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Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation des Geschäftsmodells Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science in Business Administration Verfasser: Lukas Huber Referent: Prof. Dr. Rigo Tietz Co-Referent: Georg Rupf Abgabedatum: 1. Juli 2016

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

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Page 1: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation des Geschäftsmodells

Master Thesis

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science in Business Administration

Verfasser: Lukas Huber

Referent: Prof. Dr. Rigo Tietz

Co-Referent: Georg Rupf

Abgabedatum: 1. Juli 2016

Page 2: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Abstract

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings II

Abstract

Ausgangslage Stagnierende Ertragspotenziale, ein intensiver Wettbewerb, die historische Niedrigzinsphase in

Verbindung mit der globalen Finanzkrise, veränderte Kundenbedürfnisse, problematische Kosten-

strukturen sowie ein hoher regulatorischer Druck. – Die Retail Banking Branche ist mit Herausfor-

derungen historischen Ausmasses konfrontiert. Der Veränderungsdruck ist stark wie nie zuvor und

ganze Geschäftsmodelle stehen zur Diskussion. Und dennoch: Ein Markt im rasanten Wandel bie-

tet die Möglichkeit, sich neu zu positionieren und sich für die Zukunft in eine gute Ausgangslage zu

bringen. Auch in diesem schwierigen Umfeld sind Profitabilität und Wachstum möglich. Demnach

besteht die eigentliche Herausforderung für Banken darin, eine adäquate Reaktion zu zeigen und

ein zukunftsfähiges sowie nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln.

Ziel An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an und analysiert systematisch die Zukunftsfähigkeit

des aktuellen generischen Geschäftsmodells von Schweizer Retail Banken im Kontext der verän-

derten Rahmenbedingungen. Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen demzufolge die folgen-

den zwei Forschungsfragen:

1. Inwiefern hat sich das generische Geschäftsmodell der Schweizer Retail Banking Branche seit Ausbruch der Finanzkrise verändert?

2. Welche Transformationen sind notwendig, um die gegenwertigen Herausforderungen er-folgreich meistern zu können und nachhaltig profitabel aufgestellt zu sein?

Vorgehen Die Annäherung an die Thematik erfolgt in der vorliegenden Arbeit sowohl in Form einer Primär-

als auch Sekundärforschung, um die formulierte Fragestellung umfassend zu beantworten. An der

durchgeführten qualitativen Untersuchung beteiligten sich verschiedene Experten aus der Retail

Banking Branche, die wertvolle Beiträge und neue Erkenntnisse beisteuerten.

Erkenntnisse Der Transformationsbedarf ist offensichtlich und so hinterfragen im Moment alle Banken ihre Ge-

schäftsmodelle kritisch und prüfen zielführende Veränderungsmassnahmen. Während dem es in

den vergangenen Jahren allerdings eher darum ging, Effizienzgewinne zu realisieren, um die Kos-

tenstruktur zu verbessern, muss die zukünftige Ausrichtung darauf abzielen, die Effektivität zu

erhöhen und neue Ertragsquellen aufzuspüren. Die Umsetzung von solch tiefgreifenden Verände-

rungsprojekten, mit dem Ziel das Geschäftsmodell nachhaltig anzupassen, kann allerdings nicht

von heute auf morgen bewerkstelligt werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden sechs

Handlungsempfehlungen erarbeitet, um eine nachhaltige und langfristig ausgerichtete Geschäfts-

modelltransformation einzuleiten und damit einhergehend neue vielversprechende Chancen zu

nutzen.

Page 3: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Inhaltsverzeichnis

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings III

Inhaltsverzeichnis Seite

Abstract ....................................................................................................................................... II  

Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................................... III  

Abbildungsverzeichnis .............................................................................................................. VI  

Tabellenverzeichnis ................................................................................................................. VIII  

Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................. IX  

1   Einleitung ............................................................................................................................... 1  

1.1   Ausgangslage und Relevanz ...................................................................................... 1  

1.2   Zielsetzung ................................................................................................................. 2  

1.3   Methodisches Vorgehen ............................................................................................. 3  

1.4   Aufbau ........................................................................................................................ 3  

1.5   Abgrenzungen ............................................................................................................ 5  

2   Konzeptionelle Grundlagen ................................................................................................. 6  

2.1   Grundlagen des Geschäftsmodellansatzes ................................................................ 6  

2.1.1   Entwicklung und Perspektiven des Geschäftsmodellansatzes ...................... 6  

2.1.2   Definition ...................................................................................................... 10  

2.1.3   Strukturierungsansätze ................................................................................ 13  

2.1.4   Geschäftsmodell-Ebenen ............................................................................. 21  

2.1.5   Beziehung zwischen Strategie und Geschäftsmodell .................................. 23  

2.1.6   Zusammenfassung ....................................................................................... 25  

2.2   Grundlagen zur Bankenbranche der Schweiz .......................................................... 27  

2.2.1   Volkswirtschaftliche Bedeutung .................................................................... 27  

2.2.2   Die Finanzkrise als Auslöser der Transformation ......................................... 29  

2.2.3   Bankenstruktur ............................................................................................. 35  

2.2.4   Retail Banking .............................................................................................. 40  

2.2.5   Zusammenfassung ....................................................................................... 44  

2.3   Kritische Würdigung .................................................................................................. 46  

2.3.1   Relevante Vorarbeiten .................................................................................. 47  

2.3.2   Research-Framework ................................................................................... 51  

3   Empirische Untersuchung ................................................................................................. 54  

Page 4: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Inhaltsverzeichnis

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings IV

3.1   Forschungsmethodik ................................................................................................ 54  

3.1.1   Sekundärforschung ...................................................................................... 56  

3.1.2   Primärforschung ........................................................................................... 57  

3.1.3   Gütekriterien ................................................................................................. 57  

3.2   Forschungsdesign .................................................................................................... 60  

3.2.1   Ausgangslage ............................................................................................... 60  

3.2.2   Ziele der Erhebung ....................................................................................... 61  

3.2.3   Auswahl der Experten .................................................................................. 61  

3.2.4   Untersuchungsmethoden ............................................................................. 64  

3.2.5   Gestaltung des Erhebungsinstruments ........................................................ 65  

3.2.6   Durchführung ................................................................................................ 66  

3.2.7   Auswertung .................................................................................................. 67  

4   Auswertung der empirischen Untersuchung ................................................................... 69  

4.1   Geschäftsmodellumgebung ...................................................................................... 69  

4.1.1   Schlüsseltrends ............................................................................................ 70  

4.1.2   Marktkräfte ................................................................................................... 71  

4.1.4   Branchenkräfte ............................................................................................. 72  

4.1.5   Zusammenfassung ....................................................................................... 74  

4.2   Aktuelles Geschäftsmodell ....................................................................................... 76  

4.2.1   Kundensegment ........................................................................................... 76  

4.2.2   Wertangebot ................................................................................................. 77  

4.2.3   Kanäle und Kundenbeziehung ..................................................................... 78  

4.2.4   Einnahmequellen .......................................................................................... 79  

4.2.5   Schlüsselressourcen .................................................................................... 81  

4.2.7   Schlüsselaktivitäten ...................................................................................... 82  

4.2.8   Schlüsselpartnerschaften ............................................................................. 84  

4.2.9   Kostenstruktur .............................................................................................. 85  

4.2.10   Entwicklungskonzept .................................................................................. 86  

4.2.11   Zusammenfassung ..................................................................................... 87  

4.3   Geschäftsmodelleinschätzung .................................................................................. 91  

4.3.1   Stärken ......................................................................................................... 91  

4.3.3   Schwächen ................................................................................................... 93  

Page 5: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Inhaltsverzeichnis

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings V

4.3.4   Chancen ....................................................................................................... 95  

4.3.5   Risiken .......................................................................................................... 98  

4.3.6   Zusammenfassung ....................................................................................... 99  

4.4   Geschäftsmodellweiterentwicklung ......................................................................... 101  

4.4.1   Reduzieren und Eliminieren ....................................................................... 101  

4.4.2   Aufstocken und Erzeugen .......................................................................... 103  

4.4.3   Zusammenfassung ..................................................................................... 108  

5   Schlussbetrachtung ......................................................................................................... 111  

5.1   Zusammenfassung ................................................................................................. 111  

5.2   Kritische Würdigung ................................................................................................ 111  

5.3   Fazit und Ausblick ................................................................................................... 113  

Literaturverzeichnis .................................................................................................................... X  

Interviewverzeichnis ............................................................................................................. XVIII  

Anhang ..................................................................................................................................... XIX  

Ehrenwörtliche Erklärung ....................................................................................................... XX  

Page 6: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Abbildungsverzeichnis

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings VI

Abbildungsverzeichnis Seite

Abbildung 1:   Herausforderungen für die Retail Banking Branche .............................................. 2  

Abbildung 2:   Aufbau der vorliegenden Arbeit ............................................................................. 4  

Abbildung 3:   Zunahme an Publikationen zum Thema Geschäftsmodell .................................... 7  

Abbildung 4:   Entwicklung der Geschäftsmodell-Forschung ........................................................ 7  

Abbildung 5:   Bestandteile von Geschäftsmodellen ................................................................... 13  

Abbildung 6:   Strategisches Geschäftsmodell nach Hamel ....................................................... 15  

Abbildung 7:   Geschäftsmodellansatz Canvas nach Osterwalder und Pigneur ......................... 16  

Abbildung 8: Der wertbasierte Geschäftsmodellansatz nach Bieger und Reinhold .................. 17  

Abbildung 9:   Partialmodelle eines integrierten Geschäftsmodells nach Wirtz .......................... 18  

Abbildung 10:   Das magische Dreieck nach Gassmann u. a. ...................................................... 19  

Abbildung 11: Business-Model-Poster nach Rusnjak ................................................................. 20  

Abbildung 12:   Referenz-Strukturierungsrahmen für die vorliegende Arbeit ................................ 21  

Abbildung 13:   Ebenen von Geschäftsmodellen .......................................................................... 22  

Abbildung 14:   Beitrag der Banken zur realen Bruttowertschöpfung ........................................... 29  

Abbildung 15:   Rückgang der Margen .......................................................................................... 33  

Abbildung 16:   Entwicklung wichtiger Erfolgskennzahlen der Banken ......................................... 34  

Abbildung 17:   Entwicklung des Banken-Index „Stoxx Europe 600 Banks“ ................................. 34  

Abbildung 18:   Grösse der einzelnen Geschäftsfelder gemessen an den Bruttoerträgen ........... 38  

Abbildung 19:   Übersicht der Kundensegmente und die dazugehörigen Ausprägungen ............ 39  

Abbildung 20: Geschäftsmodellansatz als adäquates Analyseinstrument .................................. 46  

Abbildung 21:   Grafische Darstellung des Research-Frameworks .............................................. 53  

Abbildung 22: Methodologisches Vorgehen ............................................................................... 56  

Abbildung 23:   Darstellung des idealtypischen Forschungsprozesses ........................................ 60  

Page 7: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Abbildungsverzeichnis

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings VII

Abbildung 24:   Prozess der Interviewauswertung ........................................................................ 68  

Abbildung 25: Grafische Zusammenfassung der Umweltanalyse .............................................. 75  

Abbildung 26:   Darstellung des aktuellen Geschäftsmodells und der Veränderungen ................ 88  

Abbildung 27: Wechselwirkungen der einzelnen Veränderungen .............................................. 89  

Abbildung 28:   Veränderungen innerhalb des Geschäftsmodellmusters ..................................... 89  

Abbildung 29: Zusammenfassung der SWOT-Analyse ............................................................... 99  

Abbildung 30: Grafische Zusammenfassung der Handlungsempfehlungen ............................. 109  

Page 8: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Tabellenverzeichnis

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings VIII

Tabellenverzeichnis Seite

Tabelle 1: Übersicht Forschungsperspektiven zum Thema Geschäftsmodell ...................... 10  

Tabelle 2:   Übersicht verschiedener Definitionen zum Geschäftsmodellbegriffs ................... 12  

Tabelle 3:     Unterschiede zwischen Strategie und Geschäftsmodell ...................................... 24  

Tabelle 4:   Erfolgsfaktoren der Schweizer Bankenbranche ................................................... 28  

Tabelle 5: Beschreibung der verschiedenen Bankengruppen .............................................. 38  

Tabelle 6:   Übersicht zur Retail Banking Produkt Palette ...................................................... 43  

Tabelle 7:   Übersicht zu den vier Phasen des Research-Frameworks .................................. 52  

Tabelle 8:     Beschreibung der geltenden Gütekriterien .......................................................... 59  

Tabelle 9:   Übersicht der Interviewpartner ............................................................................. 64  

Page 9: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Abkürzungsverzeichnis

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings IX

Abkürzungsverzeichnis BCG Boston Consulting Group

Bspw. Beispielsweise

Bzw. Beziehungsweise

CHF Schweizer Franken

EY Ernst and Young

ff. Fortfolgende

FIDLEG Finanzdienstleistungsgesetz

FINMA Finanzmarktaufsicht

IT Informationstechnik

Mio. Million

Mrd. Milliard

NFC Near Field Communication

Resp. Respektive

SBVg Schweizerischer Bankierverein

SNB Schweizerische Nationalbank

SWOT Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken)

TBTF To-big-to-fail

U. a. Unter anderem

USD United States Dollar

Vgl. Vergleiche

ZKB Zürcher Kantonalbank

Page 10: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Einleitung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 1

1 Einleitung Der Begriff „Geschäftsmodell“ gewinnt innerhalb der Bankenbranche zunehmend an Bedeutung.

Das aufkommende Interesse an den Geschäftsmodellen von Banken basiert nicht zuletzt auf den

anhaltend anspruchsvoller werdenden Herausforderungen, mit denen sich eine Bank seit Aus-

bruch der Finanzkrise beschäftigen muss (Niehoff & Hirschmann, 2015, S. 60). In nahezu allen

Bereichen der klassischen Banktätigkeit haben sich alternative, eigenständige Geschäftsmodelle

entwickelt, welche insbesondere die traditionellen Finanzinstitute im Retail Banking im Kampf um

den Kunden herausfordern (Auge-Dickhut, Koye, & Liebetrau, 2014, S. 23 ff). An diesem Punkt

setzt die vorliegende Arbeit an und analysiert systematisch die Zukunftsfähigkeit des aktuellen ge-

nerischen Geschäftsmodells von Schweizer Retail Banken im Kontext der veränderten Rahmen-

bedingungen.

1.1 Ausgangslage und Relevanz „Banking is essential, banks are not“ – Bill Gates (1999)

Eine vielzitierte Aussage von Bill Gates aus dem Jahr 1999 beschreibt das aktuelle Dilemma, mit

welchem viele Banken aktuell konfrontiert sind. Denn die Finanzbranche befindet sich im Umbruch

(Brock & Bieberstein, 2015, S. 61). Verantwortlich dafür sind die veränderten Rahmenbedingungen

wie bspw. stagnierende Ertragspotenziale, ein intensiver Wettbewerb, die historische Niedrigzins-

phase in Verbindung mit der globalen Finanzkrise, veränderte Kundenbedürfnisse, die damit ver-

bundene Digitalisierung des Bankgeschäfts sowie ein hoher regulatorischer Druck (Wings &

Kleine, 2015, S. 34). Diese Einflussfaktoren erhöhen den Druck auf die Banken signifikant und

stellen sie vor neue Herausforderungen. Gleichzeitig kann das anspruchsvolle Marktumfeld aber

auch als eine einmalige Chance betrachtet werden. Ein Markt im rasanten Wandel bietet die Mög-

lichkeit, sich nachhaltig neu zu positionieren und sich für die Zukunft in eine gute Ausgangslage zu

bringen (Baumgartner, Coray, & Thalhammer, 2012, S. 171). Demnach besteht die eigentliche

Herausforderung für Banken darin, die richtige Reaktion zu zeigen und ein zukunftsfähiges sowie

nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln (Heinrich, 2012). Damit soll eine Antwort auf das her-

ausfordernde Umfeld geliefert und Geschäftsfelder hinterfragt und gegebenenfalls neu ausgerich-

tet werden (Brock & Bieberstein, 2015, S. 67). Ähnlich sieht das auch Dombret (2014), der betont:

„Es ist an der Zeit, dass die Banken ihre Geschäftsmodelle noch einmal auf den Prüfstand stellen.“

In der jüngsten Vergangenheit haben verschiedene Banken mit Hilfe von umfangreichen Investitio-

nen bereits Anstrengungen in diese Richtung unternommen und die Weiterentwicklung ihrer Ge-

schäftsmodelle lanciert. So haben sie begonnen neue transparente Preismodelle zu entwickeln,

bedürfnisgerechte Beratungsansätze zu implementieren, die aktuelle Kostenstruktur zu überprüfen

und neuen Interaktionsmöglichkeiten anzubieten (Böhnke & Rolfes, 2015, S. 76).

Page 11: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Einleitung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 2

Die zentrale Frage dabei bleibt allerdings, inwiefern es Banken gelingt anhand der Transformation

ihrer Geschäftsmodelle einen Mehrwert für ihre Kunden zu generieren, für den auch eine Zah-

lungsbereitschaft besteht. Dies führt zu der grundlegenden Überlegung hinsichtlich des eigenen

Nutzenversprechens und zur strategischen Positionierung (Ziegler, 2014, S. 4).

Die folgende Abbildung 1 illustriert zusammenfassend die verschiedenen Herausforderungen, mit

denen die Bankenbranche aktuelle konfrontiert ist.

Abbildung 1: Herausforderungen für die Retail Banking Branche Quelle: Eigene Darstellung

1.2 Zielsetzung Vor diesem Hintergrund verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, die Veränderungen der Rahmen-

bedingungen der schweizerischen Retail Banking Branche fundiert zu analysieren, nachhaltige

sowie erfolgsversprechende Chancen daraus abzuleiten und den damit einhergehenden Entwick-

lungsbedarf neuer Geschäftsmodelle für Banken zu eruieren. Im Zentrum der vorliegenden Arbeit

stehen demzufolge die folgenden zwei Forschungsfragen:

Forschungsfragen

3. Inwiefern hat sich das generische Geschäftsmodell der Schweizer Retail Banking Branche

seit Ausbruch der Finanzkrise verändert?

4. Welche Transformationen sind notwendig, um die gegenwertigen Herausforderungen er-

folgreich meistern zu können und nachhaltig profitabel aufgestellt zu sein?

Chan

ce

Anpassung des Geschäftsmodells als Chance für den zukünftigen Erfolg

!  Preisverhandlungen aufgrund Vergleichsmöglichkeiten

!  Bedarf an ganzheitlicher Beratung

!  Wunsch nach Individualität und Sicherheit

!  Erhöhte Affinität zu digitalen Medien " Digitalisierung

!  Neue Wettbewerber und Nischenanbieter

!  Neuausrichtung von Grossbanken führen zu Verdrängungskampf

!  Erhöhter Konsolidierungsdruck

Intensiver Wettbewerb

Veränderte Kundenbedürfnisse bzw. -verhalten

!  Wegfall von Retrozessionen

!  Margendruck aufgrund der Niedrigzinsen

!  Stärkere Nachfrage nach Produkten mit niedrigen Margen (festverzinsliche Wertpapiere)

!  Regulatorische Veränderungen national sowie international

!  Steuerkonformität von Neugeldern

!  Erhöhter Bedarf an Eigenkapital " steigende Kosten

Regulatorischer Druck

Stagnierende Ertragspotenziale

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usfo

rder

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n

Retail Banking Schweiz

Page 12: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Einleitung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 3

1.3 Methodisches Vorgehen Die Annäherung an die Thematik erfolgt in der vorliegenden Arbeit sowohl in Form einer Primär-

als auch Sekundärforschung, um die formulierte Fragestellung umfassend zu beantworten.

Die erste Methode ist eine auf Recherche basierende Behandlung der konzeptionellen Grundlagen

zu den Themenfelder „Geschäftsmodell“ und „Retail Banking“ sowie einer eingehenden Analyse zu

relevanten Vorarbeiten. Die theoretische Behandlung der Thematik erfolgt dabei mit Hilfe einer

umfassenden Literaturrecherche. Dabei wird auf relevante Basisliteratur und weiterführende vertie-

fende Fachliteratur sowie auf eine wissenschaftliche aber auch praxisorientierte Internetrecherche

für ergänzende Informationen zurückgegriffen.

Auf diesen Erkenntnissen aufbauend liefert eine qualitative Expertenbefragung wichtige Einblicke

in die Praxis, um die Erkenntnisgewinnung breiter abzustützen. Um dabei eine konzeptionelle An-

näherung sicherzustellen wird für die empirische Untersuchung auf ein selbst entwickeltes Rese-

arch-Framework zurückgegriffen. So soll eine möglichst differenzierte und umfassende Sichtweise

zur Thematik gewonnen und eine Grundlage geschaffen werden, auf deren Fundament die For-

schungsfragen beantwortet werden.

1.4 Aufbau Die Struktur dieser Arbeit umfasst vier Kapitel und ist in Abbildung 2 dargestellt. In diesem einlei-

tenden Kapitel wird die Forschungsfrage der Arbeit motiviert und die Zielsetzung erläutert sowie

der Aufbau der Arbeit im Kontext des methodischen Rahmens beschrieben.

Das Kapitel 4 stellt das theoretische Fundament der Arbeit dar. Die zentrale Zielsetzung besteht

darin, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehenden Konzepte einzuführen und sie aus einer aktuellen

Perspektive zu beleuchten. Dafür wird in Kapitel 2.1 zunächst die wissenschaftliche Literatur zur

Geschäftsmodellentwicklung und die damit einhergehenden wissenschaftlichen Perspektiven auf-

gearbeitet. Darüber hinaus wird nach einigen grundlegenden Begriffserläuterungen verschiedene

Strukturierungsansätze vorgestellt und daraus ein für die Arbeit relevantes Framework abgeleitet.

Darauf bezugnehmend werden abschliessend die unterschiedlichen Geschäftsmodell-Ebenen be-

trachtet und auf die begrifflichen Unterschiede zwischen dem Geschäftsmodell- und dem Strate-

giebegriff eingegangen. In Kapitel 2.2 stehen sodann die theoretischen Grundlagen der Banken-

branche im Fokus. Dabei wird vorgängig auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Bankbranche

eingegangen und daraufhin der Verlauf und die Auswirkungen der Finanzkrise aufgezeigt. Darauf

folgt eine Einschätzung zur aktuellen Bankenstruktur in der Schweiz und eine eingehende Analyse

des Retail Banking Sektors. Auf Basis der Auseinandersetzung mit den Grundlagen dieser Arbeit

geht es in Kapital 2.3 in Form einer kritischen Würdigung darum, aufzuzeigen, weshalb der Ge-

schäftsmodellansatz ein zielführendes Analyseinstrument ist, um zielführende Massnahmen für die

erfolgsversprechende Weiterentwicklung der Retail Banking Branche zu eruieren. Des Weiteren

Page 13: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Einleitung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 4

verfolgt dieses Kapitel das Ziel, relevante Vorarbeiten zum untersuchten Themenkomplex zu be-

leuchten, um einerseits die Relevanz der untersuchten Forschungsfrage aufzuzeigen und anderer-

seits Anknüpfungspunkte für die darauf folgende empirische Untersuchung sowie die Beantwor-

tung der Forschungsfrage zu generieren. Abschliessend gibt dieses Kapitel einen Einblick in das

erarbeitete Research-Framework, das im Rahmen der empirischen Untersuchung eingesetzt wird.

Das Kapitel 3 zielt darauf ab, die gewählte Forschungsmethodik zu erläutern und das angewende-

te Forschungsdesign aufzuzeigen.

Im Rahmen des Kapitels 4 folgt daraufhin die Auswertung der empirischen Untersuchung. Dabei

werden chronologisch die gewonnen Ergebnisse einzelnen pro Phasen des Research-Frameworks

vorgestellt und unter Berücksichtigung der Forschungsfrage die relevanten Erkenntnisse verdichtet

und bei Bedarf grafisch zusammengefasst. Dieses Kapitel stellt somit auch den Kern für die eigent-

liche Beantwortung der Forschungsfrage dar und enthält neben den Einschätzungen zu den be-

reits stattgefundenen Veränderungen auch die Handlungsempfehlungen, um das Geschäftsmodell

zielführend weiterzuentwickeln.

Das Kapitel 4 umfasst abschliessend die Diskussion der Ergebnisse dieser Arbeit, eine kritische

Reflexion und gibt einen Ausblick auf mögliche weitere Forschungsschwerpunkte in diesem The-

menbereich.

Abbildung 2: Aufbau der vorliegenden Arbeit Quelle: Eigene Darstellung

Forschungsmethodik & Forschungsdesign 2

2

3 4

Auswertung der empirischen Untersuchung auf Basis des Research Frameworks

Geschäftsmodell- umgebung 1 Aktuelles

Geschäftsmodell

Geschäftsmodell- einschätzung

Geschäftsmodell- weiterentwicklung

Kunden-beziehungen

Wertangebote Schlüssel-partner Kunden-segmente

Kanäle Schlüssel-ressourcen

Einnahmequellen Kostenstruktur

3

Konzeptionelle Grundlagen ! Bezugsrahmen für die empirische Untersuchung

Fokus auf: Schweizerisches Retail Banking

Bankenbranche Schweiz

Fokus auf: Geeigneter

Strukturierungsrahmen Geschäftsmodelle

Analyse der Veränderungen Theorie & Anwendung

Erarbeitung des Research-Frameworks

Kritische Würdigung

Analyse von relevanten Vorarbeiten

1

Ausgangslage & Zielsetzung

Erhebungsinstrumente

Auswahl der Experten

Untersuchungsmethode

Auswertung

Durchführung

1

2

3

4

6

5

Page 14: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Einleitung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 5

1.5 Abgrenzungen In Anbetracht der forschungsleitenden Fragestellung gilt es an dieser Stelle einige Abgrenzungen

vorzunehmen. In Bezug auf den Themenbereich des Geschäftsmodellansatzes, gilt es in Abhän-

gigkeit vom Anwendungskontext und dem Untersuchungsvorhaben die richtige Ebene für die Ge-

schäftsmodell-Betrachtung auszuwählen. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt daher in Anbe-

tracht der Zielsetzung auf der generischen Industrie-Ebene und analysiert demnach das Ge-

schäftsmodell der gesamten Retail Banking Branche der Schweiz (vgl. Kapitel 2.1.4). Daneben

liegt der Forschungsfokus in dieser Arbeit primär auf dem Geschäftsmodellansatz und Themenbe-

reiche mit Fokus auf die Strategie werden ausgeklammert (vgl. Kapitel 2.1.5). Im Bereich der Aus-

einandersetzung mit dem Bankensektor, fokussiert sich die vorliegende Arbeit einerseits aus-

schlisslich auf den Schweizer Markt und andererseits auf diejenigen Banken, die im Privatkunden-

geschäft tätig sind und innerhalb ihrer Ausrichtung das Geschäftsfeld „Retail Banking“ abdecken

(vgl. Kapitel 2.2.3 und Kapitel 2.2.4).

Page 15: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 6

2 Konzeptionelle Grundlagen Das vorliegende Kapitel stellt das theoretische Fundament der Arbeit vor. Die zentrale Zielsetzung

besteht darin, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehenden Grundlagen darzustellen und sie aus ei-

ner aktuellen Perspektive zu beleuchten. Darüber hinaus geht es im Rahmen dieses Kapitels auch

darum, die für die nachkommenden Kapitel notwendigen definitorischen Abgrenzungen vorzuneh-

men. Das Kapitel gliedert sich dabei in drei Teile. Im ersten Teil liegt der Fokus auf den wichtigsten

Grundlagen des Geschäftsmodellansatzes. Der zweite Teil befasst sich mit den Grundlagen der

Bankenbranche in der Schweiz im Allgemeinen aber auch spezifisch mit dem Retail Banking Sek-

tor. Im Rahmen des dritte Teiles dieses Kapitels werden die Erkenntnisse kritisch gewürdigt, rele-

vante Vorarbeiten zu dem untersuchten Themenbereich vorgestellt und das im Rahmen der empi-

rischen Untersuchung zur Anwendung kommende Research-Framework dargelegt.

2.1 Grundlagen des Geschäftsmodellansatzes Mit Hilfe der nachfolgenden Ausführungen wird der aktuelle Stand der Forschung zum Geschäfts-

modellansatz eingehend analysiert und die wichtigsten Grundlagen der aktuellen sowie themen-

spezifischen Literatur erläutert.

2.1.1 Entwicklung und Perspektiven des Geschäftsmodellansatzes

Bei dem Begriff „Geschäftsmodell“ handelt es sich um ein vergleichsweise junges Konzept.

Obschon der Ursprung des Geschäftsmodellansatzes heute auf eine Publikation von Peter Dru-

cker aus den 1950er Jahren zurückgeführt wird1, wird es von Wissenschaftlern erst seit ca. Mitte

der 1990er Jahre intensiver erforscht. Als ein Indiz hierfür kann eine Untersuchung von Zott, Amit

und Massa (2011) herangezogen werden, die den Anstieg der veröffentlichten Artikel zum Thema

Geschäftsmodell in akademischen und nicht-akademischen Journals aufzeigt. Ihre Analyse auf

Basis der Informationsquelle EBSCO zeigt, dass zwischen 1975 und 2009 weltweit 1’202 akade-

mische sowie 8062 journalistische Beiträge veröffentlicht wurden, wobei nur gerade etwa 10 Pro-

zent davon vor 1995 publiziert wurden2. Diese Tendenz des Anstiegs ist in Abbildung anhand von

Annäherungswerten illustriert.

1 Mit dem Begriff „logic of business“ schuf Drucker einen Vorläufer dessen, was heute unter dem Konzept „Geschäftsmodell“ in der Managementlehre verstanden wird (Bieger, Knyphausen-Aufsess, & Krys, 2011, S. 14).

2 Auf ein ähnliches Resultat kamen auch Ghaziani und Ventrasca (2005, S. 541) für den Zeitraum von 1975 bis 2000.

Page 16: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 7

Abbildung 3: Zunahme an Publikationen zum Thema Geschäftsmodell Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (Zott, Amit, & Massa, 2011)

Der exponentielle Anstieg an veröffentlichten Publikationen zum Thema Geschäftsmodell ab Mitte

der 1990er Jahre wird im Allgemeinen, dem in dieser Zeit beginnenden Internetboom zugeschrie-

ben. Vor allem nach dem Scheitern vieler Unternehmen stellte sich vermehrt die Frage nach dem

Ursprung von Erfolg und Misserfolg. Um eine zielführende Antwort darauf zu erhalten und die ver-

schiedenen Ansätze aus einer integrativen Sichtweise beschreiben und untereinander vergleichen

zu können, fand in der Öffentlichkeit eine immer häufigere Referenzierung auf den Begriff des Ge-

schäftsmodells statt (Osterwalder, 2004, S. 23). Die zunehmende Popularität und der inflationäre

Gebrauch des Ausdrucks in der Praxis lenkte nach kurzer Zeit auch die Aufmerksamkeit der For-

schung auf das Phänomen Geschäftsmodell. In Bezug auf die Entwicklung der noch jungen For-

schungsdisziplin können, wie die Abbildung 4 zeigt, mehrere Entwicklungsstufen konstatiert wer-

den. Zu Beginn lag der Forschungsfokus auf dem Versuch, den Begriff Geschäftsmodell zu defi-

nieren. Im Anschluss daran wurde versucht, Komponenten von Geschäftsmodell zu definieren und

darzustellen. In weiteren Schritten wurde darüber hinaus das Geschäftsmodell als ein zusammen-

hängendes Gebilde einzelner Elemente angesehen und diese versucht zu definieren. Die folgende

Phase ist durch einen konzeptionellen Ansatz geprägt, der die Komponenten der Modelle konzep-

tionell modelliert und versucht, in Referenzmodelle zu überführen.

Abbildung 4: Entwicklung der Geschäftsmodell-Forschung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (Osterwalder, Pigneur, & Tucci, 2005, S. 761)

Als Pionierarbeit und wichtiger Meilenstein der modernen Geschäftsmodell-Forschung gilt insbe-

sondere die Untersuchung von Amit und Zott (2001). Die Autoren haben im Rahmen einer empiri-

1000

800

600

400

200

1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 0

Anteil > 95% Anteil < 5%

Anwendung des

Geschäftsmodellansatzes

Modellierung der

Komponenten

Beschreibung der

Komponenten

Erarbeitung von Geschäftsmodell-

Komponenten

Definitionen und Klassifizierungen

1 2 3 4 5

Page 17: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 8

schen Studie 59 börsennotierte E-Business-Unternehmen analysiert, um Werttreiber von Ge-

schäftsmodellen im E-Business Bereich zu identifizieren. Dabei sind sie zu dem Schluss gekom-

men, dass sich viele zentrale Eigenschaften, die für die Generierung von ökonomischem Wert ver-

antwortlich sind, am zielführendsten durch das Geschäftsmodell-Konzept erklären lassen. Daher

stellten die Autoren die Schlussfolgerung auf, dass dem Geschäftsmodell der Status einer eigen-

ständigen Analyseeinheit zugesprochen werden sollte (Amit & Zott, 2001). Da die Ausführungen

von Amit und Zott (2001) sowie weiterer Publikationen dieser Zeit primär auf den spezifischen Be-

reich der New Economy beschränkt blieben, setzten sich verschiedene Forscher dafür ein, das

Geschäftsmodell-Konzept weg von der Internetökonomie in Richtung der Gesamtwirtschaft zu ver-

schieben. Auch Porter bemängelte in seinen Ausführungen die Vernachlässigung von Wertkette

und Strategie, die er in seinen früheren Werken als relevante Elemente für die Unternehmensfüh-

rung identifiziert hatte. (Scheer, Deelmann, & Loos, 2003, S. 16). Vor diesem Hintergrund wurde

das Geschäftsmodell aufgrund der Interdisziplinarität des Begriffs, sowie den vielfältigen potenziel-

len praktischen Anwendungsmöglichkeiten, im Laufe der Zeit von einer Reihe weiterer Disziplinen,

wie zum Beispiel dem Marketing, der Entrepreneurship-Forschung oder dem strategischen Ma-

nagement adaptiert und dort für die Untersuchung von allgemeineren Fragestellungen verwendet.

Dies wiederum führte dazu, dass sich das Geschäftsmodell in den letzten Jahren zu einer neuen

und allgemein anerkannten Analyseeinheit der gesamten Managementforschung etablieren konnte

(Csik, 2014, S. 18).

Aufgrund der disziplinübergreifenden Diffusion und der signifikanten Zunahme an Beiträgen zu der

Thematik Geschäftsmodell sind allerdings auch Unterschiede der dominanten Verwendung des

Begriffs „Geschäftsmodell“ in Bezug auf die Forschungsperspektiven nach dem disziplinären Zu-

gang auszumachen (Zott u. a., 2011, S. 1035). In Abhängigkeit von der dabei gewählten Perspek-

tive werden unterschiedliche Schwerpunkte und Erkenntnisziele formuliert und verfolgt. Je nach

dem, durch welche Brille das Phänomen Geschäftsmodell betrachtet wird, ergeben sich unter-

schiedliche Begriffsdeutungen (Shafer, Smith, & Linder, 2005).

Die nachstehende Tabelle 1 soll daher einen Überblick vermitteln, was im Rahmen des Informati-

onsmanagements, der Entrepreneurship-Forschung, des Marketings und des strategischen Mana-

gements unter dem Begriff „Geschäftsmodell“ verstanden wird, um darauf aufbauend die vorlie-

gende Arbeit einordnen zu können.

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 9

Forschungssicht Beschreibung

Sicht des Informations-

managements

Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses aus Sicht des Informationsmanagements

steht die Modellierung von Informationssystemen, um dadurch Geschäftsregeln und

Informationsflüsse im Unternehmen in abstrakter Form darzustellen. Das Geschäfts-

modell soll dabei die operativen Geschäftsprozesse beschreiben, in ein abstraktes

Modell überführen und im Informationssystem abbilden. Im Gegensatz zu anderen

Forschungsfeldern fokussiert man sich dabei lediglich auf die operative elektronische

Abwicklung von Transaktionen. Zwar kann die elektronische Durchführung der Trans-

aktionen zu mehr Effizienz und damit indirekt auch zu einem gesteigerten Nutzen bei-

tragen, es stellt aber nicht das Hauptziel der Anwendung dar. Stattdessen stehen im

Kontext des Informationsmanagements die Optimierung der Informations- und Waren-

flüsse sowie die Modellierung von Systemen der elektronischen Datenverarbeitung im

Vordergrund.

Sicht der Entrepreneurship-

Forschung

Im Bereich der Entrepreneurship-Forschung kommt das Konzept im Zusammenhang

mit Geschäftsplänen für Risikokapitalgeber oder anderen Kapitalgebern wie Kreditun-

ternehmen zur Anwendung. Damit sollen Jungunternehmer gegenüber Risikokapital-

gebern das eigene Geschäft in wenigen Worten skizzieren und erklären, wie sie damit

Geld verdienen wollen. Diese Geschäftskonzepte oder Businesspläne werden gerne

auch als Geschäftsmodelle bezeichnet, wobei es sich dabei eher um eine vereinfachte

und systematische Übersicht über die Geschäftstätigkeit von Unternehmen handelt.

Das Hauptaugenmerk liegt aus Sicht der Entrepreneurship-Forschung auf der Identifi-

kation und Nutzung von Geschäftschancen, der Realisierung neuer Geschäftsideen

und der Frage, wie Unternehmen damit Wert schaffen bzw. Geld verdienen wollen.

Sicht des

Marketings

Eine ebenfalls strategische, jedoch in höherem Masse marktorientierte Sicht nimmt die

Diskussion von Geschäftsmodellen im Bereich des Marketings ein. Die wesentliche

Rolle spielt hier der Kunde, respektive die Generierung von Kundennutzen. Das Ge-

schäftsmodell wird als Rahmen zur umfassenden und innovativen Gestaltung des

Leistungs- und Kundensystems gesehen. Es dient der Darstellung, auf welche Art und

Weise ein Unternehmen, ein Unternehmenssystem oder ein Markt- wert generiert.

Neben dem starken Kundenfokus sind Fragen wie diese relevant: Wie werden Erlöse

erzielt? Welches Wachstumskonzept wird verfolgt? Wie werden Wettbewerbsvorteile

erreicht? Wie ist die Positionierung? Was ist der Marketingmix? Welche Produkt-

Markt-Strategie wird verfolgt?

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 10

Sicht des

strategischen

Managements

Der Begriff Geschäftsmodell aus Sicht des strategischen Managements ist eng mit den

traditionellen Inhalten im Feld des strategischen Managements, wie beispielsweise die

Wettbewerbsfähigkeit sowie das Erlangen von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen auf

Märkten und auf Ebene einzelner Unternehmen, verbunden. Relevante Fragen betref-

fen dabei die Positionierung im Wettbewerb und die Organisation der wertschöpfenden

Aktivitäten von Unternehmen, um im zunehmend schärferen Wettbewerb zu bestehen

und erfolgreiche Wettbewerbspositionen zu erlangen. Der mit der zunehmenden Ver-

netzung einhergehende Anstieg der Komplexität, die verschiedenen Konfigurationen

und Designs bzw. deren Realisierung, stellen das Management vor eine überaus

komplexe Aufgabe. Traditionelle Analyseeinheiten eignen sich nur bedingt, um diese

neuartigen Formen der Wertschöpfung zu untersuchen. Stattdessen wird im Kontext

des strategischen Managements das Geschäftsmodell als neue Brille zur Betrachtung

dieser vernetzten Strukturen angeboten.

Tabelle 1: Übersicht der verschiedenen Forschungsperspektiven zum Thema Geschäftsmodell Quelle: In Anlehnung an

Für den weiteren Gang dieser Arbeit wird der Forschungsfokus auf die Sicht des strategischen

Managements gelegt. Dabei werden sowohl die internen als auch externen Facetten der Banken-

branche aufgegriffen und eine systematische Auseinandersetzung mit den Grundlagen des lang-

fristigen wirtschaftlichen Erfolgs von Banken angestrebt. Vor diesem Hintergrund wird das Ge-

schäftsmodell als Repräsentation der Geschäftslogik von einem strategischen Standpunkt aus ge-

sehen.

Zusammenfassend betrachtet handelt es sich bei einem Geschäftsmodell somit um ein Konzept,

welches erst seit einem vergleichsweise kurzen Zeitraum als eine wissenschaftliche Analyseeinheit

existiert, jedoch bereits schon heute aus verschiedenen Forschungsperspektiven untersucht wird

und eine überaus wichtige Rolle für die Erklärung von ökonomischen Zusammenhängen einnimmt.

Allerdings mangelt es trotz der unbestrittenen Relevanz und der Anerkennung des Konzeptes, bei

kritischer Betrachtung der Fachliteratur bis zum heutigen Zeitpunkt an einem einheitlichen, theore-

tisch fundierten Begriffsverständnis (Doleski, 2014, S. 4). Um trotzdem eine fundierte Auseinan-

dersetzung mit dem Geschäftsmodell-Konzept im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu ermögli-

chen, beschäftigt sich der nächste Abschnitt mit der Frage, wie sich ein Geschäftsmodell definie-

ren lässt.

2.1.2 Definition

„While everyone talks about business models, 99 percent have no clear framework for describing

their model.“ Dieses Zitat von Linder und Cantrell (2000, S. 2) beschreibt die aktuelle Problematik

in der wissenschaftlichen Diskussion. Es gibt demnach heute kaum ein Konzepte in der Betriebs-

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 11

wirtschaft, welches sowohl von Akademikern als auch Praktikern so ausführlich diskutiert, aber nur

ganz selten systematisch studiert wird, wie das Geschäftsmodell-Konzept (Jaeggi, 2010, S. 18).

Mittlerweile hat sich in der Theorie und Praxis eine Vielzahl verschiedener Definitionen des Ge-

schäftsmodellbegriffs und damit eng verwandter Begriffe herausgebildet, ohne dass sich hieraus

bisher eine allgemein akzeptierte und übergreifende Definition ergeben hätte (Fielt, 2011, S. 8).

Die Schwierigkeit der Wissenschaft, den Begriff zu erfassen, erklärt Teece (2010, S. 174) indem er

argumentiert, dass das Konzept des Geschäftsmodells keine etablierte theoretische Fundierung in

der VWL oder in der BWL habe. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, wird ein Geschäftsmo-

dell als ein Konzept interpretiert, welches vor allem mit den Aktivitäten in Verbindung gebracht

wird, die es benötigt, um in einem betrieblichen Kontext eine Wertschöpfung zu ermöglichen und

damit die angestrebte Wettbewerbsposition zu erreichen. Oberstes Ziel von Geschäftsmodellen ist

die Sicherstellung von Profitabilität und Fortbestand eines Unternehmens. Ferner sollen sie ein

ganzheitliches Verständnis für die Gesamtunternehmung sowie die Kernlogik der Leistungserstel-

lung ermöglichen (Wirtz, 2013, S. 68).

Vor dem Hintergrund der in der Literatur existierenden umfangreichen Aufarbeitung der bestehen-

den Begriffsdefinitionen, zeigt die Tabelle 2 eine nach Zitationshäufigkeit1 und zeitlichem Ursprung

ausgewählte Übersicht von Definitionsansätzen, die im Kontext der Forschungsfrage relevant sind.

Autor / # Zitationen Definition

Timmers,

1998, S. 2 /

2939 Zitationen

„An architecture for the product, service and information flows, in-

cluding a description of the various business actors and their roles;

and a description of the potential benefits for the various business

actors; and a description of the sources of revenues. ”

Afuah & Tucci, 2002, S. 3 /

1936 Zitationen

„A Business Model is the method by which a firm builds and uses its

resources to offer its customers better value than its competitors

and to make money doing so Business Models can be conceptual-

ized as a system that is made up of components, linkages between

components, and dynamics.”

Amit und Zott, 2001, S. 495 /

1359 Zitationen

„A business model depicts the design of transaction content, struc-

ture, and governance so as to create value through the exploitation

of business opportunities“

1 Die Zitationshäufigkeit wurde mit Google Scholar ermittelt (zuletzt geprüft am 20.06.2016).

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 12

Magretta,

2002, S. 4 /

2570 Zitationen

„Who is the customer? And what does the customer value? It also

answers the fundamental question every manager must ask: How

do we make money in this business? What is the underlying eco-

nomic logic that explains how we can deliver value to the customers

at an appropriate cost?“

Osterwalder, 2004, S. 15 /

1706 Zitationen

„A business model is a conceptual tool that contains a set of ele-

ments and their relationships and allows expressing a company's

logic of earning money. It is a description of the value a company

offers to one or several segments of customers and the architecture

of the firm and its network of partners for creating, marketing and

delivering this value and relationship capital, in order to generate

profitable and sustainable revenue streams.”

Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 18 /

3375 Zitationen

„A business model describes the rationale of how an organization

creates, delivers, and captures value“

Bieger und Reinhold,

2011, S. 32 /

95 Zitationen

„Ein Geschäftsmodell beschreibt die Grundlogik, wie eine Organisa-

tion Werte schafft. Dabei bestimmt das Geschäftsmodell, (1) was

eine Organisation anbietet, das von Wert für Kunden ist, (2) wie

Werte in einem Organisationssystem geschaffen werden, (3) wie

die geschaffenen Werte dem Kunden kommuniziert und übertragen

werden, (4) wie die geschaffenen Werte in Form von Erträgen

durch das Unternehmen „eingefangen“ werden, (5) wie die Werte in

der Organisation und an Anspruchsgruppen verteilt werden und (6)

wie die Grundlogik der Schaffung von Werten weiterentwickelt wird,

um die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells in der Zukunft sicher-

zustellen. „

Schallmo,

2012, S. 22 /

37 Zitationen

„Ein Geschäftsmodell ist die Grundlogik eines Unternehmens, die beschreibt, welcher Nutzen auf welche Weise für Kunden und Part-ner gestiftet wird. Ein Geschäftsmodell beantwortet die Frage, wie der gestiftete Nutzen in Form von Umsätzen an das Unternehmen zurückfliesst. Der gestiftete Nutzen ermöglicht eine Differenzierung gegenüber Wettbewerbern, die Festigung von Kundenbeziehungen und die Erzielung eines Wettbewerbsvorteils.“

Tabelle 2: Übersicht verschiedener Definitionen zum Geschäftsmodellbegriffs Quelle: Quellenangaben sind in der Tabelle zu finden

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 13

Die in chronologischer Reihenfolge aufgeführten Definitionen heben den fehlenden Konsens über

eine einheitliche Geschäftsmodell-Definition hervor. Die Analyse zeigt, dass die verschiedenen

definitorischen Abgrenzungen des Begriffs Geschäftsmodell variieren, sich allerdings nicht grund-

sätzlich wiedersprechen, sondern sich gegenseitig ergänzen und partielle Überschneidungen auf-

weisen. Vor diesem Hintergrund hat Schallmo (2012, S. 16) in seiner Forschungsarbeit eine Reihe

von gemeinsamen Bestandteilen identifiziert, die in den einzelnen Definitionen unterschiedlich

stark zum Ausdruck kommen (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5: Bestandteile von Geschäftsmodellen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (Schallmo, 2012, S. 22)

Auch Osterwalder (2004, S. 42 ff.) setzte sich im Rahmen seiner Forschung mit den verschiede-

nen Definitionsansätzen von Geschäftsmodellen auseinander und entwickelte auf dessen Basis

eine Ontologie, welche die verschiedenen Definitionen strukturiert und einander zuordnet. In dieser

Ontologie werden somit unterschiedliche Definitionsansätze miteinander verbunden und auf einen

gemeinsamen Nenner konzentriert. Da die Ontologie nach Osterwalder (2004) sowohl in der For-

schung als auch in der Praxis grossen Zuspruch findet und das Grundprinzip von Geschäftsmodel-

len treffend identifiziert, wird ein Geschäftsmodell infolgedessen in Anlehnung an Osterwalder

(2004, S. 15) sowie Osterwalder und Pigneur (2011, S. 18) wie folgt definiert:

Definition

Ein Geschäftsmodell stellt das Grundprinzip dar, nach dem eine Organisation Werte schafft,

vermittelt und erfasst. Es ist ein konzeptionelles Hilfsmittel, das eine bestimmte Anzahl von

Komponenten und deren Beziehungen beinhaltet, sodass die Logik, mit der ein Unternehmen

Geld verdient, erklärt werden kann. Es zeigt den Wert auf, den ein Unternehmen einem oder

mehreren Kundensegmenten anbietet, sowie die notwendige Architektur und das Partner Netz-

werk, um das Wertangebot zu erstellen, zu vermarkten und auszuliefern.

2.1.3 Strukturierungsansätze

Für die gezielte Auseinandersetzung mit dem Thema Geschäftsmodell und eine zielführende Be-

antwortung der Forschungsfrage bedarf es neben der vorgängigen Klärung der Begrifflichkeiten,

einen konzeptionellen Bezugsrahmen, der die relevanten Aspekte eines Geschäftsmodells sowie

Erreichung eines Wettbewerbs-

vorteils & Abschöpfung von Werten

Differenzierung und Festigung von

Kundenbeziehungen

Stiftung von Nutzen für

Kunden & Partner

Erstellung von Produkten und Dienstleistungen

Kombination von Elementen eines

Unternehmens

1 2 3 4 5

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 14

dessen Wechselwirkungen kompakt und übersichtlich strukturiert. Dabei folgt diese Arbeit dem auf

Gestaltungskomponenten basierenden Strukturierungsansatz1. Dieser Ansatz bietet den Vorteil,

dass er auf einem abstrakten Niveau die relevanten Aspekte für eine ganzheitliche Beschreibung,

Analyse und Gestaltung einer Geschäftstätigkeit kompakt und übersichtlich strukturiert (Breuer,

2010, S. 71). Mit Hilfe des Strukturierungsrahmens sollen darüber hinaus einerseits die aktive und

intuitive Gestaltung des Geschäftsmodells unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwi-

schen den Geschäftsmodellelementen sichergestellt werden (Köster, 2014, S. 45). Andererseits

erlaubt eine strukturierte Darstellung eine Verbesserung der methodischen Unterstützung des stra-

tegischen Managements (Winter, 2003, S. 49). Im Vordergrund der hier betrachteten Ansätze steht

die Frage, aus welchen Elementen ein Geschäftsmodell besteht und wie diese Elemente ausge-

staltet und angeordnet sind. Im Rückblick auf die Entstehung und Verbreitung des Geschäftsmo-

dell-Konzeptes fehlt neben einer einheitlichen Begriffsdefinition (vgl. Kapitel 2.1.2) auch ein einheit-

liches Beschreibungsraster. Daher werden in den nachkommenden Absätzen verschiedene im

Kontext dieser Arbeit relevante generische Strukturierungsansätze und die dazugehörigen Ele-

mente beleuchtet, um darauf aufbauend einen für die Arbeit zielführenden Analyserahmen abzulei-

ten.

1 Vgl. Übersicht verschiedener Strukturierungsansätze nach Köstner (2014, S. 28)

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 15

Strategisches Geschäftsmodell nach Hamel / 2002

Hamel (2002) definiert in seinem Buch "Leading the revolution" einen Strukturierungsrahmen, der

aus vier Hauptkomponenten besteht, die wiederum Unterkomponenten besitzen. Als Hauptkompo-

nenten nennt Hamel die Komponenten Kundenschnittstelle, Strategie, Ressourcen und Netzwerk.

Über drei sogenannte Brückenkomponenten werden diese miteinander verbunden, weshalb die

Brücke Kundennutzen die Hauptkomponenten Kundenschnittstelle und Strategie, die Brücke Kon-

figuration die Hauptkomponenten Strategie und Ressourcen verbindet, während diese wiederum

über die Brücke Unternehmensgrenzen mit der Hauptkomponente Netzwerk verbunden werden.

Untermauert wird das GM durch die vier Faktoren Effizienz, Einzigartigkeit, Passgenauigkeit und

Gewinnverstärker (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6: Strategisches Geschäftsmodell nach Hamel Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hamel, 2002

Kundenschnittstelle

! Ausführung & Support

!  Informationen & Einblick

! Beziehungsdynamik

! Preisstruktur

Strategie

! Mission

! Produkt- & Marktumfang

! Differenzierungsbasis

Ressourcen

! Kernkompetenzen

! Strategische Aktivposten

! Kernprozesse

Netzwerk

!  Lieferanten

! Partner

! Bedürfnisse

Effizienz | Einzigartigkeit | Passgenauigkeit | Gewinnverstärker

Kundennutzen Konfiguration Grenzen

!  Strategie: Übergeordnete Mission des Unternehmens, welche durch das GM erfüllt werden soll. Dieses Element definiert darüber hinaus den Produkt- und Marktumfang sowie das Kundensegment und die Differenzierungsbasis.

!  Ressourcen: Definition der Kernkompetenzen sowie -prozesse des Unternehmens.

!  Kundenschnittstelle: Übersicht der Anstrengungen um Kunden zu erreichen und mit ihnen zu interagieren (durch welche Kanäle). Zudem wir im Rahmen dieses Elements aufgezeigt, wie wichtige Kundeninformationen gewonnen und die Kunden an das Unternehmen gebunden werden können.

!  Netzwerk: Darstellung der wichtigsten Stakeholder des Unternehmens sowie deren Bedürfnissen

Beschreibung der Komponenten

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Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 16

Geschäftsmodellansatz Canvas nach Osterwalder und Pigneur / 2011

Osterwalder und Pigneur (2011) beschreiben ein Geschäftsmodell anhand von neun grundlegen-

den Bausteinen, den sogenannten „9 building blocks“, die zeigen, aufgrund welcher Logik ein Un-

ternehmen Geld verdienen möchte. Die neun Bausteine decken die vier wichtigsten Bereiche eines

Unternehmens ab: Kunden, Angebot, Infrastruktur und finanzielle Überlebensfähigkeit. Der von

ihnen erarbeitete Strukturierungsrahmen ermöglicht eine mühelose, aber sehr detaillierte Be-

schreibung sowie Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: Geschäftsmodellansatz Canvas nach Osterwalder und Pigneur

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Osterwalder & Pigneur, 2011

Wertangebote Schlüsselpartner

Schlüsselaktivitäten

Kundensegmente

Schlüsselressourcen

Einnahmequellen Kostenstruktur

Kanäle

Kunden- beziehungen

!  Kundensegmente: Definition der verschiedenen Kundensegmente, die ein Unternehmen erreichen und bedienen möchte.

!  Wertangebot: Beschreibung der Produkten und Dienstleistungen, die für ein bestimmtes Kundensegment Werte generieren.

!  Kanäle: Betrachtung der Kanäle, die dazu dienen das selektierte Kundensegment anzusprechen, um das Wertangebot zu vermitteln

!  Kundenbeziehung: Übersicht zu den verschiedenen Beziehungen, die ein Unternehmen mit bestimmten Kundensegmenten eingeht.

!  Einnahmequellen: Darstellung der Einkünfte, die ein Unternehmen aus jedem Kundensegment bezieht.

!  Schlüsselressourcen: Beschreibung der wichtigsten Wirtschaftsgüter, die für das Funktionieren des Geschäftsmodells notwendig sind.

!  Schlüsselaktivitäten: Darlegung der wichtigsten Aktivitäten, die ein Unternehmen bewerkstelligen muss, damit das Geschäftsmodell funktioniert.

!  Schlüsselpartnerschaften: Beschreibung des Netzwerkes von Liedernten und Partner, die zum Gelingen des Geschäftsmodells beitragen.

!  Kostenstruktur: Auseinandersetzung mit sämtlichen Kosten, die bei der Ausführung des Geschäftsmodells anfallen.

Beschreibung der Komponenten

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Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 17

Der wertbasierte Geschäftsmodellansatz nach Bieger und Reinhold / 2011

Bieger und Reinhold (2011) haben einen Strukturierungsrahmen zur wertbasierten Beschreibung

unternehmerischer Geschäftstätigkeit geschaffen. Er zeichnet sich durch eine durchgängige Wer-

torientierung für Kunden und Unternehmen aus. Das Rahmenwerk besteht aus sechs Elementen,

dessen generische Natur die Anwendung auf verschiedene Industrien und auch den organisati-

onsübergreifenden Vergleich erlaubt (siehe Abbildung 8).

Abbildung 8: Der wertbasierte Geschäftsmodellansatz nach Bieger und Reinhold Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bieger & Reinhold, 2011

!  Leistungskonzept: Festlegung der Leistung für die verschiedene Kunden

!  Wertschöpfung: Erklärung zur Umsetzung des Nutzenversprechens für die Kunden (Berücksichtigung von unternehmensinterne und -externe Ressourcen und Fähigkeiten) Berücksichtigung.

!  Kanäle: Definition des Kontakts und Leistungsübertragung zwischen dem Kunden und dem Unternehmen (Betrachtung der Kommunikations- als auch der Distributionskanäle)

!  Ertragsmodell: Betrachtung der Erträge, welche aus der erbrachten Leistungen entstehen

!  Werteverteilung: Beschreibung der Verteilung der Einnahmen

!  Entwicklungskonzept: Darstellung der Massnahmen, welche das Unternehmen treffen muss, um das Geschäftsmodell kontinuierlich weiterzuentwickeln

Beschreibung der Komponenten

Leistungskonzept

Ertragsmodell

Wertschöpfungskonzept

Kanäle

Entwicklungskonzept

Wertverteilung

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Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 18

Partialmodelle eines integrierten Geschäftsmodells nach Wirtz / 2013

Wirtz (2013) sieht ein Geschäftsmodell als eine aggregierte Abbildung des betrieblichen Produkti-

ons- und Leistungssystems eines Unternehmens. Das integrierte Geschäftsmodellkonzept, wel-

ches aus sechs Partialmodellen besteht, zeigt auf, welche Ressourcen in das Unternehmen flies-

sen und wie diese durch den innerbetrieblichen Leistungserstellungsprozess in vermarktungsfähi-

ge Informationen, Produkte oder Dienstleistungen transformiert werden (siehe Abbildung 9).

Abbildung 9: Partialmodelle eines integrierten Geschäftsmodells nach Wirtz Quelle: Eigene Darstellung nach Wirtz, 2013

!  Marktmodell: Aufgeteilt in zwei Submodelle, wobei das Nachfragermodell den Kunden, seine Nachfrageleistung und -menge sowie seine Preisbereitschaft und das Wettbewerbsmodell die Marktstruktur und das Marktverhalten aufzeigen

!  Beschaffungsmodell: Beschreibung des Lieferantenmarktes

!  Leistungserstellungsmodell: Beschreibung der Güter und Dienstleistungen sowie die Transformationsprozesse zur Leistungserstellung

!  Leistungsangebotsmodell: Formulierung des Nutzenversprechens

!  Distributionsmodell: Bestimmung der Produkte, die zu welchem Preis und zu welcher Zeit, über welche Distributionskanäle zum Kunden gelangen

!  Kapitalmodel: Umfasst zwei Submodelle, das Finanzierungsmodell die Herkunft und Zusammensetzung des benötigten Kapitals aufzeigt und das Erlösmodell die Umsatzerlösquellen und die definiert Erlösformen beschreibt

Beschreibung der Komponenten

Geschäftsmodell

Marktmodell (Wettbewerbsmodell &

Nachfragermodell)

Leistungsangebotsmodell

Leistungserstellungsmodell

Beschaffungsmodell

Distributionsmodell

Kapitalmodell (Finanzierungsmodell & Erlösmodell)

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 19

Das magische Dreieck nach Gassmann u. a. / 2013

Auf Basis langjähriger Praxiserfahrung zum Thema Geschäftsmodell hat Gassmann u. a. (2013)

einen einfachen und trotzdem ganzheitlichen Strukturierungsrahmen für die Beschreibung von Ge-

schäftsmodellen entwickelt. Er soll dazu beitragen, eine fokussierte Diskussion zum Thema Ge-

schäftsmodell mit Hilfe einer zielführenden Skizzierung der wichtigsten Geschäftsmodell-Elemente

zu erreichen. Der Strukturierungsrahmen besteht aus vier Elementen, welche, wie Abbildung 10

zeigt, in einem „magischen Dreieck“ dargestellt werden.

Abbildung 10: Das magische Dreieck nach Gassmann u. a. Quelle: Eigene Darstellung nach (Gassmann u. a., 2013)

!  Wer ?- Kunde: Auseinandersetzung mit dem Bild des Zielkunden bzw. Kundensegmente.

!  Was? - Nutzenversprechen: Beschreibung aller Produkte und Dienstleistungen, welche den Zielkunden angeboten werden, um deren Bedürfnisse zu befriedigen.

!  Wie? - Wertschöpfungskette: Darstellung der wichtigsten Prozesse, Aktivitäten, Ressourcen und Fähigkeiten, um das Nutzenversprechen sicherzustellen.

!  Wert? - Ertragsmechanik: Ausführungen zu der Kostenstruktur und den Ertragsmechanismen

Beschreibung der Komponenten

Wert?

Was?

Wie?

Wer?

Ertragsmechanik Wertschöpfungskette

Nutzenversprechen

Wie?

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 20

Business-Model-Poster nach Rusnjak / 2014

Rusnjak (2014) entwickelte im Rahmen seiner Forschungsarbeit mit dem Business-Model-Poster

einen Strukturierungsrahmen, der sowohl zu Beginn der Geschäftsmodellentwicklung als auch zur

Weiterentwicklung von GM Anwendung finden kann. Er dient der Strukturierung und Visualisierung

von Aktivtäten und wichtigen Zusammenhängen, reduziert die Komplexität der Beschreibung von

GM und schafft ganzheitliches Verständnis. Das Poster besteht aus 17 einzelnen Komponenten,

die wiederum zu neun Säulen zusammengefasst sind (siehe Abbildung 10)

Abbildung 11: Business-Model-Poster nach Rusnjak Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Rusnjak, 2014

Die Analyse relevanter Strukturierungsrahmen hat gezeigt, dass es verschiedene Ansätze gibt,

anhand derer Geschäftsmodelle und die dazugehörigen Bestandteile beschrieben werden können.

Ein Modell zur Strukturierung der einzelnen Elemente und Dimensionen ist dabei nie richtig oder

falsch, sondern immer nur für eine gewisse Aufgabe nützlich oder nicht. Die Aufgabe des Struktu-

rierungsrahmens in der vorliegenden Arbeit ist es, die Bankenbranche der Schweiz zielführend zu

analysieren und mögliche zukünftige Entwicklungen abzuleiten.

!  Vision: Zielformulierung, die den Geführten den Eindruck einer besseren Zukunft für die Organisation vermittelt.

!  Value Proposition: Nutzen-/ Wertversprechen einer Organisation gegenüber ihren Stakeholder

!  Value Configuration: Aktivitäten und Ressourcen, entlang einer oder mehrerer Wertschöpfungsketten, die notwendig sind um das Nutzen-/ Wertversprechen erfüllen zu können (unterteilt in Key Resources, Key Activities, Customer Relationships und Chanels)

!  Customers: Auseinandersetzung mit den verschiedenen Zielgruppen des Unternehmens, die es theoretisch erreichen kann bzw. tatsächlich angesprochen werden sollen

!  Key Partners: Identifikation von Kooperationspartnern

!  Revenue Model: Übersicht bezüglich den Erlösen, die ein Unternehmen erwirtschaften kann

!  Cost Structure: Analyse der monetären Inputs aus direkten Kosten und Betriebskosten in Relation mit Skalen- und Verbundeffekten

!  Critical Success Factors: Formulierung von endogenen und exogenen Erfolgsfaktoren

!  Strategies: Formulierung, Ableitung und Weiterentwicklung von markt- oder ressourcenbasierte Strategien

Beschreibung der Komponenten

Entwicklungskonzept Entwicklungskonzept Vision

Critical Success Factors

Strategies

Cost Structure

Key Ressources

Customer Relationship

Revenue Model

Channels Key Activities

Key Partners

Customers Approach

Need Key Activities

Benefit

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Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 21

Aufgrund der ausführlich definierten und klar voneinander abgegrenzten Geschäftsmodellelemen-

te, die wiederum in Partialmodellen thematisch zusammengefasst sind, sowie den praxisnahen

Ansätzen zur Ermittlung von Handlungsoptionen, wird der intuitiv verständliche und allgemeingülti-

ge Canvas Ansatz von Osterwalder und Pigneur (2011) für die vorliegenden Arbeit verwendet. Der

sowohl in der Praxis als auch in der Forschung oft referenzierte Ansatz wird vor dem Hintergrund

der forschungsleitenden Fragestellung als ein zielführendes Analyseinstrument angesehen. Da der

Canvas Ansatz allerdings die dynamischen Aspekte eines Geschäftsmodells vernachlässigt, wird

er in der vorliegenden Arbeit durch das Entwicklungskonzept des wertbasierten Geschäftsmodel-

lansatzes nach Bieger und Reinhold (2011) ergänzt. Dieses Konzept fordert eine regelmässige

Überprüfung des bestehenden Geschäftsmodells und definiert zum einen, wie das Unternehmen

im Rahmen des bestehenden Geschäftsmodells quantitativ wachsen kann oder angesichts verän-

derter Rahmenbedingungen qualitativ weiterentwickelt werden soll. Dadurch lassen sich Chancen-

potenziale frühzeitig erkennen und entsprechende Handlungsoptionen im Sinne einer behutsamen

Weiterentwicklung des Geschäftsmodells generieren, ohne dabei einen kurzfristigen Radikalum-

bau des bestehenden Geschäftsmodells durchführen zu müssen.

Der entsprechende Strukturierungsrahmen, auf dessen Basis das aktuelle Geschäftsmodell der

Retail Banking Branche analysiert und weiterentwickelt wird, ist in Abbildung 12 dargestellt.

Abbildung 12: Referenz-Strukturierungsrahmen für die vorliegende Arbeit Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bieger & Reinhold, 2011; Osterwalder &

Pigneur, 2011

2.1.4 Geschäftsmodell-Ebenen

In Abhängigkeit vom Anwendungskontext kann die Geschäftsmodell-Betrachtung unter Berück-

sichtigung unterschiedlicher Ebenen erfolgen. In der wissenschaftlichen Diskussion haben sich,

wie in Abbildung 13 illustriert, zwei grundsätzliche Geschäftsmodell-Ebenen herauskristallisiert.

Wertangebote Schlüsselpartner

Schlüssel- aktivitäten

Kundensegmente Schlüssel- ressourcen

Einnahmequellen Kostenstruktur

Kanäle

Kunden- beziehungen

Qualitatives Wachstum

Quantitatives Wachstum

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 22

Während sich die erste Ebene mit generischen Beschreibungsansätzen für Geschäftsmodelle be-

fasst, konzentriert sich die andere auf einzelne, spezifische Geschäftsmodelle1.

Abbildung 13: Ebenen von Geschäftsmodellen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schallmo (2012, S. 32), Osterwalder

(2004, S. 5) und Wirtz (2013, S. 70 f.)

Die generische Ebene gilt dabei nicht für ein spezifisches Unternehmen und unterteilt sich wiede-

rum in zwei Sub-Ebenen, die abstrakte Ebene und die Industrie-Ebene. Die abstrakte Ebene ent-

hält Geschäftsmodelle, die unabhängig einer Industrie gelten und beschreiben, wie Unternehmen

am Markt agieren können. Ein Beispiel für abstrakte Geschäftsmodelle auf der generischen Be-

trachtungsebene liefert Gassmann u. a. (2013) mit seinem Buch „Geschäftsmodelle entwickeln“, in

dem 55 verschiedene industrieunabhängige Geschäftsmodell-Muster vorgestellt werden. Die zwei-

te Sub-Ebene auf der generischen Betrachtungsperspektive ist die Industrie-Ebene, welche be-

schreibt, wie Unternehmen innerhalb einer bestimmten Industrie agieren (Schallmo, 2014, S. 14).

Die spezifische Ebene, welche sich auf ein bestimmtes Unternehmen bezieht, unterteilt sich in drei

Sub-Ebenen. Die Unternehmens-Ebene, die Geschäftseinheits-Ebene und die Produkt- und

Dienstleistungs-Ebene. Die Unternehmens-Ebene enthält Geschäftsmodelle für ein bestimmtes

Unternehmen aus einer übergeordneten Perspektive. Bei kleinen Unternehmen oder solchen mit

einem homogenen Produktprogramm gilt das Unternehmensgeschäftsmodell meist als Vorgabe für 1 Vgl. Schallmo (2012, S. 32), Osterwalder (2004, S. 5) und Wirtz (2013, S. 70 f.)

Abstrakte Ebene

Industrie Ebene

Unternehmens Ebene

Geschäfts- einheits Ebene

Produkt Ebene

Abstrakte Geschätsmodell- typen (-muster)

Industrie Geschätsmodell- typen (-muster)

Geschäftsmodelle für ein Unternehmen

Geschäftsmodelle für ein Geschäfts-

einheit

Geschäftsmodelle für spezifisches

Produkt

!  Unabhängig von Industrien

!  Möglichkeiten zur Ausgestaltung von Elementen und Muster

!  Generelles Prinzip, wie ein Unternehmen agieren soll

!  Für eine Industrie definiert

!  Möglichkeit zur Ausgestaltung von Elementen

!  Generelles Prinzip, wie ein Unternehmen agieren soll

!  Für ein Unternehmen definiert

!  Fix definierte Elemente

!  Prinzip, wie ein Unternehmen in deiner Industrie agieren soll

!  Für eine Geschäftseinheit definiert

!  Fix definierte Elemente

!  Beschreibung, wie eine Geschäftseinheit agieren soll

!  Für ein Produkt definiert

!  Fix definierte Elemente

!  Beschreibung, wie das Produkt im Rahmen des Geschäftsmodells funktionieren soll

Gene

risch

Sp

ezifi

sch

Ebene Schema Charakteristik

Page 32: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 23

sämtliche Produktlinien (Zott u. a., 2011, S. 18). Die Geschäftseinheits-Ebene beinhaltet Ge-

schäftsmodelle für Geschäftseinheiten und ist für Unternehmen relevant, die in unterschiedlichen

Geschäftsfeldern bzw. Ländern tätig sind. Die Produkt- und Dienstleistungs-Ebene beinhaltet Ge-

schäftsmodelle, die für ein spezifisches Produkt oder für eine Dienstleistung gelten und sind daher

insbesondere für Unternehmen mit einem diversifizierten Produktprogramm relevant (Wirtz, 2013,

S. 70 ff.).

In Abhängigkeit vom Anwendungskontext und dem Untersuchungsvorhaben ist die richtige Ebene

für die Geschäftsmodell-Betrachtung auszuwählen. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt daher

in Anbetracht der Zielsetzung auf der generischen Industrie-Ebene und analysiert demnach das

Geschäftsmodell der gesamten Bankenbranche der Schweiz.

2.1.5 Beziehung zwischen Strategie und Geschäftsmodell

Die inhaltliche Beziehung zwischen Geschäftsmodell und Strategie ist ein Thema, das sowohl in

der Wissenschaft als auch in der Praxis zunehmend Beachtung findet (Magretta, 2002, S. 91). Da

beide Begriffe auch für die Beantwortung der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Forschungsfrage

Relevanz aufweisen, werden nachkommend die beiden Begriffe genauer abgegrenzt.

Obschon die Begriffe „Strategie“ und „Geschäftsmodell“ in der Managementpraxis oft gemeinsam

oder teilweise sogar synonym verwendet werden, sind sich die meisten Managementforscher ei-

nig, dass es sich dabei um zwei verschiedene Konzepte handelt, die auf unterschiedlichen Ebenen

wirken (Bieger & Reinhold, 2011, S. 23). Forscher, die sich mit den Unterschieden zwischen Stra-

tegie und Geschäftsmodell detaillierter auseinandersetzen, halten fest, dass zwischen den beiden

Konzepten hinsichtlich Orientierung, Inhalt, Zielsetzung, zeitlicher Gültigkeit, Konkurrenz, Finanzie-

rung sowie Wissen wesentliche Unterschiede bestehen, die in der Tabelle 3 genauer ausgeführt

werden.

Page 33: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 24

Strategie Geschäftsmodell

Orientierung Wettbewerb Kunde

Inhalt Marktanalysen und –planung; Festle-gung, welche Position im Markt erzielt werden soll und Erarbeitung unter-schiedlicher Geschäftsmodell-Optionen.

Beschreibung, wie Unternehmensaktivitäten

und Unternehmenselemente zusammenwir-

ken, um Strategien umzusetzen. Grundlogik

eines Unternehmens; Beschreibung, wel-

cher Nutzen auf welche Weise für Kunden

und Partner gestiftet wird und wie dieser

Nutzen in Form von Umsätzen an das Un-

ternehmen zurückfliesst. Nutzen ermöglicht

Differenzierung gegenüber Wettbewerbern,

Festigung von Kundenbeziehungen und

Erzielung eines Wettbewerbsvorteils.

Zielsetzung Aufbau und Absicherung eines Wettbe-

werbsvorteils; Differenzierung gegen-

über Wettbewerbern.

Geschäftsmodell-Elemente so miteinander

kombinieren, dass das Geschäftsmodell

schwer imitierbar ist. Geschäftsmodell-

Elemente sollen sich gegenseitig verstär-

ken, um Wachstum zu erzielen.

Zeitliche Gültig-

keit

Langfristige Massnahmenkombination

zur Erreichung der gesteckten Ziele. Die

Grundlagen von strategischen Mass-

nahmen können zur Veränderung von

Geschäftsmodellen über die Zeit führen.

Gebunden an einen bestimmten Zeitpunkt.

Geschäftsmodelle als Ausgangs- oder Ziel-

zustände bei der Abstimmung strategischer

Massnahmen.

Konkurrenz Abgrenzung und Sicherung nachhaltiger

Wettbewerbsvorteile gegenüber der

Konkurrenz

Erstellung eines konkreten und überlegenen

Kundenwerts ohne Berücksichtigung der

Konkurrenz

Finanzierung Integraler Bestandteil der Strategie Notwendige finanzielle Aspekte werden nur

am Rande berücksichtigt. Ökonomische

Logik steht im Sinne eines Gewinnmodells

im Fokus.

Wissen Entstehung durch systematische Ge-

winnung bzw. Ableitung aus vorhande-

nen Umwelt- und Unternehmensinfor-

mationen.

Entstehung insbesondere auf Basis der

vorhandenen Erfahrungen eines Unterneh-

mens.

Tabelle 3: Unterschiede zwischen Strategie und Geschäftsmodell Quelle: Breuer, 2010, S. 15; Eckert, 2014, S. 54; Schallmo, 2014, S. 12

Page 34: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 25

Unternehmen verfügen nicht immer über eine explizit formulierte Strategie, welche bestimmt, wie

ein Unternehmen durch entsprechende Massnahmen gewisse Ziele erreichen will. Jedes Unter-

nehmen verfügt allerdings über ein Geschäftsmodell, auch wenn dieses nicht konkret formuliert ist.

Das Geschäftsmodell ist für Aussenstehende in der Regel gut erkennbar, während die Strategie für

den externen Betrachter meist nur in einfachen Wettbewerbssituationen vollständig nachvollzieh-

bar ist (Casadesus-Masanell & Ricart, 2010, S. 36). Dies hat zur Folge, dass ein Geschäftsmodell

im Gegensatz zu einer spezifischen Unternehmensstrategie wesentlich einfacher kopiert werden

kann (Teece, 2010, S. 24).

Gemäss Bieger und Reinhold (2011, S. 25) ist die Strategie der Bezugsrahmen für die Entwicklung

und Konfiguration eines Geschäftsmodells. Ein umgesetztes Geschäftsmodell lässt wiederum

Schlüsse auf die Strategie zu, während innerhalb einer Strategie verschiedene Geschäftsmodell-

konfigurationen möglich sind. Das Geschäftsmodell ist dabei nicht als vereinfachte Darstellung der

Strategie zu betrachten, sondern stellt eher eine Konkretisierung der realisierten Strategie in Be-

zug auf die ausgewählten Elemente des Geschäftsmodellansatzes dar. Eine zielführende Entwick-

lung eines Geschäftsmodells bedingt daher, dass die Geschäftsmodell- und die Strategieplanung

eng miteinander verbunden werden und die Entscheidung über zu realisierende Geschäftsmodelle

vom strategischen Management gefällt wird (Teece, 2010, S. 34).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Strategie spezifisch auf eine Firma zuge-

schnitten ist. Im Gegensatz dazu kann ein Geschäftsmodell als Abstraktion einer Unternehmens-

strategie aufgefasst werden (Seddon & Lewis, 2003, S. 17). Das gleiche Geschäftsmodell kann

demnach durch mehr als nur ein Unternehmen verfolgt werden, wodurch auch die Analyse eines

generischen Geschäftsmodells auf Industrie-Ebene Sinn ergibt.

Das Konzept Geschäftsmodell ergänzt dabei das der Strategie, wobei beide sowohl Gemeinsam-

keiten als auch Unterschiede aufweisen. Im Kontext der vorliegenden Arbeit ist in Bezug auf die

oben geschilderten Unterschiede die Strategie vom Geschäftsmodell zu trennen. Der Forschungs-

fokus liegt demnach primär auf dem Geschäftsmodellansatz, während Themenbereiche mit Fokus

auf die Strategie ausgeklammert werden.

2.1.6 Zusammenfassung

Das Geschäftsmodell-Konzept gewinnt seit den letzten Jahrzenten sowohl in der Praxis als auch in

der Forschung zunehmend an Bedeutung und nimmt heute eine überaus wichtige Rolle für die

Erklärung von ökonomischen Zusammenhängen ein. Trotzdem mangelt es an einem übergreifend

anerkannten Begriffsverständnis. Im Kontext der dieser Arbeit zu Grunde liegender Forschungs-

frage wird unter einem Geschäftsmodell das Grundprinzip verstanden, wonach eine Organisation

Werte schafft, vermittelt und erfasst. Zudem dient es als konzeptionelles Hilfsmittel, das die Logik

aufzeigt, mit der ein Unternehmen Geld verdienen möchte.

Page 35: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 26

Neben einer einheitlichen Begriffsdefinition fehlt auch ein allgemein gültiger, einheitlicher Be-

schreibungsraster, der als konzeptioneller Bezugsrahmen dient und die relevanten Aspekte eines

Geschäftsmodells sowie dessen Wechselwirkungen kompakt und übersichtlich strukturiert. Im

Kontext der Forschungsziele wird in diesem Zusammenhang dafür auf den intuitiv verständlichen

und allgemeingültigen Canvas Ansatz von Osterwalder und Pigneur (2011) zurückgegriffen und mit

dem Entwicklungskonzept des wertbasierten Geschäftsmodellansatzes nach Bieger und Reinhold

(2011) kombiniert.

Page 36: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 27

2.2 Grundlagen zur Bankenbranche der Schweiz Das folgende Kapitel zielt darauf ab, die Schweizer Bankenbranche zu analysieren und den Unter-

suchungsrahmen in Bezug auf das Retail Banking abzustecken.

2.2.1 Volkswirtschaftliche Bedeutung

Levine (2005) bezeichnet das Bankensystem als den Blutkreislauf der Wirtschaft und begründet

diese Metapher, indem er argumentiert, dass die gesamtwirtschaftliche Prosperität und die Ent-

wicklung des Bankensektors sehr eng miteinander verbunden sind. So trägt eine gut funktionie-

rende Allokation von Vermögen und Krediten wesentlich zum Wohlstand eines Landes bei, da

durch die Tätigkeit der Bank die Wirtschaft und die Bevölkerung mit notwendigen Finanzdienstleis-

tungen wie beispielsweise Kreditfinanzierung, Zahlungsverkehr oder Beratungstätigkeiten versorgt

wird. Umgekehrt profitiert die Bankenbranche von einer gesunden und stark wachsenden Volks-

wirtschaft, da damit eine erhöhte Nachfrage nach Finanzdienstleistungen von Unternehmen und

privaten Haushalten einhergeht (Damisch & Hess, 2011, S. 16). In diesem Sinne ist die Schweiz

gemäss Jordan (2014, S. 3) ein Paradebeispiel für die positive Wechselwirkung zwischen dem

Wachstum der Bankenbranche auf der einen sowie dem gesamtwirtschaftlichen Wohlstand auf der

anderen Seite. Der Schweizer Bankensektor steuerte heute in einem nach wie vor sehr herausfor-

dernden wirtschaftlichen Umfeld mit rund CHF 27,5 Mia. einen bedeutenden Anteil der Bruttowert-

schöpfung der Schweiz bei und trägt damit auch wesentlich zum Erfolg des Schwei-

zer Finanzplatzes bei, der im internationalen Vergleich zu den global führenden zählt (Grass & Ru-

fer, 2015, S. 11). Neben dem signifikanten Beitrag zur Wertschöpfung beschäftigt der Banksektor

zudem rund 169'000 Personen und gehört zu den wichtigsten Steuerzahlern in der Schweiz, indem

er mehr als 10Prozent aller Steuern abführt.

Die nachkommende Tabelle 3 zeigt verschiedene Faktoren, auf die gemäss verschiedener Exper-

ten1 der Erfolg der Bankenbranche zurückzuführen ist:

Faktoren Beschreibung

Stabilität Dank der Stabilität, welche die Schweiz seit Jahrzenten auszeichnet, konnte

eine gewisse Berechenbarkeit aufgebaut werden, welche wiederum Vertrauen

erzeugte. Dieses Vertrauen war und ist immer noch ein Erfolgsfaktor für den

Erfolg der Bankenbranche. Die langfristig und umsichtig ausgelegte Finanzpoli-

tik sowie die Rechtsicherheit und die finanzielle Privatsphäre haben dazu ge-

1 Vgl. Blattner, 2008; Jordan, 2014; Ziegler, 2014

Page 37: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 28

führt, dass die Bankenbranche über die letzten Jahrzehnte in einem sehr stabi-

len Umfeld wachsen konnte.

Offenheit Sowohl die Auswanderung als auch die Einwanderung, Exporte und Importe

sowie Direktinvestitionen sind seit Jahrhunderten eine massgebende Stärke der

Schweiz. Darüber hinaus wird der internationale Wettbewerb bejaht und der

ausländische Marktzugang ist frei. Dazu kommt die Tatsache, dass die Schweiz

eine Schnittstelle von drei europäischen Sprachen mitten im europäischen Kul-

turraum ist. Diese internationale Vernetzung und Offenheit führte in der Vergan-

genheit zu einem nachhaltigen Wachstum der Bankenbranche.

Kompetenz Der Schweizer Bankensektor verfügte stets über einen grossen Pool an gut

ausgebildeten, mehrsprachigen und mit dem Finanzgeschäft vertrauten Fach-

leuten auf allen Ebenen. Sowohl die Fach- als auch die Führungsausbildung

geniesst grundsätzlich einen guten Ruf und die ständige Bereitschaft zur Wei-

terentwicklung ist gegeben. Schliesslich bestimmt ein ganzes Bündel von Kom-

ponenten die Attraktivität einer Branche. Die Ausprägungen dieser Komponente

werden in den meisten Fällen durch den Menschen und seine fachlichen sowie

sozialen Kompetenzen bestimmt. Die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung der

Bankenbranche ist daher nicht zuletzt auf die Bankangestellten zurückzuführen.

Zuverlässig-

keit und

Glaubwürdig-keit

Die Schweizer Bankenbranche profitierte in der Vergangenheit und auch ge-

genwärtig von einem ausgezeichneten Ruf des Landes und den Eigenschaften,

die allgemein mit der Schweiz in Verbindung gebracht werden. Dazu gehören

beispielsweise Glaubwürdigkeit und Pünktlichkeit. Auch die im Vergleich zu an-

deren Ländern fortschrittliche Umsetzung der Corporate Governance und die

umfassenden Rechnungslegungsvorschriften begünstigten die erfolgreiche

Entwicklung des Bankensektors.

Tabelle 4: Erfolgsfaktoren der Schweizer Bankenbranche Quelle: In Anlehnung an Blattner, 2008; Jordan, 2014; Ziegler, 2014

Die Schweiz kann sich im Vergleich zu anderen internationalen Bankenplätzen nach wie vor auf

diese vier Faktoren verlassen. Vor allem die traditionellen Werte wie die gesamtwirtschaftliche und

politische Stabilität, das ausgezeichnete Ausbildungsniveau und die hohe Diversität geniessen

auch heute noch einen hervorragenden Ruf (Damisch & Hess, 2011, S. 18).

Page 38: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 29

Allerdings steht seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahre 2007 auch die Bankenbranche an mehre-

ren Fronten verstärkt unter Druck, was auch einen signifikanten Einbruch der Wertschöpfung zur

Folge hatte und die Banken auf ihrem Expansionspfad weit zurückgeworfen hat (vgl. Abbildung

14).

Abbildung 14: Beitrag der Banken zur realen Bruttowertschöpfung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Grass & Rufer, 2015, S. 6

Die Diskussionen rund um die Finanzkrise und die damit einhergegangenen veränderten Rahmen-

bedingungen seit 2007 zeigen, dass Schweizer Banken sich einer Vielzahl an Herausforderungen

stellen müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Demnach hat die Finanzkrise einen direkten Einfluss

auf das Geschäftsmodell von Banken und daher auch einen starken Zusammenhang mit der for-

schungsleitenden Zielsetzung dieser Arbeit. Vor diesem Hintergrund werden im nachkommenden

Kapitel die wichtigsten Veränderungen im Zuge der Finanzkrise erläutert.

2.2.2 Die Finanzkrise als Auslöser der Transformation

Die Jahre 2007 bis 2009 waren geprägt von aussergewöhnlichen wirtschaftlichen Ereignissen und

Ursache eines tiefgreifenden Transformationsprozess, der die herkömmliche Bankenbranche

nachhaltig verändert hat (Schilling, Berlinger, & Dreke, 2012, S. 6).

In der öffentlichen Diskussion ist heute meist von der Finanz- und Wirtschaftskrise oder einfach

von der Finanzkrise die Rede. Diese Bezeichnung ist aber zu kurz gefasst, da es sich eigentlich

um eine Abfolge von verschiedenen Krisen handelt, die eng miteinander verbunden sind, aber je-

weils verschiedene Bereiche betrafen (Brunetti, 2011, S. 14). Es begann 2007 mit einer Immobili-

enkrise in den USA, welche durch das Platzen einer Vermögenspreisblase am US-amerikanischen

Immobilienmarkt ausgelöst wurde und in kürzester Zeit dazu führte, dass Unternehmen weltweit

Verluste schrieben oder sogar Insolvenz anmelden mussten (Vieten, 2013, S. 23). Im Zuge dieser

Kreditausfälle kam es im Jahr 2008 zu einer Bankenkrise, welche von den USA ausging und sich

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Entwicklung in den letzten 20 Jahren

Abbildung 3-2 zeigt die Entwicklung der realen Bruttowertschöpfung im Finanzsektor und seinen Teilbranchen sowie der Gesamtwirtschaft in den letzten 20 Jahren.

Abb. 3-2 Entwicklung der realen Wertschöpfung

Reale Bruttowertschöpfung, indexiert 1994 = 100

Quelle: BAKBASEL

Über den gesamten Zeitraum betrachtet hat der Finanzsektor deutlich stärker expan-diert als die Gesamtwirtschaft. Während die Gesamtwirtschaft im Jahr 2014 etwa 40.8 Prozent grösser war als 20 Jahre zuvor, hat der Finanzsektor um 85.5 Prozent zugelegt (+3.1% p.a.).

Zwar sind die Dotcom- und die Finanz- und Wirtschaftskrise auf die eine oder andere Art auch in den Teilbranchen des Finanzsektors zu erkennen, die drei Branchen ha-ben sich jedoch deutlich unterschiedlich entwickelt. Die Versicherungsbranche ist 2014 mehr als doppelt so gross wie 1994. Im Durchschnitt expandierte die Asseku-ranz um jährlich 4.3 Prozent. Die Bankenbranche wuchs langsamer und ist im Jahr 2014 35.7 Prozent grösser als 1994. Damit ist sie etwas schwächer gewachsen als die Gesamtwirtschaft (Banken: +1.5%; Gesamtwirtschaft: +1.7%). Der Einbruch der Wertschöpfung 2007 bis 2009 hat die Banken auf ihrem Expansionspfad weit zu-rückgeworfen. Die Erholung setzte drei Jahre später ab 2012 ein.

Noch eindrücklicher als die Entwicklung der Versicherungen zeigt sich der Expansi-onspfad der Sonstigen Finanzdienstleistungen. Zwischen 1994 und 2014 legten sie im Durchschnitt jährlich um 8.0 Prozent zu. Das rasante Wachstum der Sonstigen Finanzdienstleistungen wurde durch verschiedene Impulse gefördert. Einerseits profi-tierte die Branche stark von der einsetzenden Digitalisierung, etwa durch die Einfüh-rung des elektronischen Börsenhandels 1995 und das breite Aufkommen neuer komplexer Finanzinstrumente. Andererseits hat die Branche Auslagerungen aus Ver-sicherungen (etwa Maklertätigkeiten) und Banken (beispielsweise unabhängige Ver-mögensverwalter und Fonds) aufgefangen. Gerade die externen Vermögensverwalter verzeichnen ein deutlich überdurchschnittliches Wachstum der Volumen der verwal-teten Vermögen gegenüber dem Gesamtwachstum der Vermögen in Kundendepots.

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FinanzsektorBankenVersicherungenGesamtwirtschaftSonst. Finanz.DL (rechte Skala)

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Entwicklung in den letzten 20 Jahren

Abbildung 3-2 zeigt die Entwicklung der realen Bruttowertschöpfung im Finanzsektor und seinen Teilbranchen sowie der Gesamtwirtschaft in den letzten 20 Jahren.

Abb. 3-2 Entwicklung der realen Wertschöpfung

Reale Bruttowertschöpfung, indexiert 1994 = 100

Quelle: BAKBASEL

Über den gesamten Zeitraum betrachtet hat der Finanzsektor deutlich stärker expan-diert als die Gesamtwirtschaft. Während die Gesamtwirtschaft im Jahr 2014 etwa 40.8 Prozent grösser war als 20 Jahre zuvor, hat der Finanzsektor um 85.5 Prozent zugelegt (+3.1% p.a.).

Zwar sind die Dotcom- und die Finanz- und Wirtschaftskrise auf die eine oder andere Art auch in den Teilbranchen des Finanzsektors zu erkennen, die drei Branchen ha-ben sich jedoch deutlich unterschiedlich entwickelt. Die Versicherungsbranche ist 2014 mehr als doppelt so gross wie 1994. Im Durchschnitt expandierte die Asseku-ranz um jährlich 4.3 Prozent. Die Bankenbranche wuchs langsamer und ist im Jahr 2014 35.7 Prozent grösser als 1994. Damit ist sie etwas schwächer gewachsen als die Gesamtwirtschaft (Banken: +1.5%; Gesamtwirtschaft: +1.7%). Der Einbruch der Wertschöpfung 2007 bis 2009 hat die Banken auf ihrem Expansionspfad weit zu-rückgeworfen. Die Erholung setzte drei Jahre später ab 2012 ein.

Noch eindrücklicher als die Entwicklung der Versicherungen zeigt sich der Expansi-onspfad der Sonstigen Finanzdienstleistungen. Zwischen 1994 und 2014 legten sie im Durchschnitt jährlich um 8.0 Prozent zu. Das rasante Wachstum der Sonstigen Finanzdienstleistungen wurde durch verschiedene Impulse gefördert. Einerseits profi-tierte die Branche stark von der einsetzenden Digitalisierung, etwa durch die Einfüh-rung des elektronischen Börsenhandels 1995 und das breite Aufkommen neuer komplexer Finanzinstrumente. Andererseits hat die Branche Auslagerungen aus Ver-sicherungen (etwa Maklertätigkeiten) und Banken (beispielsweise unabhängige Ver-mögensverwalter und Fonds) aufgefangen. Gerade die externen Vermögensverwalter verzeichnen ein deutlich überdurchschnittliches Wachstum der Volumen der verwal-teten Vermögen gegenüber dem Gesamtwachstum der Vermögen in Kundendepots.

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FinanzsektorBankenVersicherungenGesamtwirtschaftSonst. Finanz.DL (rechte Skala)

Finanzsektor Banken

Versicherungen Gesamtwirtschaft Sonst. Finanz. DL (rechte Skala)

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Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 30

sehr rasch global ausbreitete. Der Konkurs der US-Investmentbank Lehman im September 2008

war ein Ergebnis dieser Bankenkrise und führte schlussendlich dazu, dass es im internationalen

Finanzsektor zu einem schwerwiegenden Vertrauensverlust kam. Dadurch wurde die Abwärtsdy-

namik zusätzlich verstärkt und die Bankenkrise weitete sich zu einer globalen Wirtschaftskrise aus,

die vor allem 2009 zu massiven konjunkturellen Einbrüchen führte. Vor diesem Hintergrund kam es

zu einer Abschwächung der Realwirtschaft und so waren ab 2009 weite Teile der Weltwirtschaft

von der Krise betroffen. Infolgedessen rutschte der Euroraum in eine bedrohende Schuldenkrise,

da verschiedene Staaten nicht mehr fähig waren, ihre Forderungen zu begleichen (Brunetti, 2011).

Die Auswirkungen dieser Entwicklung ging auch an der Schweizer Wirtschaft nicht spurlos vo-

rüber, was mit dem Rückgang des BIP im Jahre 2009 von insgesamt 1,5 Prozent eindrücklich be-

legt werden kann (SBVg, 2010, S. 9).

In der Schweiz haben sich die negativen Veränderungen auf den internationalen Finanzmärkten

markant ausgewirkt, was insbesondere die UBS betraf, da sie stark im amerikanischen Immobili-

enmarkt engagiert war. So musste der Bundesrat im Oktober 2008 zusammen mit der Schweizeri-

schen Nationalbank ein Massnahmenpaket lancieren, welches als Sofortmassnahme die Stützung

der systemrelevanten UBS umfasste. Im Dezember 2008 wurde sodann per Dringlichkeitsrecht

auch der Einlegerschutz erhöht. Die Unterstützung der UBS bestand einerseits aus einer Stärkung

der Eigenkapitalbasis um CHF 6 Mrd. sowie andererseits aus der Übertragung illiquider Aktiven im

Umfang von USD 38,7 Mrd. an eine Zweckgesellschaft der SNB (Heeb, 2013, S. 36). Neben der

UBS wurde aufgrund der sich stark verschlechternden Wirtschaftslage auch die Schweizer Real-

wirtschaft in Form von verschiedenen Stabilisierungsmassnahmen mit über CHF 2 Mrd. unter-

stützt. Zudem reagierte die Schweizerische Nationalbank mit einer beispiellosen Lockerung der

Geldpolitik, um den Konjunktureinbruch abzufedern (SBVg, 2010, S. 10).

Die veränderten Rahmenbedingungen im Zuge der Finanzkrise hatten tiefgreifende Folgen für den

Schweizer Bankensektor. Im Kontext der vorliegenden Arbeit und relevant für die Beantwortung

der Forschungsfrage sind insbesondere die verstärkten Regulierungstendenzen sowie die sinken-

de Profitabilität der Banken als Folgen der Finanzkrise. Diese zwei Bereiche werden daher nach-

kommend genauer erläutert und die damit verbundenen Auswirkungen aufgezeigt.

Zunehmende regulatorische Anforderungen

Der Bankensektor zählte lange zu den am stärksten regulierten Bereichen einer Volkswirtschaft

und trotzdem konnte die Finanzkrise nicht verhindert werden. Zudem hat die Krise eine Reihe von

Schwächen im internationalen Regelwerk aufgezeigt (SBVg, 2010, S. 11). Nach dem Höhepunkt

der Finanzkrise im Oktober 2008 haben sich daher die wichtigsten Industriestaaten und Schwellen-

länder sehr bald darauf geeinigt, das internationale Finanzsystem durch verschiedene Initiativen im

regulatorischen Bereich zu reformieren. Das Ziel dieser Reformen ist einerseits die Erhöhung der

Page 40: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 31

Stabilität und andererseits die Wiederherstellung der Integrität des Finanzsystems (Damisch &

Hess, 2011, S. 22).

Die für die Schweiz besonders relevanten regulatorischen Rahmenbedingungen lassen sich in

zwei Themenbereiche unterteilen: Bankenregulierung und Kundenschutz. Im Folgenden sollen die

zentralen Entwicklungen für die zwei Themengruppen und die daraus resultierenden Umsetzungs-

kosten dargelegt werden.

Bankenregulierung: Die Krise hat eindrücklich aufgezeigt, dass die bis dahin geltenden Regelun-

gen in Bezug auf die Kapitalunterlegungen von Banken nicht ausreichen, um die internationale

Finanzstabilität zu gewährleisten. In den Jahren unmittelbar nach der Finanzkrise wurden daher

eine Reihe weitreichender potentieller Standards1 beschlossen, mit dem Ziel die nachhaltige Stabi-

lität der Finanzsysteme zu erhöhen. Diese unter dem Begriff „Basel III“ bekannten Reformen sind

grundsätzlich für alle Finanzinstitute geltend und beinhalten unter anderem Bestimmungen zu der

Eigenkapitalbasis und der Liquiditätsausstattung von Banken (Heeb, 2013, S. 44). Für die Imple-

mentierung und technischen Ausgestaltung der Standards auf nationaler Ebene ist jeweils das

Land selbst verantwortlich (SBVg, 2014, S. 18). In der Schweiz wurde das Basel III Rahmenwerk

unter der Federführung der FINMA mit Hilfe der neuen Eigenmittelverordnung und diverser Aus-

führungsbestimmungen in nationale Gesetzgebung überführt. Bei der Umsetzung der Eigenkapi-

talanforderungen definierte die FINMA unter dem Titel „Swiss Finish“ Mindesteigenkapitalquoten,

die teilweise weit über die Mindestanforderungen von Basel III hinausgehen (Schneider & Fischer,

2012, S. 16).

Auch im Bereich der spezifischen Regulierung systemrelevanter Banken2 hat die Schweiz in den

vergangenen Jahren eine internationale Vorreiterrolle eingenommen und hat die entsprechenden

neuen Bestimmungen bereits 2012 im Bankengesetz aufgenommen. Das Massnahmenpaket zur

Regulierung systemrelevanter Banken3 umfasst vier Kernmassnahmen (EFD, 2016):

§ Stärkung der Eigenmittel (höhere Anforderungen als gemäss Basel III vorgeschrieben) § Strengere Liquiditätsanforderungen § Bessere Risikodiversifikation § Organisatorische Massnahmen4

Kundenschutz: Im Rahmen des regulatorischen Prozesses beim Thema Kundenschutz ist für die

Beantwortung der Forschungsfrage hauptsächlich die Entwicklung des Finanzdienstleistungsge-

setzes (FIDLEG) von hoher Relevanz.

1 Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften, inklusive systemrelevante Banken 2 Too-big-to-fail-Regulierung 3 Betroffen sind per Juli 2014 die UBS, Credit Suisse, Zürcher Kantonalbank sowie die Bankengruppe Raiffeisen 4 Gewährleistung systemrelevanter Funktionen bei Insolvenz

Page 41: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 32

Das FIDLEG strebt eine einheitliche Erbringung von Finanzdienstleistungen an und ist als Bündel

von Verhaltenspflichten zu betrachten, das verschiedene Informations-, Dokumentations- und Re-

chenschaftspflichten sowie Transparenz und Sorgfaltspflichten umfasst. Zudem wird im Zuge die-

ser neuen Bestimmungen erstmals auf Gesetzesstufe eine ausdrückliche Pflicht zur Eignungs- und

Angemessenheitsprüfung statuiert (Schleiffer & Schärli, 2014, S. 335). Infolgedessen müssen

Kunden in Zukunft ausreichende Informationen über ihren Finanzdienstleister sowie über die er-

hältlichen Finanzdienstleistungen und Finanzinstrumente erhalten. Zudem müssen Banken bei der

Beratung ihrer Kunden deren Kenntnisse, Erfahrungen, finanzielle Verhältnisse und Anlageziele

berücksichtigen. Dies erhöht die Anforderungen an die Prozesse der Banken sowie deren Informa-

tions-, Dokumentations- und Ausbildungspflichten (SBVg, 2014, S. 9). Das FIDLEG will zudem die

geltenden Regeln harmonisieren und damit die Voraussetzungen schaffen, damit die schweizeri-

schen Rahmenbedingungen in Europa unter der revidierten Europäischen Richtlinie über Märkte

für Finanzinstrumente (MiFID II) als gleichwertig anerkannt werden. Diese Anerkennung ist aus-

schlaggebend für den künftigen Zugang schweizerischer Finanzdienstleister zum europäischen

Markt und daher enorm wichtig für die Banken in der Schweiz (Spillmann, 2014, S. 3).

Nachdem der Bundesrat auf die Kritik an dem Vorentwurf zu FIDLEG während der Vernehmlas-

sung reagiert hat und umfangreiche Modifikationen anbrachte, ist der Weg nun für die parlamenta-

rische Beratung geebnet und die Umsetzung des Gesetzes dürfte 2018 in Kraft treten (PWC, 2015,

S. 3)

Sinkende Profitabilität

Seit der Finanzkrise sind Banken mit strukturell höheren Kosten und geringeren Einnahmen kon-

frontiert, was die Rentabilität stark beeinträchtigt. Einerseits ist diese Tendenz getrieben von den

vorhin erwähnten verschärften regulatorischen und rechtlichen Anforderungen und andererseits

von dem herausfordernden Zinsumfeld mit anhaltenden Negativzinsen.

Die Umsetzungen neuer Vorschriften wie Basel III oder FIDLEG sind über weite Strecken sehr

komplex und setzen die Kostenbasis der Banken in der Schweiz unter Druck (Rossberg & Damba-

cher, 2012, S. 4). So zeigt sich, dass der Schweizer Bankenplatz aufgrund der Regulierungswelle

bereits substanzielle Kosten absorbieren musste, beziehungsweise dies mittelfristig noch tun wird

müssen (SBVg, 2014, S. 17). Im Bereich der Bankenregulierung schätzt der Verband Schweizeri-

scher Kantonalbanken (2012, S. 12) die Umstellungskosten aus der Basel III Verordnung auf CHF

50 –100 Mio. Die Regulierungskosten zum Kundenschutz dürften sogar noch wesentlich höher

ausfallen. So gehen Schätzungen von Janssen und Kocher (2012, S. 41) davon aus, dass bei-

spielsweise die jährlichen Kosten, die mit der Umsetzung der FIDLEG-Vorschriften einhergehen,

die Hälfte der gesamten Bankengewinne von ungefähr CHF 5 Mrd. ausmachen dürfte. Daneben

sind während 2006 und 2012 auch die Compliance-Kosten bei Banken überproportional angestie-

gen (Birchler, Ettlin, & Mettler, 2012, S. 18).

Page 42: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 33

Neben dem enormen Anstieg an Regulierungskosten operieren Banken seit Ausbruch der Finanz-

krise in einem anhaltend herausfordernden Zinsumfeld und sind seit Anfang 2015 gar mit Negativ-

zinsen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund ist die Zinsmarge von Schweizer Banken seit 2007

bzw. seit dem Beginn des Niedrigzinsumfeldes rückläufig. Die Medianmarge1 ging gemäss einer

Studie von Ernst and Young (EY) (2015, S. 4) in diesem Zeitraum von 161 auf 119 Basispunkte

zurück (vgl. Abbildung 15) Der Rückgang ist dabei insbesondere auf die Einlagenmarge zurückzu-

führen, also die Differenz des Kundenzinssatzes zum Marktzinssatz bei Kundengeldern. Diese lag

Ende 2014 bei den meisten Banken bei nahezu null.

Abbildung 15: Rückgang der Margen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an EY, 2011

Banken konnten somit auf neue Einlagen keinerlei Erträge zur Deckung ihrer Betriebskosten er-

wirtschaften. Im Gegenteil, da die meisten Banken die Negativzinsen bei Privatkunden nicht und

bei Firmenkunden nur zögerlich weiterreichen, erzielen sie heute auf neue Spareinlagen eine ne-

gative Konditionenmarge von 50-80 Basispunkten (EY, 2015, S. 11).

Die erhöhten Kosten im Zuge der regulatorischen Anforderungen und die Auswirkungen aufgrund

des schwierigen Zinsumfeldes haben einen entscheidenden Einfluss auf die Profitabilitätskennzah-

len der Banken. So haben sich gemäss einer Studie der BCG (2015) sowohl die Bruttomarge, das

Kosten-Ertrags-Verhältnis als auch die Gewinnmarge seit Ausbruch der Finanzkrise negativ entwi-

ckelt und dürften auch in den nächsten Jahren nicht signifikant ansteigen (vgl. Abbildung 16).

1 Jeweils die Hälfte der Banken weist eine höhere oder niedrigere Marge auf

1.8%

1.6%

1.4%

1.2%

1%

2004 2006 2008 2010 2012

2%

2014

4%

2%

0%

-2%

-4%

6%

Wac

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inse

rfolg

Zins

mar

ge

Zinsmarge

- 4.14% p.a.

Wachstumsrate Zinserfolg (rechte Skala) 10% Range-Marge Ø-Marge 90% Range-Marge

Page 43: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 34

Abbildung 16: Entwicklung wichtiger Erfolgskennzahlen der Banken Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an BCG, 2015

Auswirkungen

Die Schwierigkeiten im Kerngeschäft der Bankenbranche zeigt sich insbesondere, wenn man die

Entwicklung des breit gefassten europäischen Banken-Index „Stoxx Europe 600 Banks“1 seit Aus-

bruch der Finanzkrise betrachtet (vgl. Abbildung 17).

Abbildung 17: Entwicklung des Banken-Index „Stoxx Europe 600 Banks“ Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Onvista, 2016

1 Inklusive UBS, Credit Suisse und Julius Bär (STOXX, 2016)

75

60

45

30

15

2006 2008 2010 2012 2014 2019

90

105

Bruttomarge Kosten-Ertragsverhältnis Gewinnmarge Zinsmarge

2007 2008 2010 2012 2016 2014

- 78 % seit 2007 (Jan. 2007 – Juli 2016)

Page 44: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 35

Im Kontext rückläufiger Zinsmargen und insgesamt steigender Sachkosten aufgrund der regulato-

rischen Anforderungen haben sämtliche Banken in der Schweiz zur Profitabilitätswahrung auf die

Durchführung von Effizienzmassnamen zurückgegriffen (SBVg, 2014, S. 28). Die Tendenz zuneh-

mender Effizienzmassnahmen zeigt sich auch, wenn man die strategischen Ziele und die damit

einhergehenden Kosteneinsparungsprogramme der beiden Grossbanken betrachtet. Während die

Credit Suisse (2016) ihre Nettokosten bis ins Jahr 2018 um CHF 3 Mrd. reduzieren möchten, ist

die UBS (2016) bestrebt bis ins Jahr 2017 Einsparungen von Netto CHF 2,1 Mrd. zu realisieren.

Auch in Bezug auf die Personalsituation sind die Effizienzmassnahmen ersichtlich. So haben die

beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse ihren Personalbestand in der Schweiz im Jahr 2014

um 1237 Stellen reduziert. Betrachtet man die gesamte Bankenbranche, so kann man seit 2008

einen Abbau von über 6'000 Stellen beobachten (SBVg, 2015, S. 28).

Eine weitere Folge der sich verändernden regulatorischen Rahmenbedingungen und der sinken-

den Profitabilität ist die zunehmende Bankenkonsolidierung. Der Strukturwandel führte demnach in

den letzten Jahren dazu, dass sich die Anzahl Banken durch Schliessungen oder Übernahmen

konsolidiert hat. Insbesondere entscheiden sich immer mehr Auslandbanken, sich aus dem

Schweizer Markt zurückzuziehen. Aber auch viele inländische Banken leiden unter den neuen

Herausforderungen und müssen sich die Frage stellen, ob sie ihr Geschäftsmodell im aktuellen

Umfeld noch profitabel und nachhaltig betreiben können oder sich besser aus dem Markt zurück-

ziehen (Hintermann, Christe, & Laamanen, 2015, S. 22). Seit 2004 hat die Anzahl an Banken ge-

mäss SBVg (2014, S. 20) um 63 Institute abgenommen und für die kommenden Jahre bis 2018

wird zudem weiterhin mit einem anhaltenden Kostendruck gerechnet und dadurch dürfte sich auch

die Marktkonsolidierung weiter fortsetzen.

2.2.3 Bankenstruktur

In der Schweiz können alle Banken sämtliche Bankdienstleistungen anbieten, weshalb man im

Zusammenhang mit dem Schweizer Bankensystem auch vom Modell der Universalbank spricht.

Obwohl das Prinzip der Universalbank gilt, haben sich im Verlaufe der Zeit sehr unterschiedliche

Bankengruppen entwickelt, die sich zum Teil auch spezialisiert haben (SBVg, 2010, S. 36).

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterteilt die Banken in der Schweiz anhand ihrer Merk-

male und Tätigkeit in sieben Bankengruppen: Kantonalbanken, Grossbanken, Regionalbanken und

Sparkassen, Raiffeisenbanken, Auslandbanken, Privatbankiers und übrige Banken (SBVg, 2015,

S. 5).

Page 45: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 36

Bezeichnung Beschreibung

Grossbanken Die beiden systemrelevanten Schweizer Grossbanken, die UBS AG und die

Credit Suisse AG, sind global tätige Universalbanken. Sie waren 2014 für 48

Prozent der aggregierten Bilanzsumme aller Banken in der Schweiz verant-

wortlich und beschäftigen mehr als die Hälfte aller Bankmitarbeitenden in der

Schweiz. Beide Grossbanken sind in über 50 Ländern aktiv und sind an allen

wichtigen Finanzplätzen der Welt mit Niederlassungen und Tochtergesell-

schaften vertreten. Die Grossbanken decken in der Schweiz grundsätzlich

alle Geschäftsbereiche für alle Segmente ab.

Kantonalbanken Als Kantonalbanken gelten Banken mit einer gesetzlichen Grundlage im kan-

tonalen Recht und einer Beteiligung des Kantons von mehr als einem Drittel

des Kapitals und der Stimmen. In der Schweiz sind 24 Kantonalbanken tätig,

wovon 21 über eine uneingeschränkte Staatsgarantie verfügen. Bei diesen

haftet der jeweilige Kanton für alle Verbindlichkeiten seiner Bank. Die kleine-

ren Kantonalbanken sind hauptsächlich im jeweiligen Kanton aktiv und betrei-

ben schwergewichtig das Spar- und Hypothekargeschäft, wohingegen die

grösseren Kantonalbanken als typische Universalbanken eine breite Palette

von Dienstleistungen anbieten und teilweise auch ausserkantonale Filialen

haben oder mittels digitalen Kanälen ausserkantonal tätig sind.

Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) als grösste Schweizer Kantonalbank, gilt

seit dem 1. November 2013 als systemrelevantes Finanzinstitut und muss

daher gemäss der Too-big-to-fail Vorschrift strengere Eigenkapital- und Liqui-

ditätsbestimmungen als die übrigen Kantonalbanken erfüllen.

Regionalbanken und Sparkassen

Die Regionalbanken und Sparkassen legen ihren Fokus vorwiegend auf das

klassische Spar- und Hypothekargeschäft. Verglichen mit den Kantonalban-

ken ist ihr geografisches Tätigkeitsgebiet kleiner, ist aber vergleichbar mit je-

nem der kleineren Kantonalbanken. In der Schweiz gab es per Ende 2014 63

Regionalbanken und Sparkassen. Die meisten davon sind heute noch oft in

Form einer Genossenschaft organisiert oder befinden sich als Aktiengesell-

schaft grösstenteils im Besitz der eigenen Kunden oder der lokalen Bevölke-

rung.

Page 46: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 37

Raiffeisenbanken Die Raiffeisenbanken sind unter dem Dach „Raiffeisen Schweiz“ zusammen-

geschlossen und sind als einzige Bankengruppe auch heute noch genossen-

schaftlich organisiert. Das Geschäftsfeld umfasst das klassische Zinsgeschäft

mit Kreditgeschäften sowie Kundengeldern in Spar- und Anlageform und ihr

geografisches Tätigkeitsgebiet deckt die ganze Schweiz ab. Zur Raiffeisen-

Gruppe gehörten per Ende 2014 insgesamt 312 eigenständige, lokal veran-

kerte und genossenschaftlich strukturierte Raiffeisenbanken mit 1004 Ge-

schäftsstellen. Die Raiffeisen Schweiz ist verantwortlich für die strategische

Führungsfunktion der gesamten Raiffeisen-Gruppe und koordiniert gruppen-

weit die Risikosteuerung, Liquiditäts- und Eigenmittelhaltung sowie die Refi-

nanzierung. Daneben schafft sie die Rahmenbedingungen für die Geschäfts-

tätigkeit der örtlichen Raiffeisenbanken, steuert ihre Aktivitäten und berät und

unterstützt sie in sämtlichen Belangen. Im Juni 2014 hat die SNB die Raiffei-

senbank als systemrelevante Finanzgruppe eingestuft. Analog zu den beiden

Schweizer Grossbanken und der ZKB muss sie daher auch erhöhte Eigenka-

pital- und Liquiditätsbestimmungen sowie organisatorische Vorkehrungen

einhalten, um systemrelevante Funktionen auch bei drohender Insolvenz auf-

rechterhalten zu können.

Privatbankiers Die national und international ausgerichteten Privatbankiers sind in erster Li-

nie in der Vermögensverwaltung und den damit verbundenen Bankgeschäften

Emissions- und Treuhandgeschäft sowie Wertpapierhandel tätig. Das Zinsge-

schäft ist für sie grundsätzlich ohne Bedeutung.

Auslandsbanken Unter Auslandbanken werden einerseits die Filialen ausländischer Banken

sowie andererseits ausländisch beherrschte Banken subsumiert. Die Filialen

ausländischer Banken, von denen es per Ende 2014 in der Schweiz 27 gab,

sind rechtlich ihrer ausländischen Muttergesellschaft unterstellt und haben

daher keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie bedienen hauptsächlich aus-

ländische Kunden und sind vorwiegend im Investmentbanking oder im aus-

landorientierten Vermögensverwaltungsgeschäft tätig. Die ausländisch be-

herrschten Banken hingegen sind nach schweizerischem Recht organisiert,

weisen aber eine ausländische Beteiligung von mehr als 50 Prozent auf. Die

ausländisch beherrschten Banken sind im Gegensatz zu den Filialen auslän-

discher Banken oft in allen Geschäftsfeldern tätig. Per Ende 2014 zählte die

Schweiz 91 ausländisch beherrschte Banken.

Page 47: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 38

Übrige Banken Zu den übrigen Banken zählen Börsen- und Kleinkreditbanken sowie „andere

Banken“. Während die Börsenbanken sich hauptsächlich auf das Börsen-,

Effekten- und Vermögensverwaltungsgeschäft konzentrieren, bieten Kleinkre-

ditbanken vorwiegend Klein- und Konsumkredite sowie Abzahlungsgeschäfte

an. Zu den „anderen Banken“, von denen es per Ende 2014 60 gab, werden

jene Banken gezählt, die sich in keine andere Gruppe einordnen lassen. Die

PostFinance, welche im September 2015 auch als systemrelevant erklärt

wurde, wird ebenfalls in dieser Kategorie aufgeführt. Das Haupttätigkeitsge-

biet der PostFinance liegt im nationalen und internationalen Zahlungsverkehr

und durch verschiedene Kooperationen auch zunehmend in den Bereichen

Anlage, Vorsorge und Finanzierung.

Tabelle 5: Beschreibung der verschiedenen Bankengruppen Quelle: In Anlehnung an SBVg, 2010, 2014, 2015

Neben den verschiedenen Bankengruppen lässt sich der Schweizer Bankenplatz zudem in ver-

schiedene Geschäftsfelder unterteilen. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) (2010)

nennt fünf Geschäftsfelder nach Kundengruppen, die für die Entwicklung des Finanzplatzes

Schweiz von entscheidender Bedeutung sind, da sie einen hohen Anteil an der Wertschöpfung

haben: Retail Banking, Private Banking, Firmenkundengeschäft, Assetmanagement und Invest-

ment Banking.

Wie in Abbildung 18 ersichtlich, ist das Private Banking gemessen an den Bruttoerträgen das

grösste Geschäftsfeld, gefolgt vom Retail Banking und dem Firmenkundengeschäft. Das Asset

Management sowie das Investment Banking sind in Bezug auf die Bruttoerträge von geringerer

Bedeutung (2014, S. 19).

Abbildung 18: Grösse der einzelnen Geschäftsfelder gemessen an den Bruttoerträgen

60

40

20

2014 2013

Private Banking Retail Banking Firmenkunden Asset Mgmt.

52,6 Mrd. 1,2 Mrd.

7,6 Mrd.

3,1 Mrd.

14,6 Mrd.

26 Mrd.

52,6 Mrd. 0,9 Mrd.

8,1 Mrd.

3,3 Mrd.

15,6 Mrd.

26,5 Mrd.

Page 48: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 39

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (SBVg, 2014)

Da sich das Forschungsziel der vorliegenden Arbeit auf die Geschäftstätigkeit mit Privatkunden

konzentriert, werden die Geschäftsfelder Firmenkundengeschäft, Asset Management sowie In-

vestment Banking im weiteren Gang der Arbeit nicht weiter berücksichtigt.

Die Segmentierung zwischen Retail und Private Banking basiert insbesondere auf der Höhe des

Kundenvermögens. Unter dem Retail Banking versteht man das standardisierte Privatkundenge-

schäft für die breite Bevölkerung, wobei der Vertrieb von Standardprodukten im Vordergrund steht.

Im Gegensatz dazu zielt das Private Banking auf vermögendere Privatkunden ab und zeichnet sich

durch seine individuellen Dienstleistungen, die an den Bedürfnissen des Kunden angepasst wer-

den, ab. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass die Übergänge der Segmentierung fliessend sein

können. Daher soll die folgende Abbildung 19 die für diese Arbeit geltende Abgrenzung zwischen

Retail und Private Banking in Bezug auf das Kundenvermögen aufzeigen.

Abbildung 19: Übersicht der Kundensegmente und die dazugehörigen Ausprägungen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ziegler, 2014

Im Kontext der Forschungsziele liegt der Fokus der vorliegenden Arbeit auf dem Retail Banking,

welches im nachkommenden Kapitel eingehend beleuchtet wird.

Retail Banking Private Banking

Mass-Affluent Affluent

bis CHF 0.25 Mio CHF 0.25 Mio -1 Mio.

HNW UHNW

Grossbanken

Kantonalbanken

Privatbanken

Regionalbanken

Raiffeisenbanken

CHF 1 Mio. – 25 Mio. ab CHF 25 Mio.

Kundensegmente

Ausprägungen

tief

hoch

tief

hoch

tief

hoch

Anforderungen & Komplexität seitens Kunden

Standardisierung und Industrialisierung der Prozesse

Individuelle Beratung seitens Bank

Page 49: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 40

2.2.4 Retail Banking

Es gibt keine abschliessende und einfache Definition dessen, was Retail Banking als Branche

ausmacht. Der Begriff wird sowohl in der Theorie als auch in der Praxis in teilweise wechselnden

Bedeutungen verwendet, wodurch eine Vielzahl an Auslegungsmöglichkeiten entsteht. Bei der De-

finition des Retail Banking orientiert sich die vorliegende Arbeit an der Begriffsbestimmung der

SBVg (2010, S. 47), welche den Begriff wie folgt definiert:

Definition

Retail Banking ist das Bankgeschäft mit der breiten Bevölkerung das vor allem Basisleistungen

umfasst. Es zeichnet sich durch eine standardisierte und leicht verständliche Produktpalette aus

und zielt auf Personen mit einem Nettovermögen deren Obergrenze bei etwa 1 Mio. Franken

liegt.

Wie die Abbildung 19 illustriert, sind mit Ausnahme der Privatbanken alle Bankenruppen1 im Retail

Segment aktiv. Zahlreiche davon sind sogar ganz oder schwergewichtig in diesem Geschäftsfeld

aktiv. So gehört das Retail Banking zu den klassischen Tätigkeiten der meisten Kantonalbanken,

die Wertschöpfung der Raiffeisenbanken und der Regionalbanken basiert sogar fast ausschliess-

lich auf dem Retail Bereich und auch die Grossbanken sind intensiv im Retail Banking engagiert

(SBVg, 2010, S. 47). Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass dieses Geschäftsfeld hinter

dem Private Banking der zweitwichtigste Ertragslieferant der Banken darstellt, geniesst das Retail

Banking einen hohen Stellenwert in der Schweiz (Khan, Blumer, & Schäfer, 2012, S. 8).

Nachkommend werden mit Hilfe der Tabelle 6 die vier wichtigen Kerngeschäftsprodukte des Retail

Bankings und dazugehörige neue technologische Entwicklungen, die auf Basis einer Studie der

Swisscom (2014, S. 5 ff.) herausgearbeitet wurden, in den jeweiligen Bereichen kurz vorgestellt.

1 Inklusive der PostFinance, die in die Kategorie der „übrigen Banken“ gehört und demnach in der Abbildung 19 keine Beachtung findet.

Page 50: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 41

Spar- und Privatkonto B

esch

reib

ung

Der vordergründige Zweck eines Sparkontos ist das Sparen. Der monatlich erlaubte Rückzug und die zur Verfügung stehenden Dienstleistungen sind deshalb limitiert. Dafür wird im Vergleich zu anderen Konti eine bessere Verzinsung angeboten. Das Privatkonto hingegen dient primär zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs bzw. für die Gutschrift von Lohnvergütungen und Renten. Da die Rückzugslimits grosszügig festgelegt werden, ten-diert die Verzinsung im heutigen Zinsumfeld gegen null. Ein wichtiger Aspekt der Sicher-heit von Spar- und Privatkonto ist das Konkursprivileg. Im Falle des Konkurses einer Bank werden die Einlagen bis zur Höhe von maximal CHF 100’000 pro Kunde bevorzugt behandelt. Falls die Bank nicht über genügend liquide Mittel verfügt, kommt ergänzend die Einlagensicherung des Vereins „Einlagensicherung der Schweizer Banken und Effek-tenhändler“ zum Tragen.

Inno

vatio

nen

§ Belohnungsorientiertes Sparen: Basiert auf der Idee, dass Personen ihre Sparzie-le eher verfolgen, wenn sie dafür belohnt werden. Dies kann in Form von Anerken-nung durch Freunde auf sozialen Netzwerken erfolgen oder indem Dritte mit Einzah-lungen zu den eigenen Sparzielen beitragen.

§ Gamified Sparen: Ein vergleichbares Konzept, welches die Vorzüge des Spielde-signs nutzt, um Kunden für das Sparen zu begeistern.

§ Impulssparen: Hierbei legt der Kunde individuelle Regeln fest, nach denen bei Transaktionen auf den nächsten ganzen Betrag aufgerundet wird. Die Differenz wird sodann automatisch dem Sparkonto gutgeschrieben.

Finanzierungen

Bes

chre

ibun

g

Bei den Finanzierungsprodukten wird unterschieden zwischen Konsumkredite und Hypo-theken. Der Konsumkredit bezeichnet einen Kredit, der Privatpersonen für nicht geschäft-liche Zwecke gewährt wird und der nicht durch hinterlegte Sicherheiten gedeckt ist. Auf-grund des höheren Risikos für die Bank sind die Zinssätze verhältnismässig hoch. Eine Hypothek ist ein durch ein Grundpfandrecht abgesichertes, langfristiges Darlehen - meist für den Erwerb einer Liegenschaft. Die Anbieter prüfen bei der Kreditvergabe sowohl den Wert des Wohnobjektes als auch die Bonität des Kreditnehmers, und in der Regel müs-sen vom Kreditnehmer mindestens 20Prozent eigene Mittel eingebracht werden.

Inno

vatio

nen

§ Online-Beantragung von Hypothekarkrediten: Zielt auf die automatisierte Abwick-lung des Antrags- und Bewilligungsprozesses über direkte online Kanäle ab. Be-zweckt die Steigerung der Effizienz des Kreditprozesses für Hypotheken. Im Unter-schied zum herkömmlichen Prozess ist kein physischer Kontakt zwischen Bank und Kunde notwendig und stattdessen erfolgt der gesamte Dokumentenaustausch onli-ne.

§ Bewertung von Liegenschaften mittels Mobile Apps: Dient dazu, sämtliche rele-vanten Daten mit ergänzenden Angaben zu Immobilien zu verknüpfen, um Kunden individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Informationen unterbreiten zu kön-nen, die für ihre Immobiliensuche interessant sind.

Page 51: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 42

Anlageprodukte B

esch

reib

ung

Privatkunden werden im Retail Banking ab einem gewissen Vermögen und der entspre-chenden Anlagebereitschaft zu verschiedenen Anlagethemen beraten. Kunden können dabei unter einer Vielzahl von Anlageprodukten auswählen. Dazu gehören unter ande-rem:

§ Anlagefonds: Zusammenfassung von Investitionen vieler einzelner Anlegerinnen und Anleger und starke Risikodiversifikation in Bezug auf unterschiedliche Ver-mögenswerten

§ Festgeld und Treuhandanlagen: Gelder, die der Kunde der Bank für eine im Vo-raus fixierte Dauer zu einem bestimmten Zinssatz zur Verfügung stellt.

§ Obligationen: Als Wertpapier gestaltete Schuldverpflichtung mit festem, gele-gentlich aber auch mit veränderlichem Zinssatz oder zinslos. Von wenigen Aus-nahmen abgesehen, haben Obligationen eine mittel- bis langfristige Fälligkeit.

§ Kassaobligationen: Kurz- bis mittelfristige Schuldverpflichtungen, die im Unter-schied zu klassischen Obligationen nicht während einer bestimmten Zeichnungs-frist, sondern laufend von Banken ausgegeben werden.

Inno

vatio

nen

§ Tool-basierte Investoren-Profiling: Unterstützt Kunden, um individuelle Invest-mentprofile für sich selbst anzulegen und seine eigene Anlagesituation besser ein-zuschätzen. Hierfür stehen diverse Online-Fragebögen zur Verfügung, mit welchen die persönliche Situation und Risikoneigung erfasst wird. Nach deren Ausfüllen er-hält der Kunde eine individualisierte Investitionsempfehlung mit entsprechenden Portfoliovorschlägen.

§ Automatischen Portfoliooptimierung: Zielt darauf ab, automatische Portfolioopti-mierung über Online-Kanäle zur Verfügung zu stellen.

§ Co-Investieren: Erlaubt es Anlegern, die Anlagestrategien von professionellen An-lagespezialisten zu übernehmen und deren Portfolios für ihre eigenen Zwecke au-tomatisch zu replizieren. Die Spezialisten machen hierfür ihre Portfolios und Trans-aktionen auf entsprechenden elektronischen Marktplätzen transparent und erhalten dafür entsprechende finanzielle Anreize.

Zahlungsverkehr

Bes

chre

ibun

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Als Zahlungsverkehr werden alle Übertragungen von Zahlungsmitteln bezeichnet. Die Sicherstellung einer einfachen Abwicklung des Zahlungsverkehrs ist eine der wichtigsten Aufgaben der Banken. Die meisten Banken bieten dazu im Retail Banking folgende Pro-dukte an:

§ Kredit- und Debitkarten: Kartenbasiertes Zahlen für den täglichen Konsum § Zahlungsauftrag: Selbstständiges Abwickeln von Überweisungen und Zahlungs-

anweisungen via Postweg, E-Banking oder Paynet § Dauerauftrag: Einrichtung von wiederkehrenden Zahlungen mit gleichbleiben-

dem Betrag § Lastschriftverfahren: Übertragung einer Vollmacht, um regelmässigen Zahlun-

gen mit wechselnden Beträgen direkt vom Konto abziehen zu lassen

Page 52: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 43

Inno

vatio

nen

§ Peer-to-Peer-Zahlungen: Ermöglicht eine einfache und schnelle online Abwicklung direkter Zahlungen von Privatperson zu Privatperson.

§ Kontaktloses mobiles Bezahlen: Ermöglicht das kontaktlose Zahlen mit einer Kar-te oder einem mobilen Gerät dank einem NFC Chip.

§ E-Wallet: Ist als elektronische Brieftasche zu verstehen, die alles enthält, was eine Person sonst in physischer Form mit sich führt. Ermöglicht elektronische Zahlungen und beinhaltet auch weitere Elemente wie beispielsweise Couponing-, Loyalty- oder Ticketing-Anwendungen.

§ Assistenten zur Ausgabekontrolle: Unterstützt Kunden bei Kaufentscheidungen mit Produktbewertungen und Preisvergleichen und soll bei der Erreichung von Spar-zielen bzw. Budgetkontrolle helfen.

Tabelle 6: Übersicht zur Retail Banking Produktpalette Quelle: In Anlehnung an (SBVg, 2010; Swisscom, 2014)

Die Generierung von Ertrag aus diesen Produkten findet im Retail Banking insbesondere durch

das Zinsdifferenzgeschäft1, Zahlungstransaktionsgebühren sowie das Wertschriftengebühren statt,

wobei das Zinsdifferenzgeschäft mit CHF 10 Mrd. und einem Anteil von 64 Prozent, die mit Ab-

stand bedeutendste Ertragsquelle im Retail Banking ist (SBVg, 2014, S. 27). Die Volumen einzel-

ner Transaktionen und damit der Ertrag pro Kunde sind im Retail Banking im Vergleich zu anderen

Geschäftsbereichen zwar relativ gering, dafür ist im Gegenzug dazu die Anzahl der Kundenbezie-

hungen sehr hoch (Wallner, 2014, S. 21). Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass das Retail

Geschäft ein stabiles Standbein der Banken ist und die Gesamterträge seit 2006 um durchschnitt-

liche 1.5 Prozent pro Jahr angestiegen sind. Im Vergleich zu anderen Geschäftsfeldern war auch

die Ertragsentwicklung in der Vergangenheit mit wenigen Ausnahmen nahezu unabhängig von der

Konjunktur- sowie Marktentwicklung verlaufen, was sich insbesondere auch während der Finanz-

krise gezeigt hat (SBVg, 2015, S. 21). Dies hatte zur Folge, dass Banken das Retail Banking im

Zuge der turbulenten Märkte wiederentdeckt haben. Zwar generiert das Retail Banking geringere

Erträge als beispielsweise das Private- oder Investment Banking zu Bestzeiten, doch dafür ist es

weitgehend konjunkturunabhängig und kann auch in Krisenzeiten einen beachtlichen Ergebnisbei-

trag leisten. Ein weiterer wichtiger Effekt des Retail Bankings ist in Zeiten verschärfter Regulierung

auch der finanzielle Beitrag zur Refinanzierung der Banken (Sinn, Vater, & Lubig, 2012, S. 6).

Das Schweizer Retail Banking bewegt sich allerdings in einem gesättigten Markt mit relativ gerin-

gen Wachstumsraten und starkem Konkurrenzdruck. Aufgrund der hohen Bedeutung des Zinsdif-

ferenzgeschäftes ist man gerade vom äusserst niedrigen Zinsumfeld (vgl. Kapitel 2.2.4) stark be-

1 Erträge aus dem Zinsdifferenzgeschäft werden auf der Passivseite durch Einlagen von Sparern und auf der Aktivseite

durch die Finanzierungsgeschäfte (Kredite und Hypotheken) erzielt.

Page 53: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 44

troffen und Ertragssteigerungen sind hauptsächlich nur über grössere Umsätze oder Kostensen-

kungen erzielbar (SBVg, 2014, S. 27).

Aufgrund neuer Regulierungen ist zudem damit zu rechnen, dass sich die Kosten und die Komple-

xität insbesondere auch im Retail Banking erhöhen werden (Roland Berger, 2013, S. 3). Hinzu

kommen technologische Neuerungen, Neueintritte von Branchenfremdlingen in sämtlichen Tätig-

keitsbereichen, abnehmende Kundentreue, verstärkte Preistransparenz sowie ein erhöhter Bedarf

an neuen Vertriebs-, Informations- und Kommunikationskanäle aufgrund veränderter Kundenbe-

dürfnissen (Böhnke & Rolfes, 2015, S. 21). Dies führt dazu, dass durch die Umsetzung von Effizi-

enzmassnahmen alleine die nachhaltige Sicherstellung der Profitabilität nicht gegeben ist. Viel-

mehr müssen Banken, die im Retail Bereich tätig sind, ihr Geschäftsmodell für den Herausforde-

rungen anpassen und zielgerichtet in Innovationen investieren, damit eine alternative Ertragsgene-

rierung erzielt werden kann (Roland Berger, 2013, S. 8). Dies zeigt auch eine Studie von Khan u.

a. (2012, S. 35), welche auf Basis von Expertenbefragungen zum Schluss kommt, dass Effizienz-

verbesserungen für das Überleben des Retail Bankings nicht ausreichend, aber trotzdem notwen-

dig seien. Das Schweizer Retail Banking bewegt sich allerdings in einem gesättigten Markt mit

relativ geringen Wachstumsraten und starkem Konkurrenzdruck. Aufgrund der hohen Bedeutung

des Zinsdifferenzgeschäftes ist man gerade vom äusserst niedrigen Zinsumfeld (vgl. Kapitel 2.2.4)

stark betroffen und Ertragssteigerungen sind hauptsächlich nur über grössere Umsätze oder Kos-

tensenkungen erzielbar (SBVg, 2014, S. 27). Aufgrund neuer Regulierungen ist zudem damit zu

rechnen, dass sich die Kosten und die Komplexität insbesondere auch im Retail Banking erhöhen

werden (Roland Berger, 2013, S. 3). Hinzu kommen technologische Neuerungen, Neueintritte von

Branchenfremdlingen in sämtlichen Tätigkeitsbereichen, abnehmende Kundentreue, verstärkte

Preistransparenz sowie ein erhöhter Bedarf an neuen Vertriebs-, Informations- und Kommunikati-

onskanäle aufgrund veränderter Kundenbedürfnissen (Böhnke & Rolfes, 2015, S. 21). Dies führt

dazu, dass durch die Umsetzung von Effizienzmassnahmen alleine die nachhaltige Sicherstellung

der Profitabilität nicht gegeben ist. Viel mehr müssen Banken, die im Retail Bereich tätig sind, ihr

Geschäftsmodell für den Herausforderungen anpassen und zielgerichtet in Innovationen investie-

ren, damit eine alternative Ertragsgenerierung erzielt werden kann (Roland Berger, 2013, S. 8).

Dies zeigt auch eine Studie von Khan u. a. (2012, S. 35), welche auf Basis von Expertenbefragun-

gen zum Schluss kommt, dass Effizienzverbesserungen für das Überleben des Retail Bankings

nicht ausreichend, aber trotzdem notwendig seien.

2.2.5 Zusammenfassung

Der Schweizer Bankenplatz befindet sich allerdings im Wandel. Im Zuge der internationalen Fi-

nanzkrise wurden verschiedene neue Regulierungen eingeführt, die auch für den Schweizer Ban-

kenplatz von hoher Bedeutung sind. Die Schweiz hat zeitnah und adäquat auf die neuen Anforde-

rungen reagiert und ihrerseits die Spielregeln für den Bankenplatz angepasst oder zumindest die

Page 54: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 45

notwendigen Schritte dafür eingeleitet. In verschiedenen Bereichen. wie der Regulierung systemre-

levanter Banken, wurde dabei eine internationale Vorreiterrolle eingenommen. Rückblickend kann

man die Finanzkrise auch als Katalysator für dringend notwendige Strukturveränderungen betrach-

ten, da sie die gravierenden Strukturdefizite im Schweizerischen Bankenmarkt offengelegt hat.

Vor dem Hintergrund des Tiefzinsumfeldes mit rückläufigen Zinsmargen, den insgesamt steigen-

den Sachkosten aufgrund der regulatorischen Anforderungen und der allgemein rückläufigen Mar-

gensituation im Zuge von veränderten Kundenbedürfnissen mussten die Banken gerade im Retail

Banking die Effizienz auf der Ausgabenseite steigern, um einem Profitabilitätsrückgang gegen zu

steuern. Allerdings reichen Effizienzmassnahmen alleine nicht aus, um die Wiederherstellung der

Profitabilität sicherzustellen. Die eigentliche Belastungsprobe und Herausforderung für Banken, die

im Retail Segment tätig sind, liegt vielmehr in der Entwicklung eines zukunftsfähigen Geschäfts-

modells, das im Stande ist, nachhaltig und profitabel einen Kundennutzen zu generieren.

Page 55: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 46

2.3 Kritische Würdigung In den vorangegangenen Kapiteln 2.2 und 2.3 wurden die konzeptionellen Grundlagen für die zwei

im Fokus stehenden Themenbereiche Geschäftsmodell und Schweizer Retail Banking erarbeitet.

Es hat sich gezeigt, dass auch über Jahrzehnte hinweg erfolgreiche generische Geschäftsmodelle

einer Industrie nicht gegen den Niedergang gefeit sind. Demnach sind zahlreiche Branchenkrisen

auf eine unangemessene Geschäftsmodellkonfiguration, eine mangelnde Anpassung an veränder-

te Gegebenheiten und eine Ablösung durch neue Geschäftsmodelle zurückzuführen. Bestehende

generische Geschäftsmodelle müssen daher regelmässig auf den Prüfstand gestellt werden, damit

sowohl Bedrohungs- als auch Chancenpotenziale frühzeitig erkannt und entsprechende Hand-

lungsoptionen im Sinne einer behutsamen Weiterentwicklung des Geschäftsmodells generiert

werden können. Der Geschäftsmodellansatz ist demnach ein zielführendes Analyseinstrument, um

einen adäquaten Transformationsprozess einzuleiten und einen nachhaltigen Kundennutzen und

damit einhergehende Wettbewerbsvorteile zu generieren. Wie in Kapitel 2.2.4 vorgestellt, ist gera-

de das Schweizerische Retail Banking eine Branche, die von verschiedenen herausfordernden

Umwelteinflüssen betroffen ist. Aufgrund stagnierender Ertragspotenziale, einem intensiveren

Wettbewerb, der historischen Niedrigzinsphase in Verbindung mit der globalen Finanzkrise sowie

eines hohen regulatorischen Drucks befindet sich das Retail Banking vor einem entscheidenden

Wendepunkt in Bezug auf die Ausrichtung von Strategie und Geschäftsmodell.

Vor diesem Hintergrund ist der Geschäftsmodellansatz ein prädestiniertes Analyseinstrument, um

die Schweizer Retail Banking Branche eingehend zu analysieren und auf dieser Basis den nötigen

Entwicklungsbedarf und die entsprechende Anpassung der Geschäftsmodellkonfiguration aufzu-

zeigen (vgl. Abbildung 20).

Abbildung 20: Geschäftsmodellansatz als adäquates Analyseinstrument

Geschäftsmodellansatz als Analyseinstrument aufgrund …

Retail Banking Branche mit Transformationsbedarf aufgrund …

Ziel:

Analyse der Retail

Banking Branche

mit Hilfe des

Geschäftsmodell-

ansatzes

Hilfreicher Ausgangspunkt zur Analyse, Entwicklung und Bewertung alternativer Strategien

Überblick über gesamte Geschäftslogik und Überwindung rein produktorientierter Sicht

Konzeptualisierung verschiedener relevanter Dimensionen

Strategische Zusammenhänge werden ersichtlich und nachvollziehbar

Umfeld geprägt durch steigende Kosten und sinkende Umsätze

Zunehmender Wettbewerb innerhalb der Branche

und von aussen

Verändertes Kundenverhalten und -bedürfnisse

Stagnierende Ertragspotenziale

Page 56: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 47

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (Lombriser & Abplanalp, 2015, S. 372 ff.)

Um die hohe Relevanz der vorliegenden Untersuchung zu unterstreichen, werden im nachkom-

menden Kapitel 2.3.1 relevante Vorarbeiten, die einen direkten Bezug zur Thematik und der For-

schungsfrage haben, vorgestellt. Zudem zeigt das Kapitel 2.3.2 das für die Beantwortung der For-

schungsfrage und zur Schliessung der Forschungslücke erarbeitete Research-Framework, auf

dessen Basis auch die empirische Untersuchung aufgebaut ist.

2.3.1 Relevante Vorarbeiten

Mit Hilfe der Analyse relevanter Vorarbeiten zum untersuchten Themenkomplex sollen die folgen-

den Punkte abgedeckt werden:

§ Aufzeigen der Relevanz der untersuchten Forschungsfrage

§ Generierung von Anknüpfungspunkte für die empirische Untersuchung

§ Hilfestellung beim Beantworten der forschungsleitenden Fragestellungen

Damit eine empirische Arbeit in den Untersuchungsrahmen aufgenommen wird, muss sie sich ei-

nerseits im weitesten Sinne mit der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells von Retail Banken

befassen und andererseits über die nötige Aktualität verfügen. Die nachkommenden Ausführungen

geben einen Überblick über die wichtigsten Untersuchungen in Anbetracht der erwähnten Kriterien

und setzen sie in den Kontext der Forschungsfrage.

Next Generation Banking

Die Studie „Next Generation Banking“ von Wings und Kleine (2015) zielt darauf ab, relevante

Trends und Entwicklungen im Finanzdienstleistungssektor zu analysieren. Zudem werden weitere

Herausforderungen, bedingt durch neue, branchenfremde Wettbewerber, identifiziert und zukünfti-

ge Marktstrukturen und Wettbewerbssituationen skizziert. Dafür wurden im Rahmen der Studie

116 Führungskräfte aus dem Deutschen Finanzsektor befragt.

Fazit: Die durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, dass die Banken vor einer Vielzahl unter-

schiedlicher Herausforderungen stehen. Der Unterschied zur Vergangenheit bestehe darin, dass

nicht einzelne Probleme gelöst, sondern ein tiefgreifender, alle Teile des Bankgeschäfts umfas-

sender Wandel gemeistert werden muss. Hieraus ergebe sich ein sehr grosser Handlungsdruck.

Diesen müsse man nutzen, um künftig erfolgreich ausgerichtet zu sein. Aktuell seien die Banken

noch in einer guten Position, um zu reagieren. Indem die zahlreichen bestehenden Vorteile gegen-

über den neuen Wettbewerbern genutzt werden und die vorhandenen Schwächen proaktiv ange-

gangen werden, sei es für die Banken nach wie vor möglich, wieder zur alten Stärke zurückzufin-

den.

Page 57: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 48

Kontextbezug: Im Kontext der vorliegenden Arbeit zeigt der empirische Analysebericht verschie-

dene relevante Faktoren auf. Insbesondere die Ausführungen zu den Trends und Herausforderun-

gen, dem veränderten Kundenverhalten sowie den vielversprechenden Vertriebskanälen weisen

grosse Relevanz auf. Da sich die Untersuchung allerdings auf den deutschen Bankensektor be-

zieht, ohne dabei den Fokus auf das Retail-Segment zu legen, müssen die Ergebnisse kritisch

analysiert werden, bevor sie in die Beantwortung der Forschungsfrage miteinbezogen werden. Zu-

dem wird der Betrachtung des Geschäftsmodells nur am Rande Aufmerksamkeit geschenkt.

Digitale Revolution im Retail Banking

Die Studie von Horstkötter und Dittmann (2015) basiert auf einer umfangreichen Analyse und lie-

fert fundierte Erkenntnisse zu den Kundenerwartungen an die Bank der Zukunft. Im Fokus stehen

die Chancen des Zusammenspiels zwischen Online- respektive Mobile-Banking sowie den Bankfi-

lialen. Die Autoren analysierten dafür den Status quo und die verschiedenen Perspektiven im

Retail Banking anhand von den fünf Dogmen, die von der Branche oder in der öffentlichen Diskus-

sion allzu oft als Tatsachen gehandelt werden. Im Rahmen der Studie wurden dafür Telefoninter-

views mit 1000 Bankkunden in der Schweiz und 2000 Bankkunden in Deutschland geführt. Im An-

schluss daran wurden Gruppendiskussionen mit Fokusgruppen durchgeführt, um angegebene Mo-

tive und Präferenzen mit ausgewählten Probanden nochmals ausführlich zu erörtern.

Fazit: Gemäss den Autoren führe für die Retail Banken kein Weg daran vorbei, die Digitalisierung

ihrer Geschäftsmodelle voranzutreiben. Die Studie hat gezeigt, dass bereits 74 Prozent der Bank-

kunden in der Schweiz ihre alltäglichen Bankgeschäfte online erledigen, 11 Prozent der Kunden

dafür Apps auf Smartphones oder Tablets nutzen und 7 von 10 Kunden Interesse an Mobile-

Banking zeigen. In diesem Sinne werden die fünf folgenden Erfolgsansätze abgegeben:

§ Ein klares Bekenntnis zu digitalem Banking abgeben: Kunden mit hoher Affinität zu di-

gitalen Banking-Inhalten machen bereits fast zwei Drittel des gesamten deutschen Ein-

kommens aus. Banken sollten daher zielgruppenspezifische Angebote erstellen und ver-

markten.

§ Die richtigen Angebote im richtigen Kanal vermarkten: Die Anzahl vernetzter Kanäle ist

kein Wettbewerbsvorteil. Es geht vielmehr darum, die einzelnen Kanäle kundenorientiert

auszugestalten, um Kunden im richtigen Kanal mit den richtigen Angeboten möglichst indi-

viduell anzusprechen.

§ Die Chancen der Online-Revolution im Retail Banking nutzen: Der Umbruch hat be-

gonnen und er geht rasant weiter. Für Banken kommt es daher jetzt darauf an, die eigenen

Angebote im Online-Banking weiter auszubauen und den dadurch entstehenden Mehrwert

für die Kunden zu kommunizieren.

Page 58: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 49

§ Die Filiale mit neuen, kundenorientierten Konzepten modernisieren: Die Bankfiliale ist

kein Auslaufmodell, sie muss aber innovativer werden. Kunden erwarten den richtigen Mix

aus attraktiven Elementen. Dazu wird vermehrt die digitale Beratung zählen, aber auch das

persönliche Gespräch in einer angenehmen Filialatmosphäre.

§ Mit dem Kundenvertrauen im Rücken das Mobile-Banking ausbauen: Die Banken gel-

ten bei ihren Klienten weiterhin als verlässlicher und sicherer Partner. Dieser Vertrauens-

vorsprung zeigt sich vor allem beim Mobile-Banking. Hier sollten die Institute attraktive

Apps anbieten, Datenschutz garantieren und klaren Mehrwert liefern.

Kontextbezug: Die empirische Studie „Digitale Revolution im Retail Banking“ illustriert einen de-

taillierten Einblick in die veränderten Kundenbedürfnisse hinsichtlich des Multikanal-Verhaltens im

Zuge der Digitalisierungstendenzen. Da neben deutschen auch Schweizer Kunden befragt wurden,

weist die Untersuchung einen sehr hohen Bezug zur Forschungsfrage auf. Da sich die Untersu-

chung allerdings primär auf Themen fokussiert, die mit der Digitalisierung zusammenhängen, wird

nur ein Teilbereich des dieser Arbeit zugrunde liegenden Forschungsinteresses abgedeckt.

Retail Banking 2020

Das Ziel der Studie von Khan u. a. (2012) ist es, die Herausforderungen im Retail Banking aus

möglichst vielen Blickwinkeln zu beleuchten. Dafür wurden vorgängig sechs Thesen formuliert,

welche die Entwicklung des Retail Banking bis 2020 aufzeigen, falls die Banken am Status quo

festhalten. In einem nächsten Schritt wurden die Thesen mit Experten aus dem Retail-Bereich von

Schweizer Banken und anderen wichtigen Finanzinstituten gespiegelt, um daraus drei Szenarien

für die Zukunft abzuleiten. Diese sollen aufzeigen, wie sich das Retail Banking bis ins Jahr 2020

verändern könnte.

Fazit: Die Autoren haben auf Basis der empirischen Erkenntnisse die folgenden drei Szenarien

abgeleitet:

§ Technologieszenario: In diesem Szenario wird es für die etablierten Retail Banken sehr

unbequem, weil sich die Welt stärker digitalisiert. Dies zeigt sich im Zahlungsverkehr eben-

so wie im Kreditgeschäft.

§ Konsolidierungsszenario: In diesem Szenario spielt der erhöhte ökonomische Druck die

zentrale Rolle. Es wird nicht gelingen, die Erträge so weit zu steigern, dass der Anstieg der

Kosten wettgemacht werden kann. Insbesondere die Re-gulierung wird den Banken schwer

zu schaffen machen. Die Umsetzungskosten drohen gerade für kleinere Banken aus dem

Ruder zu laufen.

§ Schweizer Inselszenario: Die EU befindet sich in der grössten Krise seit ihrer Gründung

und droht auseinanderzubrechen. Nicht nur in Europa, auch in Ame-rika und China verdun-

keln sich die Aussichten auf eine rasche Erholung der Wirtschaft. Einzig die Schweiz

Page 59: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 50

scheint sich von diesen Problemen abzukoppeln. Zwar hat die Schweiz mit den Folgen der

starken Währung zu kämpfen, trotz-dem erscheint das Land als eine Insel der Glückseli-

gen.

Zusätzlich zu diesen drei Szenarien wird darauf hingewiesen, dass Schweizer Retail Banken ihre

Kundenschnittstellen nachhaltig sicherstellen, neue Technologien zulassen, die Innovationskultur

erhöhen, eine attraktive Produktpalette anbieten und die Kosten unter Kontrolle haben müssen.

Kontextbezug: Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Thesen bildet einen guten An-

haltspunkt im Kontext der Forschungsziele der vorliegenden Arbeit. Sie zeigen eine gewisse Ten-

denz dahingehend auf, inwiefern sich das Geschäftsmodell von Schweizer Retail Banken ver-

ändern könnte. Auch die drei vorgestellten Szenarien lassen in Bezug auf die damit verbundenen

Geschäftsmodelltransformationen gewisse Schlüsse für die Beantwortung der dieser Arbeit zu-

grunde liegenden Forschungsfrage zu. Der Fokus der Studie „Retail Banking 2020“ liegt aber nicht

auf dem Geschäftsmodell und auch die einzelnen Geschäftsmodellmuster bzw. -komponenten

werden nur beiläufig erwähnt.

Was Bankkunden wirklich wollen

Die empirische Untersuchung von Sinn u. a. (2012) basiert auf 2’855 Interviews, die im Frühjahr

2012 mit Kunden aller grossen deutschen Finanzinstitute geführt wurden. 2’238 Befragte waren

Privatkunden und 617 Freiberufler sowie Kleingewerbetreibende, die ebenfalls dem Retail-

Geschäft zugeordnet werden. Die Studie zeigt, dass der Handlungsdruck für Deutschlands Banken

im Privatkundengeschäft enorm hoch ist. Auf der einen Seite sehen sich die Banken unzufriede-

nen, wechselwilligen Kunden gegenüber. Auf der anderen Seite zwingt sie der Trend zur Digitali-

sierung zu einem weitgehenden Umbau ihres bestehenden Angebots. Und das alles vor dem Hin-

tergrund eines enormen Margendrucks. Die umfassende Analyse über die wahren Wünsche der

Bankkunden verfolgt das Ziel, möglichst zahlreiche Hinweise abzugeben, inwiefern sich Banken

besser positionieren und einen maximalen Kundenfokus realisieren können.

Fazit: Gemäss den Autoren müssen Banken mehr darauf achten, die Zufriedenheit bestehender

Kunden zu erhöhen, anstatt mit immer neuen, kostspieligen Werbeaktionen zusätzliche Kunden

anzulocken. Gleichzeitig müssen Banken mit derselben Konsequenz den Weg in die moderne,

digitale Welt einschlagen. Der Ausbau digitaler Zugangswege sei ebenso zu forcieren wie ein

durchgängiges Omni-Channel-Angebot im Retail-Geschäft. Die Digitalisierung eröffnet in diesem

Zusammenhang die Chance, effektiver und effizienter zu werden. Vor diesem Hintergrund definie-

ren die Autoren die folgenden fünf Erfolgsfaktoren:

§ Klare Positionierung und Emotionalisierung der Marke

§ Maximaler Kundenfokus

§ Integration von On- und Offline-Welt mittels Omni-Channel

§ Straffung und neue Filialformate in der Fläche

Page 60: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 51

§ Mobilisierung und Qualifizierung der Mitarbeiter

Kontextbezug: In Anbetracht der forschungsleitenden Fragestellung dieser Arbeit weist die Studie

„Was Bankkunden wirklich wollen“ einen sehr hohen Kontextbezug auf. Es werden verschiedene

Handlungsempfehlungen abgegeben, die darauf abzielen, den Banken im Retail-Bereich aufzuzei-

gen, wie sie sich künftig positionieren und entwickeln müssen, damit den enormen Herausforde-

rungen Rechnung getragen werden kann. Die Autoren machen zudem auf verschiedene Entwick-

lungstendenzen aufmerksam und zeigen die damit verbundenen Veränderungen der Kundenbe-

dürfnissen und des Kundenverhaltens auf. Da auch bei dieser Arbeit nicht nach dem Geschäfts-

modellkonzept gearbeitet wurde, können nur vereinzelte Erkenntnisse und Resultate in die Beant-

wortung der Forschungsfrage miteinbezogen werden. Zudem muss auch bei dieser Untersuchung

hervorgehoben werden, dass sich der Forschungsfokus primär auf den deutschen Markt be-

schränkte und eine Übertragung auf den Schweizer Markt im Einzelfall kritisch überprüft werden

muss.

2.3.2 Research-Framework

Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit besteht einerseits darin, zu untersuchen, inwiefern sich das

Geschäftsmodell des Schweizerischen Retail Bankings verändert hat und andererseits, den Ver-

änderungsbedarf zu skizzieren, der sich aufgrund eines anspruchsvollen Umfeldes ergibt. Vor die-

sem Hintergrund wurden in den vorherigen Abschnitten relevante theoretische Grundlagen zum

Geschäftsmodell und zum Retail Banking sowie relevante Vorarbeiten zum untersuchten For-

schungsgebiet präsentiert. Ziel des vorliegenden Abschnitts ist es, diese Grundlagen in ein Rese-

arch-Framework zu überführen und hierdurch einen theoretischen Bezugsrahmen für die nachste-

hende empirische Untersuchung aufzuspannen. Grundlage dieser Entwicklung ist der Geschäfts-

modell-Transformationsprozess von Osterwalder und Pigneur (2011, S. 204 ff.), der gemäss den

Anforderungen des Forschungsgegenstandes modifiziert wurde. Das Framework soll damit eine

strukturierte Darstellung der zu untersuchenden Thematik sicherstellen und eine konstruktive

Überprüfung des etablierten Geschäftsmodells sowie eine umfassende Untersuchung des Umfel-

des ermöglichen. Des Weiteren zeigt es das vorläufige Verständnis für die Thematik auf, definiert

die Beziehungen zwischen den relevanten Annahmen und hilft dadurch, den Prozess der Datener-

hebung und -auswertung zu strukturieren.

In Anbetracht der Forschungsziele dieser Arbeit sowie des sich hieraus abzuleitenden For-

schungsbedarfs ist das Research-Framework in die in der folgenden Tabelle 7 ersichtlichen Pha-

sen unterteilt:

Page 61: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 52

Phase Beschreibung

1. Geschäfts-modellumfeld:

Der Ausgangspunkt für jede gute Analyse und Diskussion bezüglich Neu-

interpretation eines Geschäftsmodells ist ein einheitliches Verständnis

dessen, wie das aktuelle Geschäftsmodell aussieht und wie es sich in den

letzten Jahren weiterentwickelt hat. Das Ziel dieser Kategorie ist es dem-

nach, das aktuelle generische Geschäftsmodell des Schweizer Retail

Bankings auf Basis eines ausgewählten Strukturierungsrahmens (vgl. Ka-

pitel 2.1.3) zu interpretieren und die Veränderungen seit Ausbruch der

Finanzkrise damit zu analysieren.

2 Aktuelles Geschäftsmodell:

Das äussere Umfeld soll als eine Art „Gestaltungsraum“ verstanden wer-

den, in dem das Geschäftsmodell unter Berücksichtigung von Gestal-

tungsimpulsen analysiert wird. Ein gründliches Verständnis der Umgebung

lässt die verschiedenen Richtungen, in die sich das Geschäftsmodell ent-

wickeln kann, besser einschätzen. In dieser Phase liegt der Fokus dem-

nach darauf, aktuelle und relevante Einflussfaktoren zu eruieren.

3. Geschäftsmo-delleinschätzung

Um das generische Geschäftsmodell von Retail Banken zu verbessern

und die Marktposition weiterzuentwickeln, sollen mit Hilfe einer SWOT-

Analyse Ergebnisse aus der vorangegangenen Phasen zusammengefasst

werden, indem die gegenwärtigen Stärken und Schwächen sowie die zu-

künftigen Chancen und Risiken identifiziert werden.

4. Geschäftsmo-

dellweiterentwick-lung

Die letzte Phase des Research-Frameworks geht der Frage nach, wie ein

dauerhaft profitables Geschäftsmodell aussehen sollte. Dabei wird auf das

Blue-Ocean-Konzept zurückgegriffen, das dabei helfen soll, das vorherr-

schende generische Geschäftsmodell von Banken strukturiert zu hinter-

fragen und daraus die nötigen Transformationen abzuleiten, die notwendig

sind, um die zukünftigen Herausforderungen erfolgreich meistern zu kön-

nen.

Tabelle 7: Übersicht zu den vier Phasen des Research-Frameworks Quelle: Eigene Darstellung

Für ein besseres Verständnis und zur Explikation der relevanten Zusammenhänge der einzelnen

Phasen wird das Research-Framework mit der folgenden Abbildung 21 zusätzlich grafisch illus-

triert.

Page 62: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Konzeptionelle Grundlagen

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 53

Abbildung 21: Grafische Darstellung des Research-Frameworks Quelle: Eigene Darstellung

Wert- angebote Schlüssel-partner

Schlüssel-aktivitäten

Kunden-segmente

Schlüssel-ressourcen

Einnahmequellen Kostenstruktur

Kanäle

Kunden- beziehungen

Qualitatives

Wachstum

Quantitatives

Wachstum

Aktuelles Geschäftsmodell 2

Marktanalyse W

ettb

erwe

rbs-

anal

yse

Vorausschau

Makroökonomie

Branchen- kräfte

Markt- kräfte

Schlüssel- trends

Makro- ökonomische

Kräfte

Geschäftsmodellumfeld 1

Geschäftsmodelleinschätzung 3

STÄRKEN

CHANCEN RISIKEN

SCHWÄCHEN

- Nützlich -

- Schädlich -

- Int

ern -

- Ext

ern -

Geschäftsmodellweiterentwicklung 4

Kunden-beziehun

gen Wertange

bote Schlüssel-

partner

Schlüssel-aktivitäte

n Kunden-

segmente

Kanäle Schlüssel-ressource

n

Einnahmequellen Kostenstruktur

KOSTEN- AUSWIRKUNG

WERT- SCHÖPFUNG

Eliminieren

Reduzieren

Aufstocken

Erzeugen

Page 63: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 54

3 Empirische Untersuchung Dieses Kapitel ist der detaillierten Darstellung der angewendeten Datenerhebungsmethode ge-

widmet und erläutert die theoretische Grundlage des Forschungsansatzes zur Erreichung der For-

schungsziele.

3.1 Forschungsmethodik Zu Beginn eines Forschungsprozesses, sobald die zu Grunde liegende Problemstellung identifi-

ziert und damit einhergehend auch das Forschungsziel definiert ist, stellt sich die Frage nach einer

zielführenden Forschungsmethodik. In der Sozialforschung wird zwischen zwei Forschungsmetho-

den unterschieden: die Induktion und die Deduktion. Während mithilfe der deduktiven Vorgehens-

weise Hypothesen aufgestellt werden um existierende Theorien zu verifizieren bzw. falsifizieren,

steht beim induktiven Forschungsansatz das Generieren von neuem Wissen bzw. Theorien im

Vordergrund (Bryman & Bell, 2011, S. 25).

Wie im Rahmen des Kapitels 2.3 bereits aufgezeigt wurde, ist die systematische Untersuchung

des Schweizerischen Retail Bankings auf Basis des Geschäftsmodellansatzes als Analyseinstru-

ment unzureichend untersucht. Insofern erscheint die induktive Herangehensweise unter qualitati-

ven Gesichtspunkten eine adäquate Methode für die vorliegende Arbeit. Zudem zeichnen sich qua-

litative Untersuchungsmethoden insbesondere durch einen sehr hohen Detaillierungsgrad der In-

formationen aus, wodurch tiefere Einsichten in den Untersuchungsgegenstand sowie der damit

verbundenen Fragestellungen gewonnen werden können (Homburg, 2015, S. 257). Daher liegt der

Fokus weniger auf der deduktiven Überprüfung bereits bestehender Realitäten, als vielmehr auf

der induktiven Schaffung neuer Realitäten. Ausgehend von real existierenden Herausforderungen

und zur Lösung von für die Praxis relevanten Problemen wird bei der induktiven Vorgehensweise

durch den Autor vorgängig eine konkrete Fragestellung erarbeitet. Aus der darauf aufbauenden

empirischen Forschung und den daraus resultierenden Erkenntnisse werden sodann neue Theo-

rien abgeleitet (Mayer, 2006, S. 9 ff.).Im Kontext eines immer schnelleren sozialen Wandels und

den daraus entstandenen neuen sozialen Situationen und Perspektiven wird die deduktive Vorge-

hensweise zunehmend infrage gestellt und der induktive Ansatz gewinnt an (Mayring, 2016, S. 3

ff.).

Einen weiteren Hinweis auf die Angemessenheit der qualitativen Herangehensweise in Abhängig-

keit des jeweiligen Forschungsgegenstandes geben die folgenden, von Holzmüller und Buber

(2009) formulierten Leistungsmerkmale qualitativer Forschung.

§ Erkundungseignung: Verwendbarkeit zur Untersuchung bislang nicht oder nur unzu-

reichend untersuchter Forschungsfelder

§ Zuständigkeitseignung: Einbezug von privaten Gedanken, Gefühlen sowie vorbewusster

Faktoren und Emotionen

Page 64: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 55

§ Komplexitätseignung: Eignung für die Generierung von Einsichten und Erkenntnissen im

Rahmen komplexer sozialer Bedingungen aufgrund der offenen, empathischen, interpreta-

tiven und verstehenden Herangehensweisen

Für die Angemessenheit der vorliegenden Arbeit sprechen insbesondere die Zugänglichkeits- und

die Komplexitätseignung, da dadurch eine zielführende Exploration der forschungsleitenden Fra-

gestellung ermöglicht wird.

Basierend auf dem induktiven Verständnis sollte die Wirklichkeit nicht mit deduktiv aus der Theorie

abgeleiteten Hypothesen angegangen werden, sondern induktiv aus den beobachteten Einzelfäl-

len auf eine Theorie geschlossen werden. Mit diesem offenen und explorativen Ansatz können die

Voraussetzung geschaffen werden, das generische Geschäftsmodell der Schweizerischen Retail

Banking Branche zu analysieren und darauf aufbauend Lösungsansätze zu erarbeiten, die darauf

abzielen, das Geschäftsmodell erfolgreich weiterzuentwickeln.

Zu den gängigen Verfahren der Datenerhebung im Bereich der qualitativen Sozialforschung zählen

die folgenden vier (Mayring, 2010, S. 612; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 39 ff.):

§ Befragung: Generierung von Aussagen über den Untersuchungsgegenstand durch Aus-

kunftspersonen

§ Beobachtung: Planmässige und systematische Erfassung von wahrnehmbaren Sachver-

halten und Eigenschaften in einem nichtkommunikativen Prozess im Augenblick ihres Auf-

tretens

§ Experiment: Eine wiederholbare, unter kontrollierten, vorher festgelegten Umweltbedin-

gungen durchgeführte Versuchsanordnung, mit der Wirkungshypothesen empirisch getes-

tet werden können

§ Inhaltsanalyse: Systematische Untersuchung von Mitteilungen im Kommunikationspro-

zess

Im Kontext der Fragestellung, welche dieser Arbeit zu Grunde liegt, bietet sich insbesondere die

direkte Befragung auf Basis von leitfadengestützte Interviews an. Dadurch kann ein möglichst

breitgefächerter Überblick über die relevanten Zusammenhänge, bezugnehmend auf die Frage-

stellung, generiert und ein breites Meinungsspektrum aufgedeckt werden. Um die aus den beo-

bachteten Einzelfällen gewonnenen Daten anzureichern und die Validität und Verlässlichkeit der

Daten zu verbessern, wurden gleichzeitig nebenbei Sekundärinformationen aus wissenschaftlichen

Publikationen und weiteren Quellen, die einen direkten Zusammenhang mit der Forschungsfrage

haben, miteinbezogen. Nachfolgende wird mit Hilfe der Abbildung 22 das methodologische Vorge-

hen dieser Arbeit aufgezeigt und im Rahmen der Kapitel 3.1.1 sowie 3.1.2 auf die zwei angewen-

deten Forschungsmethoden genauer eingegangen.

Page 65: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 56

Abbildung 22: Methodologisches Vorgehen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an (Homburg, 2015)

3.1.1 Sekundärforschung

Als Ausgangspunkt der Erstellung eines möglichst adäquaten Erhebungsinstrumentes wird die

bereits vorhandene Literatur zum Thema aufgearbeitet. Die Sekundärliteraturforschung dient in

diesem Zusammenhang dazu, mit Hilfe bereits vorhandenen Quellen, die schon zu anderen For-

schungszwecken erhoben wurden, den aktuellen Bezugsrahmen der Arbeit abzustecken. Für die

Literaturrecherche ist es dabei wichtig, sorgfältig ausgesuchte wissenschaftliche Quellen in Form

wissenschaftlicher Journals, Bücher und Wirtschaftszeitschriften zu verwenden (Malhotra & Birks,

2012, S. 83). Im Rahmen der Sekundärforschung wird zuerst der theoretische Rahmen bzw. der

Stand der Forschung des Geschäftsmodellansatzes im Allgemeinen durchleuchtet (Kapitel 2.1).

Darauf aufbauend geht es in Kapitel 2.2 darum, die Bankenbranche in der Schweiz im Allgemeinen

und der Retail Banking Sektor im Speziellen zu analysieren. Ziel des Desk Researchs ist es, be-

reits vor der Primärforschung mögliche Herausforderungen, Schwierigkeiten und Lösungsansätze

von Geschäftsmodelltransformationen im Untersuchungskontext zu erkennen und diese bei der

anschliessenden Gestaltung des Erhebungsinstrumentes einfliessen zu lassen.

Aufbau Vorverständnis & Absteckung Untersuchungsrahmen

Methodologisches Vorgehen Zirkuläre qualitative Strategie

Auswahl des Verfahrens

Befragung mit Leitfaden

Auswahl der Personen

Experten aus Retail Banking

Sekundärliteratur

Datenerhebung Persönlich

! Research-Framework

Datenauswertung

Fünfstufiges Verfahren

Theorie-Entwicklung

Beantwortung Forschungsfrage

Page 66: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 57

3.1.2 Primärforschung

In einem zweiten Schritt, ausgehend vom Desk Research, werden die gewonnen Erkenntnisse

durch qualitative Experteninterviews und den daraus resultierenden Erkenntnissen aus der Praxis

ergänzt, um die Grundlage für die Beantwortung der Forschungsfrage breit abzustützen.

Im Gegensatz zum Desk Research hat dieser empirische Teil zum Ziel, neue und bisher nicht be-

kannten Daten zu erarbeiten. Die qualitative Forschung bietet sich für diese Arbeit besonders an,

da eine breitgefächerte Analyse des Status Quo sowie das Erkennen von Entwicklungstendenzen

im Vordergrund steht (Medjedović & Witzel, 2010, S. 21). Ein weiterer Grund für die qualitative

Forschung sind die spezialisierten Auskunftspersonen, die aufgrund ihrer umfassenden Erfahrun-

gen wichtige Hintergrundinformationen in Bezug auf den behandelten Themenkomplex beitragen

können. Dadurch kann eine umfassende Beantwortung der Forschungsfrage sichergestellt wer-

den. Im Fokus steht in dieser Arbeit daher nicht die statistische, sondern die inhaltliche Repräsen-

tanz (Brüsemeister, 2008, S. 20). Bei dem hier gewählten Untersuchungsvorgehen handelt es sich

wie bereits erwähnt um ein exploratives Vorgehen und daher geht es um das Entdecken von Zu-

sammenhängen und Verhaltensmustern und somit darum, ein tieferes Verständnis über die Prob-

lemstellung zu gewinnen.

3.1.3 Gütekriterien

Die qualitative Erhebungsmethode der Befragung ist mit verschiedenen Nachteilen verbunden.

Diese ergeben sich insbesondere durch mögliche Verzerrungseffekte und Beeinflussung durch

den Interviewer, hervorgerufen durch die Interaktion zwischen Interviewer und Befragtem (Stier,

2013, S. 185 f.). Infolgedessen besteht im Allgemeinen Konsens darüber, dass die qualitative For-

schung spezifische Bewertungskriterien benötigt. Im Vordergrund steht dabei die Bewertbarkeit der

Forschungsergebnisse, um der Willkür und Beliebigkeit des Forschers entgegen zu wirken (May-

ring, 2016, S. 101 ff.). Gütekriterien dienen demnach der Beurteilung der Qualität der Daten, die

erhoben werden und den damit verbundenen Analyseergebnisse. Nur wenn den Gütekriterien ge-

nügend Rechnung getragen wird, können aus der Untersuchung verlässliche Schlüsse gezogen

werden (Lamnek, 2005, S. 146). Da die quantitativen Gütekriterien Validität, Reliabilität und Objek-

tivität in diesem Zusammenhang nicht auf die qualitative Forschung übertragen werden können, da

sie für andere Methoden entwickelt wurden, gelten für die qualitative Forschung andere Kriterien

(Steinke, 2009, S. 322).

Mit Hilfe der folgenden Tabelle werden die geltenden Gütekriterien des qualitativen Forschungsan-

satzes jeweils kurz erläutert und anschliessend auf die Sicherstellung des jeweiligen Gütekriteri-

ums eingegangen.

Page 67: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 58

Gütekriterium Beschreibung Einhaltung

Intersubjektive Nachvollzieh-

barkeit

Im Gegensatz zur quantitativen Forschung wer-

den bei der Auswertung innerhalb der qualitativen

Forschung Ergebnisse interpretiert, weshalb die

intersubjektive Nachvollziehbarkeit ein wichtiges

Gütekriterium der qualitativen Sozialforschung

darstellt. Um diesem Kriterium Rechnung zu tra-

gen müssen die Wege der Erkenntnisgewinnung

und die einzelnen Schritte des Forschungspro-

zesses umfangreich und detailliert dokumentiert

werden.

Durch die Abbildung des For-

schungsprozesses in Kapitel

2.3.2, welche das gewählte Vor-

gehen der vorliegenden Arbeit

darstellt sowie die nachkommen-

den Ausführungen zum For-

schungsdesign (siehe Kapitel 3.2)

wird dieses Kriterium eingehalten.

Verfahrensdo-

kumentation

bzw. Indikation

Die Entscheidung über die richtige Indikation

geht über die Frage der Gegenstandsange-

messenheit hinaus: nicht nur Erhebungs- und

Auswertungsmethoden werden beurteilt,

sondern auch darüber hinausgehende me-

thodische Entscheidungen, die während des

Forschungsprozesses getroffen wurden.

Auf Basis des Forschungsdes-

igns wird diesem Kriterium

Rechnung getragen, indem es

Informationen zu verwendende

Methoden, Transkriptionsre-

geln, Samplingstrategien, etc.

gibt.

Nähe zum Ge-

genstand bzw. Relevanz

Die Thematik und Ergebnisse sollen eine

möglichst hohe Relevanz sowohl in der Pra-

xis als auch in der Forschung haben. Gerade

in der qualitativen Forschung ist eine Nähe

zum Gegenstand von besonderer Bedeutung,

da der Zweck der Forschung unter anderem

darin liegt, Probleme aus der täglichen Ge-

schäftswelt zu lösen oder zumindest Hand-

lungsempfehlungen abzugeben.

Durch den Einbezug von un-

terschiedlichen Experten aus

der Praxis stellen die Autoren

eine hohe Praxisrelevanz si-

cher. Zudem zeigt das Kapitel

2.3 die zunehmende Relevanz

der Fragestellung auf.

Kommunikati-

ve Validierung

Um die Gültigkeit der Ergebnisse zu überprü-

fen ist eine Validierung der Ergebnisse mit

dem Interviewten sehr hilfreich. Es soll dazu

gemeinsam über die Antwort diskutiert wer-

den, um allfällige Missverständnisse zu um-

gehen und die Aussagen zu validieren. Wich-

tig dabei ist, dass keine Analyse des Ergeb-

nisses stattfindet, sondern nur eine Bestäti-

gung der Aussagen des Interviewten.

Wie im Forschungsdesign zu erkennen, werden die Autoren jeweils direkt nach den Inter-views mit Ergebnis-Kontrollfragen die gewonnen Erkenntnisse überprüfen.

Page 68: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 59

Triangulation Die Triangulation dient dazu, verschiedene

Methoden, Theorien, Quellen etc. einander

gegenüberzustellen, sodass die Erkenntnisse

umfassender, abgesicherter und gründlicher

erfasst und ausgewertet werden können.

Durch die vorausgehende Se-

kundärforschung und die Inter-

views mit Experten aus ver-

schiedenen Banken und unter-

schiedlichen Positionen wird

die Triangulation sichergestellt.

Limitation Die Limitation soll die Grenzen der Anwend-

barkeit der entwickelten Theorie austesten

und somit unzulässige Verallgemeinerungen

ausschliessen und einen Rahmen vorgeben,

in welchen Bereichen die entwickelte Theorie

anwendbar ist.

Um dem Bedarf an Limitation

gerecht zu werden und die

Grenzen des Geltungsbereichs

aufzuzeigen werden die Er-

gebnisse in Kapitel 5.2 noch

kritisch analysiert.

Kohärenz Die Ergebnisse sollten in sich stimmig sein

und keine Widersprüchlichkeiten enthalten.

Sollten Widersprüche auftreten, müssen sie

beschrieben und bearbeitet werden, sodass

die Arbeit kohärent ist. Zudem bezieht sich

die Kohärenz auf die Validierung der Ergeb-

nisse.

Dieses Gütekriterium ist auf-

grund zeitlich beschränkter

Ressourcen eine grosse Her-

ausforderung. Man könnte aber

die Ergebnisse im Nachgang

mit Hilfe einer quantitativen

Untersuchung validieren.

Tabelle 8: Beschreibung der geltenden Gütekriterien Quelle: In Anlehnung an (Steinke, 2009)

Page 69: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 60

3.2 Forschungsdesign Das in diesem Kapitel beschriebene Forschungsdesign soll sicherstellen, dass die Untersuchung

einem systematischen Vorgehen folgt und die empirische Erhebung strukturiert durchgeführt wer-

den kann. Dabei wird der idealtypische Forschungsprozess nach Homburg (2015, S. 245 ff.) an-

gewendet, wobei einzelne Phasen kombiniert bzw. die Begrifflichkeiten leicht angepasst werden.

Die folgende Abbildung 23 illustriert das angedachte Vorgehen für die vorliegende empirische Er-

hebung.

Abbildung 23: Darstellung des idealtypischen Forschungsprozesses Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Homburg, 2015

Zu Beginn des Forschungsdesigns werden demnach die Ausgangslage und die Zielsetzung der

Primärforschung festgelegt, darauf aufbauend folgen die Beschreibung der Zielgruppe sowie die

Untersuchungsmethode und der operative Forschungsablauf. Abschliessend wird die Gestaltung

des Erhebungsinstrumentes aufgezeigt, das Untersuchungsmanagement sowie der Auswertungs-

prozess der Interviews definiert.

3.2.1 Ausgangslage

Im Kapitel 2.3 wurde einerseits aufgezeigt, dass das Geschäftsmodell-Konzept einen strukturier-

ten, praxisorientierten und gleichzeitig dynamischen Bezugsrahmen darstellt, der die frühzeitige

Erkennung von möglichen Bedrohungs- und Chancenpotenziale sicherstellt, um darauf mit den

entsprechenden Handlungsoptionen im Sinne einer behutsamen Weiterentwicklung des Ge-

schäftsmodells zu reagieren. Andererseits wurde festgehalten, dass sich die Schweizer Retail

Banking Branche in einem herausfordernden Umfeld bewegt, das insbesondere seit Ausbruch der

Finanzkrise von verschiedenen negativen Einflussfaktoren geprägt ist. Vor diesem Hintergrund ist

die Schweizer Retail Banking Branche ein interessantes Untersuchungsobjekt, um mit Hilfe des

Geschäftsmodellansatzes den bereits stattgefundenen Transformationsprozess seit Ausbruch der

Finanzkrise aufzuzeigen und darauf bezugnehmend nötige Transformationen mit dem Ziel der Pro-

fitabilitätswahrung abzuleiten. In diesem Sinne soll im Rahmen der nachfolgenden Primärerhebung

Ausgangslage & Zielsetzung

Gestaltung des Erhebungsinstrumente

Auswahl der Experten

Untersuchungsmethode

Auswertung

Durchführung

1

2

3

4

6

5

Page 70: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 61

das Retail Banking mit Hilfe von Experteninterviews auf Basis des Geschäftsmodellansatzes sys-

tematisch analysiert und dadurch in Kombination mit der Primärerhebung die Grundlage für die

Beantwortung der Forschungsfrage erarbeitet werden.

3.2.2 Ziele der Erhebung

Basierend auf den konzeptionellen Grundlagen und dem Stand der Forschung und der darauf ba-

sierenden Forschungslücke besteht das primär Forschungsziel der vorliegenden Arbeit darin, die

Schweizer Retail Banking Branche mit Hilfe des Geschäftsmodell-Konzepts systematisch zu ana-

lysieren, nötige Transformationen aufzuzeigen und daraus Handlungsempfehlungen für die zielge-

richtete Weiterentwicklung abzuleiten. Aus diesem übergeordneten Ziel lassen sich weitere rele-

vante Unterziele definieren, die nachfolgend aufgeführt sind und aus der Forschungsleitenden

Fragestellung sowie den Erkenntnissen der Sekundärforschung abgeleitet sind:

Forschungsziele

1. Identifikation der äusseren Einflussfaktoren und Herausforderungen, die das generische

Geschäftsmodell von Schweizer Retail Banken umgeben.

2. Analyse des aktuellen generischen Geschäftsmodells der Schweizer Retail Banking-

Branche und Darlegung des stattgefundenen Transformationsprozesses seit Ausbruch der

Finanzkrise.

3. Einschätzung der aktuellen Stärken und Schwächen sowie der Chancen und Risiken, wel-

che sich aus dem aktuellen Geschäftsmodell und dessen externen Umfeld ergeben.

4. Bildung von Handlungsempfehlungen, die darauf abzielen, das Schweizer Retail Banking

zukunftsorientiert und profitabel weiterzuentwickeln.

3.2.3 Auswahl der Experten

Bei qualitativen Untersuchungsmethode der Befragung wird nicht auf eine Zufallsstichprobe zu-

rückgegriffen, wie das beispielsweise bei der quantitativen Forschung meist der Fall ist, sondern es

werden in Bezug auf die Forschungsfrage geeignete Interviewpartner miteinbezogen. Schreier

(2007, S. 245) definiert für die qualitative Stichprobenauswahl folgende vier Ziele:

§ Erzielen von Inhaltlicher Repräsentativität (keine statistische Verallgemeinerbarkeit der

Stichprobe auf eine Grundgesamtheit möglich)

§ Möglichst detaillierter Aufschluss über ein Phänomen im Sinne einer umfassenden Abbil-

dung in all seinen Facetten

Page 71: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 62

§ Tiefer gehende Analyse des interessierenden Phänomens

§ Informationshaltigkeit der Untersuchungseinheiten in Bezug auf das Phänomen selbst rele-

vant und nicht die Anzahl der einbezogenen Untersuchungseinheiten

Zusammengefasst ist das Ziel somit die inhaltliche Repräsentation der untersuchten Teilnehmer,

was bedeutet, dass die Relevanz der untersuchten Fälle für die Beantwortung der Forschungsfra-

ge von zentraler Bedeutung ist (Mayring, 2016, S. 68). Die Auswahl einer aussagekräftigen Stich-

probe folgt daher einem nicht-probalistischen Verfahren - demnach somit einem bewussten Stich-

probenverfahren (Bryman & Bell, 2011). Wie bereits angesprochen ist die Wahl der Inter-

viewpartner auf bestimmte Experten gefallen, die dazu beitragen sollen, die Forschungsziele zu

erreichen. Ein Experte wird in diesem Zusammenhang gemäss Mayer (2006, S. 41) als eine Per-

son definiert, die in einem bestimmten Fachgebiet über ein klares, abrufbares Wissen verfügt. Die

Ansichten eines Experten gründen dabei auf sichere Behauptungen und seine Urteile basieren

nicht auf blosse Raterei oder unverbindlichen Annahmen. Es ging also darum, Personen für die

empirische Untersuchung zu finden, welche im Zuge ihrer Tätigkeit oder ihrem Wissen einen wert-

haltigen Beitrag zum Beantworten der Forschungsfrage leisten können.

Aufgrund der Auseinandersetzung mit der Sekundärforschung und dem daraus abgeleiteten Re-

search-Framework hat sich die Erkenntnis herauskristallisiert, dass als Experten langjährige Mitar-

beiter von Banken oder Bankzulieferern in Frage kommen, welche sich in unterschiedlichen Tätig-

keiten mit der Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells auseinandersetzen. Zudem wurde

eine Durchmischung von Beteiligten quer durch alle im Retail Banking tätigen Bankengruppen an-

gestrebt.

Auf Basis dieser Kriterien wurde bei der Suche nach den in Frage kommenden Interviewpartnern

auf persönliche Kontakte sowie eine ausgedehnte Internetrecherche zurückgegriffen. Dabei stan-

den die folgenden Fragen im Vordergrund (Gläser & Laudel, 2009, S. 117):

§ Wer verfügt über die relevanten Informationen?

§ Wer ist am ehesten in der Lage, präzise Informationen zu geben?

§ Wer ist am ehesten bereit, Informationen zu teilen?

§ Wer von den Informanten ist verfügbar?

Bei der Erstkontaktaufnahme wurde mittels E-Mail entweder an die betreffende Person direkt oder

an eine allgemeine Kontaktadresse vorgängig die Teilnahmebereitschaft der Experten abgeholt.

Dabei fiel die Resonanz sehr positiv1 aus, was auf die Aktualität und die Relevanz des Themas

zurückzuführen ist. Es gab nur vereinzelt Absagen aufgrund fehlender zeitlicher Ressourcen oder

1 Von 15 angeschriebenen Experten haben 8 zugesagt, 3 abgesagt und 2 auch nach mehrmaliger Rückfrage keine Ant-

wort gegeben.

Page 72: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 63

Personalmangels. Nach der Zusage ging es darum, einen Termin zu finden, was in einzelnen Fäl-

len relativ aufwändig war. In Anbetracht der leitenden Funktionen, welche die kontaktierten Perso-

nen ausüben, ist dies jedoch nicht verwunderlich. Es gelang trotzdem mit allen Personen, die Inte-

resse bekundeten, in nützlicher Frist einen Termin zu finden.

Die Tabelle 9 zeigt die Experten, welche für das Interview gewonnen werden konnten:

Page 73: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 64

Name Arbeitgeber Funktion

Thomas Ulrich UBS Schweiz AG Regionaldirektor Zürich (Group Managing Director) und Präsident des Zürcher Bankenverbund

René Beeler ZKB Leiter Business Development Products, Services & Directbanking

Manuel Thomet Additiv (Bankenprovider) Head Consulting Banking (Member of the Executive Committee)

Markus Locher Credit Suisse AG Leiter Strategy and Projects (Director)

Michael Scherrer Raiffeisen Schweiz Bereichsleiter Strategie

Felix Wenger Raiffeisen Schweiz Bereichsleiter Vertrieb & Kanäle

David Kauer PostFinance Leiter Produktmanagement Added Value Services

Christoph Wille Valiant Bank Leiter Vertriebskanäle (Mitglied der Geschäftsleitung)

Tabelle 9: Übersicht der Interviewpartner Quelle: Eigene Darstellung

3.2.4 Untersuchungsmethoden

Wie bereits in Kapitel 3.1 erwähnt, wird für die Erreichung der forschungsleitenden Zielsetzung auf

qualitative leitfadengestützte Experteninterviews zurückgegriffen. Darunter versteht man gemäss

Atteslander (2008, S. 112) eine teilstrukturierte, mündliche Kommunikation, welche zur Erfassung

von qualitativen Aspekten dient. Die Interviews werden wenn möglich vor Ort und ansonsten tele-

fonisch durchgeführt. Der Entscheid, die Befragung persönlich durchzuführen, basiert auf den fol-

genden Vorteilen (Homburg, 2015, S. 263):

§ Möglichkeit zur Erklärung komplizierter Sachverhalte durch den Interviewer

§ Möglichkeit von Rückfragen der Befragten bei Verständnisproblemen

Page 74: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 65

§ Möglichkeit zur Illustration der Fragen durch ergänzende Materialien wie Produktmuster

oder Bilder

§ Reduktion der Verweigerungsquote durch geschultes Verhalten des Interviewers

§ Gute Realisierbarkeit von Verzweigungen im Fragebogen durch Interviewer

Für die Durchführung der Interviews dient ein halbstrukturierter Interviewleitfaden, der auf Basis

des Research-Frameworkss erarbeitet wurde und im nachkommenden Kapitel vorgestellt wird. Die

folgende Abbildung zeigt die verschiedenen Differenzierungsmerkmale einer Befragung und weist

zudem die in dieser Arbeit angewendeten Kriterien aus.

3.2.5 Gestaltung des Erhebungsinstruments

Basierend auf den theoretischen Vorüberlegungen und angeleitet durch die zentrale Forschungs-

frage und dem daraus resultierenden Research-Framework ist der Interviewleitfaden wie in Abbil-

dung 21 illustriert, aufgebaut und soll eine Vergleichbarkeit der Interviewergebnisse sicherstellen.

Da die Qualität der gestellten Fragen einen starken Einfluss auf die Antworten der Befragten hat,

wird vor einer leichtfertigen Beschäftigung mit deren Formulierung gewarnt (Friedrich, 1990, S.

210). Daher werden die Fragen und Instrumente aus vorliegenden ähnlichen Untersuchungen ge-

prüft und in Form eines Brainstormings die wichtigsten Elemente zusammengetragen, die für die

Beantwortung der Forschungsfrage relevant erscheinen. Beim Formulieren der Fragen standen

dabei die folgenden Grundsätze nach Hüttner und Schwarting (2002, S. 122) im Vordergrund:

§ Die Fragen müssen einfach gehalten und leicht verständlich sein

§ Die Fragen müssen eindeutig und präzise formuliert sein

§ Die Fragen dürfen nicht suggestiv wirken

§ Die Fragen dürfen nicht zu falschen Antworten aus Prestigegesichtspunkten verleiten

Neben der Einhaltung der Grundsätze in Bezug auf die Fragenformulierung werden die folgenden

Grundsätze von Gläser und Laudel (2009, S. 117) befolgt, um zielführende Resultate und Erkennt-

nisse aus den Interviews zu gewinnen:

§ Reichweite: Während des Interviews ist auf verschiedene Probleme und Ansichten einzu-

gehen, damit der Interviewte nicht wie üblich reagieren kann. So sollen Antworten vermie-

den werden, die bereits erwartet wurden.

§ Spezifität: Im Interview sollen keine generellen Fragen und Themen angesprochen wer-

den. Durch spezifische Fragen entstehen fundierte Argumente, die auch besser verstanden

werden.

§ Tiefe: Der Grund für das Interview und die entsprechenden Fragestellungen sind möglichst

detailliert aufzuzeigen. So kann sich der Interviewte die Situation der Problemstellung ver-

tieft vorstellen und entsprechend eine passende Antwort geben.

Page 75: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 66

§ Personaler Kontext: Wichtig ist auch, den personalen Kontext des Interviewten vor dem

Interview möglichst gut in Erfahrung zu bringen. So können Fragen gestellt werden, die ei-

nen direkten thematischen Bezug zum Befragten haben, was einen Mehrwert in Hinblick

auf dessen Antworten gibt. Dies hilft zudem bei der Interpretation der Antworten.

Die Struktur des Leitfadens basiert auf dem in Kapitel 2.3.2 beschriebenen Research-Framewok

und ist in vier verschiedenen Hauptkategorien eingeteilt. Die erste Kategorie des Leitfadens be-

ginnt mit einer Aufwärmfrage, die darauf abzielt, dass der Befragte sich zu seiner Tätigkeit äussert

und ausführt, inwiefern er mit der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells seines Arbeitgebers

tangiert ist. Zudem enthält der erste Bereich des Weiteren Fragen zum aktuellen Geschäftsmodell

und in diesem Zusammenhang spezifisch zu den Transformationsprozessen, die seit Ausbruch der

Finanzkrise stattgefunden haben. Der zweite Themenbereich enthält Fragen, die sich auf das ak-

tuelle Geschäftsmodellumfeld und die damit verbundenen Einflussfaktoren beziehen. Im Rahmen

des dritten Bereichs geht es darum die Einschätzungen zum aktuellen Geschäftsmodell sowie der

relevanten Umwelteinflüsse in Form einer SWOT-Analyse zu katalysieren. Beim der letzten

Hauptkategorie wird der Interviewpartner aufgefordert, seine Einschätzung zu möglichen Ge-

schäftsmodellweiterentwicklung abzugeben.

Der Leitfaden, der im Anhang A ersichtlich ist, dient ausserdem als Erklärungsansatz, indem die

vier verschiedenen Hauptkategorien sowie das gesamte Research-Framework beschrieben und

erklärt werden. Da er den Interviewpartner vorgängig zugesendet wird, können sich die Befragten

damit bereits im Vorfeld mit dem Untersuchungsobjekt auseinandersetzen.

Sofern im Verlauf des Interviews abweichende oder vertiefende Fragen, die über den Leitfaden

hinausgehen, gestellt werden müssen, so wird dabei, wie von Hermanns (2004, S. 213) empfoh-

len, auf eine kurze und einfache Formulierung geachtet, um den Interviewpartner nicht zu überfor-

dern. Basierend auf den gewonnen Erkenntnissen aus geführten Interviews, wird der Leitfaden wie

von Flick (2004, S. 92) empfohlen, iterativ für die nachkommenden Interviewsituationen angepasst.

Die Anpassungen werden jedoch so eingegrenzt, dass die Vergleichbarkeit der Interviews weiter-

hin gewährleistet werden kann.

3.2.6 Durchführung

Die Interviewdurchführung folgt einem halbstrukturierten Prozess, bei dem der Interviewer nicht

zwangsläufig an die Reihenfolge der Fragen im Leitfaden gebunden ist. Das Vorgehen mit gröss-

tenteils offenen Fragestellungen soll dazu beitragen, dass die Befragten nicht in ihren Sichtweisen

eingeschränkt werden und soll dazu führen, dass der Erkenntnisgewinn möglichst umfangreich ist

(Mayer, S. 36 f.).

Die Interviews werden dabei am Unternehmensstandort der befragten Experten zwischen Mai und

Juni 2016 durchgeführt und sind mit einer Durchführungszeit von 45 – 90 Minuten bemessen. Mit

Einverständnis des Befragten werden die Gespräche mit Hilfe eines digitalen Diktiergerätes aufge-

Page 76: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 67

zeichnet, damit sie einerseits lückenlos transkribiert werden können und andererseits kann sich

der Interviewer dadurch vollständig auf die Befragung konzentrieren.

3.2.7 Auswertung

Die Auswertung von Experteninterviews zielt darauf ab, Gemeinsamkeiten und Kontraste zwischen

den Antworten der befragten Experten herauszuarbeiten und geteilte Wissensbestände und Deu-

tungsmuster aufzunehmen (Meuser & Nagel, 2009, S. 80). Grundlage für die Auswertung bilden

die Transkripte der durchgeführten Interviews. Bei der Wahl einer geeigneten Auswertungsmetho-

de wird auf das fünfstufige Verfahren nach Meuser und Nagel (2009, S. 159) zurückgegriffen.

1. Paraphrasierung: Der Inhalt wird in eigenen Worten wiedergegeben und in Textabschnit-

te gegliedert.

2. Thematisches Ordnen: Die Textabschnitte werden in eine Terminologie (nach For-

schungszielen strukturiert) sortiert. Zudem werden Stichwörter hervorgehoben und Über-

schriften gesucht, um die Komplexität zu verringern.

3. Thematischer Vergleich: Die Textabschnitte und Überschriften zwischen den einzelnen

Interviews werden miteinander verglichen und bei Bedarf angepasst.

4. Soziologische Konzeptualisierung: Die Überschriften werden mit dem vorhandenen

Wissen aus der Sekundärforschung verglichen. Die Inhalte aus den Textabschnitten wer-

den (in Hinblick auf die Forschungsziele) interpretiert.

5. Theoretische Generalisierung: Bei Bedarf wird in der Literatur nach weiterführenden

Theorien recherchiert. Es werden Theorien bzw. auch Konzepte aus den Erkenntnissen

gebildet. Diese werden nach Forschungszielen geordnet.

Die nachstehende Abbildung 24 zeigt das beschriebenen Vorgehen bei der Auswertung.

Page 77: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Empirische Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 68

Abbildung 24: Prozess der Interviewauswertung Quelle: Eigene Darstellung

1 2 3 4

Forschungsziele

1 2 3 4

Einstiegsfragen

1. Phase: Geschäftsmodellumgebung

2. Phase: Aktuelles Geschäftsmodell

3. Phase: Geschäftsmodelleinschätzung

4. Phase: Geschäftsmodellweiterentwicklung

Thematisches Ordnen

Paraphrasierung

Thematischer Vergleich

Soziologische Konzeptualisierung

Theoretische Generalisierung

Reasearchframework | Interviewleitfäden

Auswertung

Page 78: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 69

4 Auswertung der empirischen Untersuchung In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Experteninterviews unter Berücksichtigung der For-

schungsleitenden Zielsetzungen dargestellt. Dafür wird auf das in Kapitel 2.3.2 erarbeitete Rese-

arch-Framework zurückgegriffen.

4.1 Geschäftsmodellumgebung In dieser ersten Phase des Research-Frameworks geht es darum, das Umfeld und die wichtigsten

damit verbundenen Einflussfaktoren zu analysieren und mögliche Herausforderungen herauszuar-

beiten, auf welche die Branche reagieren muss. Die folgenden Ausführungen sollen die Erreichung

des ersten Forschungszieles sicherstellen:

1. Forschungsziel

Identifikation der äusseren Einflussfaktoren und Herausforderungen, die das generische Ge-

schäftsmodell von Schweizer Retail Banken umgeben.

Das Verständnis der Umgebung, in die ein Geschäftsmodell eingebettet ist, hilft dabei, eine zielfüh-

rende Analyse der einzelnen Geschäftsmodellkomponenten durchzuführen. Es soll in diesem Zu-

sammenhang als eine Art Gestaltungsraum interpretiert werden, innerhalb dessen ein Geschäfts-

modell neu konzipiert werden kann (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 204). Wie im Research-

Framework ersichtlich und von Osterwalder und Pigneur (2011, S. 205 ff.) vorgeschlagen, umfasst

dieser Gestaltungsraum grundsätzlich vier Bereiche:

§ Marktkräfte: Einschätzungen zu Marktsegmenten, Wünschen und Anforderungen der

Kunden, Marktaspekte, Wechselkosten und Umsatzattraktivität

§ Branchenkräfte: Einschätzungen zu Lieferanten und anderen Teilnehmern der Wertschöp-

fungskette, Stakeholder, Wettbewerber (Etablierte) und Neueinsteiger (Rebellen)

§ Schlüsseltrends: Einschätzungen zu Technologietrends, gesetzlichen Trends, gesell-

schaftlichen Trends, kulturellen Trends und sozioökonomischen Trends

§ Makroökonomische Kräfte: Einschätzungen zu globalen Marktbedingungen, Kapitalmärk-

ten, Wirtschaftsgütern und anderen Ressourcen

Im Rahmen der Interviews hat sich gezeigt, dass die makroökonomischen Trends in Bezug auf das

Schweizerische Retail Banking im Untersuchungskontext vernachlässigt werden können. Deshalb

werden in der folgenden Erkenntnisauswertung die makroökonomischen Kräfte nicht einzeln auf-

geführt, allerdings aber, sofern nötig, im Rahmen der anderen drei Bereiche abgedeckt.

Page 79: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 70

4.1.1 Schlüsseltrends

Im Rahmen der Interviews zu den Schlüsseltrends haben sich zwei treibende Faktoren herauskris-

tallisiert, die gemäss den Experten zu den relevanten Einflussfaktoren gezählt werden können:

Digitalisierung und Regulierung.

Die zunehmende Digitalisierung und der Einsatz von technologischen Möglichkeiten hat einen

grossen Einfluss auf das Retail Geschäft der Banken. Die steigende mobile Vernetzung nimmt Die

zunehmende Digitalisierung und der Einsatz von technologischen Möglichkeiten hat einen grossen

Einfluss auf das Retail-Geschäft der Banken. Die steigende mobile Vernetzung nimmt immer neue

Formen an und durchdringt das reale Leben der Retail-Kunden in immer mehr Aspekten. Gemäss

Experten gewinnen vor dem Hintergrund der Digitalisierung gerade die onlinebasierten Applikatio-

nen insbesondere für die mobilen Geräte an Bedeutung. Gerade bei den standardisierten Bankge-

schäften greifen immer mehr Kunden auf die digitalen Kanäle zurück (Locher, Interview,

09.06.2016). Die Experten sehen in der Digitalisierung entscheidende Einflüsse, die für das Retail

Banking in diesem Kontext hohe Relevanz aufweisen. Einerseits ist es die Enabler-Funktion, wel-

che mit der technologischen Entwicklung einhergeht und andererseits ist es der Einfluss auf das

Kundenverhalten (Thomet, Interview, 06.06.2016). Mit der Enabler-Funktion ist unter anderem ge-

meint, dass man die Banken mithilfe der technologischen Möglichkeiten prozessdurchgehend vom

Back- über das Middle- bis hin zum Frontoffice standardisieren und digitalisieren kann. Dies ist mit

erheblichen Effizienzeinsparungen und dadurch mit Kosteneinsparrungen verbunden. In diesem

Sinne kann man in Bezug auf die Kosteneffizienz von einem Added Value für die Bank sprechen.

Einen Added Value könne man aber auch für den Kunden erzielen, indem man versucht, die Digi-

talisierung zum Zwecke der besseren Abdeckung von Kundenbedürfnissen zu nutzen. Dies sei

heute allerdings noch zu wenig im Fokus der Banken (Kauer, Interview, 06.06.2016).

Eine weitere Möglichkeit, die mit dem technologischen Wandel einhergeht, ist die Verfügbarkeit

von Kundendaten, was gemäss den Experten grosses Potenzial aufweist. Durch die zielführende

Nutzung dieser Daten, könne eine Bank ihre Vertriebspolitik noch besser an die Bedürfnisse der

Kunden anpassen (Thomet, Interview, 06.06.2016). Dies wird auch von Wenger (Interview,

07.06.2016) bestätigt:

„Aber ich denke, die Kombination von Datenquellen im legal möglichen Rahmen erlaubt es si-cher, dem Kunden präzisere Angebote zu unterbreiten oder die Abschlusswahrscheinlichkeit zu erhöhen.“

Der Einfluss der Digitalisierung auf das Kundenverhalten zeige sich vor allem in Bezug auf die Art

und Weise, welche Kanäle wie genutzt werden. Die technologischen Möglichkeiten haben in die-

sem Zusammenhang in den letzten Jahren verschiedene neue Instrumente hervorgebracht, die

auch für die Banken elementar sind.

Der andere Schlüsseltrend sei die Zunahme an regulatorischen Anforderungen, wie bereits in Ka-

pitel 2.2.2 erläutert wurde. Die Regulatoren haben die Rahmenbedingungen gerade auch für das

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 71

Retail Banking verändert. Damit sind hohe Umsetzungskosten verbunden, wie beispielsweise An-

passungen der IT Infrastruktur, höhere Compliance-Kosten, etc. Die grössten Herausforderungen

im Zusammenhang mit den Regulatoren seien im Wesentlichen Basel III, die erhöhten Transpa-

renzanforderungen bezüglich Gebühren und Retrozessionen fordern sowie die Umsetzung des

neuen Bankengesetzes FIDLEG (Scherrer, Interview, 08.06.2016 & Wenger, Interview,

07.06.2016). Die Umsetzung dieser Vorschriften binde sowohl finanzielle als auch Management-

Ressourcen und führe dazu, dass viele andere Projekte, gerade im Bereich der Digitalisierung

nicht oder nicht wie gewünscht umgesetzt werden können. Die Kadenz und die Komplexität, die

mit diesem Trend verbunden sind, nehmen zu und führen dazu, dass man bereits zu versuchen

beginnt, die Veränderungen frühzeitig zu antizipieren, damit adäquat darauf reagiert werden kann

(Beeler, Interview, 10.06.2016).

Zusammenfassung: Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Retail Banking-Branche

durch zwei treibende Schlüsseltrends stark betroffen ist: Während der Trend zur Digitalisierung

eher mit verschiedenen Chancen verbunden ist, führt die Zunahme an regulatorischen Vorschriften

zu massiver Komplexität und einem massiven Kostenanstieg.

4.1.2 Marktkräfte

4.1.3 Marktkräfte Die Auswertung der Interviews hat gezeigt, dass die wichtigsten Einflussfaktoren in Bezug auf die

Marktkräfte in zwei Bereiche unterteilt werden können: kundengetriebene und ertragsgetriebene

Veränderungen.

Die Experten sind sich grundsätzlich einig, dass das Kundenverhalten einen der grössten Einflüsse

auf die Entwicklung des Bankgeschäfts haben wird. Das richtige Verständnis des zukünftigen Kun-

denverhaltens ist demnach eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche strategische Ausrich-

tung der Bank. Konnte man bis vor wenigen Jahren das Kundenverhalten noch nach online und

offline differenzieren, lässt sich nun eine zunehmende Verschmelzung erkennen und eine parallele

Kanalnutzung wird zum State of the Art. Kunden interagieren sowohl über konventionelle als auch

über digitale Zugangswege. Sie wollen nicht auf das persönliche Gespräch und die Beratung in

einer Filiale oder am Telefon verzichten, gleichzeitig aber auch von den Vorteilen der digitalen Me-

dien profitieren. Das hat zur Folge, dass sich die Kunden beispielsweise während eines persönli-

chen Telefonats über ein Produkt informieren, es daraufhin online mit Konkurrenzangeboten ver-

gleichen und den Abschluss dann in der Filiale machen (Kauer, Interview, 06.06.2016). Aus-

schlaggebend ist hierbei nur ein Grundgedanke: Alles muss in erster Linie bequem und einfach

sein. Oder wie es Wille (Interview, 02.06.2016) treffend formulierte: "Convenience is king“. Diese

Veränderung führe im Extremfall zu einer hohen Erwartungshaltung der Kunden gegenüber ihrer

Bank: Ihre Bedürfnisse sollen an allen Wochentagen während 18 Stunden über alle Kanäle befrie-

digt werden (Ulrich, Interview, 10.06.2016). Dies sei insbesondere auch auf die Gewohnheiten der

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 72

Kunden zurückzuführen; anderen Branchen gelingt es bereits, diesem Wunsch nach totaler Con-

venience nachzukommen. Auch die gestiegenen Anforderungen an die Bank in Bezug auf das

Service-Angebot ist diesem Trend zuzuschreiben. Thomet spricht in diesem Zusammenhang von

einem Lieferstress und argumentiert wie folgt:

„ [...] heute ist es mehr so, dass die Kunden extrem vieles erwarten und die Banken diese Be-dürfnisse gar nicht befriedigen können. Die Leute wollen es jetzt haben, weil sie es sich ge-wohnt sind von den grossen Technologie Konzernen. Es ist schon so im täglichen Denken und Handeln des Kunden drinnen, dass eigentlich die Banken in den Stress kommen, dass sie das liefern müssen und dadurch eher in einen Lieferstress kommen.“

Zudem ist der heutige Kunde aufgrund der verschiedenen Vergleichsmöglichkeiten, die ihm das

Internet bietet, immer besser informiert. Damit einhergehend sei auch der zunehmende Anspruch

nach Transparenz in den Preisen zu beobachten. Da die Wertschöpfung der Banken in der Ver-

gangenheit auf Basis von Retrozessionen stark von sogenannten versteckten Gebühren geprägt

war, hat gerade diese Veränderung einen starken Einfluss auf das Geschäftsmodell und die ent-

sprechenden Preismodelle (Beeler, Interview, 10.06.2016 & Ulrich, Interview, 10.06.2016).

Der andere Bereich in Bezug auf die Marktkräfte, der sich im Rahmen der Analyse als entschei-

dend herauskristallisierte, umfasst die stagnierenden Ertragspotenziale. Einerseits wurde in die-

sem Zusammenhang argumentiert, dass der Retail Banking-Markt in der Schweiz stark gesättigt

und die Steigerung der Erträge grundsätzlich nicht über das Volumen möglich sei (Ulrich, Inter-

view, . Auf der anderen Seite kommt das Tiefzinsumfeld hinzu, was auch die Generierung von Er-

trägen über das bedeutende Zinsdifferenzgeschäft zunehmend erschwert. Als dritte Herausforde-

rung wurden auch die rückläufigen Transaktionsvolumina genannt. Diese seien gemäss Locher

(Interview, 09.06.2016) hauptsächlich auf das Misstrauen der Kunden gegenüber den Märkten zu-

rückzuführen und werden auch künftig eine grosse Herausforderung für das Retail Banking dar-

stellen. Diese veränderten Rahmenbedingungen führen dazu, dass die Banken zunehmend mit

einem massiven Kostendruck konfrontiert sind.

Zusammenfassung: Der typische Retail Banking-Kunde ist heute besser informiert, da er die

technologischen Möglichkeiten zum digitalen Produktevergleich zunehmend nutzt. In diesem Zu-

sammenhang hat der Kunde im Zuge der Finanzkrise einen höheren Anspruch auf Transparenz in

der Preisgestaltung und auf Serviceleistungen. Hinzu kommt der Wunsch nach Einfachheit und

Convenience in der Abdeckung und der Gestaltung der verschiedenen Kanäle. Auf der anderen

Seite sind die Marktkräfte stark betroffen von den stagnierenden Ertragspotenzialen. Dies ist auf

die Sättigung des Marktes, das Tiefzinsumfeld sowie das rückläufige Transaktionsvolumen zurück-

zuführen.

4.1.4 Branchenkräfte

Bedingt durch die hohe Dynamik im Markt werden zukünftig deutliche Veränderungen in den Bran-

chenstrukturen im Retail Banking erwartet. Diese Dynamik wird einerseits durch einen erhöhten

Page 82: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 73

Wettbewerb unter den Schweizer Retail Banken selber und andererseits durch die neueintreten-

den Wettbewerber angetrieben.

Die Experten sprechen bezüglich dieses verstärkten Branchenwettbewerbs unter den Banken von

einem Verdrängungskampf. In einem gesättigten Markt mit rückläufigen Margen und einem aus-

tauschbaren Produktangebot werde stark um die Kunden gekämpft. Zudem sei der Wettbewerbs-

druck in den letzten Jahren gestiegen, weil gerade die Grossbanken im Zuge ihrer Neuausrichtun-

gen das Inland bzw. das Schweizer Geschäft für sich neu entdeckt haben und Trägerbanken wie

eine Raiffeisenbank oder eine Kantonalbank stärker angreifen (Scherrer, Interview, 07.06.2016).

Eine fast noch einflussreichere Kraft in der Branche besitzen die Neueinsteiger. Während im Retail

Banking der Konkurrenzkampf in der Vergangenheit meist ausschliesslich in den eigenen Reihen

stattgefunden hat und die direkten Mitbewerber bekannt waren, zeichnet sich heute in einer digita-

len Welt die Tendenz ab, dass zunehmend gegen neue, unbekannte Wettbewerber aus dem Inter-

net (sog. FinTechs) standgehalten werden muss. Diese nutzen die Vorteile der Digitalisierung, um

bestehende Arten von Finanzdienstleistungen in einer neuen Form und mit einem spürbar höheren

Kundennutzen anzubieten. Sie differenzieren sich in den meisten Fällen durch eine hohe Benut-

zerfreundlichkeit und einen hohen Bedienkomfort und ermöglichen es, Kundenbedürfnisse inner-

halb kürzester Zeit zu befriedigen, was unter anderem aus dem Interview mit Kauer (Interview,

06.06.2016) hervorging.

Die neuen Player aus dem FinTech-Bereich haben gegenüber bestehenden Banken einige Vortei-

le; beispielsweise weniger regulatorische Vorschriften (Wenger, Interview, 07.06.2016) und weni-

ger komplexe Legacy-Systeme, deren Pflege und Wartung viel Geld kostet (Thomet, Interview,

06.06.2016). Sie können sich weiter ausschliesslich auf die Entwicklung spezialisierter Lösungen

konzentrieren, um ein einziges Produkt oder eine einzige Dienstleistung benutzerfreundlicher zu

gestalten (Kauer, Interview, 06.06.2016). Es müssen zwei Arten von Neueinsteigern unterschieden

werden: Unternehmen aus der Start-up-Szene und grosse Technologiekonzerne. Im Kontext klei-

nerer FinTech-Unternehmen aus dem Start-up-Bereich sehen die Experten keine grosse unmittel-

bare Gefahr für das bestehende Geschäftsmodell. Dies sei darauf zurückzuführen, dass diesen

Unternehmen die nötige Reputation und die kritische Grösse fehle, um den etablierten Banken im

grossen Stil Marktanteile strittig zu machen. Dennoch müsse man diese Unternehmen ernst neh-

men und deren Entwicklungen im Blick behalten (Thomet, Interview, 06.06.2016).

Als wesentlich grössere Herausforderung betrachten die Experten die Gefahr, die von den grossen

Internetkonzernen ausgeht. Diese versuchen im Moment vermehrt, den Bankenmarkt

zu erschliessen, um Zugriff auf Kundendaten zu gewinnen (Ulrich, Interview, 10.06.2016).

Verschiedene grosse solcher Technologiekonzerne seien bereits im Besitz einer Banklizenz und

können in den kommenden Jahren durch konsequente Nutzung der Kundeninformationen passge-

naue Angebote für die individuellen Kundenbedürfnisse schaffen (Kauer, Interview, 06.06.2016).

Die Banken sorgen sich in diesem Zusammenhang insbesondere um die Gefahr, immer mehr von

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 74

der Datenbasis und der Kundenschnittstelle abgeschnitten zu werden (Locher, Interview

09.06.2016). Im Vergleich zu den neu gestarteten FinTech-Unternehmen, die den Kundenstamm

erst aufbauen müssen, starten die grossen Internetkonzerne bereits mit einer enormen Menge an

Kundeninformationen und einem erheblichen, vorhandenen Nutzerstamm. Daher ist es sehr wahr-

scheinlich, dass sie die notwendige Anzahl Nutzer und damit die kritische Grösse ohne Probleme

erreichen werden und klassische Retail Banken in den Hintergrund drängen könnten (Wenger,

Interview, 06.06.2016). Ähnlich sieht das auch Beeler (Interview, 10.06.2016):

„Technologiegiganten haben eben auch Kunden, meistens noch mehr als die Banken. Apple, Google, Amazon, wenn man die beobachtet, [...] sie haben bereits eine hohe Marktpenetration, [...] Technologie [...] und Daten [...]. Ich glaube, das sind so die spannenden Themen“

Zusammenfassung: Im Rahmen der Analyse der wichtigsten Kräfte in der Branche wurde der

Wettbewerb unter den Banken sowie der Druck von Seiten der Neueinsteiger genannt. Der Druck

innerhalb der eigenen Reihen führe zu einem zunehmenden Verdrängungskampf unter den Ban-

ken und werde zudem zusätzlich geschürt durch die Grossbanken, die gerade im Retail-Bereich

verstärkt in der Schweiz wachsen wollen. Bei den Neueinsteigern geht die grösste Gefahr von den

grossen Technologiekonzernen aus. Diese versuchen, mit aller Macht in den Bankenmarkt einzu-

steigen. Ihnen wird zudem aufgrund ihrer Grösse, den finanziellen Ressourcen und des bereits

vorhandenen Kundenstammes das Potenzial attestiert, den Etablierten Marktanteile strittig zu ma-

chen.

4.1.5 Zusammenfassung

Die Schweizer Retail Banking Branche bewegt sich in einem sehr herausfordernden Umfeld mit

verschiedenen Einflüssen im Bereich der Markt- und Branchenkräfte sowie aufgrund verschiedene

Schlüsseltrends. Die verschiedenen relevanten Einflüsse werden zu Veranschaulichungszwecken

mit der folgenden Abbildung 25 zusammengefasst. Dabei ist zu erwähnen, dass sich die einzelnen

Trends auch gegenseitig beeinflussen.

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 75

Abbildung 25: Grafische Zusammenfassung der Umweltanalyse Quelle: Eigene Darstellung

Im Rahmen der eingehenden Analyse zum gegenwertigen Umfeld des Geschäftsmodells von

Schweizerischen Retail Banken konnten verschiedene relevante Einflussfaktoren identifiziert wer-

den. Die Ausführungen verdeutlichen, dass der Wandel in seiner Gesamtheit Retail Banken stärker

fordert, als dass sie darauf mit graduellen Anpassungen des Geschäftsmodells oder der Durchfüh-

rung einiger Kostenreduktionsprogramme reagieren könnten. Die beschriebenen Veränderungen

weisen eine zu hohe Dynamik und gegenseitige Wechselwirkungen auf. In solchen anspruchsvol-

len Zeiten braucht es innovative und neuartige Denkansätze, die das Geschäftsmodell in seiner

Gesamtheit berücksichtigen und einen Weg in eine vielversprechende Zukunft aufzeigen.

In diesem Kontext wird im nachkommenden Kapitel das momentane Geschäftsmodell analysiert

und bereits stattgefundenen Transformationen herausgearbeitet.

- Branchenkräfte- - Marktkräfte -

- Schlüsseltrends-

Kundenverhalten !  Verschmelzung der Offline- und Online-

Kanalnutzung !  Streben nach Einfachheit und Convenience !  Forderung nach Transparenz

Sinkende Ertragspotenziale !  Stark gesättigter Markt !  Umfeld geprägt von tiefen Zinsen !  Rückläufiges Transaktionsvolumen !  Kunden misstrauen den Märkten

Digitalisierung

!  Starke Zunahme der mobilen Vernetzung !  Enabler-Funktion für Effektivitäts- und

Effizienzverbesserungen !  Bessere Verfügbarkeit von Kundendaten

Regulierung

!  Verbunden mit hohen Umsetzungskosten und hoher Komplexität

!  Bindet wichtige Ressourcen

Wettbewerbsdruck unter den Banken !  Verdrängungskampf unter den Banken !  Schweiz ist seit kurzem auch mehr im Fokus der

Grossbanken aufgrund strategischer Neuausrichtung

Wettbewerbsdruck durch Neueinsteiger !  Neue unbekannte FinTechs steigen zunehmend

in den Markt ein !  Zunehmender Druck durch Einstieg von

branchenfremden Grosskonzernen

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 76

4.2 Aktuelles Geschäftsmodell In dieser zweiten Phase des Research-Frameworks geht es darum, das aktuelle Geschäftsmodell

zu analysieren und mögliche Veränderungen seit Ausbruch der Finanzkrise herauszuarbeiten. Die

nachkommenden Ausführungen sollen die Erreichung des zweiten Forschungsziels sicherstellen:

2. Forschungsziele

Analyse des aktuellen generischen Geschäftsmodells der Schweizer Retail Banking-Branche

und Darlegung des stattgefundenen Transformationsprozesses seit Ausbruch der Finanzkrise.

In diesem Sinne wird auf den in Kapitel 2.1.3 entwickelten konzeptionellen Bezugsrahmen zurück-

gegriffen, der die relevanten Aspekte des Geschäftsmodells sowie dessen Wechselwirkungen

kompakt und übersichtlich strukturiert. Zu Beginn werden die einzelnen Komponenten beschrieben

und darauf aufbauend mögliche Geschäftsmodellmuster skizziert.

4.2.1 Kundensegment

Im Rahmen der Komponente Kundensegment werden die verschiedenen Gruppen von Personen

definiert, die eine Organisation erreichen und bedienen will (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 24).

Wie in der Definition zum Retail Banking festgehalten, gehören grundsätzlich Kunden bis zu einem

Anlagevermögen von CHF 1 Mio. zu der im Fokus stehenden Segmentierung.

Kundensegmente sollten Bedürfnisse und Verhalte bündeln, die ein individuelles Angebot erfor-

dern. Gemäss den Erkenntnissen aus den Interviews werde die Segmentierung im Retail Banking

zu diesem Zweck immer noch stark durch das Vermögen getrieben, welches ein Kunde bei der

Bank hat. Auf Basis dieser Vermögenswerte werde der Individualisierungsgrad des entsprechen-

den Kundenservices definiert – je mehr Vermögen ein Kunde hat, desto individueller wird der Ser-

vice. Diese Segmentierungsmethodik wird eigentlich von allen untersuchten Unternehmen ange-

wendet. Exemplarisch für diese Segmentierung nachfolgend das Zitat von Beeler (Interview,

10.06.2016):

„Wir teilen private Kunden eigentlich in drei Segmente auf: Private Kunden bis CHF 100.000 Kundenvermögen, die werden direkt betreut durch das Direct Banking, haben meistens keine grossen Anlagebedürfnisse und halten ihr Vermögen hauptsächlich in Cash. Dann vermögen-de Privatkunden von CHF 100.000 bis 500.000, die einen persönlichen Kundenberater haben. Das können auch Personen sein, die eine Hypothek besitzen. Daneben gibt es noch das Pri-vate Banking, welches ab einem Kundenvermögen ab CHF 500.000 beginnt.“

Allerdings haben die Interviews gezeigt, dass die unterschiedlichen Kundengruppen unterschiedli-

che Bedürfnisse aufweisen und die bisherigen Segmentierungsstrategien, die lediglich auf Vermö-

gen basieren, den aktuellen Ansprüchen kaum noch gerecht werden. Als Beispiel gehen die Aus-

führungen von Wille (Interview, 02.06.2016) in diese Richtung, in denen er argumentiert, dass die

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 77

aktuelle Methodik eine total retrospektive Allokation sei und die klassische Segmentierung im

Retail Banking im Laufe der Zeit verschwinden werde. Auch Beeler (Interview, 10.06.2016) ver-

weist darauf, dass die Segmentierung nach dem Kundenvermögen ein kläglicher Versuch sei, die

Kundenbedürfnisse zu clustern.

Zusammenfassung: In der Folge kann festgehalten werden, dass die aktuelle Segmentierungs-

strategie primär auf dem Kundenvermögen basiert und sich seit Ausbruch der Finanzkrise in die-

sem Bereich des Geschäftsmodells keine Veränderungen zugetragen haben. Es zeigt sich aller-

dings auch, dass die Segmentierung der Kunden nach heutigen Kriterien ausgedient hat.

4.2.2 Wertangebot

In der Auseinandersetzung mit einem Wertangebot geht es darum, das Paket an Produkten und

Dienstleistungen zu beschreiben, das für die Kunden Wert generiert (Osterwalder & Pigneur, 2011,

S. 26).

Zum relevantesten Wertangebot einer Retail-Bank gehören nach wie vor die in Kapitel 2.2.4 vor-

gestellten Bankdienstleistungen: Zahlungsverkehr, Anlageprodukte, Finanzierungen, Spar- und

Privatkonto und selbstverständlich die damit verbundene Beratung.

Im Rahmen der Untersuchung hat sich allerdings (1.) gezeigt, dass eine Differenzierung über die

Produkte nur sehr schwer möglich ist. Dies hängt damit zusammen, dass die Kunden keine diffe-

renzierten Produkte nachfragen. Produkte im Retail-Segment sind immer Standardprodukte, ent-

scheidend ist daher die Frage, wie diese kombiniert und angeboten werden können (SBVg, 2014,

S. 28). Vor diesem Hintergrund sind die Befragten der Ansicht, dass es seit einigen Jahren ein

Trend sei, Standarddienstleistungen, wie beispielsweise Kontoführung, Karten, Zahlungsverkehr,

etc., in sogenannten Service-Paketen zu bündeln (Kauer, Interview, 06.06.2016). Die Bündelung

der verschiedenen Dienstleistungen führe dazu, dass sich die Kunden stärker mit dem Angebot

identifizieren und die Kundenbindung dadurch ebenfalls erhöht werden könne. Die erhöhte Loyali-

tät führe im Idealfall durch Up-Selling wiederum zu einer Profitabilitätssteigerung, da es den Kun-

den animiert, mehr vom gesamten Angebot eines Providers in Anspruch zu nehmen und in diesem

Kontext auch den Share-of-Wallet zu erhöhen (Locher, Interview, 09.06.2016).

Zudem kann (2.) auf Basis der Befragung festgehalten werden, dass es auch im Bereich der Anla-

geberatung zu einer Veränderung gekommen ist. So haben Banken mittlerweile begonnen, für die

Erbringung von Beratung eine Gebühr zu verlangen. Damit wird einerseits dem Kundenwunsch

nach neutraler, objektiver und individueller Beratung sowie andererseits den verschiedenen regula-

torischen Anforderungen Rechnung getragen. Der Trend geht dahin, dass Kunden, je nach Bera-

tungs- und Betreuungsbedarf, zwischen verschiedenen Beratungspaketen wählen können, welche

eine unterschiedliche Anzahl von Beratungsgesprächen und Transaktionen enthalten (Ulrich, In-

terview, 10.06.2016).

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 78

Als zusätzliche Veränderungstendenz im Rahmen des Wertangebots kann (3.) festgehalten wer-

den, dass sich Banken im Zuge der veränderten Kundenbedürfnisse und der zunehmenden Digita-

lisierung mehr Gedanken zur innovativen Weiterentwicklung ihrer Services machen. In Kapitel

2.2.4 wurden einige Innovationen in Bezug auf die einzelnen Produkte vorgestellt. Das Streben

danach, das eigene Wertangebot mithilfe von innovativen Erneuerungen zu verbessern, wurde

auch durch die Interviews bestätigt (Kauer, Interview, 06.06.2016 und Wenger, Interview,

07.06.2016). Dies basiert einerseits auf dem Wunsch, die Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen

und andererseits, sich gegen mögliche Neueinsteiger, sogenannte FinTechs, zu wappnen (Scher-

rer, Interview, 08.06.2016).

Zusammenfassung: Die Analyse des Wertangebotes Schweizerischer Retail-Banken hat gezeigt,

dass die primären Dienstleistungen gleich geblieben sind. Seit Ausbruch der Finanzkrise und den

damit verbundenen Veränderungen zeigen sich aber drei Bereiche, die sich bezüglich des Wert-

angebotes in einem Transformationsprozess befinden.

§ Lancierung von Service-Paketen: Bündelung von verschiedenen Basisdienstleistungen

zum Pauschalpreis

§ Einführung von Beratungspaketen: Bepreisung der Beratungsdienstleistung in Abhängigkeit

der Beratungsintensität

§ Erhöhung der Innovationsbemühungen im Bereich der Retail-Produkte

4.2.3 Kanäle und Kundenbeziehung

Die beiden Bausteine Kanäle und Kundenbeziehung werden aufgrund ihres starken Zusammen-

hangs gemeinsam analysiert. Beim Bereich Kanäle wird untersucht, wie Retail Banken ihre Kun-

den erreichen und wie sie angesprochen werden, um das Wertangebot zu vermitteln. Die Kompo-

nente Kundenbeziehung hingegen beschreibt die Art der Beziehung, die eine Retail-Bank mit den

Kunden pflegt (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 30 f.).

Grundsätzlich wird im traditionellen Retail-Bereich zwischen den folgenden Kanälen unterschie-

den: Mobil, Online, Bankautomat, Filiale und Callcenter. Die strategische Relevanz dieser zwei

Komponenten des Geschäftsmodells kann mithilfe eines Zitates von Wille (Interview, 02.06.2016)

belegt werden:

„Wenn man nicht richtig reagiert, gerade im Bereich Kundenbeziehungen und Kanäle, wenn man das nicht im Griff hat, dann ist das traditionelle Geschäftsmodell mittel- bis langfristig at risk.“

Eine Vielzahl von Gründen, beispielsweise neue Wettbewerber, neue und gestiegene Kundenan-

forderungen oder die fortschreitende Digitalisierung, haben dazu geführt, dass sich das Nutzen-

verhalten der Kunden innerhalb der einzelnen Kanäle nachhaltig verändert hat (Wenger, Interview,

07.06.2016). Es zeigt sich eine zunehmende Verlagerung von analogen, vom Personenkontakt

geprägten Kanälen hin zu digitalen Kanälen. Gerade die transaktional geprägten Bereiche verla-

gern sich immer mehr auf die digitalen Kanäle (Thomet, Interview, 06.06.2016). Viele Banken ha-

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 79

ben in den letzten Jahren ihre Multikanalstrategie weiterentwickelt und neue, insbesondere digitale

Kanäle aufgebaut und damit einhergehend neue Vertriebskanäle ermöglicht. Allerdings wurde das

Potential der Kanalabstimmung und damit der Integration der einzelnen Kanäle noch nicht voll

ausgeschöpft. Als Hauptursache dafür werden veraltete IT- und Legacy-Systeme im genannt

(Wenger, Interview, 07.06.2016).

In Bezug auf die Kundenbeziehung weist Thomet (Interview, 06.06.2016) darauf hin, dass das

Kerngeschäft der Bank die Erbringung von Dienstleistungen sei. Und dass es für den Erfolg in die-

sem Bereich unabdingbar sei, einen ausgezeichneten Service zu bieten, der insbesondere auf

Kundenbeziehungen basiert. Dieser Aspekt sei gerade nach Ausbruch der Finanzkrise und den

damit verbundenen verschiedenen Herausforderungen teilweise ein wenig aus dem Fokus gera-

ten. Allerdings könne seit einigen Jahren eine Intensivierung der Bemühungen festgestellt werden,

die darauf abzielt, die Kundenbeziehung zu verbessern. Ein in diesem Zusammenhang genannter

Bereich umfasst die Service- und Beratungspakete, da diese mit einer enormen Erhöhung der

Convenience verbunden seien. Ein weiterer Aspekt, der auf die Verbesserung der Kundenbezie-

hung abzielt, sei die steigende Anzahl von Loyalitätsprogrammen (Locher, Interview, 09.06.2016

und Ulrich, Interview, 10.06.2016).

Zusammenfassung: Kanäle und Kundenbeziehung gehören zu den wichtigsten Komponenten im

aktuellen Geschäftsmodell. Banken haben in den letzten Jahren insbesondere ihre digitalen Kanä-

le massiv ausgebaut und teilweise auch aufgewertet. Damit einhergehend konnte auch der Ver-

triebsapparat erweitert werden. Allerdings stellt die Integration der einzelnen Kanäle noch ein

Problem für die meisten Retail Banken dar. Die Beziehung zum Kunden hat zudem in den letzten

Jahren an Relevanz gewonnen. Durch verschiedene Initiativen und Massnahmen wird zunehmend

versucht, die Beziehung zum Kunden und den Share-of-Wallet zu verbessern.

4.2.4 Einnahmequellen

Das folgende Unterkapitel befasst sich mit dem Baustein Einnahmequellen und untersucht die Ein-

künfte, die sich aus dem aktuellen Geschäft ergeben (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 34).

Die Bruttoerträge im Privatkundengeschäft umfassen, wie bereits in Kapitel 2.2.4 erwähnt, das

Zinsdifferenzgeschäft, das Transaktionsgeschäft sowie das Wertschriftengeschäft. Auch Wille (In-

terview, 02.06.2016) weist darauf hin, dass Schweizer Retail Banken ihre Erträge immer noch und

in erster Linie durch das Zinsdifferenzgeschäft erwirtschaften. Man könne noch so viele digitale

Plattformen und neue Kundenkanäle kreieren: Bis man damit im Vergleich zum Zinsdifferenzge-

schäft einen substanziellen Beitrag aus diesen neuen Tätigkeiten generieren könne, dauere es

noch Jahrzehnte. Er weist zudem darauf hin, dass man durch die Entwicklung neuer Technologien

nicht primär einen Ertrag auf der Profitseite generieren wolle, sondern es im Wesentlichen darum

gehe, einen Benefit für den Kunden sicherzustellen. Natürlich erhoffe man sich durch die damit

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 80

verbundene gesteigerte Kundenzufriedenheit einen Einfluss auf die traditionellen Einnahmequel-

len. Dies stehe aber nicht im Vordergrund (Wille, Interview, 02.06.2016)

Im Bereich der Einnahmequellen gilt es, drei entscheidende Veränderungen hervorzuheben, die in

den letzten Jahren stattgefunden haben. Es handelt sich dabei um die Verbesserung der Multika-

nalstrategie sowie die angesprochene Zunahme an Service- und Beratungspaketen, die mit einer

entsprechenden Gebühr verbunden sind.

Währenddem Retail Banken früher mit den Guthaben der Kunden mittels Zinsdifferenzgeschäft

Geld verdienen konnten, sind sie nun wegen des tiefen Zinsniveaus vermehrt auf Gebührenein-

nahmen angewiesen. Die Bündelung von Basisdienstleistungen in Form eines Service-Paketes

setzt genau dort an: Sie ermöglicht der Bank regelmässige, wiederkehrende Gebühreneinnahmen.

Mit dieser Massnahme werden gemäss Locher (Interview, 09.06.2016) neu nicht mehr die einzel-

nen Dienstleistungen und Transaktionen bepreist, sondern die damit verbundene Convenience zu

einem Pauschalpreis in Rechnung gestellt.

Der zweite relevante Trend im Kontext der Einnahmequellen ist auf die Einnahmen aus dem Anla-

gegeschäft und das Aufkommen von Beratungspaketen zurückzuführen. Bisherige Pricing-Modelle

bestanden bis anhin mehrheitlich einzeln aus der Depotgebühr, aus Courtagen, Kommissionen

und Retrozessionen sowie aus zusätzlichen Dienstleistungen. Somit wurde die Beratung bis anhin

durch die Querfinanzierung über den Provisionsertrag aus dem Produktverkauf subventioniert.

Damit bestand allerdings die Gefahr, dass ein Bankberater in den Interessenskonflikt zwischen

eigentlichem Bedarf des Kunden und erwartetem persönlichen oder banknotwendigen Ertrag

kommt (Beeler, Interview, 10.06.2016). Damit könne einerseits auf die standardisierten Prozesse

und andererseits auf das erhöhte Verlangen nach Transparenz sowie das Preisbewusstsein der

Kunden reagiert werden (Locher, Interview, 09.06.2016). Auch die in den nächsten Jahren umge-

setzten Regulierungen, allen voran Fidleg, machen diesen neuen Pricing-Ansatz notwendig

(Wenger, Interview, 07.06.2016). Die neuen Beratungspakete ermöglichen es den Banken gemäss

Beeler (Interview, 10.06.2016), wegfallende Erlöse aus den Retrozessionen durch neue wieder-

kehrende Gebühren zu kompensieren. Ein weiterer wichtiger Faktor dieser Pakete sei zudem die

Glättung der Ertragsströme, da die Gebühren auch in schlechten konjunkturellen Phasen eingehen

dürften (Ulrich, Interview, 10.06.2016).

Zudem dürfte auch die Verbesserung der Vertriebskanäle einen positiven Einfluss auf die Einnah-

mesituation haben. Durch die Verbesserung der Multikanalstrategie können demnach die Produkte

besser vertrieben werden, was mit zusätzlichen Einnahmen verbunden sein dürfte (Thomet, Inter-

view, 06.06.2016).

Zusammenfassung: Die Banken sind bestrebt, dem widrigen Umfeld mit zielführenden, ertrags-

steigernden Massnahmen entgegenzuwirken. Es wird darauf abgezielt, mit Hilfe von Service- und

Beratungspaketen sowie einem verbesserten Vertriebsapparat die Einnahmen nachhaltig zu ver-

bessern und damit die Profitabilität zu wahren.

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 81

4.2.5 Schlüsselressourcen

4.2.6 Schlüsselressourcen

Bei den Schlüsselressourcen handelt es sich um die wichtigsten Wirtschaftsgüter, die für das

Funktionieren eines Geschäftsmodells notwendig sind. (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 38).

Im Kontext einer Retail-Bank können die wichtigsten Ressourcen in drei Bereiche unterteilt wer-

den: physische, digitale und menschliche Wirtschaftsgüter. Bei den physischen handelt es sich

primär um das Filialnetz und die sonstigen Gebäude, die für die Erbringung des Wertangebotes

von Bedeutung sind. Unter den digitalen wird neben den Online-Banking-Systemen auch die inter-

ne IT-Infrastruktur zusammengefasst. Unter den menschlichen Ressourcen versteht man traditio-

nell die Angestellten, die gerade in Dienstleistungsbranchen grosse Relevanz besitzen. Im Rah-

men der Interviewauswertung hat sich gezeigt, dass alle drei Bereiche aufgrund des anspruchsvol-

len Umfeldes grossen Veränderungsprozessen ausgesetzt sind.

Die Bankfilialen als wichtigste physische Ressource einer Retail-Bank geniesst nach wie vor einen

hohen Stellenwert und wird immer noch als ein durchaus relevanter Distributions- und Vertriebs-

weg betrachtet (Ulrich, Interview, 10.06.2016). Dieser Ansicht ist auch Scherrer (Interview,

08.06.2016), der im Rahmen des Interviews meinte:

„Ich glaube aber, der persönliche Kontakt mit dem Kunden bleibt weiterhin sehr wichtig. Quasi die Filiale der Zukunft, sagt man ja, die halt nur gewisse Dienstleistungen anbietet, wo der Kunde vielleicht noch selber gewisse Tätigkeiten vornimmt oder sich selber zurecht findet, aber der per-sönliche Kontakt, der bleibt mit Sicherheit die nächsten 20 Jahre enorm wichtig.“

Dieses Zitat zeigt aber auch, dass das heutige Konzept einer Filiale ausgedient hat. Demnach

braucht es neue Ideen, um die Bankfiliale aufzuwerten und den Bedürfnissen der Kundschaft an-

zupassen. Eine Tendenz dahingehend, neue innovative Filialkonzepte zu testen, sei zu erkennen,

allerdings nur im ganz kleinen Rahmen (Ulrich, Interview, 10.06.2016). Trotz dieser Bemühungen

und den Ansichten, dass die Bankfiliale auch langfristig Bedeutung hat, sind sich die Experten ei-

nig, dass es in den kommenden Jahren zu einem massiven Abbau an nicht ausreichend frequen-

tierten Filialen kommt.

Gerade in Zeiten von sinkenden Margen und dem Bedarf an Kostensenkungen, sei der hohe

Fixkostenanteil, der mit einer physischen Präsenz einhergeht, stets auf den Prüfstand zu stellen

und wenn möglich zu reduzieren.

In Bezug auf die digitalen Ressourcen und Prozesse an der Schnittstelle zum Kunden wurde fest-

gestellt, dass diese im Zuge der Digitalisierung enorm ausgebaut wurden. Dies einerseits, um den

gestiegenen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, und andererseits, um den Neueinsteigern im

Direct Banking-Bereich nicht das Feld überlassen zu müssen (Kauer, Interview, 06.06.2016). Al-

lerdings berge die teilweise hohe Komplexität in der IT-Struktur, die sich viele Institute im Zuge von

Akquisitionen aufgeladen haben, den Nachteil, dass Verbesserungen im digitalen Bereich nur sehr

aufwendig zu realisieren seien (Thomet, Interview, 06.06.2016). Trotz der hohen Entwicklungskos-

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 82

ten, die insbesondere auf die IT zurückzuführen seien, kann dem Trend von zunehmenden digita-

len Ressourcen der Effekt zugeschrieben werden, dass dadurch einerseits mehr Aktivitäten zum

Kunden ausgelagert und andererseits auch der Kostenanteil der physischen Ressourcen gesenkt

werden können. Dies wiederum hat einen wichtigen, positiven Effekt auf die Kostenstruktur einer

Retail-Bank.

Auch die menschliche Ressource ist seit Ausbruch der Finanzkrise im Kontext des anspruchsvol-

len Umfeldes Veränderungen ausgesetzt. Einerseits wurde festgehalten, dass der allgemeine Per-

sonalbestand im Zuge von Abbauprogrammen eigentlich bei allen Banken zurückgegangen sei.

Dabei seien weniger die Mitarbeiter an der Front betroffen gewesen, als diejenigen, die im Backo-

ffice arbeiten. Auf der anderen Seite sei auch eine Transformation dahingehend festzustellen, dass

die Angestellten einer Bank, gerade diejenigen an der Schnittstelle zum Kunden, einen erhöhten

Know-how-Anspruch erfüllen müssen. Dafür seien insbesondere erhöhte Kundenbedürfnisse so-

wie die Veränderungen im Rahmen der Regulierungen und der zunehmenden Digitalisierung ver-

antwortlich (Beeler, Interview, 10.06.2016 & Wille, Interview, 02.06.2016). Der erhöhte Anspruch

an die Mitarbeiter hob auch Scherrer (Interview, 08.06.2016) heraus:

„Was man generell sagen kann ist, dass die Anforderungen immer höher werden. Es ist alles komplexer, es geht alles viel schneller. Das ist sicher auch zum Teil auf die Digitalisierung zu-rückzuführen. Das hat sicher auch einen gewissen Impact auf die Dauer, wie lange ein Mitarbei-ter in einer Firma ist.“

Zusammenfassung: Die Ausführungen zu den Schlüsselressourcen haben gezeigt, dass alle Ar-

ten von Wirtschaftsgütern seit Ausbruch der Finanzkrise und dem damit einhergehenden veränder-

ten Umfeld stark von Veränderungen betroffen sind. Dieser Transformationsprozess fokussiert sich

auf die Reduktion der Kosten, das Erfüllen der gestiegenen Kundenansprüche im Zuge der Digita-

lisierung sowie die Einhaltung aller Regulierungsvorschriften.

4.2.7 Schlüsselaktivitäten

Die Schlüsselaktivitäten beschreiben die relevantesten Tätigkeiten, die ein Unternehmen ausfüh-

ren muss, damit das Geschäftsmodell funktionieren kann (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 40).

Die Gespräche mit den Experten haben gezeigt, dass die Schlüsselaktivitäten einer Retail-Bank

primär in zwei Bereiche unterteilt werden können: Beratung und Vertrieb sowie Backoffice und

Transaktionen.

Bei der Aktivität Beratung und Vertrieb zeigt sich, dass gerade der Vertrieb von komplexen Fi-

nanzdienstleistungen, wie beispielsweise eine Finanzierung oder ein Anlagegespräch, heute pri-

mär über den persönlichen Kontakt stattfindet. Kunden schätzen nach wie vor die persönliche Be-

ratung und die Möglichkeit, ihre Einschätzungen im Beratungsgespräch zu validieren. Bei einfa-

cheren und eher standardisierten Dienstleistungen, geht der Trend dahin, dass der Kunde diese

meistens online abschliesst (Wille, Interview, 02.06.2016). Daher ist auch der Ausbau der digitalen

Ressourcen an der Schnittstelle zum Kunden, wie vorhin beschrieben, eine wichtige Entwicklung.

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 83

Vor diesem Hintergrund ist auch die Ausdehnung der bereits beschriebenen Multikanalstrategie

ein wichtiger Erfolgsfaktor in diesem Bereich. Allerdings sei dieser Parallelvertrieb über mehrere

Vertriebskanäle noch kein echter zielführender Multikanalvertrieb, da dieser erst vorliege, wenn die

traditionellen Offline-Kanäle mit den digitalen Kanälen kombiniert werden (Thomet, Interview,

02.02.2016). Zudem sei die Entwicklung von neuen Vertriebskanälen immer auch mit hohen Kos-

ten verbunden, was auch im folgenden Zitat von Wenger (Interview, 07.06.2016) zum Ausdruck

kommt:

„Das Multikanalzeug, das wir eigentlich gleich viele Kundenbeziehungen auf immer mehr Kanälen verteilen, macht die Marge ziemlich nachhaltig kaputt. Ich glaube, da muss man aufpassen.“

In Bezug auf den Vertrieb ist speziell die persönliche Beratung von verschiedenen Veränderungen

betroffen. Auf der einen Seite muss ein Kundenberater den gestiegenen Anforderungen aufgrund

der Regulierungsanforderungen gerecht werden und auf der anderen Seite sieht er sich mit neuen

Kundenbedürfnissen konfrontiert. Daher gehe der Trend dahin, dass man versuche, den Bera-

tungsprozess den Möglichkeiten der digitalen Kommunikation, unter gleichzeitiger Beachtung

sämtlicher Regulierungsvorschriften, optimal anzupassen (Beeler, Interview, 10.06.2016). Dies sei

ein Spagat, der nur sehr schwer zu bewerkstelligen sei, da diese neue Art von Beratung mit einem

erhöhten Anspruch an Know-how einhergehe (Wille, Interview, 10.06.2016).

Beim Themenkomplex Backoffice und Transaktionen, wo es darum geht, die nötigen internen Pro-

zesse, aber auch die Kundentransaktionen sicherzustellen, können zwei vordergründige Verände-

rungen festgestellt werden. Aufgrund des Kostendrucks werden Wertschöpfungsschritte zuneh-

mend zu Partnern ausgelagert. Die bevorzugten Bereiche sind dabei die IT-Infrastruktur, der Zah-

lungsverkehr sowie die Wertschriftenabwicklung. Dabei werden vermehrt auch Partnerschaften mit

grossen Konzernen, FinTechs, aber auch mit anderen Banken eingegangen. Dies hat teilweise,

wenn auch nur beschränkt, dazu geführt, dass die Banken ihre Fertigungstiefe verringerten, um die

Flexibilität zu erhöhen. Als Zitat, das diese Entwicklung bestätigt, kann dasjenige von Wille (Inter-

view, 02.06.2016) herangezogen werden:

„Alle Bereiche, bei denen man sich nicht differenzieren kann, muss man prüfen, ob man diese Bereiche nicht rausgeben sollte. Wir haben heute faktisch alles draussen [...|. Auch den Zah-lungsverkehr haben wir zur Swisscom ausgelagert.“

Nicht nur Prozesse und Aufgaben werden an externe Partner ausgelagert. Immer häufiger werden

auch Prozesse zum Kunden ausgelagert, indem der Kunde heute mittels digitalen Kanälen fast all

seine Bankangelegenheit selbstständig erledigen kann. Dadurch können auf der einen Seite Kos-

ten reduziert werden, auf der anderen, viel bedeutenderen Seite, generiere die Auslagerung von

Aufgaben an den Kunden aber auch einen enormen Kundennutzen (Kauer, Interview, 06.06.2016).

Auch Thomet (Interview, 06.06.2016) vertritt diesen Standpunkt mit der folgenden Begründung:

Es ist ein Sourcing von Aufgaben, das ist richtig. Aber es gibt auch einen entsprechenden Nut-zen, für den Kunden. Beispielsweise indem ein E-Banking-Kunde seine Geschäfte 24x7 erledigen

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 84

kann [...]. Es gibt ein Involvement, es gibt ein Sourcing, und es gibt auch wieder Value Propositi-on zurück, weil es sonst nicht funktioniert.

Zusammenfassung: Zusammenfassend kann behauptet werden, dass sich die Schlüsselaktivitä-

ten nicht grundlegend, aber sicherlich in ihrer Ausprägung verändert haben. Demnach sind nach

wie vor der Vertrieb und die persönliche Beratung sowie das Backoffice und die Transaktionen

wichtige Aktivitäten einer Retail-Bank. Im Kontext des sich wandelnden Umfeldes hat sich sicher-

lich die Art und Weise des Produktevertriebs den Kundenanforderungen angepasst und mithilfe

der Möglichkeiten im Rahmen der Digitalisierung verbessert. Damit einhergehend hat sich auch die

Ausführung einer persönlichen Beratung verändert, was die Kundenberater vor neue Anforderun-

gen stellt. Daneben ist eine zunehmende Tendenz zur Auslagerung von Prozessen an externe

Unternehmen oder in Form von Aufgabenübertragung hin zum Kunden ersichtlich.

4.2.8 Schlüsselpartnerschaften

Die Strukturierungskomponente Schlüsselpartnerschaften beschreibt das Netzwerk von Lieferan-

ten und Partnern, die zum Gelingen des Geschäftsmodells beitragen (Osterwalder & Pigneur,

2011, S. 43).

Bei der Analyse der Entwicklung der Schlüsselpartnerschaften konnte eine interessante Tendenz

festgestellt werden: Die Experten sind sich in diesem Bereich einig, dass in den letzten Jahren ei-

ne vermehrte Zusammenarbeit in der Branche stattfindet. Die Notwendigkeit, in einem Netzwerk

von verschiedenen Partnern zu agieren, sei allerdings lange vernachlässigt worden. Die Banken

seien vor der Finanzkrise zu überheblich gewesen, um Kooperationen einzugehen und hatten das

Gefühl, der isolierte Fokus auf das eigene Unternehmen reiche aus, um erfolgreich zu sein. Auch

in den Jahren nach der Finanzkrise habe man zuerst nur für sich geschaut und versucht, alleine

aus der Krise zu kommen (Thomet, Interview, 06.06.2016 und Wille, Interview, 02.06.2016).

In den letzten Jahren hat sich das Blatt in der Branche aber gewendet und Partnerschaften sowie

Kooperationen haben an Bedeutung gewonnen. Gerade im Bereich des Outsourcings von Sup-

port-Prozessen arbeiten viele Banken mit externen Partnern zusammen. Zudem wird auch bei der

Entwicklung von Innovationen zunehmend mit externen Partnern zusammengearbeitet, um einer-

seits in dem jeweiligen Bereich Know-how aufzubauen und andererseits von deren Flexibilität zu

profitieren, die den Banken aufgrund der Legacy oft fehlt (Ulrich, Interview, 10.06.2016 und Beeler,

Interview, 10.06.2016). Auch die Kooperation unter den Banken kann als verbessert eingeschätzt

werden. Jüngstes Beispiel in diesem Kontext sei die Fusion von Paymit und Twint gewesen, im

Rahmen derer es zu einer Zusammenarbeit von verschiedenen Banken kam (Wenger, Interview,

07.06.2016).

Zusammenfassung: Seit einigen Jahren ist eine Zunahme an Kooperationen und Partnerschaften

im Retail Banking auszumachen. Betroffene Partner sind dabei oftmals externe Serviceprovider,

FineTechs oder sogar andere Banken. Dies führt dazu, dass einerseits Innovationen zielführend

Page 94: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 85

vorangetrieben und andererseits Effizienzsteigerungen, Kostenreduktionen sowie Wettbewerbsvor-

teile generiert werden. Für den nachhaltigen Erfolg Schweizer Retail Banken sei diese Tendenz

elementar.

4.2.9 Kostenstruktur

Die Kostenstruktur setzt sich mit den Kosten auseinander, die bei der Ausführung eines Ge-

schäftsmodells anfallen (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 44).

-Bank basieren auf den Sach- und Personalaufwendungen. Die Umsetzung der verschiedenen

regulatorischen Anforderungen verlangt von den Banken in sehr kurzer Zeit ressourcenintensive

Kraftakte. Dies hat zur Folge, dass die Sachkosten seit Ausbruch der Finanzkrise trotz verschiede-

ner Kosteneffizienzprogramme angestiegen sind. Insbesondere die interne, historisch gewachsene

IT-Landschaft ist den steigenden Ansprüchen, die mit der Umsetzung dieser Regulatoren verbun-

den sind, nicht mehr gewachsen und muss durchkostenintensive Massnahmen verbessert werden

(Locher, Interview, 09.06.2016 und Kauer, Interview, 06.06.2016). Dies hat zur Folge, dass wichti-

ge Neuerungen im Kontext des Geschäftsmodells trotz Transformationsbedarf nicht umgesetzt

werden können, da die Budgets für Projekte, die einen profitablen Ausbau des Geschäftsmodells

zur Folge hätten, auf Kosten von regulatorischen Projekten reduziert werden (Scherrer, Interview,

07.06.2016). Auf diese Diskrepanz der Allokation von finanziellen Mitteln hat auch Wenger (Inter-

view, 07.06.2016) im Interview hingewiesen:

„Das Problem der Branche ist, dass man eigentlich durch das starke regulatorische Framework und durch die extremen Mittel, die dadurch gebunden werden, die Fähigkeit verliert, sich schnell zu adaptieren. 1,5 Milliarden geben wir aus für "Too-big-to-fail" und etwa 100 Millionen für die Di-gitalisierung. Ist ein bisschen schade. Die Investitionen gehen nicht an den richtigen Ort.“

Vor diesem Hintergrund haben, wie bereits mehrfach erwähnt, verschiedene Kostenreduktionspro-

gramme stattgefunden (vgl. u. a. Kapitel 2.2.4), die darauf abzielen eine nachhaltige Profitabilität

zu erreichen. Die Massnahmen, um solche Kostenersparnisse zu bewerkstelligen, sind dabei viel-

zählig. Eine Entwicklung, die bereits angetönt wurde, ist das Auslagern von nicht geschäftskriti-

schen Prozessen an externe Provider oder die Intensivierung der Zusammenarbeit unter den Ban-

ken (Thomet, Interview, 06.06.2016). Zudem zielen verschiedene Massnahmen darauf ab, Prozes-

se mithilfe neuer Technologien zu standardisieren oder den Kunden durch die Auslagerung von

gewissen Aufgaben verstärkt in die Wertschöpfungskette miteinzubeziehen (Kauer, Interview,

06.06.2016). Daneben hat auch die Veränderung der Kanalnutzung und der damit einhergehenden

Entwicklung der Schlüsselressourcen einen positiven Effekt auf die Kostenstruktur, indem die kos-

tenintensiven Bankfilialen neuen kostengünstigeren, digitalen Lösungen gewichen sind. Die er-

wähnten Entwicklungen haben zudem auch einen direkten positiven Einfluss auf die Personalkos-

ten, die im Zuge des Veränderungsprozesses nachhaltig gesenkt werden konnten (Scherrer, Inter-

view, 08.06.2016).

Page 95: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 86

Zusammenfassung: Die Kostenstruktur der Retail Banken wird stark beeinflusst von externen

Veränderungen im regulatorischen Kontext, die hohe finanzielle Mittel binden. Dadurch muss

mithilfe von Kostensenkungsprogrammen versucht werden, die steigenden Kosten zu reduzieren,

damit man einerseits trotzdem noch profitabel aufgestellt ist und andererseits wichtige Trends auf-

grund fehlender finanzieller Kapazitäten nicht verpasst. Mithilfe der Digitalisierung und Auslage-

rung von Prozessen sowie einem effizienten Kostenmanagement wird versucht, dieser Entwick-

lung entgegenzuwirken.

4.2.10 Entwicklungskonzept

Das Entwicklungskonzept nach Biger und Reinhold (2011, S. 52 ff.) beschreibt die dynamischen

Aspekte eines Geschäftsmodells. Es definiert, wie ein Unternehmen die Schaffung von Wert im

Rahmen des bestehenden Geschäftsmodells quantitativ wie qualitativ weiterentwickelt kann. Die

Frage, die sich daraus für die vorliegende Analyse ergibt ist, inwiefern die Retail Banking-Branche

im bestehenden Geschäftsmodell wachsen kann. Dabei wird zwischen qualitativem (Verbesserung

der Kundenzufriedenheit, Image, Bekanntheitsgrad, etc.) und quantitativem Wachstum unter-

schieden.

Wie bereits in Kapitel 4.1.2 erläutert, bewegt sich das Retail Banking in der Schweiz in einem stark

gesättigten Marktumfeld. In diesem Punkt sind sich auch die Experten einig (Beeler, Interview,

10.06.2016 & Ulrich, Interview, 10.06.2016).

Trotz der schwierigen Marktverhältnisse konnten im Rahmen der Untersuchung aber drei Bereiche

herausgearbeitet werden, in denen sich die Experten quantitatives Wachstum im bestehenden Ge-

schäftsmodell erhoffen.

Der erste Bereich betrifft insbesondere die kleineren Regional- und Kantonalbanken, die ihr Kun-

deneinzugsgebiet mithilfe von digitalen Kanälen erweitern können. Während man in der alten ana-

logen Welt meistens nur durch physische Präsenz zu Neukunden kam, erlauben es die neuen digi-

talen Möglichkeiten auch, Regionen abzuschöpfen, in denen man keine Bankfilialen hat. Wie die

folgenden Zitate zeigen, befassen sich sowohl die Valiant Bank (Regionalbank) als auch die ZKB

(Kantonalbank) mit derartigen Absichten, um quantitatives Wachstum zu erreichen.

„Wir sind ja nicht in der ganzen Schweiz tätig, das heisst für uns ist der Wachstumspfad tatsäch-lich der, dass wir mit einer digitalen Speerspitze vorangehen und schauen, dass wir in neue Ge-biete eintreten können.“ (Wille, Interview, 02.06.2016)

[...] durch die digitalen Kanäle haben wir die Möglichkeit ohne Standorte, ausserhalb relativ effi-zient neue Kunden anzusprechen. Das haben wir zum Beispiel schon gemacht. Wir haben ja eine online Hypothek mit Homegate zusammen [...] um die Reichweite zu erweitern. Der grösste Teil dieser Finanzierungen ist ausserhalb vom Wirtschaftsraum Zürich [...].“ (Beeler Interview, 10.06.2016)

Die zweite Möglichkeit für quantitatives Wachstum ist die Verbesserung der Durchdringung und

Abschöpfung der bestehenden Kundschaft. Dies soll insbesondere mithilfe eines effizienten und

effektiven Vertriebsapparats und der damit verbundenen Steigerung der Proaktivität im Verkauf

Page 96: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 87

von kostenpflichtigen Dienstleistungen gelingen. Darüber hinaus sehen die Experten auch die

Bündelung von Dienstleistungen in Form von sogenannten Paketlösungen, wie in Kapitel 4.2.2

dargelegt, als ein geeignetes Instrument an, um den Share-of-Wallet durch den cross-selling Effekt

zu verbessern und damit einhergehend die gewünschte Verbesserung der Durchdringung herbei-

zuführen (Scherrer, Interview, 08.06.2016 und Beeler, Interview, 10.06.2016).

Die dritte Möglichkeit ist der Kauf von neuen Kunden und Vermögenswerten in Form von Akquisiti-

onen, wie das beispielsweise bei der ZKB mit dem Kauf der Swisscanto der Fall war. Es geht in

diesem Bereich darum, durch Skaleneffekte qualitativ zu wachsen. Allerdings geniesse diese Art

von Wachstum gerade im Bereich des Retail Bankings nicht oberste Priorität (Beeler, Interview,

10.06.2016).

In Bezug auf das qualitative Wachstum sind sich die Experten insofern einig, dass sie es als enorm

schwierig erachten, sich in diesem Markt über die hochstandardisierten Produkte zu differenzieren.

Vielmehr gehe es darum, sich zu überlegen, wie die Produkte kombiniert und angeboten werden

können. Es geht dabei darum, die Marke, die Emotionalität oder das Kundenerlebnis zu verbes-

sern. Einen ersten Schritt in diesem Bereich haben einige Banken bereits mit der Lancierung von

Paketlösungen gemacht, die meist über das alleinige Bereitstellen von Bankdienstleistungen hin-

ausgehen. Ein wichtiger Punkt, der in diesem Zusammenhang mehrfach genannt wurde sei die

Convenience, die sowohl mit den abgedeckten Kundenkanälen als auch mit dem Inhalt und der

Umsetzung innerhalb dieser Kanäle einhergeht (Kauer, Interview, 06.06.2016 & Thomet, Interview,

06.06.2016).

Zusammenfassung: Das Wachstumspotenzial in Form des bestehenden Geschäftsmodells ist

aufgrund des gesättigten Marktumfeldes beschränkt. Trotzdem haben sich in Bezug auf das quan-

titative als auch auf das quantitative Wachstum verschiedene Wachstumsopportunitäten heraus-

kristallisiert. Das Wachstum im quantitativen Bereich sehen die Experten im Rahmen einer Ver-

besserung der Kundendurchdringung in Form eines effizienteren und effektiveren Vertriebsappara-

tes, in der Erweiterung des Einzugsgebietes mithilfe von digitalen Kanälen (insbesondere für Kan-

tonal- und Regionalbanken) sowie in der Erzielung von Skaleneffekten durch Akquisitionen. In Be-

zug auf die qualitativen Aspekte des Wachstums hingegen wurde die Erhöhung der Convenience

mithilfe eines auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmten Produktangebots genannt.

4.2.11 Zusammenfassung

Die eingehende Analyse der einzelnen Geschäftsmodellkomponenten mit Hilfe des erarbeiteten

Strukturierungsrahmens hat den Transformationsprozess der letzten Jahre eindrücklich veran-

schaulicht. Dank der Erkenntnisgewinnung aus den Experteninterviews konnten die verschiedenen

Veränderungen und die damit verbundenen Wechselwirkungen herausgearbeitet werden. Die fol-

genden zwei Abbildungen 26 und 27 illustrieren in diesem Sinne nochmals die wichtigsten Elemen-

Page 97: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 88

te der stattgefundenen Transformation und tragen damit zur Erreichung des ersten Forschungszie-

les bei.

Abbildung 26: Darstellung des aktuellen Geschäftsmodells und der Veränderungen Quelle: Eigene Darstellung

Service Paket

Outsourcing Standardisierung

Schlüsselpartner Schlüsselaktivitäten

Schlüsselressourcen

Wertangebote Kundenbeziehungen

Kanäle

Kundensegmente

Kostenstruktur Einnahmequellen

Quantitatives Wachstum Qualitatives Wachstum

FinTechs

Andere Banken

Physische

Digitale

Menschliche

Anlegen

Finanzieren

Zahlungsverkehr

Konto & Sparen

Service Provider Back-Office

Personalkosten

Sachkosten

Zinsgeschäft

Zahlungsverkehr / Gebühreneinnahmen

Anlagegeschäft

Online / Mobile

Filiale

Bankomat

Call Center

Persönliche Beratung durch

Berater

Online Banking

Segmentierung aufgrund Vermögen

& Einkommen

Online / Mobile Self Service

Vertrieb & Beratung

Erhöhte Know-how-Anforderungen

Beratungspaket

Produktinnovationen

Mul

ti-Ka

nal-

Abde

ckun

g

Erweiterung Einzugsgebiet durch Digitale Kanäle

Bessere Kundendurchdringung (Share of Wallet)

Akquisitionen / Skaleneffekte / Diversifikation

Convenience / Erfüllung der Kundenbedürfnisse

Loyalitätsprogramme

Partnerschaften Kooperationen

Coopetition

Identifizierte Veränderungen

Page 98: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 89

Abbildung 27: Wechselwirkungen der einzelnen Veränderungen Quelle: Eigene Darstellung

Analysiert man den stattgefundenen Transformationsprozess in Bezug auf das Muster1, das den

Veränderungen des aktuellen Geschäftsmodell zu Grunde liegt, kann man zwei grundlegende

Trends festhalten, die in Form der folgenden Abbildung 28 aufgezeigt werden.

Abbildung 28: Veränderungen innerhalb des Geschäftsmodellmusters Quelle: Eigene Darstellung 1 Bei der Analyse des Geschäftsmodellmusters wurde auf die Arbeit von Gassmann u. a.(2013) zurückgegriffen, die auf Basis einer

breitangelegten Untersuchung 55 mögliche Geschäftsmodellmuster identifiziert hat.

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Schlüssel-partner Partnerschaften +

Schlüssel-aktivitäten

Outsourcing & Standardisierung +

Online / Mobile Self Service +

Schlüssel-ressourcen

Reduktion physischer Ressourcen +

Erhöhung digitaler Ressourcen -

Reduktion menschlicher Ressourcen +

Erhöhung Know-how -

Wert-angebote

Service- & Beratungspakete +

Produktinnovationen - +

Kunden-beziehungen Loyalitätsprogramme -

Kanäle Mult-Channel-Abdeckung - +

Wechselwirkung vorhanden

+ = Positive Beeinflussung

- = Negative Beeinflussung

Service- & Beratungspaket

Pay-per-use

Abrechnung nicht pauschal, sondern nach effektiver Nutzung durch den Kunden

Cross-Selling

Leistungsangebot wird durch komplementäre

Produkte ergänzt

Flaterate Kunde bezahlt Pauschalpreis

und kann Leistung unbegrenzt nutzen

Auslagerung von Prozessen

Integrator

Durchführung der Wertschöpfungsaktivitäten in Eigenregie

Self Service

Auslagerung von Teilen der Wertschöpfungs-aktivitäten

an den Kunden

Orchestrator Auslagerung von nicht

kritischen Wertschöpfungsaktivitäten

an Spezialisten

Page 99: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 90

Es hat sich gezeigt, dass die Banken in der jüngsten Vergangenheit mit Hilfe von unterschiedlichen

Massnahmen und Initiativen bereits Anstrengungen unternommen haben, um das Geschäftsmo-

dell weiterzuentwickeln. Durch die Bündelung von Basisdienstleistungen wurden neue transparen-

te Preismodelle entwickelt, bedürfnisgerechte Beratungsansätze implementiert, die aktuelle Kos-

tenstruktur und die Ressourcenallokation überprüft sowie neue digitale Kanäle aufgebaut. Vor die-

sem Hintergrund kann argumentiert werden, dass die Banken den Transformationsbedarf hinsicht-

lich ihres Geschäftsmodells ernst nehmen. Gleichzeitig zeigen die jüngsten Ergebnisse aber auch,

dass die eingeleiteten Veränderungen nicht ausreichen, um die Profitabilität und ein nachhaltiges

Wachstum unter der Berücksichtigung des veränderten Umfeldes sicherzustellen. Demnach soll

mit Hilfe der nachfolgenden SWOT-Analyse sowohl die Stärken und die Schwächen als auch die

Chancen und die Risiken identifiziert werden, um auf dieser Basis im Kapitel 4.4 Handlungsemp-

fehlungen abzugeben.

Page 100: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 91

4.3 Geschäftsmodelleinschätzung Nachdem das Geschäftsmodellumfeld und das aktuelle Geschäftsmodell skizziert sind, geht es in

einem nächsten Schritt darum, mithilfe der Expertenaussagen das aktuelle Geschäftsmodell ein-

zuschätzen. Zu diesem Zweck wird in der vorliegenden Arbeit auf eine klassische Stärken- Schwä-

chen-, Chancen und Gefahrenanalyse (SWOT) zurückgegriffen. Die Auseinandersetzung mit die-

sen vier Perspektiven mit Bezug auf das aktuelle Geschäftsmodell sowie die momentane Ge-

schäftsmodellumgebung soll die Erreichung des dritten Forschungszieles sicherstellen.

3. Forschungsziele

Einschätzung der aktuellen Stärken und Schwächen sowie den Chancen und Risiken, welche

sich aus dem aktuellen Geschäftsmodell und dessen externen Umfeld ergeben

4.3.1 Stärken

4.3.2 Stärken Um im Wettbewerb langfristig erfolgreich zu bestehen, müssen sich die Banken zunächst ihrer

Stärken bewusst sein. Trotz des anspruchsvollen Umfeldes, dass geprägt ist von rückläufigen Er-

trägen und zunehmenden Sachkosten, konnten im Rahmen der qualitativen Erhebung verschiede-

ne Stärken identifiziert werden. Nachkommend wird auf die wichtigsten derer eingegangen.

Tradition & physische Präsenz

Unbestritten haben die Finanzkrise und insbesondere die Rettung der UBS durch den Steuerzahler

dazu geführt, dass das Vertrauen in die Bankenbranche in den Jahren nach 2008 signifikant ge-

sunken sei (Ulrich, Interview, 10.06.2016). Es wurde in diesem Zusammenhang aber auch er-

wähnt, dass gerade die kleineren Retail Banken vom Vertrauensschwund gegenüber Grossbanken

sogar profitieren konnten (Wenger, Interview, 07.06.2016). Man stelle in den letzten Jahren aber

allgemein eine zunehmende Verstärkung des Vertrauens gegenüber der gesamten Branche fest,

was für die Banken ein enorm wichtiger Trend sei. Das gute Kundenvertrauen sei insbesondere

auf die lange Tradition der Banken zurückzuführen. Die Tradition der Banken sei auch der Grund

für die hohen Marktanteile und die langjährigen intensiven Kundenbeziehungen, welche die einzel-

nen Banken in ihrem Einzugsgebiet pflegen. Zudem führe die langjährige Tätigkeit der Banken

dazu, dass man den aktuellen Markt und zumindest die etablierten Konkurrenten sehr gut kenne

(Thomet, Interview, 06.06.2016). Das Vertrauen zeige sich insbesondere dann, wenn man schaue,

wie viele Informationen der Kunde einer Bank anvertraue. Dies sei gerade vor dem Hintergrund

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 92

der Digitalisierung eine wichtige Stärke der Banken (Wille, Interview, 02.06.2016). Ein weiterer

Grund für das Vertrauen der Kunden sei die physische Präsenz und der direkte Kundenkontakt,

die den Banken gerade gegenüber den Neueinsteigern, die ausschliesslich digitale Kanäle betrei-

ben, einen komparativen Wettbewerbsvorteil verschaffen (Thomet, Interview, 06.06.2016). Geldan-

legen bleibe in diesem Zusammenhang Sache des Vertrauens. Auch in der digitalen Welt seien

menschliche Schnittstellen ein entscheidender Faktor. Für den Grossteil der Kunden bleibe die

persönliche Beratung neben der Qualität der Beratung und der Sicherheit entscheidend. In dieser

Hinsicht haben die etablierten Banken durch ihre physische Präsenz einen grossen Vorteil.

Abdeckung der Kanäle und der Produktpalette

Eine weitere Stärke der Retail Banken sei die umfassende Abdeckung sowohl der verschiedenen

Kundenkanäle als auch der gesamten Produktpalette. Dies hat sich insbesondere auch in der Ana-

lyse des aktuellen Geschäftsmodells gezeigt und führt dazu, dass die Banken gemäss Kauer (In-

terview, 06.06.2016) über sowohl wiederkehrende als auch vielfältige Erträge verfügen, wobei die

Gewinnspanne im Verhältnis zum Marktanteil nur sehr bescheiden ausfalle. Gerade gegenüber

den Neueinsteigern sei der „All in One“-Vorteil wichtig, da diese meist nur auf einzelnen Kanälen

gewisse Teile der Wertschöpfung abdecken (Wille, Interview, 02.06.2016) Wie im Rahmen der

Analyse des Geschäftsmodellumfeldes ersichtlich wurde, hat sich das Kundenverhalten dahinge-

hend verändert, dass ein Kunde sich auf allen Kanälen bewegen und innerhalb des Kanals am

liebsten sämtliche Angebote in Anspruch nehmen möchte. Vor diesem Hintergrund sei diese Stär-

ke ein elementarer Faktor, um die geforderte Convenience für den Kunden sicherzustellen und

damit einhergehend den langfristigen Erfolg einer Bank zu sichern (Wenger, Interview,

07.06.2016).

Human Capital und Standortfaktoren

Die dritte wichtige Stärke, die sich anhand der Interviews herauskristallisiert hat, sind die in der

Branche vorhandenen Human Capital sowie die wirtschaftlichen Standortfaktoren. Es wurde fest-

gehalten, dass die Branche nach wie vor über gut ausgebildete Fachkräfte mit dem nötigen Know-

how und Skills verfügt. Hinzu kommen die ausgezeichneten Ausbildungsprogramme auf Bildungs-

und Forschungsstufe. Weiter wichtig ist eine lebendige Start-up-Szene, die mit ihren Ideen und

den Fähigkeiten auch einen werthaltigen Beitrag leistet, um das Know-how in der Branche zu stei-

gern (Beeler, Interview, 10.06.2016). Daneben geniesse auch der Finanzplatz Schweiz nach wie

vor einen guten Ruf. Dieser verdanke er hauptsächlich der politischen Stabilität, der liberalen Aus-

richtung der Wirtschaft, der attraktiven Besteuerung und der Verfolgung einer unabhängigen sowie

stabilen Geld- und Währungspolitik seitens der SNB (Ulrich, Interview, 10.06.2016).

Zusammenfassung: Die Retail Banking-Branche in der Schweiz verfügt nach wie vor über eine

starke Position im Markt. Auf der einen Seite kann die Branche aufgrund ihrer langen Tradition und

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 93

ihrer langjährigen Kundenbeziehungen auf ein intaktes Kundenvertrauen zählen. Zudem decken

die Banken mit ihrer Multikanalstrategie alle relevanten Kanäle ab und bieten gleichzeitig den Kun-

den eine breite Palette an Produkten an. Diese Kombination führt dazu, dass die Banken die Kun-

denbedürfnisse hinsichtlich Convenience im Gegensatz zu den Neueinsteigern grundsätzlich bes-

ser erfüllen können und damit über einen wichtigen komparativen Wettbewerbsvorteil verfügen.

Daneben weist die Branche ein enormes Human Capital auf und geniesst die Attraktivität des Wirt-

schaftsstandortes Schweiz.

4.3.3 Schwächen

Während der Zeit vor der Finanzkrise war die Bankbranche gekennzeichnet von einer hohen Profi-

tabilität, enormen Wachstumsperspektiven sowie stabilen Umwelteinflüssen. Durch die Finanzkrise

und den damit veränderten Rahmenbedingungen hat sich die Ausgangsituation allerdings zuneh-

mend verschlechtert. Die meisten der folgenden Schwächen sind zwar nicht nur auf die Verände-

rungen seit der Finanzkrise zurückzuführen, schränken allerdings den Handlungsspielraum für die

notwenige Transformation ein.

Fehlende Flexibilität

Die Inflexibilität, die insbesondere die Umsetzung von neuen Technologien betrifft, ist grundsätz-

lich auf die veraltete IT-Infrastruktur zurückzuführen. Im Zuge von Akquisitionen und der Erschlies-

sung neuer Kanäle sei in der Vergangenheit die Komplexität in der Systemlandschaft derart ange-

stiegen, dass es heute enorm schwierig sei, die Bedürfnisse der Kunden in Bezug auf die neuen

Technologien zeitnah und möglichst agil umzusetzen. Dies ist gerade in Anbetracht der zuneh-

menden Markteintritte von neuen FinTech-Unternehmen, die noch nicht über eine derartige Legacy

in den Systemen verfügen, ein ernst zu nehmendes Problem (Thomet, Interview, 06.06.2016). Wie

die Ausführungen von Beeler (Interview, 10.06.2016) zeigen, ist die überschaubare Flexibilität aber

auch der fehlenden interdisziplinären Organisationsstruktur der Banken geschuldet.

„ [...] die Herausforderungen von heute passen nicht zur Organisation und zu den Entscheidungs-prozessen der Banken. [...] Themen heutzutage sind viel interdisziplinärer als früher. Sie sind kom-plexer und haben höhere Kadenz. Schweizer Banken sind noch so aufgestellt. [...] Da gibt es Ver-antwortliche für Anlagen, Finanzierungen usw. Und wenn wir ein Evolutionsprojekt haben, [...] dann sind Sie eigentlich schon aufgeschmissen, weil für jeden betroffenen Bereich haben wir total ande-re Verantwortliche.“ (Beeler, Interview, 10.06.2016)

Kostenstruktur

Wie bereits mehrfach erörtert, ist die Kostenstruktur der Banken geprägt von einer enormen Le-

gacy in der IT-Infrastruktur, den hohen Umsetzungskosten für die Einhaltung der regulatorischen

Vorschriften sowie den historisch gewachsenen und veralteten Betriebsabläufen. Diese von aus-

sen und innen getriebenen Faktoren haben einen signifikanten Einfluss auf die aktuelle Kosten-

struktur und führen dazu, dass es Banken trotz verschiedener Initiativen zur Effizienzsteigerung

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 94

nicht gelungen ist, die Kosten herunterzufahren. Gerade die Ressourcenbindung für die Umset-

zung der regulatorischen Vorschriften sei enorm und führe dazu, dass viele andere wichtige Initia-

tiven aufgrund fehlender Budgets nicht oder nicht wie eigentlich gewünscht umgesetzt werden

können (Kauer, Interview, 06.10.2016).

Kanalintegration

Schweizer Retail Banken haben gemäss Aussagen der Experten zwar ihre digitalen Kanäle in den

vergangenen Jahren massiv ausgebaut und zum Teil deutlich aufgewertet; die notwendige Weiter-

entwicklung dieser Multikanalstrategie in eine Omnichannel-Strategie habe allerdings aber noch

nicht stattgefunden (Thomet, Interview, 06.06.2016). Wie bereits im Rahmen des Kapitels 4.1.1

hervorging, sind Retail-Kunden sehr technologieaffin, gut informiert und zeichnen sich durch eine

parallele Offline- und Online-Kanalnutzung aus. Dies hat zur Folge, dass der Kunde abhängig von

seiner jeweiligen Situation und Präferenz den für sich passenden Kanal wählt und dabei eine

gleichbleibende Qualität des Kundenkontakts erwartet (Wenger, Interview, 07.06.2016). Diese ka-

nalübergreifende Nutzung von Bankdienstleistungen führt dazu, dass es nicht mehr ausreiche,

zwar verschiedene Kanäle anzubieten, diese aber nicht zielführend miteinander zu verbinden

(Kauer, Interview, 06.06.2016). Das Problem liege darin, dass die einzelnen Kanäle meist siloartig

entwickelt und betrieben werden und die Strukturen und Prozesse noch nicht auf das geänderte

Kundenverhalten abgestimmt sind. Auch hier spielt demnach die fehlende Interdisziplinarität eine

wichtige Rolle (Beeler, Interview, 10.06.2016). Gemäss Thomet (Interview, 06.06.2016) führt auch

eine veraltete und hinderliche finanzielle Steuerung zu diesem Silo-Paradigma:

Die Situation ist ja heute in vielen Banken so, dass [...] die finanzielle Führung zu dem Kanalsilo-denken [...] führt. [...] Demnach werden Kanalkonflikte unter anderem auch geschürt, weil An-reizsystem zwischen den einzelnen Kanälen nicht kompatibel sind, im Hinblick auf die Betriebsstra-tegie oder die finanziellen Ziele, die man in einem Segment verfolgt.“

Ablehnung des Wandels

Eine weitere, äusserst folgenschwere Schwäche der Branche sei der oftmals fehlende Wille zur

Veränderung bei den Mitarbeitenden. Die Untersuchung hat gezeigt, dass es den Banken noch

nicht gelungen sei, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass es aufgrund des anspruchsvollen

Umfeldes Transformationen benötige, die einen starken Einfluss auf ihr tägliches Arbeiten nach

sich ziehen. Gerade auf C-Level-Stufe werden viele Veränderungsprozesse blockiert, da die kurz-

fristige Zielerreichung über die Weiterentwicklung des Geschäftes gestellt werde. Dies sei aller-

dings auch den ambitiösen Zielvorgaben geschuldet, im Rahmen derer eine langfristige und nach-

haltig ausgerichtete Weiterentwicklung des Geschäftsmodells als sehr schwierig beurteilt wird

(Thomet, Interview, 06.06.2016). In der Folge führt der mangelnde Veränderungswille auch zu

ausbleibender Innovationskraft.

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 95

Zusammenfassung: In einem Umfeld getrieben von tiefgreifenden Veränderungen ist es nicht

verwunderlich, dass die Schweizer Retail Banking-Branche verschiedene Schwächen aufweist. Die

fehlende Flexibilität, eine unbefriedigende Kostenstruktur und die ungenügende Kanalintegration

verbunden mit dem fehlenden Veränderungswillen behindern den nötigen Transformationsprozess

nachhaltig.

4.3.4 Chancen

Auch wenn die Retail Banking-Branche oft als Effizienzcase beschrieben wird (Ulrich, Interview,

10.06.2016), konnten im Rahmen der Untersuchungen verschiedene Chancen identifiziert werden,

die es den Banken ermöglichen, zielführende Veränderungen einzuleiten. Die relevantesten Chan-

cen werden in der Folge vorgestellt.

Orchestrierung der Wertschöpfungskette und Partnerschaften

Wie bereits in Kapitel 4.2.7 angedeutet, ist in der Bankenbranche bereits eine Tendenz dahinge-

hend beobachtbar, nicht mehr alle Schritte des Wertschöpfungsprozesses selber abzudecken.

Vielmehr geht es darum, alle Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette, die ausserhalb des ei-

gentlichen Kompetenzbereichs liegen, an spezialisierte Dienstleister auszulagern. In diesem Be-

reich sei das Optimierungspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft (Scherrer, 08.06.2016). Ein

weiterer Vorteil, der mit der Auslagerung von Prozessen verbunden ist, sei die Zusammenarbeit

mit externen Partnern, die sich im Zuge der Auslagerung der entsprechenden Aktivitäten ergebe.

Partnerschaften müssen sich aber nicht nur durch die Auslagerung von Prozessen ergeben. Viel-

mehr müsse man in der momentanen Zeit gegenüber Partnerschaften offen sein. Denn nur so ge-

linge es den Banken, sich strategisch in eine gute Position zu bringen. Die Zusammenarbeit mit

Partnern könne in diesem Zusammenhang ganz unterschiedlich ausfallen. In diesem Kontext seien

gerade Partnerschaften mit jungen und dynamischen FinTechs eine interessante Möglichkeit. Auf-

grund ihrer jeweiligen Stärken und Schwächen ergeben sich im Rahmen der Zusammenarbeit zwi-

schen Banken und FinTechs erfolgsversprechende Chancen. Neue digitale Unternehmen müssen

schnell wachsen, damit sie nicht vom Markt verschwinden. Banken können FinTechs durch ihren

direkten Zugang zu Kunden und damit zur Nachfrage sofort Grössenvorteile und eine kritische

Masse bieten. Auf der anderen Seite können Banken von deren Innovationskraft profitieren und

diese für die Weiterentwicklung der eigenen Produkte oder gar der eigenen Wertschöpfungskette

nutzen (Ulrich, 10.06.2016). Die sorgfältige Auswahl der richtigen Partner für die Auslagerung sei

dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor. Denn schliesslich sollten die Banken den Blick auf die Qualität

ihrer Wertschöpfungskette nicht verlieren und auch keine neuen Risiken eingehen (Wenger, Inter-

view, 07.06.2016). Wille (Interview, 02.06.2016) sieht in der Zusammenarbeit mit strategischen

Partnern sogar das Potenzial für organisches Wachstum:

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 96

„Ich glaube, [...], dass wir mit cleveren Partnern tatsächlich die Möglichkeit haben, organisch zu wachsen, davon bin ich überzeugt.“

Eine weitere Chance, die sich in diesem Zusammenhang ergibt, ist die Auslagerung von Wert-

schöpfungsaktivitäten zum Kunden. Der Kunde soll immer stärker in die Dienstleistungen der Bank

einbezogen werden, da er es durch die Entwicklung in anderen Branchen längst gewohnt ist, einen

Teil der Wertschöpfungskette selbst in die Hand zu nehmen. Bei diesem Ansatz geht es aber nicht

nur darum, Kosten zu reduzieren, sondern dem Kunden dadurch einen wahrnehmbaren Mehrwert

zu vermitteln (Kauer, Interview, 06.06.2016).

Digitalisierung

Eine weitere Chance, die von allen Experten identifiziert wurde, bilden die mit der Digitalisierung

verbundenen Möglichkeiten für eine Bank.

Beispielsweise sei das die Standardisierung von Prozessen. Man spreche in diesem Zusammen-

hang auch von „Straight-through Processing“. Zwar seien in diesem Bereich in den vergangenen

Jahren bereits massive Bemühungen zu erkennen, allerdings beschränkten sich diese insbeson-

dere auf den Back-office- und Transaktionsbereich. Potenzial bestehe daher noch im Bereich des

Middle- und Frontoffice einer Bank. Durch die Erhöhung der Anzahl automatisierter Prozesse, be-

stehe für die Banken noch ein grosses Kosteneinsparungspotenzial auf der einen Seite (Locher,

Interview, 07.06.2016). Auf der anderen Seite ermögliche die Standardisierung der Prozesse im

Bereich des Kundenkontaktes die Umsetzung des bereits erwähnten Omni-Channel-Ansatzes,

indem die Datenintegration ermöglicht wird. Die technologischen Möglichkeiten machen es dem-

nach möglich, die verschiedenen Kanäle sinnvoll miteinander und im Interesse des Kunden zu

verbinden und die Kanalseparierung aufzubrechen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass ein nicht un-

erheblicher Teil der Kunden dieses Angebot als sehr attraktiv erachten würden (Thomet, Interview,

06.06.2016).

Die Digitalisierung ermöglicht darüber hinaus auch den zielführenden Einsatz von Kundendaten.

Es liegt in der Natur des Geschäftes, dass Banken bereits über eine grosse Menge an Daten ver-

fügen. Dazu gehören beispielsweise Informationen zu Kundentransaktionen, Konsumgewohnhei-

ten, Sparpotenzialen, etc. Diese Fülle an Daten müsse genutzt werden, um einen hohen Mehrwert

für die Bank und auch für den Kunden zu schaffen (Wille, Interview, 02.06.2016). Entsprechend

sehen die Experten im Thema Big Data ein grosses Potenzial. Passende Anwendungsbereiche

von Big Data-Technologien seien mittelfristig insbesondere im Bereich der Vertriebsoptimierung

sowie der Entwicklung einer optimierten Kundensegmentierung zu finden.

Allerdings sei die Nutzung von Kundeninformationen auch mit Herausforderungen verbunden, wie

beispielsweise der Einhaltung des Datenschutzes, dem Aufbau von Know-how und der Integration

neuer Technologien in die bestehende Infrastruktur (Beeler, Interview, 10.06.2016).

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 97

Die dritte Opportunität, die sich mit der Digitalisierung ergibt, ist die Entwicklung von innovativen

Dienstleistungen und Produkten. Wie in Kapitel 4.1.2 festgestellt, werden die Kundenbedürfnisse

gerade in Bezug auf den Wunsch nach „Einfachheit“ immer anspruchsvoller. Um diesem Anliegen

gerecht zu werden, müsse mit Hilfe der Digitalisierung nach neuartigen Konzepten gesucht werden

(Thomet, Interview, 06.06.2016).

Persönliche Beratung

Die Experten sind sich einig, dass die persönliche Beziehung zu den Menschen ein ganz elemen-

tarer Vorteil gerade gegenüber Neueinsteigern sei und man sie zwingend als Chance nutzen müs-

se. So müssen Banken ihre Stärken, nämlich persönliche Ansprechpartner, qualifizierte Beratung

und kompetente Problemlösung wieder voll ausspielen (Ulrich, Interview,10.06.2016).

Die Reputation der Banken, die hauptsächlich auf den Faktoren Vertrauen, Privatsphärenschutz

und Datensicherheit basiert, sei demnach eine grosse Chance. Möglicherweise sei es in der heuti-

gen, von Cyberkriminalität geprägten, digitalen Zeit ein komparativer Wettbewerbsvorteil, wenn die

Datensicherheit erfolgreich gewährleistet werden kann (Wenger, Interview, 07.06.2016). Die per-

sönliche Beratung berge insbesondere dann Chancen, wenn es der Bank gelingt, ein hybrides Be-

ratungsmodell zu implementieren. Dabei gehe es darum, dass die Bank versucht, die Elemente

der persönlichen Beratung mit den technologischen Möglichkeiten im Sinne der Bedürfnisse des

Kundes zu kombinieren. Es gehe dabei darum, dass man bei einfacheren Bedürfnissen, wie der

Berechnung einer Asset Allocation beispielsweise, die digitalen Möglichkeiten nutzt und bei kom-

plexeren Angelegenheiten, beispielsweise bei der Entwicklung und Diskussion einer angepassten

Anlagestrategie, auf das Know-how des Beraters zurückgreift (Ulrich, Interview, 10.06.2016).

Zusammenfassung: Die Ausführungen zu den identifizierten Chancen für die Retail Banking-

Branche hat gezeigt, dass es auch in diesem turbulenten Umfeld verschiedene Bereiche gibt,

mithilfe derer eine Bank eine zielführende Transformation herbeiführen kann. Eine effiziente Sour-

cing-Strategie verbunden mit dem Aufbau von strategischen Partnerschaften können zum Beispiel

solche Bereiche sein. Hinzu kommen die Opportunitäten, die sich aus der Digitalisierung ergeben,

wie beispielsweise das sehr interessante Thema „Big Data“. Zudem dürfe man die Stärke, die sich

aus der persönlichen Beratung ergibt, nicht vernachlässigen und müsse damit beginnen, neue

hybride Beratungsansätze zu entwickeln.

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 98

4.3.5 Risiken

§ In diesen anspruchsvollen Zeiten, die geprägt sind von Veränderungen an verschiedenen

Fronten, ist es nicht verwunderlich, dass im Rahmen der Untersuchung auch Risiken identi-

fiziert werden konnten. Die zwei wesentlichen werden nachfolgend erläutert.

Markteintritt der Technologiekonzerne

Während die Experten mit dem Eintritt von innovativen Start-ups im FinTech-Bereich eher Chan-

cen als Risiken verbinden, sehen sie eine grosse Gefahr in Bezug auf die Absichten der grossen

Technologiekonzerne, in den Schweizer Bankenmarkt einsteigen zu wollen. Die wirkliche Gefahr

für Retail Banken geht demnach nicht von den vielen innovativen FinTech-Start-ups aus, sondern

von den digitalen Mega-Playern, wie beispielsweise Amazon, Apple, Facebook oder Google. Im

Bereich des Zahlungsverkehrs sei die Bedrohung bereits real, was dazu führen könnte, dass Ban-

ken wichtige Insights auf der Kundenseite verlieren (Thomet, Interview, 06.06.2016). Hinzu kom-

me, dass die grossen Technologiekonzerne über eine massive Marktpenetration verfügen, die

Kundeninformationen besser zu nutzen wissen und darüber hinaus über die nötigen finanziellen

Ressourcen verfügen, um den Banken bedrohlich zu werden. Weiter verfügen die Mega-Player

auch teilweise bereits über eine Bankenlizenz, was dafür spricht, dass sie den Banken die gesam-

te Kundenbeziehung streitig machen wollen. Das grösste Risiko für die Retail Banken besteht also

nicht nur in einem Verlust der Erträge aus einem Produktbereich, sondern in einem streitig Machen

der so wichtigen Schnittstelle zum Kunden (Wenger, Interview, 07.06.2016). Grundsätzlich könne

gesagt werden, „je höherwertiger und je persönlicher die Dienstleistung schlussendlich ist, desto

kleiner sind die Risiken. Je massengeschäftiger, wenig komplex und transaktionaler, desto grösser

ist das Risiko.“ (Thomet, Interview, 07.06.2016)

Vernachlässigung der Kundenbedürfnisse

Banken sehen sich im heutigen Umfeld aussergewöhnlichen Herausforderungen gegenüber: die

regulatorischen Anforderungen zusammen mit immer ambitiöseren Kostenreduktionsvorgaben und

stagnierenden Ertragspotenzialen. Dadurch besteht die grosse Gefahr, dass die relevanten Kun-

denbedürfnisse aus dem Fokus geraten. Trotz des anhaltenden Drucks, müssen sich die Banken

aufgrund des veränderten Kundenverhaltens transformieren, da ansonsten der Verlust der Wett-

bewerbsfähigkeit drohe (Wenger, Interview, 07.06.2016). Das grosse Risiko bestehe aktuell darin,

dass die Allokation der finanziellen aber auch der Management-Ressourcen nicht zielführend um-

gesetzt werden könne. Zu gross sei der finanzielle Druck im Zuge der neuen Regulatoren, als dass

man die Kundenbedürfnisse durch die Einführung von Initiativen befriedigen könnte. Hinzu kom-

men die veralteten Legacy-Systeme und der ausbleibende Veränderungswille seitens der Mitarbei-

ter, was die Umsetzung von notwendigen Massnahmen zusätzlich erschwert.

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 99

Zusammenfassung: In den Augen der Experten geht die grösste Gefahr im Geschäftsmodellum-

feld von den grossen Technologiekonzernen aus, die in den Schweizer Banken-Sektor einzustei-

gen versuchen. Aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten und dem Know-how im Bereich der

Technologie wären sie ernstzunehmende Konkurrenten, wenn es um die Verteidigung von Markt-

anteilen geht. Daneben konnte festgehalten werden, dass die Reaktion auf das turbulente Markt-

umfeld enorme finanzielle Ressourcen bindet. Diese Ressourcen fehlen den Banken im Moment,

um dringend notwendige Investitionen zu tätigen, die darauf abzielen, die Kundenbedürfnisse zu

befriedigen.

4.3.6 Zusammenfassung

Die strukturierte SWOT-Einschätzung bringt zwei grundlegende Ergebnisse hervor. Einerseits lie-

fert sie eine Momentaufnahme zum Status quo der Retail Banking Branche und auf der anderen

Seite bietet sie die Möglichkeit künftige Zielsetzungen zu analysieren. Die folgende Abbildung 29

fasst nochmals die wichtigsten Erkenntnisse aus der durchgeführten Analyse zusammen.

Abbildung 29: Zusammenfassung der SWOT-Analyse Quelle: Eigene Darstellung

Stärken

Tradition & physische Präsenz

! Tradition = Vertrauen, hohe Marktanteile und gute Marktkenntnisse ! Menschliche Schnittstelle als Wettbewerbsvorteil gegenüber

Neueinsteigern

Abdeckung Kanäle & Produkte ! Wiederkehrende und vielfältige Erträge ! «All in One» Vorteile gegenüber Neueinsteiger und Convenience

für den Kunden

Human Capital & Standortfaktoren ! Gut Ausgebildete Fachkräfte ! Ausgezeichnete Ausbildungsprogramme ! Lebendige Start-up Szene ! Politische Stabilität und liberale Ausrichtung der Wirtschaft

Schwächen

Chancen Gefahren

Fehlende Flexibilität

! Veraltete IT-Infrastruktur und Komplexität in den Systemen ! Fehlende Interdisziplinarität

Kostenstruktur !  Geprägt von enormer Legacy, hohen Umsetzungskosten für

regulatorische Vorschriften und ineffizienten Abläufen

Kanalintegration

! Unzureichende Verzahnung der einzelnen Kanälen

Ablehnung des Wandels !  Unpassende Zielsetzungen, fehlender Veränderungswille und

Interessenskonflikte

Orchestrierung der Wertschöpfungskette ! Auslagerung von nicht kritischen Wertschöpfungsaktivitäten an

Spezialisten oder sogar an den Kunden ! Zusammenarbeit mit innovativen FinTechs

Digitalisierung

! Straight-through-Processing ! Ermöglichung der Datenintegration für die Entwicklung einer

Omni-Channel-Strategie und Nutzung von digitalen Kundendaten

Persönliche Beratung ! Entwicklung von hybriden Beratungsansätzen (digital und offline) ! Persönliche Beratung wird auch zukünftig grosse Relevanz

aufweisen

Markteintritt der Technologiekonzerne

! Ausfall unterschiedlicher Einnahmequellen ! Verlust von wichtigen Kundenschnittstellen

Vernachlässigung der Kundenbedürfnisse

! Vernachlässigung von zentralen Kundenbedürfnissen aufgrund turbulentem Marktumfeld

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 100

Die gegenwärtige Krise muss als Chance betrachtet werden, um sich nachhaltig im stärker wer-

denden Verdrängungswettbewerb zu positionieren. Es gilt in diesem Sinne sich auf die vorhande-

nen Stärken zu konzentrieren und sich wo nötig neue Kompetenzen anzueignen. Nur so kann

adäquat auf einen möglichen Eintritt von branchenfremden Grosskonzernen reagiert und sicherge-

stellt werden, dass man auch zukünftig die sich verändernden Kundenbedürfnisse bedienen kann.

Gleichzeitig müssen Banken an ihren Schwächen arbeiten und wenn möglich durch sinnvolle Ver-

änderungen ausmerzen. Auf Basis der aus dieser SWOT-Analyse gewonnen Erkenntnissen wer-

den im nachkommenden Kapitel die Handlungsempfehlungen abgeleitet.

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 101

4.4 Geschäftsmodellweiterentwicklung Die vorgängig durchgeführte Analyse des Geschäftsmodellumfeldes, die Darstellungen des aktuel-

len Geschäftsmodells sowie dessen Einschätzung mit Hilfe des SWOT-Frameworks hat gezeigt,

dass sich das generische Geschäftsmodell Retail Banking-Branche transformieren muss, um den

aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund geht es im folgenden

Kapitel darum, Ansatzpunkte aufzuzeigen, die darauf abzielen, die Profitabilität und eine nachhalti-

ge Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck wird in der vorliegenden Arbeit auf das

Blue-Ocean-Konzept als Analyseinstrument zurückgegriffen. Dabei steht aber weniger die sonst

übliche Erschliessung von neuen, wettbewerbsfreien Markträumen im Zentrum, als vielmehr die

vier dem Konzept zugrunde liegenden Kernelemente (reduzieren, eliminieren, aufstocken und er-

zeugen). Diese dienen dazu, Entwicklungsmöglichkeiten der Branche zu analysieren und in die-

sem Kontext das dritte Forschungsziel abzudecken.

4. Forschungsziel

Bildung von Handlungsempfehlungen, die darauf abzielen das Schweizer Retail Banking zu-

kunftsorientiert und profitabel weiterzuentwickeln.

4.4.1 Reduzieren und Eliminieren

Das folgende Kapitel geht der Frage nach, welche Faktoren in der Branche reduziert oder sogar

ganz eliminiert werden sollen. In Anbetracht der weitreichenden Auswirkungen der aktuellen Rah-

menbedingungen auf die Kostenstruktur und des daraus resultierenden Effizienzsteigerungs-

drucks, sind die Überlegungen hinsichtlich „reduzieren“ und „eliminieren“ zentral. Nachkommend

werden in diesem Zusammenhang drei Handlungsempfehlungen vorgestellt, die eine Antwort da-

rauf geben sollen.

Verzettelung der Kräfte

Der enorme Kostendruck zwingt Retail Banken dazu, ihre Organisation schlanker zu machen und

den Fokus noch stärker auf die Kernprozesse zu legen. In diesem Zusammenhang bedarf es einer

genauen Analyse des Wachstumspotenzials in einzelnen Geschäftsbereichen sowie der strategi-

schen Entscheidungen über eine mögliche Auslagerung von nicht zum Kerngeschäft gehörenden

Wertschöpfungstätigkeiten. Auch die Experten sind sich grundsätzlich einig, dass der bereits statt-

gefundene Outsourcing-Trend fortgesetzt werden muss. Nur so gelinge es, die teilweise redundan-

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 102

ten Organisationsstrukturen zu verkleinern und eine flexible Infrastruktur zu schaffen, die man be-

nötige, um die notwendige Transformation sicherzustellen (Thomet, Interview, 06.06.2016).

Neben dem Motiv der Kosteneinsparungen erhalten Banken in den meisten Fällen durch die Aus-

lagerung von Prozessen einen nachhaltigen Zugang zu neuen Technologien, da Outsourcing-

Provider durch ihre starke Spezialisierung auf ein Fachgebiet meist über ein breiteres Know-how

verfügen (Ulrich, Interview, 10.06.2016). Outsourcing setzt darüber hinaus auch Ressourcen frei,

die vorher in Aktivitäten gebunden waren, die keine Kernkompetenz darstellen. Erst durch die Re-

duktion bestimmter Bereiche könne demnach eine effiziente Konzentration auf die Erfüllung der

zentralen Kundenbedürfnisse erzielt werden (Wille, Interview, 02.06.2010).

Komplexität in den Prozessen und Systemen

Wie in dieser Untersuchung bereits mehrfach erwähnt, weisen Banken historisch gewachsene und

sehr komplexe IT-Infrastrukturen auf. Daneben sind viele operative Prozesse heute noch mit zahl-

reichen manuellen Tätigkeiten verbunden und der Standardisierungsanteil ist demnach auszubau-

en.

Die zunehmende Regulierung sowie die voranschreitende Digitalisierung der Bankgeschäfte ma-

chen den sicheren und professionellen Betrieb der IT immer aufwändiger. Eine vorgeschlagene

Lösung ist die Auslagerung an IT-Spezialisten, da dadurch Spezial-Know-how ins Unternehmen

gebracht wird oder neue Projekte angeschoben werden können, für die die eigenen Mitarbeiter

keine Zeit haben (Scherrer, Interview, 08.06.2016 & Wille, Interview, 02.06.2016). Grundsätzlich

waren sich alle Experten einig, dass die Auslagerung von IT-Tätigkeiten ein adäquater Weg sei,

um auch in Zeiten eines massiven Kostendrucks neuartige Technologien und Services zeitnah und

in guter Qualität auf den Markt zu bringen. Gemäss Ulrich (Interview, 10.06.2016) könne nicht die

gesamte IT-Infrastruktur ausgelagert werden. Daher brauche es auch interne Bemühungen, die

Komplexität zu reduzieren, indem man versuche, mehr Transparenz in die IT-Landschaft zu brin-

gen und die Vielfalt und Heterogenität durch Standardisierung zu vereinfachen oder ganz zu besei-

tigen. Ergänzend müsse die Initiierung und Steuerung von nötigen Veränderungen durch klare

Verantwortlichkeiten und strategische Vorgaben getrieben werden (Thomet, Interview,

10.06.2016).

Neben der Komplexitätsreduktion in Bezug auf die IT-Systeme müssen Banken auch ihre operati-

ven Prozesse mithilfe der neuen technologischen Möglichkeiten zielführend anpassen. Die Unter-

suchung hat gezeigt, dass es Bestrebungen in Richtung durchgängig digitale End-to-End-Prozesse

brauche, die kanalunabhängig vom Kundenzugang bis zur Archivierung eine manuelle Tätigkeit

wenn immer möglich vermeiden. In diesem Zusammenhang müssen Banken das digitale Kun-

denerlebnis und eine effiziente, digitalisierte Geschäftsabwicklung parallel realisieren. Ein wichtiger

Erfolgsfaktor dafür sei, kanalbezogene Spezifika zu eliminieren und durch einheitliche Standards

zu ersetzten, damit über alle Zugangspunkte sogenannte „straight-through Processes“ eingeführt

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 103

werden können (Thomet, Interview, 06.06.2016). Dadurch könne die nötige Automatisierung und

Spezialisierung in den Middle- und Backoffice-Bereichen erzielt werden. Dies führe in der Folge

dazu, dass sämtliche Front Ends für den Kunden sowie für den Mitarbeiter weitgehend identisch

sind und sich lediglich in der Optik und den Benutzerrechten unterscheiden (Wenger, Interview,

07.06.20169.

Kosten pro Kundenkontakt

Die Untersuchung hat ergeben, dass die Experten gerade in der Reduktion von Kosten pro Kun-

denkontakt enormes Potenzial sehen, um die Profitabilität und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig

zu verbessern. Auch wenn der Begriff „Kosten pro Kundenkontakt“ impliziere, dass damit primär

die Kostenreduktion im Vordergrund stehe, seien die Potenziale viel weitreichender. Die Reduktion

der Kosten pro Kundenkontakt soll demnach durch zwei verschiedene Massnahmen reduziert

werden. Auf der einen Seite gilt es, den Self-Service-Anteil kontinuierlich und im Sinne des Kunden

auszubauen und auf der anderen Seite müssen die Kostenstrukturen im persönlichen Kundenkon-

takt durch sinnvolle und innovative Initiativen runtergefahren werden (Thomet, Interview,

06.06.2016).

hin zu „Schnelligkeit und Einfachheit“ stelle der Implementierungstreiber von Self-Services nicht

nur die Effizienzgewinne dar, sondern vielmehr die nachhaltige Verbesserung der Kundenorientie-

rung, Kundenzufriedenheit und der Servicequalität. Der Kunde werde darüber hinaus befähigt,

durch entsprechende automatisierte Prozesse aktiv zu einem kontinuierlichen Verbesserungspro-

zess durch Feedback beizutragen. Gleichzeitig sei aber nicht von der Hand zu weisen, dass durch

die Einsparung von Serviceressourcen mithilfe von Self-Services Kostenvorteile erzielt werden

können (Wenger, Interview, 07.06.2016).

Mit einer Zunahme an Self-Service-Angeboten und dem damit einhergehenden aktiven Miteinbe-

ziehen des Kunden in den Leistungserstellungsprozess sinke zwangsläufig das Kundenaufkom-

men in den Bankfilialen. In Anbetracht des aktuellen Umfeldes und des zunehmenden Wettbe-

werbs um Kunden und Erträge werde daher kein Weg an einem Ausbau des digitalen Angebots

auf Kosten von physischen Bankfilialen vorbeiführen. Allerdings werden Filialen auch in Zukunft

wichtig sein, um die Kundenbedürfnisse befriedigen zu können. Sie müssen jedoch neu gestaltet

werden. Immer mit dem Ziel, eine hohe Kundenfrequenz zu erreichen und die Filialen mit neuen

innovativen Konzepten aufzuwerten (Wille, Interview, 02.06.2016).

4.4.2 Aufstocken und Erzeugen

Wie erwähnt, reichen Effizienzmassnahmen alleine nicht aus, um die Wiederherstellung der Profi-

tabilität sicherzustellen. Die eigentliche Belastungsprobe und Herausforderung für Banken, die im

Retail Segment tätig sind, liegt vielmehr in der Entwicklung neuer Ausrichtungen. In diesem Kon-

text sollen die folgenden Handlungsempfehlungen einen Anhaltspunkt liefern, inwiefern das aktuel-

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 104

le Geschäftsmodell durch die Aufstockung und Erzeugung von neuen Ansätzen weiterentwickelt

werden kann, um das vorhandene Chancenpotenzial auszuschöpfen.

Kundenzentriertes Omni-Channel-Vertriebsorchester

Vor dem Hintergrund des sich verändernden Kundenverhaltens und den gleichzeitig sinkenden

Ertragspotenzialen aufgrund der widrigen Umwelteinflüsse müssen Retail Banken die Kundenzent-

rierung im Kontext eines innovativen Omni-Channel-Vertriebes stärker in den Fokus rücken. Bei

der Entwicklung solcher neuen Vertriebskonzepten sei es daher sehr wichtig, sich aus Kundensicht

zu überlegen, wie man den Vertrieb effizienter, transparenter und personalisierter machen kann

(Kauer, Interview,06.06.2016). Retail Banken müssen das veränderte Kundenverhalten verstehen,

flexibel am Markt agieren, sich von der strikten Trennung zwischen Online- und Offline-Kanälen

lösen und den Kunden die Möglichkeit geben, über verschiedene Kommunikationswege bzw. Ka-

näle Kontakt zur Bank aufzunehmen (Wenger, Interview, 07.06.2016). Die konsequente Weiter-

entwicklung der bisherigen Multi-Channel-Strategie zu einer am Kunden ausgerichteten Omni-

Channel-Strategie, die eine freie Kanalwahl berücksichtigt, ist daher notwendig. Es gehe dabei

darum, sich mit Hilfe der Customer Decision Journey zu überlegen welche Schnittstellen zur Bank

ein Kunde nutzt bis er sich für ein bestimmtes Produkt entscheidet. Basierend auf diesen Erkennt-

nissen gilt es den Vertrieb auszurichten und eine intelligente und integrierte Vernetzung aller Kanä-

le und Applikationen zu etablieren (Thomet, Interview, 06.06.2016). Gleichzeitig müssen die Varia-

bilität und Vielseitigkeit der einzelnen Kanäle ausgebaut und dadurch eine Konvergenz zwischen

den Kanälen erzielt werden (Wille, Interview, 02.06.2016). Durch die Untersuchung und Erfassung

von diesen Interaktionspunkten mit dem Kunden, müssen Banken darüberhinaus neue Distributi-

onsmöglichkeiten prüfen. Es reicht nicht mehr aus, auf den Kunden zu warten, bis er sich mit ei-

nem Bedürfnis bei seiner Bank meldet. Vielmehr muss die Bank ihre Kundenschnittstelle dorthin

verlagern, wo das Kundenbedürfnis entsteht. Durch die Zusammenarbeit mit Kooperationspartner

kann so die Wertschöpfungskette erweitert und neue sehr interessante Distributionskanäle für

Bankprodukte erschlossen werden (Kauer, 06.06.2016). In diesem Zusammenhang spielt auch Big

Data eine wichtige Rolle. Im digitalen Zeitalter ist es für Banken möglich Informationen über die

Kunden für genaue Analysen zum Kundenverhalten und für passgenaue Vorhersagen zu seinen

Bedürfnissen zu nutzen. Vor diesem Hintergrund müssen Banken ihre Marketing- und Kommunika-

tionsmassnahmen in ihre Omni-Channel-Strategie integrieren und dem Kunden dadurch viel ziel-

gerichteter und persönlicher Produktevorschläge unterbreiten, die zu seinen aktuellen Bedürfnis-

sen passen oder im Idealfall sogar ein Bedürfnis wecken (Beeler, Interview, 10.06.2016). Ein ganz

wichtiger Erfolgsfaktor bei der Entwicklung dieser Omni-Channel-Strategie sei es neben der Opti-

mierung des digitalen Vertriebes, auch den persönlichen Kontakt zum Kundenberater als auch

neuartige Filial- und Beratungskonzepte ins Zentrum der Strategie zu stellen, um dadurch den

komparativen Vorteil gegenüber Neueinsteigern auszuspielen (Ulrich, Interview, 10.06.2016). Ge-

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

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rade was die Verfügbarkeit anbelangt, müssen Banken aber ihr Angebot zeitlich ausdehnen und

den Kunden eine kompetente und persönliche Schnittstelle ohne Kanaleinschränkung an allen

Wochentagen während 18 Stunden zur Verfügung stellen (Wenger, Interview, 07.06.2016).

Geschäftsmodellmuster

Die zweite Handlungsempfehlung im Bereich „Aufstocken und Erzeugen“ geht der Frage nach,

inwiefern sich das Geschäftsmodellmuster der Schweizer Retail Banken transformieren muss, um

die veränderten Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen1. Zum einen sollen die nachfolgenden

Ausführungen zu den Geschäftsmodellmuster2 den Banken helfen, aus eingefahrenen Denkstruk-

turen auszubrechen, indem der Ideengenerierungsprozess auf neue Gedankenbahnen geführt

wird. Zum anderen handelt es sich bei diesen Mustern, um Lösungen und Konzepte, die in ande-

ren Branchen bereits erfolgreich Anwendung finden (Csik, 2014, S. 51 ff.).

From-Push-to-Pull: Das erste Geschäftsmodellmuster, dass sich im Rahmen der Untersuchung

als vielversprechend herauskristallisiert hat, ist der „From-Push-to-Pull“ Ansatz. Dieses Muster ver-

folgt das Ziel, sämtliche unternehmerische Aktivitäten an den Bedürfnissen des Kunden auszurich-

ten. Die Produktion der Leistung, welche die Bank seinen Kunden anbietet, erfolgt dabei unmittel-

bar auf Basis der Bedürfnisse der Kunden. Um dieses Geschäftsmodellmuster umsetzen zu kön-

nen braucht es eine flexible Wertschöpfungskette die einen hohen Anteil an Self-Services aufweist.

Zudem werden bei diesem Prinzip die direkten Kundenschnittstellen bei der Distribution, nach de-

ren Bedürfnissen und Nutzungsgewohnheiten ausgerichtet (Gassmann u. a., 2013).

Der heutige Retail Kunde ist aufgrund der Möglichkeiten, die mit der Nutzung des Internets einher-

gehen, besser informiert als je zuvor. Daher fordert er von seiner Bank mehr Flexibilität, Transpa-

renz und deutlich stärker personalisierte Produkte. Darüber hinaus entscheidet er wann und wo er

welche Leistungen beziehen möchte. Dies führt dazu, dass sich der Kunde nach der Prüfung und

dem Vergleich sämtlicher Angebote, für diejenige Bank entscheidet, die ihm am ehesten den ge-

wünschten Mehrwert ermöglicht (Kauer,Interview, 06.06.2016). Deswegen müssen die Ge-

schäftsmodelle stetig von den Kunden aus gedacht und ausgestaltet werden. Vor diesem Hinter-

grund gilt es für die Banken ihr Geschäftsmodell von einem Push- hin zu einem Pull-Modell zu

transformieren indem das zukünftige Kundenverhalten und die Kundenpräferenzen möglichst ge-

nau antizipiert und diese Erkenntnisse als Leitplanken für die Umsetzung der Geschäftsmodellum-

gestaltung gezielt genutzt werden (Thomet, Interview, 06.06.2016)

1 Ein einzelnes Geschäftsmodell kann mehrere dieser Muster verkörpern (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 59) 2 Bei der Analyse des Geschäftsmodellmusters wurde auf die Arbeit von Gassmann u. a.(2013) zurückgegriffen, die auf

Basis einer breitangelegten Untersuchung 55 mögliche Geschäftsmodellmuster identifiziert hat.

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 106

Solution Provider: Im Rahmen dieses Musters bietet eine Bank seinen Kunden eine umfassende

Gesamtlösung an integrierten Produkt- und Dienstleistungsangeboten. Es geht dabei darum, dem

Kunden ein „Rundum-Sorglos-Paket“ zu offerieren, welches ihm einen Grossteil aller Aufgaben in

einem bestimmten Bereich abnimmt. Mit dieser Variante der Geschäftsmodelltransformation würde

die Bank mit seinen Produkten und Dienstleistungen den gesamten Bedarf rund um das Kunden-

problem abdecken und dadurch als Single Point of Contact fungieren. Dies ermöglicht es der

Bank, die Kundenbeziehung zu intensivieren und so konstantere Einnahmeströme zu generieren.

Ferner erhält die Bank durch die Anwendung dieses Musters Zugang zu einer Reihe von wichtigen

Informationen über die Nutzungsgewohnheiten und Bedürfnisse seiner Kunden. Diese Erkenntnis-

se wiederum können genutzt werden, um neue, verbesserte Lösungen zu entwickeln (Gassmann

u. a., 2013).

Im Kontext dieses Geschäftsmodellmusters geht es darum, sich von der Politik des margengetrie-

benen Verkaufens abzuwenden und als Solution Partner für Kunden bei der Lösung ihrer Proble-

me zu fungieren. Mit Hilfe der empirischen Untersuchung konnten drei verschiedene Bereiche

identifiziert werden, in denen sich die Bank als bewehrter Solution Partner positionieren kann. Der

erste Bereich des Solution Partner Musters zielt darauf ab, dem Kunden wie bisher bei der Lösung

seiner finanziellen Fragestellungen und Bedürfnissen zu helfen. Bei dieser Form der Beratung lie-

ge die Kunst in der Kombination von maximal möglicher Individualisierung und Bedürfnisbefriedi-

gung mit maximal möglicher Standardisierung mit Hilfe von digitalen Kanälen (Ulrich, Interview,

10.06.2016). Bei dem zweiten Bereich des Solution Partner Ansatzes, geht es darum die Wert-

schöpfungskette zu erweitern, indem die eigenen Plattformen durch mehrere Module von ver-

schiedenen externen Anbietern ergänzt werden. Darauf basierend können Kunden mit Finanz- und

Nichtfinanzprodukten und -dienstleistungen über die bevorzugten Vertriebskanäle beliefert werden

(Thomet, 06.06.2016). Gemäss Thomet (Interview, 06.06.2016) könne dies beispielsweise so um-

gesetzt werden, indem man je nach Bedürfnis und Lebensphase einzelne eigene oder externe

Produkte und Dienstleistungen, wie heute in anderen Branchen üblich, in Form eines Online-

Stores zur Verfügung stellt. Der dritte Bereich des Solution-Partner-Musters könnte so aussehen,

dass man versucht ein Netzwerk mit Marktplatzcharakter zwischen verschiedenen Kunden (Privat-

und Firmenkunden) zu etablieren. Die Komplexität und die immer schneller werdende Entwicklung

führen dazu, dass Geschäfts- und Privatkunden zunehmend überfordert seien und Orientierung in

einem Netzwerk suchen (Kauer, Interview, 10.10.2016). In diesem Sinne soll in Form einer Netz-

werkberatung, Orientierung geschaffen und Kundenutzen gestiftet werden. Dabei gehe es darum,

Kunden auf der eigenen Bankenplattform miteinander zu verbinden, um daraus neue Revenue

Streams und einen erhöhten Share of Interests, zu erzeugen. Die Banken müssten für die Umset-

zung, die dafür notwendige Plattformen sowie das eigene Netzwerk an unterschiedlichen Kunden

zur Verfügung stellen und die richtigen Kooperationspartner dafür finden (Kauer, Interview,

06.06.2016).

Page 116: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 107

Leverage Customer Data und Peer-to-Peer: Mit Hilfe dieser beiden Geschäftsmodellmustern

sollen die oben erwähnten Muster sinnvoll ergänzt werden. Im Zentrum des Leverage Customer

Data Musters steht das Sammeln von Kundendaten, um diese im Anschluss gewinnbringend ein-

zusetzen. Dadurch könne die Wirksamkeit der eigenen Marketingmassnahmen erhöht und eine

verbesserte Entscheidungsgrundlage für Vertriebsmassnahmen geschaffen werden. Zudem führt

es zu einem besseren Verständnis des Konsumverhaltens, wodurch eine zielführende Segmentie-

rung ermöglicht wird (Gassmann u. a., 2013). Dieses Muster soll ergänzend Anwendung finden,

um von den verschiedenen erfolgsversprechenden Möglichkeiten der Digitalisierung und der damit

einhergehenden Nutzung von Big Data Gebrauch zu machen. Beim Peer-Peer Muster fungiert die

Bank als eine Art Mittler, welcher für die sichere und effiziente Abwicklung der Transaktion zwi-

schen Kunden verantwortlich ist. Das Ziel besteht im Wesentlichen darin, sich als eine Art Anlauf-

stelle für die zwischenmenschlichen Bedürfnisse einer Gemeinschaft zu etablieren. Diese Funktion

wird dann im weiteren Verlauf monetär geltend gemacht, indem bspw. eine Transaktionsgebühr

verlangt oder auf indirekte Umsatzformen zurückgegriffen wird. Eine erfolgreiche Umsetzung die-

ses Musters hängt zu einem grossen Teil davon ab, inwieweit es einer Bank gelingt eine vertrau-

enswürdige Atmosphäre für das jeweilige Angebot zu schaffen (Gassmann u. a., 2013). Dieses

Muster soll insbesondere bei der Umsetzung der Netzwerkstrukturen im Rahmen des Solution

Provider Musters angewendet werden.

Veränderungswille und Veränderungsfähigkeit

Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Erfolg der anstehenden Geschäftsmodelltransformation im

hohen Masse davon abhängig sein wird, inwiefern die Banken im Stande sind den notwendigen

Veränderungswillen innerhalb der Belegschaft und die erforderliche Veränderungsfähigkeit der

Organisation zu erzeugen. Während demnach der Veränderungswillen stark mit der Kultur und der

damit verbundenen Offenheit gegenüber Veränderungen verbunden ist, geht es bei der Verände-

rungsfähigkeit eher um die Anpassung der organisationalen Strukturen.

Gerade die Auseinandersetzung mit dem Menschen sei im Rahmen der stattfindenden Transfor-

mationsphase etwas vernachlässigt worden (Wille, Interview, 02.06.2016). In diesem Zusammen-

hang müssen sich die Banken die Frage stellen, welche Auswirkungen die geplanten oder bereits

umgesetzten Veränderungen auf die Mitarbeiter haben. Banken müssen in diesem Kontext auch

die HR-Strategie komplett den Veränderungen anpassen und sich im klaren sein, welche zukünfti-

gen Mitarbeiter werden gebraucht, um einerseits die Transformation erfolgreich zu meistern und

andererseits auch langfristig erfolgreich tätig zu sein (Scherrer, Interview, 08.06.2016).

Als elementare Voraussetzung für eine erfolgreiche Geschäftsmodellweiterentwicklung ist neben

dem Veränderungswill auch die Veränderungsfähigkeit ein Thema, dass die Retail Banken im

Rahmen ihrer strategischen Neuausrichtung zeitnah angehen müssen. Für die Umsetzung der

vorgestellten Handlungsempfehlungen sei es entscheidend, dass das Denken in Vertriebskanal-

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Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 108

Silos aufgebrochen wird und die Organisationsstrukturen, die IT-Architektur, die Produktentwick-

lung sowie die finanzielle Vertriebssteuerung den veränderten Rahmenbedingungen angepasst

werden (Thomet, Interview, 06.06.2016). Gerade die Steuerungsinstrumente der Banken spielen

gemäss Thomet (Interview, 06.06.2016) eine wichtige Rolle. Sie müssen sowohl bei den quantita-

tiven als auch bei den qualitativen Faktoren die individuelle Erfolgsbeiträge und den Wertbeitrag

der einzelnen Organisationseinheiten messen können. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass

Transformationsmassnahmen oft auf organisationale und strukturelle Barrieren gestossen sind, die

den Erfolg solcher Massnahmen gefährden. Um diese Stolpersteine in der Entwicklung neuartiger

Geschäftsmodelle zu überwinden, wäre es eine Möglichkeit, dass man parallel zur bestehenden

Organisation eine mit allen erforderlichen Kompetenzen versehene Innovationszelle etabliert. Da-

mit könnte man einen Raum ohne Silos, ohne Grenzen und ohne Schwerfälligkeit sowie Komplexi-

tät schaffen, der eine zielführende Geschäftsmodellweiterentwicklung und disruptives Denken för-

dert. Im Extremfall können diese Innovationszellen eigenständige Tochterunternehmen sein (Kau-

er, Interview, 06.06.2016 & Thomet, Interview, 06.06.2016).

4.4.3 Zusammenfassung

Banken müssen ihre Geschäftsmodelle kritische hinterfragen und an die neuen Realitäten anpas-

sen, um auch weiterhin ihre volkswirtschaftliche Bedeutung einnehmen zu können. Um sich diesen

Herausforderungen zu stellen und nachhaltig profitabel ausgerichtet zu sein, dienen die aufgeführ-

ten Handlungsempfehlungen, die mit Hilfe der folgenden Abbildung 30 nochmals zusammenge-

fasst werden.

Page 118: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 109

Abbildung 30: Grafische Zusammenfassung der Handlungsempfehlungen Quelle: Eigene Darstellung

Im Zuge der veränderten Rahmenbedingungen hat insbesondere die unbefriedigende Kostenstruk-

tur dazu geführt, dass die Banken unter einer negativen Margensituation leiden. Die Kostenreduk-

tion und der damit verbundene Effizienzgewinn sind daher wichtige Faktoren, um die Profitabilität

zu erhöhen. In diesem Kontext müssen Retail Banken die Komplexität und die Kosten pro Kun-

denkontakt reduzieren sowie auf eine fokussierte Bündelung der wichtigsten Ressourcen und Akti-

vitäten abzielen. Dadurch kann ein erfolgsversprechendes Fundament gelegt werden, um auf des-

sen Basis die Kostenstruktur auf ein ausgeglichenes Niveau zu senken und die benötigten Effizi-

enzgewinne zu erreichen.

Effizienzgewinne sind notwendig, werden aber nicht ausreichen, um den gestiegenen Anforderun-

gen der Kunden, die Intensivierung des Wettbewerbes sowie dem wachsenden Trend zur Digitali-

sierung gerecht zu werden. Demnach müssen Banken auch auf der Aktivseite der Bilanz Wege

finden, um neue Ertragspotenziale zu erschliessen. Die entscheidende Voraussetzung, um den

nötigen Transformationsprozess anzustossen ist in diesem Sinne die Erzeugung des Verände-

Verzettelung der Kräfte

! Verschlankung der organisationalen Struktur und Fokus auf Kernprozesse

! Analyse des Wachstumspotenziales pro Geschäftsbereich

! Fortsetzung des Outsourcing-Prozesses

! Freisetzung von Ressourcen, um stärker auf Kundenbedürfnisse zu fokussieren

Reduzieren & Eliminieren

Komplexität

! Ausbau des Standardisierungsgrades von Prozessen

! Auslagerung komplexer IT-Services, um neue Technologien zu entwickeln und externes Know-how zu gewinnen

! Komplexitätsreduktion von operativen Prozessen in Richtung End-to-End-Prozess-Optimierungen

! Ersetzung von kanalbezogene Spezifika durch einheitliche Prozessstandards

! Angleichung der Front-Ends für den Kunden und den Mitarbeiter

Kosten pro Kundenkontakt

! Effizienzverbesserung und Kundenzufriedenheit durch Erhöhung des Self-Service Anteiles

! Ausbau des digitalen Angebots auf Kosten von physischen Bankfilialen

! Aufwertung der Filialen mit innovativen und profitablen Konzepten

! Verbesserung der Profitabilität und der Wettbewerbsfähigkeit

Kundenzentriertes Omni-Channel-Vertriebsorchester

! Kundenzentrierung im Kontext eines innovativen Omni-Channel-Vertriebes stärker in den Fokus rücken

! Erhöhung der Effizienz, Transparenz und Individualisierung des Vertriebes

! Aufbau von Kundenverständnis mit Hilfe des Customer-Decision-Journey-Ansatzes

! Ausbau der Variabilität und Vielseitigkeit der Kanäle

! Prüfung neuer Distributionskanäle " Direktvertrieb

! Nutzung von Big Data Technologien, um Kunde besser zu segmentieren und individueller anzusprechen

Aufstocken und Erzeugen

Geschätsmodellmuster

! From-Push-to-Pull: Ausrichtung sämtlicher Aktivitäten an den Bedürfnissen der Kunden

! Solution Provider: Abdeckung des gesamten Bedarfs rund um das Kundenproblem " «Rundum-Sorglos-Paket»

! Ergänzend Leverage Customer Data und Peer-to-Peer: Nutzung digitaler Kundendaten und Übernahme einer Vermimittlerrolle bei Transaktionen zwischen den Kunden

Veränderungswille und Veränderungsfähigkeit

! Erzeugung des notwendigen Veränderungswillens innerhalb der Belegschaft

! Anpassung der organisationalen Strukturen " Aufbrechen des Silo-Denkens, Vereinfachung der IT-Infrastruktur, Veränderung der Steuerungselemente

Umsetzung

Ausrichtung Voraussetzung

Page 119: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Auswertung der empirischen Untersuchung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 110

rungswillens sowie der Veränderungsfähigkeit. Ist diese Grundlage erfüllt, geht es darum die Aus-

richtung des Geschäftsmodells den Anforderungen anzupassen und von einem Push- zu einem

Pull-Muster zu wechseln, das sämtliche unternehmerische Aktivitäten an den Bedürfnissen des

Kunden ausrichtet. Darüber hinaus muss sich das Geschäftsmodellmuster dahingehend verän-

dern, dass sich die Banken als Problemlöser für Kunden verstehen und sich von der Politik des

margengetriebenen Verkaufens abwenden. Ist diese Ausrichtung und das Verständnis für die ei-

gene Tätigkeit gegeben, geht es in letzten Schritt darum, die konsequente Weiterentwicklung der

bisherigen Multi-Channel-Strategie hin zu einem kundenzentrierten Omni-Channel-Orchester vo-

ranzutreiben. Mit diesen Massnahmen wird es der Retail Banking Branche gelingen, wieder neue

vielversprechende Erträge zu generieren und ein nachhaltig profitables Wachstum sicherzustellen.

Page 120: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Schlussbetrachtung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 111

5 Schlussbetrachtung Das folgende Kapitel 5.1 fasst die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nochmals zu-

sammen und gibt eine Antwort auf die eingangs formulierten Forschungsfragen. Darauf bezug-

nehmend werden die Ergebnisse in Kapitel 5.2 kritisch gewürdigt und im Rahmen des Kapitels 5.3

Anknüpfungspunkte für vertiefende Forschungen diskutiert.

5.1 Zusammenfassung Der Ausgangspunkt der Arbeit bildete die Feststellung, dass die Schweizer Retail Banking Branche

vor einer Vielzahl unterschiedlicher Herausforderungen steht, die einen tiefgreifenden, alle Teile

des Bankgeschäfts umfassenden Wandel nötig machen. Den damit verbundenen Transformati-

onsbedarf gilt es für eine zukünftig erfolgreiche Ausrichtung mit zielführenden Modifikationen des

Geschäftsmodells zu nutzen. Die Arbeit verfolgte daher das Ziel, die bereits stattgefundenen Ver-

änderungen des generischen Geschäftsmodells von Schweizer Retail Banken seit Ausbruch der-

Finanzkrise zu analysieren und darauf aufbauend die notwendige Geschäftsmodellweiterentwick-

lung in Form von Handlungsempfehlungen aufzuzeigen.

Im Kontext der dieser Arbeit Zugrunde liegende Zielsetzung wurde die Problemstellung zunächst

aus einer theoretischen Perspektive untersucht und das Geschäftsmodell-Konzept sowie konkrete

und zielführende Strukturierungsmöglichkeiten theoretisch aufgearbeitet und erläutert. Zusätzlich

wurde mit Hilfe einer ausgedehnte Literaturrecherche die wichtigsten Grundlagen in Bezug auf die

Schweizer Banken Industrie in Allgemeinen und auf die Retail Banking Branche im Spezifischen

beleuchtet.

Um die aus der Theorie gewonnen Erkenntnisse aufzuwerten und die Beantwortung der For-

schungsfrage fundiert abzustützen, wurde daraufhin eine empirische Untersuchung durchgeführt.

Auf Basis von qualitativen Expertenbefragungen wurden Erfahrungen aus der Praxis erhoben, um

weiterführendes Wissen zu generieren. An der Studie beteiligten sich acht Experten aus der Retail

Banking Branche, die wertvolle Beiträge zur Beantwortung der Forschungsfrage lieferten. Zu-

nächst wurden die aufgestellten vier Forschungsziele im Lichte der Experteninterviews und mit

Hilfe des dafür entwickelten Research-Frameworks diskutiert. Darüber hinaus wurden die Erkennt-

nisse aus dem explorativen Ansatz zusammengetragen und verdichtet, um daraus die stattgefun-

denen Veränderungen zu beschreiben und sechs Handlungsempfehlungen für eine zielgerichtete

Geschäftsmodellweiterentwicklung abzuleiten.

5.2 Kritische Würdigung Obwohl mit den Ergebnissen dieser Arbeit ein wertvoller Beitrag zur zielführenden Geschäftsmo-

dellweiterentwicklung von Schweizer Retail Banken geleistet und breit abgestützte Optimierungs-

möglichkeiten dargelegt wurden, sind dennoch Einschränkungen in Bezug auf die Aussagekraft

Page 121: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Schlussbetrachtung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 112

vorzunehmen. Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse sind nur bedingt möglich, da die qualitative

Forschungen generell der Subjektivität der Aussagen der Teilnehmer ausgesetzt sind (Flick, 2009,

S. 448). Wenngleich verschiedene Experten aus unterschiedlichen Banken für diese Untersuchung

gewonnen werden konnten, stellen die Ergebnisse dieser Arbeit nur einen begrenzten Ausschnitt

der Realität dar. Die Verallgemeinerung der Erkenntnisse und die Übertragbarkeit der entwickelten

Handlungsempfehlungen sind dadurch nur eingeschränkt möglich. Da das Ziel dieser Arbeit auf

der Identifikation branchenübergreifender Trends und Möglichkeiten für die Weiterentwicklung des

generischen Geschäftsmodells lag, wurden für das empirische Vorgehen keine Kriterien definiert,

die eine mehrdimensionale Untersuchung mit differenzierten Schwerpunkten ermöglicht hätten.

Demnach hat keine abgestufte Betrachtung in Abhängigkeit von unterschiedlichen Bankengrup-

pen, -grössen oder strategischen Ausrichtungen stattgefunden. Zudem flossen in die Beantwor-

tung der einzelnen Zielsetzungen des Research-Frameworks grundsätzlich nur die Aussagen der

Experten sowie die Erkenntnisse aus den in Kapitel 2.3.1 vorgestellten relevanten Vorarbeiten.

Eine zusätzliche Anreicherung aus theoretischen Quellen fand nicht statt.

Des Weiteren war es den knappen zeitlichen Ressourcen sowie dem breit gefassten Untersu-

chungsrahmen geschuldet, dass die verschiedenen Handlungsempfehlungen auf einer relativ ho-

hen Flughöhe beschrieben wurden und es für deren Umsetzung in der Praxis eine wesentlich ver-

tieftere Aufarbeitung benötigt. Aufgrund der engen zeitlichen Aneinanderreihung der Expertenin-

terviews war es zudem nicht möglich, zwischenzeitliche Fazits auszuarbeiten, um diese mit den

nachfolgenden Interviewpartnern diskutieren zu können. Daher lag der Schwerpunkt auf der konti-

nuierlichen explorativen Erforschung weiterer Erkenntnissen, statt auf der Überprüfung von Zwi-

schenergebnissen.

Zusammenfassend kann trotz den Kritikpunkten festgehalten werden, dass es mit Hilfe des kon-

zeptionellen Research-Frameworks möglich war, werthaltige Erkenntnisse aus den Interviews zu

gewinnen, auf deren Basis die Qualität der Beantwortung der Forschungsfrage sichergestellt wer-

den konnte.

Page 122: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Schlussbetrachtung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings Seite 113

5.3 Fazit und Ausblick Die qualitative Untersuchung hat gezeigt, dass in dieser Arbeit untersuchte Themengebiet der Ge-

schäftsmodellweiterentwicklung bankübergreifend als ein eminent relevantes Thema auf der Ma-

nagementagenda identifiziert wurde. Eigentlich alle Banken hinterfragen ihre eigenen Geschäfts-

modelle kritisch und prüfen zielführende Transformationen. Während dem es in den vergangenen

Jahren allerdings eher darum ging, Effizienzgewinne zu realisieren, um die Kostenstruktur zu ver-

bessern, geht es in Zukunft eher darum die Effektivität zu erhöhen und neue Ertragsquellen aufzu-

spüren. Die Umsetzung von solch tiefgreifenden Veränderungsprojekten, mit dem Ziel das Ge-

schäftsmodell nachhaltig anzupassen, wird allerdings aufgrund verschiedener interner Einflüssen

erschwert. Daher muss zuerst eine entsprechende Veränderungsfähigkeit innerhalb der organisa-

tionalen Struktur hergestellt, der Veränderungswille innerhalb der Belegschaft erzeugt sowie die

erhebliche Komplexität innerhalb der Systemen und Prozessen aufgebrochen werden. Erst wenn

es einer Bank gelingt, diese fundamental wichtigen Rahmenbedingungen zu verbessern, kann sie

die erfolgreiche Geschäftsmodelltransformation bewerkstelligen.

Hinsichtlich vielversprechender weiterführender Forschungsarbeiten zu diesem Themenkomplex

wäre es interessant, wenn man die detaillierte Ausgestaltung der einzelnen Handlungsempfehlun-

gen noch genauer ausführen würde. Es ist davon auszugehen, dass es für die erfolgreiche Umset-

zung jeder Handlungsempfehlung in der Praxis weiterführende und umfassende Sekundär- oder

Primärforschung bedarf. Dadurch könnte man ferner den Neuigkeitsgehalt der gewonnen Erkennt-

nisse erhöhen und nach allfälligen Best Practcie Beispielen suchen. Ein weiterer interessanter An-

satzpunkt, der sich aus der vorliegenden Untersuchung für weiterführende Arbeiten ergibt, wäre

die Quantifizierung der bereits stattgefundenen Veränderungen innerhalb des Geschäftsmodells.

Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den quantitativen Auswirkungen gerade hinsichtlich Er-

tragsquellen und Kostenstruktur, könnte dazu führen, die abgegebenen Handlungsempfehlungen

werthaltig anzureichern oder zu ergänzen.

Page 123: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

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Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings X

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Kapitel | Literaturverzeichnis

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Page 131: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Interviewverzeichnis

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings XVIII

Interviewverzeichnis Die Tonaufnahmen, die Transkripte und die Auswertung der Interviews sind im Anhang ersichtlich.

Name Arbeitgeber und Funktion Datum und Uhrzeit Dauer Ort

Thomas Ulrich

UBS, Regionaldirektor und Präsi-dent Zürcher Bankenverbund

10.06.2016 16.00 Uhr

60 Min Zürich

René Beeler ZKB, Leiter Business Development

10.06.2016 08.00 Uhr

60 Min Zürich

Manuel Thomet Additiv, Head Consulting Banking 06.06.2016 17:00 Uhr

110 Min Zürich

Markus Locher Credit Suisse, Strategy & Projects 09.06.2016 09.00 Uhr

30 Min Zürich

Michael Scherrer Raiffeisen, Bereichsleiter Strategie

08.06.2016 15:00 Uhr

60 Min St. Gallen

Felix Wenger Raiffeisen, Bereichsleiter Vertrieb & Kanäle

07.06.2016 10:00 Uhr

50 Min St. Gallen

David Kauer PostFinance, Leiter Produktma-nagement Value Added Services

06.06.2016 11.00 Uhr

90 Min Bern

Christoph Wille Bank Valiant, Leiter Vertriebskanäle

02.06.2016 14:00 Uhr

40 Min Bern

Page 132: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Anhang

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings XIX

Anhang Die einzelnen Anhänge befinden sich in digitaler Form auf dem physischen Datenträger (CD)

Anhang A: Interviewleitfaden

Anhang B: Transkripte der durchgeführten Interviews

Anhang C: Tonaufnahmen der Interviews

Anhang D: Auswertungsmatrix der empirischen Untersuchung

Page 133: Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings und die damit verbundene Transformation

Kapitel | Ehrenwörtliche Erklärung

Die Neupositionierung des Schweizer Retail Bankings XX

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst habe und keine anderen als

die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet sowie Zitate kenntlich gemacht habe.

Die Arbeit lag in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vor und wur-

de bisher noch nicht veröffentlicht.

Ich bin mir bewusst, dass eine unwahre Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Ort, Datum Unterschrift