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3 Motorik 50 3 3.3 Motorische Systeme im Gehirn Zu den motorischen Systemen des Gehirns tauchen nicht nur im Bereich der Neuroana- tomie Fragen auf, sondern auch in der Phy- siologie. Das Kapitel erscheint zunächst recht umfangreich. Da im schriftlichen Examen aber vor allem nach den klinischen Symptomen der Kleinhirn- und Basalganglienerkrankungen ge- fragt wird, solltest du dich beim Lernen vor al- lem darauf konzentrieren. 3.3.1 Bewegungsentwurf im limbischen System und im motorischen Assoziationskortex Man vermutet, dass das limbische System be- deutsam für die Entstehung einer Bewegungs- idee ist: Von diesem Bereich des Gehirns soll der Antrieb ausgehen, der schließlich zu ei- ner Bewegung führt. Doch bevor das limbi- sche System zur Bewegung antreibt, muss es erst mal wissen, um was für eine Bewegung es sich handelt. Für diese Planung der Bewegung sind die motorischen Assoziationsfelder sowie der prä- und supplementär-motorische Kortex zu- ständig. Die Aktivität in diesen Hirnregionen lässt sich bereits mehrere 100 Millisekunden vor Bewegungsbeginn elektroenzephalogra- phisch ableiten. Die Zunahme der neurona- len Aktivität kann dabei sowohl über dem Ver- tex (Scheitel) – also über dem Parietallappen – als auch über dem präfrontalen Kortex beider Hirnhemispären gemessen werden. Dauer und Amplitude der Ableitungen sind dabei je nach Art der geplanten Bewegung unterschiedlich. Eine Erregung von Nozizeptoren kann die ipsilateralen Flexoren erregen, die ipsilateralen Extensoren hemmen und die kontralateralen Extensoren erregen. Merke! 3.2 Fremdreflexe Man unterscheidet zwischen Eigen- und Fremdreflexen. Beim Eigenreflex ist das Or- gan, das den Reiz aufnimmt, auch gleichzeitig das Organ, das den Reflex ausführt. Der Pa- tellarsehnenreflex z. B. ist ein Eigenreflex (s. Kapitel 3.1.1, S. 42): Die Dehnung des M. quadriceps femoris wird von dessen eigenen Muskelspindeln gemessen, der Muskel zuckt und führt so den Reflex selbst aus. Ein Beispiel für einen Fremdreflex ist der Fle- xorreflex: Wenn man z. B. mit dem Fuß in ei- nen Nagel tritt, nimmt die Haut des Fußes ei- nen Schmerzreiz auf und leitet dieses Signal an das Rückenmark. Dort wird es über mehrere Synapsen verschaltet und bewirkt schließlich eine Kontraktion der Flexoren des betroffenen Beines – der Fuß wird zurückgezogen. Zusätz- lich wird auch noch der Tonus an den Exten- soren des betroffenen Beines gesenkt. Doch damit nicht genug: Am anderen Bein werden gleichzeitig die Extensoren aktiviert. Dieser Fremdreflex wird auch gekreuzter Ex- tensorreflex genannt. Er verhindert, dass man beim Zurückziehen des Fußes fällt. Auch an der oberen Extremität können Schmerz- reize einen Flexor- und den gekreuzten Exten- sorreflex auslösen. Übrigens … Das Tetanustoxin (Gift des Bakteri- ums Clostridium tetani) spaltet Protei- ne des SNARE-Komplexes, der für die Exozytose der mit Glycin gefüllten Ve- sikel verantwortlich ist und hemmt so- mit die Ausschüttung synaptischer Ve- sikel. Es kommt zu einer Enthemmung des Aα-Motoneurons und zur Ver- krampfung der Skelettmuskulatur. Das entsprechende Krankheitsbild nennt man Wundstarrkrampf (Tetanus).

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3.3 Motorische Systeme im Gehirn

Zu den motorischen Systemen des Gehirns tauchen nicht nur im Bereich der Neuroana-tomie Fragen auf, sondern auch in der Phy-siologie. Das Kapitel erscheint zunächst recht umfangreich. Da im schriftlichen Examen aber vor allem nach den klinischen Symptomen der Kleinhirn- und Basalganglienerkrankungen ge-fragt wird, solltest du dich beim Lernen vor al-lem darauf konzentrieren.

3.3.1 Bewegungsentwurf im limbischen System und im motorischen Assoziationskortex

Man vermutet, dass das limbische System be-deutsam für die Entstehung einer Bewegungs-idee ist: Von diesem Bereich des Gehirns soll der Antrieb ausgehen, der schließlich zu ei-ner Bewegung führt. Doch bevor das limbi-sche System zur Bewegung antreibt, muss es erst mal wissen, um was für eine Bewegung es sich handelt.Für diese Planung der Bewegung sind die motorischen Assoziationsfelder sowie der prä- und supplementär-motorische Kortex zu-ständig. Die Aktivität in diesen Hirnregionen lässt sich bereits mehrere 100 Millisekunden vor Bewegungsbeginn elektroenzephalogra-phisch ab leiten. Die Zunahme der neurona-len Aktivität kann dabei sowohl über dem Ver-tex (Scheitel) – also über dem Parietallappen – als auch über dem präfrontalen Kortex beider Hirnhemispären gemessen werden. Dauer und Amplitude der Ableitungen sind dabei je nach Art der geplanten Bewegung unterschiedlich.

Eine Erregung von Nozizeptoren kann – die ipsilateralen Flexoren erregen, – die ipsilateralen Extensoren hemmen und – die kontralateralen Extensoren erregen.

Merke!

3.2 Fremdreflexe

Man unterscheidet zwischen Eigen- und Fremdreflexen. Beim Eigenreflex ist das Or-gan, das den Reiz aufnimmt, auch gleichzeitig das Organ, das den Reflex ausführt. Der Pa-tellarsehnenreflex z. B. ist ein Eigenreflex (s. Kapitel 3.1.1, S. 42): Die Dehnung des M. quadriceps femoris wird von dessen eigenen Muskelspindeln gemessen, der Muskel zuckt und führt so den Reflex selbst aus.Ein Beispiel für einen Fremdreflex ist der Fle-xorreflex: Wenn man z. B. mit dem Fuß in ei-nen Nagel tritt, nimmt die Haut des Fußes ei-nen Schmerzreiz auf und leitet dieses Signal an das Rückenmark. Dort wird es über mehrere Synapsen verschaltet und bewirkt schließlich eine Kontraktion der Flexoren des betroffenen Beines – der Fuß wird zurückgezogen. Zusätz-lich wird auch noch der Tonus an den Exten-soren des betroffenen Beines gesenkt. Doch damit nicht genug: Am anderen Bein werden gleichzeitig die Extensoren aktiviert.Dieser Fremdreflex wird auch gekreuzter Ex-tensorreflex genannt. Er verhindert, dass man beim Zurückziehen des Fußes fällt.Auch an der oberen Extremität können Schmerz-reize einen Flexor- und den gekreuzten Exten-sorreflex auslösen.

Übrigens …Das Tetanustoxin (Gift des Bakteri-ums Clostridium tetani) spaltet Protei-ne des SNARE-Komplexes, der für die Exozytose der mit Glycin gefüllten Ve-sikel verantwortlich ist und hemmt so-mit die Ausschüttung synaptischer Ve-sikel. Es kommt zu einer Enthemmung des Aα-Motoneurons und zur Ver-krampfung der Skelettmuskulatur. Das entsprechende Krankheitsbild nennt man Wundstarrkrampf (Tetanus).