30
A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft Egal, ob wir von Schulen, Familien, Unternehmen, Hochschulen, Be- hörden, Medien oder Einkaufszentren sprechen, überall scheint sich etwas zu verändern. Nichts Dramatisches und Bedrohliches, aber trotzdem: Altbekannte Rituale verschieben sich und etablierte Erklä- rungsmuster helfen oft nicht mehr. Teilweise ist es nur ein Gefühl und etwas, das wir empirisch noch nicht messen können oder einfach noch nicht gemessen haben. Trotzdem können wir die Existenz dieser Bewegung und dieses Wandels nicht verleugnen. Was wir vom Umgang mit Zombies lernen können: Es bewegt sich was, wir merken es kaum, aber es ist da Nennen wir sie Emily. Mit ihren 24 Jahren hat sie einen Job, bei dem sie durchaus gutes Geld verdient, das sie aber ohne schuldhaftes Zögern auch rasch wieder ausgibt: Freizeit, Kleidung, Reisen, Wohnungseinrich- tungen und viele andere Dinge sind wichtig für Emily. Natürlich hat sie auch ein iPhone, das sie locker und lässig in ihrer Handtasche mit sich herumführt. Wie viele andere ihrer Generation findet Emily Zombiefilme absolut geil. Diese blassen Gesichter, die etwas unsicher in die Welt starren und trotzdem eine unheimliche Macht verkörpern. Einem Zom- bie kann niemand entgehen. Zwar ist Zombie nicht unbedingt das Markenzeichen ihrer Generation, aber Emily mag Zombiefilme. World War Z ist der Titel eines Spielfilms, der ruhig und harmlos be- ginnt. Lediglich wer ganz genau hinhört, der registriert im Hinter- grund scheinbar belanglose Nachrichten, die aber Beunruhigung si- gnalisieren könnten. Die Familie des von Brad Pitt gespielten Protago- nisten bekommt davon nichts mit, frühstückt friedlich und amerika- nisch, steigt in das Familienauto und fährt weg. Langsam wird die Musik etwas düsterer, die Farben etwas grauer – aber alles das sind Veränderungen, die man erst richtig bemerkt, wenn man sich den Film zum zweiten Mal anschaut. Doch irgendwann kommt selbst bei einem wenig sensiblen Zeitgenos- sen und Kinobesucher das Gefühl auf, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Der Verkehr staut sich und am Ende der Straße beginnt das 11

A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

A. Z wie Zombie: Eine neue Generation,die uns alle irgendwie doch betrifft

Egal, ob wir von Schulen, Familien, Unternehmen, Hochschulen, Be-hörden, Medien oder Einkaufszentren sprechen, überall scheint sichetwas zu verändern. Nichts Dramatisches und Bedrohliches, abertrotzdem: Altbekannte Rituale verschieben sich und etablierte Erklä-rungsmuster helfen oft nicht mehr. Teilweise ist es nur ein Gefühl undetwas, das wir empirisch noch nicht messen können oder einfachnoch nicht gemessen haben. Trotzdem können wir die Existenz dieserBewegung und dieses Wandels nicht verleugnen.

Was wir vom Umgang mit Zombies lernen können: Es bewegt sich

was, wir merken es kaum, aber es ist da

Nennen wir sie Emily. Mit ihren 24 Jahren hat sie einen Job, bei dem siedurchaus gutes Geld verdient, das sie aber ohne schuldhaftes Zögernauch rasch wieder ausgibt: Freizeit, Kleidung, Reisen, Wohnungseinrich-tungen und viele andere Dinge sind wichtig für Emily. Natürlich hat sieauch ein iPhone, das sie locker und lässig in ihrer Handtasche mit sichherumführt. Wie viele andere ihrer Generation findet Emily Zombiefilmeabsolut geil. Diese blassen Gesichter, die etwas unsicher in die Weltstarren und trotzdem eine unheimliche Macht verkörpern. Einem Zom-bie kann niemand entgehen. Zwar ist Zombie nicht unbedingt dasMarkenzeichen ihrer Generation, aber Emily mag Zombiefilme.

World War Z ist der Titel eines Spielfilms, der ruhig und harmlos be-ginnt. Lediglich wer ganz genau hinhört, der registriert im Hinter-grund scheinbar belanglose Nachrichten, die aber Beunruhigung si-gnalisieren könnten. Die Familie des von Brad Pitt gespielten Protago-nisten bekommt davon nichts mit, frühstückt friedlich und amerika-nisch, steigt in das Familienauto und fährt weg. Langsam wird dieMusik etwas düsterer, die Farben etwas grauer – aber alles das sindVeränderungen, die man erst richtig bemerkt, wenn man sich denFilm zum zweiten Mal anschaut.

Doch irgendwann kommt selbst bei einem wenig sensiblen Zeitgenos-sen und Kinobesucher das Gefühl auf, dass hier irgendetwas nichtstimmt. Der Verkehr staut sich und am Ende der Straße beginnt das

11

Page 2: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Realität zu werden, was dem Film seinen Namen gegeben hat, nämlichdas Auftauchen von Zombies. Sie lösen eine Pandemie aus, die denGroßteil der Weltbevölkerung dahinrafft und den Rest in einem ver-zweifelten Kampf um ihre Existenz zurücklässt.

Gefährlich im Umgang mit Zombies ist ihre anfänglich schwere Er-kennbarkeit: Einen werdenden Zombie erkennt man nicht als solchen,denn er wirkt wie ein ganz normaler Mensch – ein Zustand, der sichirgendwann schlagartig ändert. Brenzlig ist auch die dramatische An-steckungsgefahr: Zombies können schnell eine Pandemie entfachen,weil der Zombie-Virus nicht nur durch die üblichen Übertragungswe-ge weitergegeben wird, sondern auch durch mehr oder weniger dra-matisches Beißen und Heißhunger auf normale Menschen. So werdenaus Menschen rasch erschaudernd blass-rot-schwarze Zombies.

Natürlich besteht die Generation Z, von der dieses Buch handelt, nichtaus willenlosen Zombies, sondern aus einer interessanten und intelli-genten Bewegung, von der wir alle viel lernen können. Trotzdem gibtes interessante Parallelen zwischen der Generation Z und Zombies:

Zombies erkenntman nicht!

Erstens kann man die Generation Z nicht immer sofort alssolche erkennen. Üblicherweise werden die sogenannten

»Generationen« mit Geburtsjahrgängen gleichgesetzt. Nur hilft unsder Blick auf das Geburtsjahr im Reisepass nicht weiter. Denn obwohles gewisse altersmäßige Ballungen gibt, kann auch in einem harmlosaussehenden grauhaarigen Mann ein Vertreter der Generation Z ste-cken. Deshalb funktionieren altersbezogene Stereotypen kaum und eswäre gefährlich, ihnen für Kategorisierungen blind zu vertrauen.

Zombies beißenund stecken an!

Zweitens ist die Generation Z ansteckend, verhält sich alsogenauso wie Zombies. Hier ereilt uns alle das Schicksal von

Brad Pitt im Umgang mit den Zombies, als er sich beim Handgemen-ge mit den Zombies verletzt und erst einmal nicht weiß, ob er selberinfiziert wurde, also auf dem besten Wege ist, zu einem Zombie zumutieren. Genau das macht die Generation Z so spannend, denn dasVerhaltensmuster der Generation Z greift offenbar sukzessive auf Mit-glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, GenerationX oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem Virus infizierenund – hier endet diese Parallele zu den Zombies – wollen teilweisesogar mit dem Virus Generation Z infiziert werden. Denn die Genera-

12 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 3: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

tion Z hat angenehme Seiten und interessante evolutorische Vorteilefür das Bestehen in unserer aktuellen Lebenswelt.

Zombies sindbedrohlich!

Drittens wirken die Vertreter der Generation Z ähnlich wieZombies für viele Menschen Angst einflößend. Die Vertreterder Generation Z weigern sich beharrlich, tradierte Wertemuster wieLeistungsstreben oder Pflichterfüllung fortzuführen. Betrachtet manSchlagzeilen aus unseren Leitmedien wie »Wollen die auch arbeiten?«(ZEIT1) oder »Generation Weichei« (FAZ2), so signalisieren bereitsdiese ein eher skeptisches Verhältnis gegenüber der Generation Z. An-dere Aussagen gehen deutlich weiter und fragen, wie unsere Arbeits-welt überhaupt zielführend gestaltbar ist, wenn sich diese GenerationZ durchsetzt und niemand sie stoppt. Hier ist es wie bei Zombies dasUnbekannte und das Anderssein, was Angst macht.

Zombies verführenzu falschen Hand-lungen!

Viertens ähnelt der Umgang mit der Generation Z dem Um-gang mit dem Phänomen Zombie. Genauso wie World WarZ über weite Strecken eine makaber-düstere Polit-Satire dar-stellt, grenzt auch bei uns der Umgang mit der Generation Z strecken-weise ans Groteske: Da gibt es beruhigende Pseudo-Wissenschaftler,die nach dem Blick in ihre Glaskugel die Existenz des Phänomensschlichtweg abstreiten; sie definieren irgendeine statistisch anmutendeKennzahl, suchen sie, finden sie nicht und kommen zum Schluss, dasses weder einen Unterschied zwischen den Generationen noch irgend-einen Handlungsbedarf gibt. Also: Alles gut! Da gibt es eloquente Ma-nager, die aus ihrer Position der Macht heraus die absolute Deutungs-hoheit für die Arbeitswelt beanspruchen; sie schimpfen über die Ju-gend genauso wie über andere Bevölkerungsgruppen und haben imRegelfall auch immer schöne pragmatische Patentrezepte parat. Also:Eigentlich alles schlecht! Da gibt es einige Medien, die ohne wirkli-chen Durchblick die von ihnen definierte Realität präsentieren; sie ar-tikulieren immer wieder ihre fest vorgefassten Meinungen und stig-matisieren abweichende Meinungen konsequent als Zeichen der In-kompetenz. Also: Eigentlich alles klar! Und schließlich gibt es unsnormale Menschen, die mitten drin stecken, Realitäten plus Deutun-gen erleben und zaghaft-verunsichert versuchen, sich selbst ein plau-sibles Bild zu machen. Also: Es ist überhaupt nichts auch nur ansatz-weise klar.

Was wir vom Umgang mit Zombies lernen können 13

Page 4: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Manchmal will manZombie werden!

In einem Punkt aber besteht allenfalls eine ansatzweise Pa-rallele zwischen der Generation Z und den Zombies: Denn

für manchen, der nicht zur Generation Z gehört, ist genau diese Gene-ration Z absolut positiv besetzt. Sie ist also nicht etwas, das irgendwiedummerweise auf uns zukommt und mit dem man sich notgedrungenirgendwie arrangieren muss. Dieses Zielpublikum sieht in der Generati-on Z wichtige Facetten der Zukunft, die liebenswert und lebenswertsind, also etwas Erstrebenswertes darstellen, dem man auf jeden Fallnacheifern will. Generation Z ist demnach nicht nur ein Wertemuster,das man sich unfreiwillig durch Ansteckung wie eine Grippe »einfängt«,sondern eine Denkhaltung, die in einigen Teilaspekten so interessantist, dass man diese gerne übernimmt, sich also freiwillig anstecken lässt.

Evolutionär geht esum Anpassung,

aber auch um be-wusste Abgrenzung

und Differenzie-rung.

Gerade deshalb werden wir nicht umhinkommen, uns mitdieser Generation Z näher zu beschäftigen und sie genau zuanalysieren. Wir müssen uns darüber klar werden, wie wir zuihr stehen, wie wir mit ihr umgehen und wie wir ihr viel-leicht nacheifern wollen – falls wir nicht sogar selber schon

zur Generation Z gehören. Gleichzeitig muss die Generation Z ihreBesonderheit verstehen und sich in unserer aktuellen Lebenswelt posi-tionieren. Demnach kann es auch nicht um einen Diskurs zwischen»uns« und »denen« gehen, sondern um eine gemeinschaftliche Ausei-nandersetzung mit unserer gemeinsamen Lebenswelt und den dortagierenden Generationen.

Nur eines können wir uns auf keinen Fall erlauben: das Thema zu ver-leugnen und uns dieser Herausforderung nicht zu stellen. Zu offen-kundig ist die gesellschaftliche Relevanz von dem, was in unserer Le-bens- und Arbeitswelt passiert.

Warum uns das Konzept »Generation« weiter hilft: trotz Kritikern, die

Schubladen zumachen, bevor sie offen sind

Geprägt von einer verkorksten Bildungsreform, umgeben von Klima-wandel, Wirtschaftskrise und Massenentlassungen blickt Emily trotz-dem mit ihren 24 Jahren nicht pessimistisch in die Zukunft.

Ein besseres Wort ist »realistisch«: Emily weiß, wo sie steht, sie kennt ihreGrenzen und hat ein gutes Gefühl dafür, was alles für sie erreichar ist.

14 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 5: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Es gibt Forscher, die eine Diskussion mit und um den Begriff »Gene-ration« in positiver Hinsicht für typisch deutsch halten3: Danach hatEngland seine Klasse, Frankreich seine Republik mit gesellschaftlichenAbstufungen und Deutschland seine Generationen, wie man sehrschön an Ausdrücken wie »die Generation von 1914« und die »68er-Generation« sehen kann. Spätestens mit dem Ausdruck »GenerationX« und den Überlegungen zur »Generation Y« haben aber auch dieUS-Amerikaner dieses Klassifizierungssystem entdeckt und ihm welt-weite Akzeptanz verschafft.

Generationenkon-zept: Diskutierbaraber nützlich

Über die Unumstößlichkeit des Begriffs »Generation« kannman trefflich und auf hohem Niveau streiten. Denn: »Gene-ration ist ein weiträumiges begriffliches Vehikel, dessen Be-nutzung bei der sozusagen vorwissenschaftlichen Verständigung überHerkunft, Situation und identitätsstiftende Zugehörigkeit offensicht-lich schwer zu vermeiden ist. Allerdings verbirgt sich nicht selten hin-ter einer vermeintlichen Generation lediglich ein kulturelles Milieu, dassich für den Nabel der Welt hält oder für einen solchen gehaltenwird.«4 Es kann sich also bei der Beschreibung einer Generation durch-aus um eine Minderheit handeln, die aber am meisten Aufmerksamkeitauf sich gezogen und damit die Kraft zur Prägung bekommen hat.

Umgangssprachlich ist »Generation« eine Gruppe von Personen, dieaus einer identischen altersbedingten Zeitspanne kommen. Dieses so-ziologische Konzept ist nicht neu und erst Recht nicht zum ersten Malin Zusammenhang mit den Generationen X und Y erfunden worden,sondern hat eine ganze Reihe von Vorläufern: So lokalisierten NeilHowe und William Strauss5 bisher insgesamt 19 derartige Generati-onen, die mit der Zeitspanne 1588-1617 (»Puritaner«) beginnen undbis in die heutige Zeit reichen. Ansonsten steckt hinter den Generati-onenkonzepten eine umfangreiche – aber teilweise auch kontroversdiskutierte – theoretische Basis, auf deren Diskussion aber im Rahmendieses Buches verzichtet und statt dessen auf die relevante Literatur6

verwiesen werden soll.

Generationenwerden geprägt.

Das Konzept der Generationen umfasst aber nicht nur dieIdee von Zeitspannen, die der Generation vordergründig denNamen verschafft. Vielmehr wird von den Protagonisten des Genera-tionenkonzeptes argumentiert, dass es gerade auch die historischen

Warum uns das Konzept »Generation« weiter hilft 15

Page 6: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Ereignisse sind, die eine Generation prägen. Damit macht es selbstver-ständlich einen Unterschied, ob eine Generation Mondlandung undWoodstock erlebt hat (Babyboomer) oder aber die ersten »PersonalComputer« mit Kassettenlaufwerk und das Ende des kalten Krieges(Generation X) beziehungsweise Google und 9/11 (Generation Y) unddadurch nachhaltig geprägt wird. Oder aber ob man eine Prägungdurch John F. Kennedy (Babyboomer), George Bush Senior (Genera-tion X) beziehungsweise Barack Obama (Generation Y) erfährt. Baby-boomer erlebten die Einführung des Fernsehers, die Generation X denWalkman und die Generation Y die flächendeckende Einführung desInternets.

Nicht alle ent-sprechen dem

Stereotyp.

Bei allen diesen Einflüssen spielt es keine Rolle, ob wirklichalle Vertreter der Generation diese selber erleben: Nichtjeder Babyboomer konnte beim Start von Mondraketen

dabei sein und auch nicht jeder beim Entstehen der Festivalkultur.Aber egal, ob die Mehrzahl dabei oder betroffen waren: Die äußerenUmstände waren quer durch die Generationen unterschiedlich undprägten vor allem Kinder sowie Jugendliche, weil hier die Aufnahme-bereitschaft für derartige Impulse am größten war.

Prägungen bleibenbestehen.

Diese Prägung aus der Jugend bleibt nach Ansicht der For-scher trotz gewisser facettenartiger Schattierungen über das

ganze Leben konstant7: So fangen die Babyboomer (geboren von1950-1964) zunächst an als »durch die Umstände verwöhnt«, habendann ihre visionäre Phase beispielsweise in der Ausrichtung auf denWeltfrieden, nur um dann moralisierend zu agieren und am Ende indie Facette »weiser« Babyboomer zu wechseln.

Also: Trotz kleinerer Veränderungen bleibt immer ein konstanterKern, der sich aus der umgebungsbedingten Prägung ergibt.

Unabhängig von der Klassifizierung nach Generationen bleibt aber diedurchgängige Erkenntnis, dass selbst bei derartigen Konzepten nichtvon einer kompletten Homogenität auszugehen ist: In allen Generati-onen gibt es eine hohe Varianz, was aber nichts an der tendenziellenUnterschiedlichkeit und der charakterisierenden Prägung ändert.

Zeit- und Umgebungseinflüsse führen zum eigentlichen Kern des Ge-nerationenkonzeptes, nämlich den typischen Wertemustern: Auch

16 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 7: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

wenn eine Generation nie einen vollkommen homogenen Block re-präsentiert, gibt es doch für jede Generation Werte, die besonders do-minieren. So gelten8 für die Generation Y Individualismus kombiniertmit Egoismus als typisch, während die zeitlich davor liegende Genera-tion X eher etwas skeptischer die Welt betrachtet. Diese Werte prägenPrivatleben und Berufstätigkeit ebenso wie die Rolle als Konsument,Medienschaffender oder Politiker.

Trotz statistischerStreuung klare Aus-sagen

Trotzdem: Es gibt immer eine beachtliche Streuung inner-halb einer Generation (Intragenerationsvarianz), die abertrotzdem zu klaren Unterschieden zwischen den Mittelwer-ten der verschiedenen Generationen führt (Intergenerationsdifferenz).

Wie bei allen Konzepten, die in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeittreten, positionieren sich sofort die Kritiker9: Sie kritisieren zum einenzu geringe Unterschiedlichkeit der Generationen, würden sich also einebessere zahlenmäßige Untermauerung wünschen. Zum anderen sehensie eher zufallsbedingte Trennungslinien zwischen den Generationen,was zu insgesamt eher zufällig-vagen Aussagen führt; man fordert alsoklarere »natürliche« Grenzen zwischen den Generationen.

Aus diesen Problemen heraus warnen die Kritiker vor allem vor derGefahr der Stereotypen: Falls man zu schnell und zu scherenschnittar-tig Personen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Altersgruppe aufein Wertemuster zuordnet, besteht selbstredend die Gefahr von kon-traproduktiven Interventionen bis hin zum sozialkonstruktivistischenSchaffen von (falscher) Wirklichkeit. Spricht man also jemandemwegen seines Geburtsdatums die Fähigkeit zur Eigeninitiative ab, sokann man mit dieser Beurteilung nicht nur falsch liegen – was alleineschon schlimm wäre –, man kann letztlich sogar eine etwaig vorhan-dene Eigeninitiative im Keim ersticken und damit die Wirklichkeitschaffen, die man selber (fälschlicherweise) »gesehen« hat.

Gerade die Gefahr der Falsch-Typisierung existiert, soll uns aber nichtdavon abhalten, mit dem Generationenkonzept zu arbeiten, wohl aber– und darauf wird noch einzugehen sein – eine extreme Vorsicht wal-ten zu lassen.

In dem Konzept der Generationen liegt ein nicht zu unterschätzenderMehrwert, der allerdings gleichzeitig auch zu Widerstand führt:10

Warum uns das Konzept »Generation« weiter hilft 17

Page 8: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

»Hier wird eine besondere Qualität der Kategorie Generation deutlich.Generationen stiften Verbindungen und stellen so ein Mittel zur ver-ständlichen Kommunikation miteinander dar. Wenn man von ihnenspricht, bedeutet dies mehr als eine bloße Einordnung von Menschenunter besonderen Überschriften oder den Bezug auf vergangeneHandlungen. [...] Und vielleicht liegt in dieser doppelten, beinahetranszendenten Qualität des Begriffes der Grund verborgen, warumsich die Sozialwissenschaften häufig schwer damit tun, von Generati-onen zu sprechen.«

Ein funktionelles Generationenkonzept hat für Unternehmen ebensowie für Einzelpersonen und die Gesamtgesellschaft Vorteile, stiftetalso Nutzen:

Generationenlogikist differenziert.

Erstens steckt dahinter die Hinwendung zu einer bewusst-differenzierten Betrachtungsweise. Man geht also nicht mehr

nur vom typischen Mitarbeiter, Kunden oder einem anderen Akteuraus, sondern eben von unterschiedlichen Generationen. So werdenEntscheidungsträger gezwungen, unterschiedliche Gruppen zu diffe-renzieren und dann unterschiedliche Gruppen auch unterschiedlichzu behandeln.

Generationenlogikist universell.

Zweitens liefert die Generationenlogik ein Konzept, dasseine Gültigkeit quer über die unterschiedlichsten Anwen-

dungsfälle erhält. Das Verstehen der Generation Z erlaubt also glei-chermaßen Aktivitäten, die sich auf das Privat- wie auch auf das Be-rufsleben beziehen. Denn die Generationenlogik ist ein universellesKonzept, das Aussagen über das allgemeine Wertesystem einer Bevöl-kerungsgruppe macht.

Generationenlogikist dynamisch.

Drittens hilft die Generationenlogik, die zentralen Kräftesowie deren Veränderungen in unserer Gesellschaft zu er-

kennen und in ihrer Verursachungsstruktur zu verstehen. Die Dyna-mik der Generationen erklärt Spannungen und Schwierigkeiten eben-so wie Innovationen und Fortschritt.

Generationenlogikist vereinfachend.

Viertens reduziert die Generationenlogik die Komplexität,indem sie die Vielzahl möglicher Gestaltungsformen auf ei-

nige wenige zurückführt, die in sich möglichst homogen sind und sichgleichzeitig untereinander möglichst stark unterscheiden. Wegen die-

18 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 9: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

ser deutlichen Unterschiedlichkeit erhöht die Generationenlogikgleichzeitig die Varietät, weil jede der Generationen letztlich klar un-terschiedliche Aktionen verlangt.

Generationenlogikist relativierend.

Fünftens – ein wichtiges, aber auf den ersten Blick etwas pa-radoxes Argument – wirkt das Generationenkonzept gegenunzulässige Stereotypisierung. Denn gerade solche Leute, die sich ent-rüstet gegen die verengende Unzulässigkeit von »Generationen« wen-den, sind alles andere als immun dagegen, im täglichen Leben viel-leicht noch viel engere und im Ergebnis wirklich falsche Schubladenzu verwenden.

Generell wird somit angesichts der klaren Vorteile, die bei korrektemUmgang offenkundig sind, die Sinnhaftigkeit des Generationenkon-zeptes zur Komplexitätsreduktion und zur Analyseschärfung kaumbestritten. Denn natürlich kann man Menschen nicht alleine aufgrundihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Altersklassen in einzelne Stereoty-pen einteilen, weil zwangsläufig die individuellen Umstände und dieindividuellen Entwicklungsschritte ebenso prägen: Trotzdem gibt esderartige Unterschiede, die man im Sinne von Tendenzaussagen nut-zen kann – vor allem im Umgang mit der Generation Z. Zum Ver-ständnis und als Untersuchungsobjekt ist daher die Kategorisierungs-form Generation Z sinnvoll und erkenntnisfördernd.

Wieso die Generation Z uns alle fasziniert: zwischen unrealistischer

Heroisierung und unfairem »Bashing«

SMS von Emily an ihren Chef: »Es könnte sein, dass ich es nicht ganzschaffe, heute pünktlich zu sein. Ich musste schon lange mal mein Autoin die Werkstatt bringen und dann gibt es ja diesen Berufsverkehr. Bisgleich.«

Spricht man von der jüngeren Generation, so hat es sich seit Tausen-den von Jahren eingebürgert, kritisch mit dieser Altersgruppe umzu-gehen. So wird bereits Sokrates – vermutlich aber fälschlicherweise11 –immer wieder folgendes Zitat zugeschrieben: »Die Jugend von heuteliebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität.Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und ty-rannisieren ihre Lehrer.«

Wieso die Generation Z uns alle fasziniert 19

Page 10: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Derartiges gilt in der Tendenz auch für die jüngere Generation vonheute, wobei es gleichgültig ist, ob man sie (schon) Generation Znennt, oder ob man sich auf die jüngeren Vertreter der Generation Ybezieht. Für diese Gruppe, die ihre Prägung im weitesten Sinne An-fang der 1990er Jahre gefunden hat, gibt es eine faszinierende Beson-derheit, die es in dieser Form bei anderen Generationen nicht gegebenhat: Die Generation Z wird nämlich auf der einen Seite als Heilsbrin-ger in stark überhöhter Weise heroisiert, auf der anderen Seite abermassiv und weit über Sokrates hinausgehend als materialistischeMonster kritisiert.

Generation Z als Heilsbringer: Alles wird wunderbar!

Wie man sich die wunderbare Wirklichkeit mit den Vertretern derGeneration Z vorstellt, kann man im Artikel »Generation Z kommtauf Arbeitsmarkt« in der schweizerischen Handelszeitung nachlesen12:»Sie sind es gewohnt, rasch auf Veränderungen zu reagieren und sindtendenziell risikofreudiger. Zudem sind sie selbstbewusst, forderndund brauchen Freiheiten. Bevor sie einen Auftrag ausführen, möchtensie verstehen, weshalb sie dies tun sollen.« Das klingt natürlich mehrals sympathisch, wenngleich man sich die Frage stellt, ob nicht auchandere Generationen den Sinn der Arbeit erfahren wollten.

Sympathisch klingt auch die Beschreibung der zukünftigen Arbeits-moral und der Arbeitsorganisation, wobei häufig der auf den erstenBlick sehr ähnliche Begriff »Digital Natives« Verwendung findet: »Dieneue Generation Z will nicht weniger leisten, aber sie will selber ent-scheiden, wann, wie und wo sie ihre Aufgaben erledigt. […] Zudemsind die Digital Natives gewohnt, mit neuen Medien und Technologiewie Smartphone oder Tablet-PC umzugehen. Sie können von überallher E-Mails beantworten und sehen deshalb keine Notwendigkeit,jeden Tag von 8 bis 18 Uhr im Büro zu sein. Was letztlich zählt, sinddie Resultate. Weil die heutige Jugend keine klare Trennung zwischenPrivat- und Berufsleben macht, ist sie flexibler einsetzbar.«

Freiheit als Motiva-tion

In diesem Argument steckt eine Argumentationskette, dieuns im Zusammenhang mit der Generation Z immer wieder

begegnen wird. Sie besteht aus fünf positiv zu bewertenden Elemen-ten: (1) hohe Leistungsbereitschaft, (2) hohe Technologiekompetenz,wodurch sich (3) eine räumliche Unabhängigkeit und (4) eine fließen-

20 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 11: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

de Verbindung von Berufsleben mit Privatleben ergibt, was sich letzt-lich für Unternehmen in (5) erhöhter Flexibilität und besserem Unter-nehmenserfolg auszahlt.

Die einzige verbleibende Frage, die sich bei einer derartig positivenBetrachtung der Wirklichkeit stellt, betrifft die Führungskräfte der üb-rigen Generationen mit ihrer Fähigkeit, sich rasch und umfassend aufdie Wünsche dieser Generation Z einzustellen. Oder anders formu-liert: Wann verstehen die anderen Generationen endlich, dass – zumGlück – an der Generation Z kein Weg vorbei geht?

Ein etwas umfassenderes und zudem stilistisch wunderschön ausge-schmücktes Beispiel für diese Heroisierung der jungen Generation istein Artikel aus der ZEIT, in dem eine Journalistin – sie liegt mit Jahr-gang 1982 am Übergang von Generation X zu Y – in »Wir«-Form be-schreibt, wie die aktuell-junge Generation die Arbeitswelt verändernwird13: »Wir wollen arbeiten. Nur anders. Mehr im Einklang mit un-seren Bedürfnissen. Wir lassen uns im Job nicht versklaven, dochwenn wir von einer Sache überzeugt sind (und der Kaffeeautomatnicht streikt), geben wir alles. Wir suchen Sinn, Selbstverwirklichungund fordern Zeit für Familie und Freunde.«

Dann kritisiert sie die aktuelle Arbeitswelt weitgehend zutreffend,indem sie auf Stress, Burnout, Ungerechtigkeit und viele andere un-schöne Nebeneffekte eingeht, um dann auf ihr eigentliches Credo zukommen: »Meine Generation will das ändern. Und die Älteren kön-nen uns dankbar sein, denn auch sie wollen anders arbeiten. Auch siewünschen sich mehr Flexibilität und mehr Freiräume, wie Studien be-legen, auch sie sehnen sich nach regelmäßigem Feedback und einerklaren Perspektive. Meine Generation kämpft also nicht nur für sich,sie kämpft für eine Kultur, die allen nützt.«

Demografie alsWaffe

Danach kommt ein immer wiederkehrendes Argument:»Was uns von älteren Arbeitnehmern unterscheidet, ist, dasswir einen Trumpf in der Hand halten, der unseren Eltern und Großel-tern vorenthalten war. Es ist der Trumpf der Demografie, die Machtder Knappheit in einem Land, dem allmählich die Fachkräfte ausge-hen.«

Wieso die Generation Z uns alle fasziniert 21

Page 12: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Die Konsequenz daraus ist für die Autorin des Beitrags ein klares Bildder zukünftigen Arbeitswelt: »Eine an Ort und Zeit gebundene Arbeitist ein Relikt aus der Industriegesellschaft, als es noch eine klare Tren-nung zwischen Beruf und Freizeit gab. Die heutige Berufswelt wandeltsich aber mehr und mehr zu einer Kreativ- und Wissensökonomie, inder sehr viele Arbeiten am Computer von einem beliebigen Ort mitInternetzugang aus erledigt werden können. Warum also nicht malum vier Uhr das Büro verlassen, um im Cafe oder abends zu Hauseweiterzuarbeiten? Smartphones und Laptops verwandeln den Arbeits-platz in ein mobiles Büro. In unserer Welt zerfließen die Sphären ausArbeit und Privatleben wie die Milch und der Espresso in unseremLatte Macchiato. Wir lesen auch nach Feierabend Arbeits-Mails, wol-len dann aber im Büro auch Facebook nutzen dürfen.«

Ganz typisch für die Debatte ist auch diese Aussage, die von der ZEITAkademie stammt:14 »Da kommt eine Generation mit anderen Vor-stellungen von Arbeit, Zusammenarbeit und persönlicher Entwick-lung, als es die Masse der Mitarbeiter in den Unternehmen gewohntist. Dabei kann die Generation [...] sich auch noch auf ihre Wichtig-keit verlassen: Demografische Entwicklungen machen sie unverzicht-bar. Man wird sich um deren Wünsche kümmern müssen, wenn mansie haben oder halten will.«

Wir sehen immer wieder die gleiche Argumentation, die im Ergebnisin eine fluid-flexible Arbeitswelt mündet, bei der die neue Generationdie Karten im Interesse aller geschickt ausspielt, die ihr der demogra-fische Druck in die Hände gespielt hat. Letztlich fehlen scheinbar –wie auch im Artikel aus der Handelszeitung – nur noch die harten undkonsequenten Umschulungsmaßnahmen für diejenigen Vertreter deranderen Generationen, die bisher sinnfrei-bedrückt in Hamsterräderngeglaubt haben, irgendeinem offenbar völlig überflüssigen Wohlstandnachzulaufen.

Generation Z alsHoffnungsträger

Unabhängig davon, ob die Demografie wirklich der jungenGeneration in die Hände spielt, und ob wirklich alle anderen

Generationen wie Lemminge bereitwillig Hamster gespielt haben, fin-det man schließlich in BRAND EINS eine alles zusammenfassendeCharakterisierung:15 »Die Generation Digital ist mit Computern,Smartphone und Internet aufgewachsen. Um sie zu ködern, müssen

22 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 13: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Unternehmen mehr bieten als nur Jobs.« Nicht überraschend kurz da-rauf auch der Hinweis darauf, was geboten werden muss: »Freiheitund Flexibilität« und »Räume für Spieltrieb, hohe Transparenz. Wirwollen wissen, welcher Kollege welche Visionen hat. Und wir wollenMentoren statt Chefs.« Gleichzeitig lernt man, dass auch Unterneh-men wie die Telekom dabei sind, »sich hübsch für diesen Flirt« zu ma-chen. Dazu kommt ein damaliger Personalvorstand der Telekom zuWort. Er »kann sich vorstellen, im Rahmen einer neuen Form der So-zialpartnerschaft ›noch innovativere Beschäftigungsformen zu etablie-ren‹. Zum Dating gehören Komplimente: Die Digital Natives seien›Vorreiter neuer Lebens- und Arbeitsmodelle, und dies im Wissenihrer Marktmacht‹, schmeichelt der Manager. ›Talente müssen sichnicht den Strukturen eines Konzerns unterordnen, sondern der Kon-zern muss sich an den Bedürfnissen seiner Talente ausrichten‹.« Undkomplett wird dann der Traum in diesem Artikel mit den Vertreternder Generation Z, denn die »vermischen Beruf und Privatleben ganznatürlich«.

Neben der einen Gruppe, die sich aus allen vier Generationen zusam-mensetzt und über die Perspektiven der Generation Z jubelt, stehteine ganz andere Meinung.

Generation Z als materialistische Monster: Vorsicht, wir werdenaufgefressen!

Auf dieser anderen Seite gibt es sie, die negativ geprägten Gegenmei-nungen, die ganz massiv vor der Generation Z warnen und die dabeiganz spezifische Merkmale dieser Generation abschreckend in denMittelpunkt ihrer Plädoyers stellen.

Generation Z alsBedrohung

Die Bloggerin »Go2Mommy« beschreibt in ihrem Blog16 wiesie die Generation Z erlebt und verwendet bereits in derÜberschrift den markanten Ausdruck »materialistische Monster«. IhrHauptargument: Jugendliche sind an einem Punkt angelangt, wo siesich letztlich nur mehr über materiellen Besitz definieren und darausihr Selbstwertgefühl ableiten. Gleichzeitig gehen sie brutal und herab-lassend nicht nur mit Erwachsenen um, sondern auch mit ihren Al-tersgenossen, die nicht das Glück angemessen reicher Eltern haben.Bereits im Grundschulalter wird danach Status durch Besitz definiert

Wieso die Generation Z uns alle fasziniert 23

Page 14: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

und die Anerkennung in der Gruppe durch den Besitz des neuestenSmartphones.

Die Angst vor der Generation Z mit ihren kleinen und großen Mons-tern spürt man bereits im Umgang mit Kindern in Aussagen17 wie»Wir haben Angst vor unseren eigenen Kindern« oder »Eltern ver-nachlässigen ihre eigenen Bedürfnisse«.

Diese Kritik »an der Jugend« klingt in vielen Punkten dem ähnlich, wieauch Eltern früherer Generationen über ihre Kinder geurteilt habenund sollte deshalb nicht überbewertet werden. Allerdings übersteigtzum einen die Intensität dieser Entwicklung das Niveau der Vorgänger-generationen, zum anderen agieren diese »kleinen Monster« offenbarauch massiv gegeneinander. So schraubt gerade die konsequente Ein-bindung in einen internetbasierten Erfahrungsaustausch die Messlattefür den Standard hoch, der zur Grundausstattung eines Vertreters derGeneration Z gehört. Dass diese »Monster« – und hier bietet sich deretwas grenzwertige Vergleich zu den eingangs erwähnten Zombies an –gerade auch die sozialen Medien bis hin zu einer konkreten Belästigungihrer Altersgenossen nutzen, verstärkt die Problematik.

Sexting = Sex +Texting

Denn jetzt sind es nicht mehr »nur« wie früher einzelne Ak-tivitäten von einzelnen Personen gegen einzelne »Gegner«:

Vielmehr lassen sich durch soziale Medien sofort und ohne viel Auf-wand ganze Wellen auslösen, die dann auf das ab diesem Zeitpunktvöllig wehrlose Opfer niederprasseln. Vieles von dem, was diese »klei-nen Monster« mit- und gegeneinander anstellen, basiert dabei aufeiner fast schon rührend wirkenden Naivität. Exemplarisch dafürsteht das »Sexting« als Wortkombination aus Sex und Textbotschaft.Hier ging es am Anfang primär um das Versenden von thematischeindeutigen Aussagen, führte dann aber rasch dazu, dass vor allemjüngere Mädchen etwas freizügige Fotos im engsten Freundeskreisverschickten, was in den USA bereits einen gravierenden Gesetzesver-stoß darstellt. Das war und ist aber nicht das alleinige Problem: Vieldramatischer wurde die oft weitreichende Weiterleitung dieser Fotosin tsunamiartiger Form. Gegen eine derartige Massenverbreitung imWorld Wide Web ist dann nichts mehr zu machen.

Um sich abzusichern und trotzdem nicht auf diesen Spaß zu verzich-ten, bekam die Generation Z das Computerprogramm »Snapchat«.

24 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 15: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Diese Applikation erlaubt es, Fotos zu machen, die sich nach wenigenSekunden selbst zerstören und deshalb auch nicht mehr weiter ver-breitungsfähig sein sollten. Dass man – zumindest am Anfang – durchein einfaches Kopieren des Bildschirminhaltes dieses Foto genauso si-chern und verbreiten konnte, war aber den meisten offenbar eher di-gital-naiven Nutzern offenbar ebenso wenig bekannt wie das Potenzialdes sich mit den Bildern aufbauenden »Shitstorms« als unkontrollier-bare Verleumdungs- und Kritikwelle im Internet.

Cybermobbing undCyberbullying alsAusdrucksform derGeneration Z

Die »kleinen Monster« der Generation Z kämpfen über alleverfügbaren Kanäle nicht nur mit den anderen (älteren) Ge-nerationen, sondern richten über soziale Medien ihrenBannstrahl gerade gegen andere Vertreter ihrer Generation.Das Ergebnis ist dann Cyberbullying beziehungsweise Cybermob-bing18, ein Phänomen, von dem 39 Prozent der Jugendlichen inDeutschland zwischen 8 und 17 Jahren bereits betroffen sind19. Übli-cherweise20 versteht man darunter die bewusste und wiederkehrendeSchädigung einer anderen Person durch soziale Medien, wobei Tätermeist anonym bleiben, die Angriffe unkontrollierbare Verstärkungdurch ein breites Publikum erfahren und die Opfer teilweise fastschon zufällig gefunden werden, dann aber in umgekehrter Weisedurch einen lawinenartigen Verstärkungseffekt brutal in der Hilflosig-keit erstickt werden. Denn anders als bei »einfachem« Mobbing oderBullying gibt es selten eine persönliche 1:1-Beziehung. Vielmehr kannein Täter viele kleine Monster auf den Weg schicken, die dann alle daseine Opfer treffen und manchmal sogar mit seinem Tod enden: Auchwenn in den dazu dokumentierten Fällen manchmal junge Erwachse-ne Auslöser waren, agierten dabei doch immer Kinder als monsterar-tige Multiplikatoren.21

Jede Kritik an derjungen Generationist gefährlich.

Verglichen mit dem imposanten Altar, auf den die Lobprei-sungen für die junge Generation mit ihrer Lebenswelt ste-hen, gibt es eindeutig seltener kritische Stellungnahmen.

Der Grund dafür liegt in einem fast schon automatisierten Generati-onen-Diskurs: Schreibt ein Babyboomer auch nur einen kritischenHalbsatz über die junge Generation, beweist er, dass er Angst hat,diese Generation nicht versteht und überhaupt nicht einmal den Ein-schaltknopf seines Computers findet.

Wieso die Generation Z uns alle fasziniert 25

Page 16: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Ganz schlimm aber wird es, wenn sich jemand aus der Generation Zkritisch mit der eigenen Generation auseinandersetzt. Ein Beispieldafür ist Julia Engelmann. Auf YouTube22 sieht man, wie sie in einemvollen Hörsaal verspielt-schüchtern ans Mikrofon tritt und sich inihren Poetry-Slam-Vortrag »Eines Tages Baby« mit ihrer eigenenGeneration auseinandersetzt. Ihre Botschaft: Aufwachen und endlichTräume in die Tat umsetzen. Ansonsten bleibt nur die bedrohlicheKonsequenz, am Ende dazustehen und zugeben zu müssen, dass manes eigentlich fast geschafft hätte – aber eigentlich doch nicht, undes jetzt zu spät ist. Man hätte das Leben leben können, hat es abernicht. Auch wenn die Buchversion ihres Textes viele gute Rezensioneneinsammelte, gab es massive Kritik, beispielsweise im Feuilleton derWELT23: »Trauriges Klischee einer Generation von Nichtsnutzen.Julia Engelmann positioniert sich [...] mit 22 noch gegen das Er-wachsenwerden. Das ist nicht nur widersprüchlich, sondern auch Ruf-mord an einer ganzen Generation.« Aus ihrer Selbstkritik wird eine»persönliche Bestandsaufnahme einer jungen Frau, die sich ein wenigspätpubertär selbst reflektiert [...] ein trauriges Klischee einer ver-meintlichen Generation von Nichtsnutzen, die viele Träume haben,aber vor lauter Katzenvideos auf YouTube nichts gebacken bekom-men«. Sicherlich wird Julia Engelmann angesichts ihres Top-Rangesfür die Buchfassung bei Amazon und rund 7 Millionen Aufrufe ihresVortrages bequem mit dieser Kritik leben können. Trotzdem zeigt sie,wie gefährlich Selbstkritik der Generation Z sein kann.

Selbstkritik der Ge-neration Z ist noch

gefährlicher.

Das Gleiche erlebte eine andere Vertreterin der jungen Ge-neration im SZ-Magazin24 für ihren Artikel »Hilfe, die Weltwill was von uns: Sie sind ängstlich, lieb und unfähig, Ver-

antwortung zu übernehmen – was ist bloß mit der Generation der 25-Jährigen los?«. Auch gegen ihre Aussagen wie »wir sind vor allemsüchtig danach, etwas zu sagen«, »Tendenz zur Affirmation« und»Meine Generation macht einfach alles irgendwie ein bisschen« hagel-te es im Forum zu diesem Beitrag massive Kritik. Und das, obwohlbeispielsweise ihre Schilderung einer Vorlesung wirklich makaber ist,bei der ein Professor auf eine neoliberale Rechtfertigung von Kinder-arbeit keinen Widerspruch bekam, sondern lediglich ein »Oh Mann,so kommen wir mit dem Stoff ja nie bis Semesterende durch!«.

Also: Vorsicht mit Kritik und negativ wirkenden Erklärungen zur Ge-neration Z!

26 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 17: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Generation Z als Fragezeichen: Nichts Genaues wissen wir nicht!

Die Positionen der absoluten Heroisierung und des absoluten Ver-dammens lassen sich nur schwer in einen Kompromiss auflösen: Zuunterschiedlich liegen sie diametral gegenüber.

Neo-Biedermeierals Lebensentwurfder Generation Z

Wie perfekt eine Auseinandersetzung mit der jungen Gene-ration in ein einziges großes Fragezeichen mündet, sah manbei einem Diskussionsabend an der WirtschaftsuniversitätWien25: Da beklagt eine Studentin, dass Unternehmen ihr nicht genug»Respekt und Akzeptanz« entgegen bringen, weshalb sie auch generellnicht in Unternehmen arbeiten wird. Dass hinter vielen Verhaltens-weisen der Jugendlichen purer Individualismus (positiv formuliert)beziehungsweise purer Egoismus (negativ formuliert) steckt, darübersind sich aber alle einig. Selbst ein Jahr in der Dritten Welt zu verbrin-gen, kann danach als egozentrischen Grund den Wunsch zur Selbst-verwirklichung haben und sich damit erklären lassen. Einig war mansich auch darüber, dass die Bereitschaft, sich zu Tode zu arbeiten, ge-sunken ist und ein Neo-Biedermeier regiert, bei dem die Familie unddas Häuschen im Grünen dominieren.

Auch andere Gene-rationen haben»Nein« gesagt.Jetzt aber wird das»Nein« akzeptiert.

Bereits wegweisend und vielsagend ist die Überschrift desBerichts zur Veranstaltung: »Die Generation, die Nein sagenkann.« Dahinter steckt zunächst einmal eine Generation, dietatsächlich Nein sagt. Sie weigert sich also, Dinge zu tun, diesie nicht will, und sie verweigert sich unter anderem den Karrieremus-tern der vorherigen Generationen. Interessant ist dabei das Wort»kann«: Bedeutet es nur »sie tut es« oder bedeutet es auch, dass sie dasRecht und die Möglichkeit hat? Was an dieser Stelle undiskutiertblieb: Auch die vorigen Generationen haben »nein« gesagt: Die Baby-boomer zum Vietnam-Krieg und zu vielen gesellschaftlichen Verwer-fungen, die Generation X zum Leistungsstreben und die Generation Yteilweise zu ihrer eigenen Gesundheit. In allen diesen Fällen hat »dieGesellschaft« dieses »Nein« nicht akzeptiert und es massiv unter-drückt. Genau das aber ist anders: Das »Nein« der Generation Z ist of-fenbar damit salonfähig und akzeptabel.

Demnach gibt es drei zentrale Probleme: Als reines Wahrnehmungs-problem scheint es schwierig zu sein, die Merkmale der Generation Züberhaupt angemessen zu erfassen. Als tiefer liegendes Erklärungs-

Wieso die Generation Z uns alle fasziniert 27

Page 18: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

problem fehlen Deutungsmuster, die das komplexe Zusammenspieldieser Faktoren entschlüsseln und vor allem zeigen, dass in beidenempirisch beobachtbaren Extrempositionen Wahrheit steckt. Undschließlich bleibt das Gestaltungsproblem und die Frage, wie die Ge-neration Z mit der Gesellschaft beziehungsweise die Gesellschaft mitder Generation Z umgehen sollte – was in beide Richtungen offenbaranders verläuft als früher.

Wo die empirische Basis liegt: Es gibt mehr Daten, als es den

Anschein hat

Ihr Job ist ihr Mittel zum Zweck: Emily macht ihn gerne, begrenzt ihnaber kategorisch auf den Zeitraum zwischen 9 und 17 Uhr, versucht alsoaußerhalb dieses Zeitraumes überhaupt nicht an Job und Firma zu den-ken. Denn Emily besteht auf einer klaren Trennung zwischen »Work« und»Life«. Trotzdem möchte Emily sich während ihrer Zeit im Unternehmenwohlfühlen und deshalb besteht sie auch auf einem eigenen kleinen Büro:Hier kann sie in Ruhe arbeiten, denn auch wenn sie ein kühl-distanziertesVerhältnis zu ihrem Unternehmen hat – oder besser gesagt zu allenUnternehmen –, arbeitet Emily gerne und versucht den ihr gestelltenAufgaben im Rahmen der Möglichkeiten gerecht zu werden.

Woher kommen die Informationen, die in diesem Buch Verwendungfinden?

Erstens gibt es schon jetzt eine ganze Reihe von Studien, die sich explizitmit der Generation Z oder aber mit aktuellen Mitarbeitern der jüngerenGeneration unserer Arbeitswelt beschäftigen. Diese Studien sind im Re-gelfall breit angelegt und basieren auf Befragungen und Interviews. DieDaten stammen vorrangig aus den U.S.A., Australien und Europa,wobei sich die U.S.A. und Australien noch früher als Deutschland mitdiesem Thema konfrontiert sahen: Wie man mit der Suchfunktiongoogle.com/trends erkennen kann, beginnt das Phänomen im Februar2008 in den U.S.A., greift dann 2010 auf Australien über und erreichterst 2014 mit Frankreich und Italien auch ansatzweise Europa. In ande-ren Ländern ist diese Generation Z – zumindest hinsichtlich ihrer Re-flexion im Internet – weniger bis überhaupt nicht angekommen.

Derartige Studien gibt es inzwischen aus diversen Ländern. Wie sehrsich die Generation Z nicht nur als westeuropäisches Phänomen, son-

28 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 19: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

dern über die US-amerikanischen und vor allem australischen Ju-gendlichen hinausgehend als ein globales Phänomen mit Anste-ckungskraft auslebt, belegt dazu ein Aufsatz aus einer wissenschaftli-chen Zeitschrift, den zwei Forscher aus Gazibad (einem Vorort vonNew Delhi) verfasst haben26: Sie argumentieren ähnlich wie in denbeiden zuvor beschriebenen Artikeln, betonen allerdings zusätzlichzur Technologiebegeisterung und zur Arbeitsflexibilität vor allem diegute Ausbildung, den absoluten Drang zur Führung und die Fähigkeitzur multiplen Kommunikation über alle Kanäle. Gleichzeitig ist fürdie Generation Z die neue Technologie etwas so Normales, dass sieNormalität mit Gewohnheit verbindet. War also für die Generation YTechnik noch faszinierend und wurde noch jeder technologischeGimmick entsprechend bestaunt, gilt offenbar für die Generation Zdie absolute Dominanz der Simplizität. Die Technologie ist lediglichMittel zum Zweck und soll helfen, Probleme zu lösen und das Lebeneinfacher zu machen. Konnte sich also die Generation Y noch für IT-Innovationen begeistern, ist die Generation Z ein Gewohnheitstier.Für die Generation Y waren technologische Neuerungen primär inte-ressante Gimmicks, die »auseinandergenommen« wurden; für die Ge-neration Z sind sie lediglich Werkzeug, um ein Ziel einfacher zu errei-chen. Aus diesem Grund hat die Generation Z auch wenig Interessean Überlegungen darüber, was die Zukunft mit der Informationstech-nologie noch vorhat.

Eine zweite Gruppe von Belegen, die Phänomene der aktuellen Le-benswelt thematisieren, kommt aus Zeitschriften und insbesondereaus Zeitungsartikeln. Hier kommen Ausdrücke wie »Kuschelkohorte«und »wollen die überhaupt arbeiten« her. Diese Beispiele stellen zwarfür sich genommen singuläre Ereignisse dar, entwickeln aber gemein-schaftlich Relevanz und können deshalb – kritisch reflektiert – alsGrundlage für weiterführende Überlegungen dienen.

Drittens kann man auf eine Vielzahl von leicht zugänglichen Quellenaus den sozialen Netzwerken zurückgreifen, also auf Blogs, Foren undviele andere Varianten der weitgehend hierarchiefreien Kommunika-tion. Auch Kommentare zu Beiträgen sind dabei als Informations-quellen oft vielsagend. Soziale Medien sind die Informationsformender Generation Z und vor allem wegen ihrer Authentizität, also unge-filterten und manchmal unreflektierten Meinungen, interessant. Zwei-

Wo die empirische Basis liegt: Es gibt mehr Daten, als es den Anschein hat 29

Page 20: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

felsohne sind diese Quellen nicht empirisch geprüft und in ihrer Zu-verlässigkeit diskutierbar. Trotzdem geben sie einen Eindruck dessenwieder, wohin und wie sich die Generation Z gegenwärtig entwickelt.

Schließlich gibt es viertens dokumentierte Einzelbeobachtungen. Siesind von ethnografischer Natur und haben den Vorteil, dass sie sichauf konkretes Verhalten beziehen. Anders als reine Einstellungsbefra-gungen »wie sehen Sie …?« geht es hier um Realität. Wird also aufDruck von Mitarbeitern eine Betriebsvereinbarung abgeschlossenoder treten verstärkt »Beschwerden« über klar definierte Verhaltens-merkmale bei Führungskräften bezogen auf die junge Generation auf,so sind dies Befunde, die man zwar nicht überbewerten, dennoch abernicht ignorieren sollte.

Schließlich kann teilweise und mit entsprechender Vorsicht auch aufStudien zur Generation Y zurückgegriffen werden. Denn gerade dieseGeneration Y mutiert an ihren Rändern bereits in Richtung des Wer-tesystems der Generation Z. Deswegen weichen ältere Arbeiten zur»reinrassigen« Generation Y auch von jüngeren Arbeiten zur Genera-tion Y ab, die sich streng genommen eigentlich schon auf die Genera-tion Z beziehen.

Was wir von der Generation Z schon wissen: einige Antworten und

viele Fragezeichen

Emily war vor kurzem noch eine Studentin einer mittelgroßen Univer-sität. Sie hat ihr Smartphone immer in der Hand. Statt zu sprechen,schreibt sie lieber Textnachrichten. Sie präferiert Onlinekommunikati-on – meist mit Freunden, die sie noch nie getroffen hat. Sie verbringtnicht viel Zeit im Freien, außer Erwachsene organisieren diese Aktivitä-ten in allen Details für sie. Sie kann sich überhaupt nicht vorstellen,ohne ein Smartphone zu leben. Sie kennt keine Welt ohne WLAN undTerrorismus. Computer sind ihr lieber als Bücher, denn sie möchteunmittelbare Resultate. Sie ist aufgewachsen in einer wirtschaftlichschwierigen Zeit und steht unter heftigem Erfolgsdruck. Eigentlich istsie etwas zu schnell groß geworden und eigentlich zeigt sie ein Verhal-ten, das weiter (erwachsener) ist als ihr Lebensjahr. Das klingt bekannt?Ja, sie gehört zur Generation Z, benannt nach dem letzten Buchstabenim Alphabet und die Generation wird bald an der Spitze unserergravierendsten wirtschaftlichen, sozialen sowie ökologischen Probleme

30 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 21: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

stehen. Bisher hat die Generation Z noch wenig Aufmerksamkeitbekommen, weil die Medien sich primär noch mit der Generation Ybeschäftigt haben. Doch jetzt kommt die Generation Z und die istanders.27

Der Generation Z gehört offenbar die Zukunft. Dieser Eindruckkommt auf, wenn man Überschriften wie »Vergesst die Generation Y.Macht Euch bereit für die Generation Z«28 liest: Hat man sich geradeansatzweise mit der Generation Y befasst, kommt jetzt also die Gene-ration Z, nur im Heute lebend und gekennzeichnet von einer noma-denhaften Mobilität, die vor allem die Arbeitswelt betrifft. Bemerkens-wert bei dem zu dieser schönen Überschrift gehörenden Artikel istauch die langsam immer deutlicher auftretende Erkenntnis, dass sichunsere Gesellschaft – und damit auch, aber nicht nur die Unterneh-men – viel zu spät auf die Generation Y eingestellt hat und es teilweisenoch immer nicht verstanden hat, den Schritt aus der alten Lebens-welt heraus zu vollziehen. Deshalb kommt die Forderung, diesmal zuversuchen, rascher und vor allem angemessener auf die Generation Zzu reagieren. Das setzt aber voraus, sie zu kennen und ihre Charakte-ristika zu verstehen.

Generation Z als Klassifikation

Die Generation Zfolgt altersmäßigungefähr ab 1995auf die Generation Y.

Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, dass die GenerationZ streng dem Alphabet folgend nach den Generationen Xund Y kommt. Als tendenzieller Beginn gilt das Geburtsjahr1995, ein Startwert, den viele Arbeiten29 zur Generation Zverwenden. Andere Autoren30 positionieren den Anfang der Genera-tion Z etwas früher und legen ihn auf 1991 fest. An dieser Stelle seiaber noch einmal darauf hingewiesen, dass Generationen nicht nurüber die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Alterskohorte zu definie-ren sind.

Nur einige wenige verwenden den Begriff völlig anders: Einer davonist Reinhard Mohr31. Er spricht in seinem Buch Generation Z oderVon der Zumutung, älter zu werden über das »Jenseits des Jürgen-Drews-Schemas (Modell Sonnenbank)« und das »Iris-Berben-Phäno-men (will nicht älter werden)«, woraus sich die zentrale Herausforde-rung einer Generation ergibt, die auf die 60 zugeht und übergangslosvon der optimistisch-selbstsicheren Revolte der Jugend in die zynisch-

Was wir von der Generation Z schon wissen 31

Page 22: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

verunsicherte Desillusionierung wechselt. Auch wenn der Autor voneiner Generation Z spricht, meint er das, was man inzwischen allge-mein als die Babyboomer bezeichnet.

Tabelle 1 bringt eine Zusammenstellung der klassifikatorischen Merk-male, der verschiedenen Generationen, wie man sie teilweise bereitsauch in der Literatur findet.32 Eher selten taucht für Babyboomer derAusdruck »Generation Jones« auf, der auf die große und an Beliebig-keit grenzende Zahl der Vertreter dieser Generation anspielt.33 DerBegriff »Homeland Generation« wird üblicherweise nur in den U.S.Averwendet für die Generation, die nach den Millennials kommt34; erentspricht also sowohl zeitlich als auch inhaltlich dem, was in diesemBuch als »Generation Z« bezeichnet wird. Die Bezeichnung »Genera-tion Homeland« für die Generation Z ist typisch für die U.S.A., weilsie sehr stark auf eine Umwelt rekurriert, die durch die Terroranschlä-ge vom 11. September geprägt ist, noch stärker aber durch die daranansetzenden Gesetzgebungen und die allgemeine politische Stimmungder Unsicherheit.

Eine kleine Randanmerkung zu den Musikern: Manchmal wird vonprominenten Experten35 die 1987 gegründete Band Nirvana der Gene-ration Y zugeordnet, was vom Zeitfenster her nicht ganz falsch ist,wohl aber vom Lebensgefühl her nicht stimmt: Denn Nirvana traf wiekaum eine andere Gruppe den Geist der Generation X.

Normcore als neuerJugendmodus

Noch nicht klar definiert ist das, was im Modebereich ty-pisch für die Generation Z ist. Ein Vorschlag dazu, der auch

gut zur weitgehend üblichen Charakterisierung der Generation Zpasst, ist Normcore als akzentuierte, aber etwas langweilige Normali-tät36: »Als Manifest von ›Normcore‹ gilt der jüngste Trendbericht desNew Yorker Künstlerkollektivs K-Hole. Darin wird die Geburt des›Youth Mode‹ (Jugendmodus) verortet, der sich gerade in der Verwei-gerung von jugendlichem Styling manifestieren soll. In dem Berichtwird das Bild einer Generation entworfen, die kaum noch Chancenauf Rebellentum und Individualismus hat, da jeder Ansatz dazu sofortkommerzialisiert und auf Massenware getrimmt wird.«

32 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 23: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Babyboomerungefähr ab1950

Generation Xungefähr ab1965

Generation Yungefähr ab1980

Generation Zungefähr ab1995

Alternative Namen Generation Jones Generation Me Millennials Homeland

Präsidenten Kennedy / Brandt Reagan / Schmidt Clinton /Kohl Obama/Merkel

Musiker Woodstock/Peter Kraus

Nirvana /Die Toten Hosen

Red Hot Chili Pep-pers / Die fantasti-schen Vier

Miley Cyrus /Conchita Wurst

Damenbekleidung Minirock Hot Pants Leggings Normcore

Filme Easy Rider/ZurSache Schätzchen

Reality Bites/Angstessen Seele auf

500 Days of Sum-mer/Lola rennt

Tribute von Panem/Fack Ju Göhte

Tabelle 1 Klassifikatorische Merkmale der vier Generationen

Eine Studentenstudie37 aus dem Jahre 2014 fasste die aktuelle Genera-tion treffend knapp und pointiert mit folgender Charakterisierung zu-sammen: »Biedermeierliches Faible für Mutti und Merkel«, wobeiman fairerweise ihren Sieg in der Politikerpräferenz zwar konstatierenmuss, aber nur mit 4 Prozent – deutlich weniger als früher für politi-sche Akteure wie John F. Kennedy.

An dieser Stelle ein kurzer terminologischer Einschub, der erklärt,warum in Tabelle 1 der Ausdruck »Digital Natives« fehlt. Üblicher-weise wird nicht zwischen »Digital Natives« und den Generationen Ybeziehungsweise Z getrennt, weil diese den gleichen Altersgruppenentspringen. Allerdings gibt es einen klaren Unterschied: Mit »DigitalNatives« werden Hoffnungen und Prognosen verknüpft, die alledarum kreisen, dass Digital Natives in der neuen digitalen Welt großgeworden sind und die fast schon unbegrenzte Bereitschaft haben,diese Fähigkeiten entsprechend zu nutzen. Digital Natives ist also einMöglichkeitsraum. Ob und wie die Generation Z ihn tatsächlich nutzt,gilt es noch zu hinterfragen. Dabei geht es um Lebenswirklichkeit plusTechnologienwirklichkeit – vor dem Hintergrund einer Generati-onenwirklichkeit, also des zombiehaften Durchschlageffektes auf an-dere Generationen.

Generation Z als Pendelbewegung

Eine beliebte und oft herangezogene Theorie, die das Entstehen vonGenerationen erklärt, geht von Pendelbewegungen als alternierendeGegenbewegungen aus. Das verhält sich dann im Wesentlichen wie

Was wir von der Generation Z schon wissen 33

Page 24: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

bei der Länge von Röcken und Haaren: Fallen sie in einem Jahr kurzaus, werden sie bald auf »lang« wechseln. Für unsere Diskussion derGeneration Z scheinen vor allem fünf Pendelbewegungen interessant(Tabelle 2):

Relativ eindeutig fallen bei dieser Pendelbewegung die Befunde zurrollenmäßigen Ausrichtung aus38: Während die Babyboomer fastschon zwangsläufig als Gruppe und damit eher kollektivistisch agie-ren, kippt die Generation X genau in die gegensätzliche Richtung unddamit in den Individualismus. Es folgt die eher kollektivistische Gene-ration Y, bei der es zwar auch Einzelkämpfer gibt, die sich aber fastschon sportlich über die Gruppe definieren. Danach ist klar: Generati-on Z wird wieder individualistisch.

Pendeln zwischenglobaler Gesell-

schaft und lokalerGemeinschaft

Obwohl es am Anfang für sie noch kein Internet gab, starte-ten die Babyboomer – auch als Reaktion auf den zweitenWeltkrieg – mit einer globalen Perspektive mit gesellschaftli-chem Fokus 39: Man interessierte sich für die Welt von Kuba

über Korea bis hin nach Vietnam und selbst Themen wie Lateinameri-ka (CIA) sowie Afrika (Apartheid) waren gesellschaftspolitisch rele-vante Fragestellungen. Dementsprechend gab es nicht nur in Deutsch-land die 1968er-Bewegung, sondern auch analoge Gruppierungen inden USA (Berkeley 1964) und Chile (Putsch 1973). Die Pendelbewe-gung dazu war dann die Generation X, die sich auf ihr kleines lokalesSpielfeld reduzierte und den gesellschaftlichen Fokus durch die(Zweck-)Gemeinschaft ersetzte. Dieses Pendel schlug spätestens beider Generation Y um, geprägt durch die globale Internet-Euphorie,aber auch Ereignisse wie 9/11 und gesellschaftliche Themen wie Kli-mawandel oder freies sowie demokratisches Internet: Durch die glo-bale Vernetzung zur Suche nach Antworten auf diese Fragestellungenrückte wieder »Gesellschaft« etwas mehr in den Vordergrund. Undjetzt die Generation Z: Sie fokussiert trotz und teilweise sogar geradewegen des weltweiten Informationsangebots auf ihre kleine und lokaleGemeinschaft, wo sie Sicherheit und Geborgenheit findet.

Schließlich zwei weitere Merkmale zum Aktivitätsniveau40: Die Baby-boomer konzentrierten sich primär auf das berufliche Umfeld, demvieles und vor allem der Privatbereich untergeordnet wurde. Generati-on X reduzierte das berufliche Aktivitätsniveau und konzentrierte sich

34 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 25: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

auf den Privatbereich. Bei Generation Y dominierte wieder das Zieldes beruflichen Erfolges, der aber etwas mit dem Privatleben abge-stimmt wurde: In dieser Generation entstand dementsprechend pas-send der Begriff »Work-Life-Balance«. Die Generation Z ist wiedereine Pendelbewegung, wobei hier das Privatleben ganz klar dominiert.Trotzdem gibt es ein Engagement im Beruf, das aber deutlich schwä-cher ausfällt.

Babyboomerungefähr ab1950

Generation Xungefähr ab1965

Generation Yungefähr ab1980

Generation Zungefähr ab1995

Rolle Kollektivismus Individualismus Kollektivismus Individualismus

Bezug global lokal global lokal

Gruppengefühl Gesellschaft Gemeinschaft Gesellschaft Gemeinschaft

Aktivitätsniveau be-ruflich

hoch niedrig hoch mittel

Aktivitätsniveau pri-vat

niedrig mittel niedrig hoch

Tabelle 2 Alternierende Merkmale der vier Generationen (»Pendelbewegungen«)

Generation Z als Weiterentwicklung

Wenn man auf die Generation Z schaut, fällt einem sofort die techno-logische Weiterentwicklung ein, die sich auf Computer, aber auch indie eine Richtung auf Fernsehen, in die andere Richtung auf Tageszei-tungen bezieht. So lag die Fernsehnutzungsdauer 1970 bei 113 Minu-ten pro Tag, 2010 lag sie bei 220 Minuten und 2013 bei 242 Minuten.Einbußen dagegen musste die Tageszeitung hinnehmen. Wurde sie1970 noch 35 Minuten am Tag gelesen, so sind es 2014 noch 23 Minu-ten41.

Mindestens genauso interessant sind die Veränderungen in Normenund Werten der jeweiligen Generationen, denn einige folgen keinerPendelbewegung (wie bei Kollektivismus und Individualismus), son-dern einem klaren Trend. Eine der aussagefähigsten Studien zu die-sem Thema stammt von Jean Twenge42, die zusammen mit ihren Kol-legen seit 1976 amerikanische High-School-Schüler überwiegend ausder Altersgruppe 17 bis 18 Jahre nach ihren Wertvorstellungen befragthat.

Was wir von der Generation Z schon wissen 35

Page 26: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Das Ergebnis (Tabelle 3): Die Bedeutung der Freizeit als zielgerichte-ter Wert steigt generell über alle Generationen sukzessive an, wird alsoimmer wichtiger. Die Relevanz der extrinsischen Anreizsysteme wieGeld liegt bei den Babyboomern signifikant niedriger als bei Generati-on X und Generation Y. Auf der anderen Seite fallen aber drei Wertebeginnend bei Babyboomern bis hin zur Generation Y kontinuierlich,nämlich die intrinsische Motivation (zum Beispiel Spaß und Befriedi-gung an der eigenen Leistung), Altruismus (uneigennütziges Helfenbei anderen) und die soziale Ausrichtung. Bis auf die extrinsischenMotive liegen also klare Trends vor. Angesichts der Stärke dieserTrends ist davon auszugehen, dass sich zumindest diese weitgehendauch in der Generation Z fortsetzen. Dies alles lässt auf einen gesell-schaftlichen Wandel schließen, der zwangsläufig dramatische Konse-quenzen für das Miteinander haben dürfte, vor allem wenn man sichdie Tatsache der alternden Gesellschaft vor Augen hält.

Babyboomerungefähr ab1950+

Generation Xungefähr ab1965+

Generation Yungefähr ab1980+

Generation Zungefähr ab1995#

Freizeit relativ niedrig mittel * relativ hoch* hoch

extrinsische Anreize relativ niedrig relativ hoch** mittel* hoch

intrinsische Anreize relativ hoch mittel relativ niedrig* niedrig

altruistische Motive relativ hoch mittel relativ niedrig niedrig

soziale Motive relativ hoch mittel relativ niedrig* niedrig

Tabelle 3 Weiterentwickelnde Merkmale der vier Generationen (+nach Twenge et al., sowie Schullery43; # Fortschreibung durch denVerfasser; * signifikante Unterschiede; ** hoch signifikante Unterschiede)

Gerade an Trends, wie sie in Tabelle 3 dargestellt sind, setzen zwangs-läufig Kritikpunkte und Forderungen nach Erweiterungen an, wobeiman immer wieder betonen muss, dass es sich bei derartigen Merk-malen nie um Beschreibungen homogener Gruppen handelt. So steigtbei der Generation Y oft die intrinsische Motivation bei Problemlö-sungsprozessen, die Spaß machen. Dies gilt sowohl für den privatenals auch für den beruflichen Bereich. Ein Beispiel dafür ist die Leiden-schaft, die Spieler in Videospielen entwickeln können44.

36 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 27: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Generation Z als Diskontinuität

Besonders spannend bei der Diskussion der Generation Z sindschließlich die Werte, die sich weder als Pendelbewegungen noch alsTrendbewegungen ergeben. Denn diese Werte lassen sich überhauptnicht aus der Vergangenheit ableiten, sondern sind originäre undneue Werte der Generation Z: Trotzdem lassen sie sich empirisch be-obachten, logisch begründen und zur Grundlage von Handlungsemp-fehlungen machen (Tabelle 4).

Zunächst einmal zur Grundhaltung: Ein dominantes Startmerkmalder Babyboomer war der Idealismus, der teilweise immer noch in die-ser Generation ausgeprägt ist. Dieser Idealismus ist dabei – und dasübersehen Babyboomer häufig – nicht etwa der Verdienst dieser Ge-neration; er ist vielmehr ein Produkt der äußeren Umstände, vorallem aber der geradezu paradiesischen Zustände, die diese Generati-on vorgefunden hat und immer noch vorfindet. Die Generation X be-trachtete die nähere und weitere Welt dagegen eher skeptisch und fra-gend, während die Generation Y einen grenzenlosen Optimismus anden Tag legte. Was aber macht die Generation Z? Sie ist weder skep-tisch noch optimistisch, noch pessimistisch. Ihre Grundeinstellungkann man am ehesten mit dem Wort »Realismus« beschreiben. Sieweiß ganz genau, welche Probleme in unserer Umwelt relevant sind,angefangen vom Klimawandel bis zur Rohstoff- und Energiekrise. Sieweiß, dass Unternehmen Mitarbeiter nur dann in den Mittelpunktstellen, wenn sie diese brauchen, ansonsten werden sie freigesetzt. Sieweiß auch, dass Politiker mehr am nächsten Wahlsieg interessiert sindund weniger am Wohl der Bürger. Und sie weiß, dass Medien im Re-gelfall alles senden und drucken, was Quote und damit Geld bringt.Auch wenn es zwangsläufig Bereiche gibt, in denen die Generation Zdie Zukunft möglicherweise falsch einschätzt beziehungsweise deut-lich von anderen Prognosen abweicht, weiß sie sehr genau, was auf siezukommt. Das Stichwort lautet also »Realismus« und ist eine Charak-terisierung, die auch die Generation Z für sich selber akzeptiert.

Sucht man ein charakterisierendes Hauptmerkmal, so ist dies bei denBabyboomern die Selbsterfüllung. Auch wenn es nicht allen gelingt, sotraf und trifft es doch deutlich für diese Generation zu, während dieGeneration X mehr in der Perspektivenlosigkeit steckte. Deshalb do-

Was wir von der Generation Z schon wissen 37

Page 28: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

minierte hier das Suchen und weniger das Finden. Etwas völlig ande-res treibt die Generation Y an: Hier lautet das charakterisierende WortLeistungsbereitschaft. Ja, auch die Babyboomer wollten arbeiten, aller-dings sich nicht in der Intensität für Unternehmen und Karriere auf-opfern, wie es zumindest die extremen Vertreter der Generation Ynoch immer tun. Und jetzt zur Generation Z. Die Generation Z hatkaum noch emotionale Bindungen an Unternehmen und sucht dieseauch nicht. Dabei geht es nicht um irgendeine ethische Diskussionvon Loyalität und auch nicht um irgendeine Schuldfrage: Bindungund Loyalität gibt es weder zu Unternehmen noch zu irgendwelchenanderen Gruppierungen, abgesehen möglicherweise von Familie undganz engen Freunden. Gleichzeitig sucht die Generation Z aber derar-tige Beziehungen im Sinne von Kurzzeitbeziehungen: Für sie ist alsodas ganze Leben eine Ansammlung aus unterschiedlichen Lebensab-schnittspartnerschaften aus unterschiedlichen Bereichen. Bringt manjetzt Bindungslosigkeit mit der Suche nach neuen Andockmöglichkei-ten zusammen, so läuft dieses auf »Flatterhaftigkeit« hinaus wie einInsekt, das die Suche nach Nahrung von Blume zu Blume zieht.

Babyboomerungefähr ab1950

Generation Xungefähr ab1965

Generation Yungefähr ab1980

Generation Zungefähr ab1995

Grundhaltung Idealismus Skeptizismus Optimismus Realismus

Hauptmerkmal Selbsterfüllung Perspektivenlosig-keit

Leistungsbereit-schaft

Flatterhaftigkeit

Tabelle 4 Diskontinuierliche Merkmale der vier Generationen

Flatterhaftigkeit alsGegenstück zu Ver-

bindlichkeit

Spricht man mit Vertretern der Generation Z, so sind sie mitder Bezeichnung Realismus einverstanden. Den Ausdruck»Flatterhaftigkeit« mögen sie aber nicht so ganz: Dies lässt

sich zum einen damit begründen, dass »Flatterhaftigkeit« negativ kon-notiert ist, zum anderen aber auch damit, dass sich »Flatterhaftigkeit«erst dann begreifen lässt, wenn man sie im Vergleich zu einer für dieGeneration Z wenig bekannten Verbindlichkeit von Beziehungen undHandlungen sieht.

38 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft

Page 29: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Wo uns dieses Buch hinführen will: notwendiger Diskurs,

versuchsweise Erklärungen und irritierende Vorschläge

Arielle die Meerjungfrau wartet schon. Bis zum ersten Arbeitstag derneuen Kollegin dauert es zwar noch ein paar Wochen. Emily hattrotzdem schon eine Spielkarte mit dem Konterfei der Disney-Figur anden freien Laborplatz geklebt – als Willkommensgruß für die neueKollegin mit den roten Haaren. An Emilys eigenem Arbeitsplatz hängtAnna, die Schwester der Eiskönigin aus dem gleichnamigen Disney-Film – genau wie Emily hat sie lange braune Haare. Einen Tisch weitertanzt Meshua, die Freundin von Mogli aus dem Dschungelbuch –dieser Platz gehört einer Kollegin aus Indien. »Es ist mir wichtig, einnettes Team um mich zu haben«, sagt Emily, »Mein Arbeitgeber mussmich auch auf der menschlichen Ebene überzeugen.«45

Wie tickt die Generation Z? Um dieser Frage nach dem Verstehen zu-mindest ansatzweise auf den Grund zu gehen, wurden in diesem Kapi-tel A zunächst einmal die zentralen Eckpunkte der Generation sowiedie generellen Grundlagen des Generationenkonzeptes thematisiert.Vertiefend geht es jetzt in Kapitel B um das spezifische Umfeld derGeneration Z: Denn jede Generation wird maßgeblich von ihrer Um-gebung und von ihrer politischen sowie wirtschaftlichen Aktualitätgeprägt. Zum Verstehen gehört auch das Durchdringen des komple-xen Zusammenspiels der verschiedenen Generationen, denn es wirdnie ausschließlich die Generation Z geben. Dementsprechend kommtes in Kapitel C zu einem »Treffen der Generationen« mit erheblicherAnsteckungsgefahr.

Danach beginnt der eigentliche Diskurs und die tiefer gehende Analy-se: Sie besteht zum einen in Kapitel D aus den unendlich scheinendenund im Regelfall unendlich positiv besetzten technologischen Mög-lichkeiten. Kapitel E bringt dazu die Gegenthese und versucht zu bele-gen, warum gerade im Umgang mit der Generation Z einiges ganz an-ders zu kommen scheint, als es den Anschein hat. Dazu gibt es ersteErklärungsversuche, die sich beispielsweise an Beobachtungen wie derBindungslosigkeit und auch der »Gegenleistungslosigkeit« festma-chen, wonach die Generation Z (im Beruf wie im Privaten) keine Pro-bleme damit hat, Dinge einzufordern, ohne im Gegenzug dafür eineLeistung zu erbringen. Zur Analyse als Vorbereitung für den entspre-chenden Diskurs gehört die Auseinandersetzung mit dem multiplen

Wo uns dieses Buch hinführen will: notwendiger Diskurs 39

Page 30: A. Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle ... · glieder anderer Generationen über. Egal, ob Babyboomer, Generation X oder Generation Y: Sie alle können sich mit diesem

Spannungsfeld, das sich aus wechselseitigen Forderungen, Möglich-keiten und Restriktionen ergibt.

Das Buch zielt nicht nur auf Verstehen und Analysieren. Es will in denKapiteln F und G dementsprechend Anregungen dafür geben, wieman den vielfältigen Teilaspekten unserer aktuellen Lebenswelt mitder Generation Z begegnen und auf welche Fragen die Generation ZAntworten brauchen könnte.

40 Z wie Zombie: Eine neue Generation, die uns alle irgendwie doch betrifft