. Das spart Zeit für beide. Aber auch hier wählen die Kunden. Wir zwingen niemandem eine Videoberatung auf.

Nach welcher Strategie fördert die Mobiliar Innovation?Thomas Trachsler: Wir treiben Innovation gezielt voran. Gezielt heisst, ein Ziel zu haben. Wissen, was wir mit dem Neuen errei­chen wollen und bis wann wir es erreichen wollen. Wir möchten

uns weiterentwickeln und auch Resultate liefern. Das heisst nicht, dass immer alles klappen muss: Aus einem Misserfolg zu lernen, kann auch ein erstrebenswertes Ziel sein.

Die ganze Wirtschaftswelt spricht von Ökosystemen. Warum?Gudrun Ziermann: Aus Kundensicht sind Ökosysteme eine lo­gische Entwicklung. Die Digitalisierung macht viele Vernetzungen möglich, die vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen wären. Die Entwicklung ist nicht ganz neu: Wir kennen das zum Beispiel schon länger im öffentlichen Verkehr. Heute kaufen wir direkt in der App ein City­to­City­Ticket und müssen in Zürich oder Basel nicht noch separate Billette fürs Tram oder für den Bus kaufen.Thomas Trachsler: Das Beispiel zeigt im Kleinen sehr schön, dass isolierte Produktlösungen und guter Service langfristig wohl nicht mehr reichen werden, um die Kundenbedürfnisse zu befrie­digen. Genau darum wollen wir künftig noch viel stärker in Öko­systemen denken.

Welche Fähigkeiten braucht ein Unternehmen, um mit der Digi-talisierung Schritt zu halten?Thomas Trachsler: Zuerst müssen die Mitarbeitenden überzeugt sein, dass man immer besser werden kann und sich konsequent weiterentwickeln muss. Um schnell auf die sich verändernden Kundenbedürfnisse zu reagieren, sollten die Wege kurz sein und Entscheide rasch gefällt werden. Zudem braucht es analytische Fähigkeiten, damit wir aus unseren Daten relevante Erkenntnisse ziehen und zielgerichtet handeln können. Und: Man kann nicht alles machen, die richtige Priorisierung ist entscheidend. Man muss wissen, was man will.

«Wir verknüpfen die analoge mit der digitalen Welt»

Kundenkontakt // Persönlich und digital, sowohl online als auch offline: Nach dieser Devise treibt die Mobiliar digitale Initiativen und Innovationen voran. COO Thomas Trachsler und Gudrun Ziermann, Leiterin Kunden & digitale Zugänge, sprechen im Interview mit ti&m

über Vertrauen, Videoberatung und Zielstrebigkeit.

Thomas Trachsler, COO, MobiliarGudrun Ziermann, Leiterin Kunden & digitale Zugänge, Mobiliar

«Digitale Interaktionen können Vertrauen in

eine Marke aufbauen oder zerstören.»GUDRUN ZIERMANN

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Gudrun Ziermann und Thomas Trachsler von der Mobiliar im Gespräch.

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Bitcoin wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Es handelt sich um eine sogenannte Kryptowährung, die seit 2008 existiert. Mit dem Konzept für Bitcoin wurde damals auch die Blockchain­ Architektur erfunden. Dabei handelt es sich um eine IT­Architek­tur, mit der Werte elektronisch transferiert werden können – und zwar direkt über das Internet, ohne eine zentrale Infrastruktur. Teilweise wird von «digitalem Gold» gesprochen. Warum Bitcoin? Wer heute von Deutschland aus nach Indonesien 1000 Euro überweist, weiss nicht, nach wie vielen Tagen oder gar Wochen der Betrag ankommt. Zudem werden Gebühren erhoben, sodass nur etwa 900 Euro das Ziel erreichen. Mit Bitcoin kann ein sol­cher Wert binnen Minuten weltweit versandt werden und dies ohne nennenswerte Transaktionskosten. Bitcoin hat mit ca. 80 Milliarden US­Dollar mittlerweile eine ebenso hohe Marktkapi­talisierung wie die DAX­Konzerne Daimler oder BASF.

Direkte Transaktionen ohne IntermediäreWenn wir heutzutage E­Mails zwischen Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern austauschen, geschieht dies direkt über das Internet. Die Einschaltung eines zentralen Intermediärs wie der Deutschen Post, mit Brief und Briefmarke, entfällt. E­Mails

erreichen den Empfänger direkt und elektronisch. Mittels Block­chain­Technologie lassen sich Werte ebenfalls ohne Intermediäre und Finanzinfrastrukturen übermitteln. Direkt vom Absender zum Empfänger. Daher müssen sich Intermediäre wie Banken, Bör­sen, Venture­Capital­Geber oder Vermögensverwalter mit der Technologie beschäftigen, um ihr Geschäftsmodell auf neue Chancen und Risiken auszurichten.

Internationale Geschäftsprozesse – per Blockchain abwickelnBei Blockchain geht es darum, dass der Besitz von Bitcoins ein­deutig verwaltet wird. Der Besitz von Bitcoins ist das Resultat von Transaktionen. Letztendlich geht es darum, weltweite Über­weisungen so schnell wie möglich auszuführen. Richtig span­nend wird es aber, wenn derartige Transaktionen an Bedingun­gen geknüpft werden: Ein Zahlungsvorgang soll nur dann ausgeführt werden, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen. Wenn etwa eine Frachtlieferung in einem Logistikzentrum ein­trifft, so soll automatisch eine Zahlung an den Lieferanten aus­gelöst werden – aber nur dann, wenn die Bedingung der ein-getroffenen Ware eingetreten ist. Damit lassen sich komplette Ökosysteme schaffen, die sowohl die Leistung (also die Liefe­

rung) als auch die Gegenleistung (also die Bezahlung) in ein Sys­tem integrieren. In einer solchen Welt existieren Logistikdienst­leister (für die Lieferung) nicht getrennt von Banken (für die Bezahlung). Stattdessen findet alles in einem System statt. Auf­wendige Prozesse, die aufgrund von Lieferscheinen, Buchhaltung und Verträgen Medienbrüche aufweisen, werden in einem Sys­tem zusammengeführt.

Die Kryptowährung Ethereum bietet die entsprechende Platt­form an. Damit lassen sich Zahlungsprozesse bedingungsabhän­gig abwickeln, was im Fachjargon als «Smart Contract» bezeich­net wird. Damit ist auch klar, dass das Wort Kryptowährung an sich der falsche Begriff ist. Ethereum weist derzeit eine Markt­kapitalisierung von ca. 30 Milliarden US­Dollar auf und bewegt sich somit in einer Liga mit Unternehmen wie beispielsweise Beiersdorf oder der Deutschen Bank. Bei Ansätzen wie Ethereum handelt es sich aber mitnichten um eine Währung, sondern eher um eine Art weltweite Plattform für Geschäftsprozesse. Insofern ist das Wort «Digital Assets» vielsagender. Damit wird auch deut­lich, dass es sich bei einer Vielzahl der 900 Kryptowährungen nicht um Währungen handelt, sondern um radikale und innovati­ve Ansätze, die oftmals von Fintech­Start­ups entwickelt werden.

Auch Venture­Capital­Geber sind Intermediäre. Sie sind seit Jahr­zehnten wichtige Financiers für Innovationen – ohne derartige Kapitalgeber gäbe es Unternehmen wie Google oder Dropbox heutzutage nicht. Es waren Venture­Capital­Geber, die in frühen Phasen Start-ups kurz nach deren Gründung finanziert haben, sodass diese dann zu grossen Unternehmen heranwachsen konnten. Mit der Blockchain­Technologie müssen auch Ven­ture­Capital­Geber ihr Geschäftsmodell überdenken. Dieses Phä­nomen nennt sich im «digitalen Volksmund» Initial Coin Offering (ICO), um sich bewusst und provokant an den Begriff des Initial Public Offering (IPO) von börsennotierten Unternehmen anzuleh­nen. Bei einem ICO bietet ein Start­up dem Publikum, ähnlich wie bei Aktien, eine digitale «Währung» zum Kauf an. 2017 wurden ca. 250 Mio. US-Dollar mittels Venture Capital investiert. 750 Mio. US-Dollar – also dreimal mehr – wurden mittels ICOs investiert. Natürlich ist hier ein gewisser Hype zu beobachten und die regu­latorischen Anforderungen werden oftmals nicht oder nur unzu­reichend beachtet. Dennoch ist eine Veränderung im Gang, auf die Venture­Capital­Geber achten müssen, wollen sie auch noch übermorgen Zugang zu herausragenden Start­ups haben.

Iconiq Lab: Blockchain-basierte UnternehmensgründungenBei Iconiq Lab mit Sitz in Berlin und Frankfurt handelt sich um ein Unternehmen, das Blockchain­basierte Start­ups dabei unter­stützt, Gelder mittels Blockchain­Technologie zu akquirieren. Venture Capital Funds merken zunehmend, dass sich interessan­te Start­ups direkt an Blockchain­Investoren wenden und nicht mehr an traditionelle Venture­Capital­Geber. Dies zeigt, dass sich das Thema Gründungsfinanzierung und Vermögensverwaltung durch die Blockchain­Technologie in den kommenden ein bis drei Jahren signifikant verändern wird – denn Venture Capital Funds und Vermögensverwalter sind Intermediäre.

Regulatorik als Herausforderung und TreiberNatürlich ist es nicht einfach, aber möglich, diese neuen Ge­schäftsansätze regulatorisch korrekt abzubilden. Und damit ent­stehen durch die Blockchain­Technologie gänzlich neue Ge­schäftsmodelle, die zumeist vollautomatische Geschäfts­ und Zahlungsprozesse beinhalten. Die Zeit wird zeigen, inwiefern derartige Geschäftsideen erfolgreich werden können. Aber in je­dem Fall lässt sich festhalten, dass die Blockchain­Technologie nicht mehr verschwinden, sondern zahlreiche Branchen und Ge­schäftsmodelle signifikant beeinflussen wird.

Wie verändert die Blockchain-Technologie den Bereich Venture Capital?

Blockchain // Das Initial Coin Offering (ICO) lehnt sich bewusst und provokativ an das Initial Public Offering (IPO) von börsennotierten Unternehmen an. Damit

verändert Blockchain das Unternehmensmodell von Venture-Capital-Gebern.

Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center

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Der Autor

Prof. Dr. Philipp Sandner Leiter des Frankfurt School Blockchain Center

Professor Philipp Sandner leitet das Frankfurt School Blockchain Center an der Frankfurt School of Finance & Management, das im Februar 2017 initiiert wurde. Zu den Themengebieten von Prof. Dr. Sandner gehören Blockchain, Kryptowährungen, Digitalisierung und Entrepreneurship. Prof. Dr. Sandner ist im FinTech­Rat des Bundesministeriums der Finanzen.

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In einem Blog­Beitrag habe ich vor einigen Monaten ausgeführt, welches meiner Meinung nach die Leitlinien sind, nach denen die Banken in einer Open­Banking­Welt handeln sollten, um in einer Welt «offener Silos» ihre Rolle und Position zu entwickeln und zu behaupten. Kurz gefasst waren dies: • Konsequente Ausrichtung auf den Endkunden und dessen Lebensumfeld: Die klassische Denkweise beruht darauf, dass ein Unternehmen seine Möglichkeiten analysiert und dann ver­sucht, diese kundengerecht an den Markt zu bringen. Gefragt ist jedoch der umgekehrte Weg, nämlich den Kunden in seinem Lebenskontext bei seinen dort entstehenden Bedürfnissen ab­zuholen. • Kooperation und Kollaboration mit anderen Marktteilnehmern sind keine Ausnahme, sie sind die Regel: Das oben zitierte Lebensumfeld des Kunden findet in weiten Teilen ausserhalb des Kerngeschäfts einer Bank statt. Um die gesamte Kette abbilden zu können, ist die Zusammenarbeit mit anderen spezialisierten Anbietern essenziell. Mal wird der Service, mit dem Brand der Bank transportiert und mal wird die Bank lediglich als Abwickler eingebunden sein. • Technology matters: Treiber der Digitalisierung sind techno­logische Entwicklungen wie Artificial Intelligence, Blockchain, Vir-tual Reality oder Big Data. Diese ermöglichen eine Servicetiefe und ­vielfalt, wie es sie bisher noch nie gab. Das Verständnis um die Funktionsweise und das Potenzial dieser Technologien gehö­ren damit zu den Kernkompetenzen einer Bank.

Der Kampf um die Kundenschnittstelle Die im zweiten Punkt so salopp dahingeworfene Bemerkung, dass die Bank mal ihren Brand transportiert und mal lediglich als Abwickler fungiert, hat zu einigen spannenden Diskussionen

über die Bedeutung der Kundenschnittstelle geführt. Aus diesen ist klar geworden, dass die Rolle des Abwicklers für die aller­meisten Banken die saure Zitrone ist, in die man vielleicht ab und zu mal beissen muss. Das höchste Ziel besteht aber immer da­rin, dem Kunden klarzumachen, dass es genau die Bank ist, die ihm all diese wunderbaren neuen Dienste näherbringt. Nur so ist in einer digitalen Welt eine Kundenbindung mit dem Potenzial zu Cross­ und Upselling zu erzielen und ein nachhaltiger digitaler Brand zu etablieren, dem der Kunde ein Vertrauensvorschuss entgegenbringt.

Und wie gelingt das gegen die heranwachsende bzw. vor der Tür stehende Konkurrenz, nämlich gegen die kleinen, schnellen Fin­techs und gegen die alles erdrückenden Internetgiganten? Indem sich die Bank bei der Entwicklung von Dienstleistungen, die den oben genannten Leitlinien entsprechen, auf den «Driver’s Seat» begibt. Nur wenn sie die Gestaltungshoheit über die digi tale Jour­ney des Kunden hält, wird sie in der Lage sein, ihren Namen und ihre Marke beim Kunden zu verankern.

Der Startvorsprung der BankenHier kommt, zwischen all den Kassandra­Rufen zum Untergang des Bankensektors in Zeiten der Digitalisierung, mal eine gute Botschaft: Die Banken sind hier (noch) wesentlich besser posi­tioniert als ihre Mitbewerber. Während die Start­ups ihre neuen Dienstleistungen auf der grünen Wiese als No­Names anbieten müssen und die grossen Internetkonzerne bei all ihren ausgefeil­ten Techniken zur Kundenansprache eben den Nachteil haben, dass sie gross und dadurch anonym sind, können die Banken eine lange Tradition der Kundenbindung als Entry­Point in die digitale Welt einbringen. Solange sich die digitale Transformation erst auf den ersten Metern ihres Weges befindet, ist das noch ein echter Vorteil. Die Kundenbasis besteht noch nicht vollständig

Der Autor

Martin FabiniCTO, ti&m

Martin Fabini studierte Mathematik an der Universität Göttingen und ist seit mehr als 20 Jahren in der IT tätig. Mit einem Hintergrund als Software­ Entwickler und ­Architekt hat er im Verlauf der letzten Jahre vielfältige Managementaufgaben und Beratungsmandate wahrgenommen. Bei ti&m ist er als CTO dafür zuständig, die Kunden der ti&m an neue Business Cases auf Basis neuer Technologien heranzuführen.

aus Digital Natives, viele Kunden bewegen sich erst schrittweise in die digitale Welt und wissen ein Beratungsgespräch mit einem Menschen aus Fleisch und Blut durchaus noch zu schätzen. Um diesen Vorteil zu kapitalisieren, müssen die Banken also die Fähigkeit aufbauen, diese bestehende Art der Kundeninteraktion nahtlos mit digitalen Kanälen zu ergänzen.

Die Plattform für die Interaktion über alle KanäleIch fasse zusammen: Die Banken haben gute Chancen auf eine erfolgreiche Digitalisierung ihres Geschäfts, wenn sie in der Lage sind, sich (a) konsequent auf den Endkunden auszurichten, (b) in Kooperation mit anderen Marktteilnehmern federführend Dienst­leistungen zu entwickeln, die den Kunden in seiner Lebenssitua­tion abholen, und (c) in der Lage sind, das Potenzial neuer Technolo gien auszunutzen. Und dies alles auf Basis ihrer derzei­tigen Situation, nämlich der Fähigkeit zur persönlichen Beratung und natürlich der banktechnischen Kompetenz.

Nun sind Kundenfokus, Kooperationsfähigkeit und Techno­logieverständnis keine Eigenschaften, die durch den Besuch eines Abendkurses mal eben erworben werden können, es sind Fähigkeiten, die erst im Rahmen eines umfassenden Change­ Prozesses von der Organisation erlernt werden können. Techno­logie allein kann das ebenfalls nicht bereitstellen, Technologie kann hier aber in hohem Mass unterstützend wirken. Eine Bank, die ihre digitalen Dienstleistungen auf einer technischen Platt­form aufbaut, die (a) konsequent einen kundenzentrierten Ent­

wicklungsprozess unterstützt (front­to­back), die (b) flexibel Dienste aller Art miteinander kombinieren kann und die (c) neue Technologien sowohl im Frontend als auch im Backend flexibel einbinden kann und deren Potenzial per leicht zugänglicher API verfügbar macht — eine solche Bank hat einen massiven Start­vorteil gegenüber der Konkurrenz, die sich erst mühsam alle Bau­steine zusammensuchen muss.

Bei ti&m haben wir aus dieser Erkenntnis heraus die ti&m channel suite gebaut, die genau eine solche Plattform bietet. Eine Plattform, welche die Interaktion mit dem Endkunden ins Zent­rum aller Aktivitäten stellt. Und zwar über jeden Kanal, über das persönliche Gespräch, über AI­unterstützte Chatbots und über alle erdenklichen Devices. Und wir haben ihr die ti&m security suite zur Seite gestellt, da eine benutzergerechte Sicherheit die kleine Schwester der digitalen Innovation ist. «Kleine Schwester» in dem Sinne, dass man sie überallhin mitschleppen muss, ob man will oder nicht.

FazitOpen Banking, ob als PSD2 oder in anderer Form, wird kommen. Offenheit, Austausch und Zusammenarbeit sind Teil der DNS einer digitalen Welt. Eine traditionelle Kundenbank, die in der Lage ist, ihre über viele Jahre hin aufgebauten Stärken in die digi­tale Welt zu verlängern und somit ihren Kundenstamm in diese Welt zu begleiten, wird auch dort eine starke Marke darstellen. Halten Sie also Ihren Kunden die Tür auf.

Die offene Bank oder: Wer hält dem Kunden die Tür auf?

Banking // Die Banken haben gute Chancen für eine erfolgreiche Digitalisierung ihres Geschäfts. Sofern sie die Lösungen und

Angebote nah am Kunden entwickeln und ihre lange Tradition der Kundenbindung nicht vernachlässigen.

Martin Fabini, CTO, ti&m

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«Die Bank muss auf dem Driver’s Seat die Gestaltungs-

hoheit über die digitale Journey des Kunden haben.»

Page 17: 2018acdf342d-ac54-478c... · Digitale Errungenschaften des Bankings im Alltag. Im Bereich Banking und Payment gibt es einen klaren Gewinner in der Schweizer und Deutschland: Das OnlineBanking

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